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Theaterpädagogisches Begleitmaterial 2
Katherine Kügler
Leitende Theaterpädagogin
Telefon: 07251.72728
E-Mail: kuegler(at)dieblb.de
Liebe Pädagoginnen und Pädagogen,
Heutzutage bewegen sich Jugendliche ganz selbstverständlich im vir-
tuellen Raum und nutzen dabei soziale Netzwerke wie Facebook und
Instagram für die tägliche Kommunikation, ihre eigene Selbstdarstel-
lung und vor allem auch aus Gründen der Anonymität. Das Internet
dient dabei als Schnittstelle zwischen Realität und Fiktion – Grenzen
verwischen, Hemmungen verschwinden und jeder kann im Netz der
sein, der er schon immer sein wollte.
Das Stück Cyber Cyrano erzählt die Geschichte von Susi, die seit Lan-
gem total auf ihren Klassenkameraden Matti steht. Der wiederum in-
teressiert sich leider so gar nicht für sie, sondern nur für ihre neue
Mitschülerin Heni. In der Inszenierung von Anna-Lena Kühner wird
das vermeintliche Opfer Susi daraufhin zur Täterin und macht Matti
und Heni zu Schachfiguren auf ihrer virtuellen Spielwiese. Was Susi
im realen Leben nicht erreichen kann, schafft sie im Netz als moder-
ne Ausgabe von Cyrano de Bergerac.
Das Stück eignet sich für junge Menschen ab 13 Jahren, um sich mit
Themen wie sozialen Netzwerken und deren Missbrauch, Freund-
schaft und Liebe unter Jugendlichen und Manipulation durch Fake-
Identitäten zu beschäftigen. Der Fokus liegt dabei auf dem emotio-
nalen Einfluss, den das Internet und die sozialen Netzwerke heutzu-
tage auf junge Menschen haben.
Mit unserem Begleitmaterial wollen wir Ihnen eine Hilfestellung ge-
ben, um sich mit Ihrer Klasse oder Gruppe differenzierter mit der In-
szenierung, ihren Hintergründen und den dazu passenden spielprak-
tischen Übungen auseinanderzusetzen.
Bei weiteren Fragen können Sie uns gerne auch direkt kontaktieren
oder eine kostenlose Vor- oder Nachbereitung durch die Theaterpä-
dagogik für Ihre Klasse oder Gruppe buchen.
Das Erste, woran ich mich erinnern kann, ist ein Monitor.
Julia Gundersdorff
Theaterpädagogin
Telefon: 07251.72737
E-Mail: gundersdorffat)dieblb.de
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 3
Das Stück 04
Der Autor 05
Das Team 06
Die Regisseurin 07
Themenbezogene Materialien 08
Digitale Identität und Fake-Profile 08
Selfies 09
Umgang mit sozialen Medien 10
Spielpraktische Übungen 11
Fragen für die Vor-/Nachbereitung 12
Warm-up 14
Partnerübung 15
Szenenarbeit 16
Arbeit mit Szenen 17
Abschlussritual 18
Anhang 19
Auszüge aus der Textfassung 19
Quellen und Impressum 24
Inhalt
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 4
Das Stück
Susi, in ihrer Klasse eher eine Außenseiterin, ist ein Digital Native
und in mehreren sozialen Netzwerken aktiv. Als sie sich in Matti,
den coolsten Jungen der Schule, verliebt, dieser sich aber mehr für
die neue Mitschülerin Heni interessiert, erfindet Susi eine fiktive
Identität im Web: Viktor, den attraktiven Sohn eines Diplomaten, der
eine Schule in Genf besucht. Heni findet Viktor toll und ihr Interesse
für Matti nimmt rapide ab. Susi merkt, dass ihr Rollenspiel funktio-
niert, und erschafft ein weiteres digitales Geschöpf: Als Viktors
Schwester Moira flirtet sie nun auch nächtelang mit Matti. Indem sie
beiden die Hoffnung auf eine Begegnung macht, gerät ihr Spiel nach
und nach außer Kontrolle.
István Tasnádi überträgt die Geschichte des Cyrano de Bergerac, der
für seinen Rivalen Liebesbriefe an die auch von ihm angebetete Frau
schreibt, in die Gegenwart. Er zeigt so, wie dicht Manipulation und
das Spiel mit Identitäten im World Wide Web beieinander liegen kön-
nen.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 5
Der Autor
István Tasnádi, 1970 in Budapest geboren, studierte Theaterwissen-
schaft an der Universität Veszprém. Seit 1992 publiziert er regelmä-
ßig Gedichte und Theaterstücke. Er war Mitbegründer und Drama-
turg am Bárka Theater in Budapest, bevor er 2001 seine Arbeit als
Hausautor und künstlerischer Kodirektor am Krétakör Theater be-
gann. Sein literarisches Werk umfasst über 30 Stücke und Drehbü-
cher, darunter z. B. „Nexxt – Frau Plastic Chicken Show“ (Regie:
Árpád Schilling), das zum Festival d‘Avignon eingeladen war. 1999
wurde István Tasnádis bekanntestes Stück, „Staatsfeind Kohlhaas“,
mit dem Preis für das beste ungarische Nachwuchsdrama ausge-
zeichnet.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 6
Das Team
Norhild Reinicke
Susi
Tim Tegtmeier
Matti
Julia Kemp
Heni
Inszenierung/Bühnenbild Anna-Lena Kühner
Kostüme Kerstin Oelker
Dramaturgie Larissa Benszuweit
Regieassistenz Ruth Langenberg
Theaterpädagogik Katherine Kügler
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 7
Die Regisseurin
Anna-Lena Kühner studierte zunächst Theater- und Medienwissen-
schaft und Pädagogik an der FAU Erlangen-Nürnberg. Neben mehre-
ren Hospitanzen und Praktika in Regie und Dramaturgie, zum Bei-
spiel am Theater Erlangen, am Theater Basel und an der Staatsoper
Wien war sie während und nach ihrem ersten Studium als Regieassis-
tentin am Landestheater Coburg und am Stadttheater Bielefeld be-
schäftigt. Im Anschluss absolvierte sie ihre Regieausbildung an der
HfMdK Frankfurt/Main.
Neben einer Anstellung als Regieassistentin am Nationaltheater
Mannheim, wo sie ihr Diplom erarbeiten konnte, inszenierte sie im
Rahmen ihres Studiums zu diversen Festivals, u. a. den Schillertagen
Marbach, dem Heidelberger Stückemarkt und dem HR Hörfest Wies-
baden. Sie inszenierte an verschiedenen Häusern im Rhein-Main-
Gebiet, zuletzt u. a. an den Bühnen Wuppertal und am RLT Neuss.
Sie unterrichtete im Rahmen eines Lehrauftrags am Wright Theatre
Middlebury, Vermont, USA. Ihre Produktionen waren zu verschiede-
nen Festivals eingeladen.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 8
Zu ausgewählten Themen des Stückes finden Sie im Folgenden weite-
res Material, das sich unter anderem aus Internetseiten und Artikeln
zusammensetzt. Diese Materialien eignen sich besonders gut zur
Diskussion sowie für Gruppenarbeiten. Des Weiteren finden Sie im
Anhang Textauszüge aus dem Stück, die Sie ebenfalls in die Arbeit
mit Ihrer Klasse oder Gruppe miteinbeziehen können.
Digitale Identität und Fake-Profile
Eine gefälschte Identität im Internet zulegen
Willst du unerkannt im Internet unterwegs sein? Vielleicht Beiträge in
einem Forum verfassen, in dem du unter deinem alten Benutzerna-
men Schwierigkeiten hattest? Deine wirkliche Identität schützen?
Oder einfach mal ausprobieren, wie es sich anfühlt, jemand komplett
anderes zu sein? […]
Online unter: http://de.wikihow.com/Eine-gef%C3%A4lschte-Identit%
C3%A4t-im-Internet-zulegen [Stand: 20.01.2017].
Facebook: Daran erkennen Sie ein Fake-Profil
Vielleicht haben Sie das ja schon einmal erlebt: Eine Ihnen unbekann-
te Person schickt Ihnen auf Facebook eine Freundschaftsanfrage. Ein
Fake-Profil? Was könnte passieren, wenn Sie einwilligen? Häufig ver-
wenden die Nutzer, die sich dahinter verbergen, das gefälschte Profil,
um Links zu Schadsoftware zu verbreiten oder an persönliche Daten
anderer User zu gelangen. Mit den folgenden Tipps gelingt es Ihnen,
Fake-Profile besser zu erkennen. […]
Online unter: http://www.t-online.de/ratgeber/technik/internet/
id_58200514/facebook-daran-erkennen-sie-ein-fake-profil.html
[Stand: 20.01.2017].
Facebook: Sind Fakeprofile strafbar?
Viele Internetnutzer legen in sozialen Netzwerken wie Facebook
Fakeprofile an. Hierbei melden sich Personen unter einem falschen
Namen an – nicht selten sehr fantasievoll. Dies entspricht natürlich
Themenbezogenes Material
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 9
eigentlich nicht den Nutzungsbedingungen. Aber sind diese Fake-
profile auch strafbar? […]
Online unter: http://www.t-online.de/ratgeber/technik/internet/
id_58344622/facebook-sind-fakeprofile-strafbar-.html [Stand:
20.01.2017].
Sonja Peteranderl: CrimeWatch / Wie Realfakes andere Menschen beim Online-
Flirt in die Irre führen
Veröffentlicht am 12. November 2015 auf Wired.de
Mit komplexen Lügengeschichten und einem Netzwerk aus Fake-
Identitäten bauen sogenannte Realfakes im Internet Beziehungen
auf – und täuschen dabei auch eigentlich netzaffine Menschen. […]
Online unter: https://www.wired.de/collection/life/verliebt-eine-
luege-realfakes-taeuschen-im-netz-virtuelle-beziehungen-vor [Stand:
20.01.2017].
Sklaven der eigenen digitalen Identität
Veröffentlicht am 21. Juli 2016 auf Zeit.de
Pokémon Go, WhatsApp, Selfies – ständig starren wir auf unser Dis-
play. Der Fotograf Antoine Geiger visualisiert die vermeintliche Ent-
fremdung von der realen Welt. […]
Online unter: http://www.zeit.de/digital/2016-07/surfake-fs
[Stand: 20.01.2017].
Selfies
Freitag, Lin: Was der Selfie-Wahn über uns aussagt
Veröffentlicht am 06. November 2015 auf Wiwo.de
Ob Teenie oder Kanzlerin, alle schießen Selfies. Was macht das
ständige Inszenieren, Fotografieren und Teilen mit uns? Leben wir
nur noch für das Selfie, und nicht mehr für den Moment? Ein Denk-
anstoß zur Fotokultur. […]
Online unter: http://www.wiwo.de/technologie/digitale-welt/selfies
-was-der-selfie-wahn-ueber-uns-aussagt/12511718.html [Stand:
20.01.2017].
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 10
Brehl, Hektor: Hashtags, die du für dein Holocaust-Gedenkstätten-Selfie nicht
verwenden solltest
Veröffentlicht am 20. November 2013 auf Vice.com
Instagram ist toll. Filter, Tags, Likes—nirgends kann ein junges Le-
ben mit so wenig Arbeit so #coolomatik aussehen. Doch zwischen
Thai-Teller und Umkleide-Selfie eine Gaskammer zu posten, ist eine
schwierige Sache. […]
Online unter: https://www.vice.com/de/article/25-hashtags-die-du-
an-holocaust-gedenksttten-nicht-verwenden-solltest [Stand:
20.01.2017].
Umgang mit sozialen Medien
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Medienkompe-
tenz stärken
Veröffentlicht am 17. Februar 2017 auf bmfsfj.de
Digitale Medien prägen den Alltag von Kindern und Jugendlichen.
Das Familienministerium unterstützt ein gutes Aufwachsen mit Me-
dien durch verschiedene Projekte. […]
Online unter: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/kinder-und-
jugend/medienkompetenz/medienkompetenz-staerken/75350
[Stand: 20.01.2017].
Klicksafe.de – eine EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz
Online unter: https://www.klicksafe.de/ [Stand: 20.01.2017].
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 11
Spielpraktische Übungen
Im folgenden Teil finden Sie einige spielpraktische Übungsvor-
schläge sowie inszenierungsspezifische und themenbezogene Fra-
gen, die Sie zur praktischen und kreativen Vor- und Nachbereitung
des Vorstellungsbesuches im Klassenzimmer oder im Gruppen-
raum verwenden können. Tische, Stühle und sonstige Gegenstände
sollten dafür zur Seite geräumt werden, damit eine möglichst gro-
ße freie Fläche in der Mitte des Raumes entsteht. Durch die Einbet-
tung des Stückes in Ihren Unterricht in Form einer Vor- oder Nach-
bereitung erleichtern Sie Ihren Schülerinnen und Schülern oder ih-
rer Gruppe den Zugang zum Stück sowie den darin verhandelten
Themen und ermöglichen ihnen einen tieferen Einblick in die Figu-
ren und ihre Geschichten. Dadurch werden Anknüpfungspunkte
zwischen den Jugendlichen und den Figuren im Stück geschaffen,
wodurch sich diese leichter mit dem Geschehen auf der Bühne
identifizieren können.
Bei einer praktischen Vor- oder Nachbereitung empfiehlt es sich,
immer mit einem Warm-up zu beginnen, um die Teilnehmenden
aus dem Alltag herauszulösen und eine offene und konzentrierte
Atmosphäre zu schaffen, die den Einstieg ins Spiel erleichtert. Ge-
nerell gilt, dass kein absoluter Spielzwang herrschen sollte, son-
dern an einzelnen Stellen auch Beobachterpositionen von den Schü-
lerinnen und Schülern eingenommen werden können. Grenzen soll-
ten hierbei akzeptiert werden.
Am Ende einer spielerischen Einheit empfehlen wir, das Erlebte mit
den Teilnehmenden zu reflektieren und die Rückkehr von der Spiel-
in die Alltagswelt mit einem gemeinsamen Abschlussritual zu be-
gleiten. Hierbei ist zu beachten, dass in der Theaterarbeit die sub-
jektiven Empfindungen des Einzelnen im Vordergrund stehen, und
es hier keine richtigen oder falschen, sondern lediglich unter-
schiedliche Erfahrungen gibt.
Viele der spielpraktischen Übungen sind für Schülerinnen und
Schüler neu, deswegen ist es wichtig, sie zu ermutigen sich spiel-
praktisch auszuprobieren und behutsam mit Kritik umzugehen. Bei
der Reflexion einer Übung sollte es in erster Linie um die Beschrei-
bung des Gesehenen gehen, nicht um eine Beurteilung.
Viel Spaß beim Ausprobieren!
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 12
Zum Inhalt:
Welche Personen tauchen in der Geschichte auf und wie würdet ihr
die Beziehungen dieser Personen zueinander beschreiben?
Inwiefern verändern sich die Beziehungen zwischen den drei Figuren
im Laufe des Stückes?
Zur Inszenierung:
An welchen Orten spielt das Theaterstück? Wie werden die virtuellen
Räume dargestellt?
Könnt ihr euch mit den Tanz-Szenen, die im Stück vorkommen, iden-
tifizieren? Wer von euch macht heutzutage noch einen Tanz-Kurs?
Thema: Selfies
Wie viele Selfies macht ihr durchschnittlich am Tag von euch?
Benutzt ihr immer einen Filter, wenn ihr eure Selfies hochladet? Ist
das für euch schon „fake“, wenn eine Person nur Bilder von sich mit
Filter postet?
Thema: Soziale Netzwerke
Wer von euch ist auf Facebook oder Instagram?
Wie viele Freunde habt ihr auf Facebook beziehungsweise wie viele
Abonnenten habt ihr auf Instagram?
Würdet ihr diese Personen auch im echten Leben als Freunde be-
zeichnen?
Was würdet ihr wem anvertrauen? [Unterschiede zwischen Familie,
Freunden im echten Leben, Klassenkameraden, Freunden von Freun-
den, flüchtigen Bekannten und Personen im Internet]
Wo zieht ihr eine Grenze bei den Inhalten, die ihr auf Facebook,
Snapchat oder Instagram teilt?
Fragen für die Vor-/Nachbereitung
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 13
Wie oft am Tag postet ihr auf Facebook oder Instagram etwas?
Thema: Liebe und Freundschaft
Habt ihr selbst auch noch Freunde aus dem Kindergarten? Wie ha-
ben sich eure Freundschaften im Laufe der Zeit verändert?
Welche Rollen gibt es bei euch in der Klasse? Erkennt ihr Parallelen
zu den Rollen aus dem Stück wieder?
Wie würdet ihr reagieren, wenn ein Freund oder eine Freundin euch
mit einer falschen Identität im Netz belügt?
Wie würdet ihr versuchen, euren Schwarm zu beeindrucken oder zu
einem Date einzuladen?
Schreibt man heutzutage noch Liebesbriefe oder ist das bloß altmo-
discher Quatsch?
Habt ihr selbst schon peinliche Schwarm-Momente erlebt?
Thema: Identität
Wer von euch hat schon mal ein Fake-Profil im Internet erstellt?
Ist es schon fake, wenn man in seinem Profil einen falschen (Nach-)
Namen angibt?
Wie leicht ist es, Menschen in sozialen Netzwerken zu täuschen?
Welche Gefahren lauern hinter Fake-Identitäten? Welchen Schaden
kann man damit anrichten?
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 14
Warm-up
Status-Raumlauf Thema: Raumlauf, Status, Gruppendynamik, Wahrnehmung
Dauer: 5-10 Minuten
Alle laufen kreuz und quer durch den Raum, ohne dabei zu sprechen
und ohne sich zu berühren. Jede Person läuft für sich. Auf ein
Zeichen der Spielleitung hin frieren alle ein. Die Spielleitung teilt die
Gruppe dann in zwei Untergruppen ein: die Mitglieder der ersten
Gruppe haben einen Hochstatus inne, die Mitglieder der zweiten
Gruppe einen Tiefstatus.
Status bezeichnet hierbei das Machtgefälle zwischen den beiden
Gruppen. Eine Person mit Hochstatus verhält sich gegenüber einer
Person mit Tiefstatus sehr dominant, der Tiefstatus ordnet sich dem
Hochstatus unter und passt sein Handeln an den des Hochstatus an.
Den Status kann man dabei beispielsweise an folgenden Aspekten
erkennen:
Körpersprache und Bewegung
Sprechweise, Stimmlage und Atmung
Berührung anderer und des eigenen Körpers
Interaktion mit Anderen, Handlungen
Die beiden Gruppen setzen sich auf ein Zeichen der Spielleitung hin
wieder in Bewegung und sollen nun ihren zugeteilten Status – ohne
zu sprechen – verkörpern. Wenn jeder für sich eine körperliche
Haltung gefunden hat, kann auf ein weiteres Zeichen der Spielleitung
hin auch miteinander interagiert werden, beispielsweise durch
Begrüßungen. Dabei sollten die Teilnehmenden immer im Hinterkopf
behalten, wie sich ihr Status auf ihre Begrüßungsform auswirkt. Nach
einiger Zeit wechseln die beiden Gruppen ihren Status, sodass jeder
einmal im Tief- und einmal im Hochstatus war.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 15
Manipulation Thema: Gruppendynamik, Manipulation, Reflexion
Dauer: 5-10 Minuten
Eine Person verlässt den Raum. Die anderen Teilnehmenden legen
eine Tätigkeit oder eine Aktion fest, zum Beispiel: Eis essen, Musik
hören, zusammen tanzen, etc. Nun kommt die Person von draußen
wieder rein und spielt gemeinsam mit einer zweiten Person eine
Szene. Die zweite Person muss die erste Person nun dazu bringen,
die vorher festgelegte Aktion auszuführen. Dabei sollte die zweite
Person jedoch keine allzu offensichtlichen Hinweise geben oder gar
die Aktion selbst aussprechen. Hierbei geht es in erster Linie darum,
dass auch subtile kleine Details beachtet werden. Die zweite Person
führt bei der Szene die Regie und kann die Szene in die entspre-
chende Richtung lenken. Die anderen Gruppenmitglieder können
dabei zuschauen.
Variation:
Statt einer Tätigkeit oder einer Aktion kann das Ziel auch sein,
dass die erste Person beispielsweise einen bestimmten Satz
ausspricht oder sich auf eine bestimmte Art und Weise bewe-
gen muss.
Wichtig:
Bei dieser Übung geht es nicht darum, dass die erste Person
sofort erraten muss, um welche Aktion es sich handelt. Viel
mehr geht es darum, dass sie der zweiten Person gut zuhört
und sehr genau darauf achtet, was diese macht.
Im Anschluss an die Übung kann gemeinsam mit den Spielen-
den darüber reflektiert werden, wie die erste Person beein-
flusst wurde und wie sie sich dabei gefühlt hat. Auch die Vor-
gehensweise und das Empfinden der zweiten Person kann ana-
lysiert werden.
Partnerübung
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 16
Szenenarbeit
Status wechsel‘ dich! Thema: Entwicklung einer Szene, Status-Wechsel
Dauer: 30 Minuten
Die Teilnehmenden werden in 4er Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe
soll nun eine kurze Szene erarbeiten, in der der Status mindestens
zweier Personen wechselt. Hat eine Person zu Beginn der Szene ei-
nen Tiefstatus inne, sollte sie am Ende der Szene einen Hochstatus
haben und umgekehrt. Welche Szenen dabei gespielt werden, bleibt
den Teilnehmenden überlassen. Die Gruppen sollten für die Erarbei-
tung der Szenen ca. 10 Minuten Zeit bekommen.
Als Hochstatus drückt man entweder den Status eines anderen oder
man erhebt seinen eigenen, um diesen zu behaupten. Als Tiefstatus
senkt man dementsprechend seinen eigenen Status oder erhebt den
des anderen. Einen Status kann man dabei beispielsweise durch fol-
gende Punkte verändern:
Mit Fürsorge, Bevormundung
Mit Lob oder Schmähungen
Mit Ansprüchen auf den Raum
Mit Veränderungen der Körpergröße
Mit Distanz und Nähe zu anderen
Wenn jede Gruppe ihre Szene erarbeitet hat, werden die einzelnen
Szenen dem Rest der Klasse präsentiert. Bei ca. 20 Schülern/4-5
Gruppen empfehlen wir, eine Präsentationsdauer von insgesamt
mindestens 15 Minuten einzuplanen. Nach der Präsentation bietet
es sich an, mit der gesamten Gruppe nochmal über das Gesehene
zu sprechen und zu reflektieren, wodurch und wie sich der Status
der einzelnen Personen verändert hat.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 17
Arbeit mit Szenen
Wichtig:
Während die Gruppen an ihren Szenen arbeiten, fungiert die
Spielleitung als Ansprechperson bei Fragen und Problemen.
Die Spielleitung kann während der Gruppenarbeit damit begin-
nen, alle Stühle im Halbkreis auf eine Seite des Raumes zu
stellen (Zuschauerraum). Der Bühnenraum sollte dabei nicht
zu weit vom Publikum entfernt sein.
Vor Beginn sollte ein Zeichen festgelegt werden, wann die
Gruppe mit der Präsentation ihrer Szene beginnt. Hierbei gibt
es beispielsweise die Möglichkeit, die Gruppe
„einzuklatschen“. Hierzu klatschen alle auf die Oberschenkel
(„Trommelwirbel“) und anschließend dreimal gemeinsam in die
Hände, die Spielleitung gibt hierfür den Impuls. Wenn dreimal
geklatscht wurde, sagt die Spielleitung laut und deutlich „und
bitte!“. Dies ist das Zeichen für die präsentierende Gruppe und
bedeutet, dass sie mit ihrer Szene beginnen kann.
Bevor die Präsentation der Gruppe beginnt, werden sowohl die
Spielenden als auch das Publikum gefragt, ob sie bereit sind.
Wenn alle bejahen, kann es losgehen!
Regeln für die präsentierende Gruppe:
Die Gruppe sollte darauf achten, nicht mit dem Rücken zum
Publikum zu spielen sowie laut und deutlich zu sprechen.
Die Szene wird durch einen gemeinsamen Applaus der Zu-
schauenden am Ende aufgelöst.
Regeln für die Zuschauenden:
Es wird niemand ausgelacht oder ausgebuht! Die Präsentieren-
den haben ein Recht auf Ruhe und Aufmerksamkeit von Seiten
des Publikums.
Es gibt kein Richtig oder Falsch in der Darstellungsweise einer
Situation. Die Zuschauenden sollten demnach zuerst nur be-
schreiben, was sie sehen. Bewertungen sind nicht erwünscht.
Nach der Beschreibung kann geraten werden, welche Situation
auf der Bühne dargestellt wurde.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 18
Hey ya! Thema: Gemeinsamer Abschluss
Dauer: 1 Minute
Alle kommen im Kreis zusammen, strecken ihren rechten Arm aus,
und stapeln ihre Hände übereinander. Auf ein Zeichen der Spiellei-
tung hin werden die Hände mit einem lauten „Hey ya!“ nach oben
gestreckt.
Abschlussritual
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 19
Auszüge aus der Textfassung
Anbei finden Sie einige Auszüge aus der Proben-Textfassung vom
21. Januar 2017 [Änderungen vorbehalten]. Mögliche Diskussionsfra-
gen finden Sie auf den Seiten 11 und 12.
3. Szene – Der Brief
SUSI Ich habe irgendwo gelesen, dass die Jungs in diesem
Alter fies zu Mädchen sind, wenn sie ihnen gefallen.
Also muss ich Matti irgendwie sehr-sehr gefallen.
Dieses Alter ist konkret das Kindergartenalter.
... Aber kann sein, dass sich das bei Matti hinzieht. In
der Grundschule haben wir noch zusammen gespielt,
er hat sich immer meinen Roller ausgeliehen.
Er mochte mich. So etwas spürt man als Frau. Ich je-
denfalls. Ich habe für viele Dinge ein Gespür. Dann, von
einem Tag auf den andern, war alles over. Er hat kein
Wort mehr mit mir geredet, war nur mit seinen Kum-
pels beschäftigt und mit so oberflächlichen Girlies. Ich
habe gespürt, dass er mich meidet, dass er vor seinen
Gefühlen Angst hat. Und dann habe ich ihm einen Brief
geschrieben. Das war wohl ein Fehler.
[…]
5. Szene – Entropie
SUSI Meine Mum kommt jeden Abend in mein Zimmer und
schimpft wegen der Unordnung. Jedes Mal erkläre ich
ihr, dass es sich um das zweite Gesetz der Thermody-
namik handelt, aufgrund dessen die geschlossenen Sys-
teme nach der möglich größten Unordnung streben.
Die Unordnung in meinem Zimmer ist nicht meine
Schuld, es handelt sich um reine Entropie. Meine Mutter
kann sich dafür überhaupt nicht begeistern, dabei war
sie es, die mich letztes Jahr, als ich schlechte Noten in
Physik hatte, zum Nachhilfeunterricht verdonnert hatte.
Die Entropie wird in der Regel beschleunigt, wenn ein
fremdes Element dem System zugefügt wird. Heni hat
Anhang
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 20
das geschlossene System der Klasse verändert, Zu-
wendung und Abneigung haben sich neu verteilt, es
ist eine andere Energie entstanden, das Ganze wurde
neu verkabelt. Matti zum Beispiel wurde von mir weg-
katapultiert, irgendwie kreisen wir jetzt auf unter-
schiedlichen Bahnen, es gibt keine Kollisionen mehr.
Früher war er wenigstens gemein zu mir. Auch das
Quälen ist eine Interaktion, eine Form von Zuwen-
dung. Natürlich eine sehr einseitige. Aber ich vermisse
sie trotzdem.
13. Szene – Aktion
[…]
SUSI Es war eigentlich ein Kinderspiel. Ich habe ein paar
Profile erstellt und mir selbst eine Einladung ge-
schickt. Dann habe ich mir eine Identität kreiert, aber
ich habe noch ein Foto gebraucht. Ich hatte eine Men-
ge Fotos von Viktor. Eigentlich waren wir mal in einem
gemeinsamen Fotocamp und nicht beim birdwatching.
Auch nicht in Schottland, sondern in Slowenien.
Alles andere stimmt. Am Anfang hatte ich keinen be-
sonderen Plan, ich war nur neugierig, was sie über
mich hinter meinem Rücken quatschen.
HENI Viktor hat das Gefühl, dass ich an der Punktgrenze bin
und für die Eins mündlich noch was machen kann. Er
hat das im Gefühl. Wie kann man so etwas im Gefühl
haben?
SUSI In der Mittagspause, als alle in der Mensa abhingen,
bin ich ins Lehrerzimmer geschlichen und habe die
Klausuren durchgeschaut. Als am nächsten Tag der
Lehrer die Ergebnisse verkündet hat, ist Heni fast in
Ohnmacht gefallen.
HENI Wie konnte er das erraten?! Wie konnte er fünftausend
Kilometer entfernt wissen, dass ich meine Note ver-
bessern kann?!
SUSI Nur 550.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 21
MATTI Moira kommt nicht. Ihr Vater hat ihr das Modeln ver-
boten. Sie muss lernen.
HENI Viktor hat ein Pferd bekommen.
MATTI Moira ist krank geworden. Nebenhöhlenentzündung.
HENI Viktor glaubt, dass jemand mein Handy klauen wird.
MATTI Moira hat mir verraten, dass sie Schauspielerin werden
will. Ich möchte sie sehen!
SUSI Früher konnte ich überhaupt keine Gefühle in Matti
wecken, aber jetzt habe ich einen Weg gefunden, ihn
glücklich zu machen, oder unglücklich.
HENI Viktor hat ein Springturnier gewonnen.
MATTI Moira ist zu einem Casting gegangen. Sie glaubt, dass
sie genommen wird.
HENI Jemand hat mein Handy gestohlen. Ich weiß auch wer.
Viktor hat es mir verraten, aber ich kann es nicht be-
weisen.
MATTI Moira hat die Rolle bekommen. Sie wird mit Leonardo
DiCaprio spielen.
SUSI Ich habe ihn an einer unsichtbaren Schnur geführt. An
mir lag es, was er getan oder gefühlt hat, in welcher
Stimmung er war. Er zappelte in meinem Netz. Und
ich konnte aus nächster Nähe beobachten, wie mein
Dämon, den ich auf ihn angesetzt habe, den ich in sei-
nen Kopf implantiert habe, wie ein Mikrochip an ihm
nagt, ihn auffrisst, so dass ich dieses eingebildete
Großmaul völlig in der Hand hatte.
Und der kleine Matti wuchs langsam an die Aufgabe
heran, mich endlich ernst zu nehmen
HENI Ich weiß genau, dass Norbert mein Handy geklaut hat.
MATTI Moira ist zusammengebrochen. Ihr Vater hat ihr ver-
boten mit Leo zu drehen!
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 22
SUSI Wenn ich böse auf ihn war, hat Moira ihn bestraft, und
wenn ich nicht mehr mit ansehen konnte, wie sehr er
leidet, war Moira plötzlich supernett zu ihm und ver-
sprach ihm ein Treffen. Und am nächsten Tag erzählte
Matti mir alles.
HENI Viktor hat mir verraten, wo Norbert mein Handy ver-
steckt hat, und ich habe es gefunden! Dieser Idiot hat
stundenlang gesurft, die Rechnung wird gigantisch,
keine Ahnung, wie ich das zu Hause erklären soll.
MATTI Moira hat mir geschrieben, dass sie mich gerne küs-
sen würde.
SUSI Er hat mit mir geredet und sich dabei das Gesicht von
Moira vorgestellt.
Und auf einmal waren die Sätze unglaublich interes-
sant, die er nicht mal gelesen hätte, wenn er gewusst
hätte, dass sie von mir sind.
MATTI Sie kommen.
HENI Sie kommen.
[…]
SUSI Ich musste den beiden etwas geben. Etwas Konkretes.
Die Hoffnung auf eine Begegnung. Die Story hat das
gebraucht. Ich habe sie vor einem halben Jahr begon-
nen, aber jetzt schreibt sie sich wie von selbst, und
ich renne ihr hinterher ohne zu wissen, wie sie enden
wird. Was noch passiert. Aber ich fühle sehr genau,
dass der Höhepunkt näher kommt. Wie in einem Hol-
lywood-Film, wenn sich die Helden an einem pompö-
sen Ort versammeln und die Handlung kulminiert.
17. Szene – Die Trauerfeier
[…]
MATTI (zu Heni) Dir ist nie aufgefallen, dass Viktor und Moira
nie gleichzeitig gechattet haben? Entweder war Viktor
oder Moira online. Klare Sache, warum. Denn Viktor
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 23
und Moira sind ein und dieselbe Person.
(zeigt auf Susi) Die da.
Schweigen. Matti geht zu Heni.
HENI Das kann nicht sein! Viktor hat mir Dinge vorausge-
sagt! Er wusste das mit der Geschichtsklausur ... und,
und ... dass Frau Müller mich umarmen wird! Und sie
hat mich umarmt!
SUSI Ich hab ihr eingeredet, dass deine Großmutter gestor-
ben ist.
Schweigen.
Und, was ist schon dabei?! Freut euch! Ihr müsst ab
jetzt nicht mehr trauern! Henilein, freu dich doch! Vik-
tor lebt! Hier in meinem Kopf! Er ist gesund und mun-
ter! Du brauchst nur heute um acht ins Netz zu se-
geln, wenn du mit ihm reden willst!
MATTI Du weißt schon, dass wir dich dafür fertig machen
werden! Und, hast du‘s so richtig genossen? Hat‘s dir
Spaß gemacht? Du Freak! Warum hast du das getan?
SUSI Warum? Weil es total geil war! Sehr aufschlussreich
und amüsant!
Es war krass, wie sich Typen, die mich im wahren Le-
ben von oben herab behandeln, vor meinen Figuren
hinknien. Wie schnell ihr den anderen ihnen zuliebe
verraten habt. Was ihr alles hinter dem Rücken des
anderen so erzählt habt. Was für idiotisch sentimenta-
le Geheimnisse ihr hattet. Wie lächerlich ihr beide
doch seid.
[…]
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 24
QUELLEN:
Autorenfoto: István Tasnádi. Online unter: http://
www.gyermekirodalom.hu/wp-content/
uploads/2014/03/tasnadiistvan.jpg [Stand:
20.12.16].
Regiefoto: Anna-Lena Kühner. Online unter: http://
www.theater-der-keller.de/files/tdk/People/
Anna_LenaKuehner_cMEYER_ORIGINALS.jpg
[Stand: 20.12.16].
Material: siehe Quellenangaben auf den Seiten 8 und 9.
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Textauszüge: István Tasnádi: Cyber Cyrano. Fassung BLB /
Anna-Lena Kühner vom 21. Januar 2017.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial 25
IMPRESSUM: Theaterpädagogisches Begleitmaterial zu Cyber Cyrano
von István Tasnádi / Herausgeber: DIE BADISCHE LANDESBÜHNE /
Spielzeit 2016.2017 / Intendant Carsten Ramm / Verwaltungsleiter:
Norbert Kritzer / Redaktion: Katherine Kügler, Barbara Meißner /
Titelbild: Christine Ramm / Fotos: Sonja Ramm