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Der Radiologe 6•2000 | 557 Zusammenfassung Wir berichten über den Fall einer jungen Pa- tientin mit Plasmazell-Osteomyelitis an der Brustwirbelsäule als ungewöhnliche Lokali- sation dieser chronischen Osteomyelitis- Form. Dabei wird die Rolle der bildgebenden Diagnostik, insbesondere der Magnetreso- nanztomografie diskutiert. Schlüsselwörter Plasmazell-Osteomyelitis · Magnetresonanztomografie · Wirbelsäule Unter den Osteomyelitiden im juveni- len Alter wird die plasmazelluläre Osteomyelitis nur sehr selten beobach- tet. Dabei handelt es sich um eine pri- mär chronisch verlaufende Osteomyeli- tis, bei der eine infektiöse Genese disku- tiert wird. Im Folgenden wird über eine junge Patientin mit einem Plasmazell- Osteomyelitis-Befall der BWS berichtet und die Wertigkeit der bildgebenden Verfahren analysiert. Fallbericht Eine 26-jährige Patientin kam im März 1999 wegen seit 2 Monaten anhaltender thorakaler Rückenschmerzen zu einer ambulanten orthopädischen Untersu- chung. Bei geringem Druckschmerz im Bereich der mittleren BWS, endgradig schmerzhafter Seitneigung, Beckentief- stand und Hohlrundrücken, sonst un- auffälligem körperlichem Untersu- chungsbefund und regelrechten Rönt- genaufnahmen der BWS,wurde die Dia- gnose statischer Fehlbelastungsbe- schwerden bei Sacrum arcuatum ge- stellt. Die Laborparameter CRP (16,0 mg/l) und Leukozyten (11,54 Leuko/nl) waren allerdings gering von der Norm abweichend. Chronische Infektionen Radiologe 2000 · 40:557–560 © Springer-Verlag 2000 H. Moron · Fr.-J. Krause Radiologische Abteilung der Kreiskliniken Zollernalb an der Kreisklinik Albstadt Plasmazelluläre Osteomyelitis der Brustwirbelsäule – ein Fallbericht Dr. med. Fr.-J. Krause Radiologische Abteilung der Kreiskliniken Zollernalb an der Kreisklinik Albstadt, Friedrichstraße 39, 72458 Albstadt Abb. 1 b Pathologische Fraktur des BWK 6 auf konventionellen Röntgen- aufnahmen der BWS

Plasmazelluläre Osteomyelitis der Brustwirbelsäule - ein Fallbericht

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Page 1: Plasmazelluläre Osteomyelitis der Brustwirbelsäule - ein Fallbericht

Der Radiologe 6•2000 | 557

Zusammenfassung

Wir berichten über den Fall einer jungen Pa-tientin mit Plasmazell-Osteomyelitis an derBrustwirbelsäule als ungewöhnliche Lokali-sation dieser chronischen Osteomyelitis-Form. Dabei wird die Rolle der bildgebendenDiagnostik, insbesondere der Magnetreso-nanztomografie diskutiert.

Schlüsselwörter

Plasmazell-Osteomyelitis · Magnetresonanztomografie · Wirbelsäule

Unter den Osteomyelitiden im juveni-len Alter wird die plasmazelluläreOsteomyelitis nur sehr selten beobach-tet. Dabei handelt es sich um eine pri-mär chronisch verlaufende Osteomyeli-tis, bei der eine infektiöse Genese disku-tiert wird. Im Folgenden wird über einejunge Patientin mit einem Plasmazell-Osteomyelitis-Befall der BWS berichtetund die Wertigkeit der bildgebendenVerfahren analysiert.

Fallbericht

Eine 26-jährige Patientin kam im März1999 wegen seit 2 Monaten anhaltenderthorakaler Rückenschmerzen zu einerambulanten orthopädischen Untersu-

chung. Bei geringem Druckschmerz imBereich der mittleren BWS, endgradigschmerzhafter Seitneigung, Beckentief-stand und Hohlrundrücken, sonst un-auffälligem körperlichem Untersu-chungsbefund und regelrechten Rönt-genaufnahmen der BWS, wurde die Dia-gnose statischer Fehlbelastungsbe-schwerden bei Sacrum arcuatum ge-stellt. Die Laborparameter CRP(16,0 mg/l) und Leukozyten (11,54Leuko/nl) waren allerdings gering vonder Norm abweichend.

Chronische InfektionenRadiologe2000 · 40:557–560 © Springer-Verlag 2000

H. Moron · Fr.-J. KrauseRadiologische Abteilung der Kreiskliniken Zollernalb an der Kreisklinik Albstadt

Plasmazelluläre Osteomyelitis der Brustwirbelsäule – ein Fallbericht

Dr. med. Fr.-J. KrauseRadiologische Abteilung der Kreiskliniken Zollernalb an der Kreisklinik Albstadt,Friedrichstraße 39, 72458 Albstadt

Abb. 1 b Pathologische Fraktur desBWK 6 auf konventionellen Röntgen-aufnahmen der BWS

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Chronische Infektionen

H. Moron · Fr.-J. Krause

Plasma cellular osteomyelitis of the thoracic spine – a case report

Abstract

The authors report the case of a young pa-tient suffering from plasmacellular osteomy-elitis of the thoracic spine, a unusual localisa-tion of this type of chronic osteomyelitis.They discuss the role of imaging diagnosticmodalities in this disease, focussing on MRI.

Keywords

Plasmacellular osteomyelitis · MRI · Spine Bei Beschwerdezunahme ohne ad-äquates Trauma wurde einen Monat spä-ter eine Kompressionsfraktur des 6.BWK mit segmentärem Kyphoseknickfestgestellt (Abb. 1).

Das CT zeigte eine Destruktion des6. BWK mit Beteiligung der Hinterwandohne Befall des Epiduralraums sowie ei-ne ca. 5 mm breite Infiltration des Para-vertebralraums (Abb. 2). Es erfolgte eine

transpedikuläre Wirbelkörperbiopsie.Histologisch fand sich reaktiv veränder-tes, z. T. verdichtetes Knochengewebemit chronisch entzündlichen Infiltratenbei überwiegend Plasmazellen undreichlich neutrophilen Granulozyten,was als chronische plasmazelluläreOsteomyelitis interpretiert wurde. Eingranulomatöser Prozess oder eineNeoplasie waren nicht nachweisbar. Die

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Radiologe2000 · 40:557–560 © Springer-Verlag 2000

Abb. 2 b Pathologische Fraktur des BWK 6 in der Computer-tomografie (mit freundlicher Genehmigung des Institutes fürRadiologie im Landeskranken-haus Feldkirch, Leitung: Prim.Dr. W. Oser)

Abb. 3 m Knochenmarködem in der MRT, T2/TSE-fettsupprimierte Sequenz, sagittal: Signalanhebungim frakturierten BWK 6 sowie basal im BWK 5

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bakteriologische Untersuchung warebenso negativ wie der PCR-Test auf Tu-berkulose-Bakterien.

Unter antibiotischer Therapie mitCephalosporinen sank das CRP zu-nächst auf 6,0 mg/l ab. Persistierendethorakale Wirbelsäulenbeschwerdenund ein erneuter Anstieg des CRP auf11 mg/l führten Mitte Juni 1999 zur er-neuten stationären Aufnahme.

Das nun durchgeführte MRT derBWS zeigte in den T2-fettunterdrück-ten TSE-Sequenzen eine diffuse Signal-anhebung im Markraum des keilförmigdeformierten BWK 6 einschließlich derBogenwurzeln und in den linkslatero-dorsobasalen Anteilen sowie der linkenBogenwurzel des 5. BWK (Abb. 3), Re-gionen die nach i.v.-Gadolinium-DTPA-Gabe eine eindeutige Signalanhebungaufwiesen (Abb. 4). Außerdem war ei-ne KM-Aufnahme in den dorsalen pa-ravertebralen Weichteilen einschließ-lich Subkutangewebe rechts in HöheBWK 5–7, was dem operativen Zu-gangsweg der Biopsie entspricht, er-kennbar. Spinalkanal, Bandscheiben-räume und Prävertebralraum stelltensich regelrecht dar.

Unter Antibiotika-Behandlung,temporärer Bettruhe und anschließen-der Versorgung mit 3-Punkte-Korsettwurde die Patientin beschwerdefrei,CRP und Leukozyten normalisiertensich.

Diskussion

Die Plasmazellosteomyelitis (PZO),auchals subakute Osteomyelitis [5], Osteo-myelitis albuminosa [9] bzw. lympho-plasmazelluläre Osteomyelitis [10] be-zeichnet, ist eine seltene Form der Kno-chenentzündung.

Sie zählt, wie der Brodie-Abszessund die sklerosierende OsteomyelitisGarré, zu den primär chronisch verlau-fenden Osteomyelitiden und wird nachExner und Uehlinger durch das gestörteGleichgewicht zwischen Mikroorganis-men und Abwehrlage des Patienten be-stimmt [6, 12].

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Abb. 4a, b c Kontrastmittelaufnahme der Läsionen in der MRT. a T1/TSE sagittal nativ;

b T1/TSE-fettsupprimiert, sagittal,nach Gd-DTPA i.v.

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Chronische Infektionen

Obwohl nur in ca. 25% der Fälle einErregernachweis gelingt, wird die PZOals bakteriell bedingte hämatogeneOsteomyelitis aufgefasst [1, 8]. Sie wirdüberwiegend bei Jugendlichen und jun-gen Erwachsenen mit Bevorzugungdes männlichen Geschlechts beobachtet[1, 14].

Die Hauptlokalisationen sind langeRöhrenknochen und hier insbesonderedie kniegelenknahen Metaphysen vonFemur und Tibia [6, 14]. Meist liegt einunifokaler Befall vor, von Cserhati wer-den aber auch Einzelfälle mit multifoka-lem Befall beschrieben [1, 3].

Histologisch sind die Läsionen cha-rakterisiert durch Zeichen chronischerEntzündung wie Lymphozyten, kleineGewebeeinschmelzungen mit reichlicheingestreuten Plasmazellen sowie Fibro-sierungen zwischen den Knochentrabe-keln [1, 5, 8]. Histologisch ist die PZO oftnicht von der chronisch rekurrierendenmultifokalen Osteomyelitis (CRMO) ab-zugrenzen, sodass von einigen Autorendiese Erkrankungen als ein und dieselbeEntität aufgefasst werden [10]. AndereBeobachter hingegen unterscheidenzwischen der nicht bakteriell verursach-ten CRMO und der PZO mit infektiöserGenese [8, 14].

Die PZO verläuft in der Regel ohneAllgemeinsymptomatik, mit lokalemSchmerz, leichter Gewebeschwellungund minimaler Hyperämie. Trotz mögli-cher Komplikationen wie pathologi-scher Fraktur und Neigung zu Rezidivenwird die Prognose der Erkrankung alsgünstig eingeschätzt [5, 12].

Die bildgebende Diagnostik be-ginnt mit konventionellen Röntgenauf-nahmen, deren Stellenwert aber in derFrühdiagnostik entzündlicher Verände-rungen sehr begrenzt ist, da erst Dichte-veränderungen ab einer Demineralisa-tion von 30–50% erkennbar sind [9]. Inunserem Fall war die konventionelleRöntgenaufnahme der BWS erst bei ein-getretener Fraktur als Komplikation derErkrankung auffällig (s.Abb. 1). Die Ske-lettszintigraphie mit 99m-Tc-Phospho-

naten ist Methode der Wahl zur Detekti-on eines multifokalen Befalls vor allembei asymptomatischen Läsionen [13].

Die CT zeigt ossäre Destruktionen,periostale Neubildungen und die räum-liche Ausdehnung der osteomyelitischenVeränderungen [11].Wie auch wir bestä-tigen können, weist die MRT im Ver-gleich zur CT eine deutlich höhere Aus-sagekraft bezüglich sowohl der in-traossären Ausdehnungsbestimmungals auch der Darstellung periostaler-und Weichteilreaktionen auf [2]. Daskernspintomografische Erscheinungs-bild der Osteomyelitis ist charakterisiertdurch eine Signalanhebung der befalle-nen Regionen in den T2-gewichtetenfettsignalsupprimierten Sequenzen alsKorrelat des entzündlichen Ödems mitVerdrängung des ossären Fettmarks so-wie einer kräftigen KM-Aufnahme nachi.v.-Gabe von Gadolinium-DTPA [9]. Si-gnallose Verdickungen der kortikalenund trabekulären Strukturen findensich als Ausdruck einer Sklerosierungdes betroffenen Knochens. Dieses Si-gnalmuster ist jedoch unspezifisch,da essowohl bei akuten als auch verschiede-nen Formen der chronischen Osteomye-litis beschrieben wird [9, 13, 14].

Differenzialdiagnostisch sind beipathologischer Fraktur eines BWK vonjungen Patienten,neben der seltenen be-nignen oder malignen Neoplasie (z. B.aneurysmatische Knochenzyste, Osteo-blastom, eosinophiles Granulom, Meta-stase [4]),die verschiedenen Formen derSpondylitiden zu berücksichtigen. Dietuberkulöse Spondylitis zeigt bei sub-akut-chronischem Verlauf und oligoseg-mentaler Bevorzugung der BWS einähnliches Bild wie die PZO [4, 14]. Diebei der Tuberkulose häufigen Sequesterund paravertebralen Abszesse sowie ei-ne Beteiligung der Bandscheiben,wie siev. a.bei der unspezifischen akuten Spon-dylitis beschrieben werden [14], konn-ten durch die MRT bei unserer Patientinausgeschlossen werden.

Der Einsatz der modernen bildge-benden Verfahren (CT, MRT) ist in derDiagnose der PZO heute nicht wegzu-denken, v. a. zur Ausdehnungsbestim-mung und Detektion von Komplikatio-nen. Trotzdem ist für eine adäquate The-rapie die Biopsie mit histologischer undbakteriologischer Untersuchung desMaterials notwendig.

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