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Update Update Serie Supportivtherapie Der vorliegende Beitrag fasst die Empfehlungen ei- nes aus Onkologen, Kardiologen, Dermatologen und Pflegefachleuten bestehenden Expertenteams zum Management der unerwünschten Wirkungen von Sunitinib zusammen. Die Autoren stützen sich neben den eigenen praktischen Erfahrungen auch auf Publikationen weiterer Expertengruppen (1–3). Unerwünschte Wirkungen unter Sunitinib Die klinisch relevanten unerwünschten Wirkungen (UW) unter einer Therapie mit Sunitinib sind entwe- der konstitutioneller Art (Fatigue), gastrointestinaler Art (Diarrhö, Nausea, Vomitus, Dysgeusien, orale Mu- kositis), dermatologischer Art (Hand-Fuss-Syndrom, Hautausschlag, Haarveränderungen), kardiovaskulä- rer Art (arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz) oder hämatologischer Art (Anämie, Neutro- und Throm- bozytopenie). Hinzu kommen Veränderungen der Schilddrüsenfunktion. Die meisten Effekte sind ins- gesamt leicht bis moderat (Grad 1 oder 2, CTCAE Version 3.0)*. Schwere oder sehr schwere klinisch re- levante unerwünschte Wirkungen (Grad 3 und 4) tre- ten nur gelegentlich auf. Die Mehrheit der UW ist reversibel beziehungsweise durch ein geeignetes Therapiemanagement und un- terstützende Massnahmen gut beherrschbar. Thera- piepausen (zusätzlich zur zweiwöchigen Off-Treat- ment-Phase des sechs Wochen [4/2] dauernden Behandlungszyklus) sind nach Ansicht der Autoren bereits bei mässiggradigen Toxizitäten (Grad 1/2) gerechtfertigt. Sie tragen wesentlich dazu bei, die unerwünschten Wirkungen von Sunitinib zu minimie- ren und die Therapie langfristig aufrechterhalten zu können. Fatigue Die Fatigue ist eine der häufigsten UW von Suniti- nib (4). 50 bis 75% der Patienten klagen über chroni- sche Müdigkeit. Bei etwa 10% der Patienten nimmt die Fatigue ein Ausmass an, bei dem die Verrichtung der Alltagsaktivitäten eingeschränkt ist. Häufig gehen die Symptome in der zweiwöchigen Behandlungs- pause zurück. Insgesamt gesehen nimmt die Inten- sität der Fatigue jedoch mit der Behandlungsdauer zu. Unklar ist, zu welchen Anteilen die Fatigue auf die Wirkung von Sunitinib, auf die Grundkrankheit des metastasierenden Karzinoms respektive auf Komorbi- ditäten wie Anämie, Depression oder Hypothyreose zurückzuführen ist. Unter Umständen sind eine Kon- trolle der Schilddrüsenfunktion und der Blutwerte (Hämoglobin-Zielwert >10 g/dl) sowie eine Abklärung der Herzinsuffizienz angezeigt. Reduktionen der Su- nitinibdosis und Therapiepausen sind in schweren Fällen von Fatigue (Grad 3 bis 4) indiziert. Eventuell ist die Gabe eines Antidepressivums und/oder eine psy- choonkologische Betreuung zu erwägen. Gastrointestinale Beschwerden Sunitinib ist für diverse Störungen des oberen und unteren Gastrointestinaltrakts verantwortlich: orale Mukositis, Dysgeusien, Schluckbeschwerden, Dys- pepsie, Nausea, Vomitus oder Diarrhö (4). Meistens handelt es sich um Wirkungen vom Grad 1 bis 2, sehr selten vom Grad 3 bis 4. Die häufigste gastrointestinale UW ist die Diarrhö. Sie ist in den meisten Fällen mässig ausgeprägt und kann Management der unerwünschten Wirkungen unter Sunitinib Empfehlungen für die Therapie beim metastasierten Nierenzellkarzinom Der oral verfügbare Multitarget-Tyrosinkinase-Inhibitor Sunitinib (Sutent ® ) verfügt gemäss klini- schen Studien über eine gute Wirksamkeit beim hellzelligen Nierenzellkarzinom, weist aber ein spezifisches Spektrum an unerwünschten Wirkungen auf. Um ein optimales Behandlungsergebnis zu erzielen, sind darum ein sorgfältiges Monitoring und flexibles Management erforderlich. RICHARD CATHOMAS, STEPHAN ZBINDEN, REINHARD DUMMER, SILKE GILLESSEN, ANITA MARGULIES, ELISABETH TORRESAN UND FRANK STENNER-LIEWEN 24 ONKOLOGIE 3/2009 * Die im Rahmen des Cancer Therapy Evaluation Program (CTEP) des NCI im Jahr 2003 veröffentlichte dritte Version der CT- CAE-Kriterien (Common Terminology Criteria for Adverse Events, v 3.0) umfasst 28 Kategorien und 1056 Einträge zu unerwünschten Wirkungen im Zusammenhang mit onkologischen Studien (http://ctep.cancer.gov/reporting/ctc.html ). Die CTCAE-Version 3.0 stellt den aktuellen Standard für klinische Studien dar.

Management der unerwünschten Wirkungen unter Sunitinib · 2012-10-01 · bereits bei mässiggradigen Toxizitäten (Grad 1/2) gerechtfertigt. Sie tragen wesentlich dazu bei, die unerwünschten

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Page 1: Management der unerwünschten Wirkungen unter Sunitinib · 2012-10-01 · bereits bei mässiggradigen Toxizitäten (Grad 1/2) gerechtfertigt. Sie tragen wesentlich dazu bei, die unerwünschten

Upd a t eU p d a t e Serie Supportivtherapie

Der vorliegende Beitrag fasst die Empfehlungen ei-nes aus Onkologen, Kardiologen, Dermatologenund Pflegefachleuten bestehenden Expertenteamszum Management der unerwünschten Wirkungenvon Sunitinib zusammen. Die Autoren stützen sichneben den eigenen praktischen Erfahrungen auchauf Publikationen weiterer Expertengruppen (1–3).

Unerwünschte Wirkungen unterSunitinib

Die klinisch relevanten unerwünschten Wirkungen(UW) unter einer Therapie mit Sunitinib sind entwe-der konstitutioneller Art (Fatigue), gastrointestinalerArt (Diarrhö, Nausea, Vomitus, Dysgeusien, orale Mu-kositis), dermatologischer Art (Hand-Fuss-Syndrom,Hautausschlag, Haarveränderungen), kardiovaskulä-rer Art (arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz) oderhämatologischer Art (Anämie, Neutro- und Throm-bozytopenie). Hinzu kommen Veränderungen derSchilddrüsenfunktion. Die meisten Effekte sind ins-gesamt leicht bis moderat (Grad 1 oder 2, CTCAEVersion 3.0)*. Schwere oder sehr schwere klinisch re-levante unerwünschte Wirkungen (Grad 3 und 4) tre-ten nur gelegentlich auf.Die Mehrheit der UW ist reversibel beziehungsweisedurch ein geeignetes Therapiemanagement und un-terstützende Massnahmen gut beherrschbar. Thera-piepausen (zusätzlich zur zweiwöchigen Off-Treat-ment-Phase des sechs Wochen [4/2] dauerndenBehandlungszyklus) sind nach Ansicht der Autoren

bereits bei mässiggradigen Toxizitäten (Grad 1/2)gerechtfertigt. Sie tragen wesentlich dazu bei, dieunerwünschten Wirkungen von Sunitinib zu minimie-ren und die Therapie langfristig aufrechterhalten zukönnen.

FatigueDie Fatigue ist eine der häufigsten UW von Suniti-nib (4). 50 bis 75% der Patienten klagen über chroni-sche Müdigkeit. Bei etwa 10% der Patienten nimmtdie Fatigue ein Ausmass an, bei dem die Verrichtungder Alltagsaktivitäten eingeschränkt ist. Häufig gehendie Symptome in der zweiwöchigen Behandlungs-pause zurück. Insgesamt gesehen nimmt die Inten-sität der Fatigue jedoch mit der Behandlungsdauerzu. Unklar ist, zu welchen Anteilen die Fatigue auf dieWirkung von Sunitinib, auf die Grundkrankheit desmetastasierenden Karzinoms respektive auf Komorbi-ditäten wie Anämie, Depression oder Hypothyreosezurückzuführen ist. Unter Umständen sind eine Kon-trolle der Schilddrüsenfunktion und der Blutwerte(Hämoglobin-Zielwert >10 g/dl) sowie eine Abklärungder Herzinsuffizienz angezeigt. Reduktionen der Su-nitinibdosis und Therapiepausen sind in schwerenFällen von Fatigue (Grad 3 bis 4) indiziert. Eventuell istdie Gabe eines Antidepressivums und/oder eine psy-choonkologische Betreuung zu erwägen.

Gastrointestinale BeschwerdenSunitinib ist für diverse Störungen des oberen undunteren Gastrointestinaltrakts verantwortlich: oraleMukositis, Dysgeusien, Schluckbeschwerden, Dys-pepsie, Nausea, Vomitus oder Diarrhö (4). Meistenshandelt es sich um Wirkungen vom Grad 1 bis 2, sehrselten vom Grad 3 bis 4.Die häufigste gastrointestinale UW ist die Diarrhö. Sieist in den meisten Fällen mässig ausgeprägt und kann

Management der unerwünschtenWirkungen unter SunitinibEmpfehlungen für die Therapie beim metastasiertenNierenzellkarzinom

Der oral verfügbare Multitarget-Tyrosinkinase-Inhibitor Sunitinib (Sutent®) verfügt gemäss klini-schen Studien über eine gute Wirksamkeit beim hellzelligen Nierenzellkarzinom, weist aber einspezifisches Spektrum an unerwünschten Wirkungen auf. Um ein optimales Behandlungsergebniszu erzielen, sind darum ein sorgfältiges Monitoring und flexibles Management erforderlich.

RICHARD CATHOMAS, STEPHAN ZBINDEN, REINHARD DUMMER, SILKE GILLESSEN,ANITA MARGULIES, ELISABETH TORRESAN UND FRANK STENNER-LIEWEN

24 ONKOLOGIE 3/2009

* Die im Rahmen des Cancer Therapy Evaluation Program(CTEP) des NCI im Jahr 2003 veröffentlichte dritte Version der CT-CAE-Kriterien (Common Terminology Criteria for Adverse Events,v 3.0) umfasst 28 Kategorien und 1056 Einträge zu unerwünschtenWirkungen im Zusammenhang mit onkologischen Studien(http://ctep.cancer.gov/reporting/ctc.html ). Die CTCAE-Version3.0 stellt den aktuellen Standard für klinische Studien dar.

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zu jeder Zeit der Behandlung auftreten.Die Beschwerden lassen sich in der Regelmit Antidiarrhoika wie Loperamid erfolg-reich behandeln. Es ist auf ausreichendeFlüssigkeitszufuhr zu achten. Bei schwe-rem Durchfall (≥ 7 Stühle pro Tag) sollteder Patient unverzüglich den Arzt konsul-tieren. Neben unterstützenden Massnah-men sollte eine Therapiepause eingelegtund die Dosis anschliessend um 12,5 mgreduziert werden.Orale Mukositis und Mundtrockenheittreten meistens ab der zweiten Wocheder Behandlung auf. Entzündliche Verän-derungen der Mundschleimhaut korre-lieren eng mit der Qualität der Mundhy-giene. Eine Erfassung der Mundhöhlevor Therapiebeginn durch den Arzt odererfahrene Pflegende ist aus diesemGrund unerlässlich (5, 6). Eine Beratunginklusive «Self-care-Instruktion» mit Emp-fehlungen zur Mundhygiene und Pflegeder oralen Mukositis, etwa nach Stan-dards der Onkologiepflege Schweiz(www.onkologiepflege.ch), wird als sinn-voll erachtet.Dysgeusien werden von betroffenen Pati-enten als sehr belastend empfunden. Diedaraus resultierende Appetitlosigkeitbirgt die Gefahr einer Anorexie. In beson-ders starken Fällen von Geschmacks-störungen ist eine Therapiepause in Be-tracht zu ziehen. Es gibt bis heute keineEmpfehlungen zur Bekämpfung der Dys-geusie. In besonders schweren Fällen isteine Ernährungsberatung hilfreich.

Dermatotoxizität Hautreaktionen im Zusammenhang mitder Einnahme von Sunitinib treten meistnach drei bis vier Wochen auf (3, 4). Amhäufigsten kommt es zu einem Hand-Fuss-Syndrom (HFS, palmo-plantares Erythro-dysästhesie-Syndrom). Zudem könneneine Depigmentierung der Haare, gelbli-che Verfärbungen der Haut sowie makulo-papulöse Hautausschläge auftreten.

Hand-Fuss-Syndrom (HFS)Das HFS, welches sich durch schmerz-hafte Erytheme mit ödematöser Schwel-lung an Fusssohlen und Handflächenäussert, hat grossen Einfluss auf dieLebensqualität der Patienten (7). DasSyndrom geht häufig mit Hautrissen, Bla-senbildung sowie mit Sensitivitätsstörun-gen, Taubheitsgefühl und Kribbeln ein-

her. Fürs Management der UW werdenfolgende Massnahmen empfohlen:▲ Grad 1 (minimale Hautveränderun-

gen oder Erythem ohne Schmerzen): keine Dosisreduktion, keratolytischeLokaltherapie, präventive Massnah-men (s.u.).

▲ Grad 2 (Blasen, Desquamation,Ödeme, Schmerzen, keine Beein-trächtigung der Funktion): Je nachsubjektivem Empfinden vorzeitigeTherapiepause oder Dosisreduktion,wöchentliche Kontrolle. Bei Persis-tenz der Symptomatik: lokale Stero-idtherapie, eventuell unter Beizug ei-nes Dermatologen.

▲ Grad 3 (ulzerative Dermatitis, starkeSchmerzen, Funktionsverlust): Thera-pieunterbruch, bis sich die Sympto-matik gebessert hat (≤ Grad 1). Wie-deraufnahme mit Dosisreduktion um

12,5 mg, eventuell erneute Dosisstei-gerung im weiteren Verlauf. Zusätzli-che wundheilende Massnahmen.Über die Durchführung einer lokalenSteroidtherapie sollte unbedingt einDermatologe entscheiden.

Im Fokus präventiver Massnahmen stehtdie Patientenberatung respektive -schu-lung durch das Behandlungsteam. DiePatienten sind darauf aufmerksam zumachen, Druckstellen an den Füssendurch weite flache Schuhe sowie durchVermeidung mechanischer Belastung(Stehen) zu vermeiden. Die Behandlungder Hyperkeratosen kann mit harnstoff-haltigen Salben oder Emulsionen erfol-gen (2). Hilfreich ist eine intensivierteHautpflege. Zudem sollten empfindlicheHautpartien vor hohen Temperaturen(Duschen, Geschirrwaschen) und Son-neneinstrahlung geschützt werden.

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Eigenschaften von Sunitinib Sunitinib ist ein niedermolekularer Multitarget-Rezeptortyrosinkinase-Inhibitor mit antiangiogeneti-scher und antiproliferativer Aktivität. Zu den Zielmolekülen gehören der StammzellfaktorrezeptorCD117 (c-KIT), der Rezeptor für den plättchenstimulierenden Wachstumsfaktor (PDGFR-alpha und-beta), der Rezeptor für den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGFR) Typ 1, 2, und 3 so-wie die FLT-3-, CSF1- und RET-Kinasen. Als Firstline-Therapie bei metastasierendem Nierenzellkarzinom (mRCC) erwies sich Sunitinib in einerPhase-III-Studie (750 Patienten, progressionsfreies Überleben/PFS: 11 Mo. als primärer Endpunkt)gegenüber Interferon-alpha/IFN-alpha (PFS: 5 Mo.) signifikant überlegen (4). Die Ansprechrate fürSunitinib betrug 39% gegenüber 8%. Für Patienten in der Sunitinibgruppe resultierte ein medianesGesamtüberleben von 26,4 Monaten (vs. 21,8 Mo. unter INF-alpha; p = 0,051). Bei Zensierung der25 Cross-over-Patienten ergab sich ein medianes Gesamtüberleben von 26,4 Monaten unter Sunitinib(vs. 20 Mo. unter INF-alpha; p = 0,0362). Das mediane Überleben der Studienteilnehmer, die nur dieProtokolltherapie (Sunitinib oder INF-alpha) erhielten, war 28,1 Monate (vs. 14,1 Mo.; p = 0,0033). In der Schweiz ist Sunitinib zur Behandlung des fortgeschrittenen und/oder metastasierenden RCCsowie von gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) nach Versagen von oder bei Intoleranz gegenüberImatinib zugelassen und kassenpflichtig.

DosierungDie empfohlene Standarddosierung bei Patienten mit mRCC und GIST beträgt einmal 50 mg täglichwährend 4 Wochen, danach folgt eine 2-wöchige Behandlungspause (50 mg 4/2).

DosisreduktionenBei unerwünschten Wirkungen vom Grad 1 und 2 (CTCAE 3.0) (1) ist generell keine Dosisanpassungnotwendig. In besonderen Fällen kann – je nach Leidensdruck des Patienten – eine solche jedocherwogen werden. Bei Auftreten von unerwünschten Wirkungen vom Grad 3 oder 4 ist die Therapieunverzüglich zu stoppen, bis die Effekte abgeklungen sind (≤ Grad 2). In diesen Fällen soll die Stan-darddosis schrittweise um eine Dosisstufe (12,5 mg) reduziert werden:▲ Dosisstufe 1: 50 mg (4 Wochen/2 Wochen)▲ Dosisstufe 2: 37,5 mg (4 Wochen/2 Wochen)▲ Dosisstufe 3: 25 mg (4 Wochen/2 Wochen).

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Hautausschlag, HaarveränderungenMakulopapulöse Hautausschläge oderErytheme sind mehrheitlich leicht bismässig (Grad 1 bis 2) und bilden sichmeistens nach wenigen Wochen lang-sam zurück. Hautverfärbungen, bedingtdurch die gelbe Farbe des Wirkstoffs,sind reversibel und schwächen sich in Be-handlungspausen ab. Es sind meist keineMassnahmen hinsichtlich der Dosierungvon Sunitinib erforderlich. Haarverände-rungen machen sich häufig nach weni-gen Wochen durch Störungen der Haar-pigmentierung (Entfärbung) sowie durchAlopezie bemerkbar.

Arterielle HypertonieRund ein Drittel (30 bis 35%) der mit Su-nitinib behandelten Patienten entwickeltim Verlauf der Therapie eine arterielle Hy-pertonie (4). Mit Beginn der Sunitinib-therapie sind daher bei allen Patientenregelmässig Blutdruckkontrollen durchzu-führen. Bei Auftreten einer arteriellen Hy-pertonie ist wegen der drohenden Gefahreiner Herzinsuffizienz eine konsequenteDurchführung einer antihypertensivenTherapie erforderlich (8). Geeignete An-tihypertensiva sind ACE-Hemmer, Angio-tensin-II-Rezeptor-Blocker, Kalziumkanal-Antagonisten (Amlodipin) und Diuretika.Die Kalziumantagonisten Diltiazem undVerapamil sind aufgrund ihrer starkenCYP3A4-Induktion als Komedikation zuSunitinib kontraindiziert (2). Eine Reduktion der Sunitinibdosis ist an-gezeigt, wenn unter ausgebauter medi-kamentöser Therapie keine befriedigendkontrollierten Blutdruckwerte erreichtwerden. Eine sofortige Unterbrechungder Sunitinibtherapie sollte in jedem Fallbei einem systolischen Blutdruck vonüber 200 mmHg oder bei Symptomenerfolgen (2).

KardiotoxizitätBis zu 10% der mit Sunitinib behandeltenPatienten wiesen in einer Phase-III-Stu-die eine Reduktion der linksventrikulärenAuswurffraktion (LVEF) auf (9). Der LVEF-Abfall war grösstenteils reversibel undpräsentierte sich nur in 2% der Fälle miteiner klinisch relevanten Herzinsuffizienz(Grad 3) (4). Gemäss Daten einer neuerenretrospektiven Studie entwickelten da-gegen 15% der Patienten eine sympto-matische Herzinsuffizienz (10). Eine be-

stehende Herzinsuffizienz sollte in jedemFall vor Beginn der Sunitinibtherapie me-dikamentös behandelt werden. Bei Pati-enten mit NYHA ≥ 2 darf Sunitinib nur un-ter grosser Vorsicht verabreicht werden.

Vorsichtsmassnahmen beiQT-VerlängerungSunitinib kann dosisabhängig zu einerVerlängerung des QT-Intervalls mit derkonsekutiven Gefahr einer ventrikulärenTachykardie führen. Daher sollte vor The-rapiebeginn bei allen Patienten ein 12-Ka-nal-EKG durchgeführt werden, um einverlängertes QT-Intervall auszuschliessen.QT-Zeit-verlängernde Medikamente, (z.B.Sotalol, Haloperidol, Makrolidantibiotika,Chinolonantibiotika, 5HT3-Antagonistenoder Domeperidone) dürfen nur unterstrenger Indikationsstellung und unterEKG-Kontrolle der korrigierten QT-Zeiteingesetzt werden. Für eine kompletteListe der QT-Zeit verlängernden Medi-kamente siehe: www.azcert.org/medical-pros/drug-lists/drug-lists.cfm.

Management und MonitoringEs ist ratsam, bei Patienten mit bekann-ten Risikofaktoren und/oder kardiovas-kulärer Vorgeschichte (koronare Herz-erkrankung, Herzinsuffizienz, zerebro-vaskulärer Insult, Bypassoperationen,Lungenembolien) vor Therapiebeginneine echokardiografische Untersuchungzur Erfassung der Baseline-LVEF durchzu-führen. Während der Behandlung mit Su-nitinib ist bei diesen Patienten ein ent-sprechendes Monitoring (Echo alle 3 bis 6Monate sowie bei Symptomen) indiziert.Die Bestimmung der Baseline-LVEF istauch bei Patienten ohne kardiovaskuläreRisikofaktoren sinnvoll.Bei Patienten, bei denen die LVEF unterSunitinibeinnahme um mehr als 20% un-ter den Baselinewert sinkt oder absolutweniger als 40% beträgt, ist unabhängigvon der klinischen Evidenz der Herzinsuf-fizienz eine Therapiepause angezeigt.Gegebenfalls ist ein mit der Kardiotoxi-zität von Onkologika vertrauter Kardio-loge zu kontaktieren.

HämatotoxizitätHämatotoxische unerwünschte Wirkun-gen treten unter Sunitinib in der Regelwährend des ersten Behandlungszyklusauf. Etwa jeder zehnte Patient entwickelt

unter Sunitinib eine Neutropenie oderThrombozytopenie, wobei aber nur inzirka 5% der Fälle Grad 3 oder 4 erreichtwird. Febrile Neutropenien sind äusserstselten (0,4%). Zur Sicherheit sollte

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Tabelle:Medikamentemit CYP3A4-InteraktionDie wichtigsten Medikamente mit CYP3A4-in-duzierender oder -inhibierender Wirkung. (Für eine vollständige Liste siehehttp://medicine.iupui.edu/flockhart/table.htm)

I. CYP3A4-Inhibitoren:AntidepressivaParoxetinFluoxetin

AntimykotikaKetoconazolFluconazolItraconazolVoriconazol

KalziumkanalblockerDiltiazemVerapamil

Makrolidantibiotika ClarithromycinErythromycinDoxycyclin

ProteasehemmerRitonavirSaquinavirNelfinavir

Diverse SubstanzenAmiodaronAprepitantPropranololNorfloxacinGrapefruitsaft und -fruchtfleisch

II. CYP3A4-InduktorenAntibiotikaRifampicin

Benzodiazepine/AntiepileptikaCarbamazepinPhenytoinPhenobarbital

GlukokortikoideDexamethasonPrednison

Johanniskrautpräparate

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Upd a t eU p d a t e Serie Supportivtherapie

während des ersten Zyklus alle zwei Wo-chen ein Differenzialblutbild erstellt wer-den. Bei stabilen Werten reicht dann zuBeginn jedes zweiten Zyklus ein Blutbild.Bei Abfall der Thrombozytenwerte< 50 000/mm3 (Grad 3) ist eine Therapie-pause indiziert, bis sich der Blutwert er-holt hat (Fortsetzung mit derselben Do-sis). Bei erneuter Grad-3- oder Grad-4-Toxizität (Abfall < 25 000/mm3) ist eineDosisreduktion notwendig. Ein analogesVorgehen gilt bei Sunitinib-induziertenNeutropenien. Ein Neutrophilenwert von< 1000/mm3 entspricht einer Grad-3-, einWert von < 500/mm3 einer Grad-4-Toxi-zität.Bei bestätigter Anämie sollte immerauch das Vorliegen einer Hypothyreoseund eines Vitamin-B12-Mangels abge-klärt werden. Bei symptomatischer An-ämie (Hb < 10 g/dl) sollte therapiert wer-den.

SchilddrüsendysfunktionEine gestörte Schilddrüsenfunktionunter Sunitinib kann sich als Hypothy-reose äussern. Schilddrüsenunterfunktio-nen vom Grad 1 (Laborwerte) oder 2(Symptome) treten bei zirka 2% der mitSunitinib behandelten Patienten auf,vom Grad 3 oder 4 bei etwa 0,2% (11).Symptome wie Fatigue, Anämie, Kälte-empfindlichkeit, Dyspnoe und Ödemezeigen sich häufig schon nach einer biszwei Wochen (12). Die Inzidenz scheintmit Dauer der Therapie zuzunehmen (12).Selten sind Fälle einer vorübergehendenSchilddrüsenüberfunktion respektive Hy-perthyreose. TSH-Bestimmungen solltenvor Beginn der Sunitinibtherapie und da-nach alle 3 Monate sowie bei klinischemVerdacht durchgeführt werden.

HepatotoxizitätSchwere Hepatotoxizitäten werden unterSunitinib bei weniger als 1% der Patientenbeobachtet. Vor Therapiebeginn sowiejeweils mit Beginn eines neuen Zyklus soll-ten die Leberwerte (Transaminasen undCholesterasen) bestimmt werden. Bei An-stieg der Transaminasen oder Cholestera-sewerte um mehr als das Fünffache derNorm (Grad 3) oder bei einem Anstiegdes Bilirubins um mehr als das Dreifacheder Norm (Grad 3) ist in jedem Fall eineTherapiepause und allenfalls eine Dosis-reduktion angebracht.

Interaktionen mit anderenSubstanzen

Da Sunitinib und sein wichtigster Meta-bolit primär durch das Zytochrom P4503A4 (CYP3A4) metabolisiert werden,sollte die Komedikation mit Arzneimit-teln, die als Inhibitoren oder Induktorendes CYP3A4 fungieren, vermieden wer-den. Inhibitoren des CYP3A4 können zueiner Erhöhung der Plasmakonzentrationvon Sunitinib führen und damit unter an-derem dessen unerwünschte Wirkungenverstärken. Umgekehrt können CYP3A4-Induktoren über eine Beschleunigungdes Sunitinibabbaus zu Wirkungsverlus-ten führen. Die Tabelle listet die wichtigs-ten Medikamente mit Wirkung auf dasCYP3A4-System auf. Falls ein Verzicht auf CYP3A4-aktive Be-gleitmedikamente in einzelnen Fällennicht möglich ist, sollten Anpassungender Sunitinibdosis in Schritten von 12,5mg vorgenommen werden. ▲

PD Dr. med. Frank Stenner-Liewen(Korrespondenzadresse)Klinik und Poliklinik für OnkologieUniversitätsSpital ZürichRämistrasse 1008091 ZürichE-Mail: [email protected])

sowie

Richard Cathomas1; Stephan Zbinden2; Rein-hard Dummer3; Silke Gillessen4; Anita Margu-lies5; Elisabeth Torresan6

(1 Kantonsspital Graubünden, Abteilung Onko-logie und Hämatologie; 2 Klinik und Poliklinik fürKardiologie, Inselspital Bern; 3 Klinik für Derma-tologie, UniversitätsSpital Zürich; 4 KantonsspitalSt. Gallen, Onkologie/Hämatologie; 5 Klinik undPoliklinik für Onkologie, UniversitätsspitalZürich; 6 Spitalzentrum Biel AG, Biel)

Quellen:

1. Bhojani, N., et al.: Toxicities associated with the admi-nistration of sorafenib, sunitinib, and temsirolimus and theirmanagement in patients with metastatic renal cell carci-noma. Eur Urol. 2008; 53(5): 917–30.

2. Kollmannsberger, C., et al.: Sunitinib therapy for meta-static renal cell carcinoma: recommendations for manage-ment of side effects. Can Urol Assoc J.; 2007. 1(2 Suppl):S41–54.

3. Lacouture, M.E., et al.: Hand foot skin reaction in can-cer patients treated with the multikinase inhibitors sorafeniband sunitinib. Ann Oncol.; 2008. 19(11): 1955–61.

4. Motzer, R.J., et al.: Sunitinib versus interferon alfa inmetastatic renal-cell carcinoma. N Engl J Med. 2007; 356(2):115–24.

5. Keefe, D.M., et al.: Updated clinical practice guidelinesfor the prevention and treatment of mucositis. Cancer 2007;109(5): 820–31.

6. Onkologiepflege Schweiz: Nationale Standards in derOnkologiepflege – orale Mukositis bei einer Tumortherapie.Literatur ergänzen 2005.

7. Rosenbaum, S.E., et al.: Dermatological reactions tothe multitargeted tyrosine kinase inhibitor sunitinib. SupportCare Cancer; 2008. 16(6): 557–66.

8. Khakoo, A.Y., et al.: Heart failure associated with sunit-inib malate: a multitargeted receptor tyrosine kinase inhibi-tor. Cancer 2008; 112(11): 2500–8.

9. Force, T., Kerkela, R.: Cardiotoxicity of the new cancertherapeutics – mechanisms of, and approaches to, the pro-blem. Drug Discov Today 2008; 13(17–18): 778–84.

10. Telli, M.L., et al.: Cardiotoxicity associated with the can-cer therapeutic agent sunitinib malate. Ann Oncol. 2008;19(9): 1613–8.

11. Porta C, S.C., Bracarda S, et al.: Short- and long-termsafety with sunitinib in an expanded access trial in metasta-tic renal cell carcinoma (mRCC). J Clin Oncol, 2008: 5114. Er-gänzung

12. Rini, B.I., et al.: Hypothyroidism in patients with meta-static renal cell carcinoma treated with sunitinib. J Natl Can-cer Inst. 2007; 99(1): 81–3.

Weitere Literatur beim Korrespondenzautor.

Interessenkonflikte: Diese Publikation wur-de durch einen nichtrestriktiven Grant derPfizer AG, Zürich, unterstützt.

M e r k s ä t z e▲ Die Indikationsstellung zur Behandlung mit Sunitinib sollte durch im Umgang mit Tyrosinkinase-

Inhibitoren erfahrene Onkologen vorgenommen werden.▲ Wichtig sind die detaillierte Anamnese und Behandlung von Begleiterkrankungen wie Hypertonie,

Herzinsuffizienz oder Schilddrüsendysfunktionen.▲ Therapiebegleitung, Monitoring und Management der unerwünschten Wirkungen sollten durch den

behandelnden Onkologen in enger Zusammenarbeit mit dem Hausarzt erfolgen.▲ Die Beherrschung der meisten unerwünschten Wirkungen von Sunitinib ist durch Therapiepausen

und/oder Dosisreduktionen sowie medizinische und pflegerische Interventionen möglich.▲ Weitere, nicht im Therapieschema vorgesehene Therapiepausen können auch bei mässiggradiger

Toxizität sinnvoll sein, um Beschwerden unter fortgesetzter Therapie zu reduzieren.▲ Für ein optimales Management von schweren unerwünschten Wirkungen ist die Einbeziehung von

Spezialisten, etwa eines Kardiologen oder Dermatologen, empfohlen.