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Internist 2013 · 54:118–120DOI 10.1007/s00108-012-3205-4Online publiziert: 20. Dezember 2012© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
N. Frey1 · S. Nitschmann2
1 Klinik für Kardiologie und Angiologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel2 Werl-Westönnen
Rivaroxaban bei Patienten mit akutem KoronarsyndromATLAS ACS 2-TIMI 51
Ursache eines akuten Koronarsyn-droms (ACS) ist die akute Thrombo-sierung bei bestehender Koronarar-teriosklerose. In der Therapie spie-len Antikoagulanzien eine große Rol-le. Das Outcome der Patienten wird durch die Gabe von Vitamin-K-Ant-agonisten oder auch den Faktor-IIa- Inhibitor Ximelagatran verbessert, wobei dieser hepatotoxisch ist. Die Vi-tamin-K-Therapie ist dagegen durch schlechte Steuerbarkeit, Nahrungs-mittel- und Medikamenteninterak-tionen sowie dauerhafte Gerinnungs-kontrollen limitiert. Da Faktor Xa eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Thromben spielt, liegt es nahe, Fak-tor-Xa-Inhibitoren für die Behand-lung des ACS einzusetzen. Ziel der im Folgenden vorgestellten Studie war es zu überprüfen, ob die Therapie mit dem Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban das Outcome der Patienten mit ACS verbessert.
Zusammenfassung der StudieS. Nitschmann, Werl-Westönnen
Studiendesign
Doppelblinde, placebokontrollierte, 3-armige Studie (2,5 mg vs. 5 mg Riva-roxaban vs. Placebo) an 766 Zentren in 44 Ländern mit einem maximalen Nach-untersuchungszeitraum von 31 Monaten
EinschlusskriterienFVolljährige Patienten mit ACS (ST-
Hebungsinfarkt, STEMI; Nicht-ST-Hebungsinfarkt, NSTEMI, oder Angi-na pectoris)
FBei unter 55-jährigen Patienten zu-sätzlich ein Diabetes mellitus oder stattgehabter Myokardinfarkt
AusschlusskriterienFThrombozyten <90.000/mm3, Hämo-
globin <10 g/dl, Kreatininclearance <30 ml/min
FGastrointestinale Blutung im letzten Jahr
FIntrakranielle BlutungFSchlaganfall oder TIA bei Patienten
unter Acetylsalicylsäure(ASS)-Thie-nopyridin-Therapie
EndpunktePrimär:FKombinierter Endpunkt aus kardio-
vaskulär bedingtem Tod, Myokardin-farkt und Schlaganfall
Sekundär:FKombinierter Endpunkt aus Tod,
Myokardinfarkt und Schlaganfall
FSicherheitsendpunkt: schwere Blu-tung
Methodik
Zwischen November 2008 und September 2011 wurden 15.526 Patienten mit ACS in-nerhalb von 7 Tagen nach Krankenhaus-aufnahme randomisiert: 5174 Patienten erhielten 2,5 mg Rivaroxaban, 5176 Pa-tienten 5 mg Rivaroxaban und 5176 Pa-tienten Placebo.
Zusätzlich erhielten alle Patienten die lokal übliche Therapie bei akutem ACS inklusive ASS und Thienopyridin. Die Patienten wurden nach 4 und 12 Wochen sowie anschließend alle 12 Wochen nach-untersucht.
Ergebnisse
Das Durchschnittsalter der Patienten be-trug 62 Jahre, 75% waren Männer. Auf-grund eines STEMI wurden 50% der Pa-tienten in die Studie eingeschlossen, auf-grund eines NSTEMI 26% und aufgrund einer instabilen Angina pectoris 24%. Der durchschnittliche Zeitraum zwischen Krankenhausaufnahme und Studienbe-ginn betrug 4,7 Tage. Die Patienten nah-
Originalliteraturr
Mega JL, Baunwald E, Wiviott SD et al.; ATLAS ACS 2-TIMI 51 Investigators (2012) Rivaroxa-ban in Patients with a Recent Acute Coronary Syndrome. N Engl J Med 366:9–19
Take home message
Die Studie zeigte einen Vorteil einer zusätz-lichen Therapie mit dem Faktor-Xa-Hemmer Rivaroxaban hinsichtlich ischämischer End-punkte und – niedrigdosiert – der Gesamt-mortalität bei ACS.
Wissenschaftlicher BeiratM. Hallek, KölnK. Kochsiek, WürzburgW. Lehmacher, KölnP. Stiefelhagen, HachenburgM. Wehling, MannheimT.R. Weihrauch, Düsseldorf
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Klinische Studien
men die Studienmedikamente im Durch-schnitt 13,1 Monate ein.
Die Rate des primären Endpunkts aus kardiovaskulär bedingtem Tod, Myokard-infarkt und Schlaganfall betrug 8,9% in der Rivaroxaban- vs. 10,7% in der Place-bogruppe (p=0,008; .Tab. 1).
Die Rate des kombinierten sekundä-ren Endpunkts aus Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall betrug 9,2% in der Riva-roxaban- vs. 11,0% in der Placebogruppe (p=0,02). In der Rivaroxabangruppe tra-ten deutlich mehr interventionspflichti-ge Blutungen auf als in der Placebogrup-pe (14,5% vs. 7,5%).
Vergleicht man beide Rivaroxabando-sierungen miteinander, betrug die Rate des primären Endpunkts in der 2,5-mg-Gruppe 9,1% vs. 8,8% in der 5-mg-Gruppe und die Rate des sekundären Endpunkts 9,3% vs. 9,1%. Deutliche Vorteile wies die 2,5-mg-Gruppe hinsichtlich des Überle-bens auf: Insgesamt verstarben 2,9% der 2,5-mg-Patienten verglichen mit 4,4% in der 5-mg-Gruppe und 4,5% in der Place-bogruppe (.Tab. 1). Schwere Blutungen traten in der 5-mg-Gruppe häufiger auf (2,4% vs. 1,8%), ebenso tödliche Blutun-gen (0,4% vs. 0,1%).
Kommentar
Prof. Dr. N. FreyKlinik für Kardiologie und Angiologie, Universi-tätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Trotz einer leitliniengerechten dualen Plättchenhemmung erleiden mehr als 10%
aller Patienten mit ACS in den folgenden 12 Monaten weitere kardiovaskuläre Er-eignisse [1]. Die ATLAS-ACS-2-TIMI-51-Studie konnte jetzt erstmals überzeugend nachweisen, dass die zusätzliche Inhibi-tion der plasmatischen Gerinnung mit dem Faktor-Xa-Hemmer Rivaroxaban zu einer weiteren Reduktion ischämischer Endpunkte führt. Bemerkenswerterwei-se war dies in der Niedrigdosisgruppe (2-mal 2,5 mg) sogar mit einer Senkung der Gesamtmortalität verbunden.
Interessant ist, dass für Apixaban, einen anderen Faktor-Xa-Inhibitor, in der AP-PRAISE-2-Studie kein Zusatznutzen be-legt werden konnte. Im Gegenteil, es kam vermehrt zu schweren Blutungen, was zum vorzeitigen Studienabbruch führte [2]. Ein Grund für die erhöhte Blutungs-rate könnte die vergleichsweise hohe Api-xabandosis sein (2-mal 5 mg), die der Do-sis der Monotherapie (!) bei Vorhofflim-mern entspricht. Zum Vergleich: Die Ri-varoxabandosis in der ATLAS-ACS-2-TI-MI-51-Studie entspricht nur 25% (2-mal 2,5 mg) bzw. 50% (2-mal 5 mg) der emp-fohlenen Tagesdosis bei Vorhofflimmern. Zudem wurden hier im Vergleich zur AT-LAS-Studie auch deutlich ältere Patienten untersucht (69 vs. 61 Jahre), die zudem mit einer höheren Komorbidität belastet waren, einschließlich vorhergegangener zerebrovaskulärer Ereignisse.
In Bezug auf das Studiendesign der ATLAS-Studie ist zu betonen, dass die Be-handlung mit Rivaroxaban im Mittel erst nach 5 Tagen einsetzte, also in einem Sta-
dium, in dem die ACS-Patienten bereits stabilisiert waren. Letztlich handelt es sich daher um eine Studie zur Sekundär-prophylaxe von Hochrisikopatienten mit einer koronaren Herzerkrankung.
Wie lassen sich diese Ergebnisse nun in der klinischen Praxis umsetzen? Die Subgruppenanalyse zeigt einen konsis-tenten Behandlungseffekt ohne Hinweise auf Patientengruppen, die besonders von der Therapie mit Rivaroxaban profitieren. Eine für die deutsche – und europäische – Versorgungsrealität zunehmend wichtige Frage wird die Kombinierbarkeit von Ri-varoxaban mit neuen potenteren Throm-bozytenaggregationshemmern wie Pra-sugrel und Ticagrelor sein. Entsprechend den Leitlinien, die während der Planung und Durchführung der TIMI-51-Studie galten, wurden die Patienten noch mit ASS und Clopidogrel behandelt. Derzeit ist noch unklar, ob auch bei einer Kom-bination mit neueren Plättchenhemmern ein Zusatznutzen für den Patienten be-stünde oder ob eine höhere Rate an Blu-tungskomplikationen zu befürchten wäre.
Eine weitere interessante Frage wird sein, ob und in welcher Dosis Rivaroxa-ban bei einer Indikation für eine Tripel-therapie eingesetzt werden kann, z. B. bei Patienten mit Vorhofflimmern, die ein ACS entwickeln.
Zusammenfassend leistet die ATLAS-TIMI-51-Studie einen wichtigen Beitrag zur weiteren Senkung der Rate kardiovas-kulärer Ereignisse nach überlebtem ACS. Künftige Untersuchungen, beispielswei-
Tab. 1 Endpunktanalyse der ATLAS-ACS-2-TIMI-51-Studie
Rivaroxaban Placebo (n=5113)
p-Wert
2-mal 2,5 mg/Tag (n=5114)
2-mal 5 mg/Tag (n=5115)
Rivaroxaban insgesamt (n=10.229)
Rivaroxaban insgesamt vs. Placebo
Effektivität
Primärer Endpunkt: kardiovaskulär bedingter Tod, Myokard-infarkt, Schlaganfall
313 (9,1%) 313 (8,8%) 626 (8,9%) 376 (10,7%) 0,008
- Kardiovaskulär bedingter Tod 94 (2,7%) 132 (4,0%) 226 (3,3%) 143 (4,1%) 0,04
- Myokardinfarkt 205 (6,1%) 179 (4,9%) 384 (5,5%) 229 (6,6%) 0,047
- Schlaganfall 46 (1,4%) 54 (1,7%) 199 (1,6%) 41 (1,2%) 0,25
Sekundärer Endpunkt: Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall 320 (9,3%) 321 (9,1%) 641 (9,2%) 386 (11,0%) 0,006
- Tod 103 (2,9%) 142 (4,4%) 245 (3,7%) 153 (4,5%) 0,04
Stentthrombose 47 (2,2%) 51 (2,3%) 98 (2,3%) 72 (2,9%) 0,02
Sicherheit
Schwere Blutung 65 (1,8%) 82 (2,4%) 147 (2,1%) 19 (0,6%) <0,001
Interventionspflichtige Blutung 492 (12,9%) 637 (16,2%) 1129 (14,5%) 282 (7,5%) <0,001
Tödliche Blutung 6 (0,1%) 15 (0,4%) 21 (0,3%) 9 (0,2%) 0,66
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se Registerstudien, werden zeigen müs-sen, ob sich ein „net clinical benefit“, der Blutungskomplikationen einbezieht, auch im Versorgungsalltag beobachten lässt, so etwa bei älteren bzw. bei mit potenteren Plättchenhemmern behandelten Patien-ten.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. N. FreyKlinik für Kardiologie und Angiologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus KielSchittenhelmstr. 12, 24105 [email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor weist für sich und seine Koautorin auf folgende Bezie-hungen hin: Referententätigkeit Bayer, Boehringer In-gelheim (N. Frey).
Literatur
1. Roe MT, Ohman EM (2012) A new era in secondary prevention after acute coronary syndrome. N Engl J Med 366:85–87
2. Alexander JH, Lopes RD, James S et al (2011) Api-xaban with antiplatelet therapy after acute coro-nary syndrome. N Engl J Med 365:699–708
Theo und Friedl Schöller-For-schungspreis für Altersmedizin
Die Theo und Friedl Schöller-Stiftung vergibt
in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Al-
tersmedizin im Klinikum Nürnberg erstmalig
im Jahr 2013 den
Theo und Friedl Schöller-Forschungspreis für
Altersmedizin.
Mit diesem Preis sollen herausragende, be-
reits fertiggestellte wissenschaftliche Arbei-
ten ausgezeichnet werden, die sich besonders
mit den Belangen hochaltriger Menschen be-
fassen und damit neue Aspekte in Forschung,
Lehre und Versorgung eröffnen.
Bewerben können sich im deutschsprachi-
gen Raum tätige Mediziner, die im Bereich
der konservativen Altersmedizin arbeiten,
und Vertreter angrenzender Wissenschaften
aus den Bereichen der Lebens-, Natur- und
Ingenieurwissenschaften sowie aus Geistes-,
Sozialwissenschaften und der Gesundheits-
ökonomie.
Das Preisgeld beträgt € 20.000,-
Ausschreibungsende: 30.04.2013
Die Bewerbung um Preis ist durch den Verfas-
ser der Arbeit selbst möglich. Auch Arbeiten
von Gruppen können eingereicht werden.
Beizufügen ist in jedem Fall eine Empfehlung
eines an den einschlägigen Studiengängen
beteiligten Wissenschaftlers oder einer Hoch-
schulperson in leitender Funktion, die mit der
Arbeit gut vertraut ist.
Alle Vorschläge sind mit einem eigenstän-
digen Antrag, einer kurzen Darstellung der
Arbeit und des Projektzieles sowie dem beruf-
lichen Werdegang bzw. einer Kurzbiographie
des Bewerbers einzureichen. Jeder Bewerber
oder jede Arbeitsgruppe darf im Rahmen
der Ausschreibung nur eine Arbeit oder ein
Forschungsvorhaben vorlegen. Bei mehreren
Personen (Arbeitsgruppe) ist ein schriftliches
Einverständnis aller Personen mit der Bewer-
bung beizufügen. Einzureichen ist ferner eine
Versicherung, dass die Arbeit oder das Projekt
nicht für eine andere Ausschreibung einge-
reicht oder vorgesehen ist, oder von anderer
Seite bereits ausgezeichnet wurde. Die Arbeit
soll zumindest in einer Zusammenfassung in
deutscher Sprache vorliegen.
Einreichung an:
Fachnachrichten
Zentrum für Altersmedizin am Klinikum
Nürnberg
z.Hd. Frau Johanna Myllymäki-Neuhoff
Prof.-Ernst-Nathan-Straße 1
Tel: 0911-398-3917
90419 Nürnberg
E-Mail: Johanna.Myllymaeki-Neuhoff@klini-
kum-nuernberg.de
Das Zentrum für Altersmedizin steht für Rück-
fragen gerne zur Verfügung.
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Klinische Studien