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Römisches Privatrecht Dr. Anna Plisecka II. Intestaterbfolge

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Römisches Privatrecht Dr. Anna Plisecka

II. Intestaterbfolge

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Intestaterbfolge

• Erbschaft tritt auf zwei unterschiedliche Wege ein:

Nach Testament

Nach Gesetz

• Die gesetzliche Erbfolge ist dabei subsidiär

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Intestatus

D. 50.16.64 (Paulus)

„Ein ohne Testament Verstorbener“ (intestatus) ist nicht nur derjenige, der kein Testament errichtet hat, sondern auch derjenige, aus dessen Testament die Erbschaft nicht angetreten worden ist.

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Struktur der agnatischen Familie

Hausvater

(pater familias)

Haussohn 1

(filius familias 1)

Enkelsohn 1

(nepos 1)

Enkelsohn 2

(nepos 2)

Haussohn 2

(filius familias 2)

Enkelsohn 3

(nepos 3)

Enkelsohn 4

(nepos 4)

Frau in Ehegewalt (uxor in manu)

Haustochter

(filia familias)

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Agnatische Familie

D. 50.16.195.2 (Ulpian) […] nach eigenem Recht (ius civile) bezeichnen wir als Familie mehrere Personen, welche der Natur nach oder rechtlich der Gewalt eines einzelnen unterworfen sind, wie zum Beispiel der Hausvater (pater familias), die Mutter (mater familias), der Haussohn (filius familias), die Haustochter (filia familias) und wer auch immer diesen auf gleiche Weise folgt, wie zum Beispiel Enkel und Enkelinnen und so weiter. Als pater familias wird derjenige bezeichnet, der im Haus die Vermögensgewalt innehat, und richtigerweise wird er auch mit diesem Namen so bezeichnet, wenngleich er auch kein Kind hat. Wir bezeichnen nämlich nicht seine Person [als solche], sondern die Rechtsstellung […].

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Hauserben (sui heredes) Gai. Inst. 3.2

Als Hauserben gelten aber […] die Hauskinder, die in der Hausgewalt des Sterbenden standen, wie beispielsweise ein Sohn oder eine Tochter, ein Enkel oder eine Enkelin, die von einem Sohn abstammen, ein Urenkel oder eine Urenkelin, die von einem Enkel ab-stammen, welcher der Sohn des Sohnes ist. […] Jedoch zählen ein Enkel oder eine Enkelin und ein Urenkel oder eine Urenkelin nur dann zu den Hauserben, wenn die im Grade vorhergehende Person aus der Hausgewalt des Hausvaters ausgeschieden ist, ganz gleich, ob dies durch den Tod oder aus einem anderen Grund geschehen ist, beispielsweise durch emancipatio; wenn nämlich jemand zu dem Zeitpunkt, in welchem er stirbt, einen Sohn in seiner Hausgewalt hat, kann der von diesem abstammende Enkel nicht Hauserbe sein, und dasselbe gilt begreiflicherweise auch im Falle aller anderen gradferneren Hauskinder.

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Struktur der agnatischen Familie

Hausvater

(pater familias)

Haussohn 1

(filius familias 1)

Enkelsohn 1

(nepos 1)

Enkelsohn 2

(nepos 2)

Sohn 2

Emanzipiert

Enkelsohn 1

Enkelsohn 2

Frau in Ehegewalt (uxor in manu)

Tochter

Verheiratet

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Agnaten

Nicht Agnaten

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Nach dem Tod des Hausvaters

D. 50.16.195.2 (Ulpian)

[…] Und wenn der pater familias verstirbt, beginnen so viele Familien zu existieren, wie viele Personen ihm unterworfen waren; jeder einzelne nämlich von ihnen wird zum pater familias. […]

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Nach dem Tod des Hausvaters Hausvater

Sohn 1

sui iuris

Enkelsohn 1

Enkelsohn 2

Sohn 2

sui iuris

Enkelsohn 1

Enkelsohn 2

Frau in Ehegewalt sui iuris

Haustochter

sui iuris

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Familie 1 Familie 2 Familie 3 Familie 4

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Die Frau in der agnatischen Familie

D. 50.16.195.5 (Ulpian)

Die Frau aber ist der Anfang und das Ende ihrer eigenen Familie.

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Intestaterbfolge des ius civile

XII Tafel Gesetz definiert die Klassen:

1. Hauserben (sui heredes) → nach Kopf und Stamm (per capita et stirpes)

2. Agnaten (agnati) → der Gradnähere (agnatus proximus) schliesst die Gradferneren aus

3. Gentilen (gens) Gai. Inst. 3.17

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Erbfolge der Hauskinder

Hausvater

(pater familias)

Haussohn 1

1/4

Enkel 1

Haussohn 2

1/4

Haussohn 3

1/4

Enkel 2

Enkel 3

Haustochter

1/4

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Erbfolge der Hauskinder

Hausvater

(pater familias)

Haussohn 1

Enkel 1

1/4

Haussohn 2

1/4

Haussohn 3

Enkel 2

1/8

Enkel 3

1/8

Haustochter

1/4

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Erbfolge der Hauskinder

D. 28.2.11 (Paulus) Es wird im Bezug auf die Hauserben offensichtlich, dass die Fortsetzung der Eigentumerstellung dahin führt, dass es scheint, eine Erbschaft habe es nicht gegeben, da die Hauserben gleichsam von Anfang an Eigentümer waren, weil sie schon zu Lebzeiten ihres Vaters gewissermassen für Eigentümer gehalten werden. Darum wird auch der Haussohn nach dem Hausvater benannt, unter blosser Hinzufügung eines Merkmals zwecks Unterscheidung des Erzeugers vom Erzeugten. Nach dem Tod des Vaters scheinen sie daher nicht eine Erbschaft zu erwerben, sondern vielmehr die freie Verwaltung des Vermögens.

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Erbfolge der Hauskinder

Gai. Inst. 3.3

Auch eine in manus stehende Ehefrau ist Hauserbin des Verstorbenen, weil sie im Verhältnis einer Tochter steht; ebenso eine Schwiegertochter, die in der Ehe-gewalt des Sohnes steht, denn auch sie steht im Verhältnis einer Enkelin. Aber sie wird nur dann Hauserbin sein, wenn der Sohn, in dessen Ehegewalt sie steht, zum Zeitpunkt des Todes des Vaters nicht in dessen Hausgewalt ist.

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Erbfolge der Hauskinder

Gai. Inst. 3.7 Wenn folglich ein Sohn oder eine Tochter sowie Enkel oder Enkelinnen, die vom anderen Sohn abstammen, vorhanden sind, werden sie gleichermassen zur Erbschaft berufen, und der Gradnähere schliesst die Gradferneren nicht aus; denn man hielt es fur gerecht, dass Enkel und Enkelinnen in die Stelle und in den Erbteil ihres Vaters einträten. Aus der gleichen Überlegung werden auch dann, wenn ein Enkel oder eine Enkelin, die von einem Sohn abstammen, sowie ein Urenkel oder eine Urenkelin, die von einem Enkel abstammen, vorhanden sind, alle zugleich zur Erbschaft berufen.

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Erbfolge der Agnaten

Gai. Inst. 3.10

Diejenigen werden Agnaten genannt, die durch gesetzliche Verwandtschaft verbunden sind. Gesetzlich aber ist diejenige Verwandtschaft, welche durch Personen männlichen Geschlechts vermittelt wird. Daher sind Bruder, die als Söhne desselben Vaters geboren wurden, gegenseitig Agnaten – sie werden auch „Geschwister von der Vaterseite“ (consanguinei) genannt –, und es ist nicht erforderlich, dass sie auch dieselbe Mutter haben. Ebenso ist der Onkel dem Neffen und umgekehrt der Neffe dem Onkel Agnat. […]

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Agnatische Verwandschaft

Grossvater

Onkel Vater

Schwester Erblasser

Sohn 1 Sohn 2

Enkel

Urenkel

Bruder

Neffe

Enkel

Tante

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1. Grad

2. Grad

3. Grad

4. Grad

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!

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Eltern!

Grosseltern!(Eltern!d.!Eltern)!

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Urururgrosseltern!(Aeltervater!/!6mutter)!

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Kinder!

Grosskinder!(Kinder!d.!Kinder)!

Urgrosskinder!(Kinder!der!Grosskinder)!

Ururgrosskinder!(Kinder!der!Urgrosskinder)!

Urururgrosskinder!(Kinder!der!Ururgrosskinder)!

Ururururgrosskinder!(Kinder!der!Urururgrosskinder)!

Urururururgrosskinder!(Kinder!der!Ururururgrosskinder)!

Geschwister!

Kinder!der!Geschwister!/!Neffen!&!Nichten!

Grosskinder!der!Geschwister!/!Kinder!der!Neffen!&!Nichten!

Urgrosskinder!der!Geschwister!/!Grosskinder!der!Neffen!&!Nichten!

Ururgrosskinder!der!Geschwister!/!Urgrosskinder!der!Neffen!&!Nichten!

Urururgrosskinder!der!Geschwister!/!Ururgrosskinder!der!Neffen!&!Nichten!

Onkel!/!T

ante!

Grosso

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Urgrosso

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Ururgro

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Urururgro

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Kinder!v.!Onkel!/

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„Aufsteigende$Verwandtschaft$der$Eltern“$

„Absteigende$Verwandtschaft$der$Kinder“$

1$$

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4$$

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„Seitenlinie$der$Geschwister“$

„Seitenlinie$der$O

nkel$und$Tanten“$

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Erbfolge der Agnaten

Gai. Inst. 3.16 Wenn aber kein Bruder des Verstorbenen vorhanden ist, hingegen Kinder von Brüdern, so steht zwar allen die Erbschaft zu; es war aber in dem Fall umstritten, wenn die Kinder von ungleicher Anzahl waren (so dass von einem Bruder ein oder zwei, vom anderen drei o-der vier abstammten), ob die Erbschaft nach Stämmen zu teilen sei, wie es bei den Hauserben rechtens ist, oder eher nach Köpfen. Doch seit langer Zeit hat sich schon die Meinung durchgesetzt, dass die Erbschaft nach Köpfen zu teilen sei. Deshalb wird die Erbschaft in so viele Teile geteilt, wie viele Personen auf beiden Seiten vorhanden sind, so dass jeder Einzelne einen Teil bekommt.

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Erbfolge der Agnaten

Gai. Inst. 3.14

[…] unsere Erbschaften stehen allerdings nicht solchen Frauen zu, welche gradferner als Geschwister von der Vaterseite (consanguinitas) verwandt sind. Daher ist eine Schwester gegenuber ihrem Bruder oder ihrer Schwester gesetzliche Erbin, eine Vaterschwester oder eine Tochter des Bruders kann nicht gesetzliche Erbin sein; im Verhältnis einer Schwester steht aber auch eine Mutter oder Stiefmutter, welche dadurch, dass sie in die Ehegewalt gekommen ist, bei meinem Vater die Rechte einer Tochter erlangt hat.

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Intestaterbfolge des ius praetorium (ius honorarium)

D. 38.6.1.1 Ulpianus 44 ad edictum

Er [der Prätor] hat die Erbfolge ab intestato in verschiedene Gruppen aufgeteilt: Er hat nämlich verschiedene Klassen geschaffen: als erste die der Kinder, als zweite die der nach ius civile zur Erbfolge Berufenen, als dritte die der Blutsverwandten und sodann die von Mann und Frau.

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Intestaterbfolge des ius praetorium (ius honorarium)

Klassen der Intestaterbfolge nach prätorischem Edikt:

1. Die Kinder (unde liberi)

2. Die nach ius civile Berufenen (unde legitimi) D.38.7.2.4 Ulpian

3. Blutsverwandte (unde cognati)

4. Ehemann und Ehefrau (unde vir et uxor)

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Die erste Klasse

Gai. Inst. 3.26

Denn er beruft alle [Abkömmlinge (liberi)], auch wenn sie nach ius civile nicht berechtigt sind, ebenso zur Erbschaft, wie wenn sie im Zeitpunkt des Todes ihres Vorfahren in seiner Hausgewalt gestanden hätten, ganz gleich, ob sie alleine vorhanden sind oder ob auch Hauserben, welche in der Hausgewalt des Vaters gestanden haben, den Anspruch mit ihnen teilen.

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Die erste Klasse

D. 38.6.5.2 (Pomponius)

Wenn der emanzipierte Haussohn die bonorum possessio nicht verlangt, so bleibt alles den Enkeln erhalten, gleichso als ob es keinen Sohn gäbe, so dass die Enkel fur sich allein die bonorum possessio erhalten, wie sie der Sohn erhalten hätte, und sie wird nicht den ubrigen anwachsen. Vergleich mit Pomponius D.38.6.5 pr. (RN 188)

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Verwandtschaft

D. 38.10.4.2 (Modestin) Die Verwandtschaft wird bei den Römern auf zweifache Weise verstanden, denn manche Verwandtschaften sind durch ius civile, manche durch ius naturale verbunden, bisweilen treffen auch die durch ius civile und ius naturale erworbenen Verwandtschaften zusammen, und die Verwandtschaft nach ius civile wird mit der nach ius naturale verbunden. Und unter der naturlichen (kognatischen) Verwandtschaft ohne zivilrechtliche (agnatische) Verwandtschaft versteht man diejenige, die durch Frauen vermittelt wird, welche Kinder einfach auf die Welt bringen. Die Verwandtschaft nach ius civile aber, welche auch als legitime Verwandtschaft bezeichnet wird, findet ohne die naturliche Verwandtschaft durch Adoption statt. Eine Verwandtschaft beiderlei Rechts besteht, wenn sie durch rechtmässige Eheschliessung begrundet wird.

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Verwandtschaft

Gai. Inst. 3.27

Agnaten hingegen, deren Rechtsstellung geschmälert worden ist, beruft er [der Prätor] nicht in der zweiten Klasse nach den Hauserben. Er beruft sie […] in der dritten Klasse aufgrund der nahen Verwandtschaft. Wenngleich sie durch die Schmälerung der Rechtsstellung ihr gesetzliches Recht verloren haben, behalten sie doch auf jeden Fall die Rechte der Blutsverwandtschaft.

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Die dritte Klasse

Gai. Inst. 3.29

Auf jeden Fall werden agnatische Frauen, die gradferner als Geschwister von der Vaterseite sind, in der dritten Klasse berufen, das heisst, wenn es weder einen Hauserben noch einen Agnaten gibt.

Gai. Inst. 3.30

In derselben Klasse werden auch diejenigen Personen berufen, deren Verwandtschaft durch Personen weiblichen Geschlechts vermittelt wird.

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Die dritte Klasse

D. 38.8.1pr. (Ulpian)

Dieser Nachlassbesitz beruht allein auf der Nachsicht des Prätors und hat keinerlei Ursprung im ius civile. Denn er lädt diejenigen zur bonorum possessio ein, welche nach ius civile nicht zur Erbfolge zugelassen werden können, das heisst die Kognaten.

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Die vierte Klasse

• Ehe ohne manus-Gewalt

• Kein erbrecht unter Ehegatten nach ius civile

• Die Frau konnte nach dem Tod des Ehemannes die Herausgabe der Mitgift verlangen

• Bedingung: rechtsgültige Ehe zur Zeit des Todes

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Konkurrenz zwischen ius civile und ius praetorium

Gai. Inst. 3.36 Wenn nämlich zum Beispiel ein Erbe, der in einem wirksam errichteten Testament eingesetzt ist, sich förmlich zur Annahme der Erbschaft entschieden hat, aber den Nachlassbesitz gemäss dem Testament nicht beantragen wollte, weil er mit der Erbenstellung nach ius civile zufrieden war, so können trotzdem diejenigen, die zur Erbschaft berufen wären, wenn kein Testament errichtet worden wäre, den Nachlassbesitz beantragen; indessen steht ihnen die Erbschaft nur ohne Sachzugriff (sine re) zu, da ihnen der Testamentserbe die Erbschaft entziehen kann.

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Konkurrenz zwischen ius civile und ius praetorium

Gai. Inst. 3.37 Dasselbe gilt, wenn jemand ohne Testament verstorben ist und sein Hauserbe den Nachlassbesitz nicht beantragen wollte, weil er mit dem gesetzlichen Erbrecht zufrieden war; denn auch dem Agnaten steht der Nachlassbesitz zu, aber ohne Sache (sine re), weil ihm die Erbschaft vom Hauserben entzogen werden kann. Und jenes trifft in entsprechender Weise zu: Wenn die Erbschaft einem Agnaten nach ius civile zusteht und er die Erbschaft angetreten hat, aber den Nachlassbesitz nicht beantragen wollte und einer von den nächsten Kognaten den Antrag gestellt hat, so wird dieser den Nachlassbesitz aus demselben Grund ohne Sache (sine re) haben.

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Nova clausula Iuliani

• Konkurrenz zwischen:

einem emanzipierten Sohn der nach ius praetorium einen Antrag auf Nachlassbesitz stellt und

seinen Kindern, die in der Hausgewalt des Erblassers geblieben sind und die Erbschaft nach ius civile beantragt haben.

Der Erbteil des Sohnes ist zwischen dem Sohn und seinen Kindern zu teilen

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Kaiserrecht (ius novum)

• Das Erbrecht der Mutter nach ihren Kindern

• Das Erbrecht der Kinder nach ihrer Mutter

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Das Erbrecht der Mutter nach ihren Kindern

Inst. 3.3.2 Später aber wurde durch das senatusconsultum Tertullianum, das zur Zeit des vergöttlichten Kaisers Hadrian abgefasst wurde, diese traurige Erbfolge, welche der Mutter, nicht aber auch der Grossmutter zukam, abschliessend festgelegt. So soll eine freigeborene Mutter, die drei […] Kinder geboren hat, zur Erbfolge ihrer testamentslos verstorbenen Söhne und Töchter zugelassen werden, auch wenn sie sich in der Gewalt ihres Vaters befindet, so dass, wenn sie dem Rechte eines anderen unterworfen ist, sie auf dessen Befehl hin die Erbschaft antritt. […]

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Das Erbrecht der Mutter nach ihren Kindern

Inst. 3.3.3 Der Mutter aber werden diejenigen Kinder des Verstorbenen vorgezogen, welche Hauserben sind […]. Aber auch der Sohn oder die Tochter einer verstorbenen Tochter werden nach den Konstitutionen der Mutter der Verstorbenen, das heisst der Grossmutter, vorgezogen. Auch geht ihr der Vater von beiden vor, nicht aber der Grossvater oder Urgrossvater, sobald nämlich nur zwischen ihnen uber die Erbschaft gestritten wird. Der von der Vaterseite stammende Bruder eines [vor-verstorbenen] Sohnes wie auch einer [vorverstorbenen] Tochter schloss aber fruher die Mutter aus, eine von der Vaterseite stammende Schwester hingegen wird mit der Mutter zugleich zugelassen. Wenn ein von der Vaterseite stammender Bruder, eine von der Vaterseite stammende Schwester und eine das Kinderrecht besitzende Mutter vorhanden waren, schloss zwar der Bruder die Mutter aus, aber die Erbschaft gehörte dem Bruder und der Schwester zu gleichen Teilen.

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Senatusconsultum Tertullianum

• Erbfolge der Mutter nach ihren Kindern • Voraussetzungen:

Römische Bürgerin Hat drei eheliche Kinder geboren

• Sie erwirbt für sich oder für ihren Hausvater • Sie erwirbt nach:

Hauserben des Erblassers Abkömmlinge deren Tochter deren Vater deren Bruder väterlicherseits Wenn nur eine Schwester väterlicherseits vorhanden ist,

kann die Mutter mit ihr zusammen erben

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Das Erbrecht der Kinder nach ihrer Mutter

Inst. 3.4.1pr. Dass umgekehrt die Kinder zum Nachlass ihrer testamentslos verstorbenen Mutter zugelassen werden, ist durch das senatusconsultum Orfitianum bewirkt worden, das unter dem Konsulat des Orfitus und des Rufus zur Zeit des vergöttlichten Kaisers Mark Aurel ergangen ist. Dadurch ist dem Sohn wie der Tochter die gesetzliche Erbfolge gewährt worden, selbst wenn sie dem Recht eines anderen unterworfen sind. Und sie werden sowohl den blutsverwandten Geschwistern als auch den agnatischen Verwandten der verstorbenen Mutter vorgezogen.

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Senatusconsultum Orfitianum

• 178 n. Chr.

• Das Intestaterbrecht steht den Kindern vor den Agnaten und vor den Kognaten zu.

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Zusammenfassung

Ius civile Ius praetorium Ius novum

Hauserben

Kinder (nach ihrem Vater) Kinder (nach beiden Eltern)

Agnaten

Gesetzlichen Erben

Gentilen Kognaten + Mutter nach ihren Kindern

Ehegatten

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