15
16.04.2016 1 Otitis - (k)ein Problem Ursachen und diagnostisches Vorgehen in der Praxis 28. Baden-Badener Fortbildungstage Kleintierpraxis 7.-9. April 2016 Dr. Stefanie Peters Dermatologie/Allergologie Tierklinik Birkenfeld Kein Problem?? Wollen wir uns doch damit beschäftigen?? Was denn sonst??

Otitis - (k)ein Problem – Ursachen und diagnostisches ... · Bei Verdacht auf Otitis media Untersuchung Chronische Otitis externa (et media?!)

Embed Size (px)

Citation preview

16.04.2016

1

Otitis - (k)ein Problem –

Ursachen und diagnostisches Vorgehen

in der Praxis

28. Baden-Badener Fortbildungstage

Kleintierpraxis

7.-9. April 2016

Dr. Stefanie Peters

Dermatologie/Allergologie

Tierklinik Birkenfeld

Kein Problem??

Wollen wir uns doch damit beschäftigen??

Was denn sonst??

16.04.2016

2

Was spricht dafür?

Schmerz und deutlich beeinträchtigte Lebensqualität beim Patienten

Leidensdruck beim Besitzer

Häufigkeit Hund 5-20%

Katze 2-6%

Verbesserung von Einkommen und Patientenbindung (werden häufig wegen anderer Probleme vorgestellt bzw. Ohrproblem ist ein „Zufallsbefund“)

Äußerer Gehörgang

Von Gehörgangsöffnung bis Trommelfell

Teil der äußeren Haut

Mit Talg- und Zeruminaldrüsen (modifizierten apokrinen Schweißdrüsen) sowie Haarfollikeln

Beim Hund 5-10 cm langer und 4-5mm weiter Zylinder

„Selbstreinigungs- mechanismus“

(nach Bojrab MJ: Current techniques in small animal surgery I, Philadelphia, 1975, Lea & Febiger)

Mittelohr

Besteht aus Raum innerhalb der Bulla

tympanica, Öffnung der Tuba auditiva sowie

Gehörknöchelchen

Cave: Auskleidung mit respiratorischem

Epithel!

Sehr empfindlich gegenüber Inhaltsstoffen

diverser topischer Medikamente und

Ohrreiniger

Infektionserreger und Exsudate sammeln sich im

ventralen Bereich der Bulla

16.04.2016

3

Otitis: Definitionen

Otitis externa (O.e.): Akute oder chronische* Entzündung des Epithels des

äußeren Gehörgangs, evtl. auf Pinna übergreifend

Otitis media: Entzündung des Mittelohrs

meist Folge einer chronischen O.e. (<-> Msch.),

selten hämatogen oder durch perforierenden Fremdkörper

*chronisch=mehr als 3 Wochen ununterbrochen bestehend

Otitis externa: „Die drei P“

1. Prädisponierende Faktoren

2. Primärursachen

3. Perpetuierende Faktoren

Erst wenn alle drei Faktoren berücksichtigt werden, kann

eine Therapie erfolgreich sein!

1. Prädisponierende Faktoren

... Verändern die Lebensbedingungen für die Mikroflora im äußeren Gehörgang so, dass sich pathogene oder opportunistische Bakterien im Gehörgang ansiedeln und vermehren können

... Vermindern die Luftzirkulation und/oder schwächen die Barrierefunktion des Epithels

(Mazeration Kolonisation Infektion Inflammation)

... Erhöhen also das Risiko einer O.e.

16.04.2016

4

1. Prädisponierende Faktoren Englumige/stenotische Gehörgänge (Shar Pei,

DSH...)

übermäßiges Haarwachstum

Schwere, „pendelnde“ Ohren (außer DSH)

Feuchtigkeit im Ohr („Swimmer Ear“), Fehler bei Reinigung und/oder Therapie (Q-Tips...),

Andere: irritierende Lösungen, aggressive Haarentfernung, Traumata (Othämatom)

Folgen: epidermales Ödem, Hyperämie,

Epitheldegeneration

2. Primärursachen

Prinzipiell alle Ursachen, die direkt eine

Entzündungsreaktion im äußeren

Gehörgang initiieren und so eine O.e.

auslösen können

D.h. praktisch alle Hauterkrankungen

können Otitiden mit verursachen bzw. als

Symptom zeigen

16.04.2016

5

2. Primärursachen

1. (Ekto)Parasiten 2. Fremdkörper

3. Allergien: AD, „Futterallergie“, Kontaktallergie

4. Endokrinopathien (Hypothyreose, Hyperadrenokortizismus, funktionelle Hodentumoren ...)

5. Andere: Autoimmunerkrankungen, Keratinisierungsstörungen, Neoplasien, Polypen etc.

Otodectes cynotis stark kontagiös und wenig wirtsspezifisch

Häufig überdiagnostiziert (Hund < 10% der Otitiden)

V.a. Jungtiere betroffen, ältere oft asymptomatisch

Ohr: stark pruriginöse O.e. mit krümeligem „Kaffeesatz-ähnlichem Material“!! (DD Malassezien-Otitis)

Evtl. ektopisch (Ktz.: Kruppe, Schwanz)

Zoonoseerreger!

Oft bereits otoskopisch nachweisbar

Demodex canis

Kommensale (Lebensraum: Haarfollikel und Talgdrüsen)

Demodikose = Proliferation aufgrund spezifischer (hereditärer), exogener oder endogener Immunsuppression

Ohr: Otitis externa ceruminosa, meist assoziiert mit generalisierter Form

Haut: Alopezie, Schuppen, Krusten, Pusteln, Komedonen, Follicular casts etc.

Verteilung: generalisiert, bei hereditärer Form v.a. Kopf und Pfoten mit betroffen

16.04.2016

6

Allergien (Aero-,

Trophallergene)

Oft starker Pruritus (Schütteln, Kratzen) bei enttäuschend „normalem“ otoskopischen Befund

Ohr: initial Erythem und Pruritus konkaver Bereich Pinna,

vertikaler Teil des Gehörgangs

Otitis ext., oft rezidivierend/chronisch,

bei AD meist bilateral, bei „Futterallergie“ auch unilateral

Allergien Atopische Dermatitis

Aeroallergene

Typ I-Allergie

Prädispositionen

Rasse/Alter

Typisches

Verteilungsmuster

Evtl. mit respiratorischen

Symptomen

Klinische Diagnose

Futterunverträglichkeit/-allergie

Trophallergene

Allergie oder Intoleranz

Keine Prädispositionen

Variabel (v.a.

Ohren/Pfoten)

Oft gastrointestinale

Symptome

Klinische Diagnose

16.04.2016

7

16.04.2016

8

Endokrinopathien

Prädispositionen Alter, Rasse (Hypothyreose, Cushing)

Ohr: Neigung zu zeruminöser O.e.

Andere Manifestationen: systemisch (z.B. PD/PU bei Cushing,

Lethargie/Polyphagie/Bradykardie Hypothyreose...)

plus diverse kutane Symptome

Sekundärer Pruritus (Sekundärinfektionen v.a. mit Bakterien)

16.04.2016

9

3. Perpetuierende Faktoren

... Unterhalten und verschlimmern den

Entzündungsprozeß, verschlimmern so

eine bereits bestehende Otitis und

verhindern deren Heilung

3. Perpetuierende Faktoren

1. Mikroorganismen: S. pseudointermedius, M. pachydermatis, Streptococcus spp., kleine Stäbchen wie Ps. Aeruginosa, Proteus mirabilis, E. coli, ...

2. Otitis media

3. Progressive/

chronische proliferative

Veränderungen

Pathophysiologie

16.04.2016

10

Bei akuter Entzündung

1. Dilatation der Blutgefäße und Erhöhung der Permeabilität Ödem

2. Reduktion der Barrierefunktion

3. Änderung der Zerumen-Zusammensetzung, Erhöhung der Produktion

Verengung des Gehörgangs, rapide Zunahme der mikrobiellen Proliferation,

Dilatation und Hyperplasie der Zeruminaldrüsen

Symptome akute O.e.:

Schwellung, Erythem des äußeren

Gehörgangs, Pruritus, evtl. Schmerz

Folgen der Entzündung

Hyperplasie der Epidermis auf 5-6x Dicke, Hyperkeratose, Ödem

Fibrose der Dermis, evtl. Kalzifikation des Ohrknorpels ...

Verdickung, Stenose, Faltenbildung,

vermehrte Sekretion und Akkumulation im Gehörgang

optimale Lebensbedingungen für diverse Mikroorganismen

Abnahme des Lipidgehalts im Zerumen

chronische Entzündung

16.04.2016

11

Folgen der Entzündung

An „Selbstreinigungsmechanismus“ (Epitheliale

Migration): Erliegen oder sogar Umkehrung

Chronische Otitis, „end stage“

Ruptur der zystisch veränderten

Zeruminaldrüsen Fremdkörperreaktion

Proliferation Kalzifikation

Meist längst Ruptur des Trommelfells und

Otitis media (Keimreservoir)

Symptome chronische O.e.

Progressive chronische Veränderungen:

Schwellungen, Fibrose,

„Taschenbildung“

Hyperplasie der apokrinen Drüsen

evtl. Schmerzäußerungen

evtl. neurologische Symptome

16.04.2016

12

Otitis media: Inzidenz

bei akuter O.e. 16%,

bei rekurrierender O.e. 50-90%

Cave: Neurologische Symptome fehlen

häufig,

Trommelfell scheint bei bis zu 72,5% der

Patienten mit O.m. intakt!!

Diagnostisches Vorgehen Rasse, Alter, KOMPLETTE ANAMNESE

Klinische und dermatologische Allgemeinuntersuchung (andere Lokalisationen Primärursache!), evtl. Neurologische Untersuchung

Adspektion beider Pinnae und Palpation

(Proliferation? Verkalkungen? Pruritus? Schmerz? Schmerz beim Öffnen des Fangs?...)

Klinisches Vorgehen bei Otitis Otoskopie beider Ohren (evtl. unter Sedation) incl. Qualität

und Quantität des Zerumens

oder

Therapie mit systemischen Medikamenten (AB, AM, Corticosteroide) und erneute Untersuchung nach 5-7 Tagen

Native und Zytologische Untersuchung, evtl. BU/R-Test

Evtl. Bildgebung

Weiterführende Untersuchungen je nach vermuteter Primärerkrankung: Geschabsel, IKT, Funktionstests etc.,

Therapie (Otitis und Primärerkrankung)

16.04.2016

13

Nativuntersuchung (Otitis externa parasitaria)

Mit Stieltupfer oder ggf. Öse Material auf

einen Objektträger mit 1-2 Tropfen

Paraffinöl bringen

Vermischen, Abdecken, Untersuchen

(Objektiv 4x und 10x)

Zytologische Untersuchung

Grundsätzlich immer!!

Reihenfolge: Vor Manipulationen, v.a. bei chronischer O.e.: Entnahme von sterilem Tupfer

für BU/R-Test

Dann: Probenentnahme für zytologische Untersuchung,

ggf. zweite Probe mit Paraffinöl auf Parasiten

Gezielte Therapie (topisch und/oder systemisch) nach zytologischem Befund

16.04.2016

14

Bakteriologische Untersuchung:

wann?

Bei chronischer, chronisch-rekurrierender oder therapieresistenter O.e., speziell bei vorbehandelter

Bei zahlreichen kleinen Stäbchen im zytologischen Präparat (d.h. Verdacht auf multiresistente Ps. Aeruginosa, Proteus mirabilis, E. coli etc.)

Bei Verdacht auf Otitis media

Chronische Otitis externa (et media?!)

Tupfer für Bakteriologische Untersuchung

Probe für zytologische Untersuchung

Falls kleine Stäbchen: Tupfer einschicken

Otoskopie falls möglich

Spülung, Beurteilung Trommelfell, systemische Therapie initial

Weiterführende Untersuchungen (Bildgebung…)

16.04.2016

15

Diagnose Otitis media Erste Hinweise Anamnese/Klinik:

chronische

chronisch-rekurrierende O.e.

neurologische Symptome

Dünnflüssiger Ohrausfluss

Otoskopie:

abnorm aussehendes, rupturiertes

oder fehlendes Trommelfell Verdacht

Sicherung: bildgebende Verfahren Röntgenuntersuchung,

CT, MRT,

Sonographie,

positive Kontrast-Kanalographie ...

„End stage-Otitis“

1. Konservativer Versuch:

Corticoide systemisch (1-4 mg/kg Prednisolon tgl.

über 2-3 Wochen plus systemisch AB und evtl.

Azole)

Intraläsionale spiralförmige Injektion von

Triamcinolon (0,05 ml/Stelle) unter Narkose

Ciclosporin A 5 mg/kg 1-2x tgl.

Isotretinoin 1-2 mg/kg tgl. speziell bei

Talgdrüsenhyperplasie (CAVE Nebenwirkungen,

engmaschige Kontrollen)

„End stage-Otitis“

2. Chirurgisch

„total ear canal ablatio“

„laterale Bulla-Osteotomie“

Seltener: Otitis-OP

nach Zepp...

Auch nur in Kombination

mit Therapie der Primär-

ursache erfolgversprechend!!