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Monolithisch integrierte Treiberschaltungen in
Si-Bipolartechnologie zur Modulation der Lichtleistung
in Glasfaserubertragungssystemen hochster Datenraten
Dissertation
zur
Erlangung des Grades eines
Doktor-Ingenieurs
der Fakultat fur Elektrotechnik und Informationstechnik
an der Ruhr-Universitat Bochum
von
Rolf Schmid
aus Lengnau (CH)
Bochum 2000
Dissertation eingereicht am: 5. Juni 2000
Tag der mundlichen Prufung: 8. Dezember 2000
Referent: Prof. Dr.-Ing. H.-M. Rein
Korreferent: Prof. Dr.-Ing. P. Dullenkopf
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Ziel der Arbeit 1
2 Elektrooptische Modulationsverfahren 9
2.1 Direkte Modulation von Halbleiterlasern . . . . . . . . . . . . . . 9
2.2 Externe Modulation von Halbleiterlasern . . . . . . . . . . . . . . 11
2.2.1 Mach-Zehnder-Interferometer (MZI) . . . . . . . . . . . . . 11
2.2.2 Elektroabsorptionsmodulatoren (EAM) . . . . . . . . . . . 12
2.3 Vergleich der elektrischen Anforderungen der Modulationsverfah-
ren — Topologie von Laser- und Modulatortreibern . . . . . . . . 15
3 Entwurfsprinzipien 19
3.1 Transistormodellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.2 Dimensionierungsaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.3 Spezielle Transistorstrukturen fur Treibertransistoren . . . . . . . 38
4 Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen am Beispiel
eines 10 Gbit/s-Lasertreibers 41
4.1 Schaltungsbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
4.2 Symmetrierung der Pulsform des Modulationsstromes . . . . . . . 44
4.3 Einstellbarer Modulationshub fur direkte Modulation . . . . . . . 51
4.4 Transistorbetrieb im Hochstrombereich . . . . . . . . . . . . . . . 58
4.4.1 Der Hochstromeffekt in Silizium-Transistoren . . . . . . . 58
4.4.2 Optimierung der Ausgangsstufe unter Hochstromrandbe-
dingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4.5 Definition von Durchbruchspannungen . . . . . . . . . . . . . . . 67
4.6 Schaltungskonzepte zur Vermeidung von Transistordurchbruchen . 70
5 Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener Typen
von elektrooptischen Modulatoren 73
5.1 Der ohmsche Lastfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
II Inhaltsverzeichnis
5.1.1 Netzwerk zur Pulsformung der Ausgangsspannung . . . . . 74
5.1.1.1 Modell und analytische Beschreibung . . . . . . . 74
5.1.1.2 Schaltungstechnische Realisierung . . . . . . . . . 84
5.2 Ansteuerung schlecht angepaßter Modulatoren uber Wellenleiter . 89
5.2.1 Verbesserung der senderseitigen Anpassung . . . . . . . . . 90
5.2.2 Verbesserung der empfangsseitigen Anpassung . . . . . . . 100
5.3 Direkt angekoppelter EAM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
5.3.1 Analytische Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
5.3.2 Eine spezielle Ausgangsstufe fur die direkte Ansteuerung
eines differentiellen EAMs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
6 Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen 113
6.1 Potentielle Instabilitat einzelner
Schaltungszellen und Transistorstufen . . . . . . . . . . . . . . . . 113
6.1.1 Grundzelle aus Emitterfolgern und Stromschalter . . . . . 113
6.1.2 Kaskodezelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
6.1.3 Eine analytische Betrachtung der Stabilitat des kapazitiv
belasteten Emitterfolgers mit induktivem Kollektorzweig . 130
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschal-
tungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
6.2.1 Modellierung parasitarer Elemente und Effekte des Struk-
turentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
6.2.1.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
6.2.1.2 Signalleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
6.2.1.3 Verteilte Metallisierung der Masse- und Versor-
gungsspannungszufuhrung auf dem Halbleiterchip 139
6.2.1.4 Anmerkungen zur Substratmodellierung . . . . . 155
6.2.2 Fallbeispiel: 20 Gbit/s-Modulatortreiber . . . . . . . . . . 156
7 Temperaturmessung 169
7.1 Vorbemerkungen zur Messung der Temperatur in integrierten
Schaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
7.2 Elektrisches Temperaturmeßverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 170
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Modulatortreiber . . . . . 174
7.3.1 Ergebnisse bei Verwendung einer einfachen Standardauf-
bautechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
7.3.2 Ergebnisse bei Verwendung einer warmeableitungsopti-
mierten Aufbautechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Inhaltsverzeichnis III
7.3.3 Vergleich der Ergebnisse des elektrischen Meßverfahrens
mit Ergebnissen einer Oberflachen-Infrarotthermografie . . 193
8 Realisierte Treiberschaltungen
— Meßergebnisse und deren Vergleich mit der Simulation 197
8.1 10-Gbit/s-Laser-/Modulatortreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
8.2 20-Gbit/s-Modulatortreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
8.3 40-Gbit/s-EAM-Treiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
9 Zusammenfassung 215
Anhang 218
A.1 Verwendete Transistorersatzschaltbilder . . . . . . . . . . . . . . . 218
A.2 Verwendete Silizium-Bipolartechnologien . . . . . . . . . . . . . . 219
A.3 Ersatzschaltbild gekoppelter Bonddrahte . . . . . . . . . . . . . . 221
A.4 Passive Konzepte fur die Vorspannungserzeugung beim 40-Gbit/s-
EAM-Treiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
IV Verzeichnis haufig verwendeter Abkurzungen und Symbole
Verzeichnis haufig verwendeter Abkurzungen und Symbole
Grundsatzliche Konventionen:
Gleichgroßen werden durch Großbuchstaben gekennzeichnet.
Komplexe Großen werden durch unterstrichene Großbuchstaben gekenn-
zeichnet X. Real- und Imaginarteil werden mit <X und =X referen-
ziert.
Zeitabhangige Großen werden in Kleinbuchstaben dargestellt.
Gleich- bzw. Gegentaktgroßen werden durch ein tiefgestelltes ’Σ’ bzw. ’∆’
indiziert.
(Komplementare) Aus- und Eingangsgroßen werden mit ’Q’ oder ’QN’ und
’I’ oder ’IN’ indiziert.
Die weit uber 100 technologiespezifischen Parameter von Tramod werden
hier aus verstandlichen Grunden nicht aufgefuhrt. Hier muß auf [1] verwie-
sen werden.
Liste der Abkurzungen:
AE effektive Emitterflache (nE × bE × lE)
bE effektive Emitterbreite
BAS Basisschaltung
cν Proportionalitatsfaktor gesteuerter Stromquellen
C allgemeine Kapazitat
CAS Transistor-Anschlußkapazitat
CBE gesamte Basis-Emitter-Kapazitat: CBE = CDE + CJE + CEoxCCB gesamte Kollektor-Basis-Kapazitat: CCB = CCBi + CCBa + CCoxCCBa, CCBi außere und innere Kollektor-Basis-Kapazitat
CCox, CEox Kollektor bzw. Emitter-Oxidkapazitat
CCS Kollektor-Substrat Kapazitat
CDE Basis-Emitter-Diffusionskapazitat
CJE Basis-Emitter-Sperrschichtkapazitat
CQ,eff integraler Zeitmittelwert der Gesamtkapazitat am Ausgang
CVD-Oxid chemical vapour deposition (aus Gasphase abgeschiedenes SiO2
2DEG-FET spezieller Feldeffekttransistor basierend
auf Quanteneffekt (2-dimensional electron gas)
Verzeichnis haufig verwendeter Abkurzungen und Symbole V
DHBT Doppel-Heterobipolartransistor
∆UQ Ausgangsspannungshub (Spitze-Spitze-Wert)
EAM Elektroabsorptionsmodulator
EF Emitterfolger
HBT Heterobipolartransistor
HEMT high electron mobility transistor
KAS Kaskodestufe
iB Basis-Klemmenstrom
i′B innnerer Basisstrom (Abb. 3.4)
I0,ν Konstantstromanteil Modulationshub-gesteuerter Stromquellen
IC Kollektorstrom (Arbeitspunktstrom)
IEF Kollektorstrom eines Emitterfolger-Transistors
ISS Betriebsstrom eines SS
∆IQ externer Ausgangsstromhub
jC Kollektorstromdichte
jCK kritische Stromdichte fur Hochstromeffekt
jM Stromdichte in Metallisierungen
jpoly Stromdichte in Polysilizium-Widerstanden
κth allgemeine thermische Leitfahigkeit
kI , kQ Koppelfaktoren fur Bondinduktivitaten am Eingang bzw. Ausgang
k allgemeiner Koppelfaktor fur Induktivitaten in Leitungsersatzschaltbildern
KON Steuereingang eines Stromstellnetzwerks
lE effektive Lange eines Emitterstreifens
LOCOS local oxidation of silicon (vergrabenes Feldoxid)
nE Anzahl der Emitterstreifen
L allgemeine Induktivitat
LDD Lasertreiber (laser diode driver)
LQ Ausgangsbondinduktivitat
LP Anhebungsinduktivitat (Peaking) im Ausgangskreis
MD Modulatortreiber (modulator driver)
MQW Multi-Quantumwell
MZI Mach-Zehnder-Interferometer
ωβ Kreisgrenzfrequenz der Kleinsignalstromverstarkung
ωT Transitkreisfrequenz
p komplexe Frequenz
PEEC partial element equivalent circuit
PTF SPICE -Parameter fur die Zusatzphase der Steilheit
PQF SPICE -Parameter fur die Zusatzphase der BE-Diffusionskapazitat
(spezielle SPICE3 -Version in der AGHL)
VI Verzeichnis haufig verwendeter Abkurzungen und Symbole
rB gesamter Basisbahnwiderstand
rBa außerer Basisbahnwiderstand
rBi innerer Basisbahnwiderstand
rE Emitterkontaktwiderstand
RE Emittergegenkopplungswiderstand
RQ externer Lastwiderstand
RP ausgangsseitiger Teilabschlußwiderstand
RQ,eff effektiver Gesamtwiderstand RP ||RQ
R∗th,SS2 effektiver thermischer Widerstand eines SS2 -Transistors
R′th,epoxy flachenspezifischer thermischer Widerstand des Chipklebers
S012, S021 Wellenubertragungsfaktoren (Wellenparameter)
σ Dampfung
SS Stromschalter
τf Transitzeit
τ1, τ2 Transistor-Zusatzlaufzeiten
∆Tepoxy Temperaturabfall uber dem Chipkleber
u Ubertragungsfaktor des idealen Transformators
U0 allgemeine (negative) Betriebsspannung
U1 positive Betriebsspannung der Ausgangsstufe
UCB0 Kollektor-Basis-Durchbruchspannung
UCE0 Kollektor-Emitter-Durchbruchspannung bei offener Basis
UCEX Kollektor-Emitter-Durchbruchspannung bei einer
definierten Beschaltung
UT Temperaturspannung
Uqw Spannung uber innerem Bereich des Quantumwells
eines Elektroabsorptionsmodulators
Y Y-Operator (Transformation Transadmittanz-Lastadmittanz)
Y K allgemeine bereinigte Testadmittanz zur
Stabilitatsuntersuchung
Y K allgemeine Testadmittanz zur Stabilitatsuntersuchung
Z0 Wellenwiderstand einer Leitung
Z01, Z02 Wellenwiderstand (Wellenparameter)
Kapitel 1
Einleitung und Ziel der Arbeit
An der Schwelle zum neuen Jahrtausend befindet sich die gesamte Gesellschaft
in einem Umbruch hin zu einer Informationsgesellschaft, deren Ausmaße heute
wohl noch kaum eingeschatzt werden konnen. Das weltumspannende Internet
mit seiner kaum vorstellbaren lawinenartigen Ausbreitung innerhalb nur eines
einzigen Jahrzehntes ist nur der Vorbote dieser Entwicklung. War noch Ende
der achtziger Jahre die lokale Vernetzung von Rechnern etwas Besonderes, so
sind heute Begriffe wie “email” und “on-line banking” fur einen weiten Teil der
Bevolkerung so selbstverstandlich wie ein eigenes Auto. Schon in naher Zukunft,
wird nahezu jeder Bereich des taglichen Lebens in der einen oder anderen Weise
in einen elektronischen Austausch von Informationen involviert sein.
Haupt-verst. 1
2
n
1
2
n
E
O
Glasfaserstrecke
f/2f
Foto-diode
Vor-verst.
ZeitmultiplexerDemultiplexer
Frequenzteiler
Entscheider
Elektrooptischer
Taktrückgewinnung
=1300/1550 nmλ
Wandler (Sendemodul)
Abb. 1.1: Prinzipieller Aufbau eines ETDM-Glasfaser-Ubertragungssystems.
Fur die Bewaltigung dieser großen Datenmengen spielt die optische Ubertra-
gungstechnik eine entscheidende Rolle. Zur Erzielung allerhochster Ubertragungs-
raten werden heute bevorzugt digitale Glasfasersysteme nach dem elektrischen
Zeitmultiplex-Verfahren (EDTM) verwendet. Deren prinzipiellen Aufbau zeigt
Abb. 1.1.
Senderseitig werden parallel zugefuhrte digitale Daten- und Telekommunika-
tionskanale durch einen Zeitmultiplexer zu einem seriellen Datenstrom gebundelt
2 1. Einleitung und Ziel der Arbeit
und mittels eines elektrooptischen Wandlers (E/O) der Tragerlichtwelle aufmodu-
liert. Fur Monomodefasern sind die Wellenlangen λ = 1300 nm (Dispersionsmini-
mum) und λ = 1550 nm (Dampfungsminimum) gebrauchlich. Man unterscheidet
direkte Modulation, bei der ein Lasertreiber den Pumpstrom eines Halbleiterlasers
moduliert und externe Modulation, bei der die Transmissionseigenschaften eines
Halbleiterkristalls entsprechend der vom einem Modulatortreiber bereitgestellten
Signalspannung moduliert werden (vgl. Kap. 2). Auf der Empfangerseite wan-
delt eine Fotodiode das optische Signal in ein elektrisches, das erst rauscharm im
Vorverstarker und weiter im Hauptverstarker verstarkt wird. Mit dem aus der
Taktruckgewinnungsschaltung extrahierten Takt werden in der Entscheiderschal-
tung Pulsform und -zeitlage regeneriert und im Demultiplexer der Datenstrom in
die ursprunglichen Datenkanale aufgeteilt.
Datenraten um 10 Gbit/s sind heute Standard in der Weitverkehrsebene.
Nicht immer handelt es sich dabei um ETDM-Systeme. Anfangs untragbar teu-
er wird die Datenbandbreite heute auch durch Wellenlangenmultiplexverfahren
(WDM) gesteigert, bei denen mehrere Kanale zeitparallel auf verschiedenen Wel-
lenlangen ubertragen werden. Dabei ist aus wirtschaftlicher Sicht jedoch eine
moglichst hohe elektrische Ausgangsdatenrate anzustreben [2].
Die erzielbaren Datenraten in ETDM-Ubertragungssystemen werden
hauptsachlich durch die beiden elektrooptischen Schnittstellen begrenzt.
Zunachst werden ausreichend schnelle elektrooptische und optoelektrische Wand-
ler benotigt. Diese stellen jedoch — an Vor- und Hauptverstarker empfangersei-
tig und Laser- beziehungsweise Modulatortreiber senderseitig — hohe elektri-
sche Anforderungen. Wahrend mit getakteten Schaltungen wie MUX und De-
MUX (aufgebaute Module, SiGe-Bipolartechnologie) bereits Rekord-Datenraten
von 60 Gbit/s [3, 4], in der Zusammenschaltung als Entscheiderschaltung (fur
35 Gbit/s) intern sogar 70 Gbit/s [5] erreicht werden, erzielen Verstarker und
Standard-Modulatortreiber1, trotz reduzierten Systemanforderungen [2, 8], in der
gleichen Technologie nur maximale Datenraten von 40 Gbit/s [9, 6]. Im Hinblick
auf den wachsenden Bandbreitenbedarf sind schnelle Vor- und Hauptverstarker
und mehr noch Laser- bzw. Modulatortreiber kritische Schlusselkomponenten.
Bei Beginn dieser Arbeit (1993/94) fanden SDH-Systeme2 der Stufe SMT-
16 (2,488 Gbit/s) Eingang in kommerzielle Netze [10]. SMT-64, also 10 Gbit/s-
1Ein spezieller Leistungs-MUX, in welchem die Ausgangsstufe des Standard-Treibers aus [6]verwendet wird (vgl. 5.3), erreicht eine maximale Datenrate von 50 Gbit/s [7].
2SDH bezeichnet den Ubertragungsstandard Synchrone Digitale Hierarchie. Deren Ba-sissignal ist SMT-1, das sogenannte Synchrone Transport-Modul 1 (155, 52 Mbit/s). DasTransport-Modul SMT-N weist die N-fache Datenrate, SMT-64 also beispielsweise die Daten-rate 9,95 Gbit/s, auf.
1. Einleitung und Ziel der Arbeit 3
Systeme, befanden sich dagegen noch in der Vorfeldentwicklung. Noch unentschie-
den war zu diesem Zeitpunkt die Frage, ob die Laser fur derartige Systeme (wie fur
SMT-16) noch direkt moduliert werden konnen oder ob Laseremission (Dauerlicht
oder periodische Pulse) und -modulation getrennt werden mussen (vgl. Kap. 2.1)
[10]. Absehbar war jedoch, daß sich fur die Modultechnik entsprechend schneller
Laserdioden das 50 Ω-System durchsetzt, fur das eine Vielzahl aufbautechnischer
Problemlosungen (z.B. reflexionsarme Steckerverbindungen und Gehausetechnik)
existiert. Der Wunsch nach moglichst großen Regeneratorabstanden entlang der
Ubertragungsstrecke resultiert in der Forderung moglichst hoher optischer Ex-
tinktion im Sender (großer 10 dB), fur die wiederum Modulationsstromhube im
Bereich von 60 bis 80 mA benotigt werden [10]. Die hieraus resultierenden Span-
nungshube von 3 bis 4 Vss sind andererseits aber auch zur Ansteuerung externer
Modulatoren geeignet.
Die vorliegende Arbeit beschaftigt sich mit dem Entwurf und der Realisie-
rung monolithisch integrierter Treiberschaltungen in Silizium-Bipolartechnologie
fur die Lichtwellenmodulation im Sendemodul von Hochgeschwindigkeits-
Glasfaser-Ubertragungssystemen. In drei Entwicklungsschritten werden entspre-
chende Bausteine fur die synchronen Transportmodule SMT-64 (10 Gbit/s),
SMT-128 (20 Gbit/s) und SMT-256 (40 Gbit/s) entwickelt und erfolgreich rea-
lisiert. Den Stand der Technik bei Beginn der Arbeit stellt der in [11] veroffent-
lichte Laserdiodentreiber (LDD) fur die Ansteuerung, an einen Wellenwiderstand
von 25 Ω angepaßter, Laserdioden dar. Der mit dieser Schaltung erreichte ma-
ximale Modulationstromhub betragt 40 mA entsprechend einem Spannungshub
von 1 Vss an externen 25 Ω. Zur Reduktion von Doppelreflexionen ist (auf dem
Chip) ein ausgangsseitiger Teilabschluß (|S22|DC = 1/2) mit 75 Ω vorgesehen,
so daß der interne Ausgangsstromhub 53 mA betragt. Zur Kompensation von
Alterungseffekten der Laserdioden (Kap. 2.1) ist der Modulationsstromhub in ei-
nem Bereich von 15 bis 40 mA einstellbar. Mit einer maximalen Datenrate von
12 Gbit/s handelt es sich zum Zeitpunkt seiner Veroffentlichung nicht nur um
den einzigen Lasertreiber in Silizium-Bipolartechnologie, sondern auch um den
schnellsten monolithisch integrierten Lasertreiber uberhaupt.
Fur experimentelle 10 Gbit/s-Systeme in der Vorfeldentwicklung sind die
Leistungsdaten dieses Lasertreibers ausreichend. Aus den oben diskutierten
Grunden werden fur kommerzielle Systeme jedoch deutlich großere Modulations-
stromhube bei gleichzeitig verdoppelter Lastimpedanz benotigt. Bei Datenraten
uber 10 Gbit/s mussen (wegen “laser chirping”, vgl. Kap. 2.1) schließlich externe,
spannungsgesteuerte Modulationsverfahren eingesetzt werden. Deren benotigte
Signalhube liegen um und uber 3 Vss und damit weit uber dem in [11] realisierten
4 1. Einleitung und Ziel der Arbeit
Hub von 1 Vss. Die Realisierung von Modulatortreibern, die dieser Problematik
gerecht werden, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Die drei wichtigsten in digitalen Glasfaser-Ubertragungssystemen verwen-
deten optischen Modulationsverfahren werden im anschließenden Kap. 2 kurz
diskutiert. Dabei steht weniger der theoretische Aspekt im Vordergrund, son-
dern die mit den einzelnen Konzepten verknupften elektrischen Anforderungen,
Vor- und Nachteile. Aufbauend auf einem diesbezuglichen Vergleich der Verfah-
ren wird im Teilkapitel 2.3 der prinzipielle Aufbau der in dieser Arbeit realisierten
Treiberschaltungen betrachtet.
Die Topologie von Treiberschaltungen ist in der Regel wenig komplex, ein
Umstand, der schon haufig zur falschen Annahme verleitet hat, sie seien leicht zu
entwickeln. Das Gegenteil ist der Fall. Treiberschaltungen zur Lichtwellenmodu-
lation vereinen zwei Merkmale, die gegensatzlicher nicht sein konnten: Hohe Be-
triebsgeschwindigkeit und hohe Ausgangspannungs- beziehungsweise -stromhube.
Umso wichtiger sind sorgfaltiger Entwurf und Modellierung der Bauelemente,
speziell der Transistoren. Gegenuber anderen Hochgeschwindigkeitschaltungen
tritt hierbei eine Besonderheit auf: Nahezu alle Transistoren konnen aufgrund
der typisch um eine ganze Großenordnung hoheren Strome nicht einfach durch
vorhandene Standardstrukturen realisiert werden. Zur optimalen Losung dieser
Problematik werden in dieser Arbeit spezielle, physikalisch basierte Transistor-
modellierungsprogramme entwickelt. Bei diesem in Kap. 3.1 erlauterten Konzept
geht die Transistoroptimierung einen Schritt weiter als ublich, indem neue Tran-
sistorkonfigurationen entworfen und modelliert werden. Mit der flexiblen Transi-
stormodellierung ist die Voraussetzung fur die Transistoroptimierung geschaffen,
die zusammen mit weiteren typischen Dimensionierungsaspekten Gegenstand von
Kap. 3.2 ist. Der letzte Abschnitt, Kap. 3.3, kommt nochmals auf den physikali-
schen Transistorentwurf zuruck, indem ein kurzer Ausblick auf denkbare, speziell
auf Treiberstufen zugeschnittene Spezialtransistorstrukturen prasentiert wird.
Wenngleich die systemseitig getroffene Wahl des Modulationsverfahrens (zu-
mindest) den Entwurf der Ausgangsstufe (speziell des Ausgangskreises) be-
stimmt, gibt es eine Reihe grundlegender, untrennbar mit dem Entwurf breit-
bandiger Treiberstufen verbundener Problemstellungen. Deren Diskussion und
Losung ist Gegenstand von Kap. 4.
Das anschließende Kap. 5 behandelt hingegen spezielle Entwurfsaspekte ver-
schiedener, an das verwendete Modulationsverfahren beziehungsweise die jeweili-
ge optoelektronische Schnittstelle angepaßte, Ausgangsstufenkonzepte. Statt ei-
ner Diskussion nur anhand von Simulationsergebnissen wird Wert auf eine ver-
einfachte analytische Betrachtung gelegt, deren Ziel das anschauliche Verstandnis
der verwendeten Mechanismen ist.
1. Einleitung und Ziel der Arbeit 5
Ein wichtiger Gesichtspunkt beim Entwurf von schnellen Treiberschaltungen
ist die Stabilitatsproblematik. Deren Betrachtung wird in Kap. 6 von zwei Seiten
aus angegangen. Im ersten Teilkapitel wird die potentielle Instabilitat einzel-
ner Schaltungszellen und Transistorstufen betrachtet. Fur den kapazitiv belaste-
ten Emitterfolger mit Serieninduktivitat am Kollektor wird eine neuartige, nach
Kenntnis des Autors bislang unbekannte, analytische Betrachtung entwickelt, die
den destabilisierenden Einfluß der Induktivitat zeigt. Ausschlaggebend dafur, ob
eine potentielle Instabilitat einzelner Schaltungsteile tatsachlich zu Oszillation
fuhrt, sind haufig die parasitaren Elemente und Effekte des Strukturentwurfs
(Layout), deren detaillierter elektrischer Modellierung ein eigener Abschnitt ge-
widmet wird (Kap. 6.2.1). An verschiedenen Beispielen wird die Notwendigkeit
eines Verstandnisses der Metallisierungen auf dem Halbleiterchip als verteilte
Verbindungselemente erlautert. Am Ende dieser Betrachtungen steht die weit-
reichende Erkenntnis, daß das aus der Hochfrequenztechnik bekannte Leitungs-
modell verallgemeinert werden muß, um Gegen- und Gleichtakteffekte auf dem
Chip zu berucksichtigen. Am Fallbeispiel eines 20-Gbit/s-Modulatortreibers wer-
den schließlich Regeln fur den Strukturentwurf schneller Treiberstufen abgeleitet.
Im Vergleich zu den anderen Schaltungen in optischen Ubertragungssyste-
men weisen Laser- und Modulatortreiber deutlich hohere Verlustleistungen und
als Konsequenz hohere Chip-Temperaturen auf, die die Lebensdauer (Elektro-
migration) und/oder die Funktion beeintrachtigen konnen. Aus diesem Grund
beschaftigt sich Kap. 7 mit einem speziellen elektrischen Verfahren zur Mes-
sung der Sperrschichttemperatur der Ausgangsstufentransistoren eines 20-Gbit/s-
Modulatortreibers. Im Gegensatz zu bekannten Methoden wird die Temperatur
im aufgebauten Zustand und direkt in der Basis-Emitter-Sperrschicht der Aus-
gangsstufentransistoren erfaßt.
Kap. 8 faßt die mit den realisierten Treibern erzielten Ergebnisse zusammen.
Dabei wird besonders großer Wert auf einen luckenlosen Vergleich von Simula-
tion und Experiment Wert gelegt. Als Ergebnis der konsequenten physikalischen
Modellierung der Transistoren und der rigorosen, detaillierten Modellierung para-
sitarer Elemente und Effekte des Strukturentwurfs wird in allen Fallen eine gute
— in Anbetracht der hohen Datenrate und des zumeist einphasigen (Gleichtakt-
empfindlichem) Spannungsabgriffs — großtenteils sogar sehr gute Ubereinstim-
mung erreicht. Fur den 10-Gbit/s-Laser-/Modulatortreiber werden neben dem
rein elektrischen Betrieb auch optische Augendiagramme fur alle drei Verfahren,
direkte Lasermodulation, externe Modulation mit MZI und externe Modulation
mit EAM gezeigt3.
3Diesen Meßergebnissen konnen als einzigen keine entsprechende Simulationen gegenuber-gestellt werden, da die Modulhersteller keine Ersatzschaltbilder veroffentlichen.
6 1. Einleitung und Ziel der Arbeit
Eine Ubersicht der schnellsten Laser- und Modulatortreiber mit geeignet
hohem Modulationstrom fur direkte bzw. hohem Spannungshub fur externe Mo-
dulation in Tab. 1.1 zeigt den Stand der Technik vor Beginn bis zum Abschluß
der vorliegenden Arbeit. Aufgefuhrt sind (von links) Referenz der Publikation,
verwendete Technologie und deren typische Transitfrequenz, Treibertyp, maxima-
le Datenrate, externer und interner (in Klammern) Modulationsstromhub, ma-
ximale (meist einphasiger) Ausgangshub ∆UQ und — falls vorhanden — aus-
gangsseitiger Teilabschlußwiderstand RP . Desweiteren sind Besonderheiten vor
allem hinsichtlich der Meßbedingungen angemerkt. Treiber nach dem Prinzip der
Wanderwellenverstarkung (WV) sind in der Spalte ∆IQ entsprechend markiert,
da eine Unterscheidung nach in- und externen Strom hier keinen Sinn macht.
Die Charakterisierung des Geschwindigkeitspotentials der jeweiligen Technolo-
gie kann mangels anderer Daten nur anhand der publizierten Transitfrequenzen
erfolgen. Es steht außer Frage, daß diese einen aus der angestrebten Betriebs-
geschwindkeit abgeleiteten Mindestwert aufweisen mussen. Fur einen legitimen
Vergleich mußten aber auch andere, in der Regel nicht publizierte Technologiepa-
rameter bekannt sein. Wie Kap. 3 zeigen wird, beschrankt sich dies bei Treiber-
schaltungen, im Gegensatz zu anderen Schaltungen, nicht auf parasitare Tran-
sistorkapazitaten und -widerstande und die Stromtragfahigkeit der Transistoren.
Sehr wichtig sind beispielsweise auch die spezifischen Stromtragfahigkeiten der
Metallisierung, der Halbleiter-Kontaktierung, der Vias und der Polywiderstande,
welche zusammen mit der Dicke isolierender Siliziumdioxidschichten, die durch
den Strukturentwurf bedingten Leitungskapazitaten bestimmen. Beim Vergleich
ist weiterhin zu beachten, daß nahezu die Halfte der Autoren nur Messungen mit
Hochfrequenztastkopfen auf der Halbleiterscheibe (“on wafer”) prasentieren. Der
gerade bei Treiberschaltungen aufgrund der hohen Stromspitzen nicht zu ver-
nachlassigende Einfluß von Bondinduktivitaten ist somit ebensowenig im Meß-
ergebnis enthalten wie Temperatureffekte durch Aufheizung im vereinzelten und
aufgebauten Zustand. Schließlich unterscheiden sich die einzelnen Publikationen
ganz erheblich in der Qualitat der gemessenen Augendiagramme. Nur die wenig-
sten Publikationen — selbst solche, die im Gegensatz zu dem in dieser Arbeit
eingeschlagenen Weg nur auf der Halbleiterscheibe gemessen wurden — erreichen
in puncto Signalqualitat die in der vorliegenden Arbeit erzielten Resultate.
Betrachtet man die Technologie-Spalte in Tab. 1.1 wird die Motivation der
vorliegenden Arbeit deutlich: Traditionell wurden — und werden vielfach heute
noch — fur schnelle Treiberschaltungen fast ausschließlich aufwendige und kost-
spielige III-V-Verbindungshalbleiter-Technologien verwendet. In einem Zeitraum
von acht Jahren stehen dreizehn III-V-Treiberschaltungen weniger als die Halfte
1. Einleitung und Ziel der Arbeit 7
Autoren Technologie fT[GHz]
Typ Bmax[Gb/s]
∆IQ[mA]
∆UQ[Vss]
RP[Ω]
Meßbedingungen und Anmerkungen
Banu et al. [12], 1991 InP/InGaAs HBT -?- LDD 10 100 (100) 0,27 — “on wafer” an 3 || 50 Ω.
Montgomery
et al. [13], 1991
AlGaAs/GaAs
HBT
45 MD 10 60 (60) 3 — “on wafer” an 50 Ω.
Rein et al. [11], 1992 Si-Bipolar 25 LDD 12 40 (53) 1 75 aufgeb. an 25Ω. Hubbereich Faktor 2,7.
Runge
et al. [14], 1992
AlGaAs/GaAs
HBT
55 MD 11 50 (50) 2,5 — “on wafer” 5 Vss differentiell an 50 Ω.
Suzuki
et al. [15], 1992
AlGaAs/InGaAs
/GaAs 2DEG FET
51 MD 10 80 (80) 4 — aufgebaut an 50 Ω.
Derksen
et al. [16], 1993
Si-Bipolar 21 LDD 10 45(60) 1, 1 75 aufgebaut an 25 Ω. Einstellbarer Hub
(Faktor 3). Auch optische Messung.
Rein, Schmid
et al. [17], 1994
Si-Bipolar (B6HF) 25 LDD
MD
14 72 (108) 3,6 100 aufgebaut an 50 Ω. Einstellbar Strom-
hub (Faktor 4, ohne Signaleinbußen).
Yamauchi
et al. [18], 1994
InGaP/GaAs HBT 50 MD 10 100 (100) 5 50 “on wafer” an 50 Ω. Hoher Hub jedoch
schlechte Pulsform.
Menouni
et al. [19], 1996
GaInP/GaAs HBT 50 LDD 14 40 (40) 2 — “on wafer” elektrisch (50 Ω) und op-
tisch im Modul gemessen.
Demange
et al. [20], 1996
GaAs PHEMT 55 MD 12,5 — 2,5 — elektroopt. Modul (MD/EAM).
Wong
et al. [21], 1996
AlGaAs/GaAs
HBT
50 MD 10 60 (120) 2×3 50 Optisches Augendiagramm bei An-
steuerung eines differentiellen MZIs.
Bauknecht
et al. [22], 1996
InP/InGaAs
DHBT
80 LDD 12 140 (140) 3,5 50 aufgebaut an 25 Ω. 1 . . . 3,5 Vss uber
Betriebsspannung moglich
Schmid
et al. [23], 1997
SiGe-Bipolar 68 MD 20 46 (72) 2,3 90 aufgebaut an 50 Ω.
Suzuki et al. [24], 1997 InP/InGaAs HBT 147 MD 20 64 (128) 3,2 50 “on wafer” an 50 Ω.
Lao MD 25 66 (100) 3,3 100
et al. [25], 1997
AlGaAs/GaAs
QW-HEMT 60 MD 30 44 (66) 2,2 100
“on wafer” an 50 Ω. Teilweise MUX
oder DFF integriert.
Miyashita
et al. [26], 1997
InP/InGaAs HBT 68 MD 20 60 (60) 3,2 50 “on wafer” an 50 Ω. Einstellbarer Hub
(Faktor 1,5).
Schmid
et al. [27], 1998
SiGe-Bipolar 72 MD
EAM
40 50 (50) 2 ×1,25
25 aufgebaut an 2×50 Ω (diff.).
Spezielle aktive Last zur Vorspannung
(0...−2 V ) eines differentiellen EAMs.
Moller, Meister,
Schmid et al.
[7], 1998
SiGe-Bipolar 72 MD
EAM
50 50 (50) 2×1 25 aufgebaut an 2×50 Ω (diff.). Leistungs-
MUX, verwendet gleiche Ausgangsstu-
fe wie [27]. 2×1,25 Vss bei 40 Gb/s.
Lao
et al. [28], 1998
AlGaAs/GaAs
QW-HEMT
68 MD 40 58 (87) 2,9 100 “on wafer” an 50 Ω. Hoher Hub jedoch
moderate Signalqualitat.
Thiam
et al. [29], 1998
GaAs P-HEMT 95 MD 40 60,WV ≈ 3 100 an 50 Ω. Zwei kaskadierte Verstarker-
ICs gehaust in MMIC-Modul.
Meghelli MD 20 72 (108) 3,6 100
et al. [30], 1998InP/InGaAs DHBT
56 MD 30 44 (55) 2,2 200
“on wafer” an 50 Ω. 30 Gbit/s mit
MUX-Driver-Konzept.
Schmid
et al. [31], 1999
SiGe-Bipolar 72 MD 23 70 (112) 3,5 84 aufgebaut an 50 Ω.
Leich et al. [32], 1999 GaAs P-HEMT -?- MD 40 100,WV ≈ 5 100 “on wafer” an 50 Ω. Verst. nur 12dB !
Kauffmann
et al. [33], 1999
InP/InGaAs
DHBT
125 MD 40 44 (66) 2,2 100 an 50 Ω. Aufgebaut deutlich schlechter
als “on wafer”. Optische Signalqualitat
(EAM) selbst bei 30 Gbit/s schlecht.
Tab. 1.1: Kennwerte der publizierten (Stand: 12/1999) schnellsten monolithisch inte-grierten Laser- (LDD) und Modulatortreiber (MD). Erlauterungen im Text.
8 1. Einleitung und Ziel der Arbeit
Siliziumbipolar-Treiber gegenuber4. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit gelingt
es diese Domane der III-V-Halbleiter aufzubrechen: Die vom Autor realisierten
Treiberschaltungen stellen nicht nur bis zum heutigen Tag durchweg Weltrekor-
de fur siliziumbasierte Technologien dar, sondern erreichen und ubertreffen sogar
teilweise die Daten vergleichbarer III-V-Schaltungen (Tab. 1.1). Dieses Ergeb-
nis ist nicht selbstverstandlich, haben doch die aufwendigen III-V-Technologien
gegenwartig noch Geschwindigkeitsvorteile gegenuber Siliziumtechnologien.
4Drei weitere III-V-Schaltungen von Wang et al. [34, 35, 36] werden nicht in den Vergleicheinbezogen, da die gemessenen Datenraten teilweise ganz erheblich von denen im Titel ange-gebenen (Faktor 1,5 in [34]; Faktor 2,5 in [35]), aus Simulation und Frequenzgangmessungenextrapolierten Werten, abweichen. In [36] erfolgt die Messung bei der im Titel angegebenenDatenrate, das gezeigte Augendiagramm weist jedoch nahezu keine Offnung auf. Ein fairer Ver-gleich mit den Meßergebnissen der anderen Schaltungen ist aus diesen Grunden nicht moglich.
Kapitel 2
Elektrooptische
Modulationsverfahren
In der optischen Nachrichtentechnik sind die elektromagnetischen Tragerwellen
Lichtwellen, die meist in einem Lichtwellenleiter (Glasfaser) gefuhrt werden. Zur
Informationsubertragung muß die Lichtwelle moduliert werden. Entsprechend den
charakteristischen Großen von Lichtwellen stehen hierfur prinzipiell folgende Mo-
dulationsmoglichkeiten zur Verfugung:
• Intensitatsmodulation
• Frequenzmodulation
• Phasenmodulation
• Modulation der Polarisationsrichtung
In Glasfasern kann die Polarisationsrichtung uber langere Strecken nicht auf-
recht erhalten werden und scheidet daher als Modulationsgroße aus. Frequenz-
und Phasenmodulation benotigen fur die Demodulation einen aufwendigen op-
tischen Heterodyn-Empfang. Bei Frequenzmodulation in Glasfasersystemen be-
grenzt zusatzlich die Dispersion der Faser die Bandbreite.
Aus diesen Grunden ist die Intensitatsmodulation, also die Modulation der
Lichtleistung, am gebrauchlichsten. Zwei Konfigurationen finden Anwendung, die
in den folgenden Abschnitten kurz diskutiert werden sollen.
2.1 Direkte Modulation von Halbleiterlasern
Die direkte Modulation von Halbleiterlasern ist die klassische Losung. Abb. 2.1
zeigt eine schematische Darstellung dieser Senderkonfiguration. Bei diesem Kon-
zept wird das elektrische Eingangssignal eines Lasertreibers zunachst durch diesen
verstarkt und in einen Strom gewandelt. Der elektrische Signalstrom wird dann
10 2. Elektrooptische Modulationsverfahren
=1300/1550 nmλ
mAss
Laserdiodeim Pulsbetrieb
Spannung
Glasfaser optische TrägerwelleIntensitätsmodulierte
Modulationsstrom:15...60
Biasstrom:10...60 mA
treiberLaser- Abb. 2.1:
Senderkonfigurationmit direkter optischerModulation.
mit einem Biasstrom kombiniert auf eine Laserdiode gegeben. In dieser Wei-
se moduliert das elektrische Signal direkt die Laserverstarkung und damit die
in die Glasfaser eingestrahlte Lichtintensitat. Zur Anwendung kommen spezielle
Laserdioden (DBR: distributed Bragg reflector, DFB: distributed feedback), die
gegenuber dem klassischen Fabry-Perot-Laser eine wellenlangenselektive Ruck-
kopplung der optischen Welle aufweisen, um eine mehrmodige Emission bei Hoch-
frequenzmodulation zu vermeiden [37].
Das Verhalten von Laserdioden wird durch zwei gekoppelte Bilanzgleichun-
gen (nichtlineare DGL) beschrieben, die fur den vorliegenden Großsignalbetrieb
nur numerisch gelost werden konnen. Der an der genauen Theorie interessierte
Leser muß auf [38] verwiesen werden. An dieser Stelle sei nur auf die besonders
wichtige Kenngroße der Relaxationsfrequenz kurz eingegangen. Beim Energieaus-
tausch zwischen dem Feld (Photonenspeicher) und dem Halbleiter (Speicherung
von Anregungsenergie durch Elektronen im Leitungsband) entstehen Relaxati-
onsschwingungen, deren Dampfung durch die endliche Lebensdauer von Photo-
nen und angeregten Elektronen bestimmt ist. Fur schnelle Modulation von La-
sern muß einerseits die Relaxationsfrequenz hoch und andererseits deren Damp-
fung einstellbar sein. Ersteres wird durch Verwendung von Quantenfilmen fur
die aktive Zone erreicht [39, 40]. Kleine Einschaltverzogerung und ausreichende
Dampfung erreicht man durch Wahl eines Biasstroms (Abb. 2.1) in der Nahe des
Einsatzstroms (zum Teil daruber) des Laserbetriebs (stimulierte Emission) [38].
Der Vorteil dieses Modulationsschemas ist dessen geringer Aufwand. Die
Anwendbarkeit zur Modulation bei hoheren Datenraten (um und oberhalb
10 Gbit/s) ist jedoch durch den chirp-effect (engl. chirp “Zwitschern”) einge-
schrankt: Amplitude und Phase des von Laserdioden emittierten Lichtes sind uber
die tragerdichteabhangige Brechzahl des Laserresonators gekoppelt [38]. Die Folge
ist eine spektrale Verbreiterung der Emission. In Verbindung mit der Dispersion
der Faser kommt es zu einer Impulsverbreiterung und Intersymbol-Interferenz.
Wenngleich heute sehr schnelle Laserdioden erhaltlich sind, beschrankt dieser
Effekt deren Haupteinsatz auf Kurzstrecken (z.B. Großrechnerkopplung).
2.2 Externe Modulation von Halbleiterlasern 11
2.2 Externe Modulation von Halbleiterlasern
Direkt modulierte Laserdioden sind eine besonders kosteneffiziente Losung fur
optische Sender. In hochbitratigen und/oder Weitverkehrsnetzen kann diese Si-
tuation jedoch schnell umschlagen, wenn durch den “chirp-effect” der Laserdiode
und die Faserdispersion die benotigte Anzahl von Regeneratoren ansteigt (Ab-
nahme des Regeneratorabstandes). Losen laßt sich diese Problematik durch Im-
plementation eines Senders mit externer Intensitatsmodulation. Abb. 2.2 zeigt
eine schematische Darstellung dieser Senderkonfiguration.
=1300/1550 nmλ
treiber
Laserdiodeim Dauerbetrieb
ssVSpannung Modulationsspannung: 1...7
optische TrägerwelleIntensitätsmodulierte
GlasfaserDO
M
optischerModulator
I=const.
BiasspannungModulator-
Abb. 2.2:Senderkonfigurationmit externer optischerModulation.
Bei diesem Konzept arbeitet die Laserdiode im Dauerbetrieb und bestrahlt
einen elektrooptischen Modulator (MOD) mit einer konstanten Lichtleistung. Das
elektrische Eingangssignal eines Modulatortreibers wird durch diesen verstarkt
und moduliert die durch den Modulator transmittierte Lichtleistung. In der Regel
wird zusatzlich eine Vorspannung (Bias) benotigt, um uber den Arbeitspunkt des
Modulators die optische Extinktion zu maximieren.
Halbleitermodulatoren waren wegen der hohen Verluste von Wellenleitern
aus Halbleitermaterialien (optische Einfugungsdampfung) zunachst keine Alter-
native zur direkten Lasermodulation. Fortschritte der Halbleitertechnologie ha-
ben dieses Hindernis jedoch mehr oder minder beseitigt. Im wesentlichen haben
sich zwei verschiedene Konzepte durchgesetzt, die in den folgenden Abschnitten
betrachtet werden.
2.2.1 Mach-Zehnder-Interferometer (MZI)
Modulatoren, die auf dem linearen elektrooptischen Effekt (Pockels-Effekt) auf-
bauen, werden oft einfach als EO-Modulatoren bezeichnet. Bei diesem Modulator-
typ macht man sich den Umstand zunutze, daß der Brechungsindex bestimmter
anisotroper Materialen (z.B. III-V-Mischkristalle und Keramiken wie LiNbO3,
LiTaO3) eine lineare Abhangigkeit zur angelegten elektrischen Feldstarke zeigt.
12 2. Elektrooptische Modulationsverfahren
Die dadurch erzeugte Phasenmodulation des Lichts wird in geeigneten Anord-
nungen in eine Amplitudenmodulation umgesetzt.
Besonders haufig wird das
(ridge structure)
h ν
Koplanarleitung
LiNbO3SiO2
geätzte Bereiche
diffundierter Wellenleiter (z.B. Ti)
Abb. 2.3: Vereinfachter prinzipieller Aufbau einesMach-Zehnder-Interferometers.
Mach-Zehnder-Interferometer
eingesetzt. Abb. 2.3 zeigt eine
mogliche Realisierungsform.
Die entlang eines diffundier-
ten Wellenleiters gefuhrte
Lichtwelle wird symmetrisch
auf zwei Teilarme aufgespal-
tet. Uber einen elektrischen
Wellenleiter, hier eine Kopla-
narleitung, wird das Modu-
lationssignal zugefuhrt und
interagiert mit einer der beiden Teilwellen. Durch den linearen optischen Effekt
resultiert in diesem Arm eine Phasenverschiebung der optischen Teilwelle.
Betragt die Phasenverschiebung 180 Grad, so sind die beiden Teilwellen am
Vereinigungspunkt gerade in Gegenphase und die resultierende Feldverteilung
ist antisymmetrisch zur Langsachse1. Die Strahlungskeule des Fernfeldes hat
daher eine Nullstelle in Richtung der Langsachse und zwei außerhalb des Akzep-
tanzwinkels des Monomodenwellenleiters fallende Maxima: Die Strahlung wird
also seitlich in das Substrat abgegeben. Die Bandbreite solcher Modulatoren ist
hauptsachlich durch den fehlenden Synchronismus (velocity mismatch) von Licht
und Modulationswelle langs der Wechselwirkungsstrecke begrenzt. Der heraus-
ragende Vorteil von MZI-Modulatoren liegt in deren bis zu hochsten Frequenzen
exzellenten elektrischen Anpassung2. Daruberhinaus hat deren sinusformige
Spannungs-Dampfungscharakteristik den Vorteil einer optischen Begrenzung
sowohl auf dem Einschalt- als auch auf dem Ausschaltspannungspegel.
2.2.2 Elektroabsorptionsmodulatoren (EAM)
Die Anderung der fundamentalen Absorption (Absorption mit Ubergangen
Valenzband-Leitungsband) eines Halbleiters bezeichnet man als (klassische) Elek-
troabsorption oder Franz-Keldysh-Effekt. Lichtmodulatoren, die nach diesem
Prinzip arbeiten, werden meist kurz als EA-Modulatoren bezeichnet. Hierbei
macht man sich den Umstand zunutze, daß ein angelegtes elektrisches Feld eine
Verkippung der Bandkanten bewirkt [37]: Bei gleichbleibender Hohe der Ener-
giebarriere (Bandlucke) nimmt reziprok zur Feldstarke deren Tunnelbreite ab.
Als Folge konnen sich Elektronen und Locher mit einer gewissen Wahrscheinlich-1Die zugehorige Spannung Vπ ist eine Kenngroße fur MZI’s.2Der Grund hierfur ist die verteilte Zufuhrung des Modulationssignals entlang eines (am
Ende abgeschlossenen) elektrischen Wellenleiters (in Abb. 2.3 nur angedeutet).
2.2 Externe Modulation von Halbleiterlasern 13
p-InP
n-InP
i-SL-MQW
BCB
InP:Fe
HomogeneRC-Leitung
∼∼
∼∼
∼∼
∼∼∼∼∼∼ ∼∼
∼∼
∼∼∼∼
∼∼
C0
0R
p-Kon.n-Kon.
p-Kontakt
n-KontaktSpannung über dem inneren MQW
Abb. 2.4: Schematischer Aufbau und elektrisches Ersatzschaltbild des fur ein40 Gbit/s-System [41, 2] vorgesehenen differentiellen EAM-Chips. Fur diewichtigsten Parameter des inneren Quantumwell-Bereichs gilt R0 ≈ 5 Ωund C0 ≈ 100 fF [2]. Das uber C0 anliegende Feld bestimmt die Absorptiondes entlang des Wellenleiters unter dem p-Kontakt gefuhrten Lichtes.
keit (Betragsquadrat der Schrodingerwellenfunktionen) in der verbotenen Zone
aufhalten. Dadurch steigt aber die Wahrscheinlichkeit der Absorption von Pho-
tonen mit Energien, die kleiner als die Bandlucke sind, weshalb man auch von
tunnelunterstutzter Photonenabsorption spricht.
In der jungeren Vergangenheit macht man sich in der Elektrooptik zuneh-
mend die speziellen Eigenschaften von Elektronen in Quantenbehaltern zunutze.
Fur die Realisierung von Modulatoren ist der “quantum confined Stark effect”
(QCSE) von besonderem Interesse. Hierbei nutzt man die Quantisierung der
Energiezustande in einem Quantenfilm (zweidimensionales Elektronengas) und
die Verkippung dieser Bander unter einem angelegten elektrischen Feld. Wie beim
Franz-Keldysh-Effekt bewirkt letzteres eine Verschiebung der Absorptionskante
zu großeren Wellenlangen. Aufgrund der Energiequantelung ist die Empfindlich-
keit, also der Einfluß des elektrischen Feldes auf den Absorptionsverlauf, jedoch
erheblich starker als beim Franz-Keldysh-Effekt3.
Abb. 2.4 zeigt schematisch den Aufbau eines solchen EAMs. Dabei handelt
es sich um einen fur ein zukunftiges 40 Gbit/s-System (PhotonikII [41, 2, 8])
von der Firma Infineon entwickelten Chip fur den im Rahmen dieser Arbeit ein
speziell zugeschnittener Modulatortreiber entwickelt und realisiert wurde [27, 7].
3Neben der Fundamentalabsorption treten in Quantenfilmen exzitonische Effekte (Bildungeines gebundenen Elektron-Loch-Doublets) auf, deren Anregungsenergie noch unterhalb derLeitungsbandkante liegt (z.B. [37]).
14 2. Elektrooptische Modulationsverfahren
iG
iP
upin
iC=
RB
Cpin
5 ΩdQdt
iC
WZ Ω50
Ω50
inPηin
outP
220 Ω
!#" %$ ! & ' ()*"$ +-,/. 0+-,/.13254 !#"76%$ !
0,5 nH
500 fF
Q 1 pF
=
optischer Ausgang
300 fF
Kap. 5.2.1
optischer Eingang
EAM-Modul Treiber
Abb. 2.5: Großsignalersatzschaltbild eines EAMs. In den Gleichungen steht Q fur dieLadung im Quantumwell, ηin und ηout beschreiben die Kopplungseffizienzen,ηOE ist die elektrooptische Effizienz, A(upin) ist der Absorptionsfaktor undτ(upin) die (naherungsweise fur Elektronen und Locher gleich angesetzte)Fluchtzeitkonstante der Ladungstrager aus dem Quantumwell. Desweiterensind iG und iP Generations- bzw. Fotostrom sowie Pin und Pout optischeEin- bzw. Ausgangsleistung [42, 43].
Aufgrund der Beschrankung auf ausreichend kleine Lichtleistungen (geringer Fo-
tostrom) und die im angestrebten Spannungsbereich (0 . . . 2 Vss) naherungswei-
se lineare Spannungs-Absorptions-Kennlinie (geringe Verzerrung), kann bei der
Schaltungsentwicklung bezuglich der uber der inneren Quantumwell-Kapazitat C0
anliegenden Spannung optimiert werden. In der Regel mussen bei EAMs jedoch
auch elektrisch-optische und optisch-elektrische Effekte berucksichtigt werden.
Dies soll kurz anhand eines weiteren EAMs betrachtet werden, fur den ebenfalls
ein Treiber entworfen wurde (Kap. 5.2.1). Abb. 2.5 zeigt ein Großsignalersatz-
schaltbild dieses EAMs [42, 43].
Neben einem durch den Absorptionsfaktor A(upin) beschriebenen nichtli-
nearen elektrooptischen Effekt ist in Form des Fotostroms eine optoelelektrische
Ruckkopplung gegeben: Der fließende Fotostrom (pin-Diode) reduziert uber den
Spannungsabfall an RB und am Ausgangswiderstand des Treibers die Spannung
uber dem Quantumwell upin. Die Auswirkung dieser optoelektrischen Ruckkopp-
lung kann der Abb. 5.14 des Kapitels 5.2.1 entnommen werden.
2.3 Vergleich der elektrischen Anforderungen der Modulationsverfahren— Topologie von Laser- und Modulatortreibern 15
2.3 Vergleich der elektrischen Anforderungen
der Modulationsverfahren — Topologie von
Laser- und Modulatortreibern
Die vorangehenden Abschnitte zeigen die Vielfalt unterschiedlicher Lastverhalt-
nisse und elektrischer Anforderungen denen sich der Entwickler von Treiberschal-
tungen fur optische Sendeelemente gegenubersieht: Drei verschiedene elektroop-
tische Modulationsverfahren wurden vorgestellt. Jedes hat seine Vor- und Nach-
teile, sowohl in optischer als auch in elektrischer Hinsicht.
Direkte Modulation von Laserdioden . . .
. . . ist optisch betrachtet einfach und oft die kostengunstigste Alternative, nicht
zuletzt auch aufgrund des geringen Platzbedarfs.
. . . ist eine schaltungstechnische Herausforderung, da nicht nur hohe Modulati-
onsstromhube benotigt werden, sondern — aufgrund von Alterungseffekten
— diese in einem weitem Bereich einstellbar sein mussen.
. . . ist in hochbitratigen und/oder Weitverkehrsnetzen problematisch, da die
moglichen Regeneratorabstande durch den “laser chirp” begrenzt werden.
Externe Modulation mit Mach-Zehnder-Interferometern . . .
. . . stellt selbst bei hochsten Frequenzen moderate Anforderungen an den
Ausgangsreflexionsfaktor der Treiberschaltung aufgrund der breitbandigen
50 Ω-Anpassung des elektrischen Modulationseingangs.
. . . nutzt den linearen optischen Effekt und benotigt daher hohe Modulations-
spannungen (meist > 3 Vss) und/oder lange elektrooptische Wirkstrecken.
. . . ist in der Bandbreite durch den fehlenden Synchronismus von elektrischer
und optischer Welle (“velocity mismatch”) begrenzt, der die Lange der elek-
trooptischen Wirkstrecke beschrankt und damit wiederum den Spannungs-
hub bestimmt (Hub-Bandbreite-Kompromiß, ≈ 5 Vss bei 40 Gbit/s).
. . . benotigt Keramiken (LiNbO3, LiTaO3), die nicht ohne weiteres mit den bei
externer Modulation zusatzlich benotigten Laserdioden integrierbar sind.
Externe Modulation mit Elektroabsorptionsmodulatoren . . .
. . . nutzt einen Quanteneffekt aufgrund dessen nur vergleichsweise geringe Mo-
dulationsspannungen (z.T. nur 1 . . . 2 Vss) benotigt werden.
. . . hat den Vorteil einer Integrierbarkeit mit der sowieso benotigten Laserdiode
und Treiberschaltung (in III-V-Verbindungshalbleiter-Technologie).
. . . leidet unter der im Vergleich zum MZI schlecht angepaßten elektrischen Ein-
gangsimpedanz von EAM-Modulen, die eine Ansteuerung uber Leitungen
stark erschwert.
16 2. Elektrooptische Modulationsverfahren
Ein Problem, dem sich der Entwickler von Treiberschaltungen gegenuber-
sieht, ist der systemseitige Wunsch, das elektrooptische Sendeelement moglichst
flexibel wahlen zu konnen. Dies hangt zum Einen damit zusammen, daß die Ent-
scheidung fur das jeweilige Modulationsverfahren zu einem nicht unwesentlichen
Teil auch eine Kostenfrage ist. Andererseits spielt aber auch die reine Verfugbar-
keit eine Rolle. Bei kleineren Datenraten bis etwa 10 Gbit/s konkurrieren die drei
oben diskutierten Modulationsverfahren, oberhalb von 10 Gbit/s werden auf-
grund des “laser chirp”-Effektes externe Modulationsverfahren eingesetzt, wobei
bei hochsten Datenraten von 40 Gbit/s bislang nur MZI-Modulatoren kommer-
ziell verfugbar sind.
≥
2. Treiberzelle
Ausgangskreis
∼∆
Ausgangsstufe
1. Treiberzelle
<
Glasfaser
Monitor
optischerelektrischer
PDLD
Q
QN
APC
I
IN
(EF)µ KASSS2/
ν SS1(EF)
RSS1
1U 0
Ibias
QI
QI
PR
PL
0U 0
+−
Strom-Stellnetzwerk
Abb. 2.6:Schematisches Blockdiagramm der realisierten Laser- und Modulatortreiber. Die Be-schaltung des Ausgangs zeigt einen moglichen Einsatz in einem direkt moduliertenSender mit Leistungsregelung (APC: automatic power control). Laserdiodenmodulesind meist an einen Wellenwiderstand von 50 Ω angepaßt4.
In der vorliegenden Arbeit werden Treiberschaltungen fur alle drei disku-
tierten Modulationsverfahren bei Datenraten von 10 bis 40 Gbit/s entwickelt.
Die dabei zugrundeliegende prinzipielle Topologie ist schematisch in Abb. 2.6
4Die eigentliche Laserdiode weist einen Eingangswiderstand im Bereich von 5 Ω auf. Neben50 Ω-Modulen sind auch 25 Ω-Module erhaltlich.
2.3 Vergleich der elektrischen Anforderungen der Modulationsverfahren— Topologie von Laser- und Modulatortreibern 17
dargestellt. Den Schaltungskern bilden zwei hintereinandergeschaltete Grundzel-
len der Stromschaltertechnik —und hier genauer— der E2CL-Schaltungstechnik.
Jede Treiberzelle setzt sich aus mehreren kaskadierten Emitterfolgerstufen (EF
in Anzahlen ν, µ=1 . . . 3) zusammen, welche Stromschalterstufen (SS ) ansteu-
ern. Aus Grunden auf die hier nicht naher eingegangen werden soll [44] hat sich
bei Hochgeschwindigkeits-Schaltungen fur die optische Ubertragungstechnik diese
Variante der Stromschaltertechnik gegenuber der vorwiegend in Logikschaltkrei-
sen dominierenden “klassischen” ECL-Schaltungstechnik durchgesetzt.
Aufgabe der ersten Treiberzelle ist die Entkopplung des Eingangs von der
stark belasteten zweiten Treiberzelle. Gleichzeitig verstarkt sie die Eingangsspan-
nung (typisch 2 × 250 mVss) auf den zum ausreichend schnellen Schalten der
Ausgangsstufe notwendigen Eingangshub der zweiten Zelle (typisch 2× 600 mVssfur einen Schaltstrom von ca. 100 mA in der Ausgangsstufe). In dem in Abb. 2.6
gewahlten Beispiel einer direkten Lasermodulation setzt sich die Ausgangsstufe
lediglich aus der zweiten Stromschalterstufe SS2 und einem passiven Ausgangs-
kreis zusammen. Die jeweilige Realisierung dieser elektrooptischen Schnittstel-
le ist im Einzelfall naturlich von dem anzusteuernden optischen Sendeelement
abhangig. Dieser Thematik widmet sich Kap. 5.
Es verbleibt schließlich der als Strom-Stellnetzwerk bezeichnete Block.
Benotigt wird ein solches Netzwerk, wenn der Ausgangshub bei gleichbleiben-
der Signalqualitat in einem weiten Bereich (beispielsweise Faktor 4) einstellbar
sein muß, beispielsweise zur automatischen Kompensation von Alterungseffekten
in der Strom-Lichtleistungscharakteristik eines direkt modulierten Lasers. In die-
sem Fall mussen interne Strome gekoppelt an den Schaltstrom der Ausgangsstufe
eingestellt werden. Diese Thematik wird detailliert im Kap. 4.3 behandelt.
Kapitel 3
Entwurfsprinzipien
3.1 Transistormodellierung
Typische differentielle Hube von E2CL-Schaltungen fur den Einsatz in optischen
Ubertragungssystemen hochster Datenraten (≥ 10 Gbit/s) betragen zwischen
2 × 150 mVss = 300 mVss an internen Schnittstellen und etwa 2 × 400 mVss =
800 mVss an Schnittstellen zur externen Peripherie. Demgegenuber liegen die
maximalen einphasigen Ausgangshube, der in dieser Arbeit realisierten Laser-
und Modulatortreiber, bei 3,5 Vss (differentiell ≥ 7 Vss) und daruber. Sie sind
damit also durchaus eine Großenordnung (!) hoher1. Bedingt durch die hierbei
auftretenden hohen Strome ergeben sich im Vergleich zu anderen Schaltungen fur
die optische Ubertragungstechnik Besonderheiten beim Transistorentwurf. Nahe-
zu alle Transistoren mussen als Transistorstrukturen mit Mehrfach-Emittern und
Mehrfach-Kollektoren realisiert werden.
Eine Moglichkeit besteht in der Parallelschaltung mehrerer Einzeltransisto-
ren mit einem oder zwei Emitterstreifen. Aufgrund des technologisch bedingten
Mindestabstandes, welcher zwischen zwei Transistorboxen eingehalten werden
muß, bringt eine solche Losung einerseits relativ hohen Platzbedarf mit sich.
Andererseits kann es, speziell bei hochsten Datenraten, z.B. 40 Gbit/s , durch die
parasitare Elemente der relativ langen Verdrahtungswege, zu Einbußen in der
Signalqualitat, unter Umstanden sogar zur Oszillation der Schaltung kommen
(vgl. auch Kap. 6.2).
Eine weitaus bessere Losung ist die “Verschmelzung” mehrerer Transistor-
strukturen innerhalb einer gemeinsamen Isolationsbox, indem die parallelzuschal-
tenden Einzeltransistoren mit einem gemeinsamen vergrabenen Kollektor (sog.
1Eine Ausnahme bildet der 40 Gbit/s-EAM-Treiber (vgl. Kap. 5.3). Auch mit dieser Schal-tung wurde aber ein fur diese Datenrate hoher differentieller Ausgangshub von 2,5 Vss erreicht.
20 3. Entwurfsprinzipien
Subkollektor, “buried layer”) ausgefuhrt werden. Dies fuhrt zum Einen zu ei-
ner Reduktion der Lange der Verdrahtungswege zwischen den einzelnen Basis-,
Kollektor- und Emitteranschlussen. Gerade bei Transistoren mit hoherer Zahl von
Emitterstreifen (nE ≥ 8) macht sich aber ein weiterer Effekt positiv bemerkbar.
Durch die Verschmelzung mehrerer Isolationsboxen zu einer, reduziert sich sowohl
die Gesamtflache des Subkollektors als auch dessen Randumfang. Dies fuhrt zu
einer Reduktion von Boden- und Randanteilen der Kollektor-Substratkapazitat
und —in geringerem Maße— auch der Basis-Kollektor-Oxidkapazitaten [1].
Als Schaltungsentwickler, der solche Multistreifen-Transistorstrukturen vor-
teilhaft in schnellen Treiberschaltungen einsetzen mochte, sieht man sich je-
doch dem Problem einer im allgemeinen fehlenden Unterstutzung in den
Transistormodell-Bibliotheken des Halbleiterherstellers gegenuber. Zur Losung
dieser Problematik werden in dieser Arbeit zwei Vorgehensweisen verwendet.
Im Fall der Fertigungstechnologie B6HF der Firma Siemens werden
Multistreifen-Sonderstrukturen durch Skalierung der Modellparameter von Stan-
dardtransistoren (meist CBEBEBC-Typ) modelliert. Die oben diskutierten Ab-
weichungen von rein multiplikativen Skalierungsregeln konnen unter Verwendung
weniger geometrischer Abmessungen und spezifischer Parameter berucksichtigt
werden2.
Fur hochfrequente Mobilfunkanwendungen und SDH-Systeme3 hochster Da-
tenraten (20 Gbit/s , 40 Gbit/s) wurde von der Firma Siemens (mittlerweile:
Infineon Technologies) ein fortschrittlicher Laborprozeß entwickelt [46]. Mit die-
ser Technologie werden in dieser Arbeit ein 20 Gbit/s-Modulatortreiber sowie
eine Treiberschaltung zur direkten Ansteuerung eines Elektoabsorptionsmodu-
lators (EAM ) bei einer Datenrate von 40 Gbit/s realisiert. Da die Schaltungs-
entwicklung bei Verwendung einer Labortechnologie zwangslaufig parallel zu de-
ren Weiterentwicklung verlauft, liegen Transistormodelle auf Basis gemessener
Transistoren nur zeitversetzt zum aktuellen Technologiestand vor. Um dennoch
einen Schaltungsentwurf mit jeweils aktuellen Transistordaten zu ermoglichen,
wurde ein spezielles Rechnerprogramm mit dem Namen Tramod (TRAnsistor
MODellierung) entwickelt [1]. Es erlaubt die Berechnung der Modellparameter
beliebiger Transistoren (insbesondere auch der oben diskutierten Sonderstruk-
turen) aus deren geometrischen Abmessungen sowie spezifischen elektrischen
und technologischen Parametern. Im Gegensatz zu den Meßdaten einer kom-
pletten Transistorbibliothek liegen solche Daten aus numerischen Prozeß- und
Bauelement-Simulationen sowie der Messungen an Teststrukturen zeitlich sehr
2Hierzu wurde ein Programm entwickelt, das im wesentlichen laterale Abmessungen undspezifische Kapazitaten des Subkollektors benotigt [45].
3SDH = Synchronous Digital Hierarchy.
3.1 Transistormodellierung 21
viel fruher vor4. Eine komplette Beschreibung von Tramod wurde den Rah-
men dieser Arbeit bei weitem sprengen. Im folgenden wird daher nur ein kurzer
Uberblick uber die Funktionsweise von Tramod gegeben. Fur eine detaillierte
Beschreibung, auch des theoretischen Hintergrundes, sei der interessierte Leser
auf [1] verwiesen.
Die prinzipielle Vorgehensweise bei der Berechnung der Modellparameter
ist an das bereits fruher in der Arbeitsgruppe Halbleiterbauelemente entwickelte
Programm Tradica angelehnt [47]. Die wesentlichen Unterschiede zu diesem
Programm konnen wie folgt zusammengefaßt werden:
• Anpassung an den Transistoraufbau der SEG(selectively epitaxial growth)-
Technologie.
• Berucksichtigung von Sonderstrukturen mit mehr als zwei Emitterstreifen.
• Deutlich beschleunigter Ablauf durch “Batch-Betrieb” auf Basis der vom
Anwender spezifizierten Transistortabelle.
• Selbstdokumentierend durch Anwendertabelle, sowie Warnmeldungen bei
Sonderstrukturen mit verbreitertem Kollektorkontakt. Daruberhinaus
brauchen nur die jeweiligen Dimensionierungstabellen aufbewahrt werden,
da hiermit jederzeit wieder die in der Simulation verwendeten Transistor-
modelle erzeugt werden konnen.
• Die Syntax der Tramod -Transistortabelle ist eine Untermenge der Bau-
elementtabelle von Tramod2Kic5. Fur den Benutzer bedeutet dies, daß
er in einer Tabelle seine Dimensionierung auflistet und diese sowohl zur
Erzeugung der Simulationsmodelle als auch zur Erzeugung der Module fur
den Strukturentwurf (Layout) verwendet.
• Dynamische Generation von Parametervariablen aus einem Technologie-
Datensatz. Hierdurch konnen in einfacher Weise Erweiterungen im Pro-
gramm vorgenommen werden.
4So sehr sich ein solcher, physikalischer Ansatz geradezu aufzudrangen scheint, so selten wirddieser Weg von Halbleiterherstellern beschritten. Naturlich muß zunachst Aufwand eingebrachtwerden. Die Flexibilitat, insbesondere die Moglichkeit auf Technologieanderungen noch vor derFertigung von Transistoren zu reagieren, gleicht den anfanglichen Aufwand aber mehr als aus.
5Tramod2Kic ist ein weiteres im Rahmen der vorliegenden Arbeit entwickeltes Pro-
gramm [48]. Es verwendet dieselbe Anwendertabelle, um technologiekonforme Transistor undWiderstand-Module fur den Layout-Editor KIC [49] zu generieren. Damit ist die Grundlage fureinen detaillierten Strukturentwurf geschaffen, der einerseits eine schnelle Umsetzung in dasCAD-System des Halbleiterherstellers garantiert und andererseits fur numerische Substratsi-mulationen benotigt wird [50, 51].
22 3. Entwurfsprinzipien
b
pm
p+
p+
p+
p+
n+
n+
n+
bbl
1b
bl2
bS
wox
1
p-
box
1
box
21b
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Eb
bS
+2
BE
CB
n-
wox
2
ox2
l
pml
ox1
l
Elb
Sbl
0l
+2
+
p
EB
CB
bS
CV
D-O
xid
CV
D-O
xid
CV
D-O
xid
LOC
OS
LOC
OS
p+
p+
n+
n+
n+
p-
box
22
Eb
bS
+2
box
22
Eb
bS
+2
bbl
2b
bl2
bbl
3
box
23
n+
p+
p+
p+
n+
p+
n-
n-
p+
p+
p+
n+
n+
n+
box
21
Eb
bS
+2
BE
CB
Eb
bS
+2
bbl
1
box
22b
ox22
bbl
4b
bl1
p+
p+
n+
p-
n-
n-
box
21
!!!!!!!!!!!
!!!!!!!!!!!
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""""""
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$$$$$$$$$$$
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,,,,-- ....//0000 1111
22222
22222
22222
33333
33333
33333
444
444
555
555
666666
777777
88888888888
88888888888
88888888888
99999999999
99999999999
99999999999
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:::::
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FFFF
FFFF
FFFF
GGGG
GGGG
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HHH IIII
JJJJJJ
KKKKK
LLLLLLLLLLL
LLLLLLLLLLL
LLLLLLLLLLL
MMMMMMMMMMM
MMMMMMMMMMM
MMMMMMMMMMM
NNNN
NNNN OO
OOOO
PPP
PPP
QQQ
QQQ
RRRR
RRRR
SSSS
SSSS
TTTT
TTTT
UUUU
UUUU
pp
EC
BB
CB
E
p
BE
B
p
CV
D-O
xid
CV
D-O
xid
CV
D-O
xid
CV
D-O
xid
CV
D-O
xid
LOC
OS
CV
D-O
xid
LOC
OS
CV
D-O
xid
CV
D-O
xid
LOC
OS
CV
D-O
xid
LOC
OS
Ab
b.
3.1:
”Fun
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Que
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ird
jedo
chri
chti
gw
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gege
ben.
3.2 Dimensionierungsaspekte 23
Mit der aktuellen Programmversion V1.6 (August 1998) lassen sich verschie-
denste Transistorkonfigurationen in beliebiger Emitterlange und -breite sowie
Kollektorkontaktbreite modellieren. Erreicht wird dies, indem durch eine geeig-
nete Definition von geometrischen Grundabmessungen die jeweilige Konfigura-
tion auf Teile der in Abb. 3.1 skizzierten drei “fundamentalen” Transistorkon-
figurationen zuruckgefuhrt wird. Hierzu wurde ein Algorithmus implementiert,
der die vom Anwender spezifizierte Konfigurationsbezeichnung (z.B. CBEBEBC)
in fundamentale Symbole “aufbricht”. Es laßt sich zeigen, daß hiermit einfa-
che Strukturen wie CBEB, aber auch die fur Treiberschaltungen vorteilhaften
Multistreifen-Transistoren, beispielsweise BEBCBEBEBCBEBEBCBEB, model-
liert werden konnen. Dabei kann der Anwender unter drei Modellen unterschied-
licher Komplexitat und Gultigkeitsbereiches wahlen. Der Aufbau dieser Transi-
stormodelle kann dem Anhang und ausfuhrlicher [1] entnommen werden.
Verschiedenste Schaltungen wurden in der Arbeitsgruppe Halbleiterbau-
elemente im Rahmen des BMBF-Forschungsprojektes PhotonikII [41] mit von
Tramod generierten Simulationsmodellen entworfen. Dabei wurden Datenraten
bis zu 60 Gbit/s (Zeitmultiplexer, [3]) und Betriebsfrequenzen von 42 GHz (sta-
tischer Frequenzteiler, [52]) erreicht. Auch die beiden kritischten Bausteine ei-
nes geplanten 40- Gbit/s-Ubertragungssystems [2], Modulatortreiber [7, 27] und
Transimpedanz-Verstarker [53], konnten erfolgreich realisiert werden. Bemerkens-
wert ist die — trotz der hohen Datenrate — gute Ubereinstimmung von Simula-
tion und Meßergebnis (z.B. [27]), die nicht zuletzt auf die konsequente physika-
lische Transistormodellierung zuruckzufuhren sein durfte. Hierdurch war es auch
moglich, Prozeßtoleranzen, wie sie im fruhen Stadium eines neuen Technologie-
prozesses typisch sind, in einfacher Weise zu berucksichtigen.
3.2 Dimensionierungsaspekte
An dieser Stelle sollen grundsatzliche Aspekte bei der Optimierung von Transi-
storen und Widerstanden in Treiberschaltungen diskutiert werden. Anders als bei
den meisten anderen Schaltungen bilden Schaltungs- und Strukturentwurf (Lay-
out) bei schnellen Treiberschaltungen eine untrennbare Einheit. Dies bedeutet,
daß parallel zum Schaltungsentwurf und der Dimensionierung der Bauelemente
auch bereits der Strukturentwurf (zumindest in Teilen) bedacht werden muß, um
unnotige Entwurfs-Iterationen zu vermeiden 6.
Aufgrund der großen Strome sind die meisten Transistoren in Treiberschal-
6Gemeint ist die Umdimensionierung von Bauelementwerten in der Phase des Strukturent-wurfs der Schaltung.
24 3. Entwurfsprinzipien
tungen keine “punktformig” konzentrierten Bauelemente. Neben den eigentlichen
Transistorkapazitaten (gemaß dem Transistormodell) ergeben sich daher aus der
Verdrahtung der Transistoranschlusse weitere parasitare Kapazitaten (im folgen-
den als “lokale Anschlußkapazitaten” bezeichnet). Gemeint sind hiermit para-
sitaren Oxidkapazitaten durch die bei der Parallelschaltung mehrerer Einzeltran-
sistoren zu einem “Treibertransistor” unvermeidbare Uberlappung von Metalli-
sierungsebenen7.
Ein anderer Aspekt ist die Langzeit-Zuverlassigkeit. Um eine ausreichende
Sicherheit gegen Elektromigration, d.h. eine geforderte Lebensdauer zu garan-
tieren, mussen fur die Metallebenen, die Vias und den (Halbleiter-)Kontakt so-
genannte Zuverlassigkeits-Stromdichten eingehalten werden. Dieser Punkt, der
bei vielen Schaltungen erst in der Phase des Strukturentwurfs auftaucht, ist bei
Treiberschaltungen auschlaggebend fur die Wahl der Transistor-Konfigurationen,
steht im Entwurfsablauf also mit an erster Stelle (vgl. auch Abb. 3.3).
Bei den Polysilizium-Widerstanden ist zu berucksichtigen, daß aufgrund der
hohen Strome relativ großflachige Strukturen entstehen. Auch hier muß der Struk-
turentwurf moglichst fruhzeitig bedacht werden, um die parasitare Oxidkapa-
zitat des Widerstandes abschatzen zu konnen. Grenzbedingungen fur integrier-
te Widerstande leiten sich entweder aus einer maximal tolerierbaren (lokalen)
Ubertemperatur (→ Poly-Stromdichte) und/oder aus Zuverlassigkeitsaspekten
der Widerstandskontakte (→ Kontakt-Stromdichte) ab. Wie sich zeigen wird,
fuhrt dies, bei vorgegebenem Widerstandswert, zu unterschiedlichen Konsequen-
zen bezuglich des Einflusses des Schichtwiderstandes auf die Große der parasitaren
Widerstandskapazitat.
Fur einen optimalen Entwurf von Treiberschaltungen benotigt der Schal-
tungsentwickler offensichtlich zunachst einmal einen maximalen Freiheitsgrad in
der Wahl der Transistoren. Wahrend bei anderen Schaltungen meist wenige und
einfache Konfigurationen (CBEB, CBEBEBC) ausreichen, beginnt bei Treiber-
schaltungen der Entwurf mit der Wahl beziehungsweise mit dem Entwurf der
Transistorkonfiguration. Hier konnen sich zwei verschiedene Situationen ergeben:
a) Der Halbleiterhersteller stellt keine Sonderstrukturen mit (zum Beispiel)
mehr als drei Emitterstreifen zur Verfugung. In diesem Fall muß der
Schaltungsentwickler durch Parallelschaltung von Einzeltransistoren den
benotigten “Treibertransistor” nachbilden. Aufgrund der einzuhaltenden
Abstande zwischen den Einzeltransistoren, ist diese Losung zwangslaufig
suboptimal bezuglich der oben definierten “lokalen Anschlußkapazitaten”.
7Auch bei den im Kap. 3.1 diskutierten Multistreifen-Transistoren ergeben sich (in geringe-rem Maße) solche Zusatzkapazitaten (meist zwischen Kollektor und Emitter).
3.2 Dimensionierungsaspekte 25
b) Der Halbleiterhersteller erklart sich grundsatzlich bereit Sonderstrukturen
zu prozessieren, so sie den DRC-Regeln genugen, jedoch liegen fur solche in-
dividuellen Transistoren keine Simulationsmodelle vor8. In diesem Fall muß
der Anwender aus den zuganglichen Daten selbst entsprechende Modelle
ableiten (s. Kap. 3.1). Dies bedeutet naturlich Zusatzaufwand, bietet aber
auch die Chance, sehr flexibel auf technologische Anderungen zu reagieren.
Bei den in dieser Arbeit entworfenen und realisierten Treiberschaltungen liegt
uberwiegend der Fall b) vor. Die hierfur notwendigen Voraussetzungen — Mo-
dellierung beliebiger Transistorkonfigurationen fur die Schaltungssimulation und
Bereitstellung entsprechender Module fur den Strukturentwurf — werden in
Kap. 3.1 und detailliert in [1] behandelt.
Fur die Diskussion der typischen Gesichtspunkte bei der Dimensionie-
rung von Treiberschaltungen wird im weiteren Verlauf exemplarisch der fur
ein 20 Gbit/s-Ubertragungssystem entwickelte Modulatortreiber herangezogen.
Abb. 3.2 zeigt den Stromlaufplan der Schaltung. Verwendet wird ein durchweg
differentielles Konzept mit zwei hintereinander geschalteten “Grundzellen”. Ei-
ne “Grundzelle” setzt sich jeweils aus mehreren (differentiellen) Emitterfolger-
stufen (EF ) zusammen (zwei in der ersten und drei in der zweiten Zelle), die
eine Stromschalterstufe (SS1 beziehungsweise SS2 ) ansteuern. Alle in dieser Ar-
beit entwickelten Treiberschaltungen verwenden (in teilweise leicht modifizierter
Form) solche “Grundzellen”. Deren im folgenden diskutierten Entwurfsaspekte
sind daher ganz allgemein auf die realisierten Treiberschaltungen anwendbar.
Mit Abstand den großten Einfluß auf die erreichbare Datenrate hat die aus-
gangsseitige Stromschalterstufe SS2. Durch die fur die Ansteuerung externer Mo-
dulatoren (vgl. Kap. 2) benotigten hohen Modulationsspannungen ∆UQ tritt im
Ausgangskreis, d.h. an den Kollektorknoten der benotigten großflachigen SS2 -
Transistoren, eine große Tiefpaß-Zeitkonstante auf. Verstarkt wird diese Pro-
blematik durch die Notwendigkeit einer in der Regel einphasigen Ansteuerung
externer Modulatoren. Jeder der beiden SS2 -Transistoren muß daher fur den
vollen zu ∆UQ gehorigen (internen) Stromhub ISS2 dimensioniert werden. Fur
das Verstandnis dieser Problematik soll im folgenden eine Abschatzung der Aus-
gangszeitkonstante τQ vorgenommen werden (analog zu [17], jedoch erweitert).
Bei Vernachlassigung von Bonddrahtinduktivitaten laßt sich die Ausgangs-
stufe naherungsweise als eine geschaltete Stromquelle verstehen, die eine effektive
Lastimpedanz ZQ,eff ≈ RQ,eff‖CQ,eff ansteuert (vgl. Abb. 3.2 rechts unten). Fur
8DRC steht fur den sogenannten ”design rule check”, bei dem der Strukturentwurf auf dieEinhaltung von Mindestabstanden und korrekten Aufbau von Bauelementen gepruft wird.
26 3. Entwurfsprinzipien
SS1I
uQ
1U = 0...2,8 V
50 Ω
LPLPN
RQ
100 Ω
Z=50 Ω
Bonddrahtinduktivitäten,typisch : 1 nH
U0 = -5 V
(84 Ω)
RI
SS1I81
81
SS2I81 I EF6
IOS1 OS2I
(47 Ω)55 Ω
(12 Ω)14 Ω
RSS1RQN
IN
u dI
I
SS2I CQ,eff
SS2I
RQ,eff
RPN
EF2
EF3
SS1
2. Zelle1. Zelle
EF3I
EF4
EF5
EF6
SS2
Q
QN
EF6I
RP
Abb. 3.2:Zur Diskussion grundsatzlicher Gesichtspunkte der Transistoroptimierung in schnel-len Treiberstufen. Stromlaufplan eines Modulatortreibers fur ein 20 Gbit/s-Ubertra-gungssystem [23, 31]. Ursprunglich fur eine reine Si-Technologie entworfen, wurde dieSchaltung auch mit einer SiGe-Drifttransistortechnologie gefertigt. Die in Klammernangegebenen Widerstandswerte berucksichtigen deren etwas kleineren Polysilizium-Schichtwiderstand (150 Ω/2→ 120 Ω/2).
die RC-Ausgangszeitkonstante ergibt sich auf diese Weise
τQ ≈ RQ,eff · CQ,eff = (RP‖RQ) · (CT,Q + CLtg,Q + ηRCR,Q + Cpad,Q)
= ∆UQ ·CQ,effISS2
(3.1)
mit CT,Q = CCB + CCS + CAS. (3.2)
Hierin bezeichnet RQ,eff den effektiven Lastwiderstand der Parallelschaltung
von internem (RP ) und externem (RQ) Widerstand. Die effektive Ausgangs-
kapazitat setzt sich aus vier Komponenten zusammen. Die erste Komponente,
CT,Q, beschreibt naherungsweise den Anteil der Transistorkapazitaten. Wie am
Anfang dieses Kapitels erortert, wird ein Treibertransistor zweckmaßigerweise
von Anfang an inklusive seiner lokalen Verdrahtungskapazitaten betrachtet. Ne-
3.2 Dimensionierungsaspekte 27
ben den Sperrschicht- und Oxidkapazitaten zwischen Basis und Kollektor (CCB)
und der Sperrschichtkapazitat zwischen Kollektor und Substrat (CCS) tritt da-
her in Gl. 3.2 ein Anteil CAS auf. Dieser Anteil beschreibt die aus der lokalen
Verdrahtung des Multistreifen-Transistors (hier: 8 Emitterstreifen) resultieren-
de Anschlußkapazitat9. Haufig ist CAS vernachlassigbar klein, im konkreten Fall
hangt die Gultigkeit dieser Aussage aber von den Zuverlassigkeitsstromdichten
der verwendeten Fertigungstechnologie ab. Der zweite Term, CLtg,Q, steht fur die
Leitungskapazitat der Verbindung des Transistors mit dem Ausgangs-Bondfleck
(Pad). Dieser reprasentiert seinerseits eine weitere mit Cpad,Q bezeichnete kapa-
zitive Last10. Schließlich stellt ein Polysilizium-Widerstand eine RC-Leitung dar,
deren Gesamtkapazitat CR,Q anteilig (ηR · CR,Q) in Gl. 3.1 eingeht [56].
Fur genauere Betrachtungen mußte das Substratgebiet unter dem Ausgangs-
kreis, also unter den Abschlußwiderstanden, dem Subkollektor der Ausgangstran-
sistoren und den mit Subkollektor abgeschirmten Bondflecken modelliert werden.
Eine entsprechende sehr aufwendige Modellierung wurde fur den in Kap. 5.2.1
diskutierten Modulatortreiber auch durchgefuhrt, wobei ein spezieller Substrat-
simulator [50] verwendet wurde. Ziel der folgenden Betrachtungen ist jedoch das
prinzipielle Verstandnis der Problematik und nicht eine mathematisch “exak-
te”, aber unuberschaubare Beschreibung. Zu diesem Zweck soll Gl. 3.1 in eine
Form gebracht werden, aus der einerseits Entwurfsempfehlungen fur den Schal-
tungsentwickler und andererseits technologische Forderungen an eine besonders
fur Treiberstufen geeignete Bipolartechnologie abgeleitet werden konnen. Durch
Einfuhrung der Kollektorstromdichte jC , der Stromdichte jM im Metall der Aus-
gangsleitung und der Stromdichte jpoly im Polysilizium des Abschlußwiderstandes
ergibt sich zunachst fur die einzelnen Strome
ISS2 = AE · jC = nE · bE · lE · jC , (3.3)
IM = tM · bM · jM , (3.4)
und Ipoly = tpoly · bpoly · jpoly =RP
RP +RQ
ISS2 . (3.5)
9CAS liegt je nach Strukturentwurf zwischen Kollektor und Emitter und/oder Kollektor undBasis der Ausgangsstufentransistoren.
10Bei hohen Betriebsgeschwindigkeiten ist es bei Siliziumtechnologien vorteilhaft, Leitungenund Bondpads mit einer unteren Metallisierungsebene oder mit einer Subkollektor-Wanne (so-genannter buried layer) abzuschirmen. Anders als bei III-V-Verbindungshalbleitern, z.B. GaAs,stellt das Siliziumsubstrat ein verlustbehaftetes Dielektrikum dar. Es eignet sich daher nur be-dingt als Dielektrikum fur Leitungen [54, 55].
28 3. Entwurfsprinzipien
Hierin ist AE die effektive Emitterflache, die sich aus nE parallel geschal-
teten Emitterstreifen mit der Breite bE und der Lange lE zusammensetzt. Die
Großen bM und tM sowie bpoly und tpoly stehen fur Breite und Dicke der fur die
Ausgangsleitung verwendeten (obersten) Metallisierungsebene beziehungsweise
fur Breite und Dicke der poly-Schicht des Ausgangs-Abschlußwiderstandes. Je
nach Strukturentwurf lassen sich bei der Ausgangsleitung unterschiedlich breite
Teilstucke unterscheiden, welche Transistor, Abschlußwiderstand und Ausgangs-
pad miteinander verbinden. Zur Wahrung der Ubersicht wird auf eine entspre-
chende Aufschlusselung in Gl. 3.4 verzichtet. Naturlich wird man einen Struktur-
entwurf anstreben, der die Gesamt-Leitungskapazitat minimiert11. Neben elek-
trischen Aspekten mussen hierbei aber gegebenenfalls auch Uberlegungen zur
Abfuhr der in den Ausgangsstufentransistoren und den Abschlußwiderstanden
erzeugten Warmeleistung berucksichtigt werden: Die Warmekonvektion an den
Kanten versenkt aufgebauter Halbleiterchips (vgl. Abb. 7.6) ist gering und die
Chipkanten konnen daher bezuglich der Warmeleitung als adiabatische Wand
betrachtet werden. Je naher die Warmequellen zur Chipkante plaziert werden,
umso starker wird die zusatzliche Temperaturuberhohung durch die virtuellen
Spiegel-Warmequellen (Spiegelungsprinzip).
Zur Vereinfachung der weiteren Betrachtungen seien die Randfeldanteile der
Oxidkapazitaten (CLtg,Q, CR,Q und Cpad,Q) vernachlassigt12. Mit den jeweiligen
Oxiddicken toxν folgt dann
CLtg,Q =εoxtox1
· bM · lM =εoxtox1
· IMtM · jM
· lM = C′
ox1 ·lMtM· IMjM
, (3.6)
CR,Q =εoxtox2
· bpoly · lpoly =εoxtox2
· RP
rS,poly· b2poly
= ∆UQ · ISS2 ·εoxtox2︸︷︷︸C′
ox2
· 1
rS,poly· 1
(tpoly · jpoly)2· 1
1 +RP
RQ
, (3.7)
und Cpad,Q =εoxtox3
· Apad = C′
ox3 · Apad , (3.8)
11Bedingt durch die großen Strome (breite Leitung) entartet die Ausgangsleitung in sehrguter Naherung zu einer rein kapazitiven Last.
12Diese konnten in den abzuleitenden Ausdruck aufgenommen werden haben aber keinen Ein-fluß auf die grundsatzlichen Schlußfolgerungen. Beim Entwurf werden Randfeldanteile naturlichuber geeignete Formeln berucksichtigt [57].
3.2 Dimensionierungsaspekte 29
so daß sich fur Ausgangszeitkonstante aus Gl. 3.1
τQ = ∆UQ ×
[1
bE· 1
jC· CT,QnElE
+εoxtox1
· lMtMjM
· IMISS2
+εoxtox3
· ApadISS2
+εoxtox2
· 1
rS,poly· 1
(tpoly · jpoly)2· ηR
1 +RP
RQ
](3.9)
schreiben laßt. Darin bezeichnet εox die (Gesamt-)Permittivitat von Siliziumdi-
oxid (εox = ε0 · 3,9), lM ist die Leitungslange und rS,poly ist der Schichtwider-
stand des Polysilizium-Widerstandes. Die Coxν = εox/toxν , ν = 1, 2, 3 stellen die
flachenspezifischen parasitaren Oxidkapazitaten der Leitung, des Bondflecks und
des Polysilizium-Widerstandes dar. Zum Polysilizium-Widerstand sei noch an-
gemerkt, daß dessen parasitare Oxidkapazitat verteilt angreift. Dies wird beim
Entwurf auch berucksichtigt, indem die Last als RC-Leitung beschrieben wird.
Naherungsweise konnen den beiden Widerstandsenden auch Ersatzkapazitaten
ηR · CR,Q und (1 − ηR) · CR,Q zugeordnet werden, wobei der Wert von ηR von
dem signalmaßigen Verhaltnissen an den Widerstandsknoten (Signalknoten, Si-
gnalmasse) abhangt [56].
Aus Gl. 3.9 lassen sich die typischen Entwurfsprobleme der Ausgangsstufen
schneller Treiberschaltungen ableiten. Hierzu zeigt Abb 3.3 die Ausgangszeit-
konstante τQ, “aufgespannt” zwischen schaltungstechnischen Maßnahmen und
technologischen Forderungen zur Minimierung ihrer jeweiligen Einzelanteile.
Die Hauptproblematik erwachst aus der Proportionalitat eines Großteils der
Anteile von τQ zum Ausgangshub ∆UQ und den hohen Spannungshuben, die
fur die Ansteuerung optischer Modulatoren benotigt werden13. Da die Forderung
bezuglich ∆UQ systemseitig vorgegeben ist, gilt es den in Klammern stehenden
Ausdruck zu minimieren. Wie in Abb. 3.3 dargestellt, hat der Schaltungsent-
wickler hierzu eine Reihe von Moglichkeiten. Grenzen sind ihm in erster Linie
durch Technologiespezifikationen und durch die Aufbautechnik gesetzt (minimal
benotigte Padgroße fur das eingesetzte Bondverfahren). Abb. 3.3 spricht fur sich
selbst, so daß zu den einzelnen Punkten nur einige erganzende Bemerkungen
gemacht werden sollen.
13Dies gilt in der Regel auch bei direkter Modulation von Laserdioden, da entsprechendeModule meist an die weit verbreitete 50 Ω-Leitungsumgebung angepaßt werden. Hohe Stromebedingen dann zwangslaufig auch hohe Spannungshube am Moduleingang.
30 3. Entwurfsprinzipien
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9 , 2 #:<;
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G
• systemseitige Vorgaben
(Modulationsverfahren).
• minimale Flache des Bond-
flecks abhangig von der Auf-
bautechnik (Bondverfahren).
• Wahle jC!= max. = jCK , falls Ge-
genkopplung durch Emitterwider-
stand, rE · IC = r′E · jCK , toleriert
werden kann.
• Da CT,Q fur nicht zu kleine lEnur schwach von bE abhangig,
wahle Emitterbreite bE > bE,min,
falls rBi- und rBa-Erhohung tole-
riert werden kann.@@@@@
• Bei konstanter Emitterflache fuhren viele und
kurze Emitterstreifen zu großeren Sperrschicht-
kapazitaten als wenigere und langere Streifen.
Minimiere daher nE , beachte jedoch: Minimale
Emitterstreifenzahl nE technologisch bestimmt
durch zulassige Stromdichte im Metallstreifen
und/oder im Kontakt.
• Wahle oberste Metallebene fur
Ausgangsleitung (tox1 maximal).
• Wahle minimale Leitungsbreite,
d.h. jM!= max. = jM,ZUV .
• Minimiere die “gewichtete Lei-
tungslange” lM · IM/ISS2.
• Wenn Temperaturuberhohung ∆Tpoly!≤ ∆Tmax bestimmend
ist, hat wegen ∆Tpoly ∼ (jpoly tpoly)2 · rS,poly der Zahlenwert
von rS,poly keinen Einfluß auf diesen Anteil der Zeitkonstante.
• Haufig, vor allem bei hohen Temperaturen, ist die Kon-
taktstromdichte, I ′kon, der begrenzende Faktor. Dann ist
jpoly tpoly = I′kon · (1 − 2∆ovl/bpoly), (∆ovl: seitlicher Uber-
lapp des Polysiliziums uber die Kontaktbreite). Ein kleinerer
Schichtwiderstand ergibt dann eine großere kapazitive Last !
AAA
Abb. 3.3: Minimierung der RC-Zeitkonstante τQ im Ausgangskreis schneller Treiber-schaltungen durch schaltungstechnische Maßnahmen und geeigneten Struk-turentwurf.
Einen Hauptanteil von τQ macht der erste Term aus, dessen Minimierung
daher besonders wichtig ist. Offensichtlich ist hierzu zunachst eine Minimie-
rung der Emitterflache des Transistors, also eine Dimensionierung mit maxi-
maler, den Einsatz von Hochstromeffekten markierenden Kollektorstromdichte,
jC!
= max. = jCK , anzustreben. Hochstromeffekte werden in Kap. 4.4 noch ge-
3.2 Dimensionierungsaspekte 31
nauer untersucht. An dieser Stelle sei nur bereits erwahnt, daß bei breiterem
Emitter Hochstromeffekte bei kleineren Kollektorstromdichten einsetzen. Dies
muß bedacht werden, wenn zur weiteren Reduktion des ersten Zeitkonstantenan-
teils, wie in Abb. 3.3 empfohlen, der Emitter verbreitert wird. Bedacht werden
muß hierbei außerdem die Zunahme des Basisbahnwiderstandes (rBi × 4, bei
konstant gehaltener Emitterflache, rBa ∼ 1/lE). Der sogenannte elektrische 2.
Durchbruch wird hierdurch begunstigt14. Durch die großen Strome (große Ge-
samtemitterlange) ist der Wert von rBi im Fall der Ausgangsstufentransistoren
jedoch in der Regel trotz Emitterverbreiterung noch ausreichend klein (sowohl
bezuglich Operationsgeschwindigkeit als auch des Transistordurchbruchs).
Schließlich bedarf noch die in Abb. 3.3 empfohlene Minimierung der Zahl
der Emitterstreifen (nE) einer Erlauterung. Die Kollektor-Basiskapazitat setzt
sich aus Oxidkapazitaten und der Sperrschichtkapazitat zusammen. Sowohl Tei-
le der Oxidkapazitaten als der Sperrschichtkapazitat sind unabhangig von der
Emitterlange lE (eines Streifens), somit gilt im guter Naherung:
CCB ≈ nE · (C0 + C′ · lE) = nE · C0 + C
′ · nElE = nE · C0 +AEbE· C ′ , (3.10)
wo C0 und C ′ den konstanten beziehungsweise den (Emitter-)langenspezifischen
Anteil bezeichnen. Die Kollektor-Substratkapazitat setzt sich aus Boden- und
Randanteil zusammen. Mit der Breite bbl und dem Uberlapp des Subkollektors
(buried layer) uber die Emitterlange lbl0 laßt sich schreiben [1]:
CCS = C′
CS,b · bbllbl + C′
CS,r · 2(bbl + lbl)
≈︷ ︸︸ ︷C′
CS,b · nE(bE + bbl0) · (lE + lbl0) +︷ ︸︸ ︷C′
CS,r · 2 [ nE(bE + bbl0) + lE + lbl0 ]
= C′
CS,b · [ AE + AEbbl0bE
+ nE(bE + bbl0)lbl0 ]
+C′
CS,r · 2 [ nE(bE + bbl0) +AEnEbE
+ lbl0 ] . (3.11)
Hierbei wurden in beiden Gleichungen, die von der Transistorkonfiguration
abhangigen Anteile vernachlassigt, um das prinzipielle Verstandnis zu erleichtern.
Beim Entwurf werden diese Anteile naturlich (durch Tramod, vgl. Kap. 3.1) kor-
rekt berucksichtigt. Offensichtlich nehmen CCB und der Bodenanteil von CCS bei
konstanter Emitterflache AE und -breite bE mit steigendem nE zu. Zuverlassig-
keitsaspekte (Elektromigration in den Metallstreifen) beschranken jedoch die
Wahl von nE. Aus diesem Grund beginnt der Entwurf der Ausgangsstufentran-
sistoren zweckmaßigerweise mit Uberlegungen zu dessen Strukturentwurf.14Die Problematik des Transistordurchbruchs wird in Kap. 4.5 genauer behandelt.
32 3. Entwurfsprinzipien
Der Vollstandigkeit halber sei als letztes an dieser Stelle bereits vermerkt, daß
auch CT,Q durch den Entwurf spezieller “Treibertransistoren” reduziert werden
kann. Diese Moglichkeit wird im anschließenden Kap. 3.3 naher erlautert.
Bislang wurde nur die Ausgangsstufe, d.h. die Optimierung der Transi-
storen des Stromschalters SS2 betrachtet. Diese Vorgehensweise ist in sofern
zweckmaßig, als daß die Minimierung der RC-Ausgangszeitkonstante τQ eine not-
wendige Voraussetzung zur Erzielung hochster Datenraten darstellt. Auch das zur
weiteren Verbesserung der Pulsform eingesetzte, im Kap. 5.1.1 diskutierte Netz-
werk mit Bonddraht-Induktivitaten andert nichts an diesem prinzipiellen Opti-
mierungskriterium. Der Einfluß der Ausgangsstufe beschrankt sich jedoch nicht
nur auf den Ausgangskreis des Treibers. Vielmehr ist ihre Dimensionierung auch
entscheidend fur die Dimensionierung der sie ansteuernden Schaltungsteile.
Folgerichtig beginnt daher der Entwurf von Treiberschaltungen mit der Aus-
gangsstufe und arbeitet sich von hier aus in Richtung Eingang vor.
Fur die externe Modulation von Halbleiterlasern sind (einphasige) Hube um
und uber 3 Vss an (extern) 50 Ω keine Seltenheit. Wird zusatzlich ein sendersei-
tiger Teilabschluß gefordert, beispielsweise |s22| <∼−10 dB, entsprechend einem
internen Ausgangswiderstand von 100 Ω, so mussen in der Ausgangsstufe (inter-
ne) Strome von ISS2>∼ 90 mA geschaltet werden.
Allein der Aufbau beziehungsweise das Ausraumen der Minoritatenladung
in den SS2-Transistoren fuhrt bereits zu betrachtlichen positiven und negati-
ven Spitzen im Basisstrom. Hierzu addiert sich jedoch noch ein Anteil, der
die Kollektor-Basiskapazitat (CCB) und, in geringerem Maße, die Basis-Emitter-
Sperrschicht- (CBE,j) und Oxidkapazitat (CE,ox) umladt, somit fur den Schalt-
vorgang des inneren Transistors also “verloren” geht15. Dabei wirkt CCB im Ba-
siskreis naherungsweise um den Faktor
km = ∆UQ/∆USS1 − 1 = 3000 mV /560 mV − 1 ≈ 4,4 (3.12)
vergroßert (“Miller-Effekt”)16 und dominiert daher den externen Anteil des dy-
namischen Basisstromes von SS2.
Von der gemeinhin festgesetzten Vorstellung, daß Basisstrome kleine stati-
sche Großen darstellen, denen moderate dynamische Spitzen uberlagert sind, gilt
15Zur Definition der einzelnen Großen siehe Abb. 3.4.16Die “Miller-Formeln” zur Transformation von ruckkoppelnden in ein- und ausgangsseitige
Impedanzen gelten streng genommen nur fur Kleinsignale und ideal entkoppelte Verstarker mitgenau 180 Phasendrehung. ∆UQ und ∆USS1 bezeichnen die einphasigen Spannungshube anBasis und Kollektor von SS2. Durch die naherungsweise Eins-Verstarkung der Emitterfolgerentspricht dabei der Hub an der Basis von SS2 dem ausgangsseitigen Hub von SS1.
3.2 Dimensionierungsaspekte 33
es sich beim Entwurf von Laser- und Modulatortreibern vollig zu losen. Der Be-
trag, der in solchen Schaltungen auftretenden Basisstromspitzen liegt nicht selten
uber der Gesamtstromaufnahme(!) anderer Hochgeschwindigkeits-Schaltungen in
optischen Ubertragungssystemen. Um dem Leser ein Gefuhl fur die Großenord-
nung solcher Umladespitzen zu vermitteln, erscheint es zweckmaßig, die Zeit-
verlaufe einzelner Strome im Ausgangsstufenbereich (SS2, EF6, vgl. Abb. 3.2)
naher zu beleuchten. Zunachst seien aber die zuvor erwahnten beiden Anteile
des Basisstroms von SS2 betrachtet. Hierzu zeigt Abb. 3.4 die Zeitverlaufe des
externen und internen Basisstroms eines der beiden Ausgangstransistoren SS2.
RQCCB
rBa rBi iB’iB
ISS2
CE,ox CBE, j
rE
Transistor"innerer"
SS2
−50
−25
0
25
[mA]
150 ps
Abb. 3.4:Interner (iB′) und externer (iB) Basisstrom eines der SS2 -Transistoren. Fur den betrach-teten Transistor ist der an der Basis angreifende Teil des Transistormodells eingezeichnet[1]. Die simulierte Pulsfolge ist dieselbe wie spater in Abb. 3.5.
Gut ist die betrachliche Ladungsverschiebung uber die Sperrschichtkapa-
zitaten am Basisanschluß zu erkennen. Die außeren Basisstromspitzen sind mit
±35 mA deutlich großer als die Spitzen im inneren Basisstrom. Auch dessen
Stromspitzen (≈ ±22 mA), die ja nur aus dem Auf- und Abbau der Basis-
Minoritatenladung (“Diffusionsdreieck”) resultieren, sind aber noch groß.
Fur die weitere Diskussion wird Abb. 3.5 betrachtet. In der Bildmitte ist
ein (vereinfachter) Ausschnitt des Stromlaufplans aus Abb. 3.2 dargestellt. Der
Ausschnitt zeigt den Ausgangsstromschalter SS2 zusammen mit der diesen an-
34 3. Entwurfsprinzipien
steuernden Emitterfolgerstufe EF6. Die Stromspiegel zur Arbeitspunkteinstellung
der beiden Stufen sind symbolisch als ideale Stromquellen mit parasitaren Tran-
sistorkapazitaten dargestellt. Um den Stromlaufplan herum sind Zeitverlaufe der
fur den Schaltvorgang von SS2 relevanten Transistorstrome (Klemmenstrome)
angeordnet. Simuliert wurde bei einer Datenrate von 20 Gbit/s und einem Aus-
gangsstufenstrom ISS2 = 96 mA. Das grau hinterlegte Diagramm in Mitte der
linken Seite zeigt den betrachteten Zeitausschnitt der Pulssequenz in Form der
differentiellen Basisspannung von EF6.17
EF6 kommt die Aufgabe zu, den SS2 -Transistoren beim Schalten einen
moglichst hohen dynamischen Basisstrom zur Verfugung zu stellen. Um eine
hohe Flankensteilheit (aus Abb. 3.4: ∂iB∂t≈ 2,5 mA
ps) zu erzielen, ist zunachst
der Ruhestrom von EF6 ausreichend hoch zu wahlen. Offensichtlich muß dieser
mindestens den Basisstromspitzen von SS2 entsprechen, damit die Transistoren
von EF6 den negativen Basisausraumstrom von SS2 aufnehmen konnen, ohne
kurzzeitig zu sperren18. Ansonsten wird nicht nur der Auschaltvorgang der ent-
sprechenden Seite verlangsamt, sondern — uber die dynamische Gegenkopplung
durch die hochohmige Ausgangsimpedanz des sperrenden Emitterfolgers — auch
der innere Anteil des dynamischen Einschalt-Basisstrom der anderen Seite [58].
Diese “Minimalstrom-Dimensionierung” liefert in der Regel aber noch nicht
optimale Ergebnisse. Hierzu wird ein moglichst niederohmiger Ausgangswider-
stand von EF6 benotigt, um an den Schaltflanken moglichst hohe Spitzenstrome
(also große Ladungsmengen in kurzer Zeit) an die Basis von SS2 zu liefern. Dies
wird einerseits durch einen hohen Ruhestrom erreicht, so daß EF6 auch wahrend
der negativen Spannungsflanke ausreichend Strom fuhrt (vgl. Abb. 3.5 unten
links). Im Gegensatz zu SS2 (Minimierung der Ausgangszeitkonstante) werden
die Transistoren von EF6 aber auch nicht mit minimaler, hochstrombegrenzter,
Emitterflache AE,min dimensioniert. Zur Reduktion des Ausgangswiderstandes
uber die Reduktion von Basisbahn- und Emitterkontaktwiderstand wird deren
Emitterflache, ausgehend von AE,min, in der Regel verdoppelt oder sogar verdrei-
facht. Dies gilt aus gleichem Grund uberwiegend auch fur die anderen Emitterfol-
ger. Die erhohte Basis-Kollektorkapazitat kann meist in Kauf genommen werden,
da bei Emitterfolgern kein “Miller-Effekt” auftritt.
17Naturlich wurde die gesamte Schaltung simuliert.18Gemeint ist hiermit eine so starke dynamische Reduktion des Emitterstromes, daß die-
ser kurzzeitig Null oder sogar negativ wird. (Letzteres wird durch Ladungsverschiebung uberdie Basis-Emitter-Sperrschicht moglich). Allerdings kann eine solche ungewohnliche Dimensio-nierung mit kurzzeitig sperrendem Emitterfolger zum Teil vorteilhaft zur Stabilisierung derSchaltung eingesetzt werden. Hierauf wird in Kap. 6 eingegangen.
3.2 Dimensionierungsaspekte 35
SQ
E6
CS
QS
2C
SQ
E6
C
EF
6
EF
6
SS
2
−50
−25025507510
012
5[m
A]
150
ps−
50−
250255075100
125
[mA
]
150
ps
−50
−25025507510
012
5[m
A]
150
ps−
50−
250255075100
125
[mA
]
150
ps
−50
−25025507510
012
5[m
A]
150
ps
−80
0−
600
−40
0−
2000
200
400
600
[mV
]
150
psA
nste
ueru
ngüb
er v
orde
re S
tufe
n
Ab
b.
3.5:
Sim
ulie
rte
Zei
tver
lauf
ede
rT
rans
isto
rstr
ome
inde
rA
usga
ngss
tufe
SS2
und
der
dies
ean
steu
ernd
enE
mit
terf
olge
rstu
feE
F6.
Dar
gest
ellt
ist
ein
Aus
schn
itt
aus
dem
Bit
mus
ter
bei
eine
rD
aten
rate
von
20G
bit/
s.
36 3. Entwurfsprinzipien
Laßt es die Signalqualitat zu, wird bei E2CL-Schaltungen der erste einer
Kette von Emitterfolgern haufig bezuglich AE,min dimensioniert. Am Schaltungs-
eingang wird hierdurch der Reflexionsfaktor minimiert19. Aber auch an internen
Schnittstellen liegt der erste einer Kette von Emitterfolgern parallel zu Lastwi-
derstanden, so daß prinzipiell dessen Eingangskapazitat zur Erzielung maximaler
Grenzfrequenz zu minimieren ist [44]. Schnelle Treiberschaltungen nehmen auch
in diesem Punkt gewissermaßen eine Sonderstellung ein.
In der zweiten Zelle (vgl. Abb. 3.2) wird der erste Emitterfolger (EF4 ) oft
nicht fur AE,min dimensioniert, da die RC-Zeitkonstante durch die niederohmigen
Lastwiderstande (hier: RSS1 = 14 Ω) ausreichend klein ist. Andererseits erfordert
die Belastung durch die nachfolgenden Emitterfolger und die Ausgangsstufe auch
im Fall von EF4 noch einen moglichst niederohmigen Ausgangswiderstand. Der
Ruhestrom von EF4 betragt daher immerhin noch 18 mA (zum Vergleich, EF5 :
21 mA, EF6 : 50 mA.).
In der ersten Zelle ist die Belastung des Eingangs-Emitterfolgers nicht
mit derjenigen in anderen E2CL-Schaltungen zu vergleichen, da auch der er-
ste Stromschalter (SS1 ) fur die ihn ansteuernden Emitterfolger eine vergleichs-
weise starke Belastung bedeutet. Der Grund hierfur ist der hohe Strom (hier:
ISS1 = ∆USS1/RSS1 = 40 mA), den SS1 in Verbindung mit den niederohmigen
Lastwiderstanden RSS1 benotigt, um die Ausgangsstufe mit ausreichendem Span-
nungshub (→ kleine Schaltzeiten) anzusteuern. In der Regel kann jedoch, zugun-
sten besserer Treibereigenschaften der EF, ein etwas schlechterer Eingangsrefle-
xionsfaktor (nicht minimale Emitterflache des Eingangs-EFs) akzeptiert werden.
Andernfalls kann — allerdings auf Kosten weiter zunehmender Verlustleistung —
eine weitere Treiberzelle vorgeschaltet werden20.
Neben Stromschalter- und Emitterfolgerstufen verbleiben schließlich die
Stromquellen als letztes Grundelement der typischen Topologie schneller Trei-
berschaltungen. Bei den in dieser Arbeit entwickelten Treiberschaltungen werden
keine besonderen Anspruche an die Stromquellen gestellt, so daß diese meist
19Es gibt allerdings Falle in denen eine Mindestkapazitat benotigt wird, um den Einfluß derEingangs-Bondrahtinduktivitat auf den Reflexionsfaktor zu kompensieren [59]
20Der hier als Beispiel dienende 20 Gbit/s-Modulatortreiber verwendet in der ersten Zellezwei statt, wie in der zweiten, drei Emitterfolger. Der Grund hierfur ist die kleine Durchbruch-spannung UCE0 ≈ 2,5 V der verwendeten Technologie. Uber dem letzten EF konnte (– wiein der zweiten Zelle –) problemlos eine Potentialabsenkung mit Dioden erreicht werden. FurSS1 mußten aber, um das Potential der nachfolgenden Stufen nicht auch abzusenken, Diodenin jedem Kollektorzweig (vgl. Tab. 4.2) vorgesehen werden, was die kapazitive Last deutlicherhohen wurde. Ein Betrieb oberhalb von UCE0, wie im Fall von SS2 ist in Anbetracht gleich-wertiger Ausgangsaugendiagramme mit zwei und drei Emitterfolgern nicht gerechtfertigt [60].Die Problematik des Transistordurchbruchs wird in Kap. 4.5 naher behandelt.
3.2 Dimensionierungsaspekte 37
durch einfache Stromspiegel mit, je nach Absolutstrom (Reduktion der Verlust-
leistung), Ubersetzungsfaktoren zwischen eins und acht realisiert werden. Eine
Ausnahme stellt das spezielle Stromquellennetzwerk eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
dar, dessen Topologie und Hintergrund in Kap. 4.3 erlautert wird. Zur Minimie-
rung ihrer parasitaren Ausgangskapazitat werden Stromquellen mit minimaler
Emitterflache und großer als minimaler Emitterbreite dimensioniert (vgl. auch
Diskussion der Abb. 3.3). Wahrend die Erhohung des Basisbahnwiderstandes
unkritisch ist, stellt die Ausgangskapazitat fur Gleichtaktsignale eine hohe Last-
kapazitat (CL = 2 ·CSQS2 , Abb. 3.5) in Reihe zu effektiv vier(!) “Emitterfolgern”
dar21. Hierdurch kann die Gefahr von Oszillationen zunehmen. Ein anderer Effekt,
resultiert aus der Gleichrichtung der Stromschalter-Eingangsspannung am Emit-
terknoten von SS2. Wie in Abb. 3.5 (unten, Mitte) dargestellt, ensteht hierdurch
ein kapazitiver “Storstrom”, der zum Teil fur die Unsymmetrie in der Pulsform
der Kollektorstrome von SS2 verantwortlich ist. (Hierzu mehr in Kap. 4.2).
Die wichtigsten Aspekte sollen an dieser Stelle kurz rekapituliert werden:
• Dominanten Einfluß auf die erreichbaren Leistungsdaten einer Treiberschal-
tung hat die Ausgangsstufe, deren (Ausgangs)-Tiefpasszeitkonstante uber
die diskutierten Transistor-Entwurfsaspekte zu minimieren ist.
• Hohe Ausgangsspannungshube bei gleichzeitig hoher Operationsgeschwin-
digkeit resultieren in extrem hohen Stromspitzen an den Basisanschlussen
der Ausgangsstufentransistoren. Mehrere hintereinandergeschaltete Emit-
terfolger mit ausreichend hohem Ruhestrom und großer Gesamtemitter-
flache (kleine Ausgangsimpedanz) mussen diese Stromspitzen liefern und
aufnehmen.
• Auch der Stromschalter der ersten Zelle (SS1 ) der Schaltung nach Abb. 3.2
weist im Vergleich mit anderen Hochgeschwindigkeitsschaltungen noch
einen (sehr) hohen Betriebsstrom auf. Als Konsequenz muß bei der Dimen-
sionierung der Eingangs-Emitterfolgerstufe ein Kompromiß zwischen ausrei-
chend kleinem Eingangsreflexionsfaktor und guten “Treibereigenschaften”
eingegangen werden.
Der Eingangsreflexionsfaktor konnte uber eine weitere der ersten vorgeschal-
tete Zelle verbessert werden. Dies fuhrt jedoch zu einer weiteren Zunahme der
Verlustleistung und unter Umstanden zu einer Akkumulation des Zeitjitters. Auch
21Gemeint ist hier, daß die Stromschaltertransistoren (SS2 ) fur Gleichtaktsignale die Kapa-zitat an ihrem Emitterknoten –analog einem “vierten Emitterfolger”– als negativen Widerstandan ihren Basisanschluß transformieren.
38 3. Entwurfsprinzipien
ohne eine solche Maßnahme erwies sich der Eingangsreflexionsfaktor in der meß-
technischen Praxis als ausreichend gut (vgl. Abb. 8.11 in Kap. 8.2).
Der letzte Punkt der Liste verbirgt einen noch nicht diskutierten Dimensio-
nierungsaspekt: Wenn, zur Erzielung kurzer Schaltzeiten, die Ausgangsstufe mit
einem großen Spannungshub (hier: 2 · RSS1ISS1 = 2 · 14 Ω · 40 mA ≈ 1,1 V ss)
angesteuert werden muß,
warum werden dann die Lastwiderstande RSS1 so niederohmig gewahlt?
Einmal mehr wird die Antwort auf diese Frage die Sonderstellung schneller Trei-
berschaltungen im Vergleich mit anderen Hochgeschwindigkeitsschaltungen fur
die optische Ubertragungstechnik aufzeigen. An dieser Stelle sei nur bereits ange-
merkt, daß RSS1 ausreichend klein zu wahlen ist, um an der Schnittstelle zwischen
erster und zweiter Zelle eine stabile Lastimpedanz (im Sinne von <Z(jω) > 0)
sicherzustellen. Entsprechend seiner Zuordnung zur Thematik der Stabilitat von
Treiberschaltungen wird dieser Aspekt im Kap. 6.1.1 naher erlautert.
3.3 Spezielle Transistorstrukturen fur Treiber-
transistoren
Im vorangehenden Kapitel wurde ein Ausdruck fur die RC-Ausgangszeitkonstante
einer Treiberstufe hergeleitet (Gl. 3.9) und Maßnahmen zur Reduktion ihrer ein-
zelnen Anteile erortert. Der erste Term dieser Gleichung enthalt neben den Re-
ziproken von Emitterbreite bE und Kollektorstromdichte jC , die auf die Gesamt-
Emitterlange bezogene Transistorkapazitat CT,Q/(nE · lE). Sind die diskutierten
Optionen bE > bE,min (bE,min: technologisch bedingte minimale effektive Emit-
terbreite) und jC = jCK (jCK : Einsatzstromdichte von Hochstromeffekten) aus-
geschopft, verbleibt fur eine weitere Minimierung dieses Terms noch der Anteil
CTQ, der die Summe der Transistorkapazitaten enthalt. Die Moglichkeit diesen
Anteil durch eine geeignete Wahl der Emitterstreifenzahl nE zu reduzieren wurde
bereits diskutiert. In der Praxis kann dieser Weg jedoch nur bedingt beschrit-
ten werden, da das Minimum von nE durch die maximal zulassige Stromdichte
in den Metallstreifen und/oder am Kontakt zum Halbleiter vorgegeben ist22. Ist
auch diese Option bereits wahrgenommen, bleibt schließlich nur der Versuch ei-
22Eine Moglichkeit nE zu reduzieren besteht in einer Stromzufuhrung von beiden Stirnseiteneines Streifens her, wodurch sich die Metallstromdichte halbiert. Eine weitere Maßnahme kannim Einzelfall die Verwendung mehrerer Transistoren in EBC-Konfiguration sein. Die Strom-zufuhrung fur Emitter und Kollektor kann dann jeweils von der (breiten) Seite her erfolgen.Ohne eine Silizidierung des Basispolys ist meist jedoch die Erhohung der Basiswiderstandegegenuber einem Transistor mit zwei Basisstreifen zu groß.
3.3 Spezielle Transistorstrukturen fur Treibertransistoren 39
ner Minimierung von CT,Q selbst. Es stellt sich also die Frage nach der optimalen
Konfiguration fur Treibertransistoren, im Sinne einer Minimierung von CT,Q bei
vorgegebener Emitterflache. Mogliche Antworten auf diese Frage sollen im fol-
genden kurz angeschnitten werden.
Subkollektor(p+ Polysilizium)äußere Basis
10 µm
BEBEBEBEBEBEBEBEBC
BBBB
BBBBCEECEECEECEEC
Kontakt (hier: Basis)
Metall (hier: Kollektor)
4 x CBEBEBC
BEBCBEBEBCBEBEBCBEBEBCBEB
Abb. 3.6: Verschiedene Konzepte zur Realisierung eines “optimalen Treibertransi-stors”, im Sinne einer Minimierung der kollektorseitigen Transistorkapa-zitaten. Alle Konfigurationen weisen acht Emitterstreifen der gleichen Geo-metrie auf. Dargestellt ist eine Uberlagerung einzelner Ebenen des Struk-turentwurfs: Subkollektor, Kontaktmetall, unterste Metallebene und Basis-Polysilizium.
Abb. 3.6 zeigt vier verschiedene Strukturentwurfe zur Realisierung eines Trei-
bertransistors (SS2, in Abb. 3.2) mit jeweils acht Emitterstreifen identischer Geo-
metrie. Was auf den ersten Blick vollig unterschiedlich anmutet, ist in Teilen gar
nicht so verschieden: Der innere BEB-Block (vertikale Abfolge: poly-Emitter,
40 3. Entwurfsprinzipien
p-Epi-Basis, n-Epi-Kollektor, umgeben von CVD-Oxid (chemical vapour depo-
sition) (vgl. die Querschnitte in Abb. 3.1) ist bei allen Varianten gleich. Dies
gilt damit auch fur deren Kollektor-Basis-Sperrschichtkapazitaten. Die Varian-
ten unterscheiden sich in der Kollektor-Substratkapazitat CCS, den Basisbahn-
widerstanden rBa und rBi, im Kollektorwiderstand rCa und in den Kollektor-
Oxidkapazitaten CCox.
Ganz oben dargestellt ist der triviale (aber im Produktbereich haufig an-
zutreffende) Fall parallelgeschalteter “Grundtransistoren”. Offensichtlich hat be-
reits die darunter dargestellte “Sonderstruktur”23 deutliche Vorteile. Die Ver-
schmelzung der Isolationsboxen hat die Flache des Subkollektors um 11% redu-
ziert, den Randanteil sogar um 31%. Auch CCox nimmt leicht ab [1].
Die beiden unteren Varianten sind noch speziellere Entwurfe [61]. Gemein-
sam ist beiden das Ziel, die Subkollektorbox weiter zu verkleinern. Offensichtlich
gelingt dies, wenn ein Teil der Anschlusse stirnseitig vor die Emitterstreifen her-
ausgezogen wird. Wahrend dies bei der oberen Struktur der Kollektoranschluß
ist, ist im unteren Entwurf der Basiskontakt herausgezogen. Dies setzt ein silizi-
diertes Basispoly (z.B. mit einem Schichtwiderstand ≈ 3Ω/2) voraus, sollen rBaund rBi nicht deutlich verschlechtert werden24. Die Variante mit dem stirnseitigen
Kollektoranschluß wurde nicht weiter verfolgt, da hier bezuglich rCa (statisch und
dynamisch) Modellierungsunsicherheiten auftreten. Wurde diese Struktur zusam-
men mit einer Basis-Silizidierung realisiert, konnte auch der Basiskontakt (auf
die andere Stirnseite) herausgezogen werden: CCS wurde minimal, aus demselben
Grund rCa aber maximal.
23Hierbei handelt es sich um die realisierte “Standard”-Variante.24Diese Konfigurationsvariante wurde ebenfalls gefertigt. Da die seitens des Halbleiterher-
stellers prognostizierte Silizidierung dann doch noch nicht umgesetzt wurde, lag jedoch derBasiswiderstand der Ausgangsstufe zu hoch, so daß deren Schaltzeit verschlechtert wurde [62].
Kapitel 4
Problemstellungen beim Entwurf
von Treiberstufen am Beispiel
eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
4.1 Schaltungsbeschreibung
In der vorliegenden Arbeit werden verschiedene Treiberschaltungen fur optische
Sendeelemente entworfen und realisiert. Ein Hauptunterschied liegt dabei in der
Treiber-Ausgangsstufe, die an die Anforderung des jeweiligen optischen Sendeele-
mentes angepaßt wird. Ein weiterer Unterschied ergibt sich aus der systemseitig
getroffenen Wahl des Modulationsverfahrens (vgl. Kap 2). Externe Modulations-
verfahren benotigen hohe, aber im allgemeinen konstante Spannungshube. Eine
besondere schaltungstechnische Herausforderung stellt die direkte Lasermodula-
tion dar. Zum Ausgleich der Alterung von Laserdioden muß der Ausgangsstrom-
hub eines Lasertreibers in einem weiten Bereich einstellbar sein, wobei ein hoher
Maximalwert von ∆IQ = 60 mA bei Datenraten ≤ 10 Gbit/s typisch ist1.
Trotz der Unterschiede in Bezug auf die Ausgangsstufe gibt es eine Reihe
grundlegender Problemstellungen, die mit dem Entwurf breitbandiger Treiber-
stufen untrennbar verbunden sind:
• Unsymmetrische Pulsform des (einphasigen) Ausgangssignals.
• Großer Einstellbereich des Ausgangshubes.
1Oberhalb von – haufig schon bei – Datenraten von 10 Gbit/s werden externe Modulations-verfahren eingesetzt. Der Grund hierfur ist der “chirp effect” von Laserdioden (Aufweitung desoptischen Spektrums), der besonders bei Langstreckenverbindungen die Systemempfindlichkeitreduziert.
424. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
uQ
= 1,8 V1U
50 Ω
50 Ω
= -5,2 VU0
RI
1ΩRE
IN
RSS1
LPLPN
RPNRP
RQN
100 Ω
Z=50 Ω
Bonddrahtinduktivitäten,typisch : 2 nH
u dI
SS2I : 22,5 mA ... 90 mA"Master-Stromquelle"
2. Zelle1. Zelle
RQ
≅
KON
EF1
EF2
EF3
SS1
EF4
EF5
EF6
SS2
Q
QN
I
OS1 EF3 SS1 OS2 EF5 EF6 SS2I I I I I I I
"Slave-Stromquellen"
Abb. 4.1: Vereinfachter Stromlaufplan eines 10-Gbit/s-Laser-/Modulatortreibers.
• Transistorbetrieb an der Grenze zum bzw. leicht im Hochstrombereich.
• Gefahrdung von Transistoren aufgrund von Durchbruchsmechanismen.
In den folgenden Unterkapiteln wird die jeweilige Problematik diskutiert und
darauf aufbauend geeignete Losungen entwickelt. Dabei wird der zweite Punkt,
die Einstellbarkeit des Ausgangshubes, hier auch als eine grundlegende Proble-
matik von Treiberstufen verstanden. Ein großer Einstellbereich des Hubes wird
namlich nicht nur im Fall der direkten Modulation von Laserdioden benotigt,
sondern auch in rein elektrischer Umgebung, z. B. bei der Anwendung als Aus-
gangsstufe eines schnellen Pulsgenerators.
Abb. 4.1 zeigt den Stromlaufplan eines Laser-/Modulatortreibers, der fur
ein 10 Gbit/s-Glasfaser-Ubertragungssystem der Firma Siemens entwickelt wur-
de [63, 17]. Im folgenden soll diese Schaltung exemplarisch als Fallbeispiel zur
Erorterung der grundlegenden Entwurfsprobleme bei Treiberschaltungen heran-
gezogen werden.
Es wird ein Konzept mit zwei in differentieller Schaltungstechnik aufgebau-
4.1 Schaltungsbeschreibung 43
ten E2CL-Grundzellen verwendet. Beide Grundzellen setzen sich aus einer Strom-
schalterstufe (SS1 bzw. SS2 ) zusammen, die uber je drei kaskadierte Emitterfol-
gerstufen (EF1-EF3 bzw. EF4-EF5 ) angesteuert wird. Auf die grundlegenden
Dimensionierungaspekte einer solchen Zelle wurde bereits im Kap. 3.2 eingegan-
gen. An dieser Stelle kann somit — im Vorgriff auf die detaillierte Diskussion in
den nachfolgenden Abschnitten — das Augenmerk auf die topologischen Beson-
derheiten gerichtet werden.
Verfolgt man in Abb. 4.1 ausgehend vom differentiellen Eingang (I, IN) den
Signalweg bis zur einphasig abgegriffenen Ausgangsspannung uQ, so fallen zwei
mit IOS1 und IOS2 bezeichnete Stromquellen auf. Wie im Kap. 4.2 gezeigt wird,
laßt sich hiermit die sonst unsymmetrische Pulsform von uQ kompensieren.
Diese und noch weitere funf Stromquellen werden in Abb. 4.1 als “Slave-
Stromquellen” bezeichnet. Dabei deuten die punktierten Linien an, daß diese
Stromquellen an die als “Master-Stromquelle” bezeichnete Quelle ISS2 gekoppelt
sind. Letztere, d.h. der interne Stromhub der Ausgangsstufe SS2, wird wiederum
uber den Steuereingang KON kontrolliert. Dieses relativ aufwendige Netzwerk
von Stromquellen ist notig, um einen Einstellbereich des Ausgangshubes uber
einen Faktor vier, bei moglichst gleichbleibender Signalqualitat zu realisieren.
Eine detaillierte Betrachtung dieses Konzeptes ist Gegenstand des Kap. 4.3.
Die Flankensteilheit der Ausgangsspannung uQ wird in einem entscheiden-
den Maße durch die kapazitive Belastung des Ausgangsknotens beeintrachtigt.
Ohne zusatzliche Maßnahmen ist die RC-Ausgangszeitkonstante fur die nomi-
nelle Datenrate von 10 Gbit/s zu hoch. Mittels eines Netzwerkes unter Verwen-
dung von Bonddrahtinduktivitaten wird diese Problematik gelost2. Allerdings
kann nicht jede noch so große Ausgangskreiszeitkonstante (d.h. Ausgangskapa-
zitat) kompensiert werden. Auch wegen des Ausgangs-Reflexionsfaktors ist fur
die Transistoren der Ausgangsstufe SS2 eine moglichst kleine Emitterflache an-
zustreben. Die Transistoren von SS2 werden daher so dimensioniert, daß sie sich
bei Maximalhub im eingeschalteten Zustand (Kollektorstrom maximal) leicht im
Hochstrombereich befinden. Der Einfluß von Hochstromeffekten auf das Schalt-
verhalten von SS2 wird im Kap. 4.4 untersucht.
Transistoren schneller Silizium-Bipolartechnologien haben im Vergleich zu
ihren “III-V-Verbindungshalbleiter-Konkurrenten” den Nachteil einer vergleichs-
weise geringen Transistor-Durchbruchspannung UCEO. In vielen praktischen
Fallen ist diese bei offener Basis (IB = 0) gemessene Spannung aber nicht
maßgebend und hohere UCE-Spannungen konnen toleriert werden. Das Kap. 4.5
beschaftigt sich mit den Grundlagen des Transistordurchbruchs und mit schal-
2Wegen seiner thematischen Einordnung zu den Ausgangsstufenkonzepten wird dieses“Anhebungs-Netzwerk” im Kap. 5 behandelt.
444. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
tungstechnischen Maßnahmen zu dessen Vermeidung. Eine dieser Maßnahmen
stellt der Emitter-Gegenkopplungswiderstand RE dar. Genauer gesagt handelt es
um acht Widerstande mit je 8 Ω, die jeweils in Reihe zu einem der acht Emitter-
streifen der Ausgangstransistoren SS2 geschaltet sind. Die Grunde hierfur werden
im Kap. 4.5 behandelt.
4.2 Symmetrierung der Pulsform des Modula-
tionsstromes
In Ubertragunssystemen mit binarer Modulation erfolgt die Demodulation durch
eine taktsynchrone Abtastung der Signalimpulse und anschließender Zuordnung
der Abtastwerte zu den beiden digitalen Wertestufen “logisch 0” und “logisch 1”.
Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Bitfehler, wenn eine “1” als
“0” bzw. umgekehrt eine “0” als “1” interpretiert wird3. Solche Fehlentschei-
dungen konnen durch Uberlagerung von Rauschen und Storsignalen oder durch
eine Verzerrung der Impulsform des Datensignals verursacht werden. Der Einfluß
von Rauschquellen und Storsignalen nimmt mit abnehmender Signalamplitude
zu und ist daher vor allem bei empfindlichen Verstarkern zu berucksichtigen [64].
Bei großen Signalamplituden, wie sie im Fall von Laser- und Modulatortreibern
auf der Senderseite eines optischen Ubertragungssytems auftreten, spielt nur die
Impulsverzerrung ein Rolle.
Betrachtet man das aus Systemsicht relevante optische Ausgangssignal, so
lassen sich mehrere Einzelanteile der Verzerrung der Impulsform unterscheiden:
• Begrenzte elektrische Bandbreite
Die Bandbreite von Laser- bzw. Modulatortreibern wird meist durch einen
dominanten Tiefpaß im Ausgangskreis begrenzt. Dieser wird nicht nur durch
die Schaltung selbst, sondern auch von der elektrischen Eingangsimpedanz
des angesteuerten optischen Bauelementes verursacht.
• Nichtlineare elektrooptische Konversion
Die Kennlinien der optischen Sendeelemente (Laserdioden, externe Modula-
toren) sind zum Teil nichtlinear (vgl. Kap. 2). Eine symmetrische Pulsform
des ansteuernden elektrischen Signals hat daher nicht zwangslaufig eine
ebenso optimale optische Pulsform zur Folge.
3Ein Gutemaß digitaler Ubertragungssysteme ist die Bitfehlerrate (BER, bit error rate).Hierunter versteht man die Anzahl der Fehlentscheidungen (Bitfehler) bezogen auf die Gesamt-zahl der betrachteten Bits.
4.2 Symmetrierung der Pulsform des Modulationsstromes 45
• Elektrische Ruckwirkung der “optischen Last”
Hierzu zahlen Doppelreflexion bei Ansteuerung des optischen Sendeelemen-
tes uber eine Leitung, aufgrund der endlich guten Leitungsanpassung von
Treiberschaltungsausgang sowie elektrischer Eingangsimpedanz des opti-
schen Moduls. Eine weitere Art einer elektrischen Ruckwirkung tritt bei
Elektroabsorptionsmodulatoren auf, die im absorbierenden Schaltzustand
— je nach eingestrahlter Lichtleistung — Fotostrome generieren.
• Unsymmetrische elektrische Pulsform
Oft konnen die letzen beiden Punkte vernachlassigt werden. Eine symme-
trische Pulsform des elektrischen Ansteuersignals des optischen Moduls ist
dann notwendige Voraussetzung fur ein optimales Sendesignal.
Die ersten drei aufgefuhrten Punkte spiegeln Probleme wider, die spezifisch
in Verbindung mit dem zur Modulation der Lichtleistung verwendeten optischen
Bauelement auftreten4. In Abhangigkeit der jeweiligen Problematik werden in
dieser Arbeit geeignete Konzepte fur die elektrooptische Schnittstelle entworfen,
die im Kapitel 5 behandelt werden. Dem letzten Punkt, der Symmetrie der elek-
trischen Impulsform, kommt eine besondere Bedeutung zu, da Treiberschaltungen
nicht nur zur Ansteuerung des optischen Sendeelementes in Glasfaser-Ubertra-
gungsstrecken eingesetzt werden. Schnelle Treiberschaltungen finden auch in rein
elektrischer Umgebung Anwendung, beispielsweise in der Meßtechnik als Aus-
gangsstufe von Hochfrequenz-Impulsgeneratoren oder als Leitungstreiber. Aus
diesem Grund wird im weiteren Verlauf des Kapitels die elektrische Impulsver-
zerrung und deren Kompensation getrennt von den anderen oben aufgefuhrten
Punkten behandelt.
Zur Beurteilung der Pulsform von digitalen Signalen, ist die Darstellung in
Form von Augendiagrammen (s. unten) ublich, die durch Uberlagerung der jeweils
um ganzzahlige Vielfache der Pulsbreite (Bitbreite) verschobenen Impulsfolgen
entstehen. Einer optimalen Pulsform entsprechen im Augendiagramm moglichst
große horizontale und vertikale Augenoffnungen mit einer symmetrisch zum Pe-
gel der halben Pulshohe (“digitale Entscheidungsschwelle”) verlaufenden Augen-
form. Eine solche Symmetrie kann in einfacher Weise fur im Gegentaktbetrieb
arbeitende Schaltungen erzielt werden, wenn deren differentielles Ausgangssignal
verwendet wird. Das einphasig abgegriffene Ausgangssignal weist jedoch meist
eine unsymmetrische Pulsform auf. Fur die Ansteuerung von Laserdioden oder
4Eine Sonderstellung nimmt der erste Punkt, die endliche elektrische Bandbreite, ein. Diehierdurch bedingte Beeintrachtigung der Pulsform des Signals tritt auch in rein elektrischerUmgebung auf.
464. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
vu =1PV
ud
UOS2
vu =1PV
UOS1
IN
uId
imod
uQd
SS2I
uQNuQΩ50Ω100
U0
U1
SS1I
T1 T2SS2
Q
QN
Abb. 4.2: Schematisches Blockschaltbild des Laser-/Modulatortreibers nach Abb. 4.1zur Erlauterung der Symmetrierung der Pulsform der einphasigen Aus-gangsspannung uQ.
externen Modulatoren ist jedoch in der Regel gerade diese Betriebsart Voraus-
setzung.
Das im folgenden dargestellte Konzept zur Symmetrierung der einphasigen
Ausgangssignalform wurde von dem in [11] beschriebenen Lasertreiber ubernom-
men. Der theoretische Hintergrund des Konzeptes ist in [65] behandelt und wird
daher hier nicht in allen Einzelheiten erlautert. Fur das Verstandnis des im nach-
folgenden Kapitel behandelten Konzeptes zur Einstellbarkeit des Modulations-
stromhubes ist aber eine kurze Behandlung der Mechanismen der Unsymmetrie
und der Funktionsweise der Gegenmaßnahmen notwendig.
Zur Vereinfachung der Diskussion wird die Schaltung des Lasertreibers nach
Abb. 4.1 auf das in Abb. 4.2 dargestellte schematische Blockschaltbild reduziert.
Darin reprasentieren die mit PV bezeichneten Blocke die Emitterfolgerstufen zur
Pegelverschiebung und Entkoppelung. Die Offset-Stromquellen IOS1 und IOS2 aus
Abb. 4.1 sind in Form der durch sie erzeugten Offset-Spannungen UOS1 und UOS2
dargestellt.
4.2 Symmetrierung der Pulsform des Modulationsstromes 47
Abb. 4.3 zeigt simulierte Augendiagramme fur eine Datenrate von 10 Gbit/s
und einen Modulationsstromhub von ∆Imod = 60 mA, wenn keine Maßnahmen
zur Symmetrierung der Ausgangssignalform ergriffen werden (deaktivierte Offset-
Spannungen, d.h. UOS1 = UOS2 = 0). Dargestellt sind die einphasige Ausgangs-
spannung uQ (oben), der innere Kollektorstrom5 des zugehorigen Transistors T1
(Mitte), sowie die differentielle Ausgangsspannung uQd (unten).
Im Kollektorstrom iC,Q tritt
0 V
-3 V
uQ
90 mA
0 mA
iC,Q
-3 V
3 V
uQd
40 ps
0
Abb. 4.3: Augendiagramme ohne Offset-Spannungen (UOS1, UOS2 = 0).Dargestellt sind die einphasigeAusgangsspannung (oben), derKollektorstrom von T1 (Mitte) unddie differentielle Ausgangsspannung(unten).
ein ausgepragtes Uberschwingen
auf, welches das Unterschwingen
in der einphasigen Ausgangsspan-
nung uQ zur Folge hat. Das Uber-
schwingen im Kollektorstrom von
T1 wird durch die Basis-Emitter-
Sperrschichtkapazitat des (ausge-
schalteten) Transistors T2 und
— zu einem kleineren Teil —
durch die parasitare Kapazitat
der Stromquelle ISS2 verursacht.
Die Umladung dieser Kapazitaten
fuhrt im Emitterkreis des Strom-
schalters SS2 zu einem zusatzli-
chen dynamischen Stromanteil, so
daß der Kollektorstrom von T1
am Ende des Einschaltvorganges
den statischen Maximalwert von
ISS2 = 90 mA uberschreiten kann.
Im Gegensatz dazu ist ein Un-
terschwingen des Kollektorstroms
physikalisch nicht moglich, da die-
ser nicht negativ werden kann. In
der differentiellen Ausgangsspan-
nung uQd (unterstes Augendia-
gramm in Abb. 4.3) tritt aufgrund
der Subtraktion der beiden glei-
chermaßen unsymmetrischen aber
gegenphasigen Ausgangssignale keine Unsymmetrie auf.
Eine symmetrische Pulsform des einphasigen Ausgangssignals uQ kann durch
Ansteuerung der Ausgangsstufe mit einer geeignet pulsverzerrten Differenzspan-
nung ud erreicht werden. Um den Spannungsunterschwinger bzw. den Stromuber-5Gemeint ist der Strom der Transferstromquelle im Transistorersatzschaltbild (Anhang A.1).
484. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
schwinger zu reduzieren, muß der Einschaltvorgang von T1 verlangsamt werden.
Hierzu dient die Offset-Spannung UOS2 (> 0), die den High-Pegel der Differenz-
spannung ud entsprechend absenkt. Da bei konstantem Hub von ud der Low-Pegel
in demselben Maße abgesenkt wird, ergibt sich gleichzeitig eine Beschleunigung
des Ausschaltvorganges von T2. Hierdurch wird der Spannungsunterschwinger in
uQ weiter reduziert.
Das Resultat dieser Maßnahme zeigt Abb. 4.4. Unter- und Uberschwingen in
der Spannung uQ sind nun etwa gleich groß, jedoch ist das Tastverhaltnis extrem
unsymmetrisch, wie man dem nach oben verschobenen Flanken-Schnittpunkt
des Augendiagramms von uQ entnehmen kann. Dies liegt daran, daß die Offset-
Spannung UOS2 wegen des nach wie vor symmetrischen Tastverhaltnisses der
Differenzspannung ud und aufgrund der endlichen Flankensteilheit nicht nur den
Einschaltvorgang von T1 verlangsamt, sondern auch dessen Einschaltdauer re-
duziert hat.
0 V
-3 V
uQ
40 ps
90 mA
0 mA
iC,Q
40 ps
Abb. 4.4: Kompensation des Spannungsunterschwingers (links) bzw. des Stromunter-schwingers (rechts) mit der Offset-Spannung UOS2.
Zur Kompensation dieses Effektes muß das Tastverhaltnis von ud unsym-
metrisch eingestellt (vergroßert) werden. Dies wird durch eine weitere Offset-
Spannung, UOS1 (> 0) erreicht. Aufgrund der Amplitudenbegrenzung durch den
ersten Stromschalter, SS1, bleibt die Hohe der zuvor durch UOS2 eingestellten sta-
tischen Pegel von ud hiervon unberuhrt. Dies ist eine notwendige Voraussetzung,
um die bereits erfolgte Kompensation bezuglich des Spannungsunterschwingers
beizubehalten. Naturlich wird durch die von UOS1 hervorgerufene Pulsverzerrung
der Differenzspannung ud (vgl. Abb. 4.6) die Kompensation des Unterschwingers
etwas verandert. In der Regel ist dieser Effekt jedoch gering und ein wechselsei-
tiger Abgleich zwischen UOS1 und UOS2 ist nicht notwendig.
Abb. 4.5 zeigt die Augendiagramme der Ausgangsspannung uQ und des Kol-
lektorstromes von T1 nach vollstandiger Symmetrierung mit den beiden Offset-
Spannungen UOS1 und UOS2. Die ansteuernde Basis-Differenzspannung ud, mit
der die Symmetrie des einphasigen Ausgangssignals erreicht wird, ist in Abb. 4.6
dargestellt.
4.2 Symmetrierung der Pulsform des Modulationsstromes 49
0 V
-3 V
uQ
40 ps
90 mA
0 mA
iC,Q
40 ps
Abb. 4.5: Einphasige Ausgangsspannung (links) und Kollektorstrom von T1 (rechts)nach vollstandiger Symmetrierung durch beide Offset-Spannungen UOS1
und UOS2.
-0,8 V
-0,4 V
0,4 V
0,8 V
ud
40 ps
0
Abb. 4.6: Differentielle Basisspannungud der Ausgangsstufe SS2 beiSymmetrierung der Pulsformder einphasigen Ausgangs-spannung nach Abb. 4.5.
Durch die Offset-Spannung UOS1 wird der Schnittpunkt der positiven und negati-
ven Signalflanken von ud, ausgehend von der Mitte zwischen High- und Low-Pegel,
wieder in den Umschaltpunkt ud = 0 der Ausgangsstufe verschoben. Dies fuhrt
gerade zu der gewunschten Regeneration der Tastverhaltnissymmetrie von uQ.
Bislang wurde nur das fur die
0 V
-3 V
uQN
40 ps
Abb. 4.7: Augendiagramm der Spannung amAusgang QN.
Weiterverarbeitung relevante ein-
phasige Ausgangssignal am Aus-
gang Q betrachtet. Aus den vor-
angegangenen Ausfuhrungen zu
den Mechanismen der Unsym-
metrie laßt sich aus Abb. 4.6
die Pulsform am logisch komple-
mentaren Ausgang QN folgern.
Offensichtlich muß die Kompensa-
tion des Unterschwingers am Aus-
gang Q gerade zu einer Zunahme des Spannungsunterschwingers am Ausgang QN
fuhren, da alle Betrachtungen zu Ein- und Ausschaltzeiten, bezogen auf den Tran-
sistor T2, umgekehrt gelten. Bestatigt wird dies durch die Abb. 4.7. Gegenuber
504. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
dem Ausgangspunkt in Abb. 4.3 (oben) hat sich der Spannungsunterschwinger auf
der Seite QN weiter verstarkt. Durch den entsprechend starken Unterschwinger
in der Kollektor-Emitterspannung kann der Transistor T2 bereits bei kleineren
Stromen als T1 in den Hochstrombereich gelangen (insbesondere, da auf dieser
Seite auch gleichzeitig die hoheren Stromspitzen auftreten). Dem kann durch eine
Verringerung der Last6 am Ausgang QN entgegengewirkt werden. Im Augendia-
gramm des Ausgangs Q tritt hierdurch keine wesentliche Verschlechterung ein.
Der genaue Einfluß des Hochstromeffektes auf die Signalqualitat kann mit
geeigneten Transistormodellen untersucht werden [66, 67]. Mit dieser Thematik
beschaftigt sich das Kapitel 4.4. Die obige Problematik wird an dortiger Stelle
nochmals aufgegriffen. Es sei hier bereits vorweggenommen, daß auch im Fall,
daß T2 merklich in den Hochstrombereich kommt, die Signalform am Ausgang
Q hiervon bis zu einem gewissen Grad relativ unberuhrt bleibt.
Gegenstand dieses Kapitels ist die Symmetrierung der Pulsform des einphasi-
gen elektrischen Ausgangssignals. Das verwendete Konzept kann aber allgemeiner
auch dazu benutzt werden, absichtlich eine unsymmetrische Pulsform zu erzeu-
gen. Fur den Einsatz als Treiberschaltung optischer Sendeelemente kann so eine
elektrische Vorverzerrung bezuglich einer nichtlinearen elektrooptischen Konver-
sion vorgenommen werden, d.h. die optische Pulsform optimiert werden. In [68]
wird hierzu eine geschaltete Stromquelle vorgestellt, mit welcher eine unsym-
metrische Pulsform des (einphasigen) Ausgangsstroms einer Stromschalterstufe
erzeugt wird, um die optische Pulsform einer anzusteuernden Laserdiode zu opti-
mieren. Die nach [68] benotigte Pulsform des Stroms entspricht prinzipiell den in
Abb. 4.4 (rechts) dargestellten Verhaltnissen nach Kompensation des Stromuber-
schwingens mittels UOS2. Ein Vorteil des in der vorliegenden Arbeit verwendeten
Konzeptes ist in der großeren Flexibilitat der einstellbaren Pulsformen zu sehen7.
Daruberhinaus ist eine nachtragliche Anpassung der Pulsform einfach moglich.
6Untersucht wurde z.B. eine Halbierung des internen Abschlußwiderstandes und des dazuin Reihe liegenden Bonddrahtes auf der Seite QN.
7Auch die optischen Kennlinien externer Modulatoren sind teilweise nichtlinear. SowohlKompression (positiver Linearitatsfehler) als auch Dekompression (negativer Linearitatsfehler)treten auf. Als Folge muß das Tastverhaltnis der ansteuernden Spannung fur optimale optischePulsform sowohl vergroßert als auch verkleinert werden konnen (vgl. hierzu Kap. 5.2.1), wasmit dem speziellen auf Laserdioden zugeschnittenen Konzept in [68] nicht moglich ist.
4.3 Einstellbarer Modulationshub fur direkte Modulation 51
4.3 Einstellbarer Modulationshub fur direkte
Modulation
Der in Abb. 4.1 dargestellte Laser-/Modulatortreiber wurde fur ein optisches
10 Gbit/s-Ubertragungssystem entwickelt. Da wahrend der Entwicklung auf der
Systemebene noch keine eindeutige Praferenz bezuglich direkter oder externer La-
sermodulation vorlag, sollte eine moglichst vielseitige Treiberschaltung entworfen
werden. Fur den Fall eines externen Modulationsverfahrens wurde ein (einpha-
siger) Spannungshub ∆UQ ≥ 3 Vss, entsprechend einem Modulationsstromhub
∆IQ ≥ 60 mAss an 50 Ω gefordert. Fur den Betrieb als Lasertreiber sollte der
Modulationsstromhub in einem weitem Bereich von 15 mAss ≤ ∆IQ ≤ 60 mAsseinstellbar sein. Dies ist einerseits notig, um eine großtmogliche Flexibilitat bei
der Wahl der Laserdiode zu gewahrleisten. Andererseits mussen fertigungsbeding-
te Streuungen und insbesondere die im Betrieb auftretenden Alterungseffekte von
Laserdioden ausgeglichen werden.
Bereits die Realisierung des geforderten Maximalhubes stellt aufgrund der
hohen Datenrate in der verwendeten Produktionstechnologie eine betrachtliche
Herausforderung dar. Neben der sorgfaltigen Optimierung von Transistoren und
Widerstanden der Schaltung wurde im Ausgangskreis mit Hilfe von Bondrahten
ein Netzwerk zur Versteilerung der Flanken des Ausgangssignals entworfen. Hier-
auf wird im Kap. 5.1.1 eingegangen. Zusammen mit dem im vorangegangen Ka-
pitel erlauterten Konzept zur Pulsform-Symmetrierung konnen so die Anforde-
rungen an die Signalqualitat fur den Fall des Maximalhubes erfullt werden.
Bei oberflachlicher Betrachtung scheint demgegenuber eine Reduktion des
Ausgangsspannungs- bzw. stromhubes eine kleinere Herausforderung zu sein. Das
genaue Gegenteil ist jedoch der Fall. Wird nur der Strom des Ausgangsstrom-
schalters, d.h. der Strom ISS2 der entsprechenden Stromquelle (vgl. Abb. 4.1)
reduziert, so fuhrt dies zu einer erheblichen Verschlechterung der Pulsform ge-
genuber den Verhaltnissen bei Maximalhub. Zur Verdeutlichung zeigt Abb. 4.8
das entsprechende Augendiagramm der Ausgangsspannung uQ bei Halbierung
von ISS2 auf den Wert 45 mA, entsprechend einem Spannungshub ∆UQ = 1.5 Vss.
Verglichen mit der optimalen Augenform bei ∆UQ = 3 Vss (vgl. Abb. 4.13, oben)
tritt in Form eines großen Pulsunterschwingers eine starke Unsymmetrie zwi-
schen oberer und unterer Augenhalfte auf. Schon bei Halbierung des Hubes ist die
Qualitat der Pulsform und damit des Augendiagramms stark beeintrachtigt. Bei
dem geforderten Minimalhub ∆IQ = 15 mAss (entsprechend ∆UQ = 0, 75 Vss)
wird schließlich keine akzeptable Augenoffnung mehr erreicht, wie Abb. 4.9 zeigt.
Der relative Unterschwinger hat noch weiter zugenommen und in der Folge tritt
524. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
0 V
−1,5 V
uQ
40 ps
Abb. 4.8:Ausgangspannung uQ nach Halbierungvon ISS2 und sonst unveranderten Ein-stellungen gegenuber Abb. 4.5.
Nachschwingen auf, das im Augendiagramm zu einer Aufspaltung (Zeitjitter)
der ansteigenden Flanken fuhrt. Auch die abfallenden Flanken zeigen eine Auf-
spaltung. Diese resultiert aus einem Ubersprechen durch die Basis-Kollektor-
Sperrschichtkapazitat der SS2-Transistoren. Vor dem Einschalten der (“inneren”)
Transistoren koppelt uber diesen Weg bereits ein negativer Kollektorstromanteil
(positiver Spannungspuls an der Basis) in den Ausgangskreis. Im Pulsverlauf
Abb. 4.9 (rechts) außert sich dies in der Anhebung der Spannung uQ uber den
(glatten) statischen High-Pegel bevor der eigentliche Einschaltvorgang (Abfall
der Spannung) merklich beginnt. Je nachdem, ob der Einschwingvorgang im An-
schluß an die positive Flanke bereits beendet ist oder nicht, resultieren fur die
fallende Flanke unterschiedliche “Startbedingungen”, die in Doppellinienjitter re-
sultieren.
0 V
−0,75 V
uQ
40 ps
0 V
−0,75 V
uQ
250 ps
Übersprechen
Abb. 4.9: Augendiagramm (links) und Ausschnitt aus der Bitfolge(rechts) der Aus-gangsspannung uQ bei der Einstellung fur minimalen Hub nur durch Re-duktion von ISS2.
Wie im vorangegangenen Kapitel erlautert wurde, hat der Unterschwinger
im Einschaltvorgang der Seite Q (Transistor T1 in Abb. 4.2) seine Ursache vor
allem im Umladestrom der Basis-Emitter-Sperrschichtkapazitat des ausschalten-
den Stromschaltertransistors (T2 ) auf der Seite QN. Mehrere Effekte fuhren bei
kleinen Ausgangshuben zu einer Zunahme dieser Problematik:
4.3 Einstellbarer Modulationshub fur direkte Modulation 53
Durch die Reduktion von ISS2 reduziert sich im selben Maße die in den Basen
von T1 und T2 auf- bzw. abzubauende Minoritatenladung, so daß die (inneren)
Transistoren bei konstantem Hub der differentiellen Basisspannung schneller ein-
und ausschalten. Deren Basis-Emitter-Sperrschichtkapazitaten skalieren sich je-
doch nicht, sondern weisen nach wie vor den, durch die fur den hohen Maximal-
strom notwendige Emitterflache, bestimmten großen Wert auf. Im Vergleich zur
reduzierten Minoritatenladung fallt die in der Sperrschicht auf- und abzubauende
Ladung immer starker ins Gewicht und in der Folge nimmt die kapazitive Strom-
spitze in Relation zum reduzierten Stromhub ISS2 zu8. Verstarkung erfahrt diese
Problematik durch den zu kleinen Stromen ISS2 hin verminderten Spannungs-
abfall am Emitter-Gegenkopplungswiderstand RE. In der differentiellen Basis-
spannung von SS2 fuhrt die reduzierte Belastung (Abnahme der Basis-Emitter-
Diffusionskapazitaten von T1 und T2 ) zudem zu einer Flankenversteilerung wo-
durch die beschriebenen Umladeeffekte weiter zunehmen. Die Große des Uber-
sprechens in den Ausgangskreis durch die Basis-Kollektorkapazitat verandert sich
im Absolutwert nicht wesentlich, macht sich aber durch die relative Zunahme (be-
zogen auf ∆IQ) bei kleinem ∆IQ immer starker bemerkbar.
Um auch bei reduzierten Aus-
νI
I∆ Q,min ∆ Q,maxII∆ Q
νc ∆ QI
0,νI
00 15 60 [mA]
Abb. 4.10: Prinzipieller Verlauf desStromes durch die ein-stellbaren Stromquellen inAbhangigkeit vom Ausgangs-stromhub ∆IQ.
gangshuben eine gleichbleibend gu-
te Qualitat der Augendiagramme zu
gewahrleisten, mussen interne Strome
der Treiberschaltung automatisch an
den jeweiligen Ausgangsstromhub ∆IQbzw. den internen Stromhub ISS2 der
Ausgangsstufe angepaßt werden. Im
Gegensatz zu dem in [11] beschriebe-
nen Lasertreiber reicht es nicht aus,
nur den Strom der den Ausgangsstrom-
schalter treibenden Emitterfolgerstufe
EF6 an ∆IQ anzupassen. Vielmehr
mussen auch der Strom durch EF3, der
Stromhub von SS1 sowie die beiden
Offset-Strome IOS1 und IOS2 mitgere-
gelt werden (vgl. Abb. 4.1).
Umfangreiche Untersuchungen in
[60] zeigen, daß optimale Ergebnisse erzielt werden konnen, wenn die oben auf-
gefuhrten Strome naherungsweise linear mit ∆IQ bzw. mit dem um den Fak-
tor 1, 5 großeren internen Stromhub ISS2 gekoppelt werden. Fur ein willkurlich
gewahltes Beispiel sind die Verhaltnisse in Abb. 4.10 dargestellt. Dabei reprasen-8Daruberhinaus erfolgt das Ausschalten des inneren Transistors zunehmend schneller
als das Einschalten, bei dem ja eine zusatzliche Zeitspanne benotigt wird, um die BE-Sperrschichtkapazitat zunachst auf die Flußspannung umzuladen, so daß der innere Transistoraktiv wird. Auch diese Unsymmetrie verstarkt die Problematik.
544. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
Stromquelle Stromquelle
I∆cν Q
IνPν
I0,ν
∆ QI3=I 2SS2
=0 5.2 VVeinstellbare gesteuerte
U
KON
SS2-Stromquelle
KON
Abb. 4.11: Realisierung der gesteuerten und einstellbaren Stromquellen.
tieren die Kreuze die Ergebnisse der Optimierung, die durch eine Ausgleichsge-
rade angenahert werden. Fur die Stellcharakteristik der Strome laßt sich daher
der allgemeine Zusammenhang
Iν = I0,ν + cν ∆IQ = I0,ν +2
3cν ISS2 (4.1)
angeben. Der jeweilige Gesamtstrom Iν setzt sich aus einem Konstantstrom I0,ν
und einem zu ∆IQ bzw. ISS2 proportionalen Anteil zusammen.
Abb. 4.11 zeigt die schaltungstechnische Realisierung dieser Stromquellen.
Der Konstantstrom I0,ν wird mit einem separaten Stromspiegel realisiert und
kann uber ein externes Potentiometer (Pν) eingestellt werden. Der Realisierung
des zu ∆IQ proportionalen Stromanteils cν∆IQ dienen einfache Transistorstrom-
quellen, deren Basen mit der Basis der Stromquelle des Ausgangsstromschalters
(ISS2) gekoppelt werden. Bei etwa gleicher Wahl der Kollektorstromdichten der
gekoppelten Stromquellentransistoren andern sich deren Strome (entsprechend
dem Verhaltnis der Gegenkopplungswiderstande) proportional zu ISS2 und da-
mit zu ∆IQ.
Die meisten Laserdiodenmodule besitzen neben der Sende-Laserdiode zusatz-
lich eine Monitor-Fotodiode, mit der im Systembetrieb die emittierte Lichtlei-
stung kontrolliert wird. Deren Fotostrom kann einem geeigneten Regelverstarker
zugefuhrt werden, in welchem uber einen Soll-Istwert-Vergleich eine Steuerspan-
nung (UKON) zur Nachfuhrung der ansteuernden Treiberschaltung erzeugt wird.
Man erhalt auf diese Weise eine Regelung auf konstante Sendeleistung. Wie ein-
gangs erwahnt, lagen zum Zeitpunkt der Schaltungsentwicklung entsprechende
4.3 Einstellbarer Modulationshub fur direkte Modulation 55
0
10
20
30
40
50
0 10 20 30 40 50 60
Iν
[mA]
∆IQ [mA]
IEF6
ISS1
IOS2
IEF3
IOS1
Abb. 4.12: Optimierte Steuerung interner Strome des Lasertreibers in Abhangigkeitvom Ausgangsstromhub ∆IQ.
Parameter IOS1 IEF3 ISS1 IOS2 IEF6
I0,ν [mA] 3,1 1,5 6,1 2,3 1,4
cν 0,020 0,067 0.564 0,244 0.750
Tab. 4.1: Konstantstromanteile und Steigungen der in Abb. 4.12 dargestellten opti-mierten Steuerkennlinien interner Strome des Lasertreibers.
genaue Systemspezifikationen aber nicht vor. Die Einstellung des Stromhubes
∆IQ, d.h. die Ansteuerung der gekoppelten Stromquellen, wurde daher in ein-
facher Weise uber einen entkoppelnden Emitterfolger mit der Kontrollspannung
UKON vorgenommen. Abb. 4.12 zeigt den Verlauf der optimierten Strome uber
∆IQ. Die zugehorigen Konstantstromanteile I0,ν und Steigungen cν der jeweiligen
Steuerkennlinie sind in Tab. 4.1 zusammengefaßt.
Erkennbar weisen die einzelnen Kennlinien unterschiedlich starke Kopplun-
gen an ∆IQ auf. Am starksten mussen die beiden Strome IEF6 und ISS1 zu kleinen
Huben hin mitreduziert werden. IEF6 wird dabei nahezu proportional zu ∆IQ mit-
gefuhrt. Mit dem hochohmiger werdenden Ausgangswiderstand von EF6 laßt sich
so das bei kleinem ∆IQ durch die reduzierten Basis-Emitter-Diffusionskapazitaten
der Ausgangsstufentransistoren (schnellere Umladung der Minoritatenladungen)
auftretende Unter- und Nachschwingen auf dem Low-Pegel von uQ dampfen. Auch
564. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
bei kleinem Strom fuhrt EF6 zeitlich aber immer einen positiven Kollektorstrom.
Eine Dimensionierung mit weiter reduziertem Ruhestrom IEF6, und damit bei
Ansteuerung mit der negativen Spannungsflanke an ihren Basen kurzzeitig sper-
renden EF6 -Transistoren, fuhrt zu einer Beeintrachtigung der Flankensteilheit
von uQ.
Das bei kleinem ∆IQ zunehmende Spannungsunterschwingen (vgl. Abb. 4.9)
kann nicht uber einen großeren Offset-Strom IOS2 kompensiert werden. Durch
die weiter vergroßerte Offset-Spannung in seiner differentiellen Basisspannung uD(vgl. Abb. 4.6) wurde der Stromschalter SS2 sonst nicht mehr vollstandig um-
schalten. Stattdessen muß der Hub von uD, und damit der Strom ISS1 des ersten
Stromschalters reduziert werden. Aufgrund der Dimensionierung ihrer Emitter-
flachen fur den maximalen Hub weisen die Transistoren SS2 große Sperrschicht-
kapazitaten auf, die sich im Gegensatz zur Basis-Emitter-Diffusionskapazitat (Mi-
noritatenladung) nicht mit ISS2 skalieren. Zur ausreichend schnellen Umladung
dieser nahezu konstant großen Kapazitaten muß ISS1 in der Regel etwas schwacher
als proportional zu ∆IQ. reduziert werden.
Der optimale Wert der Offset-Spannung UOS2 und damit von IOS2 ist stark
an den durch ISS1 an den Lastwiderstanden (RSS1) des ersten Stromschalters
erzeugten Spannungshub zur Ansteuerung von SS2 gekoppelt. Da UOS2 ebenfalls
uber den Spannungsabfall von IOS2 an einem der beiden Lastwiderstande RSS1
eingestellt wird (vgl. Abb. 4.1) ist in Abb. 4.12 das Verhaltnis von ISS1 zu IOS2
etwa konstant (ISS1/IOS2 ≈ 2, 4).
Die optimalen Werte von IEF3 und insbesondere von IOS1 sind nur schwach
von ∆IQ abhangig. Im Fall von IOS1 hangt dies damit zusammen, daß der uber
diesen Strom erzeugte Spannungs-Offset UOS1 hauptsachlich von dem (konstant
gehaltenen) Eingangsspannungshub abhangig ist9.
Die Verhaltnisse beim Strom IEF3 sind komplizierter. Zur ausreichenden Pe-
gelverschiebung und Impedanzwandlung fur die Ansteuerung des Stromschalters
SS1 werden auch in der ersten Zelle des Treibers bereits drei Emitterfolgerstufen
hintereinander geschaltet. Gegenuber einer Pegelverschiebung mit nur einem oder
zwei Emitterfolgerstufen und zusatzlichen Transistordioden lassen sich bei gleich-
zeitig geringerer Belastung des Eingangs (besserer Eingangsreflexionsfaktor) auf
diese Weise hohere Datenraten erzielen. Ein gewisser Nachteil der Verwendung
mehrerer kaskadierter Emitterfolgerstufen besteht jedoch in der potentiellen Zu-
9Naturlich muß prinzipiell UOS1 an die bei der Kompensation des Spannungsunterschwingensdurch UOS2 in uQ zunachst erzeugte zusatzliche Unsymmetrie des Tastverhaltnisses angepaßtwerden (vgl. Kap 4.2). Es zeigt sich aber, daß die Große dieser Unsymmetrie uber der ∆IQ-Einstellung relativ konstant ist. In diesem Fall ist UOS1 im wesentlichen nur vom Eingangshubder Schaltung abhangig.
4.3 Einstellbarer Modulationshub fur direkte Modulation 57
nahme von Stabilitatsproblemen durch die Impedanztransformation der Emit-
terfolger [59]. Diese Thematik wird in Kap. 6 detaillierter betrachtet. Als Folge
kann im Kollektorstrom des eingeschalteten SS1 -Transistors im Anschluß an ein
Uberschwingen (durch kapazitive Umladungestrome) Nachschwingen auftreten.
Ist dieses Nachschwingen zu schwach gedampft (zu große Einschwingzeit) wird
die Qualitat des Augendiagramms durch merklichen Zeitjitter verschlechtert.
Das Nachschwingen laßt sich
0 V
−3 V
uQ
0 V
−1,5 V
uQ
0 V
−0,75 V
uQ
40 ps
Abb. 4.13: Augendiagramme der Ausgang-spannung im kompletten Bereichdes vorgesehenen Ausgangsstrom-hubes (von oben: ∆IQ = 60, 30und 15 mAss).
ausreichend dampfen bzw. ver-
meiden, wenn der Ruhestrom der
beiden EF3 -Transistoren so be-
messen wird, daß diese wahrend
bzw. kurz nach der negativen
Flanke des an ihren Basen anlie-
genden Datensignals kurzzeitig
ausschalten. Naheres hierzu kann
Kap. 6.1.1 entnommen werden.
Bei konstantem Eingangshub der
Schaltung muß der Ruhestrom
IEF3 daher nur mittelbar an
∆IQ, sondern an ISS1 gekoppelt
werden, um eine Anpassung
an die hieruber veranderte Be-
lastung der EF3 -Transistoren
vorzunehmen. Mit Zunahme von
ISS1 nimmt die Basis-Emitter-
Diffusionskapazitat der SS1 -
Transistoren proportional zu. Die
Sperrschichtkapazitaten andern
sich demgegenuber nur unwe-
sentlich. Um uber ISS1 ein etwa
gleich starkes kurzzeitiges Aus-
schalten der EF3-Transistoren zu
erreichen10 , ist IEF3 daher etwas
weniger stark als proportional zu ISS1 mitzusteuern (vgl. Abb. 4.12).
Die Wirksamkeit der oben beschriebenen Maßnahmen dokumentiert
Abb. 4.13. Dargestellt sind die Augendiagramme der Ausgangsspannung fur die
mit der Steuerspannung VKON eingestellten Hube von 3 Vss (oben), 1, 5 Vss (Mit-
te) und 0, 75 Vss (unten). Trotz des großen Einstellbereiches uber einen Faktor
4 wird in allen Fallen eine weitestgehend symmetrische Augenform mit steilen10Dies erwies sich im vorliegenden Fall als optimal bezuglich des Zeitjitters.
584. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
Pulsflanken und kleinem Zeitjitter erreicht. Naturgemaß liegt das Optimum im
Fall des Maximalhubs vor, da die Transistoren und Widerstande diesbezuglich
optimiert wurden. Dieser Umstand macht sich bei kleineren Huben, insbeson-
dere beim Minimalhub, in einem gegenuber dem Uberschwingen zunehmend
starker ausgepragten Unterschwingen (und Nachschwingen) bemerkbar. Das
krasse Mißverhaltnis zwischen den großen Sperrschichtkapazitaten (v.a. Basis-
Emitterkapazitat) der fur ISS2 = 90 mA optimierten Ausgangsstufentransistoren
und ihrer bei kleinem ISS2 geringen Basis-Emitter-Diffusionskapazitat kann durch
die Anpassung der internen Strome in seiner Wirkung nicht vollstandig kompen-
siert werden. Hierzu mußte auch der Transistorentwurf verandert werden.
Untersuchungen zeigen, daß die optimalen Werte der Parameter I0,ν und cνzum Teil auch vom (unbekannten) Substratwiderstand Rsub der Ausgangstransi-
storen abhangen. Bei ungunstigen Werten von Rsub kann – speziell bei kleinen
Huben ∆IQ – eine gewisse Beeintrachtigung der Qualitat der Augendiagram-
me auftreten. In diesem Fall mussen die Kennlinien einzelner Stromquellen Iνgegenuber dem Fall Rsub = 0 etwas angepaßt werden [60]11. Dies ist bei den
Konstantstromanteilen I0,ν in einfacher Weise uber die Einstellung der externen
Potentiometer (Pν in Abb. 4.11) moglich. Bei den gesteuerten Stromquellen wurde
im Strukturentwurf der Schaltung uber Kratzstellen (Auftrennen von Leiterbah-
nen) und Bondoptionen die Moglichkeit vorgesehen, den Parameter cν sowohl zu
verkleinern als auch zu vergroßern [60]. Daruberhinaus wird auch der Strom des
Emitterfolgers EF5 uber einen Stromspiegel eingestellt und ist damit in gleicher
Weise wie die I0,ν extern einstellbar. Simulationen zeigen, daß das bei kleinen
Huben ∆IQ je nach Rsub mehr oder weniger stark ausgepragtes Nachschwingen12
auf dem Low-Pegel der Spannung uQ durch Reduktion von IEF5 verringert werden
kann [60]. Im Kap. 8 wird dieser Punkt nochmals aufgegriffen.
4.4 Transistorbetrieb im Hochstrombereich
4.4.1 Der Hochstromeffekt in Silizium-Transistoren
Die Erzielung hochster Operationsgeschwindigkeiten mit einer gegebenen Techno-
logie setzt neben der Wahl geeigneter Schaltungskonzepte eine individuelle Opti-
11Fur genauere Betrachtungen muß der Einfluß eines geeigneten Substratersatzschaltbildes(mehrzweigiges RC-Netzwerk) gepruft werden. Eine quantitative Berucksichtigung von Sub-strateffekten ist mittlerweile mit einem speziell hierfur entwickelten numerischen Simulatormoglich [50, 51]. Hiervon wurde fur einen spater entwickelten Modulatortreiber mit ahnlichenAusgangshubverhaltnissen Gebrauch gemacht (siehe Kap. 5.2.1)
12Eine automatische Steuerung von IEF5 wurde nicht vorgesehen, da daß Nachschwingen inder Simulation tolerierbar klein war.
4.4 Transistorbetrieb im Hochstrombereich 59
mierung der Komponenten der Schaltung voraus. Dies trifft in besonderem Maße
fur die Transistoren der Schaltung zu. Der Schaltungsentwickler hat hier drei
Freiheitsgrade: Transistorkonfiguration (vor allem Zahl der Emitterstreifen nE),
Emitterbreite bE und Emitterlange lE (hier verstanden als die Lange eines einzel-
nen Streifens). Durch Ausnutzung dieser Freiheitsgrade muß individuell je nach
Funktion des Transistors in der Schaltung ein Kompromiß zwischen einzelnen
Transistorparametern gesucht werden (vgl. Kap. 3.2). Beachtet werden muß aber,
daß die Gesamt-Emitterflache AE = nE ·bE · lE einer zusatzlichen Randbedingung
durch den Hochstromeffekt unterliegt. Oberhalb einer kritischen Kollektorstrom-
dichte jCK steigt die Transitzeit τf der Transistoren stark an (vgl. Abb. 4.14). Der
Minimierung der Transistorkapazitaten durch Wahl einer moglichst kleinen Emit-
terflache ist dadurch eine untere Grenze (AE,min) gesetzt. Fur einen gegebenen
Kollektorstrom IC muß gelten:
AE ≥ AE,min =ICjCK
. (4.2)
Die Einsatzstromdichte jCK ist eine im wesentlichen durch technologische
Parameter bestimmte Große. Ihr Wert kann aus Messungen bestimmt oder vor-
teilhaft durch analytische Beziehungen [66, 67] berechnet werden. Wie Abb. 4.14
zeigt, kann der Schaltungsentwickler jCK durch Wahl einer moglichst großen
Kollektor-Emitterspannung UCE erhohen. Hierbei muß naturlich die zunehmende
Problematik des Transistordurchbruchs sowie die erhohte Verlustleistung beach-
tet werden.
0
5
10
15
20
25
35
0 0,5 1,0 2,0
τf [ps]
jC [mA/µm2]
UC’E’ = 1 V
2 V
3 V
jCK(UC’E’)
Abb. 4.14:Transitzeit τf eines Silizium-Bipolartransistors [69] als Funk-tion der Kollektorstromdichteund mit der inneren Kollektor-Emitterspannung als Parameter.
Wegen der in Kap. 3.2 diskutierten Grunde werden Transistoren in Treiber-
stufen haufig nicht mit der technologisch begrenzten minimalen Emitterstreifen-
breite bE0, sondern mit bE ≥ bE0 dimensioniert. Hierbei muß beachtet werden, daß
jCK nicht unabhangig von bE ist. Die prinzipiellen Verhaltnisse sind in Abb. 4.15
dargestellt. Man erkennt, daß bei großerer Emitterbreite der Hochstrombereich
fruher einsetzt und danach τf auch steiler ansteigt. Der Grund hierfur liegt in
604. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
der bei breiten im Vergleich zu schmalen Emitterstreifen schwacher ausgepragten
(kleinerer Gesamtstromanteil) Stromauffacherung unter dem Emitter [70]. Als
Konsequenz ist eine Uberschreitung von jCK im Fall breiterer Emitter kritischer,
da (starke) Hochstromeffekte bereits bei kleineren Stromdichten einsetzen.
00
τf
jC
bE > bE0
bE = bE0
(UC’E’ = const.)
τf0
jCK
Abb. 4.15:Schematischer Verlauf der Transit-zeit uber der Kollektorstromdich-te fur zwei verschiedene Emitter-breiten bE . Dabei bezeichnet bE0
die technologisch begrenzte mini-male Breite.
Im folgenden Kapitel wird am Beispiel des Laser-/Modulatortreibers nach
Abb. 4.1 untersucht, welchen Einfluß der Hochstromeffekt auf das Schaltver-
halten seiner Ausgangstransistoren zeigt. Entsprechend des verwendeten Fer-
tigungsprozesses gelten die dort dargestellten Ergebnisse fur eine reine Si-
Bipolartechnologie. In modernen Si-Bipolartechnologien wird die Basis zusatzlich
mit einem Germaniumanteil dotiert, um noch hohere Betriebsgeschwindigkeiten
zu erreichen. Beim SiGe-Drifttransistor wird durch einen Ge-Gradient in der Ba-
sis ein zusatzliches elektrisches Feld erzeugt, welches die Driftgeschwindigkeit
der Elektronen erhoht. Noch hohere Geschwindigkeiten werden in Zukunft von
SiGe-Heterobipolartechnologien (SiGe-HBT) erwartet, bei denen (wie bei III-V-
Verbindungshalbleitern) die Vorteile eines Heteroubergangs zwischen Basis und
Emitter ausgenutzt werden.
Durch den Heteroubergang zwischen Basis und Kollektor hat der Hoch-
stromeffekt, speziell beim SiGe-HBT, einen anderen physikalischen Mechanis-
mus als beim reinen Si-Bipolartransistor. Der genaue theoretische Hintergrund
wird ausfuhrlich in [71] behandelt. Hier soll nur eine qualitative Diskussion vor-
genommen und die fur den Schaltungsentwickler resultierenden Konsequenzen
angesprochen werden.
Bei beiden Transistortypen startet der Hochstromeffekt in Form einer Ab-
nahme der elektrischen Feldstarke am Basis-Kollektor(BC)-Ubergang mit zuneh-
mendem Kollektorstrom. Durch die reduzierte Driftgeschwindigkeit der Elektro-
nen steigt die Ladungstragerdichte in der Basis an und die Feldstarke am BC-
Ubergang wird weiter reduziert. Wenn kaum noch elektrisches Feld am Uber-
gang vorhanden ist, weitet sich beim Homobipolartransistor die Basis durch
einen Locherstrom in den Kollektor aus (“Kirk-Effekt”) [72]. Im Fall des BC-
4.4 Transistorbetrieb im Hochstrombereich 61
Heteroubergangs verhindert der aus der Bandabstandsdifferenz zwischen Basis
und Kollektor resultierende Sprung im Valenzband (Barriere fur Locher) diesen
Locherstrom. Da keine Basisaufweitung auftritt, steigt die auf die Basis begrenz-
te Minoritatenladung mit weiterer Stromerhohung sehr schnell an, entsprechend
einem sehr steilen Anstieg von τf oberhalb jCK [71]. Durch den im allgemeinen ge-
ringeren Ge-Anteil am BC-Ubergang ist dieser Anstieg beim SiGe-Drifttransistor
zwar schwacher als beim SiGe-HBT, aber starker als beim reinen Si-Transistor13.
Als Konsequenz der obigen (qualitativen) Diskussion kann am ehesten beim
reinen Si-Transistor ein begrenzter Betrieb im Hochstrombereich toleriert werden
(vgl. folgendes Kap.). Bei SiGe-Transistoren, insbesondere beim SiGe-HBT, muß
aber bei Hochgeschwindigkeitsschaltungen der Hochstrombereich wohl vermieden
werden. Die Klarung dieser Frage ist aber zur Zeit noch Gegenstand laufender
Arbeiten [73].
4.4.2 Optimierung der Ausgangsstufe unter Hochstrom-
randbedingungen
In der Regel werden die Transistoren in Hochgeschwindigkeitsschaltungen so aus-
gelegt, daß sie in keinem Betriebspunkt in den Hochstrombereich gelangen. Der
Grund hierfur liegt in der potentiellen Abnahme der Operationsgeschwindigkeit
der Schaltung uber die in diesem Bereich vergroßerte Transitzeit τf der Transi-
storen. Dies erscheint unmittelbar einleuchtend bei einem kleinsignalmaßig be-
triebenen Transistor, wenn dessen (zeitlich invarianter) Arbeitspunkt im Hoch-
strombereich liegt14. Fur Transistoren, die im Großsignalbetrieb arbeiten und
deren Strome und Spannungen daher merklich zeitabhangig sind, stellt sich aber
die Frage inwieweit ein zeitlich begrenztes Durchfahren des Hochstrombereiches
bereits zu einer Verschlechterung der Signalqualitat fuhrt.
So zeigen beispielsweise kapazitiv belastete Emitterfolgertransistoren im Kol-
lektorstrom kurzzeitige Spitzen wahrend bzw. kurz nach Signalflanken. In [74]
werden Untersuchungen an einer einfachen Grundschaltung mit einem Emitterfol-
ger und einem Stromschalter vorgenommen. Bei einer auf den Ruhestrom bezoge-
nen minimalen Dimensionierung der Emitterflache der Emitterfolgertransistoren
tritt dynamisch kurzzeitig eine Verdopplung in τf auf. Als Folge zeigt das Augen-
diagramm der Ausgangsspannung des Stromschalters eine geringe Zunahme des
13Beim SiGe-HBT wird in der Basis ein (meist konstanter) Ge-Anteil von z.B. 28% ver-wendet [71]. Die fur Treiber mit Datenraten von 20 und 40 Gbit/s verwendete SiGe-Drifttransistortechnologie [46] weist in der Basis einen von 0% (emitterseitig) auf 12% (kol-lektorseitig) ansteigenden Ge-Anteil auf. Typische τf -Verlaufe konnen [1] entnommen werden.
14In der Regel zeigt τf bei kleinsignalmaßig betriebenen Schaltungen, wie Verstarkern einengroßen Einfluß auf die erreichbare Operationsgeschwindigkeit der Schaltungen.
624. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
Zeitjitters im Vergleich zum Fall ohne Modellierung des Hochstromeffektes.
Bei den im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Laser- und Modulatortrei-
bern treten Hochstromeffekte bei Emitterfolgern in der Regel nicht oder vergli-
chen mit dem in [74] betrachteten Fall nur unmerklich auf. Dies liegt daran,
daß die durch Hochstromeffekte begrenzte maximale Kollektorstromdichte fur
Emitterfolger in Treiberschaltungen nicht optimal ist [17, 44]. Zur Erzielung ei-
nes ausreichend kleinen Basisbahnwiderstandes (vgl. Kap. 3.2) werden deutlich
großere (Gesamt-)Emitterlangen benotigt, so daß die auftretenden Stromspitzen
nur schwach im Hochstrombereich liegen15.
Anders liegen die Verhaltnisse bei Stromschaltern, speziell beim Ausgangs-
stromschalter SS2. Aufgrund des dominanten Einflusses der RC-Zeitkonstanten
des Ausgangs auf die Flankensteilheit der Ausgangsspannung mussen die SS2 -
Transistoren mit moglichst kleiner Emitterflache ausgelegt werden (kleine Tran-
sistorkapazitaten). Sie werden daher so dimensioniert, daß im eingeschalteten
Zustand die Kollektorstromdichte den Wert jCK erreicht. Da jCK den ersten Be-
reich des Anstieges von τf markiert, befinden sich die SS2 -Transistoren hierbei
bereits leicht im Hochstrombereich. Zum Zeitpunkt der Entwicklung der Schal-
tung stand das in [66, 67] vorgestellte Hochstrommodell (HICUM) fur eine ge-
naue Simulation moglicher Auswirkungen noch nicht zur Verfugung16. Simulatio-
nen mit einem um 50% erhohten statischen τf -Wert zeigten aufgrund der Domi-
nanz der RC-Zeitkonstante des Ausgangs aber keine wesentliche Verschlechterung
im Augendiagramm der Ausgangsspannung. Gegenuber einer Dimensionierung
der Transistoren außerhalb des Hochstrombereiches konnten durch die reduzier-
ten Transistorkapazitaten aber steilere Pulsflanken erzielt werden, so daß dieser
(unublichen) Dimensionierung der Vorzug gegeben wurde [60].
In [75] wurde eine verbesserte Version des HICUM-Transistormodells in den
Simulator ELDO eingebaut. Im folgenden wird anhand dieses Modells untersucht,
welche Auswirkungen ein mehr oder weniger starker Eintritt der SS2 -Transistoren
in den Hochstrombereich auf das Augendiagramm der Ausgangsspannung zeigt.
Wie im vorangegangenen Kapitel erlautert wurde, laßt sich der Einsatz des
Hochstromeffektes in Grenzen durch eine große Kollektor-Emitterspannung UCEzu hoheren Stromdichten verschieben. Mit der positiven Versorgungsspannung U1
laßt sich die minimale UCE-Spannung einstellen, die im eingeschalteten Zustand
(maximaler Strom) an den SS2 -Transistoren anliegt. Im Verlauf eines Schaltvor-
gangs andern sich sowohl Kollektorstrom als auch UCE und abhangig von deren
Werten auch die Transitzeit der Transistoren. Bevor im folgenden die Auswir-
15Beispielsweise nimmt im Fall des am starksten kapazitiv belasteten Emitterfolgers EF6die Transitzeit durch die Stromspitzen um weniger als 10% zu. Dies zeigt erwartungsgemaßkeinerlei Einfluß auf die Signalqualitat.
16Implementationen in SPICE zeigten fur mehr als einen Transistor keine Konvergenz.
4.4 Transistorbetrieb im Hochstrombereich 63
0
5
10
15
25
0 0,5 1,0 2,0
τf
[ps]
jC [mA/µm2]
UC’E’ = 1 V 1,5 V 2 V 3 V
4 V
5 V
"statisch ein"
0
5
10
15
25
0 0,5 1,0 2,0
τf
[ps]
jC [mA/µm2]
UC’E’ = 1 V 1,5 V 2 V 3 V
4 V
5 V"statisch ein"
Abb. 4.16: Ortskurven der zeitabhangigen Transitzeiten τf (t) = τf (j′C(t), uC′E′(t))
der beiden SS2 -Transistoren im τf -Kennlinienfeld. Links: Transistor derSeite Q. Rechts: Transistor der Seite QN. Die Simulationen gelten fureine Datenrate von 10 Gbit/s bei maximalem Ausgangshub ∆UQ = 3 Vssund U1 = 1, 8 V . Der Pfeil an der Ortskurve gibt die Durchlaufrichtung,ausgehend vom ausgeschalteten Zustand (jC = 0) uber den eingeschaltetenZustand und zuruck in den ausgeschalteten Zustand, an.
kungen auf das Augendiagramm der Ausgangsspannung diskutiert werden, sol-
len die Verhaltnisse zunachst im τf -Kennlinienfeld der beiden SS2 -Transistoren
erlautert werden. Fur den nominellen Wert U1 = 1, 8 V und den maximalen Aus-
gangshub ∆UQ = 3 Vss zeigt Abb. 4.16 eine Uberlagerung der “dynamischen τf -
Ortskurven” τf (t) = τf (j′C(t), uC′E′(t)) und dem statischen τf -Kennlinienfeld der
Transistoren17. Auf der linken Seite sind die Verhaltnisse fur den SS2 -Transistor
der im System relevanten Ausgangsseite Q dargestellt. Das rechte Bild zeigt die
Verhaltnisse beim anderen Stromschaltertransistor (Seite QN).
Anhand der Zunahme der Transitzeit laßt sich erkennen, daß beide Tran-
sistoren am Ende des Einschaltvorgangs, wenn maximaler Kollektorstrom (bzw.
maximale Kollektorstromdichte jC = IC/AE) und minimale UCE-Spannung zu-
sammentreffen, in den Hochstrombereich gelangen. Dies ist besonders stark beim
Transistor der Seite QN der Fall, wo sich die Transitzeit gegenuber ihrem Wert
bei kleinen Stromen zeitweise verdreifacht. Wie in Kap. 4.2 bereits erlautert wur-
de, resultiert dies aus der Symmetrierung der Pulsform der Ausgangsspannung
uQ, welches auf der anderen Ausgangsseite, QN, im Kollektorstrom hohe Spitzen
und gleichzeitig Einbruche in der Kollektor-Emitterspannung verursacht. Zudem
erkennt man bei genauerer Betrachtung von Abb. 4.16, daß der statische Arbeits-
17j′
C = I′
C/AE ist die innere Kollektorstromdichte und uC′E′ die innere Kollektor-Emitterspannung (vgl. vorangehendes Kapitel).
644. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
0 V
−3 V
uQ
40 ps
90 mA
0 mA
i’C,Q
250 ps
0
5
15
τf,Q
[ps]
250 ps
0 V
−3 V
uQN
40 ps
90 mA
0 mA
i’C,QN
250 ps
0
5
15
τf,QN
[ps]
250 ps
Abb. 4.17: Augendiagramme der Ausgangsspannungen (oben) und zeitliche Verlaufevon Kollektorstrom (Mitte) und Transitzeit (unten) der beiden SS2 -Transistoren bei nomineller positiver Versorgungsspannung U1 = 1.8 V .Links: Seite Q. Rechts: Seite QN.
punkt im eingeschalteten Zustand auf der Seite QN zwar bei gleicher Stromdichte
(jC = 1mA/µm2), jedoch bei kleinerer UCE-Spannung (UC′E′ = 1.75 V ) als auf
der Seite Q (UC′E′ = 2 V ) liegt. Bei diesem (statischen) Unterschied handelt es
sich gerade um den Wert der Offset-Spannung UOS2 (vgl. Abb. 4.2 im Kap 4.2)18.
Als nachstes sollen die Auswirkungen auf die beiden Ausgangsspannungen
uQ und uQN betrachtet werden. Fur die gleichen Einstellungen wie in Abb. 4.16
zeigt Abb. 4.17 die Augendiagramme der Ausgangsspannungen (oben) sowie die
zeitlichen Verlaufe von Kollektorstrom (Mitte) und Transitzeit (unten) der beiden
SS2 -Transistoren. Im Augendiagramm der Seite Q außert sich der Hochstromef-
fekt im Vergleich zu Abb. 4.5 (Simulation ohne Hochstrommodell) in einer leich-
ten Reduktion des Spannungsunterschwingers. Entsprechend dem starkeren Ein-
tritt in den Hochstrombereich (vgl. Abb. 4.16) muß dieser Effekt auf der Seite QN
18Im ausgeschalteten Zustand verhalt es sich gerade umgekehrt. Die (maximale) UCE-Spannung ist auf der Seite QN um UOS2 großer als auf der Seite Q.
4.4 Transistorbetrieb im Hochstrombereich 65
0 V
−3 V
uQ
40 ps
90 mA
0 mA
i’C,Q
250 ps
0
10
30
τf,Q
[ps]
250 ps
0 V
−3 V
uQN
40 ps
90 mA
0 mA
i’C,QN
250 ps
0
10
30
τf,QN
[ps]
250 ps
Abb. 4.18: Augendiagramme der Ausgangsspannungen (oben) und zeitliche Verlaufevon Kollektorstrom (Mitte) und Transitzeit (unten) der beiden SS2 -Transistoren. Die positive Versorgungsspannung wurde auf U1 = 1.0 Vreduziert. Links: Seite Q. Rechts: Seite QN.
deutlicher auftreten. Ein Vergleich des Augendiagramms von uQN nach Abb. 4.17
(rechts) mit dem entsprechenden Ergebnis einer Simulation ohne Hochstrommo-
dell (Abb. 4.7 im Kap. 4.2) bestatigt dies. Auch hier besteht der wesentliche
Effekt in einer Abnahme des Spannungsunterschwingers.
Bei weiterer Reduktion der positiven Versorgungsspannung und damit von
UCE gelangen die SS2 -Transistoren zeitlich immer langer in den Hochstrom-
bereich. Ein Grenzfall bezuglich der Augenoffnung stellt der in Abb. 4.18 ge-
zeigte Fall fur U1 = 1 V dar. Die Transitzeit erreicht nun (auch statisch!) im
eingeschalteten Zustand des Transistors mit τf = 15 ps den mehr als dreifachen
Anfangswert bei kleinen Kollektorstromen. Als Folge ist der Spannungsunter-
schwinger in uQ vollstandig verschwunden, die innere Augenoffnung ist aber nur
relativ leicht verschlechtert.
Als Ergebnis der obigen Simulationen zeigt sich nur eine geringe Verschlech-
terung des Schaltverhaltens von SS2, auch wenn dessen Transistoren nicht nur
664. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
kurzzeitig, sondern auch statisch im eingeschalteten Zustand deutlich in den
Hochstrombereich gelangen. Es stellt sich daher die Frage, ob uber eine Re-
duktion der Emitterflache – und damit der parasitaren Kapazitaten – der SS2 -
Transistoren noch steilere Pulsflanken erzielt werden konnen.
Das Ergebnis einer solchen Dimensionierung zeigt Abb. 4.19. Die Emitter-
flache der SS2 -Transistoren wurde hierbei uber eine entsprechende Reduktion der
Emitterlange auf 70% ihres ursprunglichen Wertes verringert. Die beiden Offset-
Spannungen UOS1 und UOS2 bzw. die entsprechenden Offset-Strome wurden deak-
tiviert. Die letztgenannte Maßnahme begrundet sich aus den bei Reduktion von
U1 gemachten Beobachtungen. Demnach wird durch den Hochstromeffekt der
sonst vorhandene starke Spannungsunterschwinger in uQ bereits kompensiert.
0 V
−3 V
uQ
40 ps
0
10
30
τf
[ps]
40 ps
Abb. 4.19: Augendiagramm der Ausgangsspannung uQ und Zeitverlauf der Transit-zeit bei Reduktion der Emitterflache der SS2 -Transistoren auf 70% ihresursprunglichen Wertes. U1 hat wie in Abb. 4.17 den Wert 1,8 V .
Durch die reduzierten Transistorkapazitaten hat erwartungsgemaß die Flan-
kensteilheit im Kreuzungspunkt von positiver und negativer Flanke von uQ leicht
zugenommen (vgl. Abb. 4.17)19. Aufgrund des Hochstromeffektes nimmt die Stei-
gung der negativen Flanke in der Nahe des Low-Pegels aber stark ab und es tritt
im Gegensatz zur positiven Flanke kaum Uberschwingen auf. Insgesamt ist das
Augendiagramm daher stark unsymmetrisch, so daß eine solche Dimensionierung
nicht sinnvoll erscheint20. Naturlich konnte durch eine Erhohung der positiven
Versorgungspannung (UCE-Erhohung) der Hochstromeffekt wieder etwas redu-
ziert werden, so daß uQ wieder einen leichten Spannungsunterschwinger aufweist.
Dies wurde aber die ohnehin vorhandene Problematik des potentiellen Durch-
bruchs der Ausgangsstufentransistoren verscharfen (vgl. Kap. 4.5).
Als Fazit kann ein Betrieb von Stromschaltertransistoren leicht innerhalb
19Die mit abnehmender Emitterlange zunehmenden Basiswiderstande und der Emitterwider-stand kompensieren diesen Effekt zum Teil.
20Mit der vorangehenden Kapitel diskutierten Verfahren kann die Pulsform in Grenzen wiedersymmetriert werden. Dabei wird aber in erster Linie das Uberschwingen reduziert und nichtdas Unterschwingen erhoht (vgl. Abb. 4.18 oben).
4.5 Definition von Durchbruchspannungen 67
des Hochstrombereiches toleriert werden. Voraussetzung ist jedoch eine sorgfalti-
ge Modellierung durch geeignete Modelle [76], welche auch Technologietoleranzen
berucksichtigen mussen. Genaugenommen wird die Transistorfunktion nur mit-
telbar durch die dynamischen Spitzen in τF , sondern durch die hieruber akkumu-
lierte Minoritatenladung QF (t) =∫ iC(t)
0τF diC beeintrachtigt. Hierdurch treten
sogenannte “bit pattern-” Effekte auf, wenn sich QF erst langsam wahrend eines
langeren quasistatischen Pegels aufbaut und hierdurch der erste folgende Bit-
wechsel nahezu “verschluckt” wird. Solche Effekte wurden sowohl meßtechnisch
als auch in der Simulation beobachtet.
4.5 Definition von Durchbruchspannungen
Ein Hauptproblem von Si-Bipolartechnologien bei der Realisierung von schnel-
len Treiberschaltungen erwachst aus der Notwendigkeit, einen technologischen
Kompromiß zwischen hoher spezifischer Stromtragfahigkeit (d.h. hohe kritische
Kollektorstromdichten jCK , vgl. Kap 4.4) und hohen Durchbruchspannungen zu
finden. Hohe Stromtragfahigkeit wird durch einen dunnen und stark dotierten
epitaktischen Kollektorbereich erzielt. Demgegenuber werden hohe Durchbruch-
spannungen erreicht, wenn ein dicker und schwach dotierter epitaktischer Kollek-
tor verwendet wird. Dieses Problem gilt tendenziell fur alle Bipolartechnologien,
jedoch in besonderem Maße fur Si-Bipolartechnologien, die verglichen mit III-V-
Verbindungshalbleitertechnologien kleinere Durchbruchspannungen aufweisen.
Hohe Ausgangsspannungshube bei hohen Datenraten konnen mit Si-
Bipolartechnologien nur erzielt werden, wenn die Durchbruchspannung UCEOuberschritten wird. Das Problem wird dadurch verscharft, daß die Spannung
UCE,min uber den Ausgangstransistoren bei vollem Schaltstrom nicht zu klein
gewahlt werden darf, da sonst durch den hohen Kollektorstrom die Transistor-
flache (Vermeidung des Hochstrombetriebes) und damit die kapazitive Belastung
der Ausgangsknoten zu groß werden. Mit dem Spannungshub ∆UQ resultiert
hieraus eine relativ hohe Spannung UCE im ausgeschalteten Zustand21:
UCE,max ≈ UCE,min + ∆UQ > UCE0 (4.3)
Im Fall des Laser-/Modulatortreibers in Abb. 4.1 ergibt sich aus der Dimensionie-
rung UCE,min ≈ 2.2 V mit dem nominellen Hub ∆UQ = 3 V im ausgeschalteten
Zustand UCE,max ≈ 5.2 V . Dieser Wert, der durch dynamische Spitzen sogar
zeitweise noch uberschritten werden kann, liegt deutlich uber der Durchbruch-
spannung (fur offene Basis) UCEO = 3, 7 V der Transistoren der verwendeten
Technologie [69]. Er liegt aber auch deutlich unter der Diodendurchbruchspan-
nung UCBO = 12 V . Um zu verstehen, warum UCEO in der Praxis keine harte
Grenze darstellt, werden einige Ergebnisse aus der Transistortheorie benotigt.21Der Einfluß der Offsetspannung UOS2 und des Spannungsabfalls an den Gegenkopplungs-
widerstanden der Ausgangstransistoren sei hier vernachlassigt (vgl. Abb. 4.2).
684. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
Abb. 4.20 zeigt schematisch das Ausgangskennlinienfeld IC(UCE) mit dem
Basisstrom IB = const. als Parameter. Einige haufig in Datenblattern zu finden-
de Durchbruchspannungen sind eingetragen. Die kleinste Spannung ist UCEO bei
offener Basis (IB = 0). Die großte Spannung, UCBO, darf im Fall des Basis-
Kollektor-Diodendurchbruchs angelegt werden. Zwischen diesen beiden Sperr-
kennlinien liegen weitere Kennlinien mit IB < 0 (npn-Transistor). Beim Erreichen
einer durch die Basisbeschaltung bestimmten Spannung (UCEO < UCE < UCBO)
zeigen diese Kennlinien zunachst Rucklaufigkeit, um sich zu großen Stromen bei
einer (etwa einheitlichen) Haltespannung UCE,sus ≈ UCEO zu stabilisieren.
Die Rucklaufigkeit setzt
2. Durchbruchs
Einsatz deselektrischen
2. Durchbruchthermischer
<<CB0UCE0U
CESU CEVUCERU
00
I
CE
C
BI
BIBI
U
I E = 0
< 0
> 0
= 0
Abb. 4.20: Ausgangskennlinien eines Bipolar-transistors mit dem Basisstrom IBals Parameter (angelehnt an [77],thermischer Durchbruch erganzt).
ein, sobald der negative Ba-
sisstrom die (gesperrte) Emit-
terdiode uber den Basiswider-
stand oder die außere Basisbe-
schaltung in Flußrichtung polt,
so daß diese zu injizieren be-
ginnt (sogenannter Injektions-
durchbruch). Der betragsmaßig
kleinste negative Basisstrom fur
diese Bedingung ergibt sich bei
UCER, der Durchbruchspannung
mit einem Widerstand zwi-
schen Basis und Emitter. Bei
UCES mit Kurzschluß und UCEVmit negativer Spannung zwi-
schen Basis und Emitter ist ein
betragsmaßig großerer negati-
ver Basisstrom notig, also eine
starkere Lawinenmultiplikation und damit eine großere UCE-Spannung [77].
Durchlauft man eine Sperrkennlinie mit IB < 0 bei zunehmender Span-
nung, so kann der ansteigende Lawinenstrom einen 2. elektrischen Durchbruch
auslosen. Dabei konzentriert sich der gesamte Strom zunachst auf einen Emitter-
streifen (Multi-Emitter-Transistor) mit geringfugig großerem Multiplikationsfak-
tor und fuhrt dort zu einer punktformigen Einschnurung der Strombahn. Unter
dem Einfluß der beweglichen Ladungstrager kommt es in der Strombahn zu einer
Umverteilung der elektrischen Feldstarke und UCE bricht zusammen [78]22.
22Mit zunehmendem |IB | = const. tritt diese Instabilitat bei kleineren Kollektorstromen auf.Bei Stromsteuerung, d.h. IE = const., tritt nur diese Art des elektrischen Durchbruchs auf. Mit|IE | als Parameter nimmt mit zunehmenden |IE | die kritische UCB-Spannung zu [79].
4.5 Definition von Durchbruchspannungen 69
Neben dem elektrischen 2. Durchbruch (UCE > UCEO) wird ein Transistor
auch durch den thermischen 2. Durchbruch gefahrdet. Dieser tritt im Vorwarts-
betrieb unterhalb von UCEO bei großen Kollektorstromen auf (vgl. Abb. 4.20).
Auch hierbei schnurt sich der Strom auf eine Minimalflache ein. Ausgangspunkt
ist bei dieser Durchbruchsart aber die thermisch-elektrische Verkopplung zwi-
schen Stromdichte und Temperatur. Emitterbereiche mit hoherer Temperatur
ubernehmen anteilig mehr Strom als kaltere Bereiche und erwarmen sich weiter,
wodurch sie noch mehr Strom ubernehmen. Oberhalb einer bestimmten Tempe-
ratur wird der Prozeß instabil und der Strom konzentriert sich auf einen immer
kleineren Bereich in dem die Temperatur drastisch ansteigt (“hot spot”).
In Abb. 4.20 wurden die Sperrkennlinien fur IB = const. < 0 dargestellt,
so daß sie sich gewissermaßen als Fortsetzung der gebrauchlichen Ausgangskenn-
liniendarstellung (mit IB = const. > 0) in den Bereich negativer Basisstrome
interpretieren lassen. In praktischen Fallen entsprechen die Betriebsbedingungen
eines Transistors in seiner Schaltungsumgebung eher den Fallen UBE = const.
(Spannungsansteuerung) und IE = const. (Emitterfolger, Basisschaltung in einer
Kaskodestufe). Der Fall UBE = const. entspricht physikalisch dem oben disku-
tierten Injektionsdurchbruch durch den Spannungsabfall, den der oberhalb UCE0
fließende negative Basisstrom am Basiswiderstand verursacht. Im Fall IE = const.
tritt zunachst eine Einschnurung der Lawinenstrombahn auf, der dann ein elek-
trischer zweiter Durchbruch folgt. Fur beide Spezialfalle werden in [79] Formeln
angegeben, mit denen die noch zulassige UCE-Spannung berechnet werden kann.
Viele Fragen zur Durchbruchsproblematik von Hochfrequenz-Transistoren
sind noch ungelost. So beschaftigen sich laufende Arbeiten mit der Frage wie
bei einem Stromschalter (Ausgangsstufe eines Modulatortreibers) der Einsatz-
punkt von Lawinenmultiplikations-bedingten Instabilitaten beschrieben werden
kann [73]. Sowohl UBE als auch IE sind in diesem Fall uber der Anderung von
UCE nicht konstant. Aber auch wenn statisch, zum Beispiel beim Emitterfolger
IE = const. ist, gilt dies aufgrund parasitarer Kapazitaten nicht automatisch
fur hohere Frequenzen. Hierdurch konnte sich eine “dynamische” Durchbruch-
grenze ergeben. Im allgemeinen Beschaltungsfall muß, wenn beim Schaltungs-
entwurf UCE > UCEO nicht vermeidbar ist, das Risiko eines elektrischen Durch-
bruchs durch Messungen an Einzel-Transistoren der Fertigungstechnologie (in der
jeweiligen Schaltungskonfiguration) geklart werden. Auf diese Weise wurde in der
vorliegenden Arbeit verfahren. Eine andere, allgemeinere Moglichkeit, besteht in
einer Modellierung der kritischen Transistoren einer Schaltungen durch ein in [79]
vorgestelltes 3D-Multi-Transistormodell.
704. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
4.6 Schaltungskonzepte zur Vermeidung von
Transistordurchbruchen
Nachdem die grundsatzlichen Mechanismen der einzelnen Durchbruchsarten dis-
kutiert wurden, sollen an dieser Stelle darauf aufbauend schaltungstechnische
Konzepte erortert werden, mit denen das Risiko eines Transistordurchbruchs re-
duziert werden kann. Diese lassen sich in zwei Gruppen einteilen:
• Modifikation der Topologie, zur Vermeidung des Betriebs mit UCE ≥ UCEO.
• Wahl von Topologien, die UCE > UCEO bis zu einem gewissen Grad zulassen.
Typische Beispiele fur die Vermeidung des Transistorbetriebes oberhalb von UCEOsind in der Tab. 4.2 zusammen mit ihren Vor- und Nachteilen dargestellt.
Topologie Vorteile Nachteile
U0
b)a) Kein Einfluß auf Gegentakt-
signale. Großere Pegelver-
schiebungen lassen sich ent-
weder mit mehreren in Rei-
he geschalteten Dioden oder
mit der Variante b) (“UBE-
multiplier”) realisieren.
Pegelverschiebung wirkt
auch fur nachfolgende
Schaltungsteile. Falls der
Gleichtakt-Einfluß stort,
muß kapazitiv abgeblockt
werden (Platzbedarf ↑).Temperaturabhangigkeit
durch UBE.
U0
Kein Einfluß auf Gegentakt-
signale.
Stort der Gleichtakt-Einfluß,
so muß kapazitiv abgeblockt
werden (Platzbedarf ↑).Temperaturabhangigkeit
durch UBE.
U0
Nur lokale Pegelverschie-
bung, nachfolgende Schal-
tungsteile werden hiervon
nicht beruhrt.
Dioden im Gegentaktsi-
gnalweg. Die Knoten der
Lastwiderstande werden
zusatzlich kapazitiv belastet
(CCS der Transistordioden).
Temperaturabhangigkeit
durch UBE.
Tab. 4.2: Vermeidung von UCE > UCEO durch geeignete Pegelverschiebung. Die je-weils betrachteten Transistoren sind grau hinterlegt.
4.6 Schaltungskonzepte zur Vermeidung von Transistordurchbruchen 71
Bei den folgenden Schaltungsbeispielen in Tab. 4.3 kann bis zu einem gewissen
Grad ein Betrieb mit UCE ≥ UCEO toleriert werden.
Einfluß auf den ...
Topologie ... Injektionsdurchbruch (er-
ster Durchbruch)
... elektrischen und thermi-
schen zweiten Durchbruch
U0
↑: Die niederohmige An-
steuerung uber mehrere
Emitterfolger laßt einen ho-
hen negativen Basisstrom
zu.
↔: Kein Einfluß
U0
E2R E2R
E2R E2R
T2T1
Die max. UCE-Spannung
wird durch die Emitterwi-
derstande RE leicht erhoht.
↑: Gegenkopplung bezuglich
Einschnurung auf einen der
Multi-Emitter.
0U
Ucas
↑: Aufgrund der Stroman-
steuerung tritt dieser
Durchbruchmechanismus
nicht auf.
↔: Kein Einfluß
Tab. 4.3: Beispiele fur moglichen Betrieb bei UCEO ≤ UCE < UCBO. Die jeweilsbetrachteten kritischen Transistoren sind grau hinterlegt. Dabei stehen ↑und ↔ fur verbesserte Sicherheit bzw. gleichbleibende Gefahr bezogen aufden jeweiligen Durchbruchmechanismus.
Bei idealer Spannungsansteuerung in Emitterschaltung kann ein hoher negativer
Basisstrom fließen bevor die (zunachst gesperrte) Emitterdiode in Flußrichtung
gepolt wird (Injektionsdurchbruch). Je großer aber der Betrag des zulassigen ne-
gativen Basisstroms, umso starkere Lawinenmultiplikation ist zulassig und umso
großer ist damit die zulassige UCE-Spannung. Allerdings verhalt sich ein Strom-
724. Problemstellungen beim Entwurf von Treiberstufen
am Beispiel eines 10 Gbit/s-Lasertreibers
schalter (Tab. 4.3 oben) nicht genauso wie eine Emitterschaltung, da die Sum-
me seiner Emitterstrome konstant gleich dem Stromquellenstrom, also begrenzt
ist. Hier soll nicht der Versuch unternommen werden die Durchbruchsmechanis-
men des Stromschalters abzuleiten, dies ist Gegenstand laufender Arbeiten [73]23.
Stattdessen sei ein kurzer Gedankengang erlaubt. Analog zur Argumentation bei
der Emitterschaltung liege eine (nun differentielle) Ansteuerung der Basen eines
Stromschalters mit der Spannung UB1,B2 = const. vor. Der eine Transistor, T1,
fuhre nahezu den kompletten Schaltstrom wahrend der andere, T2, kaum Strom
fuhre aber hierdurch eine UCE-Spannung großer als UCEO aufweise. Bezuglich der
“inneren Steuerspannung” UB′E′(T1) − UB′E′(T2) bewirkt der (negative) Basis-
strom von T2 an dessen Basiswiderstanden einen Spannungsabfall, entgegenge-
richtet der außeren Spannung UB1,B2. Der negative Basisstrom von T2 “versucht”
also den Stromschalter “zuruck zu kippen”. Emitterwiderstande auf dieser Seite
wirken dem Mechanismus entgegen. Andererseits wird aber auch die maximale
UCE-Spannung durch den Spannungsabfall der jeweils stromfuhrenden Seite an
RE leicht erhoht.
Im Fall IE = const.(z.B. Kaskodestufe in Tab. 4.3 unten, oder Emitterfol-
ger) tritt kein Injektionsdurchbruch auf. Im allgemeinen konnen hierdurch hohere
UCE-Werte zugelassen werden [79]. Zu beachten ist jedoch, daß der oberhalb UCEOfließende negative Basisstrom zur Einschnurung der Emitterstrombahn fuhren
kann. Durch außere Widerstande wird dieser Effekt nicht beeinflußt. Bei Multi-
Emitter-Transistoren laßt sich jedoch durch eine (Multi-)Emittergegenkopplung,
der der totalen Einschnurung vorangehenden Konzentration des Stromes auf
einen der Emitterstreifen entgegenwirken (Tab. 4.3 Mitte).
23Bei den im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Laser- bzw. Modulatortreibern wurden vorderen Realisierung Messungen des Durchbruchverhaltens an Einzeltransistoren der jeweiligenTechnologie vorgenommen.
Kapitel 5
Ausgangsstufenkonzepte zur
Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen
Modulatoren
Gemaß den in Kap. 2 behandelten Verfahren zur elektrooptischen Modulation
von Halbleiterlasern ergeben sich fur die benotigten Treiberschaltungen am Aus-
gang verschiedene elektrische Lastfalle. Zwangslaufig muß fur den jeweiligen An-
wendungsfall eine entsprechend angepaßte Ausgangsstufe vorgesehen werden. Im
vorangehenden Kapitel wurden grundlegende Problemstellungen erortert, wie sie
allen Laser-/Modulatortreibern gemeinsam sind. An dieser Stelle sollen spezielle,
problemangepaßte Ausgangsstufenkonzepte diskutiert werden.
5.1 Der ohmsche Lastfall
Ein wichtiger Betriebsfall von Laser- und Modulatortreibern besteht in der An-
steuerung ohmscher Lasten. Genauer gesagt ist hierunter praktisch immer die
Ansteuerung von “dominant ohmsch abgeschlossenen Leitungen” zu verstehen,
da aus aufbautechnischen Grunden Treiberchip und optisches Sendeelement meist
nicht direkt, sondern uber einen Wellenleiter verbunden sind1.
1Neben der rein mechanischen Problematik (z.B. Platzbedarf optischer Linsen) ist vielfachauch die Entwarmung der Grund fur einen modularen Aufbau von Treiber und optischem Sende-element. Laserdioden, aber auch Elektroabsorptionsmodulatoren sind relativ stark temperatur-abhangig. Teilweise werden deren optischen Eigenschaften sogar uber eine Temperaturregelungeingestellt.
745. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
Eine nahezu ideale ohmsche Last stellt ein Mach-Zehnder-Interferometer dar
(vgl. Kap. 2). Dem breitbandig definierten 50 Ω-Eingangswiderstand steht jedoch
ein im Vergleich zu Elektroabsorptionsmodulatoren deutlich hoherer benotigter
Spannungshub gegenuber. Letztere stellen dagegen eine stark kapazitive Last
dar, die bei Datenraten oberhalb 20 Gbit/s in der Regel nicht uber Leitungen
angesteuert werden kann.
Dem niederohmigen Eingangswiderstand von Laserdioden wird zur Zwangs-
anpassung des optischen Moduls ein Vorwiderstand in Reihe geschaltet. Ge-
brauchlich sind Module mit 50 Ω, teilweise auch 25 Ω. Damit liegt auch in diesem
Fall bis zu einer oberen Grenzfrequenz naherungsweise eine ohmsche Last vor.
Schließlich finden schnelle Treiberschaltungen auch Anwendung in der Meß-
technik als Leitungstreiber oder in Ausgangsstufen schneller Impulsgeneratoren.
5.1.1 Netzwerk zur Pulsformung der Ausgangsspannung
5.1.1.1 Modell und analytische Beschreibung
Betrachtet wird der in Abb. 5.1 dargestellte Ausgangskreis einer Treiberschal-
tung. Uber die Bonddrahtinduktivitat LQ erfolgt die Ansteuerung einer abge-
schlossenen Leitung, die hier direkt in Form ihres Wellenwiderstandes RQ = 50 Ω
an den Schaltungsausgang transformiert wurde. Mit dem auf dem Chip befindli-
chen Ausgangswiderstand RP = 100 Ω wird eine Teilanpassung an den Leitungs-
widerstand erreicht.
RP
RQ
LQ
QU
YQ1’QC
Q
uQ
Ω50
RQRP
LQe , kQ
Ω100
LGND
(Signalmasse)
QU’
QI’1
SS
QN
Abb. 5.1: Ausgangsstromschalter und Ausgangskreis einer Treiberschaltung. Die rech-te Seite zeigt ein einphasiges (Gegentakt-)Ersatzmodell des schattiertenZweiges, in dem ein Tor 1-1’ und die “Lastadmittanz” Y Q definiert wird.
Fur die folgende analytische Behandlung wird das auf der rechten Seite der
Abbildung dargestellte Gegentakt-Ersatzmodell des Ausgangskreises verwendet.
5.1 Der ohmsche Lastfall 75
Darin bezeichnet
CQ = CCB,SS + CCS,SS + CAS,SS + CLtg,Q + CR,Q + Cpad,Q (5.1)
die bereits aus Kap. 3.2 bekannte effektive Gesamtkapazitat am Ausgangsknoten
Q. Auch LQ ist eine effektive Bonddrahtinduktivitat. In guter Naherung kann,
trotz der eingebrachten Unsymmetrie von Q- und QN -Ausgang (Kap. 4.2) der
Wert fur Gegentaktbetrieb zugrundegelegt werden, also
LQ = (1− kQ) · LQe , (5.2)
wobei LQe die Eigeninduktivitat und kQ die magnetische Verkopplung der Aus-
gangsbonddrahte bezeichnen. Ausreichend hohe Bandbreite des internen Kollek-
torstroms I ′Q vorausgesetzt, wird die Pulsform der Ausgangsspannung uQ in er-
ster Linie durch die Bandbreite der Transimpedanz ZT = UQ/I′Q bestimmt.
Naturlich ist die Realitat des Ausgangskreises um einiges komplizierter und ei-
ne mathematisch exakte, quantitative Beschreibung mit vertretbarem Aufwand
nicht moglich. So wurde beispielsweise die Kapazitat CQ naherungsweise gegen
Signalmasse gezeichnet. Auch mußte der Substrateinfluß durch ein kompliziertes
vom genauen Strukturentwurf der Schaltung abhangiges Modell berucksichtigt
werden [50]. Ein exaktes aber unuberschaubares Modell ist aber nach Meinung
des Autors auch nicht das Ziel des Schaltungsentwicklers. Vielmehr benotigt er
das qualitative Verstandnis in welcher Weise sich ein von ihm beeinflußbarer
Schaltungsparameter auf die Pulsform der Ausgangsspannung uQ auswirkt. Die
genaue Dimensionierung erfolgt schließlich anhand eines Schaltungssimulators un-
ter Berucksichtigung aller bekannten Einflusse.
Der in Abb. 5.1 dargestellte Fall laßt sich analytisch noch relativ leicht dis-
kutieren. ZT weist PT2S-Verhalten ([80]) auf, dessen Eigenfrequenz und Damp-
fung angegeben werden konnen (siehe unten, Gl. 5.5). Anschaulicher und fur das
Verstandnis des in der Folge erweiterten Netzwerkes geeigneter, ist eine andere
Vorgehensweise. Betrachtet wird die Transadmittanz2
Y T =I ′QUQ
=U ′QUQ
·I ′QU ′Q
=1
RQ
+
(1 + jω
LQRQ
)·(
1
RP
+ jωCQ
)=
1
RQ
+ YY
(5.3)
wo YY
=
(1 + jω
LQRQ
)· Y = (1 + jωτ) · Y = Y . (5.4)
2Die Wahl dieser Wirkfunktion erscheint zunachst ungewohnlich, hat jedoch — wie sichzeigen wird — rechnerische Vorteile gegenuber einer direkten Betrachtung von ZT .
765. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
-1QC RQ
2’
RP
1’YQ
TransadmittanzLastadmittanzTY
ω1Cτ2
τL
τR
τC
ω L2τ
-1
τR
Y Y
Y
RQ
QLτ=
21
R
C
L
R
C
L
C
R
L
C
R
L
Y
Y Y
Abb. 5.2: Abbildung von Lastadmittanz-Bauelementen (Y ) auf Transadmittanz-Bauelemente (Y ) und umgekehrt durch den Operator Y. Es ist τ = LQ/RQ.Man beachte, daß das Transadmittanztor im Gegensatz zum Lastadmittanz-tor nur mathematisch-virtueller Natur ist.
Gl. 5.4 definiert einen Operator Y , der analog einem Ubertrager (mit dem kom-
plexen Ubersetzungsverhaltnis√
1 + jωτ : 1 ) Y -Admittanzen in Y -Admittanzen
und umgekehrt transformiert. Fur die drei Grundelemente R, L und C zeigt
Abb. 5.2 unten eine entsprechende Korrespondenztafel. Der obere Teil der Abbil-
dung vermittelt eine graphische Darstellung von Gl. 5.3: Die Transadmittanz
Y T (Tor 2-2’) ergibt sich als Parallelschaltung des Lastwiderstands RQ und
der transformierten Admittanz YY . Umgekehrt kann ein am Tor 2-2’ einge-
brachtes Transadmittanzelement Y in aquivalenter Weise durch sein “Urbild”
Y = Y−1Y am Lastadmittanztor (Tor 1-1’) beschrieben werden. Im folgen-
den wird sich zeigen, daß dieser zunachst ungewohnlich anmutende Formalismus
den Schlussel fur eine anschauliche Interpretation und Optimierung des Ubert-
ragungsverhaltens des Treiber-Ausgangskreises darstellt.
Ziel der Betrachtungen ist die Optimierung der Bandbreite der Transim-
pedanz ZT bzw. gleichbedeutend der Transadmittanz Y T . Dies kann formal als
Einbringen geeigneter zusatzlicher Admittanzanteile Y am virtuellen Transadmit-
5.1 Der ohmsche Lastfall 77
2’ TY
RQCQRP RP
τ
Transadmittanz-Ebene
R∆
C∆
CQ
1ω τ2
2
"Realteil-resonante" Admittanz(PT S-Verhalten der Transimpedanz)2
Kompensationsglied
Abb. 5.3: Transadmittanz des unveranderten Ausgangskreises (grau hinterlegt) ausAbb. 5.1 und parallelgeschaltetes Kompensationsglied. Es ist τ = LQ/RQ.
tanztor 2-2’ aufgefasst werden. Durch Anwenden der Korrespondenztafel Abb. 5.2
konnen diese Transadmittanzanteile auf ihre aquivalenten “Urbilder” am physika-
lisch vorhandenen Lastadmittanztor 1-1’ abgebildet werden. Innerhalb der Gren-
zen der physikalischen Realisierbarkeit der sich ergebenden Lastadmittanzanteile
Y kann auf diese Weise die gewunschte Transadmittanz synthetisiert werden.
Zunachst sei die Ausgangssituation betrachtet. Hierzu werden die Bauele-
mente parallel zum Lastadmittanztor 1-1’, also Lastwiderstand RP und effektive
Lastkapazitat CQ, in die Transadmittanz-Ebene abgebildet. Mit den Transforma-
tionskorrespondenzen nach Abb. 5.2 erhalt man unmittelbar die in Abb. 5.3 grau
hinterlegt dargestellte Ersatzschaltung fur Y T . In der Transadmittanz-Ebene liegt
ein im Realteil resonanter Parallelschwingkreis vor3. Er entspricht in der Tran-
simpedanz ZT = Y −1T einem PT2S-Verhalten [80] mit der Eigenkreisfrequenz ω0
und Dampfung d gemaß4
ω0 = ω
∣∣∣∣<Y T =0
=
√1 +
RQ
RP√τRQCQ
=
√1 +
RQ
RP√LQCQ
,
d =1
2· =Y T (ω0)
Y T (0)=
1
2·ω0(
τ
RP
+ CQ)
1
RQ
+1
RP
=1
2
√1 +
RQ
RP
CQRQ +LQRP√
LQCQ. (5.5)
3Hier und im weiteren Verlauf sei unter “Resonanz des Realteils” ein bei der zugehorigen Re-sonanzfrequenz verschwindender Realteil (hier der Transadmittanz) verstanden. Die Dampfungund damit die Stabilitat wird in diesem Fall — dual zu den Verhaltnissen bei der (klassischen)Resonanz des Imaginarteils — durch die Große des (dampfenden) Imaginarteils bestimmt.
4Hier zeigt sich ein Vorteil der gewahlten Beschreibung: Eigenfrequenz und Dampfungkonnen ohne Umweg direkt aus der Darstellung Abb. 5.3 “abgelesen” werden.
785. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
Innerhalb des Bereiches 0 < d < 1, in dem PT2S-Verhalten auftritt, ist ein
Dampfungswert, und zwar d = 1/√
2, von besonderer Bedeutung. Im Frequenz-
gang der Transimpedanz markiert dieser Wert den Ubergang von Frequenzgangen
mit Resonanzuberhohung (d < 1/√
2) zu solchen ohne Uberhohung. Dabei weist
der Fall d = 1/√
2 gewissermaßen eine “ideale” Tiefpasscharakteristik 2. Ord-
nung auf, da er ohne Uberhohung eine 3 dB -Frequenz gleich der Eigenfrequenz
besitzt und danach mit 40 dB pro Dekade abfallt5. Fur d ≥ 1 spricht man von
aperiodischen Verhalten, da in der fur 0 ≤ d < 1 oszillatorischen Sprungantwort,
uQ(t)
∆UQ= 1− e−tω0d
[cos(ω0
√1− d2 t) +
d√1− d2
sin(ω0
√1− d2 t)
], (5.6)
an die Stelle der periodischen Sinus-/Kosinusfunktionen deren hyperbolische (al-
so nicht periodische) Aquivalente treten6. Das Einschwingverhalten einer sol-
chen Kaskadierung zweier Tiefpasse erster Ordnung zeigt die fur mehrpoli-
ge Tiefpassfunktionen typische zusatzliche “Verzogerung” durch die horizonta-
le Anfangstangente, ist ansonsten aber dem eines einpoligen Filters sehr ahnlich.
Ein typisches Fallbeispiel ist Gegenstand des nachfolgenden Kapitels. Hier sei nur
vorweggenommen, daß bei den in dieser Arbeit realisierten Treiberschaltungen —
trotz der in Kap. 3 diskutierten speziellen Entwurfsaspekte zur Minimierung von
CQ — ohne weitere Maßnahmen der aperiodische Fall, d ≥ 1, vorliegt. Hiermit
verknupft sind, angesichts der angestrebten Datenraten nicht mehr tolerierbare
Einbußen in der Flankensteilheit des Ausgangsspannungspulses.
Um die geforderten Datenraten zu erreichen, muß der Ausgangskreis ge-
eignet modifiziert werden. In einem Gedankenexperiment wird hierzu in der
Transadmittanz-Ebene nach Abb. 5.3 ein geeignetes “Kompensationsglied” einge-
bracht. Der gewahlte Syntheseansatz im Transadmittanz-Netzwerk besteht darin,
daß dessen Eigenkreisfrequenz ω0 erhoht und dessen Dampfung d verringert wer-
den sollen, mit dem Ziel die Bandbreite der Transadmittanz zu vergroßern7. Wie
schon zuvor fur Gl. 5.5, entnimmt man einer Betrachtung der Abb. 5.3 (jetzt
5Ein solches Verhalten wird auch als Butterworth-Filter 2. Ordnung bezeichnet [81]. In derSprungantwort tritt ein Uberschwinger auf, der jedoch nur e
−5π4 ≈ 2% betragt [80].
6Zusatzlich ist das Vorzeichen des Radikanden zu invertieren.7Theoretisch betrachtet, genugte eine Erhohung von ω0. Bei gleichbleibend hoher Dampfung
wurde jedoch eine sehr starke Erhohung benotigt, um ein ausreichendes Ubertragungsverhaltenzu erzielen. Wesentlich effizienter ist eine Verbesserung der Dampfung, welche zu einer besserenAusnutzung der “inherenten” Bandbreite ω0 fuhrt.
5.1 Der ohmsche Lastfall 79
jedoch mit Kompensationsglied) unmittelbar:
ω0 =
√1 +
RQ
RP
+RQ
∆R√LQCQ
und d =1
2
√1 +
RQ
RP
+RQ
∆R
(CQ−∆C)RQ +LQRP√
LQCQ. (5.7)
In dem im Realteil resonanten Parallelschwingkreis vertauschen Konduktanz
und Suszeptanz ihre Rollen im Vergleich zum RLC -Parallelschwingkreis mit re-
sonantem Imaginarteil: Durch Hinzunahme eines Leitwertes ∆G = ∆R−1 wird
die Eigenresonanzfrequenz vergroßert und die Dampfung verkleinert. Zur wei-
teren Entdampfung des Kreises kann dessen Suszeptanz durch Addition einer
negativen Kapazitat −∆C vermindert werden. Diese Synthesevorgabe am vir-
tuellen Transadmittanztor 2-2’ wird im folgenden Schritt an das physikalische
Lastadmittanztor 1-1’ transformiert. Die “Urbilder” des Kompensationsgliedes
in der Lastadmittanzebene sind gerade die Bauelemente, welche am physikalisch
vorhandenen Tor 1-1’ parallelzuschalten sind, um in der Transadmittanz, die mit
dem virtuellen Kompensationsglied bezweckte Modifikation zu erzielen. Um ihren
Beitrag zur Transadmittanz zu veranschaulichen, wurde CQ auch an das virtuelle
Tor 2-2’ transformiert. Bei der Rucktransformation der modifizierten Gesamt-
Transadmittanz in die Lastadmittanzebene ist zu beachten, daß die Kapazitat
CQ immer parallel zum Tor 1-1 liegt, da nur einer ihrer beiden Knoten zuganglich
ist. Dies heißt insbesondere, daß Transadmittanzanteile von CQ nicht mit anderen
zusammengefaßt werden konnen. Letzteres ist jedoch fur C = τ/RP − ∆C und
R = RP ||∆R = GP + ∆G moglich. Die Anwendung der Korrespondenzen aus
Abb. 5.2 auf diese beiden Transadmittananzeile, liefert unmittelbar die Darstel-
lung nach Abb. 5.4.
Fur eine exakte Synthese der Transadmittanz im oben diskutierten Sinne ist
RP durch eine interne Lastimpedanz entsprechend dem in Abb. 5.4 grau hinter-
legten Netzwerk zu ersetzen. Bei Zugrundelegung passiver Netzwerke (positive
Lastadmittanz-Bauelementwerte), ist ∆C beschrankt gemaß
∆C ≤ τGP = LQGQGP . (5.8)
Eine besonders einfache Topologie, namlich eine Reihenschaltung aus Wider-
stand und Induktivitat, ergibt sich bei Wahl der oberen Schranke in Gl. 5.8.
805. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
G∆PG +τ
G∆PG +
PG C∆τ
-1PG C∆ττ
TY
2’
RQ
YQ1’
1
CQ
TransadmittanzRQ
QLτ=
1
2
Lastadmittanz
Abb. 5.4: Lastadmittanz-Urbild der nach Abb. 5.3 erweiterten Transadmittanz.
Systemtheoretisch besteht in ∆G ein weiterer Freiheitsgrad mit dem die Eigenre-
sonanzfrequenz aber unvermeidbar auch die Dampfung der Transadmittanzfunk-
tion eingestellt werden konnte (vgl. Abb. 5.3). Schaltungstechnisch besteht dieser
Freiheitsgrad in der Regel jedoch nicht, da die Summe der Leitwerte durch den
geforderten Ausgangshub und Teilabschluß GTA = GQ +GP + ∆G festgelegt ist.
Um Mißverstandnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, daß die ma-
ximale Wahl von ∆C keineswegs immer die optimale sein muß, fuhrt doch ei-
ne Kompensation uber das “Dampfungs-Optimimum” d = 1/√
2 (Gl. 5.7) zu
starken Resonanzuberhohungen in der Ubertragungsfunktion des Ausgangskrei-
ses. In Silizium-basierten Technologien laßt sich jedoch die vollstandige Topo-
logie der Abb. 5.4 nur schwerlich realisieren. Dies liegt in dem verlustbehafte-
ten Silizium-Substrat begrundet, das eine Realisierung von Induktivitaten aus-
reichender Bandbreite und/oder Gute auf dem Chip zur Zeit noch nicht zulaßt.
Der Schaltungsentwickler muß daher ersatzweise Bonddraht-Induktivitaten her-
anziehen. Dies bedingt aber, daß die beiden Zweige der so kompensierten Admit-
tanz nicht mehr streng parallel liegen, es sei denn man realisiert einen Bonddraht
zwischen zwei auf dem Chip befindlichen Bondflecken. Eine andere Moglichkeit
besteht in einem zwischen den beiden Ausgangen differentiell eingebrachten RC-
Kompensationszweig, in dessen Symmetriemitte sich eine Signalmasse ausbildet8.
So einleuchtend und vielversprechend der Syntheseansatz Abb. 5.3 ist, ga-
rantiert er nicht in jedem Fall Erfolg. Offensichtlich schrankt die Realisierbar-
keitsbedingung Gl. 5.8 die moglichen Transadmittanzverlaufe ein, indem sie eine
obere Schranke fur die in Y T kompensierbare Kapazitat festlegt: Die minimale
nach diesem Kompensationsansatz im Dampfungsfaktor von Y T verbleibende Ka-
8 Gemeint ist eine Reihenschaltung eines Widerstands R = 1/2 · (τGP − ∆C) und einerKapazitat C = 2 · τ/(τGP −∆C). Ein solcher Ansatz zur Einstellung einer Bedampfung wurde—allerdings in Verbindung mit einer dominant kapazitiven Last (EAM)— in [82] untersucht.
5.1 Der ohmsche Lastfall 81
pazitat ist gerade die Ausgangskapazitat CQ. Diese Art der Kompensation setzt
also ein ausreichend kleines CQ voraus, da nur der LQ und RQ zugeordnete kapa-
zitive Dampfungsanteil in der Transadmittanz nach Abb. 5.3 kompensiert wird.
Die maximal erreichbare Bandbreite (ohne Amplitudenuberhohung) entspricht
der Eigenfrequenz und wird fur ∆C = ∆C∣∣d=1/
√2
erreicht.
Motiviert durch den zuvor gefundenen Spezialfall fur ∆C = LQGQGP
(benotigte interne Lastimpedanz rein ohmsch-induktiv) wird im folgenden umge-
kehrt vorgegangen und die Frage erortert, welchen Einfluß auf die Transadmittanz
die Ersetzung von RP durch einen Zweig mit frei wahlbarer Induktivitat LP in
Reihe zu RP hat. Mit etwas mathematischem Aufwand ergibt sich die Transad-
mittanz zu
Y T =1
RQ||RP
1+pLQ + LP + CQRQRP
RQ +RP
+p2CQ(LQRP + LPRQ)
RQ +RP
+p3CQLQLPRQ +RP
1+pLPRP
.
(5.9)
Obwohl mit nun drei (unabhangigen) Energiespeichern auf den ersten Blick
wenig kompliziert anmutend, ist die analytische Berechnung der Pol-Nullstellen-
Verteilung alles andere als trivial. Der Grund hierfur ist die Mannigfaltigkeit der
Art der Wurzeln des Polynomes dritter Ordnung, im Zahler von Gl. 5.99. Zwar
lassen sich die Wurzeln formal geschlossen analytisch berechnen, wobei der Satz
des Cardano zur Anwendung gelangt [83]. Es ergeben sich jedoch extrem kom-
plizierte Zusammenhange fur die drei Wurzeln, von denen vorab noch nicht einmal
definiert werden kann, welche komplex- und welche reellwertig sind. Naturlich
kann der Cardanische Losungsalgorithmus mittels Rechnerunterstutzung leicht
ausgewertet werden. Ein entsprechendes Programm [84] wurde zum Beispiel in
[60, 85] fur Untersuchungen verwendet. Im Vergleich zu der von kommerziel-
len Schaltungssimulatoren (beispielsweise ELDO [86]) meist angebotenen nu-
merischen Pol-Nullstellenberechnung ist die Programmierung der Cardanischen
Losungsformel immer numerisch stabil. Numerische Pol-Nullstellen-Analysen be-
rechnen, bedingt durch numerisches Rauschen, meist weit mehr als die tatsachlich
9Der bislang betrachtete Fall einer Vorgabe geeigneten PT2S-Verhaltens entspricht fur∆C = LQGQGP der exakten Pol-Nullstellen-Kompensation in Gl. 5.9. Dem in Abb. 5.5 (un-ten, rechts) dargestellten Netzwerk liest man ab, daß fur diese Ordnungsreduktion in Y T einBruckenabgleich (LQRQ = LP
RP) der beiden ohmsch-induktiven Zweige vorliegen muß. Der Aus-
gangskreis weist in diesem Fall eine gegenuber dem Fall LP = 0 unveranderte Eigenresonanz-frequenz auf, die Dampfung ist jedoch um den Betrag ∆d = R−1
P
√LQ/CQ /
√1 +RQ/RP
reduziert (vgl. Gl. 5.7).
825. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
LP
RP
Rτ
P
LPτ
Rτ
P
RP
TY
RQRP RP
τ
2’
2
QC
Transadmittanz-Ebene
1
1’
YQ
QCRPLQ
LPRQLastadmittanz-Ebene
ω1
2CQτ
-1Y-1
T
∆Y"Transadmittanz-Zuwachs"
reduzibel 2(PT S-Verhalten in )ursprüngl. Transadmittanz
Abb. 5.5: Erweiterung des Ausgangskreises um die Induktivitat LP . Unten, rechts:Lastadmittanz Y Q. Oben: Transadmittanz Y T . Es ist τ = LQ/RQ. Zu denGrunden fur die Wahl einer reduziblen Darstellung von Y T vgl. Text.
vorhandenen Pol- und Nullstellen, deren Anzahl durch geeignete Kongruenzkri-
terien reduziert werden mussen (vgl. Seite 128). In dieser Arbeit soll ein qualita-
tiver dafur aber anschaulicherer Weg beschritten werden. Hierzu wird wieder die
Transadmittanz als Abbildung der Lastadmittanz durch den Y-Operator betrach-
tet. Durch Anwenden der Transformationsregeln gelangt man zu der in Abb. 5.5
(oben) dargestellten Ersatzschaltung fur die Transadmittanz. Dabei handelt es
sich um eine reduzible Darstellung, die gerade so gewahlt wurde, daß der waage-
rechte Zweig die Transadmittanz fur LP = 0 reprasentiert. Umgekehrt entspricht
somit der abgewinkelte Zweig dem “Transadmittanz-Zuwachs” ∆Y durch LP .
Eine kurze Rechnung liefert
∆Y = − 1
RP
·ω2LPRP
(LPRP
− LQRQ
)1 + ω2LP
RP
LPRP
+ jω · −LPR2P
1 + ω2LQRQ
LPRP
1 + ω2LPRP
LPRP
= −∆G(ω) + jω[−∆C(ω)] . (5.10)
In einem gewissen Sinne kann Gleichung 5.10 als Verallgemeinerung des
Syntheseansatzes nach Abb. 5.7 — jedoch mit nunmehr frequenzabhangigen
Kompensations-Bauelementen — aufgefaßt werden. Die zunachst nur im Realteil
5.1 Der ohmsche Lastfall 83
resonante ursprungliche Transadmittanz (waagerechtes Netzwerk in Abb. 5.5)
kann jetzt durch den Transadmittanz-Zuwachs (abgewinkeltes Netzwerk in
Abb. 5.5) prinzipiell auch in ihrem Imaginarteil Resonanz aufweisen. Aus de-
ren spezieller Struktur erkennt man, daß ∆C(ω) eine monotone Funktion der
Kreisfrequenz ist. Fur tiefe Frequenzen wird der Anfangswert LP/R2P angenom-
men, fur hohe Frequenzen nahert sich ∆C(ω) dem Endwert LQ/(RQRP ). We-
gen =Y T = ω(CQ + LQ/(RQRP ) − ∆C(ω)) ist Resonanz im Imaginarteil
(=Y T = 0) nur moglich, wenn gilt10:
CQ +LQ
RQRP
− LPR2P
≤ 0
∧ CQ +LQ
RQRP
− LQRQRP
≥ 0, f ur LQRQ
≤ LPRP
∨CQ +
LQRQRP
− LPR2P
≥ 0
∧ CQ +LQ
RQRP
− LQRQRP
≤ 0, f ur LQRQ
≥ LPRP
CQ > 0⇐⇒
0 ≤ CQRP ≤LPRP
− LQRQ
∧ LQRQ
≤ LPRP
. (5.11)
(Notwendige Bedingung fur Resonanz im Imaginarteil von Y T .)
Nach Gl. 5.11 mußte mit RP = 100 Ω (Teilabschluß) und LP ≈ 0,8 . . . 2 nH sowie
LQ ≈ 0,25...0,5 nH, CQ maximal (“LQ = 0”) einen Wert von nur 200 fF auf-
weisen. Bei den in dieser Arbeit entwickelten Treiberschaltungen tritt deswegen
diese Art der Resonanz im Ausgangskreis nicht auf.
Als Ergebnis der obigen Betrachtungen verbleibt nurmehr die Resonanz im
Realteil von Y T als wesentlich die Bandbreite des Ausgangskreis bestimmender
Effekt. Deren Behandlung ist geschlossen analytisch nicht moglich, da Y T nach
Gl. 5.9 im allgemeinen irreduzibel ist, also drei, zwar algorithmisch angebbare
(Satz des Cardano), analytisch aber nicht uberschaubare Nullstellen aufweist.
Moglich sind eine reelle und zwei konjugiert komplexe Losungen, drei reelle Losun-
gen, eine reelle Losung und eine reelle Doppellosung und schließlich eine reelle
Dreifachlosung [83]. Anders als bei den Stabilitatsbetrachtungen in Kap. 6 ist
10Der Imaginarteil laßt sich mit Gl. 5.10 direkt aus Abb. 5.5 ablesen. Aufgrund der stren-gen Monotonie von ∆C ist auch (=Y T streng monoton. Eine Resonanz setzt daher einenVorzeichenwechsel im Imaginarteil voraus. Mit dem beschrankten Wertebereich von ∆C(ω)fuhrt dies, je nach Relation von LQ/RQ zu LP /RP und damit des Anfangs- zum Endwert von∆C(ω) auf je zwei Ungleichungen.
845. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
die Stabilitat im vorliegenden Fall durch das fur die Diskussion angesetzte ein-
fache, passive Ersatzschaltbild nach Abb. 5.1 gesichert. Statt der allgemeinen
Ubertragungsfunktion Y T (p) kann daher deren Verhalten auf der imaginaren Fre-
quenzachse also Y T (jω) betrachtet werden. Hierbei erweisen sich die in Gl. 5.10
definierten Leitwert- und Kapazitats-Zuwachse ∆G(ω) und ∆C(ω) als hilfreich.
Ebenso wie ∆C(ω) ist auch ∆G(ω) eine gerade, beschrankte und fur ω > 0
monoton steigende (LP/RP > LQ/RQ) Funktion. Daher ist im Realteil
<Y T =1
RQ
+1
RP
− ω2CQLQRQ
−∆G(ω) =1
RQ
+1
RP
−∆G(ω) (5.12)
auch ∆G(ω) gerade und monoton steigend fur ω > 0. Hieraus resultiert, daß
die Kreisfrequenz (ω = ωre,0) der Realteilresonanz von Y T gegenuber dem Fall
LP = 0 abnimmt, da nach Gl. 5.12 |∆G(ω)| > |∆G(ω)| gilt. Gleichzeitig nimmt
aber auch die Dampfung dieser Resonanz durch den abnehmenden Imaginarteil
ab11. Im Zusammenspiel kann mit der resultierenden Resonanzuberhohung die
Bandbreite von Y T bzw. der Transimpedanz ZT vergroßert werden.
5.1.1.2 Schaltungstechnische Realisierung
Nachdem der theoretische Hintergrund des Netzwerkes zur Pulsformung der Aus-
gangsspannung beleuchtet wurde, soll im folgenden ein praktisches Beispiel seine
Notwendigkeit sowie die schaltungstechnische Realisierung demonstrieren.
Das wichtigste Element des Anhebungs-Netzwerkes bilden die Indukti-
vitaten. Gerade dieses Bauelement steht in den in dieser Arbeit verwendeten
Silizium-basierten Technologieprozessen jedoch nur bedingt zur Verfugung. Der
Grund hierfur ist das verlustbehaftete — weil endlich leitende — Silizium-
Substrat, das eine Realisierung von Spulen ausreichender Bandbreite und Gute
auf dem Chip zur Zeit noch nicht zulaßt12. Bei Verwendung von Siliziumtechno-
logien muß der Schaltungsentwickler daher ersatzweise Bonddraht-Induktivitaten
verwenden. Werden einige Regeln beachtet, so stellen Bonddrahte auch im hoher-
en GHz-Bereich nahezu ideale Induktivitaten dar.
Der wichtigste Gesichtspunkt, den es nicht zu vergessen gilt, ist die Tat-
sache, daß das Magnetfeld nur reziprok mit dem Abstand zu dem erzeugenden
11Neben der Reduktion durch die kleinere Resonanz-Kreisfrequenz, nimmt =Y T (ωRe,0)zusatzlich durch die (fur ω > 0 monoton steigende, aber endliche) Kapazitat ∆C(ω) ab.
12Ein parasitarer Serienwiderstand ist im speziellen Anwendungsfall unproblematisch, dadieser im internen Abschlußwiderstand RP (Abb. 5.1) berucksichtigt werden kann. Durch para-sitare ohmsch-kapazitive Verkopplungen einzelner Teile der integrierten Spule uber das Substratwird jedoch der nutzbare Frequenzbereich eingeschrankt. Zum gegenwartigen Zeitpunkt findetman integrierte Spulen in SiliziumTechnologien vorwiegend im Mobilfunkbereich.
5.1 Der ohmsche Lastfall 85
Stromfaden abnimmt. Dies bedingt zweierlei. Einerseits ist die magnetische Ver-
koppelung parallel liegender Bonddrahte beim Entwurf zu berucksichtigen. Dies
ist nicht notwendig negativ, da der Schaltungsentwickler im Fall von differen-
tiell betriebenen Schaltungen so die effektive, also die Gegentakt-Induktivitat,
reduzieren kann (vgl. Gl. 5.2). Naturlich kann eine solche Verkopplung aber auch
unerwunscht sein, zum Beispiel im Fall von Schaltkreisen mit mehreren Signal-
kanalen, die sich gegenseitig nicht storen durfen (“Ubersprechen”). Zum anderen
darf ein Bonddraht nicht immer pauschal als naherungsweise homogen in Langs-
richtung betrachtet werden (Im Sinne einer konstanten langenspezifischen Induk-
tivitat). Die in [87] gefundene sehr gute Ubereinstimmung der klassischen Zwei-
drahtleitungsformel mit den durch numerische Integration berechneten Indukti-
vitats- und Kopplungswerten verliert bei kleinen Bondlangen unterhalb 0.5 mm
zunehmend ihre Gultigkeit. Wiederum ist die magnetische Verkopplung hierfur
ursachlich, dieses Mal in Form einer “Eigenverkopplung” des Bonddrahtes. Be-
trachtet man Anfangs- und Endsegmente eines bogenformigen Bonddrahtes als
einzelne Stromfaden die denselben Strom, zueinander jedoch in gegensatzlichen
Richtungen fuhren, ist offensichtlich, daß hierdurch die Eigeninduktivitat redu-
ziert wird, d.h. die Induktivitat ist nicht mehr langenproportional. Auch die
Kopplung (im Bogen) parallel verlaufender Bonddrahte andert sich.
Schließlich sei noch eine Anmerkung zu Bonddrahten von Bondfleck zu Bond-
fleck auf einem Chip gemacht. Solche “on-chip”-Bonddrahte wurden bei einer nur
fur meßtechnische Zwecke realisierten Version eines 40 Gbit/s-Modulatortreibers
vorgesehen, spater aber nicht benotigt. In solchen Fallen muß ein Bonddraht
je nach Abstand zu einer metallischen Chipoberflache, als Leitung modelliert
werden, zumindest jedoch dessen magnetische Einkopplung in die metallische
Chipflache berucksichtigt werden (quasi-magnetostatische Betrachtung)13.
Im folgenden soll die Effizienz des Anhebungsnetzwerkes anhand des bereits
bei der Diskussion grundlegender Problemstellungen kennengelernten 10 Gbit/s-
Laser-/Modulatortreiber ( 4.1, [17]) demonstriert werden. Tabelle 5.1 listet die
fur das Ausgangskreis-Modell nach Abb. 5.1 benotigten Parameter auf. Die ein-
zelnen Anteile aus denen sich CQ zusammensetzt werden detailliert in Kap. 3
(Abb. 3.3) behandelt. Trotz konsequenter Anwendung der dort abgeleiteten Opti-
mierungsregeln und Verwendung von kapazitatsoptimierten Sonderstrukturen fur
13Eigeninduktivitaten und magnetische Kopplungen elektrisch konzentrierter dreidimensio-naler Strukturen, zudem auch frequenzabhangig (Skin-Effekt, Proximity-Effekt), konnen mitsogenannten quasi-magnetostatischen Simulatoren bestimmt werden. Der interessierte Leser seiauf den Anhang verwiesen, in dem ein mit FastHenry[88] berechnetes Beispiel (Aufbautechnikdes 40 Gbit/s-EAM-Treibers) diskutiert wird.
865. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
RP RQ LQ CQ = CQ LP
100 Ω 50 Ω 0.3 nH ≈ 0.6 pF einstellbar, typ. 2 nH
Tab. 5.1: Ausgangskreis-Modellparameter des 10-Gbit/s-Laser- und Modulatortrei-bers nach Abb. 4.1.
die Ausgangstransistoren (Multistreifentransistoren mit gemeinsamem Subkollek-
tor) verbleibt eine — in Anbetracht der geforderten Datenrate von 10 Gbit/s —
augenscheinlich große Summenkapazitat CQ ≈ 0.6 pF . Dabei machen allein die
Transistorkapazitaten bereits etwa zwei Drittel der Summe aus. Sie sind auch der
Grund warum CQ uberstrichen wurde, denn die Sperrschichtkapazitaten der Aus-
gangstransistoren sind vom Schaltzustand, also von der Zeit abhangig. Fur die
Modellrechnung werden deren integrale Mittelwerte verwendet14. Auch LQ ist
ein effektiver Wert, der sich aus dem dominierenden Gegentaktbetrieb ableitet
(Gl. 5.2, mit LQe ≈ 0.4 nH , k ≈ 0.25).
Haufig wird bei analogen Schaltungen die notwendige Signalbandbreite ei-
ner Ubertragungsfunktion aus der Uberlegung abgeleitet, daß die dritte Oberwelle
der 11001100-Bitmusterfolge noch ausreichend verzerrungsfrei ubertragen werden
muß [59, 64]. Um dies zu gewahrleisten, muß als Minimalforderung der Ampli-
tudengang eine entsprechende 3dB-Grenzfrequenz aufweisen (f3dB ≥ 3/4 · fBit)15
und die Phasendifferenz16 bis zu dieser Frequenz kleiner 30 bleiben [90]. Einpo-
lige, aber auch mehrpolige Tiefpassfunktionen, mit rein reellen Residuen, weisen
jedoch schon deutlich unterhalb der 3dB-Frequenz merkliche Amplitudendamp-
fungen auf, welche im Zeitbereich, im Anschluß an eine steile Schaltflanke, soge-
nanntes “long term”-Verhalten, also eine langsame asymptotische Annaherung an
den Endwert zeigen. Diese Problematik ist ganz typisch fur die im Rahmen die-
ser Arbeit realisierten Laser- und Modulatortreiber und soll anhand von Abb. 5.6
verdeutlicht werden.
Die Diagramme der oberen Halfte der Abbildung beziehen sich auf das
Modell des Ausgangskreises nach Abb. 5.1. Auf der linken Seite sind fur den Fall
ohne Anhebungsinduktivitaten (LP = 0) sowie den Fall mit nominellem Wert,
LP = 2 nH , die auf den Anfangswert normierten Amplitudengange |ZT (jω)/ZTO|und die jeweiligen Phasendifferenzen ∆φ der Transimpedanz dargestellt.
14Auf diesem Prinzip basiert auch der im Rahmen von [89] aufgebaute Analogrechner, derin der Optimierungsphase des betrachteten 10 Gbit/s-Treibers eingesetzt wurde. Ein Vergleichder Modellrechnung mit der kompletten Schaltungsimulation folgt noch.
15Bei der im gewahlten Beispiel vorliegenden Datenrate von 10 Gbit/s betragt die notwendigeBandbreite f3dB ≈ 7,5 GHz .
16Hierunter versteht man die Abweichung des realen Phasenverlaufs eines Systems von dem,durch die Grundlaufzeit des Systems bedingten, rein linearen Phasenverlauf.
5.1 Der ohmsche Lastfall 87
0 V
-3 V
uQ
40 ps
0 V
-3 V
uQ
40 ps
−6−5−4−3−2−1
012
0 2,5 5 7,5 10 12,5 15
|ZT/ZT0|
[dB]
0 V
-3 V
uQ
40 ps
−30
−20
−10
0
10
20
30
0 2,5 5 7,5 10 12,5 15
∆φ
[°]
f [GHz]
0 V
-3 V
uQ
40 ps
0 V
-3 V
uQ
50 ps
0 V
-3 V
uQ
50 ps
FFTModell im Frequenzbereich
Simulation der kompletten Schaltung : Augendiagramm und Pulsflanken
RPRQ )(Innerer Kollektorstromx
uQ
Inverse Fouriertransformation
Abb. 5.6: Zur Wirkungsweise des Anhebungsnetzwerkes. Oben: Amplitudengang undPhasendifferenz der auf ihren Anfangswert normierten Transimpedanz (linke Seite).Der Fall LP = 0 ist gestrichelt, der fur LP = 2 nH durchgezogen dargestellt. Aufder rechten Seite sind die als Augendiagramm uberlagerten aus den Frequenzgangendurch inverse Fouriertransformation berechneten Ausgangsspannungverlaufe dargestellt(B=10 Gbit/s). Unten: Simulation der kompletten Schaltung. Die Augendiagramme(rechte Seite) gelten fur die Falle wie oben. Links wurden zwei Pulsflanken aufgelost.Zum Vergleich entspricht der gestrichelte Verlauf einer idealen Umsetzung (Multiplika-tion am eff. Lastwiderstand RQ||RP ) des internen Transistor-Kollektorstroms.
885. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
Die im vorangehenden Kapitel getroffene Wahl der Transadmittanz Y T als
betrachtete Wirkfunktion begrundete sich durch rechnerische und didaktische
Vorteile im Zusammenhang mit deren Darstellung als transformierte Lastadmit-
tanz. An dieser Stelle soll hingegen wieder die “naturliche” Ubertragungsfunktion
des Ausgangskreises, die Transimpedanz ZT betrachtet werden. Durch Multipli-
kation von ZT mit der Fouriertransformierten17 eines Bitmusters und anschlie-
ßende inverse Fouriertransformation wurden die zeitlichen Ausgangsspannungs-
signale berechnet und in Form von Augendiagrammen dargestellt.
Zunachst sei die Ausgangssituation ohne Anhebungsinduktivitaten betrach-
tet. Werden fur LP = 0 die Werte aus Tab. 5.1 in Gl. 5.5 eingesetzt, so erhalt man
eine Eigenkreisfrequenz ω0 = 2π · 14,5 GHz und eine Dampfung d ≈ 1,0. Dies
ist gerade der sogenannte aperiodische Grenzfall, bei dem bei σ = −ω0 auf der
negativen reellen Frequenzachse ein doppelter Pol auftritt. Sowohl Amplituden-
gang als auch Phasendifferenz erfullen die zuvor angesprochene Bandbreiteforde-
rung. Der Amplitudengang fallt jedoch bereits weit vor der 3dB-Grenze merklich
ab. So erfahrt beispielsweise die Grundwelle (1010-Bitmuster, f = 5 GHz fur
B = 10 Gbit/s) bereits eine Amplitudendampfung um 10%. Im hieraus berech-
neten Augendiagramm zeigt sich daher im Anschluß an eine erste steile Schalt-
flanke eine langsame asymptotische Annaherung an den Endwert (“long term-
Verhalten”), welche die Augenoffnung merklich beeintrachtigt.
Durch den Einsatz von Anhebungsinduktivitaten mit je LP = 2 nH kann
der fruhzeitige Amplitudenabfall kompensiert und die 3dB-Grenzfrequenz deut-
lich erhoht werden. Dementsprechend zeigt das aus dem Frequenzgang berechnete
Augendiagramm eine deutliche Verbesserung der Flankensteilheit, speziell im er-
sten und letzten Viertel der Transienten und hierdurch eine Verbesserung der
vertikalen Augenoffnung18.
Bislang wurden Modellrechnungen betrachtet. In Anbetracht des vereinfach-
ten Ausgangskreismodells der Abb. 5.1 stellt sich die Frage, ob durch die Ver-
17Die Flankensteilheit (t0−100% = 45 ps) entspricht derjenigen des internen Kollektorstromder Ausgangsstufentransistoren.
18Der Mechanismus in der Ubertragungsfunktion ZT (jω) wird im vorangehenden Kapitelerlautert. Durch Einbringen von LP wird eine Realteilresonanz in ZT (jω) zu kleineren Fre-quenzen, also dort wo benotigt, verschoben und entdampft. Eine Berechnung der komple-xen Pol- und Nullstellenverteilung mit [84], zeigt ausgehend von dem reellen Doppelpol beiσ = 2π · 14,5 GHz mit Zunahme von LP eine Polaufspaltung in ein konjugiert komplexesPolpaar (PT2S-Verhalten). Dessen Dampfungsfaktor nimmt mit zunehmendem LP ab und er-reicht fur LP = 2 nH und eine Eigenfrequenz f0 = 9,2 GHz einen Wert von d = 0,78, dernah am zuvor diskutierten “Butterworth-Optimum” d = 1/
√2 liegt. Ein dritter Pol nahert
sich von ω = −∞ auf der reellen Achse dem Ursprung, liegt aber fur LP = 2 nH noch beiσ = −2π·20 GHz womit er vernachlassigt werden kann. Schließlich tritt in ZT noch ein Hochpaßmit der Zeitkonstante LP /RP ≈ 1/(2π · 8 GHz ) auf, der die Bandbreite weiter erhoht.
5.2 Ansteuerung schlecht angepaßter Modulatoren uber Wellenleiter 89
einfachungen gegenuber einer Simulation der kompletten Schaltung mit einem
Schaltungssimulator grundsatzliche Abweichungen auftreten. Daß dem nicht so
ist, dokumentieren die Augendiagramme der unteren Halfte von Abb. 5.6, die
gut mit den Augendiagrammen der Modellrechnung ubereinstimmen. Auf der
rechten Seite sind die Pulsflanken vergroßert dargestellt. Zum Vergleich — ge-
wissermaßen als idealisierte Referenzvorgabe — zeigt der gestrichelt dargestellte
Verlauf den rechnerisch am effektiven Lastwiderstand (RP ||RQ) in eine Spannung
konvertierten internen Kollektorstrom19. wird durch die vorderen Schaltungsteile
eine ausreichende Flankensteilheit im internen Kollektorstrom der Ausgangstran-
sistoren sichergestellt, so kann durch das hier beschriebene Konzept in einfacher
Weise die durch die hohe Ausgangskapazitat beeintrachtigte Pulsform der Aus-
gangsspannung deutlich verbessert werden. Wie die Pulsflanken zeigen, gelingt
es im Beispiel die “inherente” Flankensteilheit der Ausgangsstufe (interner Kol-
lektorstrom) vollstandig an die externe Last zu transformieren.
Es sei noch erwahnt, daß in [60] auch bei Dimensionierungen mit noch große-
rer Ausgangskapazitat gute Ergebnisse erzielt wurden20. Auch in zwei weiteren
Treiberschaltungen (bei 10.8 Gbit/s und 20 Gbit/s) wurde das Anhebungsnetz-
werk mit Erfolg eingesetzt. Schließlich hat das Konzept mittlerweile auch Einzug
bei anderen Schaltungen gefunden. In [91] wird in einer HEMT-Technologie mit
integrierten Spulen gearbeitet. Dabei werden die einzelnen Stege der Spulen als
“air-bridges” realisiert. Deren parasitare Kapazitaten nehmen hierdurch ab und
die Eigenresonanz der Spule kann zu hoheren Frequenzen verschoben werden.
5.2 Ansteuerung schlecht angepaßter Modula-
toren uber Wellenleiter
Im vorangehenden Kapitel wird ein wichtiger Lastfall von Treiberschaltungen,
namlich die Ansteuerung ohmscher Lasten, oder genauer die Ansteuerung nahe-
rungsweise mit ihrem Wellenwiderstand abgeschlossener Leitungen betrachtet.
Nicht immer ist jedoch die elektrische Eingangsimpedanz von Modulatormodu-
len ausreichend breitbandig an einen Wellenleiter angepaßt. Unglucklicherweise
gilt dies im besonderen Maße fur einen bestimmten Typ externer optischer Mo-
dulatoren, der in den letzten Jahren bei hoheren Datenraten (um und oberhalb
19Gemeint ist der Strom der Transferstromquelle im Gummel-Poon-Modell (vgl. Anhang A.1)20Transistor-Sonderstrukturen konnten dort nur bedingt modelliert werden [45], so daß
wahrend des Strukturentwurfes durch geeigneten Transistor-(Struktur)entwurf noch Kapazitateingespart werden konnte (vgl. Kap. 3.3).
905. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
10 Gbit/s21, besonders aber in Prototypensystemen mit noch hoherer elektrischer
Datenrate, zum Beispiel 40 Gbit/s [2], zunehmend Beachtung findet, den Elek-
troabsorptionsmodulator (EAM). Dessen elektrische Eingangsimpedanz ist domi-
nant kapazitiv22. Außerdem bedingt sein Funktionsprinzip eine elektrische Ruck-
wirkung auf die ansteuernde Treiberschaltung und somit, je nach optischer Lei-
stung, eine mehr oder minder starke Zeitvarianz der elektrischen Eingangsimpe-
danz. Sein entscheidender Vorteil gegenuber dem Mach-Zehnder-Interferometer,
welches wiederum sehr gut an den elektrischen Wellenleiter angepaßt ist, stellt
jedoch der deutlich kleinere benotigte Spannungshub dar (vgl. hierzu Kap. 2).
Die Eingangsimpedanz des EAM stellt fur sich genommen noch kein Pro-
blem dar. Dies gilt umgekehrt naturlich auch fur die Treiberschaltung, deren
Ausgangsimpedanz aufgrund des hohen Spannungshubes, welcher fur eine aus-
reichende optische Extinktion benotigt wird, ebenfalls stark kapazitiv gepragt ist.
Erst im Zusammenspiel von Sender (Treiberschaltung) und Empfanger (Modu-
latormodul) uberlagern sich der modulierenden Spannung Storungen durch Dop-
pelreflexionen. Um dieser Problematik entgegenzutreten, gibt es drei prinzipielle
Moglichkeiten:
Verbesserung der ausgangsseitigen Anpassung der Treiberschaltung.
Verbesserung der Anpassung der elektrischen Eingangsimpedanz des Mo-
dulatormoduls.
Direkte Ansteuerung ohne wesentliche Leitungslangen (“back-to-back”).
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden Schaltungskonzepte fur alle drei
Optionen entworfen, deren Aspekte in den folgenden Teilkapiteln erortert werden.
5.2.1 Verbesserung der senderseitigen Anpassung
Der Grund fur den im Vergleich zu anderen Hochgeschwindigkeitsschaltungen in
E2CL-Schaltungstechnik schlechten Ausgangsreflexionsfaktor von Treiberschal-
tungen liegt letztendlich in der großen Ausgangskapazitat CQ. Durch die im vor-
angehenden Kapitel entwickelte Erweiterung des Ausgangskreises um Anhebungs-
induktivitaten LP (vgl. Abb 5.5) kann die integrierende Wirkung von CQ in der
Ubertragungsfunktion des Ausgangskreises kompensiert werden. Die Ursache der
21Oberhalb von 10 Gbit/s befinden sich eine Reihe von Telekommunikations- und Daten-kommunikationssystemen im Aufbau, zum Beispiel bei 10.8 Gbit/s [92] oder um 12 Gbit/s imsubmarinen Bereich (aufgrund zusatzlicher fehlerkorrigierender Codes im Rahmensignal).
22Dies ist nicht notwendigerweise immer ein Nachteil bei einer Ansteuerung uber eine Leitung,wie die Diskussion in Kap. 5.2.2 zeigt.
5.2 Ansteuerung schlecht angepaßter Modulatoren uber Wellenleiter 91
Problematik, also die zu große Ausgangskapazitat CQ, wird von dieser Maßnahme
aber nicht beruhrt und bleibt physikalisch weiterhin vorhanden.
Ein, an einer ungenugend an den
QI’
WZ
ZM QUQC
LQ
RP
PL
QU’(Signalmasse)
(Signalmasse)
Abb. 5.7: Vereinfachtes Ausgangskreis-modell eines Modulatortrei-bers bei Ansteuerung eineselektrooptischen Modulators(ZM ) uber einen Wellenleiter.
Wellenwiderstand der Verbindungslei-
tung angepaßten Modulatorlast re-
flektierter Signalanteil, trifft nach ei-
ner weiteren Leitungs-Laufzeit auf den
Ausgang der Treiberschaltung, der ver-
einfacht in Abb. 5.7 fur eine Seite dar-
gestellt ist. Das hier dargestellte ein-
phasige Ersatzschaltbild fur Gegentakt
wurde bereits im vorangehenden Kapi-
tel fur die Entwicklung des Anhebungs-
netzwerkes verwendet und dort quanti-
tativ mit einer Komplettsimulation ver-
glichen. Der Leser mache sich klar, daß
die Annahme einer effektiven, durch
den Gegentaktbetrieb reduzierten, Aus-
gangsbondinduktivitat LQ (Gl. 5.2) fur die Transmission in Richtung Modula-
tor nach wie vor gut erfullt ist. Dies gilt aber nicht automatisch auch fur die
reflektierte Welle. Wird der nichtbenotigte zweite Ausgang extern nicht mit ei-
ner der anderen Seite entsprechenden Lastnachbildung abgeschlossen, so ergeben
sich komplizierte frequenzabhangige Zusammenhange fur die auf eine Seite be-
zogenen effektive Bondinduktivitat. Bezuglich der in den einen Ausgang wieder
einlaufenden reflektierten Welle wirken die Ausgangsbonddrahte der beiden Sei-
ten wie ein Ubertrager, mithin wird die Ausgangsimpedanz der anderen Seite auf
die Nutzseite transformiert. Es soll hier aber auch nicht der (kuhne) Versuch
unternommen werden ein quantitativ genaues Modell fur den einphasigen Aus-
gangsreflexionsfaktor aufzustellen. Hierzu mussen noch eine Vielzahl weiterer Ef-
fekte berucksichtigt werden, beispielsweise die genaue Aufbautechnik sowie durch
den Strukturentwurf (Layout) bedingte parasitare Elemente. Fur qualitative Ar-
gumentationen ist das Modell Abb. 5.7 ausreichend, quantitative Betrachtungen
konnen nur durch eine sorgfaltige Berucksichtigung aller (bekannten) Effekte und
Simulation anhand eines Schaltungssimulators erfolgen23.
Seit den grundlegenden Betrachtungen zur “breitbandigen Anpassung” an
ohmsch-kapazitive Bauelemente mittels Reaktanzfiltern durch Bode [93] (1945)
und Fano [94] (1950), sind von verschiedenen Autoren Theorien zur Anpassung an
23Insbesondere mussen die Ausgangsbonddrahte in ihrer allgemeinsten Form, also durch ge-koppelte Induktivitaten berucksichtigt werden.
925. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
RLC-Bauelemente mittels verlustloser Filter veroffentlicht worden24. Die Nachtei-
le solcher Reaktanzfilter liegen nicht etwa in der sehr komplexen Analytik, diese
ist im Zuge der Verfugbarkeit leistungsfahiger Rechner in der Anwendung verein-
facht worden. Vielmehr sind solche Konzepte auf relative Bandbreiten von etwa
zwei Oktaven beschrankt, gelten doch die von Bode, Fano und verallgemeinert
von Youla aufgestellten Grenzbedingungen an die Reflektanz [96]. Zur prinzipiel-
len Illustration sei hier die von Bode aufgestellte Integralungleichung betrachtet,
die eine Schranke fur die bestmogliche Anpassung einer RC−Parallelschaltungan einen ohmschen (Wellen-)Widerstand durch ein Reaktanznetzwerk setzt:∫ ∞
0
ln
∣∣∣∣ 1
%(ω)
∣∣∣∣ dω ≤ π
RC. (5.13)
Gemaß dieser Beziehung sind erreichbarer Reflexionsfaktor % und die Bandbrei-
te, uber welche dieser erreicht werden kann, in umgekehrter Weise voneinander
abhangig. Die Verhaltnisse im Ausgangskreis der in dieser Arbeit entwickelten
Treiberschaltungen sind naturlich komplizierter. Durch eine Anpassung des Re-
flexionsfaktors ist aber auch nur ein Teil der Aufgabe gelost, gilt es doch ebenso,
die Ubertragungsfunktion des Ausgangskreises in dem im vorangehenden Kapitel
gezeigten Sinne zu optimieren. Neuere Theorien zur Netzwerksynthese befassen
sich mit dieser allgemeinsten Form der Synthese, der Anpassung einer komplexen
Quellimpedanz an eine komplexe Lastimpedanz bei Erfullung eines vorgegebenen
Ubertragungsverhaltens [96]. Die entsprechenden Theorien sind sehr komplex und
fuhren selbstverstandlich nicht grundsatzlich zum Ziel. Eine Reihe von — alles
andere als trivial zu uberprufenden — Voraussetzungen mussen erfullt sein. Auch
dann setzt die Realisierung die Verfugbarkeit von moglichst idealen Kapazitaten
und vor allem Induktivitaten bei hochsten Frequenzen voraus.
In dieser Arbeit wird ein anderer Weg beschritten. Fur den in einem
10 Gbit/s-Prototypensystem von Siemens (ICN) [63] eingesetzten Laser/-
Modulatortreiber nach Abb. 4.1 wurde zur Verbesserung des ausgangsseitigen
Reflexionsfaktors ein Dampfungsglied auf dem keramischen Chip-Trager reali-
siert [97]. Ubertragt man diesen Ansatz auf den Chip selbst, so erhalt man den
in Abb. 5.8 vereinfacht dargestellten modifizierten Ausgangskreis.
Zur Verbesserung des Ausgangsreflexionsfaktors muß der Einfluß der Aus-
gangskapazitat CQ bei hohen Frequenzen eingeschrankt werden. Hierzu wird
der ursprunglich vorhandene einzelne Lastwiderstand RP durch ein π-Netzwerk
24Eine didaktisch empfehlenswerte Aufbereitung, teilweise Weiterentwicklung und Anwen-dung dieser Anpassungstheorien kann [95] entnommen werden. In ganzlicher Fulle, insbesonde-re einschließlich der zugrundeliegenden (nicht trivialen) Analytik, wird diese Thematik in [96]behandelt.
5.2 Ansteuerung schlecht angepaßter Modulatoren uber Wellenleiter 93
!#"%$'&(& ) * + ,- /.0. 1 2 * ) 33 4 ,- /.0. 1 2 * ) 3 6575 !"8$'&(& ) 3 9: ; < ,>= ? 1 @
Entwurfsvariablen
QC
QI
Rν
LQ
LP
WZ
ZM
Rµ
∆ QU’δ=∆UQ
QU
Rπ
Schaltungsparameter
QU’
RQ,eff
RA
Q,eff
Abb. 5.8: Vereinfachtes Modell des um ein resistives Anpassungsnetzwerk erweiterterAusgangskreis nach Abb. 5.1 bzw. Abb. 5.7. RA und RQ,eff bezeichnen dieWerte der entsprechenden Ausgangs- und Lastimpedanzen fur ω = 0.
(Dreieckverschaltung) der drei Widerstande Rν , Rµ und Rπ ersetzt. Dem Wider-
stand Rµ kommt dabei die Aufgabe zu, das in Nahe der Eigenresonanzkreisfre-
quenz ω = 1/√LQCQ auftretende Betragsminimum der Ausgangsimpedanz (ZA,
RA = ZA(ω = 0)) zu begrenzen [60], jedoch auf Kosten eines reduzierten exter-
nen Hubes ∆UQ. Anhand der in Abb. 5.8 rechts aufgefuhrten Identitaten werden
die drei Widerstande auf drei Entwurfsvariablen δ, RQ,eff und RA abgebildet.
Der interne Spannungshub ∆U ′Q ist unter anderem durch den Lawinendurch-
bruch der Ausgangsstufentransistoren beschrankt. Wahlt man ∆U ′Q maximal, um
bei festem externen Hub ∆UQ eine großtmogliche Entkopplung (durch Rµ) des
Ausgangs von CQ zu erreichen, so ist die statische Dampfung δ festgelegt. Aus
∆U ′Q ergibt sich der effektive Lastwiderstand RQ,eff , indem bei konstantem Pro-
dukt ∆U ′Q = ∆IQRQ,eff die RC-Zeitkonstante nach Gl. 3.9 minimiert wird25.
Ohne Rπ ware damit auch RA, der Abschlußwiderstand fur tiefe Frequenzen,
festgelegt. Mit Rπ verbleibt in RA die eigentliche Optimierungsvariable.
Fur ein bei 10.8 Gbit/s arbeitendes digitales Fernseh-Verteilungssystem
(DIAMANT, [92]) der Firma Bosch-Telecom wurde ein Modulatortreiber mit
entsprechend modifizierten Ausgangskreis entworfen. Abb. 5.9 zeigt ein Block-
schaltbild des Treibers. Die Topologie entspricht weitestgehend derjenigen des
fur die Betrachtung grundsatzlicher Problemstellungen in Kap. 4 herangezoge-
nen Laser-/Modulatortreibers (Abb. 4.1). Die Ausgangsstufe wird jedoch durch
eine Basisschaltung (BAS ) zu einer Kaskodestufe erganzt. Hierbei steht weni-
ger die von analogen Verstarkern bekannte Reduktion der Millereffektes im Vor-
25Aus der Realisierbarkeit der drei Widerstande ergeben sich weitere Bedingungen an RQ,effin Abhangigkeit von RA und ZM (ω = 0) auf die hier aber nicht eingegangen werden soll.
945. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
ZM QU
RπRν
Rµ Rµ
WZ
RΣ
RπRν
LP LP
I
IN
U1
U2
U0
Ω50
SS2
BAS
SS1
EF1
EF2
EF3
EF4
EF5
EF6
EAMMonitor
Abb. 5.9: Vereinfachtes Blockschaltbild eines Modulatortreibers zur Ansteuerung ei-nes EAM-Moduls uber einen Wellenleiter (Datenrate 10,8 Gbit/s).
dergrund, sondern das verbesserte Durchbruchsverhalten von Bipolartransistoren
in Basisschaltung (Kap. 4.5). Von Nutzen aber auch kritisch ist daruberhinaus
der — in gewisser Weise “zweite Eingang” — einer differentiellen Basisschal-
tung, namlich deren Basisknoten. Eine hier eingebrachte Impedanz (RΣ) wirkt
ausschließlich auf den Gleichtakt-Reflexionsfaktor hat aber kaum Einfluß auf die
durch die Gegentakt-Stromubertragungsfunktion der BAS bestimmte Signalform
der Ausgangsspannung. Dies ist ein Freiheitsgrad in der Optimierung des einpha-
sigen Ausgangsreflexionsfaktors, da dieser sich im wesentlichen als Summe von
Gleich- und Gegentaktreflexionsfaktor ergibt [59]. Ein ausreichend großer Vor-
widerstand RΣ ist aber auch zur Vermeidung potentieller Instabilitat der BAS
notwendig (vgl. Kap. 6.1.2)26.
Zunachst sollen die Entwurfsaspekte betrachtet werden, wobei die elektroop-
tische Last als reine 50 Ω-Last angenommen wird [98]. Fur RQ,eff wird mit 33 Ω
derselbe Wert wie bei dem (mit der gleichen Fertigungstechnologie realisierten)
Laser-/Modulatortreiber nach Abb. 4.1 gewahlt. Bei einem geforderten externen
Hub ∆UQ ≈ 2 V wird zur Maximierung von δ der interne Hub ∆U ′Q = 3 V
26In [98] wurde festgestellt, daß im vorliegenden Fall mindestens RΣ ≈ 6 Ω fur ausreichendeStabilitat zu wahlen ist. Der realisierte Wert betragt RΣ = 200 Ω, einerseits fur ausreichendeSicherheit gegen Instabilitat, andererseits zur Verbesserung des einphasigen Ausgangsreflexi-onsfaktors in der oben angedeuteten, im folgenden noch gezeigten Weise.
5.2 Ansteuerung schlecht angepaßter Modulatoren uber Wellenleiter 95
-30
-25
-20
-15
-10
-5
0
0 3 6 9 12 15
|s22|
[dB]
Umsch.pkt.High-PegelLow-Pegel
0 V
-2 V
uQ
40 ps
AR = 50 Ω
AR = 60 Ω
AR = 70 Ω
ohne R-Netzwerk
0 V
-2 V
uQ
40 ps -30
-25
-20
-15
-10
-5
0
0 3 6 9 12 15
|s22|
[dB]
Umsch.pkt.High-PegelLow-Pegel
0 V
-2 V
uQ
40 ps -30
-25
-20
-15
-10
-5
0
0 3 6 9 12 15
|s22|
[dB]
f [GHz]
Umsch.pkt.High-PegelLow-Pegel
Abb. 5.10: Augendiagramme der Ausgangsspannung uQ und Betrag des Ausgangsre-flexionsfaktor s22 fur verschiedene Ausgangswiderstande RA.
gewahlt. Neben den zwei Fallen
RA = 60 Ω : Rν = 82 Ω, Rµ = 19 Ω, Rπ = 148 Ω
und RA = 70 Ω : Rν = 69 Ω, Rµ = 22 Ω, Rπ = 310 Ω,(5.14)
wird als Referenz der Fall RA = 50 Ω ohne Widerstandsnetzwerk betrachtet27.
Abb. 5.10 zeigt simulierte Augendiagramme (hier und nachfolgend bei einer Da-
tenrate von 11 Gbit/s) der einphasigen Ausgangsspannung uber externer 50 Ω-
Last und zugehorige Ausgangsreflexionsfaktoren [98]. Letztere sind jeweils fur
verschiedene logische Zustande der Ausgangsspannung angegeben. Man erkennt
— wie erwartet — mit zunehmendem Gleichstrom-Ausgangswiderstand RA (d.h.
27Bei gleichem externen Hub ist ∆IQ in diesem Fall 11% kleiner und daher ein strengerVergleich nicht moglich. In der verwendeten Technologie sind die Emitterlangen jedoch gerastertund die nachst kleinere Lange wurde zu einem zu starken Eintritt in den Hochstrombereich(Kap. 4.4) fuhren. Ohnehin wurde CQ merklich schwacher als der Strom abnehmen (Kap. 3).
965. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
zunehmendem Rµ) eine deutliche Verbesserung der Anpassung im Frequenzband
oberhalb 5 GHz . Gleichzeitig wird naturlich die Anpassung fur kleine Frequenzen
(f ≤ 3 GHz ) schlechter. Das Augendiagramm bleibt hiervon nahezu unberuhrt.
Die Abnahme der Uberschwinger mit zunehmenden RA kann durch Anpassung
von LP leicht wieder kompensiert werden.
Die Auswirkung des Vorwi-
-30
-25
-20
-15
-10
-5
0
0 3 6 9 12 15
|s22|
[dB]
f [GHz]
25 Ω100 Ω200 Ω
Abb. 5.11: Dimensionierung RA = 70 Ω: Be-trag des Ausgangsreflexionsfaktors(Umschaltpunkt) fur verschiedeneWerte des Widerstandes RΣ.
derstandes RΣ auf den Ausgangs-
reflexionsfaktor zeigt Abb. 5.11.
Die Verbesserung des einphasi-
gen Reflexionsfaktors mit zuneh-
mendem RΣ beruht auf einer
Veranderung des Gleichtaktrefle-
xionsfaktors bei konstant gehal-
tenem Gegentaktreflexionsfaktor.
[59, 98]. Da RΣ nur fur Gleicht-
aktsignale wirksam ist, ist in der
Ausgangsspannung uQ gegenuber
Abb. 5.10 keinerlei Veranderung
beobachtbar. Die Ursache fur die Veranderung des Gleichtaktreflexionsfaktors
ist die durch RΣ veranderte Gleichtaktimpedanz am Basisknoten der BAS. Mit-
hin sind Verbesserung von S22 und die in Kap. 6.1.2 betrachtete Stabilitats-
problematik der BAS miteinander verknupft. Ausreichende Stabilitat ist jedoch
im vorliegenden Fall bereits mit RΣ = 25 Ω gegeben [98]. Abb. 5.11 vermittelt
aber eine noch viel weiterreichende Erkenntnis: Da der einphasige Reflexionsfak-
tor im selben Maße von Gleich- und Gegentaktimpedanz am Basisknoten der
BAS bestimmt wird, dieser aber an der verteilten Metallisierung der Chipmasse
angreift, erfordert eine genaue Simulation von S22 auch eine moglichst genaue
Modellierung der parasitaren Elemente der Metallisierung auf dem Chip. Selbst-
verstandlich muß auch das Siliziumsubstrat genau modelliert werden. Die Model-
lierung parasitarer Elemente der Verdrahtungsmetallisierung auf dem Chip wird
detailliert in Kap. 6.2.1 behandelt. Hier sei nur festgehalten, daß von den dort
erorterten Methoden im Zuge der Erstellung des Strukturentwurfs der Schaltung
extensiv Gebrauch gemacht wurde. Daruberhinaus wurde ein relativ aufwendiges
Ersatzschaltbild des Siliziumsubstrates bestimmt [99].
Im weiteren Verlauf wird nurmehr die Dimensionierung RA = 70 Ω betrach-
tet, die ein Kompromiß zwischen etwas schlechterem Reflexionsfaktor bei tiefen
Frequenzen und besserem Reflexionsfaktor bei mittleren und hohen Frequenzen
darstellt. Die folgenden Ergebnisse berucksichtigen neben allen (bekannten) para-
sitaren Effekten auf dem Chip ebenso die in Abb. 5.12 mit ihrem Ersatzschaltbild
5.2 Ansteuerung schlecht angepaßter Modulatoren uber Wellenleiter 97
RπRν
Rµ Rµ
RπRν
LP LP
U2
U0
Z∆ZΣZΣ Z∆
2
Ω50
Ω50ZΣ
RΣ
ZΣ
UQWZMLQ
Popt
SS2
BAS
ΩΩ42
59
0,7 nH
k=0,25
8,6 ps (1 mm)
428 ps (50 mm)
0,5 nH
EAM-Modul
s22
Abb. 5.12:Ersatzschaltbild einer moglichen ausgangsseitigen Aufbautechnik. Unmittelbar amTreiberausgang tritt uber die Ausgangsbonddrahte und den ersten Bereich der Mikro-streifenleitungen auf der Keramik eine Verkopplung der beiden komplementarenAusgange auf. Dabei bezeichnen ZΣ und Z∆ Gleich- bzw. Gegentakt-Wellenwiderstanddes Koppelbereiches.
skizzierte Aufbautechnik am Treiberausgang. Um den Vorteil einer Reduktion der
effektiv wirksamen Ausgangsbondinduktivitat zu nutzen (Gl. 5.2), wird auch der
nicht benotigte Ausgang QN herausgefuhrt. Es folgt ein kurzer Koppelbereich28
an dessen Ende die Seite QN mit einem 50 Ω-Dunnfilmwiderstand auf der Meß-
fassung abgeschlossen wird. Auf der Seite Q wird eine 50 Ω-Mikrostreifenleitung
mit 5 cm Lange angenommen deren Ende der Modulator “abschließt”. Aufbau
und elektrische Kenndaten dieses EAM-Moduls wurden bereits im Kap. 2 behan-
delt.
Zunachst wird der Einfluß des Siliziumsubstrats betrachtet. Verglichen mit li-
nearen Verstarkern sind Treiberschaltungen eher unkritisch bezuglich parasitarer
Substrateinflusse. Dies liegt daran, daß der Substratkorper im wesentlichen die
Belastung der Ausgangsknoten des Treibers etwas verandert. Eine hieraus re-
sultierende (leichte) Veranderung der Pulsform der Ausgangsspannung kann in
aller Regel durch einfache Gegenmaßnahmen wieder kompensiert werden [60].
28Die in Abb. 5.12 dargestellten drei verkoppelten Leitungen modellieren ein gekoppeltesLeitungspaar [100].
985. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
-30
-25
-20
-15
-10
-5
0
0 3 6 9 12 15
|s22|
[dB]
f [GHz]
Umsch.pkt.High-PegelLow-Pegel
-30
-25
-20
-15
-10
-5
0
0 3 6 9 12 15
|s22|
[dB]
f [GHz]
Umsch.pkt.High-PegelLow-Pegel
Abb. 5.13: Betrag des Ausgangsreflexionsfaktors bei Berucksichtigung aller bekann-ten parasitaren Einflusse durch den Strukturentwurf und Aufbautechnik.Links: ohne Substratnetzwerk (RSub=0). Rechts: mit Substratnetzwerk.
Dies gilt jedoch nicht zwangslaufig auch fur den vorliegenden Fall. Die Notwen-
digkeit den Ausgangsreflexionsfaktor des Treibers zu verbessern, ergibt sich aus
einem unzureichenden Eingangsreflexionsfaktor des EAM-Moduls. Dies bedeutet,
daß ein merklicher Signalteil am EAM reflektiert wird und wieder an den Aus-
gang des Treibers gelangt. Im Gegensatz zur (differentiellen) Transmission vom
Treiberchip weg ist der zurucklaufende, reflektierte Signalanteil eine einphasige
Storung, die unsymmetrisch nur in einen Ausgang des Treibers zuruckkoppelt29.
Dies kann zu Instabilitaten fuhren, wenn Signalanteile (unsymmetrisch) in vorde-
re Schaltungsteile zuruckkoppeln und verstarkt wieder an den Ausgang gelangen
(Reflexionsverstarker). Im vorliegenden Fall ist der Einfluß des Substrates jedoch
relativ gering wie ein Vergleich des einphasigen Reflexionsfaktors mit und ohne
Substratmodell [99] anhand Abb. 5.13 zeigt30.
Die Reflexionsfaktoren des EAM respektive des Treiberausgangs stellen fur
sich genommen noch kein Problem dar. Erst im Zusammenspiel von Sender (Trei-
berschaltung) und Empfanger (Modulatormodul) entstehen durch Doppelreflex-
ionen Storungen. Dies ist aber nicht die einzige elektrische Ruckwirkung. Verein-
facht ausgedruckt ist ein EAM eine Fotodiode, welche bei entsprechend anliegen-
der Spannung die von einer Laserdiode (im Dauerbetrieb) emittierten Photonen
absorbiert. Grundsatzlich entsteht hierbei ein aus dem EAM-Modul herausfließen-
29Dies kann auch so interpretiert werden, daß neben einer Gegentaktwelle jetzt auch eineGleichtaktwelle in das Ausgangs-Zweitor zurucklauft.
30Das Ersatzschaltbild aus [99] besteht aus 364 Kapazitaten und Widerstanden, von denenviele negative Werte aufweisen. Da die Konvergenz von Schaltungssimulatoren unter diesenUmstanden wohl nicht grundsatzlich gesichert ist, wurden neben Simulationen mit SPICEVergleichsimulationen mit dem Simulator ELDO [86] durchgefuhrt. Meß- oder Simulations-ergebnisse aus dem Frequenzbereich konnen hier eingebunden werden und durch Fourier- undHilbert-Transformation auch im Zeitbereich verwendet werden. Im vorliegenden Fall ergab sichUbereinstimmung, ein Ergebnis, das aber nicht ohne weiteres verallgemeinert werden darf.
5.2 Ansteuerung schlecht angepaßter Modulatoren uber Wellenleiter 99
RA=70 Ω RA=50 ΩRA=70 Ω
QuantumwellSpannung über
optischeAusgangsleistung(optische Eingangs-leistung: 10 mW)
Eingangsleistungohne optische
-3.5 V
-1.5 V
uQW
40 ps
0 mW
10 mW
Popt
40 ps
0 mW
10 mW
Popt
40 ps
-3.5 V
-1.5 V
uQW
40 ps
-3.5 V
-1.5 V
uQW
40 ps
Abb. 5.14: Augendiagramme der Spannung uber dem Quantumwell und optischeAusgangsleistung des EAMs fur RA = 50 Ω sowie RA = 70 Ω. FurRA = 70 zeigt das Augendiagramm ganz links, die “passive” Quantumwell-Spannung bei fehlender optischer Eingangsleistung.
der Photostrom. Je nach EAM-Typ und der verwendeten Laseremissionsleistung
fuhrt dies zu einer merklichen Reduktion des ansteuernden Spannungshubes. Die
ersten beiden Augendiagramme (von links) der oberen Reihe von Abb. 5.14 ver-
deutlichen diesen Effekt. Durch den Photostrom nimmt der effektive Hub uber
dem Quantumwell um etwa 250 mV (12,5%) ab, eine Pulsformverzerrung tritt
nicht auf. In der unteren Reihe sind simulierte optische Augendiagramme dar-
gestellt. Der in der ganz rechten Spalte dargestellte “50 Ω-Referenzfall” weist
den in Abb. 5.15 gezeigten Reflexionsfaktor auf. (Fur RA = 70 Ω wurde S22
bereits in Abb. 5.13 (rechts) dargestellt). Erkennbar fuhrt der im Vergleich zum
-30
-25
-20
-15
-10
-5
0
0 3 6 9 12 15
|s22|
[dB]
f [GHz]
Umsch.pkt.High-PegelLow-Pegel
Abb. 5.15:RA = 50 Ω. Betrag des Ausgangsreflexions-faktors bei Berucksichtigung aller bekann-ten parasitaren Einflusse durch Strukturent-wurf und Aufbautechnik.
Fall RA = 70 Ω fur Frequenzen oberhalb 7 GHz im Mittel etwa 5 dB schlech-
tere Reflexionsfaktor zu Beeintrachtigung der Signalqualitat. Wahrend Amplitu-
denjitter durch “optische Begrenzung” noch unterdruckt werden kann, bleibt der
1005. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
Zeitjitter erhalten (Abb. 5.14). Durch Begrenzung an der nichtlinearen optischen
EAM-Kennlinie kann das optische Signal einen Tastverhaltnisfehler aufweisen.
Das in Kap. 4.2 diskutierte Konzept zur Pulsformsymmetrierung kann offensicht-
lich auch zur elektrischen Vorverzerrung mit dem Ziel einer Optimierung der
optischen Pulsform eingesetzt werden. Im vorliegenden Fall mußte hiervon nur
leicht Gebrauch gemacht werden.
5.2.2 Verbesserung der empfangsseitigen Anpassung
Betrachtet man das Funktionsprinzip eines Mach-Zehnder-Interferometers (MZI,
Kap. 2) in Hinblick auf dessen vorzugliche breitbandige Anpassung des Eingangs-
reflexionsfaktors, so erkennt man, daß das “Erfolgsrezept” dieses Modulatortyps
auf der Verlangerung und dem Abschluß des ihn ansteuernden elektrischen Wel-
lenleiters beruht. Nun entspricht zwar der Modulationseingang eines EAMs nicht
einem elektrischen Wellenleiter, jedoch kann dieser, da nahezu rein kapazitiv,
prinzipiell durch eine geeignete Erweiterung in einer Leitungsumgebung “ver-
steckt” werden. Im folgenden sollen Ergebnisse einiger in der Definitionsphase
eines 40 Gbit/s-Projektes [41] diesbezuglich unternommener Studien prasentiert
werden. Die im anschließenden Kapitel betrachtete, letztendlich getroffene Wahl
der elektrooptischen Schnittstelle wird auf diese Weise verstandlich werden.
Betrachtet wird das in Abb. 5.16 dargestellte quersymmetrische Netzwerk
aus Wellenleitern und diskreten Bauelementen. Cqw (quantum well) bezeich-
net eine Naherung fur die Impedanz des elektrischen Eingangs eines differentiel-
len EAMs. Symmetrisch aufgeteilt und durch zwei Induktivitaten Lm erweitert,
erhalt man die beiden Reaktanzzweitoren N1 und N2. Uber ein erstes Wellenlei-
terpaar erfolgt die Ansteuerung des EAMs durch die komplementaren Urquellen
E1 und E2 = −E1. Ein weiteres, mit dessen Wellenwiderstand abgeschlossenes
Leitungspaar, ist dem EAM parallelgeschaltet. Das komplette Netzwerk model-
liert eine mogliche hybride Aufbautechnik eines aus Treiberstufe und EAM-Chip
zusammengesetzten Senders einer 40 Gbit/s-Glasfaser-Ubertragungsstrecke.
Dem Ziel, einer moglichst optimalen Einbettung des EAMs in eine Wellenlei-
terumgebung angepaßt, ist die Beschreibung von N1 und N2 anhand ihrer Wel-
lenparameter [101], also durch zwei ihren Toren zugeordnete Wellenwiderstande
Z01 =
√LmCqw·√
1− ω2LmCqw und Z02 =
√LmCqw· 1√
1− ω2LmCqw(5.15)
und zwei, hier aufgrund Reziprozitat identischer, Wellenubertragungsfaktoren
S012 = S021 =
√Z01
Z02
·U qw
E1
∣∣∣∣∣ZA,N2=Z02
=√
1− ω2LmCqw − jω√LmCqw . (5.16)
5.2 Ansteuerung schlecht angepaßter Modulatoren uber Wellenleiter 101
Lm
ZW1
ZW1ZW1
E1
1=-E
W2Z
W2ZLm
W2Z
W2Z
qw
2U
E2
Z01Z01
ZW1
ZE,N1
Z02Z02
N2
N2N1
N1
Idealisierter ZA,N2Treiber-Ausgang
Cqw
S11
Abb. 5.16:Zur differentiellen Ansteuerung eines EAM-Chips uber Wellenleiter. Der EAM wirdvereinfacht als reine Kapazitat Cqw modelliert. Die differentielle Kapazitat Cqw kann invier (fur Gegentakt) erdgebundene Anteile aufspaltet werden und es resultiert das grauhinterlegte Gegentaktersatzschaltbild. Z01 und Z02 sind die ein- und ausgangsseitigenWellenwiderstande der beiden Reaktanzzweitore N1 und N2. Die Induktivitaten Lmresultieren einerseits aus fur den Anschluß des EAM-Chips benotigten Bonddrahtenund werden andererseits zur Anpassung der elektrooptischen Schnittstelle verwendet.
Fur eine optimale Anpassung am Eingangstor von N1 muß die nach rechts
gesehene Eingangsimpedanz ZE,N1 gleich dem Wellenwiderstand ZW1 der an-
steuernden Leitung sein. Hierzu muß aber die den Ausgang von N1 belastende
Impedanz ZA,N2 gerade dem Wellenwiderstand Z02 des Ausgangstors von N1
entsprechen31. Auch dies ist wiederum nur moglich, wenn auch ZW2 gleich dem
Wellenwiderstand Z01 am Eingangstor von N2 ist. Aus der Verlustfreiheit von
N1 folgt dann mit der 1. Feldtkeller-Gleichung, also
|S11(jω)|2 + |S21(jω)|2 = 1, eine ideale Transmission |S21(jω)| = 1 (5.17)
an das den beiden Reaktanzzweitoren gemeinsame mittlere Tor (EAM).
Offensichtlich kann dieses ideale, zudem frequenzunabhangige Ergebnis in
der Praxis (auch bei ideal rein kapazitivem EAM) nicht erreicht werden, denn als
geometrisches Mittel der Kurzschluß- und Leerlaufimpedanz am jeweiligen Tor
sind die Wellenwiderstande Z01 und Z02 im allgemeinen nichtrationale Funktio-
nen in ω [101]. Bis zu einer oberen Grenzfrequenz — sie sei aus gleich einsichtigen
Grunden f10dB bezeichnet — konnen Z01 und Z02 jedoch durch ihre Gleichstrom-
31Dies folgt aus der Bijektivitat der ZA,N2 auf ZE,N1 abbildenden, in der Elektrotechnik als“Mobiustransformation” bekannten, Bilinearfunktion [101].
1025. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
werte angenahert werden und die Wahl einer Dimensionierung
ZW1 = ZW2 =√Lm/Cqw = Z02(ω=0) = Z01(ω=0) (5.18)
ist naheliegend. Wahlt man als Kriterium fur f10dB die Abnahme beziehungsweise
Zunahme der Betrage von Z01 beziehungsweise Z02 um 3 dB , also nach Gl. 5.15
f10dB =ω10dB
2π=
1
2π√
2LmCqw, (5.19)
so pruft man leicht nach, daß jetzt
U qw
E1
=1
1 +jω√
2 ω10dB
+
(jω√
2 ω10dB
)2
(5.20)
und S11 =
(jω
2√
2 ω10dB
)3
1 +√
2jω
ω10dB
+
(jω
ω10dB
)2
+
(jω
2√
2 ω10dB
)3
gelten. Damit ist f10dB gerade die Frequenz, bei der |S11| = 1/3, entsprechend
≈ −10 dB gilt. Andererseits ist dies aber auch die Resonanzfrequenz der PT2S-
Ubertragungsfunktion U qw/E1. Entsprechend der Dampfung d = 0, 5 tritt nur
eine minimale Resonanzuberhohung von ≈ 1, 25 dB auf.
-30
-24
-18
-12
-6
0
6
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50-30
-20
-10
0
10
20
30
[dB]
f [GHz]
[o]
∆Φ11s
1EUqw
Abb. 5.17: Betrag von S11 sowie Betrag und Phasendifferenz ∆Φ der Ubertragungs-funktion U qw/E1. Der Wellenwiderstand aller Leitungen betragt 50 Ω.
In einem ublichen 50 Ω-System resultiert fur Cqw = 90 fF nach Gl. 5.18 eine
Bondinduktivitat Lm = 0, 225 nH und eine Resonanzfrequenz f10dB = 25 GHz .
Abb. 5.17 zeigt fur diesen Fall den Reflexionsfaktor S11 an der Stoßstelle zum
EAM (vgl. Abb. 5.16) sowie den Verlauf der Ubertragungsfunktion U qw/E1 in
5.2 Ansteuerung schlecht angepaßter Modulatoren uber Wellenleiter 103
Form ihres Betrages und der Phasendifferenz ∆Φ. Hinsichtlich der Ubertragungs-
funktion beachte man, daß der Treiberausgang im Modell Abb. 5.16 noch als idea-
lisierte Wellenquelle angenommen ist. Selbstverstandlich muß im System die Ein-
bettung des EAMs zwischen Wellenleitern zusammen mit dem Ausgangskreis des
Treibers betrachtet und simuliert werden, um die Interaktion (Doppelreflexion)
zu erfassen. Auch die —aus didaktischen Grunden vorgenommene— vereinfachte
Modellierung der Eingangsimpedanz des EAMs muß verfeinert werden.
Die Interaktion von Sender
0 V
-2 V
uqw
10 ps
Abb. 5.18: Augendiagramm (40 Gbit/s) derSpannung uber dem Quantumwelleines uber Leitungen angesteuertenEAMs. (Fur Details siehe Text).
(Treiberausgang) und Empfanger
(EAM) ist einerseits eine Chance,
andererseits aber auch eine Ge-
fahr. Zwar hat man in Form der
Anpassung von Sender und EAM
zueinander einen gewissen Frei-
heitsgrad. Gerade hier liegt aber
auch die Gefahr, denn eine solche
Optimierung steht und fallt mit
der quantitativ exakten Model-
lierung beider Komponenten und
deren Verbindungstechnik, eine mehr als große Herausforderung angesichts einer
Datenrate von 40 Gbit/s . Abschließend sei in Abb. 5.18 das Augendiagramm am
Quantumwell des uber Leitungen angesteuerten, nun durch sein vollstandiges Er-
satzschaltbild (vgl. Kap. 2) modellierten EAMs gezeigt. Die Ansteuerung erfolgt
mit dem im nachsten Kapitel besprochenen EAM-Treiber fur direkte Ansteue-
rung, hier jedoch uber 50 Ω-Leitungen mit jeweils 86 ps einfacher Laufzeit32.
Als Fazit ist die Ansteuerung gangiger Elektroabsorptionsmodulatoren bei
Datenraten von 40 Gbit/s uber Leitungen wohl schwerlich realisierbar. Man mag
argumentieren, daß bei einphasiger Ansteuerung nur die einfache Quantumwell-
Kapazitat Cqw zu treiben ist (statt effektiv 2Cqw im Differenzbetrieb), somit
Reflexionsfaktor- und Transmissions-Bandbreite um den Faktor√
2 verbessert
sind. Hierbei darf man aber nicht vergessen, daß dann ein doppelt so hoher einpha-
siger Ausgangshub benotigt wird. Angesichts einer Datenrate von 40 Gbit/s ist
ein einphasiger Ausgang aber ohnehin ein Wagnis, da dessen Signalqualitat emp-
findlich von (schwer modellierbaren) Gleichtaktstorungen beeintrachtigt wird.
Im anschließenden Kapitel wird eine elegante Losung dieses Problems prasen-
tiert, eine direkte Ansteuerung des EAMs inklusive einstellbarer Vorspannung.32Dies entspricht einem grob abgeschatzten mechanischen Aufbau mit jeweils 1 cm langen
Mikrostreifenleitungen auf einer Al2O3-Keramik (εr = 6,7). Fur feste Sender- und Empfange-rimpedanzen existiert sicherlich, wie in [102], eine optimale Leitungslange. Es ist jedoch offen-sichtlich, daß diese Art der Ansteuerung, die man auch als analoge Wellenfilter beschreibenkann [101], hochst empfindlich auf Parameterschwankungen und parasitare Einflusse reagiert,so daß auf eine weitergehende Optimierung verzichtet wurde.
1045. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
5.3 Direkt angekoppelter EAM
5.3.1 Analytische Betrachtungen
In den beiden vorangehenden Teilkapiteln wurde das Ziel — eine moglichst op-
timale Signalumsetzung von elektrischer Treiberstufe zum elektrooptischen Sen-
deelement — durch getrennte Betrachtung der Einzelkomponenten angegangen.
Dabei wurde, zum Beispiel aus Grunden einer besseren Entwarmung, von einer
ortlichen Separation ausgegangen, die uber Wellenleiter uberbruckt wird. Bei ho-
hen Datenraten (40 Gbit/s) ist im Fall eines EAMs eine direkte Kopplung von
Treiber- und Modulatorchip vorteilhaft, da schwer erfullbare Forderungen an die
Reflexionsfaktoren der beiden Komponenten gewissermaßen “entfallen”33.
(Massekontakt)
Durchkontaktierung
Al2O3
~~
~~ ~~
Treiberchip
Bondfleck
Messing-Klotz (Substratträger)
Bonddrähte (Au)
EAM
Optische Achse
Vorspannungs-Erzeugung
qwR
qwCUqw
RP
12 I’Q
12 I’Q
CQ
CQ
12 IQ
12 IQ
LZ12
LZ12
RPLQ
LQ
k
EAM Treiber-Ausgang
Abb. 5.19: Links: Skizze eines Sendermoduls mit Treiberchip und direkt angekoppel-tem EAM. Rechts: Ausgangskreis mit vereinfachten Modellen fur EAMund Ausgangsstufe des Treiberchips.
Wie in Abb. 5.19 grob skizziert, wird der Ausgang des Treiberchips uber
Bonddrahte direkt mit einem differentiellen EAM-Chip verbunden. Ausreichende
Linearitat der elektrooptischen Konversion vorausgesetzt, ist das Ziel somit — wie
beim ohmschen Lastfall (Kap. 5.1.1) — ein moglichst breitbandiger Frequenzgang
der (Gegentakt-)Transimpedanz ZT = U qw/IQ (Abb. 5.19, rechts).
33Der Reflexionsfaktor sei jetzt im Sinne der Leitungstheorie verstanden. In der im vorange-henden Teilabschnitt angewandten Wellenparametertheorie sind Reflektanz und Transmittanzauch ohne Wellenleiter definiert. Das Lastsignal kann dann als Uberlagerung einer hinlaufendenund reflektierten virtuellen Welle verstanden werden [101]. Eine solche Betrachtung bietet andieser Stelle jedoch keine Vorteile.
5.3 Direkt angekoppelter EAM 105
Fur eine vereinfachte analytische Betrachtung kann der Schaltungsblock uber
den Lastwiderstanden RP zunachst als Signalkurzschluß idealisiert werden. Der
EAM wird vereinfacht (vgl. Abb. 2.4) durch seine Zuleitungsinduktivitat LZ , den
Bahnwiderstand Rqw und die Quantumwell-Kapazitat Cqw modelliert. Die Model-
lierung des Treiberausgangs erfolgt durch zwei im Gegentakt betriebene Strom-
quellen, die Lastwiderstande RP und die Ausgangskapazitaten CQ (Abb. 5.19).
Nun konnte man, mit etwas mathematischem Aufwand, die Gegentakt-
Transimpedanz in Form einer Tiefpaßfunktion dritter Ordnung angeben. Eine
elegantere, weil das Verstandnis der Resonanz-Mechanismen fordernde Methode,
ist jedoch die bereits im ohmschen Lastfall eingefuhrte “Y-Operatormethode”,
freilich mit einem dem neuen Lastfall angepaßten Operator:
Y T = Z−1T =
I ′QU qw
= jωC ′qw +
[1 + jω
2d
ω0
+
(jω
ω0
)2]·(
1
RP
+ jωCQ
)= jωC ′qw + Y
PT2S
1
RP
+ jωCQ
(5.21)
wo2d
ω0
= R′qw·C ′qw =Rqw
2·2Cqw und
1
ω20
= L′Q ·C ′qw =
[(1−k)LQ+
LZ2
]·2Cqw.
Der Hauptvorteil dieses Formalismus’ wird in Kap. 5.1.1 ausfuhrlich diskutiert.
Im folgenden wird nur von der resultierenden Zweipol-Ersatzdarstellung fur Y T
Gebrauch gemacht. Sie gestattet ein anschauliches Verstandnis der Resonanz-
Mechanismen bei weitstgehendem Verzicht auf Rechnung. Die Korrespondenz-
tafel Abb. 5.2 laßt sich weiterhin verwenden, wenn τ = 2d/ω0 gesetzt wird und
bei der Transformation dem auf sich selbst abgebildeten Teil des Bauelementes
zusatzlich ein mit dem Faktor−ω2/ω20 multiplizierter Teil parallel geschaltet wird.
Mithin bewirkt der neue Operator neben der vom ohmschen Lastfall bekannten
Realteilresonanz zusatzlich eine Imaginarteilresonanz. Abb. 5.20 verdeutlicht den
Sachverhalt: Durch den“Y-Operator” werden die (internen) Lastadmittanzen RP
und CQ auf je drei Transadmittanz-Bauelemente parallel zur relevanten externen
Last(-kapazitat) Cqw abgebildet. Dabei entspricht der waagerechte Zweig dem
Ersatzschaltbild fur den Fall L′Q = 0, welches (in ZT ) einen stark gedampften
Tiefpaß zweiter Ordnung darstellt. Umgekehrt kann der abgewinkelte Zweig als
L′Q-abhangiger “Transadmittanz-Zuwachs” gedeutet werden. Durch Nullsetzen
der Leitwert-, respektive der Kapazitatssumme, entnimmt man Abb. 5.20 unmit-
telbar die beiden Kreisfrequenzen
ωRe = ω0 ·
√1
1 + 2dω0RPCQund ωIm = ω0 ·
√1 +
C ′qwCQ
+2d
ω0
1
RPCQ(5.22)
fur Resonanz des Realteils beziehungsweise Resonanz des Imaginarteils von Y T .
1065. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
QCQC
-12dω2ω0P
2dω0R
RP
ω0
2ωQC
ω0RP ω2
=2dω0
Rqw C2 qw21
Transadmittanz-Ebene
LQ(1-k) LZ21 C2 qw
C2 qw
2’ TY
2
+1 =ω20
Abb. 5.20: Gegentakt-Transadmittanz des Ausgangskreismodells Abb. 5.19. Der ab-gewinkelte Zweig entspricht dem “Transadmittanz-Zuwachs” fur L′Q > 0.
Fur eine moglichst hohe Grenzfrequenz von Y T muß zunachst ω0 moglichst
groß sein. Bei vorgegebener EAM-Kapazitat Cqw fallt damit der Aufbautech-
nik die Aufgabe zu, L′Q zu minimieren. Hierzu werden die Ausgangsbonddrahte
durch Niveauangleichung von EAM- und Treiberchipoberflache moglichst kurz
ausgefuhrt. Durch Wahl eines Minimalabstands fur die beiden komplementaren
Ausgange wird der Koppelfaktor k maximiert (Abb. 5.19). Eine klassische
Abschatzung der Induktivitat anhand langenspezifischer Formeln (z.B. [103]) ver-
liert hier ihre Gultigkeit, weshalb Eigeninduktivitat und Kopplung mit einem
quasi-magnetostatischen Simulator berechnet wurden. Als Ergebnis dieser Simu-
lationen — der interessierte Leser sei (fur ein ahnliches Beispiel) auf den Anhang
verwiesen — konnen als Optimum folgende Werte erreicht werden:
L′Q = (1−k)LQ + 1/2 LZ ≈ (1− 0,33) · 0,22 nH + 0,05 nH ≈ 0,2 nH . (5.23)
Eine “Erweiterung” (mit L′Q) des waagerechten Y T -Zweiges (L′Q = 0) in Abb. 5.20
zu einem moglichst breitbandigen Frequenzgang von Y T setzt aber auch voraus,
daß die dominante (kleinere) der beiden Tiefpass-Grenzfrequenzen (D > 1)
2πf1,2 =1
Ω0D ± Ω0
√D2 − 1
,
wo Ω0 =1√
R′qwC′qwRPCQ
und D =RP
(CQ + C ′qw
)+R′qwC
′qw
2√R′qwC
′qwRPCQ
, (5.24)
bereits ausreichend hoch liegt. Wie man dem Dampfungsterm D entnimmt, muß
hierfur nicht nur die “Treiber-RC-Zeitkonstante” RPCQ, sondern auch RPC′qw
und damit RP selbst ausreichend klein sein34. Als Kompromiß zwischen moglichst
kleiner Zeitkonstante und zusatzlicher Verlustleistung (Zunahme von ∆IQ) wird
34Bei Zugrundelegung einer naherungsweise proportionalen Zunahme von CQ mit dem Strom-hub ∆IQ und durch den EAM vorgegebenem Spannungshub, ∆UQ = RP · ∆IQ, ist der ersteAnteil der Zeitkonstante, d.h. RPCQ, nur schwach von ∆IQ abhangig. Zur Minimierung derGesamtzeitkonstante ist daher RP ausreichend niederohmig zu wahlen.
5.3 Direkt angekoppelter EAM 107
−21−18−15−12
−9−6−3
036
0 10 20 30 40 50
|ZT/ZT0|
[dB]
f [GHz]
−45
−30
−15
0
15
30
45
0 10 20 30 40 50
∆φ
[°]
f [GHz]
ZT ZT0
=0,2 nHL’Q
=0,2 nHL’Q
L’Q =0
Q =0L’
Abb. 5.21: Betrag (links) und Phasendifferenz (rechts) der Transimpedanz ZT furL′Q = 0 und L′Q = 0.2 nH .
ein Wert RP = 25 Ω gewahlt. Mit C ′qw = 2 · 90 fF , R′qw = 1/2 · 8 Ω und
CQ = 170 fF folgt dann f0 = 26,5 GHz , fRe = 25,4 GHz und fIm = 39,6 GHz .
In der Realteilresonanz von Y T spiegelt sich nahezu genau die Imaginarteil-
Resonanz (Gl. 5.21: f0 = 26,5 GHz , d = 0, 06 !) der externen Lastimpedanz
(Bondinduktivitat und EAM) wider. Eine Betrachtung der Kapazitatssumme in
Abb. 5.20 ergibt fur die Suszeptanz bei f0 den Wert 2d/RP +4πf0Cqw ≈ (29 Ω)−1.
Im Gegensatz zur kaum gedampften Resonanz der externen Lastimpedanz ist
die resultierende Realteilresonanz in Y T “optimal” (29 Ω ≈ RP = Y −1T
∣∣ω=0
)
gedampft. Umgekehrt wird die Imaginarteilresonanz in Y T bei annahernd 40 GHz
durch einen ausreichend großen Betrag des (jetzt negativen) Realteils gedampft.
Abb. 5.21 zeigt, daß hierdurch insgesamt ein breitbandiger Verlauf erzielt wird35.
Die Grenzfrequenz im Betragsverlauf betragt annahernd 40 GHz , die der Pha-
sendifferenz (∆Φ = 30, [90]) 34 GHz . Beide Werte liegen oberhalb der drit-
ten Oberwelle einer 1100-Folge bei 40 Gbit/s (→ 30 GHz ). Das Ausgangssignal
kann damit ausreichend verzerrungsfrei an den Quantumwell des EAMs ubert-
ragen werden [59]. Die Verlaufe fur L′Q = 0 sind ebenfalls dargestellt. Wegen
f1 = 17,4 GHz (f2 = 475 GHz , Gl. 5.24) ist die Bandbreite drastisch reduziert.
Abb. 5.21 beinhaltet zwei fundamentale Aspekte: Einerseits kann uber L′Qein breitbandiges Ubertragungsverhalten an den Quantumwell des EAMs erreicht
werden. Andererseits kann der Wert von 0, 2 nH aber wohl schwerlich weiter ver-
kleinert werden. Die eingangs angesetzte Vernachlassigung der Eingangsimpedanz
des Vorspannungsblocks oberhalb der Lastwiderstande RP (vgl. Abb. 5.19) ist so-
mit ein fundamentales Entwurfskriterium dieses Blocks, da weitere Anhebungen
im Frequenzgang von ZT zu vermeiden sind. Im nachfolgenden Kapitel wird ei-
ne neuartige Ausgangstufe mit aktiver Last diskutiert, die eine elegante Losung
dieser Problematik gestattet36.
35Wahrend die Transadmittanz fur analytische Betrachtungen besonders vorteilhaft ist, sollhier wieder die “naturliche” Ubertragungsfunktion, die Transimpedanz ZT , betrachtet werden.
36 Im Vorfeld des Schaltungsentwurfs wurden auch Studien zu passiven Losungsansatzen un-ternommen [104, 82]. Wenngleich diese letztendlich nicht zum Einsatz gelangten, sind einigeihrer grundsatzlichen Aspekte interessant und so findet der interessierte Leser einige Anmer-kungen zu dieser Thematik im Anhang A.4.
1085. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
5.3.2 Eine spezielle Ausgangsstufe fur die direkte An-
steuerung eines differentiellen EAMs
Bislang wurde der in Abb. 5.19 als “Vorspannungs-Erzeugung” bezeichnete Block
oberhalb der Lastwiderstande nicht berucksichtigt. Fur einen korrekten Betrieb
eines EAMs darf dessen Quantumwell jedoch nicht wesentlich in Flußrichtung
betrieben werden. Der differentiellen Signalspannung muß daher in geeigneter
Weise eine differentielle Biasspannung UBias uberlagert werden.
Betrachtet man die Aufbauskizze in Abb. 5.19 und berucksichtigt, daß in
der optische Achse keine Leitungen oder Bauelemente plaziert werden konnen,
ist es naheliegend UBias auf dem Treiberchip zu erzeugen. In jedem Fall sollte
UBias uber den Hochfrequenzausgang des Treibers zugefuhrt werden, sowohl aus
Platzgrunden aber auch aufgrund der nicht trivialen (und zudem kostspieligen)
Abblockproblematik bei Datenraten von 40 Gbit/s .
Zu Beginn der Studien wurden Untersuchungen in Richtung einer “passi-
ven Biaseinstellung” unternommen, bei der zwei externe Gleichspannungen uber
Bonddrahte in Reihe zu den Lastwiderstanden RP in den Ausgangskreis ein-
geschleift wurden. UBias ergibt sich dann als Differenz der beiden Spannungen
[82]. Ausgehend von Abb. 5.21 fuhrt eine in Reihe zu RP eingebrachte Bond-
drahtinduktivitat (beispielsweise nur 0,2 nH ) jedoch zwangslaufig zu einer star-
ken Uberhohung im Betragsverlauf von ZT und damit verbunden zu einer zu
kleinen Grenzfrequenz der Phasendifferenz. Durch ein Kompensationsglied —
eine differentiell zwischen den beiden Treiberchip-Ausgangen eingebrachte RC-
Reihenschaltung — kann bei gleichbleibendem Ausgangshub die Gute der Reso-
nanz oberhalb der RC-Grenzfrequenz des Kompensationsgliedes verschlechtert
werden und so die Wirkung der unerwunschten Zusatzbondinduktivitat teil-
weise wieder kompensiert werden [82]. Ein entscheidender Nachteil ist jedoch
die — neben der bereits unumganglichen Empfindlichkeit gegenuber der Aus-
gangsbondinduktivitat (vgl. Abb 5.21) — zusatzlich eingebrachte Empfindlichkeit
bezuglich der Bonddrahte zu den externen Spannungen und der parasitaren Ele-
mente der benotigten Abblockkondensatoren [105, 106]. Eine besondere Proble-
matik erwachst dabei aus der benotigten quantitativen Gleichtakt-Modellierung
der Aufbautechnik, schon allein eine Herausforderung angesichts einer Datenrate
von 40 Gbit/s . Bei einer als “Sicherheit” entwickelten Treiberversion mit passi-
ver Biaslosung wird diese Problematik durch ein spezielles Layout fur Leitungen
und Bonddrahte der Ausgangsstufe entscharft. Dabei treten ausschließlich Paare
von im Gegentakt betriebenen Leitungen und Bonddrahten auf. Auf diese Ver-
sion und ihre Nachteile soll hier jedoch nicht weiter eingegangen werden37, da
die im folgenden beschriebene, auch kostengunstigere Losung, in der Praxis volle
37Der interessierte Leser findet einige Anmerkungen im Anhang A.4.
5.3 Direkt angekoppelter EAM 109
LQ
LQR ΣV,
Rcond
U0
LGND
LU0
IN
U1
uqw
B1
K1
B2( )
SS2
EAM
k
BAS
3 EF 3 EFSS1
Q
I
QN
RxCx
UBias
Ry1
Ry2
LU1
EF1EF1
RP RP
EF2 EF2
Abb. 5.22: Vereinfachtes Blockschaltbild eines 40 Gbit/s-Modulatortreibers mit spe-zieller Ausgangsstufe zur direkten Kopplung mit einem EAM.
Funktionsfahigkeit gezeigt hat.
Um mit den besten heute zur Verfugung stehenden SiGe-Bipolartechnologien
die Elektronik geplanter 40 Gbit/s-Systeme zu realisieren, mussen zunachst geeig-
nete Systemkonzepte [2] mit reduzierten Anforderungen an geschwindigkeitskriti-
sche Schaltungskomponenten gewahlt werden [8]. Die Verwendung von Elektroab-
sorptionsmodulatoren reduziert die fur ausreichende optische Extinktion benotig-
ten Spannungshube. Wird wie im vorliegenden Fall ein symmetrischer EAM ein-
gesetzt, resultieren neben einer Halbierung des Spannungshubes (2× 1 Vss) eine
Reihe weiterer Vorteile aus dem Differenzbetrieb [44].
Abb. 5.22 zeigt ein Blockschaltbild eines EAM-Treibers, der fur ein nach
dem elektrischen Zeitmultiplexverfahren arbeitendes 40 Gbit/s-Glasfaser-Uber-
tragungssystem ([41, 2]) entwickelt wurde. Bis auf die Ausgangsstufe entspricht
die Topologie weitestgehend derjenigen des 10 Gbit/s-Laser-/Modulatortreibers
(Abb. 4.1), der bei der Betrachtung grundsatzlicher Problemstellungen in Kap. 4
herangezogenen wurde. Die Ausgangsstufe wird jedoch durch eine Basisschaltung
(BAS ) zu einer Kaskodestufe erganzt. Hierbei steht weniger der von analogen
Verstarkern bekannte Millereffekt am Eingang des Stromschalters SS2 im Vor-
1105. Ausgangsstufenkonzepte zur Ansteuerung verschiedener
Typen von elektrooptischen Modulatoren
dergrund, sondern das verbesserte Durchbruchsverhalten von Bipolartransistoren
in Basisschaltung (Kap. 4.5). Dies wird hier benotigt, denn bedingt durch einen
Einstellbereich der EAM-Vorspannung gemaß −2 V ≤ UBias ≤ 0 V , weist der
Basisschaltungstransistor auf der Seite Q eine um bis zu 2 V hohere Kollektor-
Emitterspannung UCE auf als auf der Seite QN. Dies ist prinzipiell nicht zu ver-
meiden, denn eine zusatzliche Absenkung des Kollektorpotentials nur auf der Sei-
te Q fuhrt durch zusatzliche Kapazitat zu einer nicht tolerierbaren elektrischen
Unsymmetrie der Ausgange Q und QN. Wird zur Vermeidung von Hochstrom-
effekten (Kap. 4.4) auf der Seite QN eine minimale Spannung UCE,min = 1 V
gewahlt, so gilt bei einem differentiellen Hub von ∆Uqw = 2 V und UBias = −2 V
auf der anderen Seite UCE,max = UCE,min + UBias + 1/2 · ∆Uqw = 4 V .
Selbst im durchgeschalteten Zustand ist UCE = 3 V und entspricht somit etwa
UCE0 = 2,7 V der verwendeten Technologie. Die tatsachliche Durchbruchspan-
nung eines Transistors ist je nach Betriebsbedingungen großer als UCE0, aber auch
kleiner als die Basis-Kollektor-Diodendurchbruchspannung UCB0 (hier: 8 V ). Par-
allel zur Schaltungsentwicklung wurden Durchbruchsmessungen an Einzeltransi-
storen durchgefuhrt mit dem Ergebnis, daß ein Betrieb oberhalb UCE0 im Fall
der stromangesteuerten Basisschaltung moglich ist38.
Bevor der obere Teil der Ausgangsstufe betrachtet wird, sei noch auf zwei
Besonderheiten der BAS eingegangen, die WiderstandeRV,Σ undRcond. Die Funk-
tion von RV,Σ, namlich die Vermeidung potentieller Instabilitat, wird ausfuhrlich
in Kap. 6.1.2 behandelt. Rcond definiert das Emitterpotential des jeweils ausge-
schalteten BAS -Transistor durch einen geringen, immer fließenden Querstrom.
Die augenscheinlichste Modifikation gegenuber dem Grundkonzept der Aus-
gangsstufen in dieser Arbeit stellt der Schaltungsblock uber den Lastwiderstanden
RP (Abb. 5.22) dar. Seine Entwicklung erfolgte unter Maßgabe dreier Aufgaben:
Bereitstellung einer elektronisch einstellbaren EAM-Vorspannung UBias.
Vermeidung jeglicher externer Komponenten, insbesondere von Abblock-
kondensatoren.
Minimierung zusatzlicher Anhebungseffekte durch niederohmige, nur leicht
induktive Ausgangsimpedanz.
Fur die Realisierung der EAM-Vorspannung werden die beiden Lastwiderstande
RP mit den Ausgangen zweier kaskadierter Emitterfolgerstufen EF1 und EF2
verbunden. Die Vorspannung UBias ergibt sich so als die Differenz der Basispo-
tentiale der beiden EF1 -Transistoren, welche uber den Spannungsteiler, gebildet
38Die Modellierung von Durchbruchsmechanismen und deren Berucksichtigung in Transistor-modellen ist Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten [79].
5.3 Direkt angekoppelter EAM 111
aus den Widerstanden Rx, Ry1 und Ry2, eingestellt wird. Der Nominalwert be-
tragt UBias = −1 V , kann aber durch Beschaltung von B1 (und/oder B2 ) mit
einem Potentiometer bei gleichbleibender Signalqualitat kontinuierlich in einem
Bereich −2 V ≤ UBias ≤ 0 V eingestellt werden.
Die Ausgangsimpedanz von EF2 weist uber die komplexe Stromverstarkung,
β ≈ jω/ωT , eine kleine induktive Komponente auf39, welche die Pulsform der
Ausgangsspannung aber nur wenig beeinflußt. Rx an der Basis von EF1 muß zur
Vermeidung eines Anstiegs von dessen Ausgangsimpedanz zu hohen Frequenzen
hin durch die Abblockkapazitat Cx kurzgeschlossen werden. In Ermangelung in-
tegrierter Kondensatoren wird Cx = 0.3 pF in einfacher Weise durch die Oxidka-
pazitat zwischen benachbarten Metallisierungsebenen realisiert. Hierbei kommt
das zweistufige Emitterfolgerkonzept mit einer kleineren Kapazitat aus als bei
Verzicht auf EF1. Aus Symmetriegrunden und zur Kompensation des Basisstro-
meinflusses wird auch EF1 der anderen (in der Regel nicht abgesenkten) Seite
entsprechend beschaltet. Zu einem gewissen Grad kann die Pulsform des Aus-
gangssignals uber den einstellbaren Ruhestrom von EF1 beeinflußt werden [107],
jedoch eher gering aufgrund des “Hochfrequenz-Kurzschlusses” der Ausgangsim-
pedanz von EF1 uber die Basis-Kollektorkapazitat von EF2.
Der erste Punkt des oben definierten Anforderungsprofils der Vorspannungs-
erzeugung ist damit erfullt. Die beiden anderen, Minimierung (induktiver) An-
hebungseffekte und Verzicht auf externe Abblockung, sind eng miteinander ver-
knupft. Stabilitat vorausgesetzt, kann auf eine Abblockung dann verzichtet wer-
den, wenn (Gegentakt-)Stromspitzen noch auf dem Chip, vorzugsweise direkt
an ihrem Entstehungsort, kompensiert werden und durch großflachige Uberlap-
pung der Metallisierungen der Masse- und Versorgungsspannungen eine stabile
Signalmasse realisiert wird. Offensichtlich trifft dies in besonderen Maße fur die
Vorspannungserzeugung zu: Jede Storung, die eine endliche Differenzspannung
zwischen den Basen von EF1 verursacht, wird in voller Hohe dem differenti-
ellen Ausgangs-Nutzsignal uberlagert. Im Strukturentwurf muß diesem Punkt
daher besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Ein vollsymmetrischer Ent-
wurf mit Seite an Seite angeordneten komplementaren Leitungen Widerstanden
und Transistoren sorgt fur Kompensation von Gegentaktstromspitzen unmittel-
bar am Entstehungsort. Gleichtaktinduktivitaten, insbesondere die Bondindukti-
vitat LU1 sind unkritisch. So kann der Treiber in der Praxis trotz einer Datenrate
von 40 Gbit/s und hohen Stromen vollig ohne externe Abblockkondensatoren be-
trieben werden. Meßergebnissen und deren Vergleich mit der Simulation widmet
sich Kap. 8.3.
39Im Umschaltpunkt ergibt sich als Ersatzschaltbild der Ausgangsimpedanz von EF2 einerSeite naherungsweise eine Reihenschaltung eines 8 Ω-Widerstandes mit der Parallelschaltungaus einer Induktivitat und einem Widerstand mit den Werten L ≈ 75 pH und R ≈ 14Ω.
Kapitel 6
Die Stabilitatsproblematik in
Treiberschaltungen
Mit dem Aufeinandertreffen hoher Betriebsgeschwindigkeit, großer Strom- und
Spannungshube und, damit verbunden, verglichen mit anderen Hochgeschwindig-
keitsschaltungen deutlich niederohmigeren Schaltungsknoten, sind Treiberschal-
tungen im besonderen Maße anfallig fur Stabilitatsprobleme. Die notwendige Be-
dingung fur Instabilitat — das Auftreten negativer Realteile in Wirkungsfunk-
tionen [101] (z.B. Eingangsadmittanz von Schaltungsstufen) — resultiert aus der
frequenzabhangigen Stromverstarkung der Transistoren (vgl. Kap. 6.1.1). Dies
ist naturlich kein nur in Treiberschaltungen beobachtbarer Effekt. Wie sich je-
doch zeigen wird, ist in Treiberschaltungen die Großenordnung dieses Effekts eine
andere.
Die Diskussion typischer Stabilitatsprobleme wird nachfolgend von zwei Sei-
ten angegangen. Das unmittelbar anschließende Teilkapitel behandelt die poten-
tielle Instabilitat einzelner Teilschaltungen uber die Betrachtung des Frequenz-
gangs geeignet definierter “Test-Admittanzen”. Ausschlaggebend dafur, ob eine
potentielle Instabilitat einzelner Schaltungsteile tatsachlich zur Oszillation fuhrt,
sind haufig die parasitaren Elemente und Effekte des Strukturentwurfs (Layout),
deren elektrischer Modellierung daher der daran anschließende Abschnitt gewid-
met ist. Am Fallbeispiel eines 20 Gbit/s-Modulatortreibers werden schließlich
Regeln fur den Strukturentwurf schneller Treiberstufen diskutiert.
6.1 Potentielle Instabilitat einzelner
Schaltungszellen und Transistorstufen
6.1.1 Grundzelle aus Emitterfolgern und Stromschalter
Die wohl am haufigsten in Laser- und Modulatortreibern auftretende Schaltungs-
konfiguration ist die Grundschaltung der Stromschaltertechnik und hier genauer
114 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
der E2CL-Schaltungstechnik. Diese Grundzelle setzt sich aus mehreren kaska-
dierten Emitterfolgerstufen (EF ) zusammen, die eine Stromschalterstufe (SS ) an-
steuern. Aus Grunden, auf die hier nicht naher eingegangen werden soll, hat sich
bei Schaltungen fur die optische Ubertragungstechnik diese Variante der Strom-
schaltertechnik gegenuber der vorwiegend in Logikschaltkreisen dominierenden
“klassischen” ECL-Schaltungstechnik durchgesetzt. Weiterhin werden aufgrund
einer Reihe von Vorteilen uberwiegend differentielle Schaltungskonzepte einge-
setzt (vgl. hierzu z.B. [44]). Alle in dieser Arbeit entwickelten Treiberschaltungen
verwenden (in teilweise leicht modifizierter Form) solche Grundzellen. Deren im
folgenden diskutierten Stabilitatsaspekte sind daher ganz allgemein auf die rea-
lisierten Treiberschaltungen anwendbar.
Betrachtet wird die in Abb. 6.1 auf der rechten Seite dargestellte Schnittstelle
zwischen erster und zweiter Zelle des 20 Gbit/s-Modulatortreibers aus Abb. 3.2.
Parallel zu Basis und Kollektor der beiden Transistoren von EF4 werden je zwei
Klemmen herausgefuhrt, zwischen denen im folgenden als Test-Admittanzen be-
zeichnete Admittanzen Y K,EF4,Q und Y K,EF4,QN definiert werden. In einem Ge-
dankenexperiment wird jeweils der Leitwert des Lastwiderstands, GSS1 = R−1SS1,
subtrahiert und die so gebildeten Admittanzen mit Y K,EF4,Q und Y K,EF4,QN be-
zeichnet. An der eingangsseitigen Schnittstelle, d.h. fur die erste Schaltungzelle,
wird analog verfahren. Das ’K’ im Index deutet die Verwandtschaft zu der in [59]
definierten Kernadmittanz an, mit der an dortiger Stelle Stabilitat und Band-
breite von Teilstufen eines AGC-Verstarkers untersucht werden.
Im Unterschied zu [59] wird aber keine Gegentakt-Admittanz definiert, son-
dern eine “einphasige” Betrachtung vorgenommen. Dieses Vorgehen ist aus der
meß- und simulationstechnischen Erfahrung mit den in dieser Arbeit entwickelten
Laser- und Modulatortreibern motiviert, bei denen in keinem Fall reine Gegen-
taktoszillationen auftraten. Dagegen wurden sowohl reine Gleichtaktoszillationen
(im Umschaltpunkt ohne anliegendes Signal) als auch “einphasige” Oszillationen
(d.h. bei statisch umgeschaltetem Eingang) beobachtet1.
1In [59] wurden als “MK-Parameter” bezeichnete Streuparameter fur N-Tore im Differenz-betrieb eingefuhrt. Die dort fur Streuparameter vorgenommene Ableitung laßt sich ganz all-gemein als Transformation von “Zweitorvariablen” eines Torpaares in Gleichtakt-, Gegentakt-und Konversionsvariablen auffassen. Offensichlich konnten so anstatt zweier einphasiger Test-Admittanzen Y K,EF4,Q und Y K,EF4,Q auch Gleich-, Gegentakt- und zwei “Modenkonversions”-Y-Parameter definiert werden. Wahrend dies fur lineare Schaltungen einen Einblick in den Me-chanismus etwaiger Stabilitatsprobleme ermoglichen kann (z.B. Klarung ob Gleich- oder Gegen-taktproblem) ist diese Vorgehensweise fur Treiberschaltungen in der Regel nicht zweckmaßig.Aufgrund des Großsignalbetriebes sind die einphasigen Test-Admittanzen vom Schaltzustandabhangig, so daß (ausgenommen im Umschaltpunkt) keiner der beiden symmetrischen Modi(Gleich- oder Gegentakt) allein auftreten kann.
6.1 Potentielle Instabilitat einzelnerSchaltungszellen und Transistorstufen 115
SS1I81
SS1I OS2IOS1I
U0 = -5 V
Ω14Ω50
RI
YK,EF4,QN
K,EF4,QN SS1GY~
YK,EF4,Q
K,EF4,QY SS1G~
YK,IN
K,IN GIY~
K,I G IY~
YK,I RSS1
C,SS1I
C,SS1,NI
E,EF3I
E,EF3,NISS1
EF3
EF3I
EF4
INI EF2
1. Zelle 2. Zelle
Signalweg zumAusgang Q
Abb. 6.1: Zur Definition von “Test-Admittanzen” an der Schnittstelle zwischen ersterund zweiter Zelle sowie am Eingang der ersten Zelle. Konkret dargestelltsind die Verhaltnisse fur den 20 Gbit/s-Modulatortreiber (vgl. Abb. 3.2).Aufgrund der prinzipiell identischen Topologie gelten entsprechende Defini-tionen auch fur den 10 Gbit/s-Laser-/Modulatortreiber (vgl. Abb. 4.1).
Abb. 6.2 zeigt fur den 20 Gbit/s-Modulatortreiber simulierte Ortskurven von
Y K,EF4,Q in der komplexen Admittanzebene. Dabei wurde der Spannungspegel
an der Basis von EF4 (durch entsprechende statische Beschaltung des Eingangs)
gemaß den beiden logischen Zustanden sowie des Umschaltpunktes eingestellt.
Im “High-Pegel” wird die EF-Kette (EF4, EF5, EF6, vgl. Abb. 3.2) durch einen
den vollen Schaltstrom fuhrenden Ausgangstransistor belastet. Bei “Low-Pegel”
an der Basis von EF4 sperrt der entsprechende Ausgangsstufentransistor hinge-
gen. Um fur die folgende Betrachtung einen schnellen Uberblick zu gestatten,
lassen sich neben den ohmschen Leitwerten auf der unteren Abszissenachse, auf
116 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
der oberen (jedoch nichtlinearen) Abszissenachse auch die zugehorigen ohmschen
Widerstande ablesen.
0
50
100
150
200
−100 −50 0 50 100 150
−10 −20 −∞ ∞ 20 10 6,7
UmschaltpunktHigh−PegelLow−Pegel
YK,EF4
~ [mS]Re
YK,EF4
~
[mS]
Im
YK,EF4
~ )-1 [Ω](Re
f[GHz]
40
25
30
35
30
1015
25
20
05
15
Abb. 6.2: Ortskurven der Admittanz Y K,EF4,Q fur verschiedene Schaltzustande derStromschalter-Ausgangsstufe des 20 Gbit/s-Modulatortreibers. (Frequen-zen: f = 0, 5, 10, . . . , 35, 40 GHz).
Bei der Erorterung typischer Dimensionierungsaspekte schneller Treiberstu-
fen wurde in Kap. 3 angemerkt, daß zur Erzielung steiler Flanken der Ausgangs-
spannung auch der differentielle Spannungshub an den Basen der Ausgangsstu-
fentransistoren bereits vergleichsweise hohe Werte aufweist (≈ 1,1 V fur den 10-
sowie den 20 Gbit/s-Treiber). Angesichts solchen Spannungshubes erschien die
niederohmige Dimensionierung der Lastwiderstande (RSS1 = 14 Ω) des ersten
Stromschalters unlogisch, da hiermit ein hoher Schaltstrom (ISS1 = 40 mA) ver-
bunden ist. Anhand von Abb. 6.2 wird jedoch offensichtlich, weshalb die Lastwi-
derstande fur einen so niederohmigen Wert ausgelegt werden. Der Grund hierfur
ist die Vermeidung einer potentiellen Instabilitat durch einen sonst in Y K,EF4,Q
verbleibenden Frequenzbereich mit negativem Realteil. Aus der Ortskurve der
“RSS1-bereinigten” Admittanz Y K,EF4,Q laßt sich ablesen, daß hierfur ein ma-
ximaler Wert von RSS1,max ≈ (57 mS)−1 ≈ 17,5 Ω zugelassen werden darf.
Letzterer ergibt sich aus dem im High-Pegel auftretenden betragsmaßig großten
negativen Leitwert der Admittanz-Ortskurve.
Der Kernaspekt ist demnach das Auftreten von betragsmaßig großen negati-
ven Leitwerten am Eingang der zweiten Zelle des Treibers. Ursachlich fur diese
6.1 Potentielle Instabilitat einzelnerSchaltungszellen und Transistorstufen 117
Problematik ist die im Vergleich zu anderen E2CL Schaltungen um ein Vielfa-
ches hohere kapazitive Belastung der Emitterfolger. Eine analytische Betrach-
tung, noch dazu der einphasigen Eingangs-Admittanz, ist aufgrund der Komple-
xitat nicht praktikabel, jedoch sei eine einfache, qualitative Uberlegung erlaubt:
Wird die komplexe Stromverstarkung mit β ≈ ωT/jω angesetzt (z.B. [44]) und
nur die kapazitive Belastung von EF4 durch die Kollektor-Basiskapazitat des
nachfolgenden EF5 betrachtet, so ergibt sich an der Basis von EF4 ein negativer
Realteil der Admittanz
GK,EF4,Q =ωTjω· 1
jωCCB,EF5
= −ω2CCB,EF5
ωT= −0,05 mS
(f
GHz
)2
. (6.1)
Fur eine Frequenz von 25 GHz ergibt sich allein hierdurch bereits ein negati-
ver Realteil von 31,25 mS = (32 Ω)−1. Bei der Kaskadierung dreier EF-Stufen
gibt es aber ganz offensichtlich noch eine Vielzahl anderer Moglichkeiten einer
Transformation negativer Realteile an den Eingang der EF-Kette. Daruberhin-
aus erkennt man in Abb. 6.2 eine merkliche Abhangigkeit vom Schaltzustand der
Ausgangsstufe SS2.
Der optimale Wert von RSS1 ist also ganz wesentlich durch die nachfolgende
Emitterfolgerkaskade und die Ausgangsstufe bestimmt2. Dieses wichtige Ergebnis
ist nicht auf den 20 Gbit/s-Modulatortreiber oder die hier verwendete Technologie
begrenzt. Vielmehr ist dieser Aspekt ganz typisch fur die im Rahmen dieser Arbeit
entwickelten Treiberschaltungen. Dies soll an einem weiteren Beispiel, dem in
Kap. 4 bereits vorgestellten 10 Gbit/s-Lasertreiber, demonstriert werden.
Abb. 6.3 zeigt die simulierten Ortskurven der “RSS1-bereinigten” Admit-
tanzen Y K,EF4,Q und Y K,EF4,QN an der Schnittstelle zwischen erster und zweiter
Zelle des Treibers (vgl. Abb. 4.1). Die Topologie der 10 Gbit/s- und der 20 Gbit/s-
Treiberschaltung ist ahnlich, so daß der Leser zur Definition der beiden Admittan-
zen Abb. 6.2 heranziehen moge. Im Unterschied zum 20 Gbit/s-Modulatortreiber,
bei dem die in Kap. 4.2 diskutierte Symmetrierung der Pulsform der einphasigen
Ausgangsspannung (–bei Datenraten um 20 Gbit/s–) nicht benotigt wird, kommt
dieses Konzept beim 10 Gbit/s-Lasertreiber wesentlich zum Einsatz. Anders als
zuvor mussen daher beide “differentiellen” Signalzweige betrachtet werden. Dabei
referenziert Y K,EF4,Q denjenigen der beiden Signalzweige, uber den der Ausgangs-
stufentransistor der Seite Q ansteuert wird. Dies ist auch die Seite auf welcher
der Offsetstrom IOS2 eingepragt wird (vgl. Abb.4.1 und Kap. 4.2).
Aufgrund der durch IOS2 eingebrachten elektrischen Unsymmetrie sind die
Admittanzen der beiden Seiten merklich unterschiedlich. Sieht man hiervon ab,
2Aus diesem Grund ist eine Optimierung der ersten Stufe fur sich, d.h. nur unter der Rand-bedingung eines bestimmten Ausgangshubes, nicht zweckmaßig. Umgekehrt muß aber auchbeachtet werden, daß ein zu kleiner Widerstand RSS1 hohen Strom ISS1 und damit großeTransistoren fur SS1 nach sich zieht. Deren CB- und BE-Kapazitaten konnen Flankensteilheitund Zeitjitter bereits im Eingangskreis von SS1 verschlechtern. Im allgemeinen ist daher einewechselseitige Optimierung des Wertes von RSS1 notwendig.
118 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
0
25
50
75
100
125
−75 −50 −25 0 25 50 75
−13,3 −20 −∞−40 ∞ 40 20 13,3
UmschaltpunktHigh−PegelLow−Pegel
)-1 [Ω]YK,EF4,Q
~(Re
202020
10
f[GHz]
5
YK,EF4,Q
~ Im
[mS]YK,EF4,Q
~Re
15
0
[mS]
0
25
50
75
100
125
−75 −50 −25 0 25 50 75
−13,3 −20 −∞−40 ∞ 40 20 13,3
UmschaltpunktHigh−PegelLow−Pegel
f[GHz]
20
15
10
)-1 [Ω]YK,EF4,QN
~Re(
YK,EF4,QN
~Im
[mS]YK,EF4,QN
~Re
0
[mS]
Abb. 6.3: Ortskurven der Admittanzen Y K,EF4,Q und Y K,EF4,QN fur verschie-dene Schaltzustande der Stromschalter-Ausgangsstufe des 10 Gbit/s-Lasertreibers. (Frequenzen: f = 0, 5, 10, 15, 20, 25 GHz).
so weisen die prinzipiellen Verlaufe der Admittanzortskurven von 20 Gbit/s-
Modulatortreiber (Abb. 6.2) und 10 Gbit/s-Laser/Modulatortreiber jedoch Paral-
lelen auf: Auch im Fall der letzteren Treiberschaltung muß, zur Vermeidung einer
potentiellen Instabilitat, ein Lastwiderstand RSS1 . (62.5 mS)−1 = 16 Ω gewahlt
werden. Der gewahlte Wert betragt auch in dieser Schaltung RSS1 = 14 Ω.
Die zunachst verbluffende, sehr niederohmige Dimensionierung des Lastwi-
derstandes der ersten Zelle ist damit erklart. Als ein wichtiges Ergebnis ist festzu-
halten, daß RSS1 weniger der ersten, sondern vielmehr der zweiten Zelle zuzuord-
nen ist. Auf eine Konsequenz dieser Feststellung wird Kap. 6.2 zuruckkommen.
Mit der Antwort auf die Frage nach der Dimensionierung von RSS1 ist jedoch
eine neue Frage verknupft. Stabilitat einerseits und ausreichend großer Span-
nungshub zur Ansteuerung der Ausgangsstufe andererseits bedingen auch fur
den Stromschalter der ersten Zelle (SS1 ) einen vergleichsweise hohen Schalt-
strom (ISS1 = 40 mA bei beiden Treiberschaltungen). Damit stellt sich aber
die Frage, inwieweit die von [87] an typischen Gattern untersuchte Stabilisierung
der Eingangsimpedanz von E2CL-Schaltungen im Fall schneller Treiberschaltun-
gen ihre Gultigkeit behalt. Im folgenden soll diese Fragestellung am Beispiel des
6.1 Potentielle Instabilitat einzelnerSchaltungszellen und Transistorstufen 119
10 Gbit/s-Laser-/Modulatortreibers diskutiert werden, da von dessen erster Zelle
aus Entwurf und Messung unter bestimmten (provozierten) Bedingungen Neigung
zur Oszillation bekannt ist [17, 60].
−10
0
10
20
30
40
50
−20 −10 0 10 20 30 40
−50 −100 −∞ ∞ 100 50 33,3 25
UmschaltpunktHigh−PegelLow−Pegel
f[GHz]
)-1 [Ω]YK,I
~(Re
20
20
Y~ImK,I
[mS]
Y~ReK,I
10
15
150
[mS]
−10
0
10
20
30
40
50
−20 −10 0 10 20 30 40
−50 −100 −∞ ∞ 100 50 33,3 25
UmschaltpunktHigh−PegelLow−Pegel
YK,IN
~Im
[mS]
)-1 [Ω]YK,IN
~Re(
10
15
f[GHz]
Y~ReK,IN
20
0
2020
15
[mS]
Abb. 6.4: Ortskurven der Admittanzen Y K,I und Y K,IN fur verschiedene Schalt-zustande des Stromschalters in der ersten Zelle des 10 Gbit/s-Laser-/Modulatortreibers.
Wie schon bei der Definition von Y K,EF4,Q und Y K,EF4,Q werden jetzt aber
am Schaltungseingang parallel zu Basis und Kollektor der Eingangsemitterfolger-
Transistoren Klemmen herausgefuhrt und um die Eingangsabschlußwiderstande
(50 Ω) “bereinigte” Admittanzen Y K,I und Y K,IN definiert (Abb. 6.1). Deren
Verlaufe in der komplexen Admittanzebene sind in Abb. 6.4 dargestellt3. Wieder-
um zeigen die drei Schaltzustande merkliche Unterschiede. Gemeinsam ist allen
Ortskurven der Eintritt in die linke Halbebene. Wahrend jedoch die Ortskur-
ven fur den Low-Pegel (d.h. wenn der zugehorige SS1-Transistor ausgeschaltet
ist) und den Umschaltpunkt deutlich rechts der Linie (ReY K,I)−1 = −50 Ω
verbleiben, nahert sich die Admittanz-Ortskurve im High-Pegel dieser kriti-
schen Grenze. Offensichtlich konnen bei schnellen Treiberschaltungen am Ein-
gang Impedanzverhaltnisse auftreten, die nicht immer, wie in [87] gefolgert,
3Man beachte, daß die Ortskurven dieser Y -Admittanzen durch die Ansteuerung aus einem50 Ω-System nicht mehr bei Null, sondern bei 20 mS = (50 Ω)−1 beginnen. Die mit ’Umschalt-punkt’ bezeichnete Kurve bezieht sich auf den Umschaltpunkt des Stromschalters SS1.
120 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
“automatisch” durch Parallelschaltung der auf den Chip verlagerten 50 Ω-
Eingangsabschlußwiderstande sicher stabilisiert werden. Diese im folgenden naher
betrachtete Problematik trat beim 10 Gbit/s-Laser-/Modulatortreiber und hier
speziell bei der Abregelung zu kleinen Ausgangshuben auf. Aus der Simulation
von Beginn des Entwurfs an bekannt, konnten jedoch ausreichende Gegenmaßnah-
men ergriffen werden, die sich auch in der Praxis bewahrt haben (s.u. und [17]).
Es ist bekannt, daß der nichtquasistatische Effekte modellierende Transistor-
parameter PTF großen Einfluß auf die Stabilitat kaskadierter Emitterfolgerstufen
haben kann [59]. PTF ist die sogenannte “excess Phase at frequency 1/(2πTF)”,
wobei TF nicht die Transitzeit, sondern ein Modellierungsparameter der Tran-
sitzeit ist [1]4. Die Wirkung von PTF besteht in einer zusatzliche Phasendre-
hung (Kleinsignal-Analyse) beziehungsweise Laufzeit (Großsignal-Analyse) in der
Transistorsteilheit [100]. Streng genommen muß nicht nur der Transistorsteilheit,
sondern auch der Basis-Emitter-Diffusionskapazitat eine Laufzeit (PQF ) zuge-
ordnet werden [108]. Seit einigen Jahren ist in der Arbeitsgruppe Halbleiterbau-
elemente ein entsprechendes Transistormodell in einer modifizierten Version des
Schaltungssimulators SPICE3 ([109]) verfugbar [108]5. Es zeigt sich aber, daß
vor allem die Zusatzlaufzeit der komplexen Stromverstarkung wichtig ist, die sich
als Differenz von PTF und PQF ergibt (z.B. [59, 64]). Aus diesem Grund kann
man im standardmaßigen Bipolarmodell PTF “ersatzweise” die Zusatzphase der
Stromverstarkung zuweisen. Der Fehler aufgrund der dadurch zu kleinen Zusatz-
phase der Transistorsteilheit ist meist (, aber nicht grundsatzlich, ) unkritisch.
Bei der Entwicklung des 10 Gbit/s-Laser-/Modulatortreibers stand das mo-
difizierte Modell noch nicht zur Verfugung und es wurde daher wie oben beschrie-
ben mit dem Ersatzwert fur PTF (13) simuliert. Gemaß ihrer Definition konnen
die Zusatzphasen nur bei hochsten Frequenzen gemessen werden. In Ermange-
lung geeigneter Meßverfahren lassen sich diese Parameter derzeit nur uber die
numerische Bauelementesimulation abschatzen. Es ist daher sinnvoll, wie in den
folgenden Abbildungen geschehen, nicht nur mit dem “nominellen” Wert dieses
Parameters sondern zum Beispiel auch mit dem doppelten Wert zu simulieren.
Abb. 6.5 (links) zeigt die Test-Admittanz, Y K,I (vgl. Abb. 6.1, Y K,I =
Y K,I +GI) am Schaltungseingang I, bei anliegendem High-Pegel und Abregelung
auf minimalen Ausgangshub (750 mVss). Parameter ist die Zusatzphase PTF 6.
4Die in [100] angegebene Formel der Transitzeit ist falsch.5Die Temperaturabhangigkeit des standardmaßigen und damit auch des darauf aufbauenden
modifizierten Modells sind in der ursprunglichen SPICE3 -Version falsch implementiert. DieKorrektur dieses Fehlers und weitere kleinere Zusatze sind in [110] und in [1] dokumentiert.
6Untersuchungen zeigen, daß auch bei Einstellung der Schaltung fur minimalen Hub, die-ser Fall (anliegender High-Pegel) der kritischste bleibt. Dabei sind die auftretenden negativenRealteile fur maximalen und minimalen Hub etwa gleichwertig. In der zweiten Zelle tritt derbetragsmaßig großte negative Realteil bei 3 Vss Ausgangshub auf.
6.1 Potentielle Instabilitat einzelnerSchaltungszellen und Transistorstufen 121
−20
−10
0
10
20
30
40
−20 −10 0 10 20 30 40
−50 −100 −∞ ∞ 100 50 33,3 25
PTF=0° PTF=13° PTF=26°
15
f[GHz] 15
2020
20
Y~ImK,I
[mS]
Y~ReK,I
[mS]
)-1 [Ω]YK,I
~(Re
10
10
0
−30369
12
[mA]
250 ps
IE,EF3
IC,SS1,N IC,SS1
IE,EF3,N
Abb. 6.5: Links: Ortskurven der Admittanz Y K,I bei anliegendem High-Pegel mitder Zusatzphase PTF als Parameter. Rechts: Kollektorstrome von SS1 undEmitterstrome von EF3 fur PTF = 26. Der (nominelle) Ruhestromvon EF3 ist so bemessen, daß dessen Transistoren wahrend undim Anschluß an die negative Schaltflanke kurzzeitig ausschalten.
Fur den nominellen Wert, PTF = 13, verlauft die Ortskurve ausschließlich in
der rechten Admittanzebene. Selbst beim doppelten Wert, PTF = 26, wird der
Realteil der Admittanz nur in einem kleinen Frequenzbereich leicht negativ. Fur
diesen Fall zeigt Abb. 6.5 (rechts) Zeitverlaufe der Kollektorstrome von SS1 sowie
der Emitterstrome der diesen ansteuernden Transistoren des Emitterfolgers EF3
(vgl. Abb. 6.1 bzw. Abb. 4.1). Im Anschluß an eine Schaltflanke tritt nur ein kur-
zes Nachschwingen auf, die Schaltung bleibt trotz PTF = 26 noch ausreichend
stabil.
Das Augenmerk sei hierbei noch auf eine wichtige Besonderheit des Arbeits-
punktes der beiden Transistoren von EF3 gerichtet. Im Zusammenhang mit den
grundlegenden Dimensionierungsaspekten der Transistoren in schnellen Treiber-
schaltungen wurden im Kap. 3.2 die extrem hohen Basisstromspitzen der Aus-
gangsstufentransistoren demonstriert (Abb. 3.5). Aus den weiter oben diskutier-
ten Grunden ist jedoch auch der Schaltstrom von SS1 (ISS1 = 40 mA) ver-
gleichsweise hoch und somit auch dessen Basisstromspitzen wahrend der Um-
ladevorgange. Der Ruhestrom von EF3 ist nun bewußt so gewahlt, daß — wie
in Abb. 6.5 links ersichtlich — der beim Ausschalten eines SS1 -Transistors
122 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
aus dessen Basis herausfließende Ladungs-Ausraumstrom den zugehorigen EF3 -
Transistor kurzzeitig ausschaltet (IE ≤ 0).
−20
−10
0
10
20
30
40
−20 −10 0 10 20 30 40
−50 −100 −∞ ∞ 100 50 33,3 25
PTF=0° PTF=13° PTF=26°
−20
−10
0
10
20
30
40
−20 −10 0 10 20 30 40
−50 −100 −∞ ∞ 100 50 33,3 25
PTF=0° PTF=13° PTF=26°
15
20
f[GHz]
15
)-1 [Ω]
YImK,I
[mS]YK,I
Re
15
20
f[GHz]
15
20
20
10
0
[mS]
Y(ReK,I
20
20
10
0
~
~
~−3
0369
12
[mA]
250 ps
IE,EF3
IE,EF3,N
IC,SS1,N IC,SS1
Abb. 6.6: Links: Ortskurven der Admittanz Y K,I bei anliegendem High-Pegel mitder Zusatzphase PTF als Parameter. Rechts: Kollektorstrome von SS1 undEmitterstrome von EF3 fur PTF = 26. Der Ruhestrom von EF3 istsoweit erhoht, daß dessen Transistoren immer einen deutlich po-sitiven Emitterstrom fuhren.
Den Grund fur diese Dimensionierung zeigt Abb. 6.6. Auf der linken Seite
sind wiederum die Admittanzortskurven YK,I der Eingangsseite I bei High-Pegel
und verschiedenen PTF -Werten dargestellt. Der Ruhestrom von EF3 ist jetzt
jedoch so bemessen, daß der Emitterstrom der Transistoren von EF3 auch dyna-
misch immer großer Null bleibt. Im Vergleich zu Abb. 6.5 sind alle drei Ortskurven
deutlich in Richtung kleinerer Realteile verschoben. Bereits fur den nominellen
Wert, PTF = 13, besonders stark aber fur PTF = 26, liegen Teile der Orts-
kurven im potentiell instabilen linken Admittanz-Halbraum. Fur den letzteren
Fall zeigt der rechte Teil der Abb. 6.6 wiederum die Zeitverlaufe der Kollektor-
strome von SS1 beziehungsweise der Emitterstrome von EF3. Im Anschluß an
eine Schaltflanke treten, im Gegensatz zu Abb. 6.5, im Kollektorstrom des jeweils
einschaltenden SS1 -Transistor schwach gedampfte Oszillation auf. Aufgrund der
durch die Offsetstrome IOS1 und IOS2 (vgl. Kap. 4.2) eingebrachten Unsymme-
trie sind die Pulsformen der beiden Kollektorstrome von SS1 nicht identisch.
Man beachte, daß sogar im ausgeschalteten Zustand die Kollektorstrome von
6.1 Potentielle Instabilitat einzelnerSchaltungszellen und Transistorstufen 123
SS1 schwache Oszillationen zeigen. Die Ursache hierfur liegt in der Kollektor-
Basis-Kapazitat der SS1 -Transistoren, uber die, vorbei am “inneren Transistor”,
eine direkte Ladungsverschiebung in den Kollektorkreis erfolgt7.
Ziel der vorangegangenen Betrachtungen war die Sensibilisierung des Lesers
fur typische, bereits mit der vergleichsweise einfachen Topologie von Treiberschal-
tungen verbundene Stabilitatsaspekte. Die Stabilitat der Grundzellen wurde da-
bei anhand der in Abb. 6.1 definierten “Test-Admittanzen” diskutiert. Exakter
ausgedruckt wurde nicht deren Stabilitat sondern deren potentielle Instabilitat be-
trachtet, ist doch ein negativer Realteil in der “Test-Admittanz” notwendig, aber
nicht hinreichend fur Instabilitat. Beachtet werden muß ferner die Abhangigkeit
vom Schaltzustand. So kann — wie gezeigt — die Kleinsignalbetrachtung in den
Schaltzustanden einen Einblick in den Mechanismus der Problematik vermitteln.
Quantitative Aussagen erfordern jedoch eine Simulation im Zeitbereich. In die-
sem Zusammenhang sei an den dynamisch ausschaltenden Emitterfolger EF3 er-
innert. Die Stabilisierung beruht hier auf zwei Mechanismen, der Veranderung
dessen Ubertragungsverhaltens und dem kurzzeitigen dynamischen Sperren der
Transistoren. Eine genauere Betrachtung des letztgenannten Mechanismus findet
der interessierte Leser in [58]. Dort wird gezeigt, daß die Nachschwingneigung
beim Einschalten eines Stromschaltertransistors uber den einen der beiden EF3 -
Transistoren durch eine dynamische Gegenkopplung uber den auf der komple-
mentaren Seite kurzzeitig sperrenden anderen EF3 -Transistor reduziert wird.
6.1.2 Kaskodezelle
Wird in der zweiten Treiber-Grundzelle der ausgangsseitige Stromschalter SS2
um eine (differentielle) Basisschaltung erweitert, entsteht eine Kaskodezelle. Vor-
teile einer solchen Anordnung wurden bereits in Kap. 5.3 und Kap. 5.2.1 erortert.
Einige schaltungstechnische Nachteile wurden ebenfalls an dortiger Stelle disku-
tiert. Im folgenden wird die Stabilitat dieser Zelle — beziehungsweise genauer:
der Basisschaltung — diskutiert.
Im vorangegangenen Teilkapitel wurde uber die Betrachtung des Realteils
geeignet definierter Test-Admittanzen entlang der imaginaren Frequenzachse
p = jω, die potentielle Instabilitat der Treiber-Grundzelle aus Emitterfolgern
und Stromschalter untersucht. Offensichlich ist dieses Vorgehen besonders an-
schaulich. Zudem gilt:
Eine hinreichende Bedingung fur Stabilitat ist die Vermeidung der notwendigen
Bedingung fur Instabilitat.
7Fur den Ausgangsstromschalter wurde der Effekt in Abb. 3.4 bereits detailliert betrachtet.
124 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
Als Schaltungsentwickler “liegt man demnach auf der sicheren Seite”, wenn an
keiner Stelle der Schaltung negative Realteile in Ubertragungsfunktionen, Impe-
danzen oder Admittanzen auftreten. Oftmals stellt sich jedoch die Frage nach der
Qualitat dieser Sicherheit, zum Beispiel in Verbindung mit Prozeßtoleranzen oder
Unsicherheiten in der Modellierung layoutbedingter parasitarer Elemente. Hier-
zu muß die Test-Admittanz (beziehungsweise eine andere Netzwerkfunktion) fur
die verallgemeinerte, komplexwertige Frequenz betrachtet werden. Eine andere
Moglichkeit besteht in einer geeigneten transienten Simulation8.
Abb. 6.7 zeigt die vereinfachte Ausgangsstufe des 40 Gbit/s-EAM-Treibers.
Neben den beiden Transistorpaaren des Stromschalters und der Basisschaltung
sind einzelne parasitare Elemente der Masseverteilung und der Verteilung der ne-
gativen Versorgungsspannung auf dem Chip angedeutet. Dabei handelt es sich um
durch den Strukturentwurf bedingte Metallisierungsinduktivitaten. Nicht darge-
stellt, aber ebenso berucksichtigt, sind magnetische Verkopplung (Gegeninduk-
tivitaten, sowohl zwischen Masse und negativer/positiver Versorgungsspannung
in unterschiedlichen Metallisierungsebenen als auch in ein und derselben Ebe-
ne an Verzweigungen), elektrische Verkopplung (Kapazitaten) und die Leitungen
zwischen Stromschalter und Basisschaltung. Hier laßt sich ein Vorgriff auf das
Kapitel 6.2.1, in welchem die Modellierung solcher parasitarer Elemente erortert
wird, nicht ganz vermeiden. Die folgend diskutierte Thematik einer potentiellen
Instabilitat der Kaskodezelle (KAS) ist jedoch nicht ausschließlich an layoutbe-
dingte Blindelemente gekoppelt. Sie kann genauso in Verbindung mit aufbau-
bedingten Parasiten auftreten. Auf der rechten Seite der Abb. 6.7 sind die im
folgenden verglichenen Vorgehensweisen bei der Charakterisierung der Stabilitat
der Kaskodezelle (beziehungsweise der Basisstufe) definiert.
Zunachst sei die Frage nach der Moglichkeit einer Instabilitat gestellt. Offen-
sichlich ist die in den “gemeinsamen Basisanschluß” Σ hineingesehene Impedanz
ZΣ(jω) bis auf die kleinen parasitaren Induktivitaten L∆(≈ 2...5 pH ) ahnlich
der eines kapazitiv belasteten Emitterfolgers9. Wird der Knoten Σ aufgetrennt
und die auf der Seite der Basisschaltung gegen externe Masse liegende Impedanz
ZΣ(jω) (Abb. 6.7 rechts oben) simuliert, ergibt sich der in Abb. 6.8 dargestellte
Verlauf. Durch die dominant kapazitive Ausgangsimpedanz von SS2 weist ZΣ(jω)
8Ein Problem bei der transienten Simulation von Oszillatoren besteht in der numerischenIntegration. Mathematisch betrachtet wird dabei eine Abbildung eines Differentialgleichungssy-stems auf ein Differenzengleichungssystem vollzogen. Es ist bekannt, daß je nach Integrationsre-gel instabile Polstellen der Differentialgleichung in stabile Pole der Differenzengleichung trans-formiert werden konnen (“numerical damping”, z.B. [111]). Hierdurch besteht die Gefahr, daßeine vorhandene Instabilitat im simulierten Zeitbereich trotz Storanregung nicht anschwingt.
9Die Ausgangsimpedanz des Stromschalters SS2 wird in erster Naherung durch die Summeaus Kollektor-Basis- und Kollektor-Substratkapazitat bestimmt.
6.1 Potentielle Instabilitat einzelnerSchaltungszellen und Transistorstufen 125
U1
U0
LGND
uQ,d
BASY1’
VersorgungsspannungNegative Chip-
1
L BAS
RV,Σ
L ∆ L ∆
1’YBAS(p)
1
... in der komplexen p-Ebene
L BASω)(jZ Σ ω)(jZ Σ,
Σ’
L BAS
=5 pst r ,t f
SS2
Chip-Masse
(> 0)
EAM-Vorspannungs-erzeugung
EAM
differentielle. Last
Σ
Betrachtung der Stabilität ...
... auf der imaginären p-Achse
AuftrennungΣ
... im Zeitbereich
i(t)
i(t) Σ
t=220 pst=200 ps
10 mAt
Abb. 6.7:Ausschnitt aus dem Stromlaufplan (vgl. Abb. 5.19) des 40 Gbit/s-EAM-Treibers: aus-gangsseitige Kaskodezelle. Teile der parasitaren Elemente von verteilter “Chip-Masseund -Versorgungsspannung” sind angedeutet. LGND stehe hier stellvertretend fur dieBonddrahtinduktivitaten der externen Massezufuhrung. Rechts sind die verwendetendrei Vorgehensweisen zur Diskussion der Stabilitat dieser Schaltungszelle skizziert.
einen bereichsweise negativen Realteil auf, wie aus dem vorangehenden Teilkapi-
tel (Gl. 6.1) bekannt. Besonders ungunstig ist die Tatsache, daß diese Eigenschaft
— die erfullte notwendige Bedingung fur Instabilitat — uber eine Bandbreite von
25 GHz auftritt. Die auf der andere Seite (Σ′) der gebildeten Schnittstelle an-
greifende Impedanz ZΣ′ hat somit uber ein breites Frequenzband die Moglichkeit,
ZΣ zu einer verschwindenden Impedanzsumme zu erganzen. Als Impedanz der
Chip-Masse einschließlich der Bondinduktivitaten ist die Wahrscheinlichkeit eines
induktiven Imaginarteils in ZΣ′ hoch und in Verbindung mit dem entdampfend
ohmsch-kapazitiven Verhalten von ZΣ auch die Wahrscheinlichkeit von Oszillatio-
nen10. Offensichtlich kann Oszillation sicher vermieden werden, wenn durch einen
10Es sei darauf hingewiesen, daß eine Auftrennung am Knoten Σ zur Analyse der beidenTeilimpedanzen ZΣ und ZΣ′ eine Naherung darstellt. Da zwischen beiden Kreisen (Σ und Σ
′)
durch die Schaltung Verbindungswege existieren, wird durch die Messung an dem einen Knotendie Belastung durch den anderen Kreis leicht verandert.
126 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
ausreichend dimensionierten Serienwiderstand RV,Σ (Abb. 6.8) der negative Re-
alteil von ZΣ uberkompensiert wird. Nach Abb. 6.8 ist hierzu ein Widerstand
in der Großenordnung (vgl. Fußnote 10) RV,Σ ≈ 25 Ω notig. Bei Dominanz der
Blindwiderstandsanteile in der “Chip-Masse-Impedanz” ZΣ′ wird man erwarten,
daß ohne RV,Σ Oszillation in Nahe der zweiten Nullstelle (f = 26 GHz ) des
Realteils von ZΣ auftritt. Eine Oszillation mit der Frequenz der ersten Nullstel-
le kann nicht auftreten, da der in deren Umgebung kapazitive Imaginarteil in
ZΣ aufgrund seiner Große nicht kompensiert werden kann, somit bezuglich der
Realteil-Resonanz “dampfend” wirkt.
Eine Moglichkeit, eine notwendi-
−100
−50
0
50
100
0 10 20 30 40
ℜ ZΣ,bas
ℑ ZΣ,bas
Ω-25
[Ω]
[GHz]f
26 GHz
1 GHz
Abb. 6.8: Real- und Imaginarteil der in Abb. 6.7definierten Impedanz ZΣ(jω).
ge und hinreichende Stabilitats-
aussage zu treffen, ist die Be-
trachtung der Pol- beziehungs-
weise Nullstellen einer Netz-
werkfunktion [112]. In Abb. 6.7
(rechts, Mitte) wird hierzu aus
der Schaltung eine Klemme “1”
herausgefuhrt und die Test-
Admittanz Y BAS(p) definiert.
Darin bezeichnet die komplexe
Variable
p = σ + jω = 2π(f +σ
2π) (6.2)
die verallgemeinerte komplexe Frequenz [112]. Der Hintergrund dieser Wahl der
Netzwerkfunktion ist die Uberprufung der theoretischen Aquivalenz mit der drit-
ten Methode im Zeitbereich (Abb. 6.7): Wird ein zeitlich begrenzter Storstrom
i(t) am Tor “ 1-1’ ” eingepragt, so muß nach Ende der Storung die Torspannung,
also die Spannung am Knoten Σ, auf Null abklingen. Dies ist der Fall, wenn die
Test-Admittanz Y BAS(p) nur Nullstellen in der linken offenen p-Halbebene hat.
Abb. 6.9 zeigt die Ergebnisse der beiden Methoden fur RV,Σ = 0 mit
der Induktivitat LBAS (vgl. Abb. 6.7) als Parameter11. Links oben ist der
Pol-/Nullstellenplan von Y BAS(p) dargestellt. Bewußt wurden auch die Pol-
stellen (Dreiecksymbole) in Nahe der imaginaren Achse aufgenommen. Ganz
typisch treten als Ergebnis entsprechender Simulationen12 viele benachbar-11Der “nominell” aus dem Strukturentwurf abgeschatzte Wert betragt LBAS = 14 pH . Diese
Induktivitat wird wegen der anschaulichen Assoziation mit der Stabilitatsproblematik am Kno-ten Σ als Parameter gewahlt. Im Fall eines eigenen externen Anschlusses der BAS entsprichtsie der zugehorigen Bonddrahtinduktivitat.
12Diese wurden mit dem Schaltungssimulator ELDO durchgefuhrt [86].
6.1 Potentielle Instabilitat einzelnerSchaltungszellen und Transistorstufen 127
−750
0
750
uΣ
[mV]
−750
0
750
uΣ
[mV]
−750
0
750
uΣ
[mV]
−50
−25
0
25
50
−2 −1 0 1 2
σ/2π [109 s−1]
f
[GHz]
−750
0
750
uQ,d
[mV]
3414
44
64
024
54
200 ps
200 ps
200 ps
200 ps
reeller Pol
(GND @ DC)
00
47
grenzstabil
[ pH ]BASL
BASL =47 pH
BASL =54 pH
BASL =14 pH
BASL =54 pH
Abb. 6.9:Links oben: Pol-/Nullstellenplan der Test-Admittanz Y BAS(p) bei Variation von LBASund zu Null gesetztem Vorwiderstand RV,Σ. Kreise markieren Nullstellen, Dreiecke Pol-stellen. Die grau hinterlegten Nullstellen bilden die Ortskurve der dominanten Nullstellemit f ≈ 28 GHz . Rechts: Zeitverlauf der Spannung uΣ am Knoten Σ nach Storung miteinem trapezformigen Stromimpuls zum Zeitpunkt t = 200 ps (Hohe: 10 mA, Anstiegs-und Abfallzeit: 5 ps, Gesamtdauer: 20 ps). Links unten: Differentielle Ausgangsspan-nung fur den rechts davon dargestellten Verlauf von uΣ.
te oder sogar ubereinanderliegende Pol-/Nullstellen auf, insbesondere dann,
wenn, wie extensiv geschehen, die Metallisierungsflachen der Chip-Masse und
-Versorgungsspannungen verteilt modelliert werden. Wahrend sich in einiger Ent-
fernung der imaginaren p-Achse benachbarte Pol-/ und Nullstellen in ihrer Wir-
kung weitestgehend kompensieren, nimmt dies in Nahe der imaginaren p-Achse
exponentiell ab, so daß numerische Kongruenzkriterien sorgfaltig gewahlt werden
mussen. Im konkreten Fall werden die beiden konjugiert komplexen Nullstellen
bei (σ ≈ 0, 2(ns)−1, f ≈ 2, 5 GHz ) durch entsprechende Polstellen ausreichend
128 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
kompensiert, sie durften wohl ohnehin numerische Artefakte darstellen. Die (grau
hinterlegte) dominante Nullstelle liegt bei f ≈ 28 GHz , in guter Ubereinstim-
mung mit der oben diskutierten Abschatzung von 26 GHz . Mit zunehmender
Induktivitat LBAS nahert sich die dominante Nullstelle aus der rechten Halb-
ebene der imaginaren p-Achse, erreicht diese fur LBAS = 47 pH , um anschlie-
ßend in die instabile rechte p-Halbebene einzudringen. In sehr guter Uberein-
stimmung zeigen die drei Zeitverlaufe von uΣ fur LBAS = 14 pH , LBAS = 47 pH
und LBAS = 54 pH gerade noch ausreichend gedampftes Verhalten, grenzstabile
und schließlich aufschwingende Oszillation. Der im Pol-/Nullstellenplan noch auf-
gefuhrte Fall LBAS = 64 pH konnte bereits nicht mehr simuliert werden, da der
Simulator unmittelbar nach Anlegen des Storimpulses divergiert. Am links unten
in Abb. 6.9 dargestellten Verlauf der differentiellen Ausgangsspannung laßt sich
fur LBAS = 54 pH bereits das Einsetzen nichtlinearer Effekte beobachten (Dif-
ferenzspannung ungleich Null), die aber offensichtlich im Fall LBAS = 64 pH fur
eine (numerische) Amplitudenstabilisierung nicht ausreichten (Divergenz).
Bevor der Fall mit RV,Σ betrachtet wird, sei noch darauf hingewiesen, daß
die identische Ausgangsstufe des EAM-Modulatortreibers auch fur eine spezielle
Leistungsversion eines 2:1-Zeitmultiplexers [7] eingesetzt wurde. In diesem Fall
entspricht dem Stromschalter SS2 in Abb. 6.7 die Kernstufe des Zeitmultiplexers
mit den vier kreuzverknupften Transistoren. Da jeder Eingang der Basisstufe mit
der Parallelschaltung der Ausgangskapazitaten von zwei Transistoren belastet
wird, erhoht sich bei gleichem Schaltstrom der an den Knoten Σ tranformierte
negative Realteil (Gl. 6.1). Folgerichtig wurden im Gegensatz zum EAM-Treiber
beim Entwurf des Leistungsmultiplexer bereits beim “nominellen” Wert LBAS =
14 pH ohne RV,Σ starkere Oszillationen beobachtet.
Fur beide Schaltungen wurde mit einem Vorwiderstand RV,Σ = 50 Ω
ein sicherer stabiler Betrieb erreicht. Abb. 6.10 zeigt den entsprechenden
Pol-/Nullstellenplan fur die gleiche Variation von LBAS wie in Abb. 6.9. Of-
fensichtlich gibt es nur noch stark gedampfte Nullstellen. Entsprechend zeigt uΣ
eine zeitlich begrenzte Antwort auf den eingepragten Storimpuls und klingt dann
sofort ab. Weitere Untersuchungen zeigen, daß die ehemals dominante Nullstelle
links aus dem dargestellten σ-Bereich herausgeschoben wird. Bei den stark kom-
pensierten Pol-/Nullstellen bei σ ≈ 1, 2 (ns)−1 handelt es sich um die bereits
vorher links der in Abb. 6.9 grau hinterlegten dominanten Nullstellen gelegenen
Null- und Polstellen.
Drei Moglichkeiten zur Charakterisierung der Schaltungsstabilitat wurden
am Beispiel der KAS-Zelle diskutiert. Jede hat ihre Vor- und Nachteile:
6.1 Potentielle Instabilitat einzelnerSchaltungszellen und Transistorstufen 129
−750
0
750
uΣ
[mV]
−50
−25
0
25
50
−2 −1 0 1 2
σ/2π [109 s−1]
f
[GHz]
200 ps
BASL [ pH ] : 0, 14, 24,..., 64
BASL =54 pH
Abb. 6.10:Links: Pol-/Nullstellenplan der Test-Admittanz Y BAS(p) bei Variation von LBAS undrealisiertem Vorwiderstand RV,Σ = 50 Ω. Kreise markieren Nullstellen, Dreiecke Pol-stellen. Rechts: Zeitverlauf der Spannung uΣ am Knoten Σ nach Storung mit einemtrapezformigen Stromimpuls zum Zeitpunkt t = 200 ps (Hohe: 10 mA, Anstiegs- undAbfallzeit: 5 ps, Gesamtdauer: 20 ps).
Aus dem Frequenzgang (d.h. p = jω) einer geeigneten — im Prinzip
aber beliebigen — Netzwerkfunktion lassen sich hinreichende Maßnahmen
zur sicheren Vermeidung von Instabilitat ableiten. Vorteile des Verfahrens
sind dessen Anschaulichkeit und kurze Simulationszeit. Vom theoretischen
Standpunkt aus ist die Losung — da hinreichend, aber nicht notwendig —
suboptimal, schaltungstechnisch betrachtet jedoch besonders sicher. Die In-
terpretation bzw. Gultigkeit in nichtlinearen Schaltungen ist eingeschrankt.
Wird die gewahlte Netzwerkfunktion uber der verallgemeinerten Frequenz
p betrachtet, kann je nach Funktionstyp uber deren Pol- oder Nullstellen ei-
ne notwendige und hinreichende Stabilitatsaussage getroffen werden. Auch
hier ist die Interpretation in nichtlinearen Schaltungen eingeschrankt. Ein
weiteres Problem liegt in der Numerik. Pol-/Nullstellen-Kongruenzkriterien
mussen angewandt werden, um die Zahl der Pol/-Nullstellen (typisch:
100...1000) zu begrenzen. Dies erfordert “Fingerspitzengefuhl”, damit nur
vernachlassigbare Pol-/Nullstellen-Doublets entfernt werden.
Die Betrachtung im Zeitbereich ist als einzige auch in nichtlinearen Schal-
tungen uneingeschrankt gultig. Ihr Nachteil liegt zunachst in der deutlich
erhohten Simulationszeit. Zudem ist auch hier Erfahrung notwendig, um
eine vorhandene Instabilitat numerisch geeignet anzuregen. In Abb. 6.9
(rechts, unten) reicht beispielsweise das “numerische Rauschen” im Bereich
130 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
t < 200 ps trotz deutlicher Instabilitat nicht aus, die Oszillation anzuregen.
Erst durch den Storimpuls wird die Oszillation gestartet. In den Simu-
lationen wurde ausschließlich die Trapez-Integrationsregel verwendet. Ge-
genuber anderen Integrationsregeln zeigt die Trapezregel keine signifikante
numerische Dampfung. Instabile Pole der Differentialgleichung entsprechen
daher instabilen Polen der (numerisch gelosten) Differenzengleichung [111].
6.1.3 Eine analytische Betrachtung der Stabilitat des ka-
pazitiv belasteten Emitterfolgers mit induktivem
Kollektorzweig
Die bislang hinsichtlich Stabilitat diskutierten Falle erwuchsen aus dem Zusam-
menspiel einer Admittanz (bzw. Impedanz) negativen Realteils mit einem, die-
ser angekoppelten, großtenteils aus Blindwiderstandsanteilen zusammengesetzten
Netzwerk. So fungierte im Fall der Kaskodestufe (Kap. 6.1.2) das mehr oder min-
der rein induktiv-kapazitive Netzwerk der Chip-Masse als Resonator dessen (oh-
nehin geringen) Verluste durch Leistungszufuhr aus dem negativen Realteil der
Eingangsimpedanz der Basisschaltung kompensiert wurden. Fur die Diskussion
der Stabilitat beziehungsweise der Instabilitat wurden verschiedene Ansatze —
teils im Zeitbereich, teils im Frequenzbereich — vorgestellt und verglichen. Ge-
nauer ausgedruckt wurde meist nicht Instabilitat, sondern potentielle Instabilitat
diskutiert. Hierbei ist der Grundgedanke, daß bei fehlender Vermeidung der not-
wendigen Bedingung fur Instabilitat, also bei negativem Realteil im Frequenzgang
von Netzwerkfunktionen (zum Beispiel in den in dieser Arbeit betrachteten Ein-
gangsadmittanzen), eine hohe Wahrscheinlichkeit fur Oszillation besteht. Um ein
stabiles Verhalten zu erreichen, muß in solchen Fallen die “Resonanz im Realteil”
durch einen endlichen Imaginarteil ausreichend “bedampft” werden [90]. Techno-
logische Toleranzen und Modellierungsunsicherheiten in den durch Strukturent-
wurf oder aufbautechnisch bedingten parasitaren Blindelementen lassen jedoch
eine verlaßlich quantitative Aussage diesbezuglich nicht zu.
Der Schaltungsentwickler wird daher versuchen, durch geeignete Maßnahmen
negative Realteile im Frequenzgang von Netzwerkfunktionen zu vermeiden13.
Wohl eines der bekanntesten Schaltungsbeispiele, bei denen im Betriebs-
Frequenzbereich negative Realteile in der Eingangsimpedanz auftreten konnen,
13Im Kern entspricht diese Vorgehensweise einer Umkehrung des Funktionsprinzips des so-genannten “negative-resistance oscillator”, bei dem ein meist induktiver Resonator verwendetwird, dessen ohmschen Verluste durch Ankopplung an eine aktiv erzeugte Eingangsimpedanznegativen Realteils kompensiert werden.
6.1 Potentielle Instabilitat einzelnerSchaltungszellen und Transistorstufen 131
1’
LGSS1SS1C
LC
Br
CCB
BI
CBEU0 ωj
ωτβ-jTωeβ =
ωjωj~~ Tω
(1- τβ)
β BI
1
K,EFY
(Signalmasse)
Abb. 6.11: Kapazitiv belasteter Emitterfolger in Gegenwart einer endlichen Indukti-vitat am Kollektoranschluß und ohmsch-kapazitiver Ansteuerung der Ba-sis. Y (jω) ist eine “Test-Admittanz”, wie sie bereits aus vorangegangenKapiteln bekannt ist (Abb. 6.1). Das den analytischen Berechnungen zu-grundeliegende vereinfachte Kleinsignal-Ersatzschaltbild des Transistorsist unten, rechts dargestellt (naheres hierzu zum Beispiel in [59]).
ist der kapazitiv belastete Emitterfolger. Wahrend die Problematik fur den Ide-
alfall einer perfekten Signalmasse am Kollektoranschluß des Transistors vielfach
theoretisch beschrieben wurde (zum Beispiel [90, 113]), steht eine zufriedenstel-
lende analytische Behandlung im Fall endlicher Kollektor-Serieninduktivitat nach
Kenntnis des Autors noch aus. Andererseits wurde jedoch durch Untersuchungen
in [114] gerade hierin die Ursache einer meßtechnisch beobachteten Oszillation des
20 Gbit/s-Modulatortreibers vermutet, eine Vermutung, die sich im Anschluß ei-
nes Neu-Entwurfs (nur) der Metallisierungs- und Via-Masken dieses Chips voll
bestatigt hat [31]14. Im folgenden soll daher diese “Verstandnislucke” geschlos-
sen werden, indem eine analytische Beschreibung des Einflusses einer Kollektor-
Serieninduktivitat auf die Stabilitat einer Emitterfolgerstufe abgeleitet wird. Im
Vordergrund steht dabei das qualitative Verstandnis der Zusammenhange, wie sie
sich bereits bei einer einzelnen Emitterfolgerstufe beobachten lassen. Naturlich ist
die Realitat — und dies wird Kap. 6.2.1 noch zeigen — um einiges komplizierter
und eine mathematisch exakte, quantitative Beschreibung mit vertretbarem Auf-
wand nicht moglich. Dies ist aber nach Meinung des Autors auch nicht das Ziel
14Diese Thematik wird in Kap. 6.2.2 detailliert betrachtet.
132 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
des Schaltungsentwicklers. Vielmehr benotigt dieser die qualitative Information
in welche Richtung ein von ihm beeinflußbarer Schaltungsparameter Auswirkung
auf die Stabilitat seiner Schaltung hat. Die genaue Dimensionierung der Schal-
tung erfolgt schließlich anhand eines Schaltungssimulators.
Betrachtet werde die Abb. 6.11. Dargestellt ist ein mit der Kapazitat
CL belasteter Emitterfolger, der uber eine ohmsch-kapazitive Quellenimpedanz
(RSS1 = G−1SS1, CSS1) angesteuert wird. In Reihe zum Kollektoranschluß befinde
sich eine endliche Induktivitat L. Der Index “SS1” deutet an, daß es sich bei-
spielsweise um die zuvor anhand numerischer Simulationen behandelte Strom-
Schnittstelle zwischen erster und zweiter Treiberzelle handeln kann (Abb. 6.1).
Naturlich ist die rein kapazitive Lastimpedanz eine erste Naherung, folgen doch
weitere Emitterfolger und die Ausgangsstufe. Fur das prinzipielle Verstandnis
der in [114] beobachteten Entdampfung des Einschwingverhaltens der Schaltung
durch parasitare Induktivitaten im Kollektorkreis der Emitterfolger, ist eine sol-
che Naherung jedoch zulassig und zur Uberschaubarkeit der Ergebnisse auch
zweckmaßig beziehungsweise notig.
Wird das in Abb. 6.11 rechts unten dargestellte, vereinfachte Kleinsignal-
Ersatzschaltbild eines Bipolartransistors zugrunde gelegt, ergibt sich nach einigen
mathematischen Umformungen fur die gewahlte Test-Admittanz
Y K,EF =
pCCB ·[ωTCΣ + pCL + p2CLCΣ(rB + ωTL) + p3LCLCΣ
](1 + p2LCCB)
[ωTCΣ + pCΣ
(1 +
CLCBE
)+ p2rBCLCΣ
] +GSS1+pCSS1,
(6.3)
worin die komplexwertige Variable p die verallgemeinerte Frequenz (Gl. 6.2) be-
zeichnet und C−1Σ = C−1
BE +C−1CB +C−1
L eine kompaktere Notation erlaubt15. Auch
der Einfluß der Zusatzlaufzeit τβ ([1]) der komplexen Stromverstarkung kann
durch die Substitution ωT → ωT − pωT τβ berucksichtigt werden.
An dieser Stelle bieten sich zweierlei Moglichkeiten fur die weitere Verfah-
rensweise. Von einem netzwerktheoretischen Standpunkt aus wird man fragen:
“Wann genau wird das System instabil ?” Gewissermaßen umgekehrt
wird hingegen der Schaltungstechniker fragen: “Was ist zu tun, damit die
Schaltung sicher stabil ist ?”. Die netzwerktheoretische Fragestellung, d.h.
die Frage nach notwendigen und hinreichenden Bedingungen fur Instabilitat erfor-
dert erheblichen mathematischen Aufwand, der nicht mit der zuvor formulierten
Zielsetzung einer prinzipiellen und anschaulichen Erklarung der Zusammenhange
15Gemaß ihrer Definition ist Y K,EF eine Systemfunktion. Ihre komplexen Nullstellen sinddie Wurzeln der die Stabilitat bestimmenden charakteristischen Gleichung des Systems [101].
6.1 Potentielle Instabilitat einzelnerSchaltungszellen und Transistorstufen 133
in Einklang zu bringen ist. Der interessierte Leser sei hier nur darauf hingewiesen,
daß die Nullstellen der Testadmittanz Gl. 6.3 offensichtlich gerade die Wurzeln des
charakteristischen Netzwerk-Polynoms sind. Mit dem aus der Regelungstechnik
bekannten Verfahren nach Cremer-Leonhard-Michailow [80] liegt Stabilitat
dann, und genau dann vor, wenn die Nullstellen von Real- und Imaginarteil des
charakteristischen Polynoms auf der imaginaren Frequenzachse alternieren. In
Form eines Ungleichungssystems konnte demnach eine eineindeutige analytische
Bedingung fur Stabilitat angegeben werden, die jedoch wenig uberschaubar ist,
so daß darauf verzichtet wird. An dieser Stelle soll hingegen die schaltungstech-
nische Fragestellung, d.h. die hinreichende Bedingung fur Stabilitat betrachtet
werden. Dazu wird einmal mehr von der Feststellung Gebrauch gemacht, daß die
Vermeidung der notwendigen Bedingung fur Instabilitat (bereichsweise negati-
ver Realteil von Y K,EF (jω)), gerade eine hinreichende Bedingung fur Stabilitat
darstellt. Fur sichere Stabilitat wird der Schaltungsentwickler demnach fordern:
<Y K,EF ≥ 0 (hinreichende Bedingung fur Stabilitat). (6.4)
Wird die Test-Admittanz Gl. 6.3 auf der imaginaren Frequenzachse p = jω
ausgewertet und deren Realteil separiert, so ergibt sich nach einigen mathemati-
schen Umformungen aus Gl. 6.4 die Ungleichung
GSS1 ≥ωωTLCL
(1+
CLCBE
−ωT τβ)−(ωTω−ωrBCL
)[ω2LCL(1−ωT τβ)− CL
CCB
]1
ωCCB
(1− ω2LCCB
) [(ωTω− ωrBCL
)2
+
(1 +
CLCBE
− ωT τβ)2]
wo ω <1√LCL
.
(Eine hinreichende Bedingung fur die Stabilitat eines kapazitiv belasteten
Emitterfolgers mit endlicher Serieninduktivitat am Kollektor in Gegen-
wart einer ohmsch-kapazitiven Ansteuerung.) (6.5)
Dabei wurde von der gut erfullten Naherung fur die Stromverstarkung
ω
jω· e−jωτβ ≈ ω
jω·[1− j(ωτβ)− 1
2(ωτβ)2 − 1
6j(ωτβ)3 + ...
]≈ ω
jω· [1− j(ωτβ)]
mit ωτβ = 2πf · (PTF − PQF )︸ ︷︷ ︸typ. : 18
·TF · π
180(6.6)
134 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
Gebrauch gemacht16. Fur den in der Regel nicht eintretenden Fall ω > 1/√LCCB
ist der Beziehungsoperator in Gl. 6.5 umzudrehen.
An dieser Stelle sei kurz rekapituliert: Ziel der Betrachtungen ist eine prinzi-
pielle, analytische Bestatigung der in [114] beobachteten Entdampfung des Ein-
schwingverhaltens durch parasitare Induktivitaten in Reihe zum Kollektoran-
schluß von Emitterfolgerstufen. Nun beinhaltet Gleichung 6.5 aber gerade die
Antwort auf die vom Schaltungsentwickler gestellte Frage wie sichere Stabilitat
garantiert werden kann. Hierzu ist offensichtlichGSS1 ausreichend groß zu wahlen.
Es stellt sich also die Frage, in welcher Richtung der Wert der Serieninduktivitat
die Bedingung Gl. 6.5 beeinflußt. Entsprechend den Beobachtungen in [114] ist zu
vermuten, daß der fur hinreichende Stabilitat notwendige Leitwert GSS1 zunimmt,
so daß bei konstant vorgegebenem GSS1 mit zunehmender Induktivitat L, der Re-
alteil der Test-Admittanz Y K,EF in immer großer werdenden Frequenzbereichen
immer starker negativ wird.
Zur Klarung dieser Frage wird Gl. 6.5 partiell nach L differenziert. Nach
einigen Umstellungen erhalt man schließlich
∂GSS1
∂L=
(1 +
CLCBE
− ωτβ · ωrBCL)· ωT
CLCCB
ω2 ·(
1
ω2CCB− L
)2[(ωT
ω− ωrBCL
)2
+
(1 +
CLCBE
− ωτβ)2]
> 0, fur ω <
√1 + CL/CBEτβ · rBCL
. (6.7)
Die im Nenner auftretenden Faktoren sind immer positiv. Dies gilt aber auch fur
den Zahler, da die angegebene Schranke fur ω in praktischen Fallen erfullt ist17.
Damit ist die obige Vermutung bestatigt: Offensichtlich nimmt der der hinrei-
chenden Stabilitatsbedingung Gl. 6.5 genugende Leitwert GSS1 mit zunehmenden
Wert der Serieninduktivitat L ebenfalls zu.
Um Mißverstandnissen vorzubeugen, sei nochmals betont, daß es sich um ein
hinreichendes Kriterium handelt. Es kann daher der Realteil von Y K,EF bereichs-
weise negativ und dennoch das System stabil sein. Solche “netzwerktheoretischen
Falle” wird der Schaltungsentwickler jedoch moglichst vermeiden, genugt doch
eine kleine Toleranz von Schaltungsparametern, um diese Situation (uber den
veranderten Imaginarteil) zu kippen.16Fur eine detaillierte Erlauterung des theoretischen Hintergrundes der beiden Zusatzpha-
sen PTF und PQF muß auf [1] verwiesen werden. TF ist ein Modellierungsparameter derTransitzeit im SPICE-Gummel-Poon-Modell des Bipolartransistors.
17Bei Vernachlassigung der Zusatzlaufzeit der Stromverstarkung, entsprechend τβ = 0, folgt∂GSS1∂L > 0 ohne Einschrankung der Frequenz.
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 135
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabi-
litat von Treiberschaltungen
6.2.1 Modellierung parasitarer Elemente und Effekte des
Strukturentwurfs
6.2.1.1 Vorbemerkungen
Von entscheidender Bedeutung beim Entwurf schneller Treiberschaltungen ist die
Modellierung der mit dem Strukturentwurf (Layout) verbundenen parasitaren
Effekte. Richtige Antworten kann aber nur der bekommen, der auch die rich-
tigen Fragen stellt. Das Problem liegt hierbei weniger in der Ermittlung der
Parameter eines gewahlten Modellansatzes, sondern in der Wahl des Ansatzes
selbst. Zu jedem Modell gehort ein Gultigkeitsbereich der dessen Verwendung
einschrankt. Fur den Schaltungsentwickler ist es wichtig diese Beschrankungen
zu kennen, denn nicht modellierte parasitare Effekte konnen naturlich in der Si-
mulation auch nicht zu Tage treten, die Funktion des Chips in der Praxis spater
aber empfindlich storen. Mit der fortschreitenden Entwicklung in Richtung immer
hoherer Betriebsfrequenzen bei gleichzeitiger Miniaturisierung muß der Entwick-
ler integrierter Schaltungen neue Wege gehen und den Halbleiterchip als verteilte
Schaltungszellen, eingebettet zwischen elektrischen Verbindungselementen (Me-
tallisierung), begreifen.
Die im Halbleiterchip von Hochgeschwindigkeitsschaltungen auftretenden
parasitaren Effekte sind im wesentlichen zweierlei Natur. Zum einen kann die
Verdrahtungsmetallisierung bei hohen Frequenzen nicht langer als RC-Leitung,
also mit den Elmore’schen Verzogerungs -und Anstiegszeiten ([115]) charakte-
risiert werden18. Mit der jetzt zu berucksichtigenden Leitungsinduktivitat tritt
an die Stelle der Diffusion (RC-Leitung) die Wellenausbreitung (RLC-Leitung)
[116]. Speziell bei Treiberschaltungen, in denen hohe Geschwindigkeit und ho-
he Schaltstrome zusammentreffen, mussen daruberhinaus auch die parasitaren
Induktivitaten der Metallisierung von Masse- und Versorgungsspannung(en) (ty-
pisch im Bereich zwischen 5 und 100 pH ) berucksichtigt werden19.
Der zweite wesentliche parasitare Effekt in integrierten Schaltungen resultiert
aus dem Halbleitersubstrat. Verglichen mit dem Einfluß der parasitaren Elemente
18Diese fur Entwickler von Rechenprozessoren relativ neue Situation konnte moglicherweisezu einer Verzogerung in der Entwicklung von Prozessoren mit Taktraten deutlich uber 1 GHzfuhren.
19Offensichtlich gilt dies prinzipiell fur alle Hochgeschwindigkeitsschaltungen. In Treiberstu-fen tritt diese Problematik aufgrund der drastisch hoheren Stromspitzen jedoch bereits beiwesentlich kleineren Datenraten als bei anderen Schaltungen auf.
136 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
der Verdrahtungsmetallisierung spielen Substrateffekte, zumindest bei den im
Rahmen dieser Arbeit realisierten Treiberschaltungen, eine eher untergeordnete
Rolle. Dies gilt aber nicht grundsatzlich und daher wird der letzte Teilabschnitt
des Kapitels auf diesen Punkt zuruckkommen.
6.2.1.2 Signalleitungen
Genau genommen sind Signalleitungen keine parasitaren Elemente des Struktur-
entwurfs, da sie bewußt in die Schaltung eingefugt werden, sei es zur thermischen
Entflechtung oder um die durch den Chiprahmen (Bondpadreihen) bestimmten
Abmessungen aufzufullen. Wenn der Leser sie dennoch an dieser Stelle behandelt
findet, dann deswegen, weil die zunachst zu klarende Frage nicht lautet: “Welche
Parameter hat die Leitung ?” sondern: “Verhalt sich diese Geometrie wie eine
Leitung ?” Um Mißverstandnissen vorzubeugen, sei vorweggenommen, daß die
Leitungstheorie naturlich auch fur Leitungen auf Halbleiterchips gilt. Sie muß
nur richtig interpretiert werden, um zu geeigneten Modellen zu gelangen.
Anders als bei III-V-Verbindungshalbleiter (z.B. GaAs), stellt das Silizium-
substrat ein verlustbehaftetes Dielektrikum dar. Es eignet sich daher nur be-
dingt als Ruckleiter fur Signalleitungen, zumal je nach Frequenz und spezifischer
Leitfahigkeit neben der (gewunschten) dielektrischen Mode, noch die sogenann-
te “Slow-Wave-Mode” und die “Skin-Effect-Mode” auftreten [54, 55]. Vermeiden
laßt sich diese Problematik, wenn verschiedene Metallisierungsebenen und die
dazwischen liegenden Siliziumdioxidschichten zur Realisierung von Streifenleitun-
gen benutzt werden. Einige Beispiele fur Einzel- und differentielle Leitungen zeigt
Abb. 6.12. Zur unterstutzten koplanaren Leitung sei noch angemerkt, daß diese
nicht der im Bereich der III-V-Verbindungshalbleiter sehr haufig anzutreffenden
Koplanarleitung vergleichbar ist. Die Querschnittsproportionen in Abb. 6.12 sind
etwa maßstablich und typisch fur Si-Bipolartechnologien. Es ist einsichtig, daß
dieser Typ nur bei Minimalabstanden etwas andere Parameter als die daruber
dargestellte differentielle Mikrostreifenleitung aufweist.
Streifenleitungen sind in der Hochfrequenztechnik von großer praktischer
Bedeutung. Dementsprechend existiert eine Fulle theoretischer, teilweise empi-
rischer Betrachtungen von Streifenleitungen [117]. Mit dem Aufkommen immer
leistungsfahigerer Rechner sind die klassischen Leitungstabellen und -diagramme
nach und nach durch zahlreiche, auf Funktionalapproximation basierende For-
meln, abgelost worden [118]. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde eine
Programmbibliothek (Lines) entwickelt, die anhand von Formeln aus verschie-
densten solcher Quellen die Berechnung von Kapazitaten, Induktivitaten und
Leitungsersatzschaltbilder fur unterschiedlichste Geometrien ermoglicht [57]. Die
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 137
C2
C2
L
L
-L ∆ΣL+L∆ΣL
k =-L ∆2
ΣLLk=
-CΣ2Ck=
C∆
CΣ2
C2
k C2
k
CΣ2
CΣ2
CΣ2
kL
kL
kΣ :∆ :
GleichtaktgrößenGegentaktgrößen
Gekoppelte unterstützte Koplanarleitung
Gekoppelte Mikrostreifenleitung
S
G
G
S
SG
S1 S2
S
G GS2S1G
G
S1
S2
G
G
Symmetrische MikrostreifenleitungMikrostreifenleitung
Freiluftleitungbzw. -induktivität
Abb. 6.12: Beispiele fur Streifenleitungsgeometrien in in Si-Bipolarschaltungen. Zwi-schen den drei angenommenen Metallebenen befinden sich Schichten mitSiliziumdioxid. Die rechte Seite zeigt zugehorige Ersatzschaltbilder. De-ren Parameter konnen mit dem Programm Lines [57] berechnet werden.Verluste wurden der besseren Uberschaubarkeit wegen vernachlassigt.
Leitungsparameter aller in Abb. 6.12 dargestellten (und weiterer) Geometrien
konnen mit dem Programm Lines berechnet werden. Fur einzelne Typen sind
daruberhinaus auch frequenzabhangige Betrachtungen, wie Dispersion (frequenz-
abhangige Phasengeschwindigkeit), “Skineffekt” und “Proximityeffekt” aufge-
nommen worden.
Wahrend die in Abb. 6.12 aufgefuhrten Ersatzschaltbilder aus der Hoch-
frequenztechnik weithin bekannt sind, werden die Voraussetzungen, die ihnen
zugrunde liegen, meist vergessen. Betrachtet werde hierzu die in Abb. 6.13 dar-
gestellte Ansteuerung einer Last ZL uber eine Leitung. Ist die Leitung elektrisch
138 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
kurz20 und konnen ihre Verluste vernachlassigt werden, so wird sie ublicherweise
in Form des in Abb. 6.13 umrahmten einfachen π-Ersatzschaltbildes modelliert.
Fur die interessierendeZG
Z LuG LuC
2C2
L
"Rückleiter"
"Hinleiter"
Abb. 6.13: Ansteuerung einer Last ZL uber ei-ne elektrisch kurze Leitung mit ver-nachlassigbaren Verlusten.
Lastspannung uL ist die Auf-
teilung der Gesamtindukti-
vitat (L) auf den Hin- und
Ruckleiterzweig offensichtlich
gleichgultig, solange die Sum-
meninduktivitat stimmt. Dieser
Umstand hat dazu gefuhrt, daß
die gesamte Induktivitat ubli-
cherweise dem oberen, dann zudem falschlich als “Hinleiter” bezeichneten Zweig
zugewiesen wird (Abb. 6.13). Aber auch eine Trennung in Einzelkomponenten,
die dem Hin- respektive Ruckleiter zugeordnet werden, enthalt als Voraussetzung
noch die Erfullung der Torbedingung an den Leitungsenden: In ein Tor hinein-
fließender Strom und aus dem Tor herausfließender Strom mussen gleich sein.
Diese zunachst trivial anmutende Feststellung hat weitreichende Konsequenzen
fur den Entwickler integrierter Silizium-Schaltungen.
Masse
(Massekontakt)
(isolierend)
Durchkontaktierung
Epoxy-Kleber
externe
Silizium-Chip
Bonddraht (Al)
Au,Cu
Lot
Messing-Klotz (Substratträger)
Bondfleck
Leitungen
GND
GND
Abb. 6.14:Zur Diskontinuitat der Wellenleitungbeim Ubergang auf den Halbleiterchip.Mikrowellensubstrat mit versenkt ein-gebautem Silizium-Chip. Dargestelltist die Schnittstelle zwischen den exter-nen Mikrostreifenleitungen und den amEingang des Chips befindlichen Mikro-streifenleitungen.
Wie zuvor erortert, kann das Si-Substrat nicht als Dielektrikum verwendet
werden. Wahrend bei III-V-Halbleiter-Schaltungen uber die Ruckseitenmetalli-
sierung (Entwurf mit Mikrostreifenleitungen) oder durch Bondverbindung der an
der Oberflache befindlichen Massen von Mikrowellensubstrat und Chip (Entwurf
mit Koplanarleitungen) der externe Ruckleiter (Masse) in einfachster Weise in den20Hierzu mussen die Abmessungen der Leitung kleiner als ein Zehntel der Wellenlange sein.
Mit einer effektiven relativen Dielektrizitatszahl ([57]) εr ≈ 3,3 gilt fur eine Frequenz von50 GHz : lLTG < λ/10 = 330 µm. Damit sind alle Leitungen in den in dieser Arbeit entwickeltenTreiberschaltungen “elektrisch kurz”.
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 139
Chip hinein verlangert wird, ist entsprechendes in (heutigen) Siliziumtechnologi-
en nicht moglich: Koplanarleitungen sind aus den oben beschriebenen Grunden
problematisch und Mikrostreifenleitungen mussen aus denselben Grunden fur den
Ruckleiter auf eine der Metallisierungsebenen der Technologie zuruckgreifen. Als
Folge gelangt die externe “Leitungs”-Masse (Ruckleiter), ausgehend vom End-
punkt der Streifenleitungen auf dem Mikrowellensubstrat uber Durchkontaktie-
rungen zunachst von der Unter- auf die Oberseite des Substrates, uber Bondrahte
auf den Chip und erst dann uber die Metallisierung zu den Leitungen (Abb.6.14).
Zwei Fragen stellen sich angesichts dieser Situation:
“Gelten die in Abb. 6.12 dargestellten Leitungsmodelle weiterhin ?” und
“Wie kann/muß die verteilte Metallisierung der Masse (und Versorgungs-
spannung) auf dem Halbleiterchip modelliert werden ?”
Wie sich im anschließenden Kapitel zeigen wird, sind die beiden Fragen eng mit-
einander verknupft und konnen nur wechselseitig beantwortet werden, wenn die
erste Frage auch als Frage nach der Qualitat der Signalubertragung uber diese
Leitungen verstanden wird.
Selbstverstandlich gelten die Maxwell’schen Gleichungen auch auf dem Chip
und so sind die Geometrien in Abb. 6.12 ohne jeden Zweifel Wellenleiter im Sin-
ne der Hochfrequenztechnik. Die erste Frage kann vom Standpunkt des Hochfre-
quenztechnikers daher prinzipiell bejaht werden. Wo der Hochfrequenztechniker
jedoch Tore definiert, an denen Wellen ein- und auskoppeln, muß der Entwickler
integrierter Schaltungen sich zunachst fragen, wie er sein Nutzsignal an dieses
Leitungstor bekommt, beziehungsweise welches Signal dort anliegt. Es stellt sich
daher weniger die Frage nach den Parametern von Leitungen auf dem Chip.
Diese sind prinzipiell nicht anders zu ermitteln als fur Leitungen auf dem Mi-
krowellensubstrat. Der Unterschied liegt in der Einbettung der Ruckleiter in den
Strukturentwurf der Gesamtschaltung. Der elektrischen Modellierung der ver-
teilten Metallisierung von Masse- und Versorgungsspannungszufuhrung auf dem
Chip kommt daher eine fundamentale Bedeutung zu.
6.2.1.3 Verteilte Metallisierung der Masse- und Versorgungsspan-
nungszufuhrung auf dem Halbleiterchip
Der vorangehende Teilabschnitt schloß mit der Feststellung, daß Leitungsstruk-
turen, der Art wie in Abb. 6.12 angegeben, grundsatzlich Wellenleiter im hoch-
frequenztechnischen Sinne sind, denen in der ublichen Weise Ein- und Ausgangs-
Wellentor zugeordnet werden konnen. Die Leitungstheorie ist somit weiterhin
140 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
gultig. Stellt der Schaltungstechniker aber die Frage nach dem Einfluß dieser
Leitungen, so muß er sich fragen...
... wie sein Nutzsignal an das eingangsseitige Wellentor der Leitung gelangt.
... wohin das leitungsgefuhrte Signal das ausgangsseitige Wellentor verlaßt.
... welche parasitaren Storsignale ebenfalls an die Wellentore gelangen oder
entlang der Leitung einkoppeln.
Zur Beantwortung dieser Fragen bedarf es einer Modellierung der aus dem
Strukturentwurf resultierenden, verteilten Metallisierungen als elektrische Ver-
bindungselemente. Prinzipielle Ansatze hierzu zeigt Abb. 6.15:
Modellierung von Metallisierungen als elektrische Verbindungselemente
Prinzipielle Möglichkeiten
EM-Simulation für individuelleLayoutgeometrie
zeitintensiv, keine Modelleaufwendig, kompl. Randbed.
PEECPartialElementEquiv.Circuit
Full-wave EM-Simulation
Unterteilen des Layouts inTeilgeometrien mit bekanntenLösungen (Modellen)
Problem der geeigneten PartitionierungVerifikation
Lösen der Einzelgeometrien
Zusammensetzen zur Gesamtlösung
Bibliothek
Abb. 6.15: Modellierung der Metallisierung als elektrische Verbindungselemente [119].
Die genaueste Aussage resultiert aus einer Vollwellen-Simulation, die fur prakti-
sche Falle aber große Rechnerresourcen und Rechenzeit benotigt. Das Ergebnis
ist genau, aber in der Regel nicht wiederverwendbar. Deutlich reduzierte Anfor-
derungen haben sogenannte 2,5d-Simulatoren. Ein Beispiel hierfur ist Sonnet ,
mit dem 3d-Strukturen mit planarer Geometrie berechnet werden konnen [120].
Ein anderer Ansatz ist die auf A.E. Ruehli zuruckgehende, sogenannte
PEEC-Methode (Partial Element Equivalent Circuit) [121, 122, 123]. Rechenef-
fiziente Vertreter solcher Simulatoren sind FastCap und FastHenry , die am
Massachusetts Institute of Technology entstanden sind [124, 125, 88]21.
21Im Gegensatz zu vielen anderen an Universitaten entstandenen Programmen, sind dieseweithin bekannt, weil sie von Anfang an jedermann als “open source” zuganglich gemachtwurden. Gegenwartige Studien dieser Gruppe beschaftigen sich mit effizienten quasistationarenVollwellenlosern [126].
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 141
Die Grundidee bei diesen Programmen ist die Diskretisierung der Maxwell’schen
Gleichungen fur infinitisemale Elemente und deren Integration mit recheneffizi-
enten Algorithmen. In Rahmen dieser Arbeit wurde an verschiedenen Stellen von
FastHenry Gebrauch gemacht ([127]), einige Beispiele folgen weiter unten22.
Die PEEC-Methode ist attraktiv, da sie Rechenaufwand und -zeit gegenuber
einer Vollwellensimulation drastisch reduziert und als Ergebnis direkt ein Ersatz-
schaltbild (wenn notwendig auch frequenzabhangig) vorliegt.
Der dritte Ansatz zur Modellierung der Metallisierung, ist eine “Teile und
herrsche”-Methode. Die Losung erfolgt durch geeignete Partitionierung des Struk-
turentwurfs in Einzelgeometrien, die mit elementaren Formeln berechnet wer-
den konnen. Attraktiv ist, daß so eine wiederverwendbare Bibliothek entstehen
kann23. Nachteilig ist, daß die Partitionierung Erfahrung voraussetzt. Diese kann
aber durch Verifikation, beispielsweise mittels PEEC-Methoden, aufgebaut wer-
den. Zur Illustration soll das in Abb. 6.14 angedeutete Mikrostreifenleitungspaar
am Eingang eines Chips mit FastHenry diskutiert werden. Es ist von besonde-
rem Interesse, da es den Eingangsreflexionsfaktor beeinflußt. Als konkreter Fall
wird der 20 Gbit/s-Modulatortreiber betrachtet. (Fur dessen Schaltplan, siehe
Abb. 3.2).
-250 -200 -100 0 100 200 250
0
100
160-250 -200 -100 0 100 200 250
Kontakt auf "Masse"(unterste Metallebene)
y[µm]
(oberste Metallebene)Mikrostreifenleitungspaar
u I u IN
I IN
x [µm]
Abb. 6.16: Draufsicht auf die Mikrostreifenleitungen am Eingang des 20 Gbit/s-Modulatortreibers (Abb. 3.2). Die Signalleiter in der obersten Metallebenesind 160 µm lang, 4 µm breit und 0,8 µm dick. Die unterste Metallebe-ne (“Ruckleiter”) ist 0,6 µm dick. Die Dicke der Siliziumdioxidschicht(εr ≈ 4) zwischen den beiden Lagen ist 2,5 µm.
22Im Anhang findet der Leser ein Beispiel fur die Berechnung kurzer, gekoppelter Bonddrahte.23Die Programmbibliothek Lines [57] ist beispielsweise ein Teil einer solchen Bibliothek.
142 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
Abb. 6.16 zeigt eine Draufsicht auf das mit FastHenry (dreidimensional)
diskretisierte Modell. Mit den in der Bildunterschrift gemachten Geometriean-
gaben uberpruft man leicht (z.B. mit Lines ), daß der Wellenwiderstand dieser
Leitungen 50 Ω und die effektive Permittivitat εeff = ε0 · 3,3 betragen. Mit einer
Lange von 160 µm entsprechen die Leitungsabmessungen bis zu einer Frequenz
von f ≈ 50 GHz weniger als einem Zwanzigstel der Wellenlange, so daß keine
merkliche Retardation auftritt. Da zudem bei den interessierenden Frequenzen
um 10 GHz der Skineffekt noch wenig Einfluß hat (die Eindringtiefe betragt
δ ≈ 0,85 µm), ist der Leitwert entlang der Strombahnen durch das Metall sehr
hoch. Dann kann aber der Maxwell’sche Verschiebungsstrom im Amperschen Ge-
setz gegenuber dem ohmschen Leiterstrom vernachlassigt werden und man spricht
von magnetostatischen Verhaltnissen [128], die Voraussetzung fur die Einsetzbar-
keit von FastHenry.
Die Leitungen werden durch die beiden amplitudengleichen Spannungen uIund uIN mit einer Frequenz von 10 GHz , also mit der Frequenz einer 1010-Folge
der Datenrate 20 Gbit/s , angesteuert. Neben der Ansteuerung mit Gegentaktsi-
gnalen (uI = −uIN) wird auch die Gleichtaktansteuerung (uI = uIN) betrachtet.
Wie in der Praxis, erfolgt dabei die Ansteuerung gegen die externe Masse, die
den Ruckleiter der Streifenleiter auf dem Mikrowellensubstrat bildet. Bonddraht-
induktivitaten und die 50 Ω-Abschlußwiderstande am Ende der Signalleiter brau-
chen nicht berucksichtigt werden, da die relative Stromdichteverteilung und nicht
der absolut fließende Strom von Interesse ist. Die Pads konnen daher als Aquipo-
tentialflachen modelliert werden. Die galvanischen Verbindungen der Signalleiter
auf die Masse-Ebene (50 Ω-Abschlußwiderstande) werden durch Flachenkontakte
(Vias) der beiden Ebenen am Ende der Leitungen modelliert.
Das Ergebnis der Simulation mit FastHenry zeigen die Abb. 6.17 fur
Gegentakt und Abb. 6.18 fur Gleichtakt. Dargestellt sind jeweils die Ortsverlaufe
der — mit gleichem J0 — normierten Betrage der Stromdichte in der Abschir-
mung. Neben der topographischen Ansicht sind im jeweils unteren Teil der Ab-
bildungen noch Konturdiagramme dargestellt, in denen mit Pfeilsymbolen die
Stromrichtung angedeutet ist. Die senkrecht auf der Ebene stehenden Pfeile deu-
ten den Stromzufluß oder -abfluß aus den oder in die Signalleiter an (uber Vias
von oberer auf untere Ebene). Das Ergebnis entspricht voll den theoretischen
Uberlegungen im vorangehenden Kapitel, wonach sich Leitungsstrukturen auf
dem Chip prinzipiell nicht anders verhalten als auf einem Mikrowellensubstrat.
Der Unterschied liegt im Ruckleitersystem und dessen Anbindung an das Be-
zugspotential des ansteuernden Signals. Im Fall der Eingangssignale ist dies die
externe Masse.
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 143
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144 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
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6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 145
In beiden Signalmoden fließt der am Ende der Signalleiter in die Abschir-
mung eingespeiste Signalstrom zunachst unter dem Hinleiter bis zum Anfang der
Leitung. Im Gegentaktfall schließt dann ein Großteil des Stromes eine Schleife
mit dem komplementaren Strom der anderen Seite, ein kleinerer Teil wandert
in einem schmalen Kanal zu den in den Ecken liegenden Masse-Bondflecken. Im
Gleichtaktfall fließt ein kleiner Stromanteil nicht unter dem Hinleiter sondern
direkt am Rand entlang zu den Masse-Bondflecken. Solche Strome werden als
“eddie currents” bezeichnet. Sie kommen zustande durch das Bestreben des Sy-
stems seine elektromagnetische Energie zu minimieren. Bei tiefsten Frequenzen,
bei denen magnetische Energie keine Rolle spielt, ist die optimale Stromvertei-
lung die mit dem geringsten effektiven Widerstand und der Strom fachert sich
uber die gesamte Abschirmung auf. Entsprechende Untersuchungen zeigen, daß
dieser Effekt bei einer Frequenz von 100 MHz noch merklich beobachtet werden
kann. Bereits bei einer Frequenz von 1 GHz entspricht die Stromdichteverteilung
jedoch dem in den Abbildungen gezeigten Fall bei 10 GHz [127].
Die Stromverteilung zeigt, daß
Ω50 Ω50
Masse-Bondflecken
I IN
Abb. 6.19:Modellierung des Chip-Eingangs. Die Lei-tungssymbole bezeichnen die “Nutzleitun-gen” mit 50 Ω-Wellenwiderstand. Die pa-rasitaren Induktivitaten liegen typisch zwi-schen 75 und 100 pH .
sich das Leitersystem bezuglich
den, jeweils aus Signalleiteranfang
und dem lotrecht darunterliegen-
den “Knoten” der Abschirmung
gebildeten Toren, wie eine Mikro-
streifenleitung verhalt. In der Tat
zeigen mit FastHenry sowie uber
Formeln mit Lines (Streifenleitung)
berechnete Schleifeninduktivitat an
diesen (virtuellen) Toren eine gute
Ubereinstimmung (L ≈ 62 pH ).
Von diesen Toren der beiden Lei-
tungen ausgehend fließt ein Strom
zwischen den beiden Toren (Gegentakt) sowie zu den Masse-Bondflecken (v.a.
Gleichtakt). Diese Induktivitatsanteile konnen anhand einer mittleren Breite
des Stromkanals als Freiluft-Induktivitat mit Lines abgeschatzt werden und
man erhalt das in Abb. 6.19 dargestellte Modell. Es liegt auf der Hand, daß die
parasitaren Zusatzinduktivitaten eine gewisse Frequenzabhangigkeit aufweisen,
bis die Breite des zugehorigen Stromkanals zu hoheren Frequenzen hin ein etwa
konstant bleibendes Minimum erreicht. FastHenry bietet allerdings auch die
Moglichkeit aus einer Zustandsraum-Darstellung [80] ein frequenzabhangiges,
direkt als SPICE-Modell ausgegebenes Ersatzmodell abzuleiten [129]. Auf diese
Weise konnen Proximity- und Skineffekt berucksichtigt werden [128].
146 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
An dieser Stelle sei kurz rekapituliert: Leitungsstrukturen auf dem Chip ver-
halten sich bezuglich ihrer ein- und ausgangsseitigen Wellentore nicht anders als
auf Mikrowellensubstraten. Im gewahlten Beispiel fallen die Signalsenken in Form
der 50 Ω-Abschlußwiderstande mit den ausgangsseitigen Wellentoren der Streifen-
leitungen zusammen, so daß der Ruckstrom in beiden Signalmoden uberwiegend
unter dem Hinleiter verlauft. Am eigangsseitigen Wellentor weist das Ruckleiter-
system jedoch eine Diskontinuitat auf, verursacht durch die parasitare Bahnin-
duktivitat zu den Bondflecken der Masse, ebenso naturlich durch die Bonddrahte.
Fur die (dominanten) Gegentaktsignalanteile, bildet sich in der Ruckleiterebene
zwischen den Signalleitern eine Signalmasse aus, welche die Diskontinuitat fur
diese Signalmode deutlich reduziert.
Das gerade betrachtete Beispiel zeigt wie auf dem Siliziumhalbleiter ein
“wohl definiertes Signalleiterverhalten”24 erreicht werden kann. Hierzu sollte . . .
... die eine Leitung abschließende Impedanz direkt an den lotrecht unter dem
Signalleiterende liegenden “Anfangspunkt” des Ruckleiters gefuhrt werden.
... ein Vorteil des Differenzbetriebes, die Ausbildung einer Signalmasse, ge-
nutzt werden.
So einfach und einsichtig diese Ratschlage1’
1 2
2’1’
1 2
2’??Abb. 6.20: Wellenleiter mit “floaten-
der” Abschirmung.
erscheinen, so schwer ist deren Umset-
zung auf dem Halbleiterchip. Eine definier-
te Abschlußimpedanz kann meist nicht an-
gegeben werden, da praktisch alle Kompo-
nenten integrierter Schaltungen nicht nur
zwei Klemmen, sondern eine Vielzahl von
Signalwegen aufweisen. Die Geometrie ei-
ner Streifenleitung ist schnell realisiert. Solange jedoch nicht klar ist, welcher
Strom im Ruckleiter (“Abschirmung”) fließt, gibt es nicht “Signal-Hinleiter”und
“Signal-Ruckleiter”, sondern zwei gleichberechtigte Signalleiter.
Oft ist in integrierten Schaltungen die galvanische Verbindung zwischen Hin-
und Ruckleiter(system) eines Wellenleiters nicht genau bekannt oder so hochoh-
mig, daß der “galvanische” Ruckstromanteil nur einen Bruchteil des im Hinleiter
fließenden Stromes betragt. Das Ruckleitersystem verhalt sich dann bezuglich
der Signal-Hinleiter als eine “floatende” Metallebene (Abb. 6.20). Aufgrund der
hohen Leitfahigkeit wirkt die Metallflache als Reflektor, in dem “Bildstrome”
induziert werden, die ihrer Ursache — dem magnetischen Fluß — entgegenwir-
ken und so die im Signalleiter wirksame effektive Induktivitat gegenuber dem
“Freiluft”-Leiter (Abb. 6.12) deutlich verringern [130, 131].24“Dies sei hier als moglichst getreue Ubertragung des ansteuernden Signals an das Leitungs-
ende verstanden. In diesem Kontext sind die uber den parasitaren Metallisierungsinduktivitatenund an den Massebonddrahten abfallenden Spannungen Storungen, die sich am Eingangstor derLeitung dem Nutzsignal uberlagern (“ground lift”).
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 147
JJ
0
x [µm]
a=10 µm
a=100 µm
y [µm]
Gegentakt
Gegentakt
Gleichtakt
Gleichtakt
200
100
0
100
-1000
1
200
100
0
100
-1000
1
200
100
0
100
-1000
1
200
100
0
100
-1000
1
0
Abb. 6.21: Differentielle Mikrostreifenleitung uber “floatender” Metallebene (vgl.Abb 6.20). Topographische Ansicht des Betrages der normierten Strom-dichte in der abschirmenden Metallflache. Querschnittsgeometrie und Si-mulationsbedingungen entsprechen denjenigen der Abb. 6.16.
Es stellt sich die Frage wie gut dies funktioniert und wie diese Situation mit
vertretbarem Aufwand naherungsweise modelliert werden kann. Betrachtet wird
hierzu die Anordnung der Abb 6.20. Fur zwei verschiedene Abstande der Signal-
leiter in der oberen Metallebene zeigt Abb. 6.21 (mit gleicher Referenz) normierte
148 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
Stromdichteverlaufe in der nicht angeschlossenen unteren Metallflache. Wie er-
wartet induziert der Stromfluß in den Signalleitern entgegengesetzt gerichtete
“Bildstrome” in der Metallflache. Fur Gegentaktansteuerung bilden sich, beson-
ders im Fall des kleinen Signalleiterabstandes (a = 10 µm), aber auch beim
großen Abstand (a = 100 µm), verkoppelnde Stromschleifen zwischen den bei-
den “Bild-Leitern” in der Metallebene. Selbst beim großen Abstand bildet nur
ein vernachlassigbarer Stromanteil nach außen gerichtete, in schmalsten Kanalen
entlang der Begrenzung der Flache fließende sogenannte “eddie currents” aus.
Fur die Gleichtaktmode sind diese letztgenannten Strome hingegen ausschlag-
gebend. Bei Ansteuerung mit gleicher Signalspannungsamplitude halbiert sich
zunachst die Stromdichte unter den Signalleitern im Vergleich zur Gegentaktmo-
de. Wahrend zuvor der Fall mit kurzem Leiterabstand eine hohere Stromdichte
unter den Streifen aufwies, ist im Gleichtaktfall die Stromdichte beim großem
Abstand etwas hoher. Verstandlich werden die Zusammenhange anhand der in
Abb. 6.21 (oben) mit Pfeilen angedeuteten Strombahnen.
Im Gegentaktfall bestimmt die Impedanz zwischen den Enden der beiden
“Bild-Leiter” die Hohe der Kreisstrome in der Abschirmung. Je kleiner der Ab-
stand, desto niederohmiger diese Impedanz und desto hoher der “Kurzschluß-
Strom” in der Abschirmung.
Fur die Gleicktaktmode sind die “Bild-Leiter” nicht mehr Quelle und Senke,
sondern gleichphasige Quellen. Bei kleinem Abstand wird der Strompfad in der
Mitte zwischen den “Bild-Leitern” auf einen schmalen Kanal (sehr hochohmi-
ge Impedanz) verdrangt, der Großteil des Stromes schließt sich daher uber den
weiten Weg der außeren Stromschleife. Interessant ist in diesem Zusammenhang
der weite Wirkungsbereich der Gleichtaktmode. So sind die “Endeffekte” (Strom-
kanale entlang der Flachenberandung) 100 µm von den “Bild-Leitern” entfernt
immer noch merklich, ein weiter Bereich des Strukturentwurfs bestimmt demnach
den uber den Signalleitern auftretenden Gleichtakt-Spannungsabfall.
Gemaß der obigen Diskussion charakterisieren zwei Effekte das elektrische
Verhalten eines differentiellen Streifenleiterpaars mit gemeinsamer, jedoch galva-
nisch nicht angeschlossener Abschirmungs-Metallflache:
• “Bild-Leiter” resultieren aus der starken magnetischen Verkopplung, die mit
dem geringen vertikalen Abstand der Metallisierungslagen einhergeht25.
• Die Hohe der den “Bild-Leitern” zuzuordnenden Kurzschlußstrome ist
abhangig von der Signalmode und dem Abstand der Leiter.
25Zur besseren Vergleichbarkeit wurde dieselbe Querschnittsgeometrie wie in den Abb. 6.17und 6.18 gewahlt. Werden zwei direkt benachbarte Metallagen verwendet, nimmt die Kopplungweiter zu. Zahlenbeispiele werden noch diskutiert.
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 149
1’
1 2
2’
12 C
2L 1L
12 C1
1’
1L
12 C
2L
12 C
2
2’
k
4
4’
k
3
3’1L
2Lkü2 2
12 L∆
12 L∆
12 L∆
LΣ1 LΣ112 LΣ2
12 L∆
3’ 4’
3 4
21(1-k ) L
1
1’
12 C
12 C
Uxü21k L Ux
i xi xü
1
12 C
12 C
21(1-k ) L
21k L
1
1’
2(1-k ) L1
14 C ü
1( )12
ü2 L∆ LΣ1( )
21k L
1
1’
2(1-k ) L1
14 C ü
1( )12
LΣ2L∆ LΣ1ü2 +( )
21k L
1 : üü : 14’
4 2
2’
3
3’
Gegentakt Gleichtakt
? Lks
Lks
Abb. 6.22: Zur Modellierung gekoppelter Mikrostreifenleitungen uber einer “floaten-den” Metallebene.
Betrachtet man einen Signalleiter und dessen “Spiegelbild” in der unteren
Metallflache als gekoppeltes Signalleiterpaar, erhalt man das in Abb 6.22 (oben,
rechts) dargestellte Ersatzschaltbild mit gekoppelten Induktivitaten [119]. Die
beiden zu den “Bild-Leitern” in der Abschirmung gehorenden Induktivitaten
(L2) sind uber ein den Kreisstromen zugeordnetes Netzwerk von “Kurzschluß”-
Induktivitaten (Lks) galvanisch verbunden. Den Schaltungsentwickler interessiert
nun, in welchem Maße der Reflektor die Langsimpedanz uber den Signalleiter-
streifen (Tore 1-1’ und 2-2’) gegenuber deren hoher Freiluft-Induktivitat zu redu-
zieren vermag. Verschiedene Wege mit (deutlich) unterschiedlichem Rechenauf-
wand fuhren zum gesuchten Ergebnis. Eine elegante, ubersichtliche und zudem
150 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
ganzlich ohne Rechnung auskommende Methode ist die, aus der Netzwerktheorie
bekannte, aquivalente Darstellung gekoppelter Induktivitaten unter Verwendung
idealer Ubertrager [101, 132]. Mit dem Ubersetzungverhaltnis
u = k ·√L1
L2
(6.8)
gelangt man unmittelbar zu der Darstellung in der Mitte der Abb. 6.22. Anhand
der oben gefundenen Stromschleifen wird das Kurzschluß-Netzwerk aufgelost.
Die mit L∆ bezeichneten Induktivitaten modellieren den zu den “Bild-Leitern”
orthogonalen, diese verkoppelnden Stromfluß, der fur die Gegentaktmode (“∆-
Mode”) entscheidend ist. Fur die Gleichtaktmode (“Σ-Mode”) sind zusatzlich
die mit Σ indizierten Induktivitaten wichtig. Dabei steht Σ1 stellvertretend fur
die außeren Stromschleifen und Σ2 fur den (geringen) Stromanteil zwischen den
“Bild-Leitern”, der parallel zu diesen verlauft. Uber die wohlbekannte Gleichtakt-
/Gegentaktzerlegung liest man am Tor 3-3’ oder genauso am Tor 4-4’, die beiden
Kurzschluß-Induktivitaten
L3−3′,∆ = LΣ1 || L∆ und L3−3′,Σ = LΣ1 || (L∆ + LΣ2) (6.9)
fur Gegen-, beziehungsweise Gleichtaktansteuerung ab. Mit den Transformations-
regeln des idealen Ubertragers konnen hieraus die am Tor 1-1’ (bzw. 2-2’) resultie-
renden Gegen- und Gleichtaktimpedanzen direkt angegeben werden (Abb. 6.22,
unten) [101, 132]. Dabei ergeben sich zwei spezielle Falle:
• Fur u = 1 wirkt die Leitungskapazitat C unabhangig von ihrer Große und
der Frequenz als Leerlauf und hat damit keinerlei Einfluß auf die uber den
Signalleitern abfallende Spannung.
• Fur k=1 erhalt man als Ersatzschaltung eine Parallelschaltung der Signal-
leiterinduktivitat L1, der mit dem Faktor L1/L2 (≈ 1, oft) multiplizierten
effektiven Kurzschluß-Induktivitat und der mit 1/4 · [√L2/L1 − 1]2 (≈ 0,
falls L1 ≈ L2) multiplizierten Leitungskapazitat.
Anhand eines Zahlenbeispiels soll nun gezeigt werden, wie der Schaltungs-
entwickler ohne zeitaufwendige Simulationen die Großen dieses Ersatzschaltbildes
naherungsweise ermitteln kann. Der Leser betrachte hierzu nochmals die allgemei-
ne Darstellung in Abb. 6.22, oben und erinnere sich an deren physikalischen Hin-
tergrund: Die Wellentore im hochfrequenztechnischen Sinne (Wellenleiter) sind
1’-3’ und 1-3, sowie 2’-4’ und 2-4. Bezuglich dieser Tore verhalt sich die Anord-
nung als Mikrostreifenleitung, deren Parameter (L,C) beispielsweise mit den in
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 151
Lines [57] implementierten Formeln bestimmt werden konnen. Auch die Eigen-
induktivitaten L1 und L2 konnen als “Freiluft”-Induktivitaten berechnet werden.
Im Fall von L2 ist die aus der Streifenleitungstheorie bekannte effektive Leit-
schichtbreite weff einzusetzen [117]26. Im Zusammenhang mit Abb. 6.13 wurde
bereits auf den haufig vergessenen Umstand hingewiesen, daß die Induktivitat
(L = Lmicro) in den “klassischen” π-Leitungsersatzschaltbilder eine Schleifenin-
duktivitat und nicht die Induktivitat des Hin- oder Ruckleiters ist. Durch Um-
stellen der Gleichung fur die Schleifeninduktivitat
L = Lmicro = L1−M12+L2−M21 = L1+L2−2M = L1+L2−2·k√L1L2 (6.10)
ergibt sich der gesuchte Kopplungsfaktor k.
Als ein Beispiel sei der untere Fall der Abb. 6.21 betrachtet. Fur eine einzel-
ne Mikrostreifenleitung erhalt man mit Lines eine Induktivitat Lmicro = 62 pH
und eine effektive Leitschichtbreite weff = 4,6 µm. Die Eigeninduktivitaten be-
stimmen sich zu L1 = 197 pH und L2 = 193 pH . Eingesetzt in Gl.6.10 erhalt
man den Koppelfaktor k = 0,84 und das Ubersetzungverhaltnis u =√
0,72.
Die effektive Kurzschluß-Induktivitat fur Gegentakt ergibt sich zu L∆||LΣ1 =
15,5 pH ||530 pH ≈ 15 pH , wobei aus dem simulierten Stromdichteverlauf eine
Stromkanalbreite von 1 µm bei einer Lange von 400 µm fur LΣ1 und einer Lange
von 2 × 12 µm fur L∆ zugrundegelegt wurde. Hieraus resultiert eine uber den
Leiterstreifen wirksame Induktivitat L = (1 − k2)L1 + (k2L1||u2(L∆||LΣ1)) ≈58 pH + 10 pH = 68 pH . Aus der Simulation mit FastHenry erhalt man be-
zogen auf die Schaltungstore 1-1’ und 2-2’ zunachst L11 = L22 = 130 pH und
L12 = L21 = 66 pH . Die uber dem Leiterstreifen wirksame Induktivitat fur
Gegentakt ergibt sich hieraus zu L = (130 − 66) pH = 64 pH in guter Uberein-
stimmung zur Rechnung. Der Zahlenwert selbst spiegelt wider, daß aufgrund der
starken Kopplung und der geringen Kurzschlußinduktivitat die im Gegentaktfall
wirksame Ersatzinduktivitat etwa dem Wert fur die ideale Mikrostreifenleitung
entspricht (62 pH ).
Im Gleichtaktfall gilt (bei kleinem Leiterabstand) zunachst naherungswei-
se (L∆ + LΣ2)||LΣ1 ≈ LΣ1 ≈ 530 pH . Fur die wirksame Induktivitat er-
gibt sich hieraus L = (1 − k2)L1 + k2L1||(u2LΣ1) ≈ 162 pH . Wie zu erwar-
ten, ist hier die Ubereinstimmung mit dem von FastHenry berechneten Wert
L = (130 + 66) pH = 196 pH aufgrund der wesentlich komplexeren Verhaltnis-
se schlechter, jedoch in der richtigen Großenordnung. Interessanterweise ist die-
ser Wert etwa genauso hoch wie die “Freiluft”-Induktivitat des Leiterstreifens.
Genauere Untersuchungen der Ursachen zeigen, daß die magnetische Verkopp-
lung der Leiterstreifen und der “Bild-Leiterstreifen” untereinander nicht ganz
vernachlassigt werden kann [127], da im Beispiel deren Abstand (a = 10 µm) nur
26weff , und die “Freiluft”-Induktivitaten konnen ebenfalls mit Lines [57] berechnet werden.
152 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
viermal großer als der Abstand der beiden Metallisierungslagen ist. Durch diesen,
von Bonddrahten bekannten Effekt, kann die Gleichtaktinduktivitat auch großer
als die Eigeninduktivitat eines Leiters werden.
Auch der Fall mit merklichem Abstand der beiden Leitungen (a = 100 µm)
kann in analoger Weise abgeschatzt werden und es ergibt sich eine gute Uberein-
stimmung mit FastHenry . Die Kopplung zwischen den beiden Metallebenen
bleibt ebenso wie die Eigeninduktivitaten etwa gleich, die Verkopplung der
Signaltore 1-1’ und 2-2’ nimmt aber um ein Drittel ab. Dies ist nicht ver-
wunderlich, resultiert doch die erhohte Kurzschluß-Induktivitat zwischen den
“Bild-Leiterstreifen” (vergroßerter Abstand) in einer Reduktion des Gegentakt-
Kreisstromes zugunsten der Gleichtakt-Kreisstrome (Abb. 6.21).
Die beiden ersten auf S. 140 aufgeworfenen Fragen sind somit beantwor-
tet: Zur optimalen Ein- und Auskopplung von Nutzsignalen in Leitungen auf
dem Halbleiterchip mussen die Wellentore der Leitungen mit den Toren von Si-
gnalquelle und -senke zusammenfallen. Jegliche Impedanz im Verbindungsweg
zwischen eingangseitigem Wellentor der Leitung und Signalquelle oder ausgangs-
seitigem Wellentor und Signalsenke resultiert sonst in einer Storung der Uber-
tragung durch die daran abfallende Spannung (“ground lift voltage”). Wahrend
im Gegentaktfall die Tore von Signalquelle und Signalsenke gegen die virtuelle
Masse definiert werden konnen, sind die beiden Tore fur die Gleichtaktmode uber
ein kompliziertes, nicht ohne Weiteres anzugebendes Netzwerk verbunden.
Bislang wurden im Ruckleitersystem nur direkt mit dem Nutzsignal korre-
lierte Strome betrachtet. Anders ausgedruckt wurde die verteilte Metallisierung
von Masse und Versorgungsspannung nur lokal, als Ruckleiter von Nutzsignallei-
tungen betrachtet. Angesichts hoher Datenraten und den bei Treiberschaltungen
auftretenden hohen Stromspitzen mussen diese Metallisierungen selbst jedoch
auch als elektrische Verbindungselemente modelliert werden. Um diesem Um-
stand Rechnung zu tragen, muß das in Abb. 6.22 eingefuhrte Ersatzschaltbild mit
verkoppelten Induktivitaten verallgemeinert werden, indem es in das Netzwerk
der verteilt modellierten Metallisierungen von Masse und Versorgungsspannung
eingebettet wird. Ein Beispiel fur das hieraus resultierende (vereinfachte) Netz-
werk der parasitaren Elemente der Metallisierung zeigt Abb. 6.23. Dargestellt
sind die Verhaltnisse beim 20 Gbit/s-Modulatortreiber (vgl. Kap 6.2.2).
Die Vorgehensweise bei der Bestimmung der Ersatzschaltbildelemente (ge-
nau dieses Beispiels) wird detailliert in [114] diskutiert. Deren wichtigste Aspekte
sollen im folgenden zusammengefaßt werden. Den Startpunkt bildet die Parti-
tionierung des Strukturentwurfs in unabhangige Teilbereiche, die mit bekannten
Formeln ([57, 114]) berechnet also modelliert werden konnen.
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 153
mag
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50Ω
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IIN
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6.2.
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(Abb
.6.
24)
nich
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154 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
Bereiche nicht uberlappender Metallisierungsflachen werden als Freiluft-
Induktivitaten abgeschatzt. Uberlappende Bereiche von Masse- und Versorgungs-
spannungsmetallisierung werden hingegen als “Leitung” (aufgrund haufig gleicher
Breitenabmessungen meist als Bandleitung [57]) berechnet und analog der oben
beschriebenen Vorgehensweise uber den Weg der Schleifeninduktivitat (Gl. 6.10)
durch ein Ersatzschaltbild mit gekoppelten Induktivitaten und Kapazitaten mo-
delliert. Die Signalleitungen, beziehungsweise genauer deren Ruckleiter, werden
schließlich in das so entstehende Netzwerk eingebettet. In Abb. 6.23 ist dies der
Ubersichtlichkeit wegen nur fur die Eingangsleitung dargestellt, analoges gilt je-
doch auch fur die anderen Leitungen (vgl. Abb. 6.26) . Gegenuber dem aus
Abb. 6.19 bekannten Ansatz mit einem reinen Wellenleiterbereich (Streifenlei-
tung) und einer parasitaren Bahninduktivitat zum Endpunkt des Ruckleiters
auf dem Mikrowellensubstrat, wird das Ruckleitersystem der Eingangsleitung
auf dem Chip jetzt durch ein verfeinertes Netzwerk aus Induktivitaten model-
liert. Zwar fließt der Signalstrom großtenteils unter dem Hinleiter zuruck (vgl.
Abb. 6.17 und 6.18)27 und damit orthogonal zu einem zeitabhangigen Ausgleichs-
strom zwischen linker und rechter Massemetallisierung, durch den dabei resultie-
renden Spannungsabfall konnen jedoch Storungen kapazitiv in die Signalleiter
einkoppeln oder direkt uber die 50 Ω-Widerstande des Eingangsabschlusses (vgl.
Abb. 6.23, oben rechts).
Offensichtlich ist die Partitionierung des Strukturentwurfs ein entscheiden-
der Punkt bei der Bestimmung von Ersatzschaltbildern fur die Metallisierung. In
einem gewissen Sinne muß namlich die Antwort angedacht sein, noch bevor die
Frage gestellt wird, setzt doch die Partitionierung die Identifikation unabhangi-
ger Wirkungsbereiche voraus. Hierzu muß der Schaltungsentwickler zumindest ein
grobes Verstandnis der Strombelegung in der Metallisierung haben. Es existiert in
diesem Bereich noch keine allgemeine Losung, wenngleich in kommerziellen Ent-
wicklungswerkzeugen die kapazitive Extraktion (“backannotation”) seit langerem
verfugbar ist. Die Berucksichtigung parasitarer Induktivitaten ist jedoch ungleich
komplizierter, nicht zuletzt auch wegen des großen Wirkungsbereiches28. Elektro-
magnetische Simulatoren konnen helfen, einen Erfahrungschatz beziehungsweise
eine Bibliothek aufzubauen, mit dem Ziel, in vielen Fallen den nochmaligen zeit-
und rechenintensiven Einsatz von Simulatoren uberflussig zu machen.
Eine Vielzahl von Simulationen und Berechnungen wurden im Rahmen
der vorliegenden Arbeit zu diesem Thema gemacht [127]. So wurden fur ein
27Dies tritt genauso im Ersatzschaltbild auf, da bei hoheren Frequenzen der Pfad direktunterhalb der Signalleiterstreifen durch die starke magnetische Verkopplung den geringstenImpedanzbetrag aufweist.
28Das Magnetfeld um einen Stromfaden nimmt nur reziprok mit dem Abstand zu diesem ab.
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 155
40 Gbit/s-Projekt [133] auch Mehrleitersysteme (zum Beispiel Paare von Dif-
ferenzleitungen) untersucht. Auch die Frequenzabhangigkeit wurde mit reduzier-
ten Zustandsraum-Modellen ([80]) — ermittelt mit FastHenry — berucksich-
tigt. Solche Modelle sind verhaltnismaßig rechenintensiv und so beschaftigen sich
laufende Arbeiten mit einer einfachen aber hinreichend genauen empirischen Mo-
dellierung typischer Konfigurationen von Mikrostreifenleitungen auf Si-basierten
Halbleiterchips [134].
Langst sind noch nicht alle Antworten in diesem Bereich gefunden und wohl
viele Fragen noch nicht gestellt. Es ist absehbar, daß in naher Zukunft die Simula-
tion elektromagnetischer Effekte auf der Chipebene enorme Bedeutung erlangen
wird. Eine “automatische”, in eine IC-Entwicklungsumgebung integrierte RLC-
Extraktion, durfte allerdings wie im Fall der im folgenden Abschnitt aufgegriffe-
nen Substratmodellierung noch langer auf sich warten lassen. Dies darf aber nach
Meinung des Autors auch nicht das Ziel des Schaltungsentwicklers sein. Genau
wie bei der Optimierung der Bauelemente mussen Leitungen und parasitare Me-
tallisierungsinduktivitaten fruhzeitig als Optimierungsvariablen begriffen werden.
Ziel muß das Verstandnis der Effekte sein und nicht ein blinder Automatismus.
Nur so kann die Zahl kostspieliger Iterationszyklen zwischen Schaltungs- und
Strukturentwurf minimiert werden.
6.2.1.4 Anmerkungen zur Substratmodellierung
Ein weiterer wesentlicher parasitarer Effekt in integrierten Schaltungen ist mit
dem Halbleitersubstrat verbunden, das die Bauelemente tragt. Man unterscheidet
zwischen einer Kopplungsproblematik und der Veranderung der Last an Schal-
tungsknoten [50, 51]. Die parasitare Verkopplung ist besonders fur empfindliche
Verstarker wichtig, da sie bei großen Verstarkungen leicht zu Instabilitaten fuhren
kann, wenn ein ausreichend großer Teil des verstarkten Signals uber das Substrat
auf den Eingang zuruckkoppelt [53].
In Treiberschaltungen wirkt sich die Veranderung der Last am Kollektorkno-
ten von Transistoren aus. Aufgrund der niederohmigen Impedanzverhaltnisse im
Inneren der Schaltung ist der Effekt praktisch ausschließlich auf den Ausgangs-
kreis beschrankt. Im Zusammenhang mit der Diskussion des Anhebungsnetzwerks
wurde im Kap. 5.1.1 bereits darauf hingewiesen, daß fur dessen quantitative Si-
mulation auch der Substrateffekt berucksichtigt werden muß. Da die Substratka-
pazitat aber nur einen Teil der gesamten Ausgangskapazitat ausmacht (Gl. 3.2),
ist der Effekt im Fall einer Ansteuerung abgeschlossener Leitungen eher gering
und kann zudem durch Anpassung der Bondinduktivitaten wieder kompensiert
werden [60].
156 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
Eine andere Situation ergibt sich bei Ansteuerung von Modulatoren, deren
elektrische Eingangsimpedanz wesentliche Blindanteile aufweist. In diesem Fall
bestimmt auch der Reflexionsfaktor der Treiberstufe das am Modulator anliegen-
de elektrische Signal (Doppelreflexion). Das Substrat stellt dann einen moglichen
Weg fur eine Ruckkopplung des vom Modulator reflektierten Signals in vordere
Schaltungsteile des Treibers dar. Dies ist der Grund, warum fur den im Kap. 5.2.1
diskutierten EAM-Treiber von [99] ein aufwendiges Substratersatzschaltbild des
Ausgangskreises bestimmt wurde. In diesem konkreten Fall zeigt sich nur eine
geringe Beeinflussung der Signalqualitat durch Substrateffekte, ein Ergebnis, das
aber nicht ohne weiteres verallgemeinert werden kann.
Schließlich ist bei der Modellierung der verteilten Metallisierung streng-
genommen zu beachten, daß jeder Emitterfolger, in Form seiner Kollektor-
Substratkapazitat und dem hierzu in Reihe liegenden Substrat, eine weitere Ver-
kopplung von Masse und Versorgungsspannung bedeutet. Da letztere aber ohne-
hin (absichtlich) durch großflachig uberlappende Metallbereiche auf dem Halb-
leiterchip fur hohe Frequenzen “kurzgeschlossen” werden, zeigen entsprechende
Simulationen nur einen geringen Einfluß auf das Verhalten der Schaltung [114].
6.2.2 Fallbeispiel: 20 Gbit/s-Modulatortreiber
Mit den vorangehenden Teilabschnitten, welche die potentielle Instabilitat ein-
zelner Schaltungsstufen (Kap. 6.1) und die Modellierung parasitarer Elemen-
te und Effekte des Strukturentwurfs (Kap. 6.2.1) zum Gegenstand haben,
sind die Grundlagen fur das Verstandnis der speziellen Stabilitatsproblematik
in schnellen Treiberschaltungen gelegt. Als ein typisches Fallbeispiel soll der
20 Gbit/s-Modulatortreiber betrachtet werden, anhand dessen in Kap. 3.2 bereits
grundsatzliche Gesichtspunkte der Transistoroptimierung diskutiert wurden.
Bei einem ersten Entwurf dieses Treibers wurden — auch aufgrund knapper
Zeitvorgaben bei der externen Erstellung des Strukturentwurfes — “Schwachen”
in der Verdrahtung von Masse- und Versorgungsspannung nicht rechtzeitig auf-
gedeckt29. Bei der praktischen Vermessung der Schaltung traten hierdurch Sta-
bilitatsprobleme auf, die deren Einsatz bei nomineller Datenrate (20 Gbit/s) auf
einen einphasigen Ausgangshub von 2 Vss (nominell 3 Vss) beschrankten [23].
Im Bewußtsein dieser zunachst ungeklarten Problematik wurden bei der Model-
lierung des Strukturentwurfs eines 40 Gbit/s-EAM-Treibers (Kap. 5.3) ganzlich
neue Wege beschritten, deren Ergebnis die im vorangehenden Kapitel erorter-
29Der Strukturentwurf dieser Treiberschaltung orientierte sich an fruheren Entwurfen [11].Daß bereits kleinste parasitare Induktivitaten (z.B. 20 pH ) drastischen Einfluß auf die Stabilitathaben konnen, war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 157
te, detaillierte Modellierung auf dem Chip befindlicher Metallisierungen ist. So
mußte ein erster Strukturentwurf der Ausgangsstufe dieses EAM-Treibers ver-
worfen werden, weil die Berucksichtigung kleinster Metallisierungsinduktivitaten
(10 . . . 30 pH ) deutliche Verschlechterung der Signalqualitat zeigte [135]. Ange-
sichts zwar halbierter Datenrate, jedoch fast dreimal so großem Ausgangsspan-
nungshub lag die Vermutung nahe, daß die beim 20 Gbit/s-Modulatortreiber
beobachtete Stabilitatsproblematik auf parasitare Metallisierungsinduktivitaten
der Masse- und Versorgungsspannung zuruckzufuhren sein konnte. Extensive Si-
mulationen mit rigoroser und allgemeinster Berucksichtigung (Eigeninduktivitat,
magnetische und kapazitive Kopplung) der kompletten Metallisierung konnten
diese Vermutung bestatigen [114]. In einem folgenden Prozeßdurchlauf mit le-
diglich modifizierten Metallisierungsmasken konnte die Stabilitatsproblematik,
in Ubereinstimmung zur Simulation, vollstandig beseitigt werden. Dem detail-
lierten meß- und simulationtechnischen Vergleich des ursprunglichen mit dem
modifizierten Treiberbaustein ist ein eigenes Kapitel (Kap. 8.2) gewidmet. Im
folgenden sollen an diesem Fallbeispiel typische Elemente des Strukturentwurfs
von Treiberschaltungen im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Stabilitat
der Schaltung betrachtet werden [114].
Der reine Stromlaufplan des 20 Gbit/s-Modulatortreibers wurde bereits in
Abb. 3.2 dargestellt. Wird dieser um die Elemente der metallischen Verbindungs-
technik erganzt, so ergibt sich die schematische Darstellung nach Abb. 6.24. Darin
konnen drei funktionelle Komponenten der metallischen Verbindungstechnik auf
dem Chip unterschieden werden:
• Leitungen im Sinne von Wellenleitern sind durch Leitungssymbole an-
gedeutet. Realisiert werden diese als Streifenleitungen unter Verwendung ver-
schiedener Metallisierungslagen und dem dazwischenliegenden Siliziumdioxid als
Dielektrikum (vgl. Abb. 6.12). Aus den im vorangehenden Kapitel diskutierten
Grunden mussen solche Leitungen grundsatzlich im Kontext der Einbettung ihrer
“Ruckleiter” in die verteilte Metallisierung der Masse- und Versorgungsspannung
betrachtet werden. Zwar wird aus verschiedenen Grunden [44] in Hochgeschwin-
digkeitsschaltungen die dargestellte differentielle E2CL-Schaltungstechnik bevor-
zugt, so daß vor allem der Gegentaktsignalmode (Nutzsignal) großte Wichtigkeit
zukommt. Es ist jedoch gefahrlich, aus diesem Grund die Gleichtaktmode von
differentiellen Leitungen nicht zu modellieren, da auf diese Weise eine potentielle
Gleichtakt-Instabilitat nicht erkannt werden kann. In diesem Zusammenhang sei
nochmals auf die Abb. 6.22 verwiesen. Man macht sich leicht klar, daß hier bei
Reduktion des Signalleiterabstands die effektive Signalleiterinduktivitat fur die
Gegentaktmode verbessert, fur die Gleichtaktmode jedoch verschlechtert wird.
158 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
EF6I
50Ω
= 0...2,8 VU1
verteilte Metallisierung dernegativen Betriebsspannungdes Chips
= -5 VU0
81 ISS1 8
1 IEF6 81 ISS2
21
21IEF62
121
LU0
Verdrahtungs-induktivitäten
parasitäre
RSS1
NI
LGND
L I
LIN
IR
der Masse auf dem Chip
SS2
R RR
L L
EF
3
SS1
EF
4
EF
5
QN
Q
LNL
PN P
RQN Q LQ
QNL
uQ
ISS2 ISS2ISS1ISS1
Streifenleitungen
Bonddrahtinduktivitäten
EF6
Pegelab-senkung
dIu
EF
2
I
verteilte Metallisierung
lokale Verdrahtung
globaleVerdrahtung
globaleVerdrahtung
1. Zelle 2. Zelle
GNDL
Abb. 6.24: 20 Gbit/s-Modulatortreiber: Einbettung der Bauelemente in das Netzwerkder metallischen Verbindungstechnik auf dem Chip. Kritische Leitungensind mit Ausrufezeichen, unkritische durch ein Hakchensymbol markiert.
Idealen Ruckleiter und getrennt erfullte Torbedingungen fur beide Wellenleiter
vorausgesetzt, kann dieses Verhalten durch das wohlbekannte klassische Ersatz-
schaltbild nach Abb. 6.12 (unten rechts) beschrieben werden. Nur das Ersatz-
schaltbild nach Abb. 6.22 (oben rechts) kann jedoch den allgemeinen Fall eines
realen Ruckleiters und a priori nicht garantierten Torbedingungen (beliebige Ein-
stromungen in das Ruckleitersystem) korrekt modellieren.
• Die zweite Komponente der Verbindungstechnik auf dem Chip, die ver-
teilte Metallisierung von Masse- und Versorgungsspannung, ist in Abb. 6.24 nur
schematisch durch graue (Metall-)Flachen angedeutet. Das hier tatsachlich resul-
tierende Netzwerk aus Induktivitaten, verkoppelten Induktivitaten30 und Kapa-
zitaten wurde bereits in Abb. 6.23 dargestellt. Zwei Aufgaben, die Leistungszu-
fuhr zu den Bauelementen und die bereits oben betonte Funktion als Ruckleiter-
30In der Regel ist hiermit die Verkopplung zwischen Masse und Versorgungsspannung oder“Hin- und Ruckleiter” in verschiedenen Metallisierungslagen gemeint. An Verzweigungen wirdteilweise auch die magnetische Eigenverkopplung in ein und derselben Metallisierungslageberucksichtigt. Deren beobachteter Einfluß ist jedoch nur gering.
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 159
system der auf dem Chip befindlichen Wellenleiter, kommen diesem Netzwerk zu.
• Die dritte Komponente der metallischen Verbindungsstrukturen auf dem
Chip stellen schließlich die parasitaren Leitungen dar. Sie seien hier als Leitungen
(oder besser: Leiter) verstanden, denen keine definierte Abschirmung, respektive
kein definierter “Ruckleiter” zugeordnet werden kann, so daß sie im “schlimmsten
Fall” (großte Signalinduktivitat) als Freiluft-Induktivitat zu modellieren sind31.
Aus der obigen Diskussion geht hervor, daß die korrekte Berucksichtigung
der mit der Verbindungsmetallisierung verbundenen parasitaren Effekte aufwen-
dig ist32. Die verteilte Metallisierung muß als Ganzes simuliert werden, denn
eine “Idealisierung” an einer Stelle des verteilten Netzwerks hat in der Regel
nicht nur einen “lokalen Einfluß”, sondern verandert die Stromverteilung in einer
großeren, a priori nicht angebbaren Umgebung. Diese Interaktion einzelner para-
sitarer Elemente, erschwert eine Separation in Teileffekte. Aus den detaillierten
Untersuchungen in [114] und der Erfahrung des Autors mit anderen Treiberschal-
tungsentwurfen lassen sich dennoch einige grundsatzliche Empfehlungen fur den
Strukturentwurf schneller Treiberschaltungen ableiten. Dies kann und soll kei-
neswegs die sorgfaltige Berucksichtigung des Strukturentwurfs in der Simulation
ersetzen, sondern durch Verstandnis der grundlegenden Effekte helfen, die Zahl
der Iterationszyklen zu minimieren.
Als erstes werden die Streifenleitungen im Nutzsignalweg betrachtet. In
Abb. 6.24 sind diese durch Leitungssymbole angedeutet. Naturlich ware die beste
Losung die vollstandige Vermeidung von wesentlichen Leitungslangen im Struk-
turentwurf. Dies ist aber aus zweierlei Grunden nicht moglich. Einerseits sind
die Chipabmessungen meist nicht durch den Schaltungskern, sondern durch den
benotigten Chiprahmen, also durch die benotigte Zahl von Bondpads bestimmt.
Speziell in Schaltungen mit hoher Verlustleistung muß aber zur Vermeidung so-
genannter “hot spots” im Strukturentwurf auch auf eine ausreichende thermische
Entflechtung geachtet werden. Da auf Leitungen also nicht ganzlich verzichtet
werden kann, gilt es eine Klassifizierung in kritische und unkritische Leitungen
vorzunehmen. Bei vorgegebenen Chipabmessungen konnen dann die Langen un-
kritischer Leitungen großer gewahlt werden, mit dem Ziel einer entsprechenden
Langenreduktion der kritischen Leitungen [44]. Eine solche Klassifizierung ist
31Im selben Maße in dem Si-basierte Technologien Frequenzbereiche besetzen, die vormals nurmit GaAs-Technologien erreicht werden konnten, beobachtet man in jungster Zeit eine Zunahmevon Untersuchungen zu der recht komplizierten Modellierung von Leitungen uber Siliziumsub-strat [54, 55]. Ein anderer Ansatz besteht in der Wahl eines hochohmigen Siliziumsubstrats[136].
32Fur das hier betrachtete Beispiel betragt in der Simulation das Verhaltnis der parasitarenzu den Nutzbauelementen etwa 20:1.
160 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
in Abb. 6.24 durch zwei Symbole, Ausrufezeichen fur kritische Leitungen und
Hakchensymbol fur unkritische Leitungen vorgenommen worden.
Kritisch sind Leitungen, die von Emitterfolgern angesteuert werden. Dies
gilt in besonderem Maße fur Treiberschaltungen, deren Emitterfolger in Richtung
moglichst niederohmiger Ausgangsimpedanzen optimiert werden (vgl. Kap. 3). So
ergibt eine Abschatzung des (DC-)Ausgangswiderstandes von EF6 (Abb. 6.24)
einen Wert rA ≈ 1 Ω. Eine Induktivitat von nur 16 pH erreicht bei einer Frequenz
von 10 GHz ebenfalls diesen Betrag33. Bereits kleinste parasitare Leitungsindukti-
vitaten konnen daher an der Schnittstelle zwischen Emitterfolgern oder zwischen
letztem Emitterfolger und nachfolgendem Stromschalter die Funktion von Trei-
berschaltungen empfindlich storen.
Gravierender als die Storung durch induktive Spannungsspitzen im Signal-
pfad ist die Stabilitatsproblematik. Am Eingang von E2CL-Schaltungen ist die-
se Problematik wohlbekannt [102]. Der negative Realteil in der Eingangsimpe-
danz von Emitterfolgern (vgl. Gl. 6.1) zusammen mit der Eingangskapazitat und
der Bonddrahtinduktivitat kann hier leicht zu Instabilitat fuhren. Durch einen
auf den Chip verlagerten 50 Ω-Leitungsabschluß und sorgfaltige Dimensionie-
rung der Emitterfolger kann dies jedoch vermieden werden (vgl. Kap. 6.1.1).
Problematischer sind die Verhaltnisse in der zweiten Treiberzelle. Um eine aus-
reichend schnelle Umladung des Ausgangsstromschalters (SS2 ) sicherzustellen,
werden statt zwei (erste Zelle) hier drei Emitterfolger (EF) kaskadiert. Zwar ist
der Sachverhalt zu komplex, um eine grundsatzliche Aussage zuzulassen, es ist
jedoch zu beobachten (nicht nur bei Treiberschaltungen), daß mit der Anzahl kas-
kadierter EF im allgemeinen auch die Gefahr der Oszillation steigt. Werden bei-
spielsweise die drei Leitungen an den Ausgangen der Emitterfolger in der zweiten
Treiberzelle (EF4, EF5 und EF6 in Abb. 6.24) durch “Freiluft-Induktivitaten”
(≈ 20 . . . 40 pH ) modelliert, lassen sich bei umgeschalteter Ausgangsstufe im Kol-
lektorstrom von EF6 schwach gedampfte Oszillationen beobachten [114] 34. Hier
offenbart sich ein fur den Entwurf schneller Treiberschaltungen typischer “Teufels-
kreis”: Hohe Ausgangshube bedingen — auch im Inneren der Schaltung — große
Transistorkapazitaten. Deren betragsmaßig kleine negative Reaktanzen −1/(ωC)
33Ein Leiterstuck mit einer Breite von 20 µm und einer Lange von 40 µm weist eine Freiluft-Induktivitat von 16 pH auf. Bei einer Breite von 5 µm wird derselbe Wert bereits bei einerLange von nurmehr 28 µm erreicht[57].
34Induktive Anteile mussen nicht ausschließlich mit Metallisierungsinduktivitaten verknupftsein. Auch ein Widerstand in Reihe zur Basis eines EF erscheint, dividiert durch die Tran-sitkreisfrequenz, als Induktivitat an dessen Emitter. Mit typischen Transitfrequenzen fT ≈70 GHz der fur den 20 Gbit/s-Modulatortreiber verwendeten Technologie [46] entspricht ein10 Ω-Widerstand an der Basis einer Induktivitat von L = 22 pH im Emitterkreis.
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 161
konnen bei den angestrebten Betriebsfrequenzen bereits durch kleine positive Re-
aktanzen ωL, also kleine parasitare Leitungsinduktivitaten, kompensiert werden
(Imaginarteilresonanz). Speziell am niederohmigen Ausgangsknoten eines Emit-
terfolgers genugt dann ein kleiner negativer Realteil in der Eingangsimpedanz
der nachfolgenden Emitterfolger- oder Stromschalterstufe, um diese Situation in
Richtung Instabilitat zu kippen. Konnen solche Leitungen nicht ganzlich vermie-
den werden, so ist unbedingt deren Induktivitat zu minimieren. Zu diesem Zweck
werden kurze (l ≤ 75 µm) symmetrische Mikrostreifenleitungen (Abb. 6.12) ver-
wendet. Deren Signalleiterbreite wird zur weiteren Reduktion der Leitungsin-
duktivitat absichtlich groß dimensioniert (w = 20 µm). In jedem Fall muß der
Schaltungsentwickler das Leitungsverhalten aber moglichst fruhzeitig durch ein
allgemeines, Gegen- und Gleichtakteffekte sowie reales Ruckleitersystem beruck-
sichtigendes Ersatzschaltbild (Abb. 6.22) modellieren.
In der Regel unkritisch sind Leitungen, die durch Stromquellen angesteuert
werden [44]. In Abb. 6.24 trifft dies fur die Leitungen in Reihe zum Ausgang
des ersten Stromschalters SS1 zu. Aufgrund der in Kap. 6.1.1 detailliert un-
tersuchten Problematik ist aber zu beachten, daß die Lastwiderstande von SS1
unmittelbar am Eingang der zweiten Treiberzelle, parallel zu Basis und Kollektor
des jeweiligen EF4-Transistors plaziert werden. Offensichtlich fuhrt eine Vertau-
schung der Abfolge von Leitung und Lastwiderstand zu einer kritischen Leitung
des oben diskutierten Typs. Allerdings konnen solche Leitungen nicht pauschal
als unkritisch eingestuft werden. So ist im Fall einer uber Leitungen von einer
Stromschalter- bzw. Transadmittanzstufe angesteuerten Basisschaltung zu beach-
ten, daß die Leitungskapazitat die in Kap. 6.1.2 diskutierte Stabilitatproblematik
quantitativ beeinflußt.
Als letzte Leitungen verbleiben schließlich die Ein- und Ausgangsleitungen.
Bezuglich der Schaltungsstabilitat konnen diese Leitungen als unkritisch einge-
stuft werden. Die Anordnung der Widerstande RI an das Ende der Eingangs-
leitungen begrundet sich einerseits wie bei den Widerstanden RSS1. Mit den
typischen Metallisierungsabstanden (Oxiddicken zwischen den einzelnen Metal-
lebenen) Si-basierter Bipolartechnologien kann die Eingangsleitung zudem fur
einen Wellenwiderstand von 50 Ω ausgelegt werden, deren Abschluß dann die
Widerstande RI bilden. Der Gegentaktanteil des Eingangssignals erfahrt so nur
eine geringe Storung am Chipeingang (vgl. die Diskussion zu Abb. 6.17). Die
Ausgangsleitung muß aufgrund der großen Strome (Elektromigration) so breit
bemessen werden, daß ihre Kapazitat dominiert. Wie in Kap. 3.2 erlautert, wird
man die Lage der internen Teil-Abschlußwiderstande RP (vor/nach der Leitung)
unter dem Gesichtspunkt minimierter Ausgangskapazitat wahlen. Bei Schaltun-
162 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
gen mit kleineren Ausgangsstromen kann sich aufgrund der Leitungsinduktivitat
je nach Anordnung ein gewisser Unterschied in der Wirkung der Leitung auf das
Ausgangssignal zeigen [3, 44].
Allein die oben diskutierten kritischen Leitungen am Ein- und Ausgang von
Emitterfolgern konnen eine Treiberschaltung bereits instabil machen35. Im be-
trachteten Fall wurden die induktiven Komponenten dieser Leitungen jedoch be-
reits im Orginalentwurf ausreichend klein gehalten, indem kurze und niederoh-
mige Streifenleitungsstrukturen (mit wohldefinierten Ansteuerungsbedingungen,
siehe unten) verwendet wurden. Erst die aufwendigen Untersuchungen im Rah-
men von [114] konnten die Ursache der meßtechnisch beobachteten Schwingnei-
gung des Treibers auf parasitare Induktivitaten der verteilten Metallisierungen
von Masse- und Versorgungsspannung zuruckfuhren. In der im vorangehenden
Kapitel beschriebenen Weise wurde hierbei die komplette Metallisierung auf dem
Halbleiterchip in einzelne Verbindungssegmente unterteilt, deren Ersatzschaltbil-
der mit den in Lines [57] implementierten Formeln berechnet werden konnen.
Das sich ergebende Netzwerk wurde (vereinfacht) bereits in Abb. 6.23 gezeigt36.
Betrachtet man dieses komplexe System aus Eigeninduktivitaten, gekoppel-
ten Induktivitaten und Kapazitaten, so drangt sich naturlich die Frage auf, ob der
Aufwand nicht reduziert werden kann. Grundsatzlich liegt es in der Natur eines
verteilten Systems, daß erst dessen Gesamtheit sein Verhalten vollstandig be-
schreibt. Als Schaltungstechniker ist man allerdings geneigt, die Große einzelner
Komponenten des Netzwerkes zu verandern, um deren Einfluß zu ermitteln und
gegebenenfalls das Netzwerk zu vereinfachen. Es wurde bereits darauf hingewie-
sen, daß dies mit Bedacht geschehen muß, da eine ortliche Veranderung eine uber
den unmittelbaren Bereich hinausgehende Wirkung haben kann (Anderung der
Strombelegung). Im allgemeinen ist jedoch zumindest eine Unterteilung in eine
lokale und eine globale Masse- und Versorgungsspannungs-Verdrahtung moglich.
Globale Metallisierungsbereiche seien hier als diejenigen Bereiche des Struk-
turentwurfs verstanden, welche die an der Peripherie liegenden Bondflecken von
Masse und Versorgungsspannung mit den beiden Schaltungszellen verbinden (vgl.
Abb. 6.23). Fur diese auch als “top-level Verdrahtung” bezeichneten Bereiche
35Schon die Kaskadierung mehrerer Emitterfolger birgt potentielle Oszillationsgefahr. DerLeser sei an die Ortskurven Abb. 6.2 und den dort auftretenden bereichsweise negativen Leitwertder Eingangsadmittanz am Emitterfolger EF4 erinnert.
36Im Anschluß an [114] wurde die dort vorgenommene Parasitenextraktion in einigen Berei-chen verfeinert. Insbesondere wurden anhand elektromagnetischer Simulationen gewonnene Er-kenntnisse zur Leitungsmodellierung [130, 119, 127] eingebracht und mittels FastHenry [124]und Sonnet [120] einzelne Annahmen zur Strombelegung gepruft. Durch absichtlich zuungunstige Annahmen in [114] ergaben sich kleinere quantitative nicht aber qualitative Un-terschiede.
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 163
werden zwei der drei zur Verfugung stehenden Metallisierungslagen verwendet.
Hierbei werden bewußt großflachige Uberlappungen der in verschiedenen Ebenen
gefuhrten Masse und Versorgungsspannung vorgesehen. Mit der zwischen den
Ebenen wirksame Oxidkapazitat (SiO2, εr ≈ 4) wird eine effektive Abblockung
der Versorgungsspannung auf dem Chip erreicht (Ctot ≈ 2,5 pF ), welche die ex-
terne Abblockung vereinfacht oder sogar ganz uberflussig macht [137]. Modelliert
werden solche Bereiche durch das aus Kap. 6.2.1 bekannte allgemeinste Ersatz-
schaltbild eines Leitungssegmentes, wie es in Abb. 6.25 nochmals dargestellt ist37.
In den globalen Bereich wie “In- L1
L2
12 C 1
2 C
GND
0U
k
Abb. 6.25: Allgemeinstes Modell uberlap-pender Metallisierungssegmente(Verluste in der Darstellung ver-nachlassigt).
seln” eingebettet sind die lokalen
Metallisierungsbereiche von Masse
und Versorgungsspannung innerhalb
der beiden Schaltungszellen (vgl.
Abb. 6.23). Dieser Bereich wird auch
als sogenanntes “intracell wiring”
bezeichnet. Die Unterteilung eines
Strukturentwurfs in globale Bereiche
und lokale Bereiche bietet eine (je-
doch spater zu verifizierende) Moglichkeit, den Aufwand bei der Berucksichtigung
parasitarer Elemente der Metallisierungen zunachst auf die lokalen Bereiche der
Schaltungszellen zu begrenzen. Tatsachlich konnte — als Ergebnis zahlreicher
Simulationen — im Fall des 20 Gbit/s-Treibers die Hauptursache der meßtech-
nisch beobachteten Stabilitatsproblematik auf die lokale Masseverdrahtung in der
zweiten Treiberzelle eingekreist werden [114].
Abb. 6.26 zeigt das Netzwerk der parasitaren Metallisierungsinduktivitaten
dieses Bereichs. Aus didaktischen Grunden handelt es sich dabei bereits um das
Netzwerk des modifizierten Strukturentwurfs. So kann einerseits die Schwing-
neigung des Originalentwurfs auf fehlende Metallisierungsverbindungen zuruck-
gefuhrt werden. Andererseits ist die dargestellte Topologie aber auch bereits die
allgemeinste Topologie einer Verbindung der Kollektorknoten der Emitterfolger
untereinander, mit den Lastwiderstanden RSS1 und mit der globalen Masseme-
tallisierung. Abb. 6.26 eignet sich damit fur eine ganz allgemeine Diskussion
der Problematik. Auch in diesem Abschnitt uberlappen die Metallisierungen37In [138] wird die Versorgungsspannung durch einzelne uber der Massemetallisierung verlau-
fende Streifen zugefuhrt, die — als Mikrostreifenleitungen bezeichnet — die Leiter-Induktivitatreduzieren sollen. Die Autoren machen leider keine Aussagen, wie sie diese “Mikrostreifenlei-tungen” modellieren. Die klassischen aus der Hochfrequenztechnik bekannten Ersatzschaltbildernach Abb. 6.12 durfen nicht verwendet werden. Die hier zugrundeliegende Annahme erfullterTorbedingungen (vgl. Kap. 6.2.1) ist auf dem Halbleiterchip oftmals nicht zulassig. Im Fall vonMasse und Versorgungspannung durften die Torbedingungen praktisch nie erfullt sein, da dieStromspitzen in der Masse (durch Emitterfolger) keine Entsprechung in der Versorgungsspan-nung haben. Nur das Ersatzschaltbild Abb. 6.25 mit kapazitiver und induktiver Kopplung kanndieses Verhalten korrekt modellieren.
164 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
RSS1
21Ω
Ltg6
Ltg5
Ltg4ihini rück
42Ω
EF4
EF5
EF6
EF4
EF5
EF6
LR1
LR3LR2
LR4LC
LC
LE
LD
LE
LE
LD
21ISS22
1ISS2
Kurzschluß für Gegentakt,Auftrennung für Gleichtakt
Symmetrielinie:
Ltg5
Ltg6
Ltg4
LD40 pH
SS2 SS2
30 pH20 pH
5 pH
20 pH
15 pH
5 pH
30 pH
DetailauschnittEF4
Ltg4
EF5
35 pH
38 pH
15 pH
10 pH
15 pH
25 pH
15 pH
15 pH
SS1
k
k
K
"differentielle Zweige"
Abb. 6.26: Netzwerk parasitarer Induktivitaten der lokalen Masseverdrahtung in der2. Treiberzelle. Der besseren Ubersicht wegen, wurde die Verfeinerung imBereich der Ruckleiter der Streifenleitungen nicht eingezeichnet. Ein ent-sprechender Detailausschnitt ist fur die Leitung Ltg4 dargestellt.
von Masse- und Versorgungsspannung teilweise und so resultiert ein weiteres,
an das erste induktiv und kapazitiv angekoppeltes Netzwerk der Metallisierung
der Versorgungsspannung (hier nicht dargestellt, vgl. Abb. 6.23). Dies wird eben-
falls berucksichtigt. Simulationen zeigen jedoch, daß dessen Einfluß nur gering
ist [114]. Mit einem bereits betrachteten Spezialfall des Ersatzschaltbildes nach
Abb. 6.22 (jetzt aber auf einen Leiter angewandt) kann dies erklart werden:
Bezuglich der lokalen Massemetallisierung verhalt sich die teilweise daruberver-
laufende Metallflache der Versorgungsspannung wie ein Reflektor (Metallplatte
ohne direkte galvanische Verbindung zur Masse). Fur starke Kopplung (k > 0,9),
und dies ist aufgrund des geringen Abstands der Metallisierungslagen (1,25 µm)
der Fall, wurde gezeigt, daß ein solcher Reflektor in der Langsimpedanz eines
uber ihr verlaufenden Leiters, eine Parallelschaltung seiner Kurzschlußindukti-
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 165
vitat zur Eigeninduktivitat des Leiters bewirkt (vgl. S. 150). Bei etwa gleichen
Abmessungen von Leiter (Masse) und Reflektor (Versorgungsspannung) ist diese
Kurzschlußinduktivitat aber vernachlassigbar, da sich im Reflektor kaum “eddie
currents” ausbilden konnen.
Die Quintessenz der folgenden Diskussion kritischer Punkte beim Struktur-
entwurf der Massemetallisierung konnte uberspitzt lauten: “Ganz oder gar nicht”.
Tatsachlich sind die einzelnen, die Stabilitat oder Signalqualitat herabsetzenden
Mechanismen im Netzwerks der Abb. 6.26 schwerlich zu separieren und im Ein-
zelfall kann durchaus erst deren Kombination den Ausschlag geben [114]. Wenn
hier dennoch Teilmechanismen fur sich betrachtet werden, dann deswegen, weil
bereits jeder einzelne von ihnen die Schaltung unbrauchbar machen kann.
• Ruckleitersystem der Signalleitungen: Wie oben diskutiert, sind die kriti-
schen Leitungen am Ausgang von Emitterfolgern unbedingt unter der Pramis-
se minimaler Induktivitat zu dimensionieren. Eine geeignete Querschnittsgeo-
metrie (breite Leitung, deutlich breitere Abschirmung, geringer Abstand Leiter-
Abschirmung) ist hierfur eine Vorbedingung. Erst die Erfullung der Torbedingung
fuhrt aber zum gewunschten niedrigen Induktivitatsbelag (vgl. die Diskussion im
Kap. 6.2.1). Betrachtet man den zeitlichen Verlauf von Emitter- und Kollektor-
strom eines Emitterfolgers (z.B. von EF6 in Abb. 3.5) so zeigt sich, daß beide
bis auf eine geringe Zeitverzogerung (hier ≈ 5 ps) nahezu betragsgleich und ge-
genphasig verlaufen. Indem man die “Abschirmung” der Leitung unmittelbar mit
dem Kollektor des sie treibenden Transistors verbindet (Abb. 6.26, rechter De-
tailauschnitt), wird die eingangsseitige Torbedingung, (iC = iruck ≈ ihin = −iE)
durch Schaltungszwang naherungsweise erfullt und der Ruckleiterstrom konzen-
triert sich unter dem Hinleiter (Pfeile in Abb. 6.26). Hierdurch entspricht die
langs der Signalleiter “sichtbare” Induktivitat, und zwar fur Gleich- und Ge-
gentaktmode, der niedrigen Schleifeninduktivitat eines entsprechenden Wellenlei-
ters38. Der Leser sei an dieser Stelle nochmals daran erinnert, daß eine bezuglich
des Signals floatende Abschirmung die effektive Signalleiter-Langsinduktivitat
gegenuber dem Freiluftwert bestenfalls durch die Parallelschaltung der ihr zu-
geordneten Kurzschlußinduktivitat vermindern wurde. Im Vergleich zur Schlei-
feninduktivitat des Wellenleiters liegt der dann resultierende Langsinduktivitats-
wert typisch um eine ganze Großenordnung hoher ! Fur die Gegentaktmode kann,
durch eng benachbarte Fuhrung des Differenzleitungspaars, die Kurzschlußinduk-
tivitat drastisch verringert werden. Untersuchungen [127, 130] zeigen, daß dann
der Idealwert des Wellenleiters nahezu erreicht wird. “Bezahlen” muß der Schal-
38Dies ist der Grund warum diese Leitungen naherungsweise, wie in [114], durch die klassi-schen Ersatzschaltbilder nach Abb. 6.12 berucksichtigt werden konnen.
166 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
tungsentwickler dies mit einer entsprechenden Erhohung der Gleichtakt-Langs-
induktivitat, die Gleichtaktoszillationen begunstigt. Daher mussen durch ein ge-
eignetes Modell (Abb. 6.22) beide Modi berucksichtigt werden. Eine alleinige
Modellierung nur des Gegentaktes, (falschlich) motiviert durch das differentielle
Schaltungskonzept, kann eine Gleichtaktoszillation schlicht “unterschlagen”.
• Schnittstelle zwischen erster und zweiter Treiberzelle:
Wie Kap. 6.1.1 zeigt, ist in der zweiten Treiberzelle die kapazitive Belastung
der Emitterfolger so stark, daß betragsmaßig große negative Leitwerte in deren
Eingangsadmittanz resultieren. Um diese zu kompensieren, mussen die Lastwi-
derstande des Stromschalters der ersten Zelle am Eingang der zweiten Treiberzelle
plaziert (Stromschnittstelle) und mit effektiv 14 Ω relativ niederohmig gewahlt
werden. Dies ist nicht unproblematisch, da zwangslaufig relativ kleine, zu RSS1
in Reihe liegende Induktivitaten (Abb. 6.26 : LR1 − LR4), die Kompensation
zu hohen Frequenzen hin unwirksam machen konnen. Daruberhinaus wird in
Kap. 6.1.3 gezeigt, daß eine dem Kollektor eines Emitterfolgers in Reihe geschal-
tete Induktivitat (Abb. 6.26: LC , LD) dessen Einschwingverhalten entdampft. Zur
Vermeidung dieser Probleme ist der jeweilige Lastwiderstand RSS1 moglichst kurz
mit dem Kollektor des ihm folgenden EF4-Transistors zu verbinden. Dieser Maß-
nahme ist gegenuber einer kurzen Verbindung beider Widerstande miteinander
(zur Vermeidung von Differenzspannungsoffsets und -storungen [139]) Prioritat
einzuraumen. Wird der Widerstand direkt unterhalb der Leitung mit der Masse
verbunden, konnen die durch LR1 − LR4 eingeschleiften Storspannungen vermin-
dert werden, da der dort beginnende Leitungsruckleiter den Schaltstrom “ab-
saugt”. Der Deutlichkeit halber sei darauf hingewiesen, daß dies die induzierte
Storspannung betrifft, die potentielle Stabilitatsproblematik bleibt erhalten.
• Verbindung der Kollektoren der Emitterfolger:39
Nachdem der Massemetallisierung bereits als Ruckleiter der Streifenleitungen
und als parasitare Lastimpedanz (in Reihe zu RSS1) eine entscheidende Rolle
zukommt, ist eine dritte, fur Treiberschaltungen besonders wichtige Problematik
mit ihr verbunden. Aufgrund des hohen zu schaltenden Ausgangshubes treten
in der Kette der Emitterfolger, welche die Ausgangsstufe treiben, extrem hohe
und steilflankige Kollektorstromspitzen auf (vgl. Abb. 3.5). Diese konzentrieren
sich zunachst als Ruckstrom unter der jeweiligen Leitung, um schließlich nach
innen und außen abzufließen (Pfeile im Detailplot der Abb. 6.26). Bereits kleine
parasitare Induktivitaten in diesem Bereich der Massemetallisierung verursachen
39Die angefuhrten Punkte gelten sinngemaß auch fur die erste Zelle. Deren Masseverdrahtungkann aufgrund der geringeren Verlustleistung jedoch problemlos kompakt (und damit nahezuideal) ausgefuhrt werden.
6.2 Einfluß des Strukturentwurfs auf die Stabilitat von Treiberschaltungen 167
Spannungsspitzen40, den sogenannten “ground bounce effect”. Uber RSS1 und die
Kollektor-Basiskapazitaten der EF koppeln diese Storungen zuruck in den Signal-
pfad. Im gunstigsten Fall resultiert eine Degradation (“induktives Storrauschen”)
der Signalqualitat. Das verteilte Massenetzwerk kann jedoch auch als ruckkop-
pelnder Resonator interpretiert werden, der bei ausreichender Mitkopplung zur
Instabilitat fuhrt.
Obwohl die Stromspitzen prinzipiell nichtlinear sind, zeigt eine Analyse, daß
ein wesentlicher Teil der Kollektorstrome eines differentiellen EF-Paares ein Ge-
gentaktsignalpaar bildet [114]. Ein großer Teil der induktiven Storspannungen
kann daher reduziert werden, wenn die Kollektoren eines EF-Paares beide mit
einem moglichst nah gelegenen “Kompensationspunkt” K in der Symmetrielinie
der Zelle verbunden werden (Abb. 6.26). Das Emitterfolgerpaar bezieht dann den
wesentlichen Anteil seiner Schaltleistung nur aus den “differentiellen Zweigen” der
lokalen Schaltungsmasse. Zur Minimierung der hieruber auftretenden Storung ist
eine moglichst kurze und breite Verbindung (kleines LD) anzustreben. Der ver-
bleibende Gleichtaktstorstrom ist deutlich geringer als der (lokal kompensierte)
Gegentaktstorstrom, und so erzeugt das EF-Paar in der globalen Metallisierung
kaum Storungen.
Deutlich komplizierter sind die Verhaltnisse fur die Gleichtaktmode, fur die
neben den Induktivitaten LD auch die Induktivitaten LE, das globale Massenetz-
werk und die Aufbautechnik (zumindest in Form der Bonddrahte) maßgeblich
sind. Hiermit verknupft ist weniger ein “ground bounce-” als ein Stabilitatspro-
blem. Aus der Ruhelage (Umschaltpunkt) heraus tritt, wenn, in der Regel ei-
ne reine Gleichtaktschwingung auf. Dies scheint plausibel, da das Netzwerk der
Abb. 6.26 fur Gleichtakt in seine beiden Halften zerfallt und so an allen Netz-
werkknoten die “induktive Belastung” zunimmt. Auch die Induktivitaten der
“differentiellen Zweige” haben hierauf einen signifikanten Einfluß.
Im Originalentwurf des betrachteten Treibers wurde die zweite Zelle von
einem Massering umgeben, von dem aus die Kollektoren der Emitterfolger ange-
schlossen wurden. In der oben diskutierten Weise wurde fur die Abschirmungen
der Streifenleitungen und damit fur die Leitungen selbst bereits definiertes nie-
derohmiges Verhalten sichergestellt. Direkte Masse-Verbindungen im mittleren
Bereich (LD-Richtung, Abb. 6.26) zwischen den Emitterfolgern, waren jedoch
nicht vorhanden. Untersuchungen in [114] zeigten hierin eine Hauptursache der
Stabilitatsproblematik. Ein weiteres Problem betraf die Lastwiderstande RSS1,
40Fur EF6 ist ∂iC∂t ≈ 2 mA/ ps. Eine Induktivitat von nur 50 pH erzeugt also bereits eine
Storung von 100 mV . Solche Storungen werden als “ground bounce”, im Zusammenhang mitLeitungen auch als “common mode lift voltage” bezeichnet.
168 6. Die Stabilitatsproblematik in Treiberschaltungen
die zur Vermeidung einer Einkopplung differentieller Storspannungen im Ori-
ginalentwurf zunachst miteinander und dann erst an die Masse angeschlossen
wurden. Im Redesin wurden die Metallisierungsmasken im Bereich der zweiten
Stufe grundlegend neu entworfen. Im Kern der zweiten Zelle wurde die im alten
Entwurf dort zugefuhrte Versorgungsspannung in die dritte Metallebene verla-
gert, um so den Platz fur eine flachige Verbindung aller Kollektoren mit der
Masse zu schaffen [31, 114]. Die direkte Verbindungen uber die “differentiellen
Zweige” (LD fur Differential Mode, Abb. 6.26) reduzieren einerseits die im Masse-
Netzwerk auftretenden induktiven Spannungsspitzen. Zusammen mit den Induk-
tivitaten LE (Gleichtakt, Even Mode) ergibt sich jedoch auch eine signifikante
Reduktion der Gleichtakt-wirksamen Induktivitat an den Kollektorknoten der
Emitterfolger, welche die zuvor beobachtete Gleichtaktoszillation41 unterbindet.
Desweiteren wurde die Zwangssymmetrierung an den Lastwiderstanden (Mini-
mierung der Gegentakt-wirksamen Serieninduktivitat durch Zusammenfuhrung
beider Widerstande und gemeinsamen Anschluß an die Masse) zu Gunsten einer
Minimierung der Gleichtakt-Serieninduktivitat (so kurz wie mogliche Verbindung
an den Kollektorknoten des jeweilig folgenden EF4 -Transistors) aufgelost. Als Er-
gebnis wurde bei identischer Aufbautechnik, identischen Meßbedingungen, iden-
tischer Dimensionierung und Plazierung aller Bauelemente, sowie Fertigung mit
der gleichen Technologie, allein durch Modifikation der Metallisierungsmasken
eine drastische Verbesserung der Leistungsdaten erreicht. Letzteres in Uberein-
stimmung mit der Simulation, wie Kap. 8 zeigt.
Abschließend sei kurz auf die als “parasitare Leiter” bezeichneten, nicht
zur Masse- und Versorgungsspannung gehorigen Verdrahtungsinduktivitaten im
Emitterkreis der Stromschalter eingegangen. Bezuglich der Stabilitat sind diese
unkritisch. Durch die dynamische Gegenkopplung wahrend der Flanke des ansteu-
ernden Spannungssignal wird diese sogar eher verbessert. Die Gesamtinduktivitat
zwischen den Transistoren der Ausgangsstufe (SS2 ) betragt circa 70 pH und re-
sultiert beim Umschalten in einer kurzzeitigen induktiven Spannungsspitze von
etwa 150 mV , die aber die Flankensteilheit des Ausgangssignals kaum merklich
beeinflußt. Bei hochsten Datenraten mussen solche als “Drossel” wirkende para-
sitare Induktivitaten unbedingt minimiert werden. Dies fallt nicht schwer, da die
beiden komplementaren Schaltungszweige dann ohnehin viel dichter zusammen-
gelegt werden mussen (und wurden) als beim 20 Gbit/s-Modulatortreiber.
41Eine reine Gleichtaktoszillation kann nur in der (symmetrischen) Ruhelage (Umschalt-punkt) auftreten. Im umgeschalteten Zustand sind die Schwingbedingungen der beiden kom-plementaren Signalzweige verschieden. Eine Argumentation uber Gleich- und Gegentakt machtdann wenig Sinn, weil per Definition der vorhandenen elektrischen Unsymmetrie von Beginnder Schwingung an beide Modi gleichberechtigt sind. In diesem Fall ist die Oszillation einphasigzu interpretieren, wobei allerdings beachtet werden muß, daß naturlich die beiden Signalzweigemiteinander verkoppeln.
Kapitel 7
Temperaturmessung
7.1 Vorbemerkungen zur Messung der Tempe-
ratur in integrierten Schaltungen
Verglichen mit anderen Schaltungen fur optische Ubertragungssysteme liegen
die typischen in Treiberschaltungen auftretenden Ausgangsstrom- bzw. Span-
nungshube um eine Großenordnung hoher. Auch interne Signalhube und Tran-
sistorstrome weisen aufgrund der starkeren Belastung (durch die Ausgangsstufe)
hohere Werte auf. Insgesamt ergeben sich daher im Vergleich zu anderen Hochge-
schwindigkeitsschaltungen deutlich hohere Verlustleistungen und als Konsequenz
hohere Temperaturen im Halbleiterchip. Die Kenntnis der auftretenden Tempera-
turen ist einerseits in Hinblick auf Zuverlassigkeitsaspekte (z.B. Elektromigration)
von Bedeutung. Andererseits verschlechtern sich wesentliche Transistorparameter
(u.a. die Transitzeit und der Basisbahnwiderstand) mit zunehmender Tempera-
tur, was bei der Dimensionierung der Schaltung berucksichtigt werden muß.
Der klassische Ansatz zur Messung der Temperatur in integrierten Schal-
tungen besteht in der Verwendung eines mit auf dem Halbleiterchip integrierten
Temperaturwandlers (Transducer), der die Temperatur in eine elektrisch meßbare
Große wandelt. Neben der Temperaturabhangigkeit von Widerstanden wird fur
solche Meßfuhler haufig die Temperaturabhangigkeit von Diodenflußspannungen
verwendet. Prinzipbedingt spiegelt die so gemessene Temperatur nur die Tempe-
ratur am Ort des Meßfuhlers wider. Ein solcher Temperaturfuhler ist sinnvoll,
wenn nur ein grobes quantitatives Maß fur eine mittlere Chiptemperatur ermit-
telt werden soll. Wird aber die Frage nach der Sperrschichttemperatur in einem
Transistor gestellt, resultieren bei modernen Bipolartechnologien aufgrund der
geringen Abmessungen des aktiven (inneren) Transistorbereiches große Fehler.
Aus der Theorie der Warmeleitung in Halbleitern [140, 141, 142] ist bekannt,
170 7. Temperaturmessung
daß die Temperaturuberhohung durch eine Volumen-Warmequelle lateral auf
einen Bereich von weniger als das Zehnfache der entsprechenden Abmessungen
des Volumens begrenzt ist. Im Fall des Bipolartransistors konzentriert sich die
Verlustleistung in erster Naherung in der Basis-Kollektorraumladungszone unter
den Emitterstreifen. Aus einer effektiven Emitterbreite von 0,3 µm der in die-
ser Arbeit verwendeten Bipolartechnologie ergibt sich durch grobe Abschatzung
der Stromauffacherung eine Breite von ca. 0,5 µm des Volumens, in dem sich
die Verlustleistung konzentriert. Die zugehorige Temperaturuberhohung ist so-
mit in Richtung der Emitterstreifenbreite auf einen Bereich von etwa ±5 µm
um das Zentrum des Streifens begrenzt. In der Regel klingt daher die Tempe-
raturuberhohung noch innerhalb des Transistorbereichs ab [140, 143], kann also
mit einem zusatzlich integrierten Temperaturfuhler nicht gemessen werden.
Abhilfe schaffen hier zum Teil Mikrothermografieverfahren, welche die Tem-
peraturmessung auf eine Warmeemissionsmessung zuruckfuhren. Nachteilig an
diesen Verfahren ist jedoch zum einen die Tatsache, daß nur Oberflachentempera-
turen gemessen werden konnen. Einfachere optische Verfahren, wie Infrarot- oder
Mikrofluoreszenz-Thermografie weisen zudem – beschrankt durch Beugungseffek-
te – nur Ortsauflosungen von einigen 10µm auf1. Zur thermischen Charakterisie-
rung aktiver Bauelemente in integrierten Hochgeschwindigkeitsschaltungen sind
solche Verfahren daher nur bedingt einsetzbar. Fur die benotigte Ortsauflosung
um und unter 1 µm mussen stattdessen wesentlich aufwendigere Verfahren wie
z.B. die Fotoreflektanz-Mikroskopie mittels Laserlicht [144, 145] eingesetzt wer-
den. Das Potential fur Auflosungen im Bereich von 50nm hat eine Methode
auf Basis der Kernfeldkraft-Mikroskopie. In [146] wurde mit einem noch nicht
optimierten Verfahren bereits eine Ortsauflosung von 500nm bei gleichzeitiger
Temperaturauflosung von 0, 1K erreicht.
In dieser Arbeit wird ein anderer Weg beschritten. Durch ein spezielles elek-
trisches Meßverfahren wird ein vorhandener Hochfrequenztransistor innerhalb der
Schaltung als “in-situ”-Meßfuhler fur seine Sperrschichttemperatur benutzt.
7.2 Elektrisches Temperaturmeßverfahren
Elektrische Verfahren zur Bestimmung des thermischen Widerstandes bzw.
der Temperatur von Transistoren fuhren die Temperaturmessung auf die Mes-
sung einer elektrischen Transistorgroße zuruck. Eine im Fall des (Silizium-)
Bipolartransistors besonders hierfur geeignete Transistorgroße stellt die Basis-
Emitterspannung dar. Diese ist einerseits auch innerhalb einer integrierten Schal-
1Vergleiche hierzu die Ergebnisse einer Infrarot-Thermografie Kapitel 7.3.3.
7.2 Elektrisches Temperaturmeßverfahren 171
tung meßtechnisch einfach erfaßbar und weist andererseits eine ausreichende Tem-
peraturabhangigkeit auf, so daß sie als “Thermometer” eingesetzt werden kann.
Fur die meßbare “Klemmenspannung”, d.h. die außere Basis-Emitterspannung
gilt
UBE = UB′E′ + rBICBN
+ rEIC
(1 +
1
BN
), (7.1)
worin UB′E′ die innere Basis-Emitterspannung, IC den Kollektorstrom, BN die
(Vorwarts-)Stromverstarkung, rB den gesamten Basisbahnwiderstand und rEden Emitterwiderstand bezeichnen. Die Temperaturabhangigkeit von UBE ist
hauptsachlich durch diejenige der inneren Basis-Emitterspannung bestimmt. Mit
dem Emitteremissionskoeffizienten mE, der Temperaturspannung UT und der
(stark temperaturabhangigen) Sattigungstromdichte JSN ist
UB′E′ = mEUT · ln(
ICJSNAE
). (7.2)
Einsetzen der Temperaturabhangigkeit von JSN und differenzieren nach der Tem-
peratur T liefert (z.B. [147]) mit der Bandabstandsspannung UGO,
∂UB′E′
∂T= − 1
T(UG0 + 3UT − UB′E′). (7.3)
Fur Silizium2 ergibt sich aus einer Bandabstandsspannung von UG0 = 1, 205 V
ein typischer Wertebereich der Temperaturabhangigkeit von
∂UB′E′
∂T≈ −(1, 5...1, 8)
mV
K. (7.4)
Von besonderem Vorteil bei der Wahl der Basis-Emitterspannung als “Thermo-
meter” ist die Tatsache, daß die Temperaturabhangigkeit in einem relativ weiten
Temperaturbereich linear ist, so daß die Empfindlichkeit der Temperaturmessung
uber einen weiten Bereich gleichbleibend gut ist.
Will man von einer gemessenen Basis-Emitterspannung auf die zugehorige
Sperrschichttemperatur schließen, ist zunachst eine Kalibrationsmessung notig, in
der die Sperrschichttemperatur vorgegeben wird und die Basis-Emitterspannung
als Funktion dieser gemessen wird. Grundsatzlich kann jedoch nur eine Umge-
bungstemperatur Tamb (Gehausetemperatur) vorgegeben werden. Statisch, d.h.
2In fortschrittlichen Silizium-Bipolartechnologien wird in die Basis des Transistors zusatz-lich ein Germaniumanteil eingebaut. Dies fuhrt je nach verwendetem Konzept zum sogenanntenSiGe-Drifttransistor oder zum SiGe-Heterobipolartransistor. In beiden Fallen bewirkt der Ger-maniumanteil uber die Reduktion der (mittleren) Bandabstandsspannung UG0 eine Reduktionder Temperaturabhangigkeit von UB′E′ .
172 7. Temperaturmessung
im thermodynamischen Gleichgewicht hangt die Sperrschichttemperatur Tj mit
dieser uber die Beziehung
Tj = Tamb +Rth · P, P = IC ·[(
1 +1
BN
)· UBE + UCB
](7.5)
zusammen. Gemaß dieser Gleichung erzeugt die im Transistor umgesetzte Ver-
lustleistung P , am zwischen Transistor und Umgebung liegenden (unbekannten)
thermischen WiderstandRth, einen Temperaturabfall ∆T = Rth·P . Um die Sperr-
schichttemperatur (von außen) vorgeben zu konnen, muß demnach eine Kalibra-
tion von UBE bei kleiner Leistung, d.h. kleinem Kollektorstrom, vorgenommen
werden, bei der die Eigenerwarmung ∆T vernachlassigt werden kann.
Eine andere Methode, die in den letzten Jahren aufgrund der fortschreiten-
den Miniaturisierung der Abmessungen moderner Bipolartransistoren (Zunahme
des thermischen Widerstands) bei gleichzeitig zunehmenden Verlustleistungsdich-
ten Einzug in die Meßtechnik der Transistorparameterextraktion gefunden hat, ist
die quasistatische Messung mit gepulsten Quellen. Hierbei nutzt man aus, daß die
Sperrschichttemperatur einem Verlustleistungssprung dynamisch nur mit einem
mehrpoligen Tiefpaßverhalten folgt. Wird der Kollektorstrom mit einer Pulsdau-
er Tpuls τth (τth kleinste thermische Zeitkonstante) gepulst, liegen isotherme
Verhaltnisse vor, d.h. die Sperrschichttemperatur entspricht der Umgebungstem-
peratur. Auf diese Weise lassen sich isotherme Messungen auch in Arbeitspunkt-
bereichen mit merklicher Verlustleistung (genauer: Verlustleistungsdichte) vor-
nehmen. Nachteilig bei diesen Verfahren ist die relativ aufwendige Meßtechnik
(spezielle Geratetechnik), die benotigt wird. Aus diesem Grund wird im Rahmen
dieser Arbeit auf das erste Verfahren, die Kalibration bei kleinen Verlustleistun-
gen zuruckgegriffen. Um aus einer solchen Kalibration dennoch auf die Sperr-
schichttemperatur des Transistors bei voller Leistung schließen zu konnen, wird
das im folgenden anhand von Abb. 7.1 erlauterte Meßverfahren im Zeitbereich
eingesetzt.
Im Zeitraum t < t0 wird der Transistor mit dem Kollektorstrom IC = IC1 be-
trieben, fur den die Temperatur der Basis-Emittersperrschicht bestimmt werden
soll. Diesem Arbeitspunkt (A1) konnen neben IC1 die Basis-Emitterspannung
UBE1, die Temperatur T1 und die Verlustleistung P1 zugeordnet werden. Zum
Zeitpunkt t = t0 wird der Kollektorstrom sprungformig auf den kleineren Wert
IC2 geschaltet, entsprechend dem Arbeitpunkt A2. Aufgrund der relativ großen
thermischen Zeitkonstanten bleibt die Sperrschichttemperatur hierbei zunachst
konstant (T2 = T1), so daß die Basis-Emitterspannung mit einem rein elektrisch
7.2 Elektrisches Temperaturmeßverfahren 173
A1
CI
A3
A2
A1
A3
A2
UBE,el
∆
UBE,th
∆
UBE1
UBE3
UBE2
UBE
C2I
C1I
0t t
0t t
Abb. 7.1:Prinzipielle Zeitverlaufe von Kol-lektorstrom (oben) und Basis-Emitterspannung (unten) beimelektrischen Temperaturmeßver-fahren.
bedingten Sprung der Hohe
∆UBE,el = mE UT (T1) · ln(IC1
IC2
)+
[rBBN
+ rE
(1 +
1
BN
)]· (IC1 − IC2) (7.6)
reagiert. Daran anschließend vollzieht sich aufgrund der auf den Wert P2 redu-
zierten Verlustleistung ein thermischer Ausgleichvorgang bis die Sperrschicht den
durch Gleichung 7.5 charakterisierten neuen thermodynamischen Gleichgewichts-
zustand (Arbeitspunkt A3) erreicht hat. Aufgrund des nach Gl. 7.4 negativen
Temperaturkoeffizienten von UBE resultiert die Abkuhlung der Sperrschicht in
einer Zunahme von UBE um
∆UBE,th = UBET1 −Rth · (P3 − P1)︸ ︷︷ ︸T3
, IC2 − UBET2 = T1, IC2 (7.7)
Wird der Kollektorstrom IC2 ausreichend klein gewahlt, so ist der Arbeitspunkt
A2 in Abb. 7.1 durch eine Verlustleistung P2 charakterisiert, mit der eine ver-
nachlassigbare Eigenerwarmung des Transistors verbunden ist. Wie zuvor disku-
tiert, kann daher fur diesen Arbeitspunkt eine Kalibrationsmessung durchgefuhrt
werden, so daß UBE2 einer Temperatur T2 und damit der gesuchten Temperatur
T1 = T2 bei voller Leistung zugeordnet werden kann.
174 7. Temperaturmessung
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Mo-
dulatortreiber
Das im vorangegangenen Kapitel beschriebene Verfahren wird in dieser Arbeit
zur Messung der Sperrschichttemperatur der Stromschaltertransistoren in der
Ausgangsstufe des 20 Gbit/s - Modulatortreibers verwendet. Die Forderung nach
(einphasigen) Ausgangsspannungshuben von ∆VQ ≥ 3 Vss fuhrt in diesen Transi-
storen zu maximalen Kollektorstromen von großer 90 mA. Bedingt durch die An-
forderungen an die Schaltgeschwindigkeit mussen die Stromschaltertransistoren
fur hohe Kollektorstromdichten dimensioniert werden, wobei zur Vermeidung von
Hochstromeffekten gleichzeitig relativ hohe Kollektor-Emitterspannungen vorge-
sehen werden mussen (vgl. Kap. 4.4). Als Konsequenz ergeben sich hohe Tran-
sistorverlustleistungen im Bereich von 200 mW bei hohen Verlustleistungsdich-
ten von 4 mW /µm2. Dies fuhrt zu hohen Temperaturen, die neben moglichen
Zuverlassigkeitsproblemen zu einer merklichen Verschlechterung der elektrischen
Eigenschaften der Transistoren fuhren konnen.
Im Unterschied zu den in der Literatur beschriebenen Verfahren (z.B.
[148, 149, 150]), soll hier nicht nur der thermische Streuwiderstand eines Bau-
elementes bestimmt werden, sondern die im Betrieb der Gesamtschaltung im
Ausgangsstufentransistor auftretende Temperatur. Neben der Verlustleistung des
Ausgangsstufentransistors selbst hangt letztere von der Verlustleistung der Rest-
schaltung und deren raumlicher Verteilung auf dem Chip und (wie sich zeigen
wird) im besonderen Maße von der Aufbautechnik ab.
Fur das Temperaturmeßverfahren mussen in der Ausgangsstufe einige schal-
tungstechnische Zusatze angebracht werden. Zwar sind die im folgenden erlauter-
ten Zusatze relativ gering, in Anbetracht der hohen Datenrate (≥ 20 Gbit/s)
besteht jedoch die Gefahr, daß zusatzlich eingebrachte Verdrahtungsparasiten
(z.B. durch sich hierdurch ergebende Unsymmetrien) die hochfrequenztechnische
Funktion der Schaltung einschranken. Aus diesem Grund wurde fur die Tempe-
raturmessung eine eigene Version vorgesehen.
Abb. 7.2 zeigt den Meßaufbau fur die Temperaturmessung zusammen mit ei-
nem detaillierten Ausschnitt der Ausgangsstufe [114]. Die zusatzlichen Elemente
fur die Temperaturmessung auf dem Chip sind grau hinterlegt. An einem der bei-
den Transistoren des Ausgangsstromschalters SS2 werden Basis- und Emitteran-
schluß uber zusatzliche Anschlußpads nach außen gefuhrt. Aufgrund der Symme-
trie des Ausgangsstromschalters genugt die Messung der Basis-Emitterspannung
nur eines der beiden Transistoren. An der Basis sind zwei Anschlußpads vorgese-
hen, um einerseits alternativ mit und ohne Vorwiderstand (zur Vermeidung mogli-
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Modulatortreiber 175
Analoger Speicher-oszillograf mitDifferenzkomparator
PR
I1I2
V1
0V
10 : 1
Tastköpfe
Ω100 Ω10 : 1
"Hauptstromquelle""Meßstromquelle"
Pulsgenerator
220
TRG
SS2
Ω50
Verzögerungsleitung(60 ns)
Chip
Q11
8
Abb. 7.2: Ausschnitt aus der Ausgangsstufe der Treiberversion zur Temperatur-messung zusammen mit dem Meßaufbau. Die geringfugigen Unterschiede(Zusatze) gegenuber der Hochfrequenzversion sind grau hinterlegt.
cher Oszillationsprobleme) zu messen. Andererseits kann bei der Temperaturkali-
bration der UBE-Spannung uber den einen Anschluß eine Biasspannung eingestellt
werden und uber den anderen Anschluß (“sense-Anschluß”) spannungsrichtig ge-
messen werden. Irrtumlich wurde am Emitteranschluß kein Vorwiderstand auf
dem Chip realisiert. In der Praxis ergaben sich hierdurch aber keinerlei Proble-
me. Wie in Abb. 7.2 dargestellt, werden die Potentiale in Reihe zu in Chipnahe
auf der Meßfassung aufgebrachten Dunnfilm-SMD-Widerstanden gemessen3. Als
wichtigste Anderung gegenuber der Hochfrequenzversion des Treibers besitzt die
fur die Temperaturmessung modifizierte Variante neben der Hauptstromquelle
fur den Modulationsstrom IMod = I1 zusatzlich einen Stromspiegel, der einen um
etwa 2 Großenordnungen kleineren Strom (I2 = 1 mA) bereitstellt. Der fur das
3Messungen mit und ohne Vorwiderstand an Basis und Emitter zeigen, daß der Emitter dies-bezuglich unkritisch ist. Am Basisanschluß wird ein Vorwiderstand (≥ 100 Ω) benotigt, dasonst storende Nachschwinger die Messung des UBE-Sprungs beeintrachtigen. Da ein differen-tielles Signal gemessen wird, ist es aus Symmetriegrunden (Minimierung von Gleichtaktstorun-gen) zweckmaßig Vorwiderstande symmetrisch an beiden Anschlussen zu verwenden.
176 7. Temperaturmessung
Meßverfahren benotigte Sprung im Kollektorstrom des zu vermessenden Tran-
sistors (vgl. Kap 7.2) wird dadurch realisiert, daß der Stromspiegel der Haupt-
stromquelle uber einen negativen Spannungssprung in seinem Referenzzweig de-
aktiviert wird. Der Kollektorstrom des Ausgangsstufentransistors wird dadurch
vom vollen Strom I1 auf den Meßstrom I2 heruntergeschaltet4. Dieses indirek-
te Verfahren wird benotigt, da ein Schalten des Stromes der Hauptstromquelle
selbst auf einen kleinen (aber endlichen) Strom I2 nicht definiert, d.h. ohne die
Messung storende Nachschwingvorgange moglich ist. Prinzipiell kann der Strom
I2 auch extern bereitgestellt werden. Dann erhoht sich allerdings der Aufwand, da
der Meßkanal mit dem dynamischen Emitterpotential durch ein geeignetes “Bias-
Tee” (Frequenzweiche) von dieser Stromquelle (mit unbekannter Impedanz) ent-
koppelt werden muß. Im Layout ist die Zusatzstromquelle raumlich weit weg vom
vermessenen Stromschaltertransistor plaziert, um etwaige (insbesondere schnelle)
Warmekopplungen auf den Meßstrom I2 zu verhindern. Bis auf die beschriebe-
nen minimalen Zusatze ist die Version zur Temperaturmessung mit der Hochfre-
quenzversion sowohl elektrisch als auch vom Layout her absolut identisch. Die
zusatzliche Verlustleistung (≈ 10 mW ) des hinzugekommenen Stromspiegels ist
verglichen mit der Gesamtverlustleistung (je nach Anwendungsfall 1, 4...2, 5 W )
vernachlassigbar.
Die Hauptstromquelle wird von einem Rechteckgenerator mit einer Frequenz
f ≤ 100 mHz zwischen I1 und 0 geschaltet und der resultierende UBE-Sprung
uber 10:1-Tastkopfe mit dem Differenzkomparator eines analogen Speicheroszil-
lografen gemessen. Um den Sprung selbst darstellen zu konnen, wird der Signal-
ausgang des Generators uber eine Leitung gegenuber dem Triggerausgang zeit-
lich verzogert (sogenanntes “pre-triggering”). Aufgrund der hohen Zeitauflosung
(schnelle Horizontalablenkung) sind zur Darstellung auf dem Speicheroszillogra-
fen mehrere Schreibvorgange (zur ausreichenden Ladungsakkumulation in der
Speichermatrix) notwendig. Die Repetitionsfrequenz ist hierbei so zu wahlen,
daß innerhalb der halben Periodendauer die statischen Sperrschichttemperatu-
ren erreicht werden, d.h. Abkuhlung bzw. Erwarmung abgeschlossen sind. Eine
Schaltfrequenz von 100 mHz (halbe Periodendauer: 5 sec) hat sich hierbei in der
Messung als ausreichend klein herausgestellt5.
Wie im Kap. 6.2.2 erlautert, zeigte ein erster Entwurf des 20 Gbit/s-
Modulatortreibers Stabilitatsprobleme, die seinen Einsatz bei nomineller Da-
tenrate auf einen einphasigen Ausgangshub von 2 Vss beschrankten. In einem
folgenden Prozeßdurchlauf mit modifizierten Metallisierungsstrukturen der Mas-
severdrahtung konnten diese Probleme beseitigt werden. Temperaturmessungen
4Der Stromschalter wird durch Einspeisung eines Offsets am Eingang umgeschaltet, so daßder volle Stromquellenstrom durch den “Meßtransistor” Q118 (Abb. 7.2) fließt.
5Der Generator kann auch manuell (“single shot”) getriggert werden.
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Modulatortreiber 177
wurden sowohl fur die Treiberchips der “I. Generation” (bei reduziertem Aus-
gangshub) als auch fur die “II. Generation” (voller Ausgangshub) durchgefuhrt.
Daruberhinaus wurde eine einfache, in der Arbeitsgruppe Halbleiterbauelemente
praktizierte Aufbautechnik [3]( im folgenden kurz als RUB-Aufbautechnik be-
zeichnet) mit einer industriellen, warmeableitungsoptimierten Aufbautechnik ver-
glichen. Schließlich wurde mit einem der letzteren Aufbauten im Anschluß an die
“elektrische Temperaturmessung” eine Infrarotthermografie durchgefuhrt.
Bevor in den folgenden Kapi-
t200 ns
627 mV
803 mV
mV30
UBE
Abb. 7.3: Basis-Emitterspannung des be-trachteten SS2-Transistors beimSchalten seines Kollektorstromesvon 60 mA auf 1 mA.
teln die Ergebnisse dieser Messun-
gen prasentiert werden, soll zunachst
an einem der vermessenen Aufbau-
ten, der bei der Messung auftreten-
de quantitative Zeitverlauf der Basis-
Emitterspannung betrachtet werden.
Dabei handelt es sich um einen in
der RUB-Aufbautechnik aufgebauten
Chip der I. Generation [114]. Am lin-
ken Rand von Abb. 7.3 ist fur etwa
200 ns noch der statische UBE-Wert
(UBE1 = 803 mV ) bei vollem Strom
(hier: 60 mA) zu erkennen. Durch
den Sprung im Kollektorstrom tritt
zunachst ein elektrischer Sprung in
der Basis-Emitterspannung (vgl. Gl. 7.6) auf den Wert UBE2 = 627 mV auf6.
Aus der zuvor durchgefuhrten Temperaturkalibration der UBE-Spannung kann
aus dem Wert von UBE2 auf eine Sperrschichttemperatur von 140 C geschlos-
sen werden. An den elektrischen Sprung anschließend erkennt man den ersten
Bereich des Temperaturausgleichvorganges (mehrpoliges Tiefpassverhalten). In-
nerhalb der ersten 50 bis 100 ns bleibt die Temperatur (und damit UBE) of-
fensichtlich konstant. Ein merklicher Temperaturausgleichvorgang (Abkuhlung)
zeigt sich erst fur Zeitpunkte t ≥ 200 ns . Auf die Frage nach der Existenz noch
kleinerer thermischer Zeitkonstanten wird weiter unten eingegangen.
Die Oszillografenbilder in Abb. 7.4 (a)-(f) zeigen einen kompletten Tempera-
turausgleichvorgang in der Basis-Emitterspannung. Dabei wird im Gegensatz zu
Abb. 7.3 zugunsten einer besseren vertikalen Auflosung auf eine Darstellung des
Sprungbeginns verzichtet. Aufgrund der stark unterschiedlichen einzelnen thermi-
schen Zeitkonstanten werden verschiedene Zeitablenkungen gewahlt, um die ein-
zelnen Bereiche sichtbar zu machen. Zur besseren Orientierung sind Kreissymbole
mit Nummern eingefugt. Diese markieren im jeweils betrachteten Zeitabschnitt6In Abb. 7.3 wurden horizontale und vertikale Auflosung zu Demonstrationszwecken so
gewahlt, daß das Oszillogramm des gesamten Sprunges mit ausreichender Qualitat fotografiertwerden kann. In der eigentlichen Messung ist die Darstellung des statisch meßbaren Anfangs-wertes uberflussig.
178 7. Temperaturmessung
µ s t t
tt
ttms ms
ns500
200 ms2
20 100
20 µs
2
2 3 34
4
55
50%t
1 1
UBE
mV
UBE
mV
UBE
mV
680
660
640
660
640
680
660
640
(b)
(d)
(f)
(c)
(a)
(e)
680
Abb. 7.4: Temperaturausgleichvorgang des Stromschaltertransistors SS2 nach Ab-schalten der Leistung in der Ausgangsstufe. Dargestellt sind verschiedenezeitliche Ausschnitte der Basis-Emitterspannung. Kreissymbole mit Num-mern markieren im jeweils betrachteten Zeitabschnitt den Endpunkt des imunmittelbar vorangehenden Teilbild dargestellten Zeitbereiches.
den Endpunkt des im unmittelbar vorangehenden Teilbild dargestellten Zeitbe-
reiches. Im Ausschnitt Abb. 7.4 (d) ist bei t50% ≈ 8, 4 ms die Halfte des Tem-
peraturausgleiches abgeschlossen. Der neue “thermodynamische Gleichgewichts-
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Modulatortreiber 179
zustand” wird erst nach zirka 900 ms erreicht. Insgesamt steigt die Spannung
um ∆UBE,th = (685 − 623) mV = 62 mV , was einer Abkuhlung der Basis-
Emittersperrschicht um ∆T ≈ 43 K entspricht. Der Ausdruck “thermodynami-
scher Gleichgewichtszustand” wurde in Anfuhrungsstriche gesetzt, da streng ge-
nommen bei unverandertem Arbeitspunkt der Schaltung in den folgenden 60 min
die Absoluttemperatur noch um 2 K abnimmt. Diese sehr große Zeitkonstante
resultiert aus der Abkuhlung des Messingklotzes mit der die Ruckseite des Chips
(elektrisch isolierend) verbunden ist7. Aufgrund der kurzen Meßzeit tritt dieser
Effekt wahrend der Temperaturmessung nicht auf. Er muß jedoch insofern beruck-
sichtigt werden, als daß zu Beginn der Messung (Kaltstart) der Aufheizvorgang
des Aufbauklotzes (und damit der Schaltung) zunachst abgewartet werden muß8.
Wie die Abb 7.4 (a)-(f) zeigen, sind die thermischen Zeitkonstanten ver-
glichen mit den Schaltzeiten der Transistoren (einige 10 ps) groß, jedoch wird
innerhalb der ersten 500 ns immerhin bereits 8% des Ausgleichvorgangs beendet.
Die Ursache fur diese erstaunlich schnelle thermische Reaktion liegt in den sehr
kleinen Abmessungen der verlustleistungsumsetzenden Volumina in heutigen mo-
dernen Bipolartechnologien. Das unmittelbar angrenzende Substratvolumen, d.h.
die im ersten Moment umzuladende thermische Masse (thermische Kapazitat) ist
damit ebenfalls klein (wenige picogramm). Im Verlustleistungszentrum9 und des-
sen naherer Umgebung (d.h. z.B. auch in der Basis-Emittersperrschicht) konnen
daher schnelle thermische Zeitkonstanten auftreten.
In dieser Arbeit wird ein dynamisches Verfahren zur Temperaturmessung
verwendet, wobei in dem bislang betrachteten hochohmigen Meßsystem die Ab-
fallzeit des Basis-Emitterspannungsprungs von tf ≈ 10 ns (beschrankt durch
Pulsgenerator und Oszilloskop) nicht weiter unterschritten werden kann. Es stellt
sich daher die Frage, ob es moglicherweise noch kleinere als bislang beobachte-
te Zeitkonstanten, d.h. thermische Ausgleichvorgange zum Beispiel in den ersten
25 ns nach dem Abschalten der Verlustleistung gibt. Um diese Frage zu klaren,
wird das hochohmige Meßsystem nach Abb. 7.2 auf eine 50 Ω-Meßumgebung
umgestellt. Der negative Spannungssprung fur das Herunterschalten des Kollek-
torstroms wird aus einem schnellen Pulsgenerator mit einer typischen Anstiegs-
bzw. Abfallzeit von 0,7 ns geliefert. Anstelle des hochohmigen analogen Spei-
cheroszilloskops wird ein Hochfrequenz-Abtastoszilloskop (Bandbreite 12 GHz )
7Die auf die Klotztemperatur (typ. Wert: 33 C) bezogene relative Temperaturdifferenzbleibt konstant.
8In [114] ist ein solcher Aufheizvorgang dargestellt. Bei etwa bekannter Endtemperatur kannder Vorgang durch externe Warmezufuhr (Heizplatte) beschleunigt werden.
9Im Fall des Bipolartransistors konzentriert sich die Verlustleistung im wesentlichen aufdenjenigen Teil der Basis-Kollektorraumladungszone, der den Großteil des Transferstroms tragt.
180 7. Temperaturmessung
verwendet, dessen 50 Ω-Eingange uber Hochfrequenz-Koppelkondensatoren po-
tentialfrei an Basis und Emitter des vermessenen Ausgangsstromschaltertransi-
stors angeschlossen werden. Andere Anderungen gegenuber dem Meßaufbau nach
Abb. 7.2 mussen nicht vorgenommen werden, da das Meßsubstrat, auf dem der
Halbleiterchip aufgebaut ist, bereits 50 Ω-(Mikrostreifen-)Leitungen aufweist.
Durch die zur Vermeidung von Oszillationen benotigten Vorwiderstande (vgl.
Abb. 7.2) tritt in Verbindung mit der 50 Ω-Eingangsimpedanz des Oszilloskops
eine Spannungsteilung der Meßgroße auf, wodurch die Empfindlichkeit der Span-
nungsmessung gegenuber dem hochohmigen Meßsystem reduziert wird. Aufgrund
dieses Nachteils und der zur Wahrung der Potentialfreiheit notwendigen Kop-
pelkondensatoren wird das Hochfrequenz-Meßsystem nur fur die Untersuchung
bezuglich kleinster thermischer Zeitkonstanten verwendet.
Abb. 7.5 zeigt den so gemessenen Zeitverlauf der an den Eingangen des Os-
zilloskopes anliegenden Spannung UBE. Der elektrische Sprung erfolgt innerhalb
ns5
~
t
5 mV
~ 8( )t
UBE
BEU
Abb. 7.5: Zeitverlauf der (spannungsgeteilten Basis-Emitterspannung UBE . Die punk-tierte Linie UBE(t→∞) markiert den Endwert nach vollstandigen Tempe-raturausgleich.
einer Nanosekunde. Daran anschließend ist zu erkennen, daß in den – im hochoh-
migen Meßsystem nicht auflosbaren – ersten 25 ns die Spannung konstant bleibt,
d.h. kein merklicher Temperaturausgleich erfolgt. Noch schnellere als die bereits
in den Abb. 7.4 (a)-(f) festgestellten thermischen Reaktionszeiten werden nicht
beobachtet.
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Modulatortreiber 181
7.3.1 Ergebnisse bei Verwendung einer einfachen Stan-
dardaufbautechnik
Fur die meßtechnische Charakterisierung der in dieser Arbeit entwickelten Laser-
und Modulatortreiber wird ausschließlich eine einfache und sehr kostengunstige
Aufbautechnik verwendet, die in der Arbeitsgruppe Halbleiterbauelemente bereits
fur eine Vielzahl von Hochfrequenzschaltungen eingesetzt wurde [139, 87, 8]. Fur
das Verstandnis der Ergebnisse der Temperaturmessungen ist eine kurze Diskus-
sion der Aufbautechnik10 anhand von Abb. 7.6 notig.
Als Substratmateri-
(elektrisch isolierend)
(Massekontakt)(PTFE)
~~ ~~
254 mµ
Epoxy-Kleber
εr = 2.2
Chip
Bondfleck
Messing-Klotz (Substratträger)
Au,Cu
Bonddrähte (Al)DurchkontaktierungTeflon
Lot
Abb. 7.6: Skizze der RUB-Aufbautechnik. Dargestelltist der (aufgeschnittene) innere Bereich derMikrowellenmeßfassung.
al wird 254 µm (10mil)
starkes PTFE (glasfa-
serverstarktes Teflon
[151]) mit einer niedrigen
Dielektrizitatszahl von
εr = 2, 2 und beidseitiger
17, 5 µm Kupferka-
chierung verwendet.
Mittels Fotolithografie
und Atztechnik werden
auf der Oberseite 50 Ω-
Mikrostreifenleitungen
fur die Hochfrequenz-
signale sowie Anschlußleitungen fur Versorgungsspannung- und Korrek-
turanschlusse hergestellt. Das Mikrowellensubstrat wird zur mechanischen
Stabilisierung und Kontaktierung der Mikrostreifenleitungen mit koaxialen
Hochfrequenzflanschen, ganzflachig auf einen Messingklotz aufgelotet, der
gleichzeitig die elektrische Systemmasse bildet. Masseflachen auf der Oberseite
des Substrates werden uber moglichst viele Durchkontaktierungen in Chipnahe
(verlotete Bohrlocher mit durchgezogenen Kupferstreifen) mit der Substratruck-
seite und damit dem Messingklotz verbunden. Der Siliziumchip wird in einer
seiner Große entsprechenden Aussparung von Substrat und Messingklotz mittels
eines elektrisch isolierenden Epoxy-Klebers fixiert. Auf diese Weise liegen Chip-
und Mikrowellensubstratoberflache auf gleicher Hohe, wodurch die Lange der
Bonddrahte minimiert werden kann 11.
Laser- und Modulatortreiber mit Datenraten von 10, 20 und 40 Gbit/s wur-
den im Rahmen dieser Arbeit erfolgreich in der oben beschriebenen Weise aufge-
baut und vermessen. Sogar fur eine Rekorddatenrate von 60 Gbit/s wurde in [3]
die elektrische Tauglichkeit dieser einfachen Aufbautechnik gezeigt. Die folgen-10Im folgenden kurz als “RUB-Aufbautechnik” bezeichnet11Daruberhinaus durfte ein direktes Fixieren des Chips auf der Substratoberflache aufgrund
der schlechten Warmeleitfahigkeit von PTFE bereits bei Schaltungen mit mittlerer Verlustlei-stung zu Entwarmungsproblemen fuhren.
182 7. Temperaturmessung
den Temperaturmeßergebnisse werden jedoch zeigen, daß diese Aufbautechnik zu
(sehr) hohen Temperaturen im Modulatortreiberchip fuhrt.
Mit dem in vorangegangenen Kapitel beschriebenen Meßverfahren wurde die
Temperaturuberhohung gegenuber dem Messingklotz (Warmesenke) der Basis-
Emittersperrschicht eines der beiden Ausgangs-Stromschaltertransistoren SS2
ermittelt. Durch die Variation der positiven Versorgungsspannung V1 der Aus-
gangsstufe (vgl. Abb. 7.2) kann bei gleichbleibender Verlustleistung in allen an-
deren Schaltungsteilen die Verlustleistung PSS2 nur des zu vermessenden Transi-
stors SS2 variiert werden. Tragt man die so erhaltenen Meßwerte der Tempera-
turuberhohung ∆TSS2 uber der eingestellten Verlustleistung PSS2 des Transistors
auf, so erhalt man eine (Ausgleichs-)Gerade, gemaß
∆TSS2 = ∆TSS2,0 +R∗th,SS2 · PSS2. (7.8)
Hierin ist ∆TSS2,0 der aus den Meßpunkten fur PSS2 → 0 extrapolierte Achsenab-
schnitt der Geradengleichung. Diese Große gibt denjenigen Anteil der Tempera-
turuberhohung am Ort von SS2 an, der durch die Verlustleistung der Restschal-
tung verursacht wird. Die Geradensteigung R∗th,SS2 setzt sich aus dem thermischen
Streuwiderstand des Transistors (Temperaturabfall im Siliziumsubstrat) und dem
thermischen Widerstand des Epoxy-Chipklebers zusammen.
Vermessen wurden insgesamt funf Exemplare, wovon die mit RUB#2,
RUB#3 und RUB#4 bezeichneten, zeitlich als erstes vermessenen Aufbauten,
Chips der I. Generation enthalten und daher bei der Einstellung fur den mit diesen
Chips maximal moglichen Ausgangsspannungshub von 2 Vss (typ. Verlustleistung
1, 35 W ) gemessen wurden. Nach erfolgtem Re-Entwurf (vgl. Kap. 6.2.2) konnten
mit Chips der II. Generation (Aufbauten RUB#5 und RUB#6 ) Temperaturmes-
sungen auch bei nominellem Ausgangshub von 3 Vss (typ. Verlustleistung 1, 8 W )
sowie fur den maximal erreichten Ausgangshub von 3, 5 Vss (typ. Verlustleistung
2, 5 W ) durchgefuhrt werden12.
Abb 7.7 zeigt die Meßwerte der funf Aufbauten (durch Symbole markiert)
zusammen mit den durch lineare Regression bestimmten Ausgleichsgeraden. In
Tab. 7.1 sind die Parameter der jeweiligen Ausgleichsgeraden aufgelistet. Zum
Vergleich mit den Aufbauten RUB#2 bis RUB#4 (I. Generation mit maximal
2 Vss Ausgangshub) wurden die Aufbauten RUB#5 und RUB#6 neben den
12Die Numerierung der Aufbauten entspricht der getroffenen Festlegung bei der Numerierungder Chips. Das Fehlen eines Aufbaus RUB#1 begrundet sich aus einem defekten Chip. DieNomenklatur wurde in einem solchen Fall — und soll auch in dieser Arbeit — beibehaltenwerden, um etwaige Konfusion bei der Zuordnung zu Meßprotokollen und Projektberichten[152] zu vermeiden.
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Modulatortreiber 183
Einstellungen fur Maximalhub (3, 5 Vss) und Nominalhub (3 Vss) ebenfalls fur
die Einstellung bei 2 Vss Ausgangshub gemessen.
0
25
50
75
100
125
150
175
200
0 50 100 150 200 250
∆T [ K ]
PSS2 [ mW ]
∆UQ=3,5 Vss
∆UQ=3 Vss
∆UQ=2 Vss
RUB#2RUB#3RUB#4RUB#5RUB#6
Abb. 7.7: Temperaturuberhohung des Ausgangsstufentransistors SS2 als Funktionseiner Verlustleistung. Die typischen Einstellungen der Hochfrequenzmes-sungen (optimales Augendiagramm) sind durch ausgefullte Symbole mar-kiert. Fur den Ausgangshub ∆UQ = 3 Vss wurde – der besseren Ubersichthalber – nur die Temperatur der typischen Einstellung eingetragen. DieParameter der Ausgleichsgeraden konnen Tab. 7.1 entnommen werden.
Bei der Betrachtung von Abb. 7.7 bzw. der Parameter in Tab. 7.1 fallen zwei
Dinge auf. Dies sind zum einen die insgesamt sehr hohen Temperaturen. Auffal-
lend ist hierbei besonders der bereits große Anteil (∆TSS2,0), den die nicht am
Meßort SS2 lokalisierte Verlustleistung der Restschaltung ausmacht. Anderer-
seits erkennt man aus einem Vergleich der Aufbauten bei gleicher Einstellung des
Ausgangshub — ob nun aller funf fur ∆UQ = 2 Vss, oder der Aufbauten RUB#5
und RUB#6 bei 3 Vss bzw. 3, 5 Vss — eine merkliche Streuung der Meßergebnis-
se. In Abb. 7.7 außert sich diese in erster Linie in einer Parallelverschiebung der
zugehorigen Ausgleichsgeraden. Tendenziell (vgl. Tab 7.1) nimmt jedoch auch die
Steigung R∗th,SS2 mit zunehmenden Werten ∆TSS2,0 zu.
Sowohl die hohen Temperaturen als auch die Temperaturstreuung lassen sich
auf den thermischen Widerstand des Epoxy-Klebers zuruckfuhren, mit dem die
184 7. Temperaturmessung
Aufbau ∆UQ/Vss ∆TSS2,0/K R∗th,SS2/KmW
RUB#2 2,0 65,0 0,225
RUB#3 2.0 73,1 0,222
RUB#4 2,0 78,2 0,281
2,0 69,6 0,226
3,0 106,3 0,277RUB#5
3,5 126,2 0,282
2,0 63,1 0,218
3,0 97,2 0,267RUB#6
3,5 113,9 0,279
Tab. 7.1: Parameter der in Abb. 7.7 eingezeichneten Ausgleichsgeraden (vgl. Gl. 7.8).
Chips in der hier verwendeten Aufbautechnik (vgl. Abb. 7.6) fixiert werden. Eine
Abschatzung dieses thermischen Widerstandes, zur Verallgemeinerung bezogen
auf eine Chipflache von 1 mm2, liefert die folgende Gleichung:
R′
th,epoxy =d
κth=
(30 . . . 60µm)
1, 43 WmK
≈ 31, 5K
W·mm2 ± 33%. (7.9)
Dabei wurde die thermische Leitfahigkeit κth dem Datenblatt des Herstellers [153]
entnommen. Die Varianz in der Kleberdicke wurde unter dem Mikroskop aus drei
demontierten (defekten) Aufbauten grob abgeschatzt. Diese Abschatzung erhebt
naturlich keinen Anspruch auf statistische Genauigkeit. Hierzu mußten wesentlich
mehr Exemplare und zudem mit genaueren Verfahren (z.B. mittels Laseroptik)
vermessen werden13. Ziel der folgenden Betrachtungen ist lediglich eine qualitative
Abschatzung des thermischen Widerstandes und der durch das Hauptproblem,
der Dickentoleranz, verursachten Streuung in den Meßergebnissen.
Der thermische Widerstand allein ist noch nicht ausschlaggebend. Erst die
Kombination der Gl. 7.9 mit der hohen Verlustleistungsaufnahme bei gleichzeitig
kleiner Chipgroße des Modulatortreibers zeigt die Ursache fur die gemessenen
hohen Temperaturen. Die typische Gesamtverlustleistung bei der Einstellung fur
2 Vss Ausgangshub betragt Ptot = 1, 4 W , wovon etwa 130 mW auf den Aus-
gangstransistor SS2 entfallen. Die Chipgroße betragt 1030×760 µm. Damit folgt
13In der Praxis uberlagern sich der Fertigungstoleranz der Dicke noch weitere Toleranzen.So ist beispielsweise die vom Hersteller spezifizierte Warmeleitfahigkeit von der Einhaltung der(i.d.R. Tieftemperatur-) Lagervorschrift und des Mischungsverhaltnisses der zwei Komponentendes Epoxy-Klebers abhangig.
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Modulatortreiber 185
fur den Temperaturabfall am Epoxy-Kleber fur PSS2 → 0:
∆Tepoxy = (Ptot − PSS2) · 1
Achip·R′th,epoxy︸ ︷︷ ︸
= (1, 4− 0, 13)W · (40K
W± 33%)
= 51K ± 33% (7.10)
Nach dieser Abschatzung fallen also etwa 50 K der gesamten Tempera-
turuberhohung bereits uber dem Epoxy-Kleber ab. Ein quantitativer Vergleich
mit den entsprechenden Achsenschnittpunkten ∆TSS2,0 ist nur bedingt moglich.
Einerseits schlagen sich wie oben diskutiert neben der Dicke auch noch ande-
re Toleranzen im thermischen Widerstand des Klebers nieder. Die Tempera-
turuberhohung ∆TSS2,0 enthalt aber neben dem Anteil des Klebers auch noch den
(kleineren) unbekannten Temperaturabfall im Siliziumsubstrat. Die Großenord-
nung der fur PSS2 → 0 auftretenden Temperaturuberhohung wird jedoch durch
die Gl. 7.10 voll bestatigt. Insbesondere laßt die Abschatzung den Schluß zu, daß
∆TSS2,0 durch den thermischen Widerstand des Klebers dominiert wird. Dieses
wichtige Ergebnis wird durch weitere Meßergebnisse bestatigt. An entsprechender
Stelle wird hierauf nochmal zuruckgekommen.
Die abgeschatzte Streuung von 33% bezieht sich nur auf den Anteil des
Klebers und ist damit prinzipiell immer großer als die gemessene Streuung der
∆TSS2,0-Werte (ca. 11%). Die relativ große Diskrepanz laßt aber vermuten, daß
die Kleberdicke der Aufbauten in Abb. 7.7 eine kleinere Toleranz aufweist als bei
den fur die Abschatzung Gl. 7.10 demontierten Aufbauten.
Die beiden mit RUB#5 und RUB#6 bezeichneten Aufbauten enthalten
Chips der II. Generation (vgl. hierzu die Anmerkungen auf S. 176), fur die auch
bei nominellem (3 Vss) und maximalem Ausgangshub (3, 5 Vss) Temperaturmes-
sungen durchgefuhrt werden konnten. Vergleicht man in Tab. 7.1 die Achsen-
schnittpunkte ∆TSS2,0 bei der Einstellung fur maximalem Hub mit den Werten
fur den Ausgangshub 2 Vss ergibt sich eine Zunahme um den Faktor 1, 81. Dieser
Faktor stimmt innerhalb der Meßgenauigkeit mit der entsprechenden Zunahme
der Verlustleistungsaufnahme (fur PSS2 → 0) von 1, 27 W = 1, 4 W − 0, 13 W
auf 2, 275 W = 2, 5 W − 0, 225 W , also um einen Faktor 1, 79, uberein. Der
thermische Widerstand R∗th,SS2 nimmt um den Faktor 1, 25 (RUB#5 ) bzw. 1, 28
(RUB#6 ) zu. Dies kann durch die Abnahme der thermischen Leitfahigkeit im
Siliziumsubstrat mit merklich zunehmender Temperatur erklart werden.
186 7. Temperaturmessung
Nach [154, 155] gilt
κth,Si = κth,0 ·(T
T0
)−1,25
mit κth,0 = 150W
mKfur T0 = 300K. (7.11)
Fur eine Abschatzung des Einflusses wird aus Abb. 7.7 in der Mitte des jewei-
ligen Meßbereiches (durchgezogene Linien) die Temperaturuberhohung abgele-
sen. Im Mittel erhalt man fur die beiden Aufbauten ∆T1 ≈ 170K bei “3, 5 Vss-
Einstellung” und ∆T2 ≈ 95K bei “2 Vss-Einstellung”. Hierzu sind noch die Be-
zugstemperaturen der Aufbausockel von 38 C und 32 C zu addieren. Eingesetzt
in Gl. 7.11 ergibt sich
κ1
κ2
=
[((95 + 32) + 273)K
((170 + 38) + 273)K
]−1,25
≈ 1, 26 , (7.12)
welches mit der Zunahme von R∗th,SS2 gut ubereinstimmt.
Neben dem Zusammenhang mit der eigenen Verlustleistung wurde mit eini-
gen Aufbauten auch die Abhangigkeit der Temperatur des Stromschaltertransi-
stors SS2 von der Verlustleistung der Emitterfolgerstufe EF6 (vgl. Schaltplan in
Abb, 3.2) untersucht. Dabei handelt es sich um die dem Ausgangsstromschalter
unmittelbar vorangehende Schaltungsstufe. Das Meßverfahren bleibt hierbei un-
verandert. Statt der Verlustleistung PSS2 wird jetzt jedoch die Leistung PΣ,EF6
der Emitterfolgerstufe EF6 variiert14. Fur die Verlustleistung PSS2, d.h. fur die
positive Versorgungsspannung V1 der Ausgangsstufe, wird der in Abb. 7.7 durch
die ausgefullten Symbole gekennzeichnete typische Zustand eingestellt. Abb. 7.8
zeigt die gemessene Temperaturuberhohung (Symbole) als Funktion der einge-
stellten Verlustleistung PΣ,EF6. Wiederum wurden Ausgleichsgeraden durch die
Meßwerte gelegt. Deren Parameter — Achsenschnittpunkt ∆TSS2←EF6 und Stei-
gung Rth,SS2←EF6 — sind in Tabelle 7.2 aufgelistet. Aus der Steigung Rth,SS2←EF6
laßt sich die thermische Verkopplung zwischen der Stufe EF6 und dem vermes-
senen Stromschaltertransistor SS2 ablesen.
Verglichen mit den zuvor diskutierten Werten von R∗th,SS2 (“thermische
Eigen-Verkopplung”) liegen die Werte von Rth,SS2←EF6 deutlich — im Mittel
um einen Faktor 4 — tiefer. Vergleicht man die Werte dieses thermischen Ver-
kopplungswiderstandes mit dem in Gl. 7.10 (2. Zeile) abgeschatzten thermischen
Widerstand des Epoxy-Klebers (40 K/W = 0, 04 K/mW ) liegt aufgrund der glei-
chen Großenordnungen die Vermutung nahe, daß eine indirekte thermische Ver-
kopplung dominiert: Der von EF6 ausgehende Warmefluß koppelt nur schwach14Das Summenzeichen im Index weist darauf hin, daß PΣ,EF6 sich aus der Leistung der
Emitterfolgertransistoren und ihrer Stromquellen zusammensetzt. Im Strukturentwurf (Layout)befindet sich die Stufe EF6 etwa 90 µm vom Stromschalter SS2 entfernt.
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Modulatortreiber 187
0
25
50
75
100
125
150
175
200
0 100 200 300 400 500 600 700
∆T [ K ]
PΣ,EF6 [ mW ]
∆UQ=3,5 Vss
∆UQ=2 Vss
RUB#2RUB#3RUB#4RUB#6
Abb. 7.8: Temperaturuberhohung in der Basis-Emittersperrschicht des Ausgangsstuf-entransistors SS2 als Funktion der Verlustleistung der EmitterfolgerstufeEF6. Die typische Einstellung (vgl. Abb. 7.7) ist durch ausgefullte Symbolemarkiert.
direkt in den Transistor SS2 ein. Am thermischen Widerstand der Aufbautech-
nik (Epoxy-Kleber), zu einem geringeren Teil auch im Siliziumsubstrat, erzeugt
er jedoch einen auf die Temperatur von SS2 ruckwirkenden Temperaturabfall.
Dieses Ergebnis wurde im Prinzip bei der Diskussion der ∆TSS2,0-Werte bereits
vorweggenommen. Hier wurde festgestellt, daß diese vom Temperaturabfall am
Epoxy-Kleber dominiert werden. In der Tat ergibt daher eine kurze Rechnung
fur den Aufbau RUB#2 :15
∆TSS2,0
Ptot
∣∣∣PSS2→0
=65K
(1, 4− 0.13)W≈ 0, 051
K
mW, (7.13)
also etwa den Wert 0, 055 K/mW des thermischen Verkopplungswiderstandes
gemaß Tab. 7.2.
Ohne Zweifel tragt der deutliche Abstand von ca. 90 µm der Stufen EF6
und SS2 im Layout des Schaltung dazu bei, daß eine indirekte thermische Kopp-
15Auch fur die anderen Aufbauten ergibt sich eine entsprechende Ubereinstimmung.
188 7. Temperaturmessung
Aufbau ∆UQ/Vss ∆TSS2←EF6/K Rth,SS2←EF6/KmW
RUB#2 2,0 82,4 0,0553
RUB#3 2,0 93,8 0,0584
RUB#4 2,0 101,7 0,0768
RUB#6 3,5 147,8 0,0489
Tab. 7.2: Parameterwerte der in Abb. 7.8 eingezeichneten Ausgleichsgeraden.
lung dominiert. Aus der Theorie der Warmeleitung in Halbleitern [140, 141, 142]
ist jedoch ganz allgemein bekannt, daß die Temperaturuberhohung durch ein ver-
lustleistungsumsetzendes Volumen auf einen Bereich von weniger als dem Zehnfa-
chen der lateralen Abmessungen des Volumens begrenzt ist. Aufgrund der gerin-
gen Abmessungen des aktiven (inneren) Transistorbereiches in modernen Bipo-
lartechnologien treten zwar zunehmend großere thermische (Streu-)Widerstande
auf. Die hiermit verbundene Temperaturuberhohung klingt aber bereits innerhalb
des Transistors bzw. seiner unmittelbaren Umgebung stark ab. Haufig ist daher
die thermische Kopplung zwischen Bauelementen einer integrierten Schaltung
gegenuber der Eigenerwarmung eines Bauelementes durch dessen thermischen
Streuwiderstand vernachlassigbar [142]. Im Einzelfall muß dies naturlich durch
Temperatursimulationen hinterfragt werden.
Selbst wenn bei einer Schaltung thermische Kopplungen im Halbleitersub-
strat vernachlassigbar sein sollten, ist dies nicht damit gleichzusetzen, daß (aus
elektrischen Grunden) grundsatzlich ein moglichst dichtes Layout anzustreben
ist. Der thermische Widerstand der Aufbautechnik laßt sich namlich nicht einfach
durch eine große Gesamtflache des Chips reduzieren. Wieviel von der physikalisch
vorhandenen Flache des Ubergangs tatsachlich vom Warmefluß ausgenutzt wird,
hangt davon ab wie stark sich dieser ausgehend von einer lokal konzentrierten
Quelle (dicht gepacktes Layout) bis zum Ubergang lateral aufgefachert hat.
Von GaAs-Schaltungen, mit ihrer im Vergleich zu Silizium dreimal schlech-
teren Warmeleitfahigkeit ist die Dunnung des Chips zur Verbesserung der
Entwarmung bekannt. Um Mißverstandnissen vorzubeugen, sei der Leser dar-
auf hingewiesen, daß dies keinen Vorteil, ja sogar eine Verschlechterung mit sich
bringt, wenn der thermische Widerstand der Aufbautechnik im Vergleich zu dem
des Substrates hoch ist. In diesem Fall kann ein virtuelles Warmequellen-Bild
(Spiegelungsprinzip, Schattenquelle) trotz Dunnung zu hoheren Chiptemperatu-
ren fuhren [156].
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Modulatortreiber 189
7.3.2 Ergebnisse bei Verwendung einer warmeableitungs-
optimierten Aufbautechnik
Im vorangegangenen Kapitel wurde festgestellt, daß die relativ hohe Verlust-
leistungsaufnahme beim Aufbau des Modulatortreibers unter Verwendung der
“RUB-Aufbautechnik” zu hohen Sperrschichttemperaturen fuhrt. Als Ursache
hierfur wurde die relativ schlechte spezifische thermische Leitfahigkeit des ver-
wendeten Epoxy-Klebers ausgemacht. In Verbindung mit der kleinen Chipflache
fuhrt diese zu einem hohen thermischen Widerstand zwischen Chipruckseite und
Messing-Klotz (Warmesenke). Wenngleich die mit dieser Aufbautechnik gemach-
ten Hochfrequenzmessungen einen eher geringen Einfluß der hohen Temperatu-
ren auf die Qualitat der Ausgangssignale zeigen16, konnen Langzeit-Zuverlassig-
keitsprobleme (z.B. Elektromigration) nicht ausgeschlossen werden. Fur eine Pro-
duktlosung mit spezifizierter Lebensdauer (im Telekombereich sind dies typisch
10-15 Jahre) muß daher eine Aufbautechnik mit verbesserter Entwarmung einge-
setzt werden.
Der Modulatortreiber wurde bereits erfolgreich in einem experimentellen
20 Gbit/s-Ubertragungssystem der Firma SIEMENS eingesetzt [2]. Daruberhin-
aus ist sein Einsatz in einem kommerziellen 10 Gbit/s-System der gleichen Firma
geplant. Fur die Prototypen wurde bereits eine Aufbautechnik mit verbesserter
Warmeableitung eingesetzt. Einzelne Exemplare der Modulatortreiberversion zur
Temperaturmessung wurden ebenfalls mit dieser Technik aufgebaut, um einen
quantitativen Vergleich mit der “RUB-Aufbautechnik” hinsichtlich der auftre-
tenden Sperrschichttemperaturen zu ermoglichen. Aufgrund der Wahrung von
Industriegeheimnissen kann hier nur eine grobe Beschreibung der Aufbautechnik
gegeben werden, wobei bewußt auf eine Benennung der Materialien verzichtet
wird. Fur das Verstandnis der im folgenden prasentierten Temperaturmeßergeb-
nisse ist dies jedoch auch ausreichend. Abb. 7.9 zeigt einen Schnitt durch den
relevanten inneren Bereich des mechanischen Aufbaus.
Wie bei der “RUB-Aufbautechnik” wird der Halbleiterchip zur Minimie-
rung von Bonddrahtlangen versenkt in einer Aussparung eines Mikrowellensub-
strates aufgebaut. Statt eines Teflon-Substrates wird eine 15mil-Aluminiumoxid-
Keramik verwendet. Mit einem speziellen Lot wird die Ruckseite des Chips auf
einen Stempel eines sehr gut warmeleitenden Materials (elektrisch leitendend)
auflegiert. Dieser wird mit einem isolierenden Epoxy-Kleber auf der Ruckseite
der Keramik fixiert. Das gesamte Substrat wird zur mechanischen Stabilisierung
auf einem Kupfer-Klotz befestigt, der gleichzeitig die Warmesenke bildet. Der
Klotz weist eine Aussparung auf, die den Stempel kontaktfrei aufnimmt.
16Uber einen Thermochuck wurde der Aufbau um 30 K auf 65C erhitzt.
190 7. Temperaturmessung
(elektrisch isolierend)
BonddrähteAluminiumoxid-
Bondfleck
Stempel
Kupfer-Klotz (Substratträger)
Massefläche (Au)
Epoxy-Kleber~ ~
~~
~~
~~
~~
Lot
= 252 W/(mK)thκ5 mm
KeramikAu
mµ381 Chip
Abb. 7.9: Skizze einer Aufbautechnik mit verbesserter Warmeableitung. Dargestelltist der aufgeschnittene innere Bereich des mechanischen Aufbaus. Fur de-taillierte Angaben muß auf [157] verwiesen werden.
Die hier verwendete Technik zur Verbesserung der Entwarmung ist sehr
ahnlich dem bei Kuhlkorpern verwendeten Prinzip. Ein Kuhlkorper kuhlt uber
konvektive Warmeabgabe, die spezifisch, d.h. flachenbezogen, einen schlech-
ten Warmeubergang darstellt. Durch die Lamellenstruktur wird die Flache des
Kuhlkorpers aber maximiert, um den thermischen Ubergangswiderstand zu mi-
nimieren. Diesen Trick macht man sich auch hier zunutze. In Abb. 7.9 gelangt
der Warmefluß uber die Lotschicht ohne großen Temperaturabfall in den sehr
gut warmeleitenden Stempel. Der Warmefluß wird hier aufgefachert und durch-
tritt dann die Schicht des Epoxy-Klebers auf einer großen Flache. Der schlechte
spezifische Warmewiderstand des Klebers wirkt sich durch die große Flache des
Ubergangs nicht annahernd so drastisch wie bei der “RUB-Aufbautechnik” aus.
Die erhebliche Verbesserung der Warmeableitung in dieser Aufbautechnik
dokumentiert die Abb. 7.10. Dargestellt sind die Temperaturmeßwerte (Symbo-
le) zweier Aufbauten LEG#1 und LEG#3 sowie die zugehorigen Ausgleichsge-
raden17. Die Meßergebnisse gelten fur einen Ausgangshub von 2 Vss (Chips der I.
Generation, vergleiche hierzu die Anmerkungen auf S. 176). Ebenfalls dargestellt
sind die bereits aus Abb. 7.7 bekannten entsprechenden Ergebnisse in “RUB-
Aufbautechnik”. Die Parameter der Ausgleichsgeraden konnen der Tab. 7.3 ent-
17LEG steht fur aufLEG ierte Chips. Bezuglich der Numerierung vergleiche die Anmerkungender Fußnote auf S. 182.
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Modulatortreiber 191
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
0 50 100 150 200
∆T [ K ]
PSS2 [ mW ]
RUB-Aufbautechnik(Epoxy-Kleber)
verbesserteAufbautechnik(Chips auflegiert)
RUB#2RUB#3RUB#4RUB#5RUB#6LEG#1LEG#3
Abb. 7.10: Temperaturuberhohung des Ausgangsstufentransistors SS2 als Funktionseiner Verlustleistung. Die typischen Einstellungen der Hochfrequenzmes-sungen (optimales Augendiagramm) sind durch ausgefullte Symbole mar-kiert. Vergleich der “RUB-Aufbautechnik” (RUB) mit einer warmeablei-tungsoptimierten Aufbautechnik (LEG).
nommen werden. In dieser Tabelle sind auch die Werte eines weiteren gemessenen
Aufbaus (LEG#4 ) angegeben. Dessen Meßwerte waren in Abb. 7.10 kaum von
denen der beiden anderen Aufbauten zu unterscheiden. Aus diesem Grund wurde
auf eine grafische Darstellung verzichtet.
Ein Vergleich zeigt fur die typische Einstellung (ausgefullte Symbole in
Abb. 7.10) im Mittel eine Reduktion der Temperaturuberhohung von 102 K
im Fall der RUB-Aufbautechnik auf nur 48 K fur die verbesserte Aufbautechnik,
also eine Verbesserung um mehr als einen Faktor 2 !
Mindestens genauso bemerkenswert ist die gute Reproduzierbarkeit des
Warmeubergangs der verbesserten Aufbautechnik, wie man den fast deckungs-
gleichen Meßergebnissen der drei Aufbauten entnehmen kann. Dies durfte ei-
nerseits darauf zuruckzufuhren sein, daß durch die Vergroßerung der Flache der
Kleberschicht deren Anteil am thermischen Widerstand der Aufbautechnik deut-
lich abgenommen hat. Andererseits laßt sich der Kleber auf einer großeren Flache
auch gleichmaßiger auftragen, so daß die Schichtdicke eine eher kleine Toleranz
aufweist.
192 7. Temperaturmessung
Aufbau ∆UQ/Vss ∆TSS2,0/K R∗th,SS2/KmW
LEG#1 2,0 24,2 0,175
LEG#3 2.0 22,0 0,182
LEG#4 2,0 22,6 0,176
Tab. 7.3: Parameter der Ausgleichsgeraden (vgl. Gl. 7.8) in Abb. 7.10. Fur die ent-sprechenden Werte der RUB-Aufbauten vgl. Tab. 7.1.
Fur einen der drei Aufbauten (LEG#3 ) wurde wiederum die Temperatur
des Ausgangsstromschaltertransistors SS2 als Funktion der Verlustleistung der
Emitterfolgerstufe EF6 gemessen. Im Vergleich mit den entsprechenden, bereits
aus Abb. 7.8 bekannten Resultaten der “RUB-Aufbautechnik”, ist das Ergebnis
in Abb. 7.11 dargestellt. Die Parameter der Ausgleichsgerade sind in Tab. 7.4
angegeben.
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
0 50 100 150 200 250
∆T [ K ]
PΣ,EF6 [ mW ]
RUB-Aufbautechnik(Epoxy-Kleber)
verbesserteAufbautechnik(Chips auflegiert)
RUB#2RUB#3RUB#4LEG#3
Abb. 7.11: Temperaturuberhohung in der Basis-Emittersperrschicht des Ausgangs-stufentransistors SS2 als Funktion der Verlustleistung der Emitterfolger-stufe EF6. Vergleich der “RUB-Aufbautechnik” (RUB) mit einer warmea-bleitungsoptimierten Aufbautechnik (LEG).
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Modulatortreiber 193
Aufbau ∆UQ/Vss ∆TSS2←EF6/K Rth,SS2←EF6/KmW
LEG#3 2,0 43,8 0,024
Tab. 7.4: Parameter der Ausgleichsgerade in Abb. 7.11 (Aufbau LEG#3 ). Fur dieentsprechenden Werte der RUB-Aufbauten vgl. Tab. 7.2.
Wie im vorangegangenen Kapitel erlautert, spiegelt die thermische Verkopp-
lung Rth,SS2←EF6, speziell in der “RUB-Aufbautechnik”, wesentlich den thermi-
schen Widerstand der Aufbautechnik wider. Verglichen mit dem Mittelwert der
drei RUB-Aufbauten Rth,SS2←EF6 ≈ 63, 5 K/W nimmt daher der Wert fur die
verbesserte Aufbautechnik entsprechend deutlich um einen Faktor 2, 6 ab.
Bislang wurden fur Prototypen eines 10 Gbit/s-Ubertragungssystems noch
Chips der I. Generation eingesetzt, insbesondere, da fur den geplanten zum Ein-
satz kommenden Elektroabsorptionsmodulator (EAM) ein einphasiger Hub von
1.8 Vss eine ausreichende optische Extinktion sicherstellt. Warmeableitungsopti-
mierte Aufbauten mit Chips der II. Generation standen fur eine Temperaturmes-
sung im Rahmen dieser Arbeit nicht mehr zur Verfugung.
Analog den fur die Temperaturmessungen in “RUB-Aufbautechnik” gemach-
ten Modellrechnungen (vgl. S. 185) ist aber eine Extrapolation von den bei 2 Vss-
Ausgangshub gemessenen auf die bei maximalem Hub zu erwartenden Tempe-
raturen auch fur die Aufbautechnik mit verbesserter Warmeableitung moglich.
Berucksichtigt man die entsprechende Zunahme der Verlustleistung (gesamt und
lokal bei SS2 ) so laßt sich fur den Maximalhub von 3, 5 Vss eine typische Uber-
temperatur von ∆TSS2 ≈ 84K abschatzen.
7.3.3 Vergleich der Ergebnisse des elektrischen Meß-
verfahrens mit Ergebnissen einer Oberflachen-
Infrarotthermografie
In den vorangegangenen Kapiteln wurden Temperaturmessungen am Ausgangs-
stufentransistor des 20 Gbit/s-Modulatortreibers auf Basis eines speziellen elek-
trischen Meßverfahrens prasentiert. An einem in warmeableitungsoptimierter
Aufbautechnik gemessenen Exemplar (LEG#1, vgl. Abb. 7.10) wurde zusatzlich
eine Oberflachen-Infrarotthermografie durchgefuhrt18.
18Diese Messungen wurden bei einer Qualitatssicherungsabteilung der Firma SIEMENSdurchgefuhrt [158].
194 7. Temperaturmessung
400 6002000
µmx /
µm/y
200
400
600
0
Bondfleck(Pad)
"Meßtransistor"(el. Verfahren)
Q118
Q122
Q112
Q114
Q116
Widerstand(R114)
Q107
Q108
Q111
Q113
TransistorQ121
Q115Q117
400 6002000
17
20
1720
20
17
1720
17
2323
23
23
14
1411
14
11
14
14
14
36
29
Abb. 7.12: Oberflachen-Infrarotthermografie des Aufbaus LEG#1. Links: EinzelneEbenen im Strukturentwurf (Layout) des vermessenen Chipbereiches.Rechts: Isothermen der gemessen Temperaturuberhohung ∆T [K].
Bei diesem Verfahren verhalt sich die Oberflache des Chips durch eine auf-
gebrachte spezielle Lackschicht naherungsweise wie ein schwarzer Strahler. Ei-
ne Infrarotdiode rastert den Chip ab und setzt dabei die von der Oberflache
ausgehende Warmestrahlung in einen proportionalen Meßstrom um. Uber eine
Referenzmessung (Temperatur des Aufbausockels) laßt sich auf die Oberflachen-
temperatur schließen.
Das Ergebnis einer solchen Temperaturmessung zeigt Abb. 7.12. Das linke
Teilbild zeigt den abgerasterten Chipbereich in Form einer Uberlagerung einzel-
ner Ebenen des Strukturentwurfs (Passivierungsoffnung der Bondflecken, Poly-
widerstandsschicht, Transistor-Isolationsbox und Emitter-Polysilizium) mit dem
Koordinatengitter der Messung. Der vermessene Bereich umfaßt die zweite Zelle
des Treibers mit den drei Emitterfolgerstufen Q111-Q116 und dem Ausgangs-
stromschalter Q117,Q118. Das rechte Teilbild zeigt die gemessene Verteilung der
Temperaturuberhohung als Isothermengrafik. Eine Detailvergroßerung des lin-
ken oberen Viertels, in dem sich der “Meßtransistor” des elektrischen Verfahrens
(Q118, x = 195 µm, y = 195 µm) befindet, ist in Abb. 7.13 dargestellt.
7.3 Temperaturmessungen am 20-Gbit/s - Modulatortreiber 195
µmy /
µmx /
200 300
100
200
300
0 100
17
1818
18
21
20
18
1716
15
11
1413
12
19
20
19
21 15
18
1710
16
17
14
13
13
Abb. 7.13: Isothermen der Temperaturuberhohung. Detailausschnitt aus Abb. 7.12.
Zwei Dinge fallen bei der Betrachtung der Abbildungen auf. Zum einen
betragt die durch das Infrarotverfahren angezeigte Temperaturuberhohung des
Transistors Q118 mit 21; K deutlich weniger als der entsprechende Wert von
54 K der elektrischen Messung (vgl. Abb. 7.10)19. Daruberhinaus werden als hei-
ßeste Stellen die Zentren der Widerstande zur Arbeitspunkteinstellung des ersten
(Q111,Q112 ) und zweiten Emitterfolgerpaares (Q113,Q114 ) angezeigt. Auf der
durchgeschalteten Seite tritt am Widerstand R114 (x = 400 µm, y = 260 µm)
eine maximale Temperaturuberhohung von 36 K auf.
Beide Beobachtungen lassen sich auf die limitierte Ortsauflosung des In-
frarotverfahrens zuruckfuhren. Uber einem bestimmten Ort der Chipoberflache
nimmt die Infrarotdiode keine “punktuelle” Warmestrahlung, sondern die Strah-
lung aus einem Umgebungskreis mit 30 µm Durchmesser (Fokus der Diode) auf.
Da dies auch bei der Referenzmessung (Kalibration des Dioden-Fotostroms) gilt,
zeigt das Meßverfahren nur dann die exakte Temperatur an einem angefahrenen
Ort an, wenn die emittierende Oberflache mindestens so groß wie der “Meßfleck”
der Diode (d.h. ca. 30× 30 µm2) ist und eine homogene Temperatur aufweist.
Die Verlustleistung der Transistoren konzentriert sich im wesentlichen in
der Basis-Kollektorsperrschicht unmittelbar unter den Emitterstreifen. Hierdurch
treten uber dem Transistorbereich scharfe Temperaturmaxima (”hot spots”) auf,
die lateral auf einen Bereich begrenzt sind, der etwa der Emitterstreifengeome-
19Die Vergleichsmessung gilt fur den Arbeitspunkt mit maximaler Leistung PSS2.
196 7. Temperaturmessung
trie entspricht [140, 143]. Im Fall des Ausgangsstufentransistors Q118 haben
dessen 8 Emitterstreifen Abmessungen von jeweils nur 0, 6 × 9, 4 µm2. Fahrt
nun die Infrarotdiode das Zentrum dieses Transistors an, so machen die “hot
spots” der Emitterstreifen nur einen kleinen Anteil der Gesamtflache aus, aus
dem Warmestrahlung aufgenommen wird. Kaltere Bereiche neben den Emitter-
streifen werden dadurch uberproportional stark “gewichtet”. Der resultierende
Mittelwert tauscht also eine wesentlich zu geringe Temperatur vor. Auf Basis von
vereinfachten Temperatursimulationen laßt sich dieser Effekt bestatigen und die
zunachst verschiedenen Ergebnisse der beiden Temperaturmeßverfahren konnen
in Einklang gebracht werden [152].
Der Widerstand R114 weist mit P′
= 0,11 mW/ µm2 zwar eine um
ein Vielfaches geringere Verlustleistungsdichte als der Transistor Q118 (P′
=
3,8 mW/ µm2) auf, seine lateralen Abmessungen von 23 × 26 µm2 entsprechen
aber nahezu genau dem “Meßfleck” der Infrarotdiode. In diesem Fall tritt keine
wesentliche Mittelung auf. Die angezeigte Temperatur durfte daher – im Gegen-
satz zu Q118 – gut der tatsachlich vorhandenen entsprechen.
Es darf nun aber nicht der Fehler gemacht werden auf Basis eines Vergleichs
der Verlustleistungsdichten von R114 und Q118 aus der Temperaturuberhohung
des Widerstandes auf diejenige des Transistors schließen zu wollen. Wahrend der
Transistor seine Warmeleistung im wesentlichen nach unten in das Siliziumsub-
strat hinein abfuhrt, ist dies im Fall des Polysiliziumwiderstandes nur bedingt
moglich, da sich unter der Widerstandsschicht eine schlecht warmeleitende Silizi-
umdioxidschicht (Dicke ca. 600nm) befindet. Die Warme wird hier seitlich und
zwar vor allem in Richtung der Poly-Kontakte und uber diese an die Metallisie-
rung abgefuhrt20. Aus diesem Grund ist die vom Halbleiterhersteller angegebene
maximale Stromdichte fur Polysiliziumwiderstande oft durch die zulassige Eige-
nerwarmung des Widerstandes begrenzt.
20Ist der Widerstandskontakt temperaturkritisch, kann eine zweite Kontaktreihe vorgesehenwerden. Wahrend nach wie vor der Abstand der innersten Reihen den Widerstand bestimmt,wird der Warmefluß durch die Kontakte halbiert. In GaAs-Leistungsverstarkern werden zumTeil eigens “Kuhlfahnen” (thermo shunts) aus Metall vorgesehen, um die Entwarmung zubegunstigen. Aus der im Vergleich zu Silizium dreimal schlechteren Warmeleitfahigkeit resul-tiert hier leicht eine inhomogene Stromverstarkung in Multistreifen-Transistoren und als Folgeein temperaturgetriggerter sogenannter β-Kollaps [159, 160, 161, 162].
Kapitel 8
Realisierte Treiberschaltungen
— Meßergebnisse und deren
Vergleich mit der Simulation
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden insgesamt funf Laser- und Modula-
tortreiber entworfen. Mit einer Ausnahme (siehe Schlußabschnitt des Kap. 8.3)
handelt es sich bei den verwendeten Halbleiterprozessen durchweg um Silizium-
basierte Bipolartechnologien. Ausgehend von 10 Gbit/s wurde die Datenrate auf
20 Gbit/s und schließlich auf 40 Gbit/s gesteigert, um dem absehbaren Bedarf
an immer großeren Ubertragungkapazitaten gerecht zu werden. Ausnahmslos alle
Schaltungen wurden im aufgebauten Zustand vermessen, wobei in allen Fallen
die in Kap. 7.3.1 beschriebene einfache Aufbautechnik angewandt wurde.
8.1 10-Gbit/s-Laser-/Modulatortreiber
Fur den Einsatz im Sender eines 10-Gbit/s-Ubertragungssystems der Firma Sie-
mens (ICN) [63] wurde eine spezielle Treiberschaltung entwickelt, die sowohl die
direkte Modulation, als auch die externe Modulation des Sendelasers ermoglicht
[17]. Entwurfsgesichtspunkte dieser Schaltung werden detailliert in Kap. 4 dis-
kutiert, welchem in Abb. 4.1 auch der Stromlaufplan der Schaltung entnommen
werden kann. Abb. 8.1 zeigt ein Foto des Halbleiterchips, der in der Produkti-
onstechnologie B6HF [69] der Firma Infineon Technologies (ehemals Siemens)
realisiert wurde. Der untere der beiden Ausgange, bezuglich dem die in Kap. 4.2
erorterte Pulsformsymmetrierung erfolgt, wird zur Ansteuerung des optischen
Moduls benutzt. Der andere Ausgang kann im System als elektrischer Monitor
eingesetzt werden1. Kratzbare (z.B. mittels Ultraschall-Cutter) Metallisierungs-
1Allerdings nur zur Anzeige der prinzipiellen Funktion, da eine Symmetrierung bezuglichdes einen Kanals eine stark unsymmetrische Signalform am anderen Ausgang zur Folge hat.
1988. Realisierte Treiberschaltungen— Meßergebnisse
und deren Vergleich mit der Simulation
AusgangEingang
2. Zelle
1. Zelle
Abb. 8.1: Foto des Halbleiterchips. Ein Großteil der Bondflecken entlang der oberenund unteren Chipkante sind nur fur Testzwecke vorgesehen und werdennormalerweise nicht benotigt. Die Abmessungen betragen 1, 2× 1, 1 mm2.
stege ermoglichen jedoch optional auch einen voll differentiellen Betrieb, bei-
spielsweise als begrenzender Meßverstarker oder differentieller Leitungstreiber.
Es sei noch darauf hingewiesen, daß die oben und unten an den Chipkanten
vorgesehenen Bondflecken großtenteils Testzwecken dienen. Sie ermoglichen eine
Variation der Konstantstromanteile des in Kap. 4.3 behandelten Konzepts ei-
ner Ausgangshub-gesteuerten Nachstellung interner Stromquellen. Bei genauerer
Betrachtung erkennt der Leser daruberhinaus Bondflecken, die einen Spalt auf-
weisen. Diese wurden vorgesehen, um gegebenenfalls uber “Kurzschlußbonds”2,
die Steilheit der linearen Strom-Stellcharakteristika zu verandern. In der Praxis
mußte hiervon jedoch kein Gebrauch gemacht werden.
Die Meßergebnisse des Laser/-Modulatortreibers sind in Tab. 8.1 zusam-
mengefaßt [17]. Die dort angegebenen Leistungsmerkmale — insbesondere der
maximale Ausgangshub — sind bis zum heutigen Tag Rekordwerte fur Silizium-
basierte Modulatortreiberschaltungen3 und werden auch sonst nur von wenigen,
in kostspieligen III-V-Verbindungshalbleiter-Technologien realisierten Treibern
erreicht (vgl. Tab. 1.1). Ebenso herausragend ist der weite Einstellbereich des
Modulationsstromhubes uber einen Faktor 4, der fur den Betrieb als Lasertreiber
benotigt wird. Ublicherweise weisen Laserdiodenmodule neben der Sendediode
2Hierbei wird der Bonddraht auf den Bondfleck aufgesetzt und direkt oberhalb des Padsgekappt, so daß der Spalt des Bondflecks kurzgeschlossen wird.
3Ausgenommen ist der ebenfalls im Rahmen der vorliegenden Arbeit realisierte 20-Gbit/s-Modulatortreiber.
8.1 10-Gbit/s-Laser-/Modulatortreiber 199
Maximale Datenrate 14 Gbit/s
Maximaler Spannungshub 3,6 Vss an extern 50 Ω
Ausgangswiderstand 100 Ω
Externer Modulationsstromhub
• bei automatischer Optimierung:
• maximal (manuelle Optimierung):
15 . . . 60 mA
72 mA
Eingangsspannungsbereich diff. 2× 250 mV . . . 2× 400mV
Eingangsreflexionsfaktor (einphasig)1 < −20 dB , 0 . . . 3 GHz
< −12 dB , 3 . . . 10 GHz
Ausgangsreflexionsfaktor (einphasig)1 < −7 dB , 0 . . . 3 GHz
< −3 dB , 3 . . . 10 GHz
Negative Betriebsspannung -5,2 V
Positive Betriebsspannung (Ausgangsstufe) 0 . . . 2, 4 V
Verlustleistung 2,2 W (3 Vss externer Hub)
Tab. 8.1: Leistungsmerkmale des 10-Gbit/s-Laser-/Modulatortreibers.
eine Monitor-Fotodiode auf, deren Fotostrom der emittierten Lichtleistung pro-
portional ist. Umgesetzt in einen geeigneten Spannungsbereich, kann mit dem
Stelleingang des Modulationsstroms des Lasertreibers eine optische Leistungsre-
gelung aufgebaut werden, um auf diese Weise Alterungseffekte der Sendediode zu
kompensieren (vgl. Abb. 2.6).
Abb. 8.2 zeigt die Augendiagramme der einphasigen Ausgangsspannung an
den Grenzen (∆IQ = 60 mA und ∆IQ = 15 mA) und in der Mitte des Stellbe-
reichs des Modulationsstromhubes (∆IQ = 30 mA). Dabei sind auf der linken
Seite die Meßergebnisse und auf der rechten Seite die zugehorigen Simulations-
ergebnisse dargestellt. Uber dem gesamten Einstellbereich werden weit geoffnete
Augendiagramme hoher Flankensteilheit und geringen Zeitjitters beobachtet, wo-
bei Messung und Simulation gut ubereinstimmen4.
Beim Entwurf des Treibers wurde am unteren Rand des Einstellbereiches
im Anschluß an die Einschaltflanke leichtes Nachschwingen auf dem Low-Pegel
der Ausgangsspannung beobachtet, das eine Abhangigkeit von den unsicheren
Transistorparametern Substratwiderstand (bzw. -netzwerk) und nichtquasistati-
1Entsprechende Messungen wurden in [97] durchgefuhrt. Durch Transformation in den Zeit-bereich, geeignete Fensterausblendung und Retransfomation in den Frequenzbereich sind dieErgebnisse um Einflusse der Leitungen auf der Meßkeramik bereinigt. Bei einem ersten Prozeß-durchlauf wurde in [97] teilweise aktives Verhalten beobachtet, was auf Ruckwirkungen in derSchaltung und/oder der Aufbautechnik schließen laßt (vgl. auch Kap. 8.2).
4Der gemessene Zeitjitter entspricht nahezu dem systembedingten Eingangsjitter durch Trig-gerjitter und Jitter des ansteuernden Signals.
2008. Realisierte Treiberschaltungen— Meßergebnisse
und deren Vergleich mit der Simulation
40 ps
uQ
0 V
-3 V
uQ
0 V
-1,5 V
uQ
0 V
-0,75 V
40 ps
Simulation
Simulation
Messung
Messung
Abb. 8.2: Augendiagramme der Ausgangsspannung des Laser-/Modulatortreibers beider Systemdatenrate von 10 Gbit/s. Dargestellt sind Meß- und Simulati-onsergebnisse an der oberen Grenze (∆IQ = 60 mA, ∆UQ = 3 V ) inder Mitte (∆IQ = 30 mA, ∆UQ = 1,5 V ) und an der unteren Grenze(∆IQ = 15 mA,∆UQ = 0,75 V ) des Einstellbereichs.
sche Zusatzlaufzeiten zeigte. Da dieses Verhalten, das durch Gegenkopplungs-
widerstande im Ausgangsstromschalter zum Teil reduziert werden konnte, nur
schwach ausgepragt und daher tolerierbar war, wurden keine weiteren Maßnah-
men ergriffen. Aufgrund der in [60] jedoch festgestellten Moglichkeit, etwaiges
Nachschwingen durch Reduktion des Ruhestroms des mittleren der drei Emitter-
folger (EF5, Abb. 4.1) in der zweiten Treiberzelle wirksam zu unterdrucken, wurde
auch dieser Strom einstellbar realisiert. Unglucklicherweise trat dieser storende
Effekt in der Praxis starker in Erscheinung. Zu dessen ausreichender Dampfung
wurde in Abb. 8.2 neben den automatisch abgeregelten Ruhestromen auch der
Ruhestrom von EF5 an den Modulationsstromhub angepaßt5.
Bei Datenraten um und uber 10 Gbit/s und vor allem in Weitverkehrsverbin-
dungen ist der kostengunstige Einsatz von direkt modulierten Laserdioden durch
das sogenannte “laser chirping” (Kap. 2) begrenzt. Abhilfe schaffen indirekte Ver-
fahren, fur die ein Modulatortreiber jedoch Spannungshube von mehreren Volt
(um und uber 3 Vss) an 50 Ω bereitstellen muß.
Abb. 8.3 zeigt das Augendiagramm sowie einen kurzen Ausschnitt aus
5Eine Stromreduktion war nur in unmittelbarer Nahe der unteren Einstellgrenze notig. ZumZeitpunkt der Vermessung der Chips durch den Autor befand sich die B6HF-Prozeßlinie nochin der Validierungsphase. Die ubereinstimmend vom Autor und von [163] in der Messung fest-gestellte Empfindlichkeit der Stromeinstellung von EF5 durfte auf Prozeßtoleranzen zuruck-zufuhren sein. In [164] vermessene Chips aus einem folgenden Prozeßdurchlauf mit stabilisiertenTechnologieparametern zeigen diesen Effekt nicht mehr.
8.1 10-Gbit/s-Laser-/Modulatortreiber 201
uQ
0 V
-3,6 V
uQ
-3,6 V
0 V
40 ps 250 ps
Simulation
Messung
Abb. 8.3: Augendiagramme und Pulssequenzen der (einphasigen) Ausgangsspannungdes Laser-/Modulatortreibers bei der Systemdatenrate von 10 Gbit/s undmaximaler Ausgangsspanung. Oben: Messung. Unten: Simulation.
der Pulssequenz der Ausgangsspannung fur die angestrebte Systemdatenra-
te von 10 Gbit/s und maximalen, durch Hochstromeffekte begrenzten Hub
∆UQ,max = 3,6 Vss. Wiederum zeigt das im unteren Teil der Abbildung darge-
stellte Simulationsergebnis eine relativ gute Ubereinstimmung mit dem experi-
mentellen Ergebnis. In diesem Fall wurde in der Simulation das Hochstrommodell
HICUM [66, 67, 75] verwendet. Als Ergebnis wird speziell das auf dem Pulsboden
fehlende Unterschwingen (Hochstromeffekt, vgl. Kap 4.4) korrekt modelliert.
Wahrend Unterschwinger und auch die Flankensteilheit im Kreuzungspunkt
positiver und negativer Flanken sehr gut ubereinstimmen, zeigt das simulierte
Augendiagramm ein zeitlich eng begrenztes Uberschwingen, welches in der Mes-
sung verbreitert auftritt. Diese prinzipiell nicht storende Tendenz ist auch bereits
in der obersten Reihe der Abb. 8.2 (∆UQ = 3 Vss) zu beobachten. Mogliche
Ursachen konnten der Einfluß des Substrateffektes [60] auf das ausgangsseitige
Anhebungsnetzwerk (Kap. 5.1.1) oder eine magnetische Signaleinkopplung in die
Anhebungsbonddrahte sein. Man mag uber die genauen Ursachen mutmaßen,
sollte aber nicht vergessen, daß hier ein einphasiges Signal betrachtet wird, fur
das quantitativ nur schwer modellierbare Gleichtakteffekte eine Rolle spielen.
Gegenuber der vorgesehenen Systemdatenrate von 10 Gbit/s weist der
Laser-/Modulatortreiber eine große Sicherheitsreserve auf, wie das immer noch
weit geoffnete Augendiagramm bei 14 Gbit/s und maximalem Ausgangshub in
Abb. 8.4 zeigt. Auch hier ist dem auf der linken Seite dargestellten Meßergebnis
auf der rechten Seite das Ergebnis der Simulation gegenubergestellt. Bemerkens-
werterweise zeigt die Simulation — genau wie die Messung — in Form einer
Zunahme des Zeitjitters, die Grenzsituation auf. Flankensteilheit und fehlendes
Unterschwingen stimmen sehr gut uberein. Das Uberschwingen ist in der Messung
wiederum breiter ausgepragt als in der Simulation. Man beachte jedoch, daß die
2028. Realisierte Treiberschaltungen— Meßergebnisse
und deren Vergleich mit der Simulation
uQ
-3,6 V
0 V
29 ps 29 ps
SimulationMessung
Abb. 8.4: Augendiagramme der Ausgangsspannung bei der maximalen Datenrate von14 Gbit/s. Links: Messung. Rechts: Simulation.
Tendenz, also die Verbreiterung des Uberschwingens bei Erhohung der Datenrate
von 10 auf 14 Gbit/s , richtig wiedergegeben wird.
Neben der rein elektrischen
0 V
uQ
-3 V
aus
ein
Popt
25 ps
optisch (LD)
elektrisch
Abb. 8.5: Augendiagramme bei 10 Gbit/s undAnsteuerung einer Laserdiode bzw.elektrisch an 50 Ω.
Charakterisierung wurden auch
eine Reihe optischer Messungen
durchgefuhrt. So zeigt beispiels-
weise Abb. 8.5 das mit einer
Breitband-Fotodiode detektierte
Lichtsignal einer durch den Trei-
ber direkt modulierten kommerzi-
ellen Laserdiode [165]6. Ein Ver-
gleich mit dem ebenfalls dar-
gestellten elektrischen Augendia-
gramm (gemessen an 50 Ω) zeigt,
daß der Unterschwinger im op-
tischen Signal nicht dem Lasertreiber, sondern der gedampften Einschalt-
Relaxationsschwingung der Laserdiode zuzuschreiben ist [38].
aus
ein
Popt
25 ps
optisch (EAM)
Abb. 8.6:Optisches Augendiagramm bei An-steuerung eines EAMs. Die Datenratebetragt 10 Gbit/s.
Auch in einer Zusammenschaltung mit einem kommerziellen EAM-
Lasermodul7 wurden gute Resultate erzielt [164]. Das optische Augendiagramm
des durch den angesteuerten EAM modulierten Laserlichts zeigt Abb. 8.6. Hierbei
wurde zur Verbesserung des Treiber-Ausgangsreflexionsfaktors auf der Treiber-
6Firma NEL, NLK 1561 HSB.7Firma Philips, CQF 195/D S.Nr. 123. f3dB ≈ 10 GHz .
8.2 20-Gbit/s-Modulatortreiber 203
keramik ein Dampfungsglied mit ca. 2 dB Einfugungsdampfung realisiert [164].
Der eingestellte externe Stromhub betragt 60 mA.
Schließlich wurde der vielseitige Treiber auch erfolgreich zur externen Licht-
wellenmodulation mittels MZI eingesetzt8. Entsprechende Messungen konnte
der Autor bei der Firma Bosch-Telecom in Backnang (inzwischen Marconi)
durchfuhren. Die Messungen wurden bei 10,8 Gbit/s vorgenommen, der Datenra-
te eines sich damals gerade in der Entwicklung befindlichen Fernsehverteilsystems
[92]. Abb. 8.7 zeigt das erreichte Ergebnis.
Popt
aus
ein
11 dB
50 ps
optisch (MZI)
Abb. 8.7: Optisches Augendiagramm beiAnsteuerung eines MZIs mitMaximalhub (3,6 Vss). Die Da-tenrate betragt 10,8 Gbit/s.
Der in Kap. 5.2.1 beschriebene 10,8-Gbit/s-EAM-Treiber (Abb. 5.9) ist aus
dem 10-Gbit/s-Laser-/Modulatortreiber abgeleitet. Am Ausgang vermindert je-
doch eine zusatzlich eingefuhrte Basisschaltung die Gefahr eines Lawinendurch-
bruchs der Transistoren und sorgt daruberhinaus fur einen Freiheitsgrad in der
Optimierung des einphasigen Ausgangsreflexionsfaktors. Leider wurde das Pro-
jekt, fur das der Treiber entwickelt wurde [92], noch vor der IC-Fertigung einge-
stellt, so daß nur die in Kap. 5.2.1 gezeigten Simulationsergebnisse vorliegen.
8.2 20-Gbit/s-Modulatortreiber
Im Rahmen des JESSI -Projektes TIBIA [166] wurde auf Basis einer neuarti-
gen Silizium-Bipolartechnologie der Firma Infineon Technologies (seinerzeit noch
Siemens HL) ein 20-Gbit/s-Modulatortreiber entwickelt. Ursprunglich als De-
monstrator fur die reine Si-Technologie entworfen, wurde die Schaltung direkt
in einer darauf aufbauenden SiGe-Drifttransistortechnologie [46] gefertigt9. Im
Kap. 3 werden am Beispiel dieser Schaltung typische Dimensionierungsaspek-
te schneller Treiberstufen diskutiert. Der Stromlaufplan der Schaltung kann der
Abb. 3.2 dieses Kapitels entnommen werden.
8MZI der Firma Sumicem mit Vπ ≈ 3,8 V , f3dB ≈ 15 GHz und |us22| < −15 dB .9Die Transistorparameter dieser Technologie unterscheiden sich gegenuber dem reinem Si-
Prozeß in erster Linie durch eine Reduktion der Transitzeit (genauer: Basislaufzeit). Erreichtwird dies durch den Einbau eines Germaniumgradienten in die Basis, welcher ein elektrischesDriftfeld erzeugt.
2048. Realisierte Treiberschaltungen— Meßergebnisse
und deren Vergleich mit der Simulation
AusgangEingang
2. Zelle
1. Zelle (Kap. 6.2.2)Layoutmodifkationen
Abb. 8.8: Foto des Halbleiterchips. Die Abmessungen betragen 1× 0, 8 mm2.
Abb. 8.8 zeigt ein Foto des Halbleiterchips. Die in Kap. 4.2 beschriebene
Pulsformsymmetrierung kann wahlweise fur den einen oder den anderen Aus-
gangskanal erfolgen. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Meßergebnisse ist
Tab. 8.2 zu entnehmen [31]. Die dort angegebenen Leistungsmerkmale — insbe-
sondere die Kombination aus maximalem Ausgangshub und Datenrate — sind
bis zum heutigen Tag Rekordwerte fur Silizium-basierte Modulatortreiberschal-
tungen.
Maximale Datenrate 23 Gbit/s
Maximaler Spannungshub 3,5 Vss an extern 50 Ω
Ausgangswiderstand 84 Ω
Externer Modulationsstromhub max. 77 mA (intern 112 mA)
Eingangsspannungsbereich diff. 2× 250 mV . . . 2× 400mV
Eingangsreflexionsfaktor
• Gegentakt:
• Gleichtakt:
< −10 dB , 0 . . . 13 GHz
< −5 dB , 0 . . . 13 GHz
Ausgangsreflexionsfaktor (einphasig) < −5 dB , 0 . . . 10 GHz
Negative Betriebsspannung -5 V
Positive Betriebsspannung (Ausgangsstufe) 0 . . . 2, 8 V
Verlustleistung 2 W (3 Vss externer Hub)
Tab. 8.2: Leistungsmerkmale des 20-Gbit/s-Modulatortreibers.
Vergleichbare oder bessere Ergebnisse werden bislang nur mit aufwendigen III-V-
8.2 20-Gbit/s-Modulatortreiber 205
0 V
-3 V
uQ
0 V
-3 V
uQ
uQ
-3 V
0 V
uQ
-3 V
0 V
150 ps
modifiz.Entwurf
Original-entwurf
20 ps
Entwurf
Original-entwurf
modifiz.
Simulation
Messung
Abb. 8.9:Obere Halfte: Gemessene Augendiagramme und Pulssequenzen der Ausgangsspannungim Vergleich zwischen dem modifizierten und dem Originalentwurf. Untere Halfte: Zu-gehorige Simulationsergebnisse. Technologie, Transistoren und Widerstande, Aufbau-technik, Ansteuerung, sowie alle Strome in der Schaltung sind identisch.
Verbindungshalbleiter-Technologien erreicht (vgl. Tab. 1.1), deren veroffentlichte
Ergebnisse jedoch auf dem Wafer und nicht, wie in der vorliegenden Arbeit, im
aufgebauten Zustand gemessen wurden10.
Wie in Kap. 6.2.2 diskutiert, zeigte ein erster Entwurf der Schaltung Stabi-
litatsprobleme, die deren Einsatz bei nomineller Datenrate (20 Gbit/s) auf einen
einphasigen Ausgangshub von 2 Vss (nominell 3 Vss) beschrankten [23]. Mit den
in Kap. 6.2.1 beschriebenen Methoden und einer rigorosen und allgemeinsten
Berucksichtigung der kompletten Metallisierung auf dem Halbleiterchip, gelang
in [114] die Identifikation der Problematik als eine Schwache in der Masse- und
Versorgungsspannungsverdrahtung der zweiten Treiberzelle. In einem Redesign
ausschließlich der Metallisierungsmasken konnte die Problematik, wie durch Si-
mulationen in [114] vorhergesagt, vollstandig beseitigt werden.
Abb. 8.9 zeigt Augendiagramme und Ausschnitte aus der Pulssequenz der
Ausgangsspannung bei nomineller Datenrate (20 Gbit/s) und nominellem Span-
nungshub (3 Vss einphasig). In der oberen Bildhalfte sind Meßergebnisse des
10Neben der moglichen Degradation der Signalqualitat durch Eigenerwarmung bleibt auchder Einfluß von Bondinduktivitaten auf diese Weise unberucksichtigt.
2068. Realisierte Treiberschaltungen— Meßergebnisse
und deren Vergleich mit der Simulation
150 ps20 ps
0 V
uQ
-2 V
uQ
-2 V
0 V
Entwurfmodifiz.
modifiz.Entwurf
0 V
uQ
-2 V
uQ
Stabilisierung durchStromreduktion im EF6 osz 13,3 GHzf
Original-
Original-entwurf
entwurf-2 V
0 V
Simulation
Simulation
Messung
MessungMessung
Messung
Abb. 8.10:Oberste Reihe: Augendiagramm und Pulssequenz, gemessenen an einem Aufbau mitOriginalentwurf des Treibers, B = 20 Gbit/s, ∆UQ = 2 Vss. Zweite Reihe, rechts: Si-mulierter Pulsverlauf. Zweite Reihe, links: Stabilisierung der Schaltung durch Reduk-tion des Ruhestroms des letzten EF der zweiten Treiberzelle auf ein Minimum (IEF6 ≈2 mA). Dritte und vierte Reihe: Augendiagramme und Pulssequenzen des modifiziertenEntwurfs im Vergleich zwischen Messung und Simulation (IEF6 = nom. ≈ 50 mA).
modifizierten Entwurfs im Vergleich zum Originalentwurf dargestellt. Die untere
Halfte zeigt die gleichen Großen als Ergebnis der Simulation. Meß- und Simulati-
onsergebnisse zeigen fur den modifizierten Entwurf eine gute Ubereinstimmung.
Die Stabilitatsproblematik des Originalentwurfs zeigt sich nun auch in der Simu-
lation, jedoch ist die Simulation eher zu ungunstig11.
Starker laßt sich die Oszillation bei auf ∆UQ = 2 Vss reduziertem Hub
beobachten, wie die Meßergebnisse der oberste Reihe in Abb. 8.10, aber auch
11Ein Vergleich von Simulation und Messung ist nur fur die externen Spannungsverlaufemoglich, in welchen durch die Tiefpaßfilterung in der Ausgangsstufe, die intern auftretendeOszillation abgedampft wird. Man erkennt sie jedoch im Meßergebnis an dem kaum mehr unterdie Umschaltschwelle reichenden vorletzten Bit. In anderen Zeitausschnitten findet man diesesVerhalten auch in der Simulation. Es kommt zustande, wenn Oszillation und Nutzsignal an denBasen des Ausgangsstromschalters nahezu gegenphasig anliegen.
8.2 20-Gbit/s-Modulatortreiber 207
der simulierte Pulsverlauf rechts darunter zeigen. Messung und Simulation zei-
gen in guter Ubereinstimmung eine Oszillation bei etwa 13 GHz 12. Ausgehend
von dem fast vollig geschlossenen Augendiagramm in der obersten Reihe der
Abb. 8.10 fuhrt eine starke Reduktion des Stroms durch EF6 (vgl. Abb. 3.2)
zu dem darunterliegenden weit geoffneten Augendiagramm. Eine entsprechende
Simulation in [114] zeigt diesen Effekt ebenfalls. Bei hoheren Huben erfolgt durch
diese Maßnahme jedoch eine zu langsame Umladung der Minoritatenladung der
Ausgangsstufentransistoren, welches den Grund fur die Beschrankung des Maxi-
malhubs auf ∆UQ = 2 Vss (fur B = 20 Gbit/s) in [23] darstellt.
Die folgenden Meßergebnisse gelten fur Treiberchips mit dem modifi-
ziertem Strukturentwurf. Gemessene und simulierte Eingangsreflexionsfaktoren
des Modulatortreibers zeigt Abb. 8.11. Sowohl Gegen- als auch Gleichtakt-
Reflexionsfaktor zeigen eine passable Ubereinstimmung von Messung und Simu-
lation, wenn man von den durch Mehrfachreflexion und parasitare Verkopplungen
auf dem Meßsubstrat in der Messung einfließenden Storungen absieht.
−40
−30
−20
−10
0
10
0 5 10 15 20
Ruhelageumgeschaltet
−40
−30
−20
−10
0
10
0 5 10 15 20
Ruhelageumgeschaltet
S 11 S 11
f [GHz]
Gleichtaktmode Gegentaktmode
[dB]
f [GHz]
[dB]
Simulation
Messung Simulation
Messung
Abb. 8.11: Eingangsreflexionsfaktoren. Vergleich zwischen Messung und Simulation.
Am Ausgang des Treibers ist der einphasige Reflexionsfaktor von Interesse,
da zum gegenwartigen Zeitpunkt die meisten Modulatoren einphasig und nicht
differentiell arbeiten. Abb. 8.12 zeigt Meßergebnisse und Simulationen in den drei
Schaltzustanden des Ausgangs (fur nominellen Ausgangshub UQ = 3 Vss).
Wiederum stimmen Messung und Simulation in der Tendenz gut uberein.
Die Simulation zeigt jedoch im Low-Pegel, wenn also der gesamte Strom auf
den Transistor der betrachteten Ausgangsseite umgeschaltet ist, im Frequenz-
bereich zwischen 18 und 19 GHz aktives Verhalten, was auf eine Ruckwirkung
mit der inneren Schaltung schließen laßt. Ein am Ausgang anliegendes Signal
hat im wesentlichen zwei Moglichkeiten, in die innere Schaltung einzukoppeln.
12Simulationen zeigen, daß die im Vergleich zu Abb. 8.9 starker sichtbare Oszillation so-wohl auf eine etwas starkere Oszillation im Innern der Schaltung als auch auf den geringerenSchaltstrom (und damit geringere Dampfung) der Ausgangsstufe zuruckzufuhren sind.
2088. Realisierte Treiberschaltungen— Meßergebnisse
und deren Vergleich mit der Simulation
Eine Moglichkeit ist der Substratkorper, in den der Subkollektor der Ausgangs-
stransistoren genauso wie die Subkollektor-Abschirmung der Ausgangsbondpads
einkoppeln. Eine weitere Moglichkeit der Einkopplung besteht offensichtlich uber
die Kollektor-Basiskapazitaten der beiden Ausgangsstufentransistoren13.
Ein interessantes Detail ist die
−25
−20
−15
−10
−5
0
5
0 5 10 15 20
Ruhelagehighlow
S 22
f [GHz]
[dB]
Simulation
Messung
Abb. 8.12: Einphasiger Ausgangsreflexi-onsfaktor in den drei (auf denAusgang bezogenen) Schalt-zustanden.
Tatsache, daß diese Problematik
gerade im eingeschalteten Zustand
(Spannungs-Low-Pegel) und nicht in
der Ruhelage auftritt. Dies ist jedoch
leicht verstandlich, wenn man nicht
der verbreiteten Illusion unterliegt,
ein umgeschalteter Stromschalter-
transistor verstarke nicht, denn mehr
als Umschalten konne man nicht.
Daß dem keineswegs so ist, zeigt
Abb. 8.13. Dargestellt sind hier die
simulierten Betragsverlaufe der auf
einen der Treiberausgange bezogenen
Kleinsignal-Verstarkung der differen-
tiellen Eingangsspannung. Dabei werden wiederum die drei Schaltzustande des
Stromschalter-Transistors am betrachteten Ausgang unterschieden.
Daß ein Kleinsignal-Frequenzgang fur
−40
−30
−20
−10
0
10
20
30
0 5 10 15 20
Ruhelageausein
S21∆
[dB]
f [GHz]
Abb. 8.13: Simulierte “einphasige Diffe-renzverstarkung” in den drei(auf den Ausgang bezogenen)Schaltzustanden.
eine Großsignalschaltung wie den Mo-
dulatortreiber wenig Relevanz hat, ist
offensichtlich und so verwundert es
nicht, daß der Frequenzgang in Ru-
helage sehr schnell gegenuber seinem
Niederfrequenzwert14 abfallt. Ungleich
interessanter ist das Verhalten in den
beiden umgeschalteten Zustanden. Im
Low-Pegel tritt bereits fur Frequen-
zen oberhalb von etwa 7,5 GHz
Verstarkung auf. Sogar im eigentlich
“passiven” — weil ausgeschalteten —
Zustand (high-Pegel) tritt im Bereich
von 19 GHz Verstarkung auf. Die Ur-
13Durch eine Basisschaltung mit ausreichendem Vorwiderstand wie bei dem in Kap. 5.2.1beschriebenen EAM-Treiber kann dieser Koppelweg vermieden werden.
14Der simulierte Wert stimmt gut mit dem Ergebnis einer einfachen Handrechnung uberein.
8.3 40-Gbit/s-EAM-Treiber 209
17 ps17 ps
0 V
uQ
uQ
einphasig
differentiell
-3,5 V
3,5 V
-3,5 V
0
Simulation vs. MessungMessung
Abb. 8.14: Gemessene Augendiagramme der einphasigen (oben) sowie der differenti-ellen (unten) Ausgangsspannung im Vergleich zur Simulation. Die Daten-rate betragt 23 Gbit/s und die Spannungshube 3,5 Vss einphasig und 7 Vssdifferentiell.
sache fur dieses Verhalten liegt in der kapazitiven Ausgangsimpedanz der
Stromquellen des ersten und zweiten Stromschalters und der Basis-Emitter-
Sperrschichtkapazitat der gesperrten Stromschaltertransistoren, welche die “idea-
le Gegenkopplung” (Stromquelle) uber der Frequenz schnell verschlechtern, bis
die beiden Transistoren als getrennte Emitterschaltungen zu arbeiten beginnen.
Abschließend sei noch gezeigt, daß auch dieser Treiber eine deutliche Sicher-
heitsreserve in Bezug auf nominelle Datenrate (20 Gbit/s) und Ausgangsspan-
nung (3 Vss einphasig) aufweist. Abb. 8.14 zeigt auf der linken Seite die Au-
gendiagramme der einphasigen (oben) und der differentiellen Ausgangsspannung
(unten) bei einer Datenrate von 23 Gbit/s und einem Ausgangshub von 3,5 Vss,
respektive 7 Vss. Auf der rechten Seite sind die entsprechenden Simulationsergeb-
nisse uberlagert mit den Meßergebnissen dargestellt. Trotz der hohen Datenrate
zeigen sowohl das Augendiagramm der einphasigen Ausgangsspannung als auch
das der differentiellen Ausgangsspannung eine sehr gute Ubereinstimmung mit
den jeweiligen Meßergebnissen.
8.3 40-Gbit/s-EAM-Treiber
Fur ein kunftiges 40 Gbit/s-System mit elektrischem Zeitmultiplexverfahren wur-
de fur die Firma Siemens (ICN) im Rahmen des BMBF-Projektes PhotonikII
[41] ein spezieller Modulatortreiber zur Ansteuerung eines differentiellen Elektro-
absorptionsmodulators (EAM) entworfen und realisiert. Entwurfsgesichtspunk-
te dieses EAM-Treibers werden in Kap. 5.3 beschrieben, welchem in Abb. 5.22
2108. Realisierte Treiberschaltungen— Meßergebnisse
und deren Vergleich mit der Simulation
auch der Stromlaufplan der Schaltung entnommen werden kann15. Ein Foto der
integrierten Schaltung zeigt Abb. 8.15. Sicherlich fallt dem Leser der große “un-
AktiveVorspannungs-erzeugung(EAM-Bias)
2. Zelle
Ausgang
1. Zelle
Eingang
Abb. 8.15: Foto des Halbleiterchips. Die Abmessungen betragen 1× 1, 1 mm2.
genutzte” Bereich in Abb. 8.15 auf. Parallel zu dem in Kap. 5.3 beschriebenen
Standardkonzept [27] wurde eine spezielle “Leistungs-Version” eines Zeitmultiple-
xers entwickelt, welcher systemseitig aus einer Reihe von Grunden [7] von Beginn
an der Vorzug gegeben wurde. Das Standardkonzept wurde dennoch realisiert,
um das mit dem neuen Konzept verknupfte Risiko zu minimieren. Dabei wurde
auf eine vollige Kompatibilitat mit den Abmessungen, sowie der Padanordnung
und -belegung des Leistungs-MUX geachtet, um potentiell fur den Modulaufbau
das gleiche Keramiksubstrat verwenden zu konnen16.
Eine Zusammenfassung der Meßergebnisse ist in Tab. 8.3 dargestellt [27].
Eine der inharenten Vorteile eines Multiplexers liegt in seiner Geschwindig-
keitsreserve gegenuber einem Standardtreiber. Wahrend beim letzteren der Aus-
15Auf eine detaillierte Darstellung der vorderen Stufen kann verzichtet werden, da sich derenTopologie nicht wesentlich von derjenigen der anderen Treiber unterscheidet.
16Letztendlich wurde der Standardtreiber — wie alle Schaltungen in dieser Arbeit — mitder einfachen Aufbautechnik nach Abb. 7.6 aufgebaut und es wurden keinerlei Kuhlungsmaß-nahmen ergriffen. Hingegen mußte der Leistungs-MUX direkt in einer industriellen, warmea-bleitungsoptimierten Aufbautechnik aufgebaut werden. Trotz etwa gleicher Verlustleistung wiebeim Standardtreiber konnte der Leistungs-MUX aufgrund ungeklarter Temperaturproblemenicht in der einfachen Aufbautechnik betrieben werden.
8.3 40-Gbit/s-EAM-Treiber 211
Datenrate 40 Gbit/s
Maximaler Spannungshub 2,5 Vss differentiell
Einstellbarer EAM-Bias 0 . . .− 2 V (kontinuierlich)
Ausgangswiderstand 25 Ω
Modulationsstromhub max. 50 mA
Eingangsspannungsbereich diff. 2× 300 mV . . . 2× 400mV
Negative Betriebsspannung −5,2 V
Positive Betriebsspannung (Ausgangsstufe) 4 V
Verlustleistung 2 W (fur 2,5 Vss Hub)
Externe Abblockung keinerlei Abblockung notig !
Tab. 8.3: Zusammenfassung der Meßergebnisse des 40-Gbit/s-EAM-Treibers.
gangsstromschalter uber die Differenz-Basisspannung geschaltet wird, erfolgt dies
im Multiplexer uber den Emitterstrom (welcher der Kollektorstrom des Takt-
Stromschalters ist), bei bereits umgeladener Basis-Emitter-Sperrschichtkapazitat.
Tatsachlich vermag der Leistungs-MUX auch bei einer Datenrate von 50 Gbit/s
noch den nominellen Differenz-Spannungshub von 2 V zu liefern [7] und weist
somit gegenuber dem Standardtreiber eine Geschwindigkeitsreserve von 25% auf.
Beim Entwurf wurde der Treiber von Beginn an durch ein elektrisches Er-
satzschaltbild des EAMs belastet (vgl. Kap. 2), wobei nicht bezuglich dessen
Eingangsspannung, sondern der uber dem inneren Bereich des Quantumwells
liegenden elektrischen Spannung optimiert wurde. Eine (erfullte) Voraussetzung
hierfur ist zunachst eine ausreichende Linearitat der optischen Dampfungscharak-
teristik, welche eine nichtlineare Pulsformung beim Ubergang vom elektrischen in
den optischen Bereich vermeidet. Ein EAM kann vereinfacht als eine Fotodiode
aufgefaßt werden, die je nach anliegender Spannung Photonen absorbiert und in
einen Fotostrom umsetzt. Wird, wie im vorliegenden Fall, mit geringer optischer
Leistung gearbeitet, kann der Fotostrom naherungsweise vernachlassigt werden17.
Fur die Prufung des Treibers ist zunachst ein rein elektrischer Test
zweckmaßig. Prinzipiell konnte auf der Meßkeramik — wie in [64] fur Foto-
dioden — ein vereinfachtes elektrisches Ersatzschaltbild realisiert werden. Die
relevante Spannung mußte jedoch hochohmig gemessen werden, was angesichts
der hohen Datenrate von 40 Gbit/s nur schwerlich moglich ist18. Zur Vermei-
dung dieses Problems wird ein anderer Weg beschritten. Der Ausgang des Trei-
bers wird ac-gekoppelt mit den beiden 50 Ω-Eingangen eines Hochfrequenz-
Samplingoszilloskops verbunden. Um denselben Spannungshub einzustellen, wer-
17Im Gegensatz hierzu sind bei dem in Kap. 5.2.1 diskutierten EAM-Treiber beide Voraus-setzungen nicht gegeben.
18Hochohmig bedeutet in diesem Fall auch fur hohe Frequenzen. Eine ac-Kopplung an dasfur die Messung benotigte Hochfrequenz-Oszilloskop genugt keinesfalls.
2128. Realisierte Treiberschaltungen— Meßergebnisse
und deren Vergleich mit der Simulation
den die Lastwiderstande RP (Abb. 5.22) durch Trennung von Metallstegen von
nominell 25 auf 50 Ω erhoht, so daß die effektive ac-Gesamtlast 25 Ω betragt.
Abb. 8.16 zeigt simulier-
10 ps
50 Ω -Last
uqw
0 V
-2 V
1 V
-1 V
EAM-Last
(ac-Kopplung)uQ
Simulation
UBias=-1V
Abb. 8.16: Simulierte Augendiagramme uber demQuantumwell des EAMs (oben) undam Eingang des ac-gekoppelten Oszil-loskops (unten). B = 40 Gbit/s.
te Augendiagramme der dif-
ferentiellen Spannnungen uber
dem Quantumwell des EAM
und uber den ac-gekoppelten
50 Ω-Widerstanden des Oszil-
loskops. In den wesentlichen
Merkmalen stimmen die bei-
den Augendiagramme uberein,
so daß die “Ersatzmessung”
mit ac-gekoppeltem Oszillo-
skop eine Aussage zur Funk-
tionalitat im elektrooptischen
System zulaßt. Abb. 8.17 zeigt
auf der linken Bildhalfte ge-
messene Augendiagramme fur nominellen Hub ∆UQ = 2 V und maximal gemes-
senen Hub ∆UQ = 2,5 V . Die rechte Halfte zeigt entsprechende Simulationsergeb-
nisse, denen die Meßergebnisse fur einen leichteren Vergleich uberlagert wurden.
In beiden Fallen zeigen die Augendiagramme noch klare Offnungen, man erkennt
uQ
uQ
1,25 V
1 V
-1 V
-1,25 V
10 ps
Simulation vs. MessungMessung
Abb. 8.17: Augendiagramme fur Nominal- und maximalen Hub (Links) im Vergleichmit grafisch uberlagerten Simulationsergebnissen (Rechts). B = 40 Gbit/s.
jedoch auch, daß die Datenrate von 40 Gbit/s bereits die Geschwindigkeitsgrenze
fur die Schaltung darstellt. Trotz der hohen Datenrate zeigt sich noch eine be-
merkenswert gute Ubereinstimmung von Messung und Simulation. Im gezeigten
Fall hat der EAM-Bias seinem nominellen Wert von −1 V . Weitere Messungen
zeigen, daß uber dem gesamten vorgesehenen Einstellbereich von 0 bis −2 V
keinerlei Degradation des Augendiagramms auftritt.
8.3 40-Gbit/s-EAM-Treiber 213
Neben dem in SiGe-Technologie [46] realisierten EAM-Treiber wurde eine
geringfugig modifizierte Variante auch in einer InGaAs/GaAs-HBT-Technologie
[167] entworfen. Die Transistorparameter dieser Technologie sind etwas besser
als diejenigen der SiGe-Technologie, ein Umstand der jedoch durch die nur
zwei verfugbaren Metallisierungsebenen (mit zusatzlichen geometrischen Ein-
schrankungen) durch Probleme beim Strukturentwurf teilweise wieder kompen-
siert wird [58].
Bei der Messung dieser Chips mußte jedoch eine extreme Ausfallquote kon-
statiert werden. Die Technologie befand sich noch in einen fruhen Laborstudium
mit schlechter Ausbeute und zusatzlich standen aufgrund der kleinen Wafergroßen
(3 Zoll) nur eine begrenzte Anzahl an Chips zur Verfugung. Ein Aufbau zeigte
zunachst volle Funktionalitat, so daß Layoutfehler ausgeschlossen werden konnen
[168], fiel dann aber aus. Die genauen Ursachen konnten mangels Aufbauten nicht
geklart werden. In Anbetracht der fur das 40 Gbit/s-System ausreichend guten
Ergebnisse der SiGe ICs wurde von weiteren Versuchen abgesehen.
Auf eine Darstellung des mit dem zunachst intakten Modul gemessenen Au-
gendiagramms bei 20 Gbit/s — welches im ubrigen gut mit dem Ergebnis einer
entsprechenden Simulation ubereinstimmt — soll an dieser Stelle verzichtet wer-
den, da es sich nur um die halbe Systemdatenrate handelt.
Kapitel 9
Zusammenfassung
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden eine Reihe von Laser- und Modu-
latortreiber in Silizium-Bipolartechnologie entworfen, realisiert und vermessen.
Dabei wurde die Datenrate von anfangs 10 Gbit/s [17] uber 20 Gbit/s [23, 31]
auf schließlich 40 Gbit/s [27, 7] gesteigert.
Verglichen mit bisher publizierten Schaltungen — nahezu ausschließ-
lich unter Verwendung aufwendiger und kostspieliger Verbindungshalbleiter-
Technologien realisiert — sind die Leistungsdaten der realisierten Silizium-
Treiberschaltungen meist gleichwertig, teilweise sogar besser (vgl. Tab 1.1 in
Kap. 1). Bis zum heutigen Tag sind ausnahmslos alle in dieser Arbeit entwickelten
Schaltungen weltweite Rekordhalter fur Silizium-basierte Technologien1.
Moglich wurden die erzielten Ergebnisse durch den konsequenten Einsatz
physikalisch basierter Entwurfsprinzipien. Als deren wichtigste Saule sind Tran-
sistorentwurf und -modellierung zu nennen. Hierfur wurde in dieser Arbeit
Tramod [1], ein spezielles Rechnerprogramm entwickelt. Es erlaubt die Berech-
nung der Modellparameter nahezu beliebiger Transistorkonfigurationen aus deren
geometrischen Abmessungen sowie spezifischen elektrischen und technologischen
Parametern. Ein weiteres darauf aufbauendes Modul, Tramod2Kic [48], gene-
riert entsprechende, technologiekonforme CAD-Module fur Transistoren und Wi-
derstande. Damit wurde eine ideale Voraussetzung fur die Transistoroptimierung
in schnellen Treiberschaltungen geschaffen, in denen die entworfenen Transistor-
Sonderstrukturen mit Vorteil eingesetzt wurden.
Eine Vielzahl grundlegender Problemstellungen ist untrennbar mit dem Ent-
wurf von Treiberstufen verbunden und mußte gelost werden. Datenrate und Aus-
gangshub von Treiberschaltungen werden im besonderem Maße durch die RC-
Tiefpaßzeitkonstante des Ausgangskreises begrenzt. Hierfur wurde ein auf tech-
1Stand: Mai 2000.
216 9. Zusammenfassung
nologischen und elektrischen Parametern basierender Ausdruck angegeben, mit
dem die Eignung einer Technologie zur Realisierung von schnellen Treiberstu-
fen evaluiert werden kann. Auch bei konsequenter Umsetzung der hieraus abge-
leiteten Dimensionierungsaspekte reicht die resultierende maximale Bandbreite
oftmals nicht aus. Zur Losung dieser Problematik wurde die Transimpedanz des
Treiber-Ausgangskreises um “Anhebungsinduktivitaten” zu einem ausreichend
breitbandigen Tiefpaß hoherer Ordnung erweitert. Dessen Wirkungsweise wurde
durch die Einfuhrung eines problemangepassten Operators (Y−Operator) disku-
tiert.
Die aus dem einphasigen Abgriff des Ausgangssignals resultierende Unsym-
metrie der elektrischen Pulsform konnte durch Adaption eines bestehenden An-
satzes [65] mit gezieltem Einsatz zweier differentieller Offsetspannungen vermie-
den werden. Daruberhinaus wurde das Konzept auch zur Entzerrung optischer
Pulse eingesetzt, indem eine elektrische Vorverzerrung vorgenommen wurde.
Die Ausgangstransistoren schneller Treiberschaltungen arbeiten bei Strom-
dichten knapp unterhalb, teilweise leicht innerhalb des Hochstrombereichs.
Grundlegende Hochstrommechanismen — vor allem in Hinblick auf die heute
gebrauchlichen drei verschiedenen Vertreter Silizium-basierter Bipolartechnologi-
en — wurden diskutiert und am Beispiel des 10 Gbit/s-Laser-/Modulatortreibers
Auswirkungen des Hochstromeffektes auf die Signalqualitat studiert.
Hochgeschwindigkeits-Siliziumbipolartechnologien weisen vergleichsweise
kleine Durchbruchsspannungen auf. Haufig angegebene Werte sind UCEO und
UCBO, die Durchbruchspannungen fur offene Basis sowie offenen Emitter. In der
Schaltung treten beide Falle, insbesondere der Fall offener Basis, in Reinform
nicht auf und so ist die tatsachlich tolerable Kollektor-Emitterspannung großer als
UCEO aber auch kleiner als UCBO. Eine Beschrankung auf Spannungen unterhalb
UCEO war aufgrund der geforderten Ausgangshube nicht moglich. Durch Anwen-
dung geeigneter schaltungstechnischer Maßnahmen, unterstutzt durch sorgfaltige
Durchbruchsmessungen, konnte ein Betrieb oberhalb UCEO toleriert werden.
Je nach verwendetem Modulationskonzept, ob direkte Modulation des La-
serdiodenstroms oder externe Lasermodulation mittels MZI oder EAM, ergeben
sich fur die benotigten Treiberschaltungen verschiedene Lastfalle. Problemange-
paßte Schaltungskonzepte fur alle drei Falle wurden entwickelt. Im einfachsten
Fall genugte die Anwendung geeignet modifizierter Ausgangsstufenkonzepte. Der
im Fall der direkten Modulation benotigte hohe Dynamikbereich des Ausgangs-
stromhubes erforderte hingegen ein spezielles Netzwerk uber den Ausgangshub
gesteuerter Stromquellen.
Aufgrund der vergleichsweise niederohmigen, stark kapazitiven Schaltungs-
knoten sind Treiberschaltungen in besonderem Maße anfallig fur Stabilitatspro-
9. Zusammenfassung 217
bleme in Verbindung mit bereits kleinsten parasitaren Induktivitaten. So wurde
fur den kapazitiv belasteten Emitterfolger durch eine bislang unbekannte analy-
tische Betrachtung der destabilisierende Einfluß einer Induktivitat in dessen Kol-
lektorkreis gezeigt. Methoden zur elektrischen Modellierung der Metallisierung
in allgemeinster Form wurden aufgezeigt und hieraus am Beispiel des 20 Gbit/s-
Modulatortreibers fundamentale Regeln fur den Strukturentwurf schneller Trei-
berstufen abgeleitet.
Hohe Ausgangshube bedingen hohe Verlustleistungen und diese wiederum
hohe Sperrschichttemperaturen, welche die Funktion der Schaltung beeintrachti-
gen konnen. Ein spezielles elektrisches Meßverfahren wurde realisiert, bei dem
ein vorhandener Hochfrequenztransistor innerhalb der Schaltung als “in-situ”-
Meßfuhler fur seine Sperrschichttemperatur benutzt wird. Das Verfahren wurde
auf den 20 Gbit/s-Modulatortreiber angewandt und der Einfluß zweier unter-
schiedlicher Aufbautechniken quantitativ verifiziert.
Großer Wert wurde auf den Vergleich von Simulation und Experiment gelegt.
Als Ergebnis der konsequenten physikalischen Modellierung, angefangen bei den
Bauelementen, uber die parasitaren Elemente und Effekte des Strukturentwurfs,
bis hin zu aufbautechnischen Elementen ist in allen Fallen — trotz der hohen Da-
tenrate und trotz des modellierungsempfindlichen ausgangsseitigen einphasigen
Betriebes — eine sehr gute Uberstimmung gegeben.
218 Anhang
Anhang
A.1 Verwendete Transistorersatzschaltbilder
Die Simulation der Treiberschaltungen erfolgt uberwiegend mit dem Schaltungs-
simulator SPICE (3f4) unter Zugrundelegung des in Abb. A.1 dargestellten mo-
difizierten SPICE-Gummel-Poon-Modells. Neben dem in SPICE implementierten
Modell werden durch die beiden Zeitkonstanten τ1 und τ2 zusatzlich nichtquasi-
statische Effekte und durch die Kapazitat CrBi die dynamische Emitterrandver-
drangung modelliert [108, 1]. Die Parameter dieses Modells werden mit den im
Rahmen dieser Arbeit entwickelten Transistormodellierungsprogrammen ermit-
telt [1, 45].
rBa1 Bir (Ic )rBa2
rECEox
iBi
BE(U)C CdE
Crbi
CCox CBi (U)CCCBa(U)
rCaCCS(U)
i T
rSub
ωτ2-jCdE
ω-j τ1 τ2+( )i T
CdE= e
i T= e
B
E
C
S
Abb. A.1: Modifiziertes Spice-Gummel-Poon Modell mit zusatzlicher Beruck-sichtigung nichtquasistatischer Effekte und dynamischer Emitterrand-verdangung.
Bereits 1987 wurde in [66, 67] ein dem SPICE-Gummel-Poon Modell in
mehrerlei Hinsicht uberlegenes Bipolartransistormodell mit dem Namen HICUM
(fur High CUrrent Modell) vorgestellt. Neben einer konsequenten, physikalisch
konsistenten Ableitung aus der Ladungssteuerungstheorie behalt dieses Modell
als wichtigste Verbesserung seine Gultigkeit auch bis tief in den Hochstrom-
bereich des Transistors hinein. Mitte 1998 war das Modell in verschiedenen weiter
entwickelten Versionen in mehreren kommerziellen Schaltungssimulatoren (z.B.
SABER und ELDO) bei einzelnen Firmen eingebaut.
A.2 Verwendete Silizium-Bipolartechnologien 219
C’BCx
rBx
C’’BCx
CEox
iAVL
iTS
iBCi0
iBEi0 CjEi
jCiC iT
rCx
Bir *
iBCx0
iBEp0
dSC
CjEp
rSu
SuC
rE
jSC
dCC
CdE
CthRth
Tj
B
C
S
E P
S’
Abb. A.2: Ersatzschaltbild des in ELDO zuladbaren HICUM-Modells
Im Rahmen von [75] wurde eine aktuelle HICUM-Version als zuladbares Bi-
bliotheksmodul fur den Schaltungssimulator ELDO [86] realisiert. Abb. A.2 zeigt
die Ersatzschaltbildstruktur dieses Modells. Fur eine detailierte Diskussion dessen
einzelner Elemente muß auf [75] verwiesen. Aus Meßergebnissen wurden in der
vorliegenden Arbeit fur die beiden verwendeten Fertigungstechnologien Technolo-
gieparameter ermittelt, anhand derer (vgl. [1]) Hicum-Transistormodelle erzeugt
wurden. In Kap. 4.4 konnte hiermit der Einfluß des Hochstromeffektes auf das
Schaltverhalten der Ausgangsstufe untersucht werden. Deren Modellparameter
sind in [75] aufgelistet.
A.2 Verwendete Silizium-Bipolartechnologien
Die Realisierung der in dieser Arbeit entworfenen Treiberschaltungen erfolgte
unter Verwendung zweier Silizium-basierter Bipolarprozesse der Firma Infineon
Technologies. Der 10-Gbit/s-Laser-/Modulatortreiber wurde in der Produktions-
technologie B6HF [69] gefertigt. Auch der 10,8-Gbit/s-EAM-Treiber wurde auf
Basis dieser Technologie entworfen, aufgrund des Projektstops seitens des Auf-
traggebers Bosch-Telecom trotz vielversprechender Ergebnisse jedoch nicht ge-
fertigt.
220 Anhang
bE fT τF rB CEB CCB CCS jCK UCE0 UCB0
[µm] [Ω] [ps] [Ω] [fF ] [fF ] [fF ] [mA/µm2] [V ] [V ]
B6HF 0,4 27 4,5 51 37 18 51 ≈ 0,75 3,6 12
SiGe-Lab. 0,3 72 1,7 38 28 19 20 ≈ 2 2,5 8
Tab. A.1: Gegenuberstellung der wichtigsten Transistorparameter der verwendetenSilizium-Bipolartechnologie B6HF sowie der SiGe-Labortechnologie. Dabeireferenzieren die Kapazitaten den jeweiligen Wert bei 0 V . In den Gesamt-Basisbahnwiderstand geht der innere, stromabhangige Anteil, fur halbeHochstromeinsatzstromdichte 1
2 · jCK ein. Die Einsatzstromdichte jCK giltin beiden Fallen fur eine Kollektor-Basispannung UCB = 0.
Der 20-Gbit/s-Modulatortreiber und der 40-Gbit/s-EAM-Treiber wurden in
einem fortschrittlichen Laborprozess des Bereichs Zentrale Forschung und Ent-
wicklung von Infineon Technologies gefertigt. Statt des zunachst angestrebten
reinen Siliziumprozesses wurde letzendlich ein SiGe-Drifttransistorkonzept reali-
siert, in welchem ein Ge-Gradient in der selektiv aufgewachsenen Basis die Basis-
laufzeit reduziert2. Mittlerweile steht ein darauf aufbauender kunftiger Produk-
tionsprozeß (B7HF ) unmittelbar vor der Freigabe.
Im folgenden seien kurz die wichtigsten Charakteristika der beiden Technolo-
gien diskutiert. Hierzu zeigt Tab. A.1 in einer Gegenuberstellung die wichtigsten
Transistorparameter der beiden Technologien. Dabei handelt es sich um die Daten
eines Transistors mit einem 10 µm langen Emitterstreifen in minimaler techno-
logisch moglicher Breite (Effektivmaße) einem Kollektor- und zwei Basisstreifen.
Beim Vergleich beachte der Leser, daß der SiGe-Transistor trotz der um
25% kleineren Emitterflache den doppelten Strom (6 mA) des B6HF -Transistors
fuhren kann, bevor Hochstromeffekte einsetzen. Es ist genau dieser Umstand,
der es ermoglicht, in dieser Technologie hohe Ausgangshube und hohe Datenra-
ten zu realisieren. Offensichtlich fuhren die kleinen Durchbruchspannungen aber
zwangslaufig zu einem merklichen Eintritt in den Spannungsbereich oberhalb
UCE0 und unterhalb UCB0. Sorgfaltige Durchbruchsmessungen und/oder Simula-
tionen [79] sind notig, um zu gewahrleisten, daß Transistoren die oberhalb UCE0
betrieben werden, dies aufgrund der vorliegenden Beschaltung auch konnen.
2Oftmals werden solche Prozesse falschlicherweise als SiGe-HBT-Technologie referenziert.Beim SiGe-Drifttransistorkonzept wird durch den Ge-Gradienten jedoch lediglich ein zusatzli-ches Driftfeld erzeugt und nicht — wie beim SiGe-HBT-Konzept — die speziellen Verhaltnisseeines Basis-Emitter-Heteroubergangs ausgenutzt.
A.3 Ersatzschaltbild gekoppelter Bonddrahte 221
Zu der SiGe-Labortechnologie sei noch angemerkt, daß derart hohe Kol-
lektorstromdichten fur Treiberschaltungen nur dann sinnvoll ausgenutzt werden
konnen, wenn auch die zufuhrenden Metallisierungsstreifen ausreichend Strom-
tragfahigkeit aufweisen. Ein starkes Ungleichgewicht zwischen Transistor- und
Metallstromdichten fuhrt zu einer hohen Zahl kurzer Emitterstreifen. Bei der
Diskussion der Ausgangs-RC-Zeitkonstante (Abb. 3.3) wurde gezeigt, daß dies in
Bezug auf die Transistorkapazitat ungustig ist.
A.3 Ersatzschaltbild gekoppelter Bonddrahte
In Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde an verschiedenen Stellen von
FastHenry Gebrauch gemacht [127]. Neben der Modellierung der Me-
tallisierung auf dem Halbleiterchip wurden an mehreren aufgebauten
40 Gbit/s-EAM-Treibern deren Ausgangsbonddrahte optisch vermessen und mit
FastHenry modelliert. Abb. A.3 zeigt ein Geometriebeispiel und die zugehori-
gen mit FastHenry berechneten Ersatzschaltbildelemente.
Q = 0,22 nHΣLQL = 0,14 nH∆
LQ
LQ
LQ = 0,18 nH
100 µm200 µm
100 µm
Meßfassungsseite (Mikrostreifenleitung)
Chipseite (Bondpads)
250 µm
k
k = 0,22
Abb. A.3:Gekoppelte Ausgangsbonddrahte des 40 Gbit/s-EAM-Treibers. Geometrisches Modellund Ersatzschaltbild aus Fasthenry-Simulation. Der Kreisquerschnitt (25 µm) derBonddrahte wird durch eine quadratische Querschnittsflache gleichen Flacheninhaltesmodelliert. Der Abstand von 100 µm ist an den EAM angepaßt. Wegen der niedrigenPermittivitat des verwendeten PTFE-Substrates (εr = 2,2) mussen die Bonds im elek-trischen Aufbau auf den Minmalabstand der differentiellen Leiter (200 µm) aufgefachertwerden. Die griechischen Buchstaben ∆ und Σ indizieren Gegen- und Gleichtaktmode.
Haufig kann man wie in [87] und [64] die Bondinduktivitat und Kopplung
mit einfachen Zweidrahtleitungs-Formeln abschatzen. Ohne Kopplung ergibt sich
dann pro Millimeter ca. 0,8 nH Induktivitat. Bei kurzen Bondrahten kommt
222 Anhang
man so jedoch zu falschen Ergebnissen. Anfang und Ende kurzer Bonddrahte
erzeugen offensichtlich entgegengesetzt gerichtete Magnetfelder, die sich teilweise
kompensieren und so die effektive Induktivitat reduzieren. Im Beispiel Abb. A.3
ist die Bogenlange etwa l ≈ 340 µm. Die Eigeninduktivitat ist jedoch deutlich
kleiner als 0,27 nH = 0,8 · 0,34 nH . Auch die Kopplung laßt sich im gezeigten
Fall — aufgrund der durch den Minimalabstand der differentiellen Leitungen auf
dem PTFE-Substrat bedingten — Auffacherung nicht trivial bestimmen3.
Festzuhalten ist, daß bei sorgfaltigem manuellem Bonden (konventioneller
Ultraschallbonder) und optimaler Anpassung der Chipausparung auf dem Sub-
strat, mit der in dieser Arbeit auschließlich verwendeten einfachen Aufbautech-
nik (vgl. Kap 7, Abb. 7.6) durchaus Eigen- und Gegeninduktivaten im Bereich
von 200 pH bzw. 40 pH erreicht werden konnen. Bei der Simulation solch kur-
zer Bonddrahte muß aber neben der grundsatzlich immer zu berucksichtigenden
Endkapazitat der Mikrostreifenleitung, auf die gebondet wird, unter Umstanden
auch ein magnetischer Endeffekt berucksichtigt werden. Letzterer kommt zustan-
de durch einen vom Bonddraht in das Endstuck der Mikrostreifenleitung bezie-
hungsweise umgekehrt einkoppelnden magnetischen Fluß. Dies kann in einfacher
Weise in einem entsprechend angepaßten Modell berucksichtigt werden. Wenn
dies hier nicht vorgenommen wird, dann vor allem deswegen, weil die Streuung
durch Bondtoleranz demgegenuber bereits einen großeren Einfluß haben durfte.
A.4 Passive Konzepte fur die Vorspannungser-
zeugung beim 40-Gbit/s-EAM-Treiber
In Kap 5.3.2 wird eine neuartige Ausgangstufe mit aktiver Last vorgestellt, mit
der in eleganter — weil zuverlassiger Weise — der hochfrequenten Modulations-
spannung eines EAM eine einstellbare Vorspannung addiert uberlagert werden
kann. Ein Hauptentwurfskriterium fur diesen Schaltungsblock ist die Realisie-
rung einer moglichst niederohmigen (insbesondere niederinduktiven) Eingangsim-
pedanz, um zusatzliche Anhebungseffekte in der Ubertragungsfunktion des Aus-
gangskreises zu vermeiden.
In der Startphase des Schaltungsentwurfs wurden auch Studien zu passiven
Losungsansatzen fur die Realisierung der differentiellen EAM-Vorspannung un-
ternommen [104, 82]. Dabei werden die beiden Lastwiderstande RP (Abb. 5.19)
an zwei externe Spannungsquellen angeschlossen, deren Differenz die benotigte
3Offensichtlich reduziert davon unabhangig aber auch die Kreuzkopplung von Anfang deseinen und Ende des anderen Bonddrahtes (und umgekehrt) die effektive Kopplung gegenuberdem nur von Abstand abhangigen Fall bei langen Bonddrahten.
A.4 Passive Konzepte fur die Vorspannungserzeugung beim40-Gbit/s-EAM-Treiber 223
Vorspannung realisiert. Ausreichende externe Abblockung4 vorausgesetzt, erhalt
man hierdurch — zumindest in Form der Bonddrahtinduktivitaten LP — eine
storende Impedanz Z in Reihe zu den Lastwiderstanden RP (Abb. A.4).
RP L’Q
Uqw
12 qwR
QC Cqw2
(Signalmasse)
QI’
ZP Störimpedanz
(Signalmasse)
RP
1’ZP RPRK=
ZK ZP
RP2
=
1
Kompensationszweig
Störimpedanz
RP
Abb. A.4: Links: Gegentaktersatzschaltbild des Ausgangskreises eines EAM-Treibers(vgl. Abb. 5.19). Rechts: Kompensation der Storimpedanz Z durch Paral-lelschaltung eines Kompensationszweiges.
Um die hieraus resultierende unerwunschte Anhebung — oder allgemeiner
Verzerrung — der Ubertragungsfunktion des Ausgangskreises zu vermeiden, wird
ein Kompensationszweig (Abb. A.4 rechts) eingefuhrt [168]. Bei entsprechen-
der Dimensionierung wird der interne Lastzweig mit Storimpedanz exakt in die
erwunschte rein resistive Last RP tranformiert. Ist beispielsweise Z = jωLP , so
besteht der Kompensationszweig aus einer Reihenschaltung eines Widerstands
RK = RP und einer Kapazitat CK = LP/R2P . Damit ergeben sich virtuell diesel-
ben Verhaltnisse wie bei den Betrachtungen in Kap. 5.3.1. Bei der schaltungstech-
nischen Realisierung kann man sich den Umstand zunutze machen, daß aufgrund
des differentiellen Betriebes die Gegentaktmode uberwiegt. Durch die sich aus-
bildende virtuelle Masse zwischen den Ausgangen kann der Kompensationszweig
differentiell zwischen die beiden Ausgange geschaltet werden, wobei naturlich RK
zu halbieren und CK zu verdoppeln sind.
Mit dem Ziel eines prinzipiellen Verstandnis des Kompensationsansatzes
wurde hier ein vereinfachtes EAM-Modell verwendet. In [82] wird dieses Konzept
zusammen mit einem sehr genauen EAM-Ersatzschaltbild verwendet. Eine exakte
4Eine interne Abblockung scheidet in Ermangelung integrierter Kapazitaten in der verwen-deten Technologie aus. Auch mit entsprechenden Bauelementen ist von einer solchen Maßnahmeabzuraten, da mit einer Abblockung gegen die Masse auf dem Chip schwer kontrollierbare Re-sonanzen (verteilte Metallisierung) verbunden sind.
224 Anhang
Kompensation ist dann nicht notwendig optimal, kann aber als Ausgangspunkt
der Optimierung verwendet werden. Eine analytische Beschreibung des exakten
Falls erfordert einigen mathematischen Aufwand und fuhrt zu kaum uberschau-
baren Zusammenhangen, weshalb hier darauf verzichtet sei [82].
Ein weiteres untersuchtes Kon-
U1 U2
12 QI’
12 QI’
U1 U2
LP LP
LP LP
LQ
LQ
WZ ∆WZ Σ,
EAM
110 Ω
110 Ω
500 Ω 500 Ω
500 Ω 500 Ω
k
k
k
Chip
Abb. A.5: Vollstandig differentielles Kon-zept einer passiven Realisierungder EAM-Vorspannung.
zept baut auf dem Gegentaktbetrieb
des Ausgangs auf. Durch einen spe-
ziellen Strukturentwurf (Layout) fur
die Leitungen der Ausgangsstufe und
eine geeignete Anordnung von Bond-
drahten wird die Storimpedanz mini-
miert. Abb. A.5 zeigt eine schemati-
sche Darstellung der Konfiguration.
Die beiden Spannungen U1 und
U2 dienen der Einstellung der EAM-
Vorspannung5. Die ursprunglich ge-
trennten beiden internen Lastzweige
werden parallelisiert, so das sich zwei
vollstandig differentielle Lastzweig-
paare mit im Gegentakt betriebenen
Leitungen und Bonddrahten erge-
ben. Wird der Gegentaktwiderstand
Z∆W der gekoppelten Mikrostreifenlei-
tungen6 an die effektive differentielle
100 Ω-Last angepaßt, ist die verblei-
bende Storung durch die Bondinduk-
tivitaten LP gegeben. Durch den Ge-
gentaktbetrieb kann die effektiv wirk-
same Induktivitat jedoch bei starker
magnetischer Kopplung (eng benach-
bartes Bondpaar) gegenuber dem Wert der Eigeninduktivitat deutlich reduziert
werden (vgl. Anhang A.3). Eine weitere Reduktion deren Einflusses kann durch
den oben beschriebenen Kompensationsansatz erreicht werden (Einbringen eines
RKCK-Zweiges zwischen den Ausgangen der Leitungspaare).
Die mit den beiden passiven Konzepten simulierten Ergebnisse sind schlech-
ter als die der aktiven Variante [168]. In der Praxis hat die letztere, zudem auch
weniger aufwendige Variante, volle Funktionsfahigkeit gezeigt, so daß auf die pas-
siven Losungen nicht zuruckgekommen werden mußte.
5Ebenso naturlich der Arbeitspunkteinstellung der Ausgangsstufentransistoren, welche hierals gegenphasige Stromquellen angedeutet sind.
6Elektrisch kurze gekoppelte Leitungen konnen durch das in Abb. A.5 dargestellte Ersatz-schaltbild mit drei Leitungen modelliert werden [100].
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[167] W. E. Stanchina, J. F. Jensen, R. H. Walden, M. Hafizi, H.-
C. Sun, T. Liu, G. Raghavan, K. E. Eliott, M. Kardos, A. E.
Schmitz, Y. K. Brown, M. E. Montes und M. Yung: An InP-based
HBT fab for high-speed digital, analog, mixed-signal and optoelectronic ICs.
In: Dig. IEEE 1995 GaAs IC Symp., San Diego, CA, Seiten 31–34, 1995.
[168] R. Schmid: 20-Gbit/s-Testmessungen am 40 Gbit/s EAM-Treiber in
InGaAs/GaAs-Technologie. Technischer Bericht, im Rahmen des
PhotonikII-Projektes, 1998. Personliche Notizen.
Nachwort
Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner Tatigkeit als wissen-
schaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Halbleiterbauelemente der Ruhr-
Universitat Bochum.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr.-Ing. Hans-Martin Rein fur das
mir entgegengebrachte Vertrauen und die von ihm eroffneten Moglichkeiten zur
Verwirklichung dieser Arbeit. Neben zahlreichen Anregungen und Hinweisen sei
ihm an dieser Stelle auch fur seinen menschlichen Ruckhalt gedankt.
Herrn Prof. Dr.-Ing. Peter Dullenkopf danke ich fur sein Interesse an mei-
ner Arbeit und fur die Ubernahme des Korreferats trotz der damit verbundenen
Muhen.
Den Firmen Siemens AG und Infineon Technologies AG danke ich fur die
Unterstutzung in Form von Projekten und die Moglichkeit zahlreiche Testschal-
tungen zu realisieren.
Dank schulde ich auch allen Mitarbeitern und Kollegen in der Arbeitsgruppe
Halbleiterbauelemente und am Lehrstuhl fur Elektronische Bauelemente sowie
meinen Studienarbeitern und Diplomanden, deren Beitrage mich bei dieser Arbeit
wesentlich unterstutzt haben.
Schließlich mochte ich allen mich umgebenden Mitmenschen, ganz besonders
aber meiner Mutter, fur die moralische Unterstutzung der vergangenen Monate
danken.
Bochum, im Dezember 2000 Rolf Schmid
Lebenslauf
2/10/1968 geboren in Lengnau/AG (Schweiz)
1975 bis 1977 Primarschule in CH-5424 Unterehrendingen/AG
Mai 1977 Umzug in die Bundesrepublik Deutschland
1977 bis 1979 Stadt. Gemeinschaftsgrundschule Wuppertal-Barmen
1979 bis 1988 Markisches Gymnasium Schwelm
1988 bis 1993 Studium der Elektrotechnik an der Ruhr-Universitat
Bochum
1993 bis 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe
Halbleiterbauelemente der Ruhr-Universitat Bochum
seit Juli 1998 Projektleiter im Bereich Microelectronic der Firma
MICRAM AG in Bochum