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Lehrbuch der Biophysik von Erich Sackmann, Rudolf Merkel 1. Auflage WILEY-VCH 2010 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 527 40535 0 Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

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Lehrbuch der Biophysik

vonErich Sackmann, Rudolf Merkel

1. Auflage

WILEY-VCH 2010

Verlag C.H. Beck im Internet:www.beck.de

ISBN 978 3 527 40535 0

Zu Inhaltsverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

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Einleitung

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Lehrbuch der Biophysik. Erich Sackmann und Rudolf MerkelCopyright c 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, WeinheimISBN: 978-3-527-40535-0

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1Eine EinfÅhrung in das Studium der Biophysik

1.1Woher kommt und wozu treiben wir Biophysik

Die Biophysik bildet die BrÅcke zwischen der Physik und den Lebenswissenschaf-ten. Sie bringt etwas vom Geiste des achtzehnten und neunzehnten JahrhundertszurÅck, als Naturforscher wie Thomas Young1) oder Hermann von Helmholtz2)

die Physiologie begrÅndeten und der Physik vÇllig neue Gebiete erÇffneten.Heute ist die Biologische Physik eng mit der Physik weicher Materie und kom-plexer Systeme verknÅpft und viele Fragestellungen sind Bestandteil der Statisti-schen Physik geworden. Ein vÇllig neuer und fÅr Physiker ungewohnter Aspektkommt jedoch dadurch ins Spiel, dass biologische Systeme (wie Zellen) aus mo-dularen Untersystemen mit spezifischen Funktionen (wie z. B. den Chromoso-men als Informationsspeicher) aufgebaut sind, die Åber biochemische Signalsys-teme untereinander vernetzt sind. Die Systeme befinden sich weit außerhalb desthermodynamischen Gleichgewichts und verhalten sich meist nichtlinear. Einekleine StÇrung der Zusammensetzung einer Zelle, wie die �nderung einer Ami-nos�ure eines Proteins durch Mutation, kann fatale Folgen haben. Ein Beispiel,das wir weiter unten behandeln werden, ist die Sichelzellan�mie, die durcheine einzige punktuelle Mutation des H�moglobins hervorgerufen wird. Manmuss auch stets bedenken, dass eine aus einem Organ isolierte Zelle (z. B.eine Blutzelle) oder ein aus der Zelle entnommenes Organell auch unter physio-logischen Bedingungen (wie Blutzellen in physiologischer KochsalzlÇsung) vÇlligandere physikalische Eigenschaften besitzen kann als in seiner natÅrlichen Um-gebung. Mit anderen Worten: Biologische Materialien verhalten sich wie kom-plexe Maschinen (z. B. ein Auto), in denen jeder Bestandteil mit allen anderenwechselwirken kann. Ein Fehler in einem Bestandteil, z. B. der ZÅndung, kannfatale Folgen fÅr die Funktion des Autos haben. Daher besitzen unsere Autosmehrere Zylinder. Deshalb ist es notwendig, dass Physiker, die auf einem Gebietder Lebenswissenschaften arbeiten, etwas von der Denkweise der Ingenieure

31.1 Woher kommt und wozu treiben wir Biophysik

1) Thomas Young (* 13. Juni 1773 in Milverton;† 10. Mai 1829 in London) war ein englischerAugenarzt und Physiker.

2) Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz(* 31. August 1821 in Potsdam; † 8. Sep-tember 1894 in Berlin) war ein deutscherPhysiologe und Physiker.

Lehrbuch der Biophysik. Erich Sackmann und Rudolf MerkelCopyright c 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, WeinheimISBN: 978-3-527-40535-0

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Åbernehmen, die gelernt haben, dass man bei der Untersuchung einer Maschinedas Zusammenwirken aller Bauteile im Auge behalten muss.

Die Biophysik verfolgt mehrere Stoßrichtungen. Die eine befasst sich mit derEntwicklung von Methoden zur Untersuchung der Architektur biologischer Ma-terialien von molekularen bis makroskopischen Skalen und versucht ihre physi-kalischen Eigenschaften unter mÇglichst natÅrlichen (in vivo-) Bedingungen zumessen. Hier erÇffnet sich eine breite Spielwiese fÅr junge Physiker mit Freudeam Entdecken. Man kann mit einfachen Methoden (wie mit optischen und mag-netische Pinzetten oder einer Glaspipette gepaart mit einem guten Mikroskop)die physikalischen Eigenschaften der Zellen studieren, vorausgesetzt, man ist be-reit, sich in die Zellbiologie einzuarbeiten. Wer jedoch gerne mit großen Maschi-nen arbeitet, kann die Struktur und Dynamik biologischer Materialien mit Neu-tronen- und RÇntgenbeugung erforschen. Moderne Methoden der RÇntgenbeu-gung mit fokussierten Strahlen erÇffnen vÇllig neue Einblicke in die molekulareArchitektur von Gewebe, Knochen oder Holz [1]. Man kann mit einigem Optimis-mus erwarten, dass die Entwicklung der Spallations-Neutronenquellen und desFreien Elektronenlasers neue Einsichten in die Basis des molekularen Erkennenszwischen Proteinen und DNA, oder die physikalischen Grundlagen der Protein-faltung liefern wird.

Eine zweite Forschungsrichtung ist die von der Biologie inspirierte Physik. Sieversucht, mÇglichst realistische Modelle lebender Materie (wie Membranen, Ge-webe oder Knochen) aufzubauen, um spezifische biologische Prozesse zu imitie-ren. Solche Modelle spielen eine wichtige Rolle, beispielsweise um die Verl�ss-lichkeit neuer physikalischer Methoden zu testen, oder um nach den wesentli-chen physikalischen Parametern zu suchen, welche das biologische Verhalteneines Systems bestimmen. Parallele Untersuchungen natÅrlicher Systeme undvon Modellen helfen auch, BezÅge zur Physik kondensierter Materie herzustel-len. Im Hintergrund steht der Gedanke, die Strategie der biologischen Selbstor-ganisation zur Herstellung neuartiger smarter Materialien einzusetzen. Beispieledieses Bionik genannten Gebietes sind Materialien, die ihre Eigenschaften anwechselnde Umgebungsbedingungen anpassen kÇnnen, wie sich selbst reini-gende Oberfl�chen3) oder bruchfeste Keramiken, wie sie in Prozessen der Biomi-neralisierung entstehen. Im Grenzbereich zwischen Physik und Technik sind Be-mÅhungen angesiedelt, Methoden der Navigation in der Tierwelt zu imitieren. Sohat die Echoortung der Fledermaus die Radartechniker zum Bau des Zirp-Radarsinspiriert. Auch beim Bau von Robotern l�sst man sich gern von der Biologie in-spirieren. So gibt es derzeit zahlreiche Versuche, die F�higkeit der Insekten undSalamander, W�nde hochzulaufen, zu imitieren. Man kÇnnte auf diese Weise Ro-boter zum Fensterputzen bauen.

Ein anderer zukunftstr�chtiger Zweig der angewandten Biologischen Physik istder Bau von Biosensoren durch Aufbau von Enzymsystemen, Biomembranenoder Nervenzellen auf elektro-optischen Bauelementen (beispielsweise zweidi-mensionale Anordnungen von Punkt-Transistoren, die als Nano-Voltmeter fungie-

4 1 Eine EinfÅhrung in das Studium der Biophysik

3) Auch „Lotus-Effekt“ genannt.

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ren [2, 3]). Hier gibt es auch zahlreiche Querverbindungen zur Nanotechnik oderMikrooptik, denn die dort entwickelten Methoden erÇffnen neue MÇglichkeitenzur Messung physikalischer Eigenschaften der Zellen in natÅrlicher Umgebung.

Auf fundamentalere Fragen der Biologie zielt die oft als Systembiophysik be-zeichnete Erforschung der Regulation biologischer Prozesse durch das Wechsel-spiel zwischen biochemischen und genetischen Signalkaskaden, der dadurch be-dingten Modifikation der Materialeigenschaften und der biologischen Funktion.Hier arbeiten Physiker, Mathematiker und Ingenieure miteinander. Eine beson-ders faszinierende Fragestellung dieser Kategorie ist die Entwicklung vom be-fruchteten Ei zum Embryo (oft Morphogenese genannt). Was steuert die Differen-zierung der zun�chst vÇllig identisch erscheinenden Zellen des befruchteten Eisin Neuronen oder Muskelzellen und was legt den Zeitplan der embryonalen Ent-wicklung fest? Ist dies alles im genetischen Code vorbestimmt oder bestimmt dieKopplung zwischen externen �ußeren Kr�ften (wie chemischen Potenzialen odermechanischen Kr�ften) und dem genetischen Apparat den Prozess der Morpho-genese? Es gibt durchaus Hinweise, dass die im genetischen Code gespeichertenInformationen nicht ausreichen, um die Entwicklung komplexer Organe festzu-legen, und dass andere Kr�fte ins Spiel kommen mÅssen. Alan Turing4), der geis-tige Vater des Programmierens, hat uns erstmals gelehrt, wie raum-zeitliche Mus-ter (beispielsweise von SignalmolekÅlen, welche die Entwicklung von Organensteuern) allein durch Zusammenspiel chemischer Potenziale und autokatalyti-scher Prozesse entstehen kÇnnen.

Wir wissen heute, dass die Entwicklung vom befruchteten Ei zum ausgewach-senen Lebewesen vor allem durch die zeitliche Folge der Expression von Genenbestimmt ist. Andererseits zeigt sich auch immer mehr, dass die Zell-Zell-Erken-nung und insbesondere mechanische Kr�fte die Differenzierung und r�umlicheOrganisation der Zellen steuern kÇnnen [4]. Die Aufkl�rung des Wechselspielszwischen Morphogenese und der Physik der Zelle ist eine besonders reizvolleAufgabe fÅr Experimentatoren und Theoretiker.

Immer mehr Physiker finden Interesse an der Gehirnforschung und versuchenzu verstehen, wie das Gehirn die Umwelt wahrnimmt. Ein Meilenstein auf demWeg zur quantitativen Gehirnforschung war die große Entdeckung von DavidHubel5) und Torsten Wiesel6), dass optische Muster, die auf die Netzhaut derAugen projiziert werden, im visuellen Cortex als Erregungsmuster abgebildetwerden. Diese Experimente brachten der Physik neuronaler Netzwerke einenenormen Aufschwung [5].

Es gibt auch einen gesellschaftlichen Grund, die fundamentalen Gesetzm�ßig-keiten der Selbstorganisation und Funktion biologischer Systeme systematischaufzukl�ren. Wir lernen dabei, wie Mutter Natur es schafft, Tausende von Mole-kÅlsorten auf engstem Raum zu Funktionssystemen zusammenzufÅhren und

51.1 Woher kommt und wozu treiben wir Biophysik

4) Alan Mathison Turing (* 23. Juni 1912 inLondon; † 7. Juni 1954 in Wilmslow) war einbritischer Logiker, Mathematiker und Kryp-toanalytiker.

5) David Hunter Hubel (* 27. Februar 1926 inWindsor) ist ein kanadisch/US-amerikani-scher Neurobiologe.

6) Torsten Nils Wiesel (* 3. Juni 1924 in Upp-sala) ist ein schwedischer Neurophysiologe.

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deren Wechselwirkung untereinander so zu organisieren, dass chaotisches Ver-halten vermieden wird. Schließlich schafft die Ausbildung der Studenten aufdem Gebiet der Biophysik eine neue Generation von Physikern, die gelernt hat,mit komplexen Systemen umzugehen und denen die interdisziplin�re Zusam-menarbeit mit Biologen, Mathematikern, Chemikern und Ingenieuren Freudemacht. Wenn wir die wachsenden Probleme mit unserer Umwelt lÇsen wollen,werden so breit ausgebildete Wissenschaftler dringend benÇtigt.

1.2Eine kurze Geschichte der Biologischen Physik

Physik und Biologie haben gemeinsame Ahnen und haben sich oft gegenseitigbefruchtet. Viele Erfindungen neuer physikalischer Messmethoden haben zueinem Entwicklungsschub in der Biologie gefÅhrt. Es gibt aber auch viele Bei-spiele dafÅr, wie Beobachtungen der Biologen zu neue DenkanstÇßen in der Phy-sik fÅhrten.

Ein erster Geburtshelfer der modernen Biologie war der Delfter Kaufmann undgeniale Hobbyforscher Antoni van Leeuwenhoek7), der um 1670 genial einfacheMikroskope baute, mit denen er 200-fache VergrÇßerung erreichte (Abb. 1.1).Diese bestanden aus einer auf einem Kupferring ruhenden Glaskugel, als Be-leuchtung diente eine Kerze. Er beobachtete damit erstmals lebende Zellen (wahr-scheinlich sogar große Bakterien) und berichtete darÅber in zahlreichen Briefenan die Royal Society in London, deren Mitglied er war.

Als zweiten Entdecker der Zelle kann man Robert Hooke8) ansehen. Dieser si-cherlich genialste Experimentator des siebzehnten Jahrhunderts, dessen Nameuns durch sein Gesetz der Elastizit�t bekannt ist, beobachte die Struktur vonKork (Abb. 1.1b) und pr�gte den Begriff der Zelle. Diese Beobachtung und diezahlreichen Berichte Leeuwenhoeks Åber die Existenz und Bewegung von Zellenwurden von den Biologen lange als Spielerei abgetan und so dauerte es noch gut200 Jahre, bis die Idee der Zelle schrittweise akzeptiert wurde. Der Botaniker Mat-thias Schleiden9) propagierte um 1835 die Vorstellung, dass Pflanzen aus gleich-artigen Zellen aufgebaut sind und machte so die Idee der Zelle als kleinste le-bende Einheit unter Biologen popul�r. Theodor Schwann10) Åberzeugte die Medi-ziner von deren Existenz. Der berÅhmte und einflussreiche deutsche Arzt RudolfVirchow11) postulierte um 1855, dass Zellen nur aus Zellen entstehen kÇnnen.

6 1 Eine EinfÅhrung in das Studium der Biophysik

7) Antoni van Leeuwenhoek (* 24. Oktober1632 in Delft; 4. November 1632; † 27. Au-gust 1723 ebenda) war ein niederl�ndischerNaturforscher.

8) Robert Hooke (* 18. Juli 1635 auf der Isle ofWight; † 3. M�rz 1703 in London) war einenglischer Physiker, Mathematiker und Er-finder.

9) Matthias Jacob Schleiden (* 5. April 1804 inHamburg; † 23. Juni 1881 in Frankfurt am

Main) war ein deutscher Botaniker undMitbegrÅnder der Zelltheorie.

10) Theodor Schwann (* 7. Dezember 1810 inNeuss; † 11. Januar 1882 in KÇln) war eindeutscher Physiologe.

11) Rudolf Ludwig Karl Virchow (* 13. Oktober1821 in Schivelbein; † 5. September 1902 inBerlin) war Arzt an der Berliner Charit� undPolitiker.

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Mit dem berÅhmten Satz „Omnis cellula ex cellula“ machte er auch dem auf Aris-toteles zurÅckgehenden Irrglauben von der Entstehung des Lebens aus organi-scher Materie endgÅltig den Garaus.

Ein zweiter methodischer Meilenstein ist die Entwicklung des Elektronenmi-kroskops durch Ernst Ruska12) (1932). Es ermÇglichte erstmals Einblicke in dieWunder der Mikro-Architektur der Zelle und zeigte uns deren Aufbau aus funk-tionellen Kompartimenten. Moderne Weiterentwicklungen wie die Elektronen-beugung spielten eine zentrale Rolle bei der Aufkl�rung der Struktur nicht kris-tallisierbarer Proteine (welche den Großteil aller Proteine ausmachen) und dieElektronentomografie erÇffnete neue MÇglichkeiten, die Feinstruktur der Zellemit einer AuflÇsung von wenigen Nanometern zu beobachten und einzelne Mo-lekÅle zu identifizieren.

Der Siegeszug der modernen Strukturbiologie durch die RÇntgenbeugungwurde von dem Physiker William Bragg13) eingeleitet. Seine Deutung der RÇnt-genbeugung auf der Basis der Abbeschen Theorie14) des Mikroskops fÅhrte zurIdee, das Phasenproblem durch Einbau von Schweratomen in Proteine zulÇsen. Die Realisierung dieser Ideen fÅhrte dann zur Aufkl�rung der molekularen

71.2 Eine kurze Geschichte der Biologischen Physik

Abb. 1.1 (a) Antoni van Leeuwenhoek, (b) das von Robert Hook gezeichnetemikroskopische Bild von Kork.

12) Ernst August Friedrich Ruska (* 25. Dezem-ber 1906 in Heidelberg; † 27. Mai 1988 inBerlin) war ein deutscher Elektrotechniker.

13) Sir William Lawrence Bragg (* 31. M�rz1890 in Adelaide/Australien; † 1. Juli 1971 inWaldringford) erhielt den Nobelpreis 1915gemeinsam mit seinem Vater William HenryBragg fÅr die Aufkl�rung der physikalischenGrundlagen der RÇntgenbeugung an Kris-tallen und die Aufstellung der BraggschenGleichung.

14) Der Physiker Ernst Karl Abbe (* 23. Januar1840 in Eisenach, † 14. Januar 1905 in Jena)ist der BegrÅnder der modernen Optik.Durch seine Theorie der mikroskopischenAbbildung auf der Basis der Lichtbeugunglegte er die Grundlagen zur EntwicklunghochauflÇsender Mikroskope. Diese Theoriebildet auch die Grundlage der RÇntgen-beugung (s. Kapitel 37). Abbe war auch derGrÅnder der Carl-Zeiss-Stiftung und einWegbereiter der modernen Sozialpolitik.

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Struktur des Myoglobins und H�moglobins durch John Kendrew15) und Max Pe-rutz16). Zum ersten Mal erhielten die Biochemiker Einblick in die molekulare Ar-chitektur der Proteine, konnten die Funktion der Enzyme auf molekularen Ebeneverfolgen und sahen, wie elegant die Natur die Probleme des Sauerstofftransportsoder der Speicherung von Elektronen in w�ssriger Umgebung gelÇst hat.

Die ersten Helden der Biophysik waren Thomas Young und Hermann vonHelmholtz, die beide Åber die Medizin zur Physik kamen (Abb. 1.2). ThomasYoung (1773–1829) war nicht nur ein genialer Naturforscher, sondern ist auf-grund seiner Pionierarbeit bei der Aufkl�rung der Hieroglyphen und der Entzif-ferung des Steins von Rosette auch einer der BegrÅnder der �gyptologie. Sein be-rÅhmter Beugungsversuch lieferte den ersten experimentellen Beweis fÅr dieWellennatur des Lichts, brachte ihm aber die Feindschaft des wissenschaftlichenEstablishments in England ein. Er lieferte in Selbstversuchen den Beweis, dassdie Adaption des Auges auf der Deformation der Augenlinse beruht und kl�rtedie Ursache des Astigmatismus auf. Seine Dreifarben-Hypothese des Farbsehensund deren Ausbau durch Helmholtz wurden voll best�tigt. Ebenso wichtig fÅr dieBiologie ist seine Entdeckung des nach ihm benannten Gesetzes der Kapillarit�t.Die Beitr�ge von Helmholtz umfassen die Entwicklung des Augenspiegels unddie ersten Messungen der Transportgeschwindigkeit von Nervensignalen (sieheKapitel 16). Seine Formulierung des Energiesatzes und die Entdeckung der zen-tralen Bedeutung der ZirkulationsstrÇmung fÅr das Fliegen wurden durch die

8 1 Eine EinfÅhrung in das Studium der Biophysik

15) Sir John Cowdery Kendrew (* 24. M�rz 1917in Oxford; † 23. August 1997 in Cambridge)war ein britischer Biochemiker, Molekular-biologe und Nobelpreistr�ger.

16) Max Ferdinand Perutz (* 19. Mai 1914 inWien; † 6. Februar 2002 in Cambridge) warein Çsterreichisch-britischer Chemiker undNobelpreistr�ger.

Abb. 1.2 (a) Hermann von Helmholz (1821–1894), (b) Thomas Young (1773–1829).

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Biologie inspiriert. Seine Entwicklung vom Mediziner zum theoretischen Physi-ker ist ph�nomenal. Als Mediziner begrÅndete er die moderne Physiologie undals Physiker legte er den Grundstein fÅr die zum Ende des neunzehnten Jahrhun-derts einsetzende, rapide Entwicklung der Physik in Deutschland.

Ein BegrÅnder der Biophysik des zwanzigsten Jahrhunderts war Max Del-brÅck17), der den umgekehrten Weg von der Physik zur Biologie ging. Er istder Wegbereiter der modernen Molekularbiologie. Zusammen mit SalvadorLuria18) fÅhrte er 1943 die ersten exakten genetischen Experimente an Bakteriendurch, die zeigten, dass diese gegen ihre Feinde, die Bakteriophagen, durch Mu-tation resistent werden. Max DelbrÅck und Erwin SchrÇdinger19) (in seinem einst-mals berÅhmten Buch „Was ist Leben“ [6]) propagierten auch erstmals die Idee,dass genetische Information in MakromolekÅlen gespeichert wird.

�ber die Klammer der Physiologie war die Beziehung der Physik zur Medizinstets enger als die zur Biologie. Ein schÇnes Beispiel ist die Elektrophysiologie.Die genialen Experimente von Andrew Huxley20) und Alan Hodgkin21) amAxon des Tintenfisches und ihr auf der Idee der Ionenkan�le beruhendes Modellerregbarer Membranen bildet auch heute noch die Basis der Elektrophysiologie.Hier wurde zum ersten Mal deutlich, was exakte physikalische Messungen inden Lebenswissenschaften leisten kÇnnen und wie wichtig diese sind, um dieBiologie zu einer quantitativen Wissenschaft zu machen.

Ein anderer Pionier des frÅhen zwanzigsten Jahrhunderts, im Grenzgebiet zwi-schen Physik und Medizin, war Georg von B�k�sy22). Durch sehr einfache, abergeniale Experimente zeigte er, dass akustische Schwingungen in der Schnecke(Cochlea) des Innenohres in Wanderwellen entlang der Basilar-Membran umge-setzt werden. Seine Experimente zeigten, wie wichtig die Mechanik und Hydro-dynamik in der Biologie sind und brachte viele Physiker und Ingenieure dazu,sich mit lebender Materie zu befassen. Die Umsetzung mechanischer Kr�fte inelektrische Signale durch die Haarzellen ist ein besonders interessantes, nochweitgehend ungelÇstes physikalisches Problem der Zellbiologie, auf das wir imKapitel HÇren kommen werden.

Kommen wir nun zur Befruchtung der Physik durch die Biologie. Die promi-nentesten Beispiele sind die Entdeckung des allgemeinen Energiesatzes durch Ju-lius von Mayer23) und Hermann von Helmholtz sowie die Theorie der Brown-

91.2 Eine kurze Geschichte der Biologischen Physik

17) Max DelbrÅck (* 4. September 1906 in Ber-lin; † 9. M�rz 1981 in Pasadena) war eindeutsch-amerikanischer Genetiker, Biophy-siker und Nobelpreistr�ger.

18) Salvador Edward Luria (* 13. August 1912 inTurin; † 6. Februar 1991 in Lexington) warein US-amerikanischer Mikrobiologe undNobelpreistr�ger italienischer Abstammung.

19) Erwin Rudolf Josef Alexander SchrÇdinger(* 12. August 1887 in Wien; † 4. Januar 1961ebenda) war ein Çsterreichischer Physikerund Nobelpreistr�ger.

20) Sir Andrew Fielding Huxley OM (* 22. No-vember 1917 in Hampstead) ist ein engli-

scher Biophysiker, Physiologe und Nobel-preistr�ger.

21) Sir Alan Lloyd Hodgkin (* 5. Februar 1914 inBanbury; † 20. Dezember 1998 in Cam-bridge) war ein englischer Biochemiker undNobelpreistr�ger.

22) Georg von B�k�sy (* 3. Juni 1899 in Buda-pest; † 13. Juni 1972 in Honolulu) war einungarisch-US-amerikanischer Physiker,Physiologe und Nobelpreistr�ger.

23) Julius Robert von Mayer (* 25. November1814 in Heilbronn; † 20. M�rz 1878 ebenda)war ein deutscher Arzt und Physiker.

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schen24) Bewegung durch Albert Einstein25). Mayer beobachtete als Schiffsarzt aufJava, dass das in den Venen zum Herzen zurÅckfließende Blut der Hafenarbeiterin den Tropen heller ist, als in gem�ßigten Zonen. Er wusste auch, dass das Blutumso heller ist, je mehr Sauerstoff es enth�lt. Er schloss daraus, dass die Arbeiterin den Tropen bei gleicher Arbeitsleistung weniger Sauerstoff (und damit Energie)verbrauchen als in gem�ßigten Zonen, da weniger W�rme an die Umgebung ab-gegeben wird. Dies fÅhrte ihn auf die Idee, dass W�rme und mechanische Arbeit�quivalente Energieformen sind, und er bestimmte aus physiologischen Messun-gen sogar das mechanische W�rme�quivalent. Seine Intuition allein reichte jedochnicht aus, um der Idee in der Physik zum Durchbruch zu verhelfen. Erst demtheoretischen Genie Helmholtz gelang 1843 die allgemeine Formulierung desEnergiesatzes [7]. Seine mit 26 Jahren verfasste Arbeit wurde jedoch nicht zurPublikation in den Annalen fÅr Physik und Chemie angenommen und so hatteder Energiesatz auch nach seiner Arbeit einige MÅhen, sich durchzusetzen.

Einsteins Deutung der Beobachtung des Botanikers Robert Brown, dass B�rlapp-samen in Wasser wirre Bewegungen ausfÅhren, hat die Physik zu Beginn des Jahr-hunderts fast �hnlich stark beeinflusst wie die Plancksche Strahlungsformel. Nachdem experimentellen Beweis der Theorie der Brownschen Bewegung durch denfranzÇsischen Physiker Jean-Baptiste Perrin26) akzeptierten auch die skeptischenPhysiker das Konzept der atomistischen Struktur der Materie. Zuvor gab es erstau-nlicherweise unter Physikern erhebliche Zweifel. Dies zeigt ein Blick in das um dieJahrhundertwende sehr einflussreiche Buch von Ernst Mach27) „Die Mechanik“, indem das Konzept als reines Denkmodell abgetan wurde [9].

Die historischen Beispiele zeigen, dass die Physik eine zentrale Rolle bei derEntwicklung neuer Methoden zur Untersuchung der Struktur und Funktion bio-logischer Materie spielte. Aber kann die Physik auch prinzipielle Fragen der Bio-logie kl�ren? Nach Jacques Monod28), dem großen franzÇsischen Genetiker, istLeben zwar mit den Gesetzen der Physik kompatibel, wird aber nicht durch phy-sikalische Gesetze kontrolliert. Noch radikaler �ußerte sich der bekannte Seniorder Entwicklungsbiologie, Ernst Mayr29), der behauptete, die Physik spiele inder Biologie Åberhaupt keine Rolle und habe praktisch nichts zur Deutung leben-der Materie beigetragen [10].

Solche Aussagen wurden durch die Entwicklung der Biologischen Physik wi-derlegt. Um beispielsweise die Zusammenh�nge zwischen der molekularenStruktur und der Funktion der Proteine oder die molekularen Mechanismen

10 1 Eine EinfÅhrung in das Studium der Biophysik

24) Benannt nach Robert Brown (* 21. Dezem-ber 1773 in Montrose; † 10. Juni 1858 inLondon), einem schottischen Botaniker.

25) Albert Einstein (* 14. M�rz 1879 in Ulm;† 18. April 1955 in Princeton) war ein Phy-siker und Nobelpreistr�ger.

26) Jean-Baptiste Perrin (* 30. September 1870in Lille; † 17. April 1942 in New York) warein franzÇsischer Physiker und Nobelpreis-tr�ger.

27) Ernst Mach (* 18. Februar 1838 in Chirlitz-Turas; † 19. Februar 1916 in Haar) war ein

Physiker, Philosoph und Wissenschaftstheo-retiker.

28) Jacques Lucien Monod (* 9. Februar 1910 inParis; † 31. Mai 1976 in Cannes) war einfranzÇsischer Biochemiker und Nobelpreis-tr�ger.

29) Ernst Walter Mayr (* 5. Juli 1904 in Kemp-ten; † 3. Februar 2005 in Bedford) war eindeutsch-amerikanischer Biologe und derHauptvertreter der modernen synthetischenEvolutionstheorie.

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der genetische Expression zu verstehen, reichen die Genetik und Biochemie nichtaus. Der genetische Code legt zwar die Prim�rstruktur der Proteine fest, aber diespezifische Faltung der Proteine oder der Aufbau komplexer biochemischer Ma-schinen wie Membranen oder Muskeln wird durch formabh�ngige zwischenmo-lekulare Kr�fte und damit durch physikalische Gesetze bestimmt. Sie kontrollie-ren die Selbstorganisation der molekularen Bausteine zu funktionellen Modulenund ermÇglichten, zusammen mit den Skalengesetzen der Physik, die EvolutionhÇherer Lebensformen. Dies ist das Thema des n�chsten Abschnitts.

1.3Leben als Zusammenspiel von Genetik und Physik

Wir sind fasziniert und Åberw�ltigt von der schier unendlichen Vielfalt von Le-bensformen, die sich Åber gut acht GrÇßenordnungen der L�ngenskala erstre-cken. Diese Vielfalt erstaunt uns noch mehr, seit wir wissen, dass der BauplanfÅr die Entwicklung aller Lebewesen durch die Anordnung der Basenpaare inder DNA-Doppelhelix festgelegt ist, sodass jedes sein eigenes Genom besitzt.In Anbetracht der Komplexit�t lebender Materie stellt sich insbesondere dieFrage, ob die auf der DNA gespeicherte Information allein ausreicht, den BauplanfÅr die Entwicklung eines Lebewesens vom befruchteten Ei zu ausgewachsenenTieren oder Pflanzen festzulegen. Tats�chlich ist die Situation einfacher, alsman bei Betrachtung von Abb. 1.3 zun�chst denkt, denn Mutter Natur schafftdie Vielfalt der Lebewesen durch Kombination einer erstaunlich kleinen Zahl mo-lekularer Grundbausteine und MakromolekÅle, wie wir weiter unten sehen wer-den. Dies gelingt ihr durch das Wechselspiel zwischen der genetischen Informa-tion und der Physik (und natÅrlich der Chemie) der lebenden Materie. Zwei Prin-zipien spielten bei der Entstehung des Lebens eine zentrale Rolle:

x die Selbstorganisation smarter molekularer Bausteine durch formabh�ngigezwischenmolekulare Kr�fte, und

x der hierarchische Aufbau der Materie aus nahezu identischen, spezifischeFunktionen erfÅllenden Modulen.

111.3 Leben als Zusammenspiel von Genetik und Physik

Abb. 1.3 Eine Auswahl der Vielfalt der Lebensformen, die sich Åber neun GrÇßenordnungender L�ngenskala erstreckt.

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1.3.1Die Erfindung der molekularen Elektronenspeicher

Die Natur hat in der frÅhen (pr�biotisch genannten) Phase der Evolution eineFÅlle smarter MolekÅle gefunden, um die chemischen Reaktionen zu kontrollie-ren und die makromolekularen Bausteine des Lebens unter kontrollierten Bedin-gungen zu formen. Wir betrachten als Beispiel die Entstehung der Zwischenspei-cher fÅr Elektronen, wie das in Abb 1.4 gezeigte Cytochrom C. Dieses Protein ent-stand vor rund drei Milliarden Jahren (also schon rund 1,5 Milliarden Jahre nachder Entstehung der Erde). Viele biochemische Reaktionen wie die Spaltung desSauerstoffes in der Atmungskette (d. h. w�hren der oxydativen Phosphorylierung),sind mit einem Transfer von Elektronen zwischen den beteiligten MolekÅlen ver-knÅpft. Freie Elektronen kÇnnen in Wasser nur fÅr ca. eine milliardstel SekundeÅberleben und vereinen sich danach mit WassermolekÅlen, unter Erzeugung le-bensgef�hrlicher Radikale (Abb. 1.4a). Daher musste die Natur eine Methode fin-

12 1 Eine EinfÅhrung in das Studium der Biophysik

Abb. 1.4 Speicherung der bei der Spaltungdes Sauerstoffs (O2) entstehenden Elektronenauf Eisen-Ionen (a), die in das organischeMolekÅl Porphyrin eingebunden sind (b).Dieser Komplex kann seinerseits in verschie-dene Proteine eingebettet werden, um abge-schlossenen R�ume zu schaffen, in denen

Reaktionen ungestÇrt ablaufen kÇnnen. DasProtein Cytochrom C dient dem Aufbau vonElektronen-Transferketten in den Membranender Mitochondrien, in denen die biologischnutzbare Energie in Form des Adenosin-triphosphats (ATP) geschaffen wird (c).

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den, die Elektronen so zwischenzuspeichern, dass sie in kontrollierter Weise wie-der auf andere MolekÅle Åbertragen werden kÇnnen. Wie jeder Chemiker weiß,ist ein optimaler Weg dazu die Bindung an Metallionen wie Eisen (nach der Reak-tion Fe3+ + e– m Fe2+) und die Bindung dieser Ionen an organische MolekÅle (wiePorphyrine, Abb. 1.4b). Durch Einbetten der Metallion-Porphyrin-Komplexe inProteine schaffte die Natur begrenzte Reaktionsr�ume, in denen die Prozessekontrolliert ablaufen kÇnnen (Abb. 1.4c).

1.3.2Selbstorganisation smarter MolekÅle durch formabh�ngige zwischenmolekulareKr�fte

Das wohl wichtigste Beispiel einer formabh�ngigen zwischenmolekularen Kraftist die WasserstoffbrÅcke (oder H-BrÅcke; Abb. 1.5). Diese bildet sich mit Ato-men, wie Sauerstoff und Stickstoff, die eine hohe Affinit�t fÅr Elektronenhaben. Sie teilen sich das von einem Wasserstoffatom eingebrachte Elektron. Die-ses oszilliert zwischen den beiden Atomen hin und her und sorgt fÅr eine Attrak-tion zwischen den MolekÅlen. Diese BrÅcken spielen fÅr die physikalischen Ei-genschaften des Wassers eine ungeheuer wichtige Rolle. Sie sorgen z. B. dafÅr,dass Wasser bei 4 hC eine hÇhere Dichte hat als Eis und die Seen und FlÅssedaher im Winter nicht bis auf den Grund gefrieren. Es ist kein anderer Stoff be-kannt, der �hnliche Eigenschaften besitzt, die Vielfalt des Lebens in der jetzigenForm konnte nur in Wasser entstehen.

Der fÅr die Selbstorganisation der Biomaterialien wichtigste Punkt ist, dass dieBindungsst�rke maximal ist, wenn das Proton und die beiden beteiligten Bindun-gen (O C und O C im Fall der Abb. 1.5) auf einer Linie liegen. Die Richtungs-abh�ngigkeit der Bindungsst�rke sorgt dafÅr, dass sich Polypeptide richtig falten.Sie ist absolute Voraussetzung fÅr die Spezifit�t der Basenpaarung in der DNAund damit fÅr die hohe Zuverl�ssigkeit der Umsetzung der genetischen Informa-tion in Proteine stets gleicher Struktur. Zusammen mit SalzbrÅcken (Bindungenzwischen entgegengesetzt geladenen Aminos�uren) sorgt sie dafÅr, dass sichzwei Sorten von Proteinen unter Millionen anderen in der Zelle mit hoher Zuver-l�ssigkeit erkennen, sodass nur sie zusammen reagieren kÇnnen. Abbildung 1.5 czeigt ein Enzym, das ein anderes MolekÅl spaltet, wobei es sich um den Abbaueines Proteins (S) aus der Nahrung durch ein Enzym (E) im Magen handelnkÇnnte. Die Form der Bindungstasche des Enzyms ist so an die Form des zu spal-tenden MolekÅls angepasst, dass die Attraktion durch die WasserstoffbrÅcken op-timiert ist. Die Situation erinnert an die Passung des SchlÅssels in das Schlossund man spricht daher auch von molekularen „Schloss und SchlÅssel-“ Kr�ften.Die genaue Form der Bindungstasche ist durch die Art und die Anordnungder Aminos�uren in dem Enzym bestimmt, die im Gen festgelegt ist. Kleine�nderungen der Struktur des Enzyms, die durch Einbau einer einzigen falschenAminos�ure (Punkt-Mutation genannt) entstehen, kÇnnen fatale Folgen fÅrdie Funktion unseres Organismus haben und sind oft die Ursache chronischerErkrankungen.

131.3 Leben als Zusammenspiel von Genetik und Physik

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1.3.3Der Muskel als Musterbeispiel der hierarchischen Struktur biologischer Materie

Hier betrachten wir die Fortbewegung der Lebewesen. Von eukaryontischen Zel-len Åber Spermien bis zum Menschen dienen dazu molekulare Linearmotoren.Diese bestehen aus einem hebelartigen Motor (Myosin im Fall des Muskels)und einer Laufschiene (dem Aktinfilament, Abb. 1.6). Das Myosin ist selbst wie-der ein modular aufgebautes Protein, das aus einem Funktionsteil (dem krafter-zeugenden Arm) und einem der Assoziation mit anderen Bausteinen dienendenStamm besteht (Abb. 1.6b). Die molekulare Struktur dieser Dom�ne bestimmtdie Funktion der Motoren. Durch Assoziation der St�mme entstehen einige Mik-

14 1 Eine EinfÅhrung in das Studium der Biophysik

Abb. 1.5 (a) WasserstoffbrÅcke: Prototypeiner formabh�ngigen zwischenmolekularenKraft. Das Potenzial ist minimal fÅr WinkelU z 180h und nahezu Null, wenn dieBindungen senkrecht aufeinander stehen.(b) Stabilisierung der a-Helix-Struktur derProteine und der DNA-Doppelhelix durchOptimierung der Wasserstoff-BrÅckenzwischen den Basen der Ribonukleins�uren.(c) Passung eines kleinen MolekÅls in die

Bindungstasche eines Enzyms. Die Formender Bindungstasche und des MolekÅls sind soaufeinander abgestimmt, dass die Anzie-hungskr�fte durch die Wasserstoff-BrÅckenoptimiert werden. Die Situation gleicht derPassung des SchlÅssels zum Schloss, manspricht daher von molekularen Schloss-SchlÅssel-Kr�ften. Der rechte Ausschnitt zeigtDetails der zwischenmolekularen Bindung.

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rometer lange, bipolare BÅndel. Diese assoziieren mit den Aktinfilamenten zuden regelm�ßig aufgebauten Sarkomeren, die sich schließlich zu den Muskelfa-sern unserer Skelettmuskeln zusammenlagern. In den Zellen (wie den unsereBlutgef�ße umschließenden glatten Muskelzellen) organisieren sich die beidenKomponenten zu weniger regelm�ßig aufgebauten Mikromuskeln.

1.3.4Biomineralisierung als Prototyp der Selbstorganisation biologischer Materie

Abbildung 1.7 zeigt die Bildung der �ußeren Schale einer Meeresschnecke auskristallinen Pl�ttchen des Calcium-carbonats (CaCO3). CaCO3 bildet in Åbers�ttig-ter w�ssriger LÇsung nadelfÇrmige Kristalle, aus denen sich durch Sintern eineArt Keramik herstellen ließe. Da solche Materialien sehr brÅchig sind, hat dieNatur den Trick des schichtweisen Wachstums (Epitaxie genannt) erfunden,um die Bildung einer pl�ttchenfÇrmigen Modifikationen des CaCO3 (auch alsAragonit bekannt) zu erzwingen. Dabei dienen Filme aus dem Polysacharid Chi-

151.3 Leben als Zusammenspiel von Genetik und Physik

Abb. 1.6 (a) Hierarchischer Aufbau desSkelettmuskels aus molekularen Linearmoto-ren, bestehend aus dem MotormolekÅl Myo-sin und Aktinfilamenten als Laufschienen (b).Myosin assoziert spontan zu bipolaren BÅn-deln, aus denen die krafterzeugenden Arme

herausragen. Die dicken BÅndel des Myosinsund die dÅnnen Aktinfilamente bilden dieSarkomere. Diese Elementarmotoren desMuskels lagern sich zu den Mikrofibrillen desSkelettmuskels zusammen.

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tin und negativ geladenen Proteinen als zweidimensionales Templat. An dessenOberfl�che bildet sich ein Gitter aus negativen Aminos�uren aus, das CaCO3 dazubringt, plattenfÇrmige Kristalle zu bilden. Es entsteht so ein schichtartig aufge-bautes Keramik-Verbundmaterial mit außergewÇhnlichen elastischen Eigenschaf-ten. Obwohl es nur wenige Prozent an bio-organischem Material enth�lt, ist eseinige 1000-mal resistenter gegen Bruch als technische Keramiken. Die Ausbrei-tung von mikroskopisch kleinen Rissen wird durch den organischen Bestandteilbehindert. Es gibt derzeit viele BemÅhungen, die Prozesse der Biomineralisie-rung technisch nachzuahmen.

1.3.5Skalengesetze der Physik als Konstruktionsprinzip

Als Kind ist man von der Idee begeistert, dass auf dem Mond viel grÇßere Men-schen und Tiere leben kÇnnten als auf der Erde. In der Schule lernt man dann,dass es an der Schwerkraft liegt, aber versteht nicht, warum. Tats�chlich ist diesein sehr einfaches aber lehrreiches Beispiel dafÅr, dass die Grenzen des Wachs-tums nicht durch die Genetik, sondern durch Skalengesetze der Physik bestimmtsind. Dies hat uns schon Galileo Galilei30) am Beispiel der Grenzen des GrÇßen-wachstums der Tiere gezeigt (Abb. 1.8).

16 1 Eine EinfÅhrung in das Studium der Biophysik

Abb. 1.7 Bildung von Schalen der Weichtiere(Mollusken) aus schichtartigen Anordnungenvon Pl�ttchen aus Calcium-carbonat CaCO3

(Aragonit) (a). W�hrend CaCO3 aus w�ssrigerLÇsung zu langen Nadeln kristallisiert (links

unten), nutzt die Natur den Trick desepitaktischen Kristallwachstums auf Filmenaus Proteinen mit negativen Seitengruppen(b) [11].

30) Galileo Galilei (* 15. Februar 1564 in Pisa; 8. † Januar 1642 in Arcetri) war ein italienischerMathematiker, Physiker und Astronom.

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Bei einer VergrÇßerung der Dimension L eines Wirbeltieres um den Faktor l

nimmt das Gewicht mit der dritten Potenz, der Durchmesser der Knochenaber nur mit dem Quadrat des Faktors l zu. Unter der Annahme, dass sich Kno-chen wie elastische St�be verhalten, w�chst deren mechanische Stabilit�t etwamit l2. Der Knochendurchmesser mÅsste daher etwa mit l3/2 steigen, um die me-chanische Stabilit�t des grÇßeren Lebewesens zu gew�hrleisten.

Zum Beweis seiner These zeigte er, dass die auf dieselbe L�nge normierteDicke der Knochen der Gazellenbeine um mehr als einen Faktor zwei kleinerist als die des Bisons. Ein Ausweg w�re gewesen, stabileres Knochenmaterialzu entwickeln, aber dazu war die Evolution schon zu weit fortgeschritten. Einewichtige Rolle spielten die Skalengesetze der Hydrodynamik bei der Evolutionder Mechanismen des Schwimmens beim �bergang von Einzellern zu Fischen,wie wir in Kapitel 21 und 22 Åber Bakterien sehen werden.

1.3.6Die Natur als Konstrukteur

Die Skalengesetze haben die Evolution nicht nur behindert, sondern sie wurdenvon der Natur auch ausgenutzt, um erstaunliche F�higkeiten der Tiere und Pflan-zen zu entwickeln.

Wir mÇgen Fliegen nicht, aber wir beneiden sie um ihre F�higkeit, die W�ndehoch oder an der Decke entlang zu laufen. Noch beeindruckender ist diese F�hig-keit bei Eidechsen oder den mehreren 10 cm langen Geckos. Auch hier haben Siesich sicherlich schon gefragt, wie die Tiere das machen und ob man dies nichtauch lernen kÇnnte. Erstaunlicherweise wird die Haftung der FÅße auf der Ober-fl�che durch unspezifische van der Waals31)-Kr�fte vermittelt, die auch fÅr die Ko-

171.3 Leben als Zusammenspiel von Genetik und Physik

Abb. 1.8 (a) Galileo Galilei, (b) Skalengesetzund Grenzen des GrÇßenwachstums derWirbeltiere. Abgebildet sind die auf dieselbeL�nge normierten Beinknochen des Wisents(Z 800 kg) und der Gazelle (80 kg). Das

GrÇßenverh�ltnis ist l Z 2, w�hrend sich dieKnochendicken wie 2:1 verhalten. Ein Teil derStabilsierung muss daher auch durch ErhÇ-hung der Knochendichte kompensiert wordensein.

31) Benannt nach Johannes Diderik van derWaals (* 23. November 1837 in Leiden;

† 8. M�rz 1923 in Amsterdam), einemniederl�ndischen Physiker.

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h�sionskr�fte zwischen MolekÅlen verantwortlich sind. Um zu verstehen, wie dieNatur es schafft, durch diese schwachen Kr�fte relativ große Tiere festzuhalten, ver-gleichen wir die Fußsohlen verschiedener Tiere, wie Fliegen, Spinnen oder Geckos,mit unseren. W�hrend letztere glatt sind, besitzen die der Insekten und Echsenviele kleine Borsten (sog. Setae). Diese bestehen aus Keratin, sind an der Spitze ver-breitert und besitzen eine glatte Oberfl�che (Abb. 1.9). Der Vergleich der verschie-denen Tiere zeigt: Je grÇßer das Gewicht, umso dÅnner und dichter angeordnetsind die FÅßchen. Es gilt folgendes empirisches Skalengesetz zwischen der Zahlder Borsten pro Fl�che (der Borstendichte n) und der Masse (m) des Tieres [12]:

n = konst m2/3 (1.1)

Das ist ein interessantes Ergebnis. Es besagt: W�hrend die Fliege (mit 80 Milli-gramm Gewicht) mit 105 Borsten pro mm2 auskommt, benÇtigen Geckos mitihrem 1000-mal grÇßeren Gewicht einige 107 Borsten pro mm2. Wie kann mandas Skalengesetz verstehen?

Man kann das Skalengesetz (Gl 1.1) auf der Grundlage des berÅhmten Modellsvon Johnson, Kendall und Roberts Åber die Adh�sion von deformierbaren elasti-schen Stempeln auf Unterlagen verstehen. Die wichtigste Aussage dieser Theorieist, dass die Haftkraft proportional zum Radius R der Stempel ist. Wenn wir alsoz. B. den Fuß in N Stempel mit dem Radius�N aufteilen, so erhÇht sich offenbardie Haftkraft um den Faktor N1/2, falls die Gesamtfl�che erhalten bleibt.

18 1 Eine EinfÅhrung in das Studium der Biophysik

Abb. 1.9 (a) Gecko und VergrÇßerung einesGeckofußes. Man beachte die auf der Innen-seite der FÅße parallel angeordneten Lamel-len. Sie bestehen aus den im unteren Bildgezeigten Borsten (Setae) aus Keratin. Diesef�chern an den Enden in bis zu hundert nochfeinere H�rchen mit ca. ein zehntausendstel

Millimeter Durchmesser (Spatula genannt)auf. (b) Vergleich der Setae der Fliege und desGeckos. Man beachte, dass die Enden derSpatulae in beiden F�llen etwas aufgeweitetsind und eine sehr glatte Oberfl�che besitzen(modifiziert nach [12] mit Genehmigung derAutoren).

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Um diese Aussage der Theorie zu verstehen, nehmen wir an, die Enden derzylinderfÇrmigen Spetae seien Kugelkappen mit Radius R (d. h. R ist gleichdem Zylinderradius). Werden diese mit der Schwerkraft FS = mg auf die Unter-klage gedrÅckt, so werden die Spitzen der Borsten abgeflacht und bilden eineKontaktfl�che mit dem Radius a. Nach dem berÅhmten Hertz-Modells der Defor-mation von FestkÇrperoberfl�chen durch solche Stempel ist der Radius der Kon-taktfl�che sehr schwach von der Kraft F abh�ngig. Es gilt:

a3zREs1F

wobei E der Young-Modul der Borsten ist. Wird die Schwerkraft durch die Adh�-sion verst�rkt, so erhÇht sich die Kontaktfl�che etwas. Vernachl�ssigen wir diesenEffekt, so ist der Gewinn an Adh�sionsenergie: Wad z –p a2 G, wobei G aufgrundder Koh�sionskr�fte die spezifische Oberfl�chenenergie (in J/m2) ist. Daraus folgtfÅr die Entbindungskraft F* = dWad/dh, wobei dh die durch die Kraft erzwungeneAuslenkung der Kugel in Normalenrichtung darstellt. Nun besteht die bekanntegeometrische Beziehung zwischen dd und der Kontaktfl�che (pa2) der Kugel-kappe: dh z a2/2R und daher wird die Entbindungskraft:

F* = dWad/dh = p GR

Dieses Ergebnis stimmt bis auf den Faktor 3/2 mit der strengen Johnson-Kendall-Roberts-Theorie Åberein. Man kann mit einiger MÅhe auch zeigen, dass die Ent-bindungskraft fÅr Borsten mit sph�rischen Kappen mit m2/3 zunimmt, in guter�bereinstimmung mit der Beobachtung (Gl. 1.1). Der interessierte Leser seiauf die Orginalarbeit verwiesen [12].

Von generellem Interesse ist der Befund, dass die durch �ußere Kr�fte vermit-telte Kontaktwechselwirkung zwischen festen KÇrpern wesentlich durch derenelastische Deformation bestimmt wird. Dieser Effekt bestimmt die Haftreibungzwischen festen KÇrpern (z. B. zwischen den Autoreifen und der Straße) undspielt so eine wichtige Rolle in unserem t�glichen Leben und in der Technik.Wie wir in Kapitel 13 sehen werden, bestimmt dieser Zusammenhang auch dieHaftung zwischen Zellen.

NatÅrlich gibt es derzeit viele BemÅhungen, den Trick der Geckos fÅr techni-sche Zwecke auszunutzen, beispielsweise zum Bau von Robotern, welche senk-recht die W�nde hoch fahren kÇnnen. Ein Traum ist natÅrlich, Schuhe fÅr Men-schen zu bauen, die uns die F�higkeit der Geckos verleihen. Nach der obigen For-mel mÅsste die Zahl der Setae etwa nochmals um einen Faktor 1000 dichter wer-den als beim Gecko, was kaum mÇglich erscheint. Ein Hoffnungsschimmer ist,dass die Geckos bei jedem Schritt mit weniger als einem Prozent der FÅßchen dieOberfl�che kontaktieren mÅssen, um sich festzuhalten.

Man hofft auch, durch Ver�nderung der Materialeigenschaften der FÅßchen dieSituation zu verbessern.

191.3 Leben als Zusammenspiel von Genetik und Physik

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20 1 Eine EinfÅhrung in das Studium der Biophysik