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z8. OKTOBER 193o KLINISCI-tE WOCHENSCI-tRIFT. 9. ]AHRGANG. Nr. 42 1969 Die Hernie der rechten Seite ist durch die Injektionsbehandlung nicht gebessert worden, es sind im Gegenteil auf dieser Seite Schmer- zen aufgetreten, die vordem nicht vorhanden waren, so dab Pat. das Bruchband nicht mehr tragen kann. Bei der Untersuchnng zeigt sich rechts eine doppelt pfiaumengroBe nicht reponible Hernie, links eine solehe yon Pflaumengr6Be, welche mit lvlfihe reponibel ist. Es wurde in LokalanXsthesie die rechtsseitige Hernie operiert. Dabei gestaltet sich das Freilegen des Bruchsackes, welcher derb und schwielig ist, ~uBerst schwierig. Das Gewebe knirscht unter dem Messer, und der Samenstrang mug aria demihn ummauernden Narbengewebe f6rmlich ,,herausgemeigelt" werden. Auch in diesem Falle hat man den Eindruck, dab der Samenleiter in seiner Lichtung ver6det ist, was sich natfirlich ohne Er6ffnung desselben nicht beweisen l~Bt. Mit Mfihe gelingt es, in dem narbigen Gewebe eine Bassininaht zustande zu bringen. Ob diese halten wird, ist fraglich, denn auch das Leistenband wies erhebliche Ver~nderungen in seiner Faserung auf und war eigentlich nur noch ein Narbenstrang. Ant die Operation der linken Seite wurde verzichtet, da den Pat. die doppelseitige Hernienoperation zu sehr angestrengt hXtte. Be- merkenswert ist aber besonders, dab sich in dem narbigen Bruchsack ein breit mit der Bruchsackwand verwachsener Netzzipfel land, also ein Zustand, der doeh vielleicht ehlmal zu einem Ileus h~tte ffihren k6nnen, wie es in dem Falle yon MAGNrJS war, den ich in meiner ersten Ver6ffentlichung angeffihrt babe. t~a~Z 3: E. P,, 43 Jahre alt. Im Jahre 1928 wurde Pat. wegen schwerer eitriger Appendicitis mit Perforation der Appendix bier operiert. Die Wunde muBte drainiert und tamponiert werden, nnd es bildete sich, wie nicht anders zu erwarten, eine Narbenhernie. Im April 193 ~ begab sich Pat. zu dem ,,Facharzt fiir operationslose Bruchbehandlung". Von diesem wurden Alkoholeinspritzungen vorgenommen. Die ,,erste oder Hauptkur" yon 2o Spritzen war gerade beendet, als Pat. einen heftigen Schmerz in der Gegend des Narbenbruches versptirte. Die Haut darfiber war entztindlich ge- r6tet. Ant telephonische Anfrage seitens des Ehemanns erkl~rte der einspritzende Arzt die Beschwerden f~r belanglos, da sich weder Er- brechen noch Stnhlbeschwerden eingestellt h~tten. In der Folgezeit bestand die Behandlung in feuehten Verb~nden und dem Tragen einer festen Bandage. Da die Erscheinungen sich jedoch nicht besserten, wurde Pat. yon einem anderen Arzt ins Krankenhaus eingewiesen. Bei der Aufnahme zeigte sich die Gegend der alten Operationsnarbe in fiber handgroBem Bereich stark entztindlich ger6tet, war XuBerst drnckschmerzhaft, und man ftihlte such unter der Narbe ein emphysemartiges Knistern. Bei der Incision entleerte sich reichlich nach Coli stinkender Eiter, Gasblasen und Stuhl. Die naehfolgende Untersuchung ergab das Bestehen einer Dfinndarmfistel, wegen der Pat. zurzeit noch in Behandlung steht. Zur SchlieBung der Fistel wird sich aller Voraussicht nach eine ernente Operation mit Resektion der die Fistel enthaltenden Dtinn- darmschlinge n6tig machen, ein Eingriff, der als schwere und gef~hr- liche Operation zu gelten hat, Es ist eigentlich fiberflfissig, diesen Krankengeschichten noch erl~uternde Worte hinzuzuffigen. Sie belegen erneut die auBer- ordentliche GefXhrlichkeit der Alkoholinjektionsbehandlung, und es smite unter ~rzten kein Zweifel mehr fiber die Unzul~ssigkeit dieser Methode bestehen. Zum mindesten aber beweisen alle die angeffihrten F~lle, dab die Bezeichnung ,,operationslose Bruch- behandlung!' falsch ist. Es sind in Wirklichkeit eine groBe Anzahl operativer Eingriffe, yon denen jeder einzelne schwere Gefahren in sich birgt. Ob diese Eingriffe mit dem Messer oder mit der Spritze ausgeffihrt werden, ~ndert an ihrem Charakter ats Operation gar nichts. In meiner ersten Arbeit habe ich die Vermutung ausgesprochen, daJ3 vor allem die Samenstranggebilde dutch die Alkoholinjektionen in Mitleidenschaft gezogen werden, und dab ich nach dem Aussehen des Funiculus spermaticus bei den yon mir nachoperierten FXllen nicht mehr an dessen Durchg~ngigkeit glaube. Der oben angefflhrte erste Fall erscheint mir als vollkommener Beweis ffir diese Ver- mutung. Es ist wohl kein Zweifel, dab die ttodenatrophie dutch die Alkoholeinspritzungen verursacht wurde, und damit ist der Fall gegeben, dab ein vorher zeugungsf~higer Mensch steril gemacht worden ist. Weiterhin babe ich in der ersten Arbeit dargetan, dab seitens der,,Fach~rzte f fir operationslose Bruchbehandlung" viele Menschen mit einfacher ,,weicher Leiste" behandelt werden, bei denen ein Leistenbruch gar nicht besteht. Der Tall iist vor der Bruch- injektionsbehandlung yon einem Chirurgen beobachtet worden, welcher eine Operation als nicht erforderlich angesehen hat. Das li~Bt sich nicht anders deuten, als dab keine Hernien vorhanden waren, denn es ist sonst nicht einzusehen, warum die Operation yon dem Chirurgen nicht geraten wurde. Bei derartigen F~llen, die gar keinen Leistenbruch haben, ist es dann allerdings kein l~unststflck, auch nach der Injekfionsbehandlung das Fehlen elner Hernie darzutun. Interessant ist der zweite Fall in bezug auf die Wirkung der Alkoholinjektionen bei einer weichen Leiste. Ein Bruch ist bei dem Pat. nur auf der rechten Seite ausgetreten, links hat ervor den Einspritzungen nie das Heraustreten eines Brnehes bemerkt. Erst nach Beginn der .Einspritzungen ist ein deutlicher Bruch such auf der Iinken Seite aufgetreten. Ieh erkl~re mir dies damit, dab der Alkohol das an sich vielleieht schwaehe Gewebe in der Gegend des linken Leistenkanals zur Atrophie gebracht hat und dab da- durch der ]3ruch erst zum Austreten kam. Bezfiglich Fall 3 fallt es schwer, den GedankengXngen des die Einspritzungen vornehmenden Arztes zu folgen. Wer die Anatomie der Bauchnarbenbriiche aus der eigenen operativen Anschauung kennt, ist erstaunfl fiber den Mut, der dazu geh6rt, einen derartigen Bruch fiberhaupt mit Alkoholinjektionen anzugehen. Man weiB doch zur Genfige, dagl an derartigen Narbenhernien fast immer Darmschlingen adherent sind, und es ist doch dann gar nicht anders m6glich, als dab die Injektionen den /)arm treffen mfissen. Als Chirurg ist man erschfittert, wenn man bedenkt, wie einfach die Operation dieses Narbenbruches gewesen w~re, und welch schwere Operation mit den ganzen Gefahren einer unter ungfinstigsten Umst~nden ausgeffihrten Darmresektion der Patientin bevorsteht, Von den Verfeehtern der Injektionsbehandhng der Hernien k6nnte in diesem Falle eingewendet werden, dab es sieh hierbei urn einen Bruch handelt, der seiner ganzen Natur und Entstehung nach gar nicht zur Einspritzung geeignet war. Das mag zugegeben sein. Aber die Tatsache steht test, dab die Anh~nger der Methode auch vor der Anwendung der Alkoholinjektion auch bei solchen Bauch- narbenhernien nicht zurfickschrecken. Eine AufM~rung des Publikums ist nicht m6glich. So bleibt nur fibrig, sich an die Jkrzteschaft zu wenden und sie ant die Gefahren dieses Verfahrens aufmerksam zu machen, das wohl kaum noch in so ausgedehntem MaBe Anwendung I~nde, wenn es nicht unter falscher Flagge segelte. Denn auch die Einspritzungsbehandlung geh6rt unbedingt zu den operativen Methoden der Bruchbehandlung. PRAKTISCHE KLINIK DES ,,STHENISCHEN" UBERDRUEK- DIABETES. ~r Prof. Dr. RUDOLF SCHMIDT. Aus der I. Medizinischen Klinik der Deutschen Universitfit Prag (Vorstand: Prof. Dr. R. sCHMIDT). Von ,,Diabetes mellitus" sollte, falls man es iiberhaupt ffir zweckmXl3ig h~tlt, an dieser sehr mittelalterlich klingenden Bezeichnung -- in w6rtlicher ~;bersetzung: ,,honigsfiBer Durchgang" -- dauernd festzuhalten, hie gesprochen werden, ohne ein entsprechendes Attribut hinzuzuffigen. So scheint ERGEBNISSE. es mir beispielsweise ganz ungeh6rig und irrefiihrend, kurzweg yon einer ,,Diabetestherapie" zu sprechen, ohne nXher zu pr~zisieren, welche Art yon F~llen dieselbe im Auge hat. Statistisehe Zusammenstellungen, welche darauf keine Rtick- sicht nehmen, sind sozusagen ein Zusammenz~hlen yon Apfeln und Birnen. Ganz besonders mul3 gefordert werden, dab bei DiXtkuren, wie sie in verschiedenen Modifikationen und Modifikati6nchen immer wieder neu auftauchen, ganz pr~zise angegeben werde, bei welchen klinischen Typen damit Erfolge erzielt wurden. Gewil3 ist eine kurze Skizzierung des einzelnen Falles der beste Weg einer Verst~tndigung. Bei Sichtung eines gr6Beren

Klinik des „Sthenischen“ Überdruckdiabetes

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z8. OKTOBER 193o K L I N I S C I - t E W O C H E N S C I - t R I F T . 9. ] A H R G A N G . N r . 42 1969 Die Hernie der rechten Seite ist durch die In jekt ionsbehandlung n icht gebessert worden, es sind im Gegenteil auf dieser Seite Schmer- zen aufgetreten, die vordem nicht vorhanden waren, so dab Pat . das Bruchband nicht mehr t ragen kann. Bei der Untersuchnng zeigt sich rechts eine doppelt pfiaumengroBe n icht reponible Hernie, links eine solehe yon Pflaumengr6Be, welche mi t lvlfihe reponibel ist. Es wurde in LokalanXsthesie die rechtsseitige Hernie operiert. Dabei gestaltet sich das Freilegen des Bruchsackes, welcher derb und schwielig ist, ~uBerst schwierig. Das Gewebe knirscht unter dem Messer, und der Samenstrang mug aria demihn ummauernden Narbengewebe f6rmlich , ,herausgemeigelt" werden. Auch in diesem Falle ha t man den Eindruck, dab der Samenleiter in seiner Lichtung ver6det ist, was sich natfirl ich ohne Er6ffnung desselben n icht beweisen l~Bt. Mit Mfihe gelingt es, in dem narbigen Gewebe eine Bassininaht zustande zu bringen. Ob diese hal ten wird, ist fraglich, denn auch das Leistenband wies erhebliche Ver~nderungen in seiner Faserung auf und war eigentlich nur noch ein Narbenstrang. Ant die Operation der l inken Seite wurde verzichtet, da den Pat . die doppelseitige Hernienoperat ion zu sehr angestrengt hXtte. Be- merkenswert ist aber besonders, dab sich in dem narbigen Bruchsack ein brei t mi t der Bruchsackwand verwachsener Netzzipfel land, also ein Zustand, der doeh vielleicht ehlmal zu einem Ileus h~tte ffihren k6nnen, wie es in dem Falle yon MAGNrJS war, den ich in meiner ersten Ver6ffentlichung angeffihrt babe.

t~a~Z 3: E. P,, 43 Jahre alt. Im Jahre 1928 wurde Pat . wegen schwerer eitriger Appendicitis mi t Perforation der Appendix bier operiert. Die Wunde muBte drainier t und tamponier t werden, nnd es bildete sich, wie n icht anders zu erwarten, eine Narbenhernie. Im April 193 ~ begab sich Pat. zu dem , ,Facharzt fiir operationslose Bruchbehandlung" . Von diesem wurden Alkoholeinspritzungen vorgenommen. Die ,,erste oder Haup tku r " yon 2o Spritzen war gerade beendet, als Pat. einen heftigen Schmerz in der Gegend des Narbenbruches versptirte. Die Hau t darfiber war entztindlich ge- r6tet. Ant telephonische Anfrage seitens des Ehemanns erkl~rte der einspritzende Arzt die Beschwerden f~r belanglos, da sich weder Er- brechen noch Stnhlbeschwerden eingestellt h~tten. In der Folgezeit bestand die Behandlung in feuehten Verb~nden und dem Tragen einer festen Bandage. Da die Erscheinungen sich jedoch n icht besserten, wurde Pat. yon einem anderen Arzt ins Krankenhaus eingewiesen. Bei der Aufnahme zeigte sich die Gegend der alten Operationsnarbe in fiber handgroBem Bereich s tark entztindlich ger6tet, war XuBerst drnckschmerzhaft , und man ftihlte such unter der Narbe ein emphysemartiges Knistern. Bei der Incision entleerte sich reichlich nach Coli s t inkender Eiter, Gasblasen und Stuhl. Die naehfolgende Untersuchung ergab das Bestehen einer Dfinndarmfistel, wegen der Pat . zurzeit noch in Behandlung steht . Zur SchlieBung der Fistel wird sich aller Voraussicht nach eine ernente Operation mit Resektion der die Fistel enthal tenden Dtinn- darmschlinge n6tig machen, ein Eingriff, der als schwere und gef~hr- liche Operation zu gelten hat ,

Es ist eigentlich fiberflfissig, diesen Krankengeschichten noch erl~uternde Worte hinzuzuffigen. Sie belegen erneut die auBer- ordentliche GefXhrlichkeit der Alkoholinjektionsbehandlung, und es smite un te r ~ rz t en kein Zweifel mehr fiber die Unzul~ssigkeit dieser Methode bestehen. Zum mindesten aber beweisen alle die angeffihrten F~lle, dab die Bezeichnung ,,operationslose Bruch- behandlung! ' falsch ist. Es sind in Wirklichkeit eine groBe Anzahl operativer Eingriffe, yon denen jeder einzelne schwere Gefahren in sich birgt. Ob diese Eingriffe mit dem Messer oder mit der Spritze ausgeffihrt werden, ~ndert an ihrem Charakter ats Operation gar nichts.

In meiner ersten Arbeit habe ich die Vermutung ausgesprochen, daJ3 vor allem die Samenstranggebilde dutch die Alkoholinjektionen in Mitleidenschaft gezogen werden, und dab ich nach dem Aussehen des Funiculus spermaticus bei den yon mir nachoperierten FXllen nicht mehr an dessen Durchg~ngigkeit glaube. Der oben angefflhrte erste Fall erscheint mir als vollkommener Beweis ffir diese Ver- mutung. Es ist wohl kein Zweifel, dab die t todenat rophie dutch die Alkoholeinspritzungen verursacht wurde, und dami t ist der Fall gegeben, dab ein vorher zeugungsf~higer Mensch steril gemacht worden ist.

Weiterhin babe ich in der ersten Arbei t dargetan, dab seitens der , ,Fach~rzte f fir operationslose Bruchbehandlung" viele Menschen mi t einfacher ,,weicher Leiste" behandel t werden, bei denen ein Leis tenbruch gar nicht besteht . Der Tall i i s t vor der Bruch- injekt ionsbehandlung yon einem Chirurgen beobachte t worden, welcher eine Operation als n icht erforderlich angesehen hat . Das li~Bt sich nicht anders deuten, als dab keine Hernien vorhanden waren, denn es ist sonst n icht einzusehen, warum die Operation yon dem Chirurgen nicht geraten wurde. Bei derart igen F~llen, die gar keinen Leis tenbruch haben, ist es dann allerdings kein l~unststflck, auch nach der Injekf ionsbehandlung das Fehlen elner Hernie darzutun.

Interessant ist der zweite Fall in bezug auf die Wirkung der Alkoholinjektionen bei einer weichen Leiste. E in Bruch ist bei dem Pat. nur auf der rechten Seite ausgetreten, links ha t e r v o r den Einspri tzungen nie das Heraust re ten eines Brnehes bemerkt . Ers t nach Beginn der .Einspritzungen ist ein deutl icher Bruch such auf der Iinken Seite aufgetreten. Ieh erkl~re mir dies damit , dab der Alkohol das an sich vielleieht schwaehe Gewebe in der Gegend des l inken Leistenkanals zur Atrophie gebracht ha t und dab da- durch der ]3ruch erst zum Austre ten kam.

Bezfiglich Fall 3 fallt es schwer, den GedankengXngen des die Einspr i tzungen vornehmenden Arztes zu folgen. Wer die Anatomie der Bauchnarbenbri iche aus der eigenen operat iven Anschauung kennt, ist erstaunfl fiber den Mut, der dazu geh6rt, einen derart igen Bruch f iberhaupt mi t Alkoholinjektionen anzugehen. Man weiB doch zur Genfige, dagl an derart igen Narbenhernien fast immer Darmschlingen adherent sind, und es ist doch dann gar n icht anders m6glich, als dab die Injekt ionen den / ) a rm treffen mfissen. Als Chirurg ist man erschfittert, wenn man bedenkt, wie einfach die Operation dieses Narbenbruches gewesen w~re, und welch schwere Operation mi t den ganzen Gefahren einer unter ungfinstigsten Umst~nden ausgeffihrten Darmresektion der Pa t ien t in bevorsteht , Von den Verfeehtern der I n j ek t i onsbehandhng der Hernien k6nnte in diesem Falle eingewendet werden, dab es sieh hierbei urn einen Bruch handelt , der seiner ganzen Na tu r und En t s t ehung nach gar nicht zur Einspri tzung geeignet war. Das mag zugegeben sein. Aber die Tatsache s teht test, dab die Anh~nger der Methode auch vor der Anwendung der Alkoholinjektion auch bei solchen Bauch- narbenhernien n icht zurfickschrecken.

Eine AufM~rung des Publ ikums ist nicht m6glich. So bleibt nur fibrig, sich an die Jkrzteschaft zu wenden und sie ant die Gefahren dieses Verfahrens aufmerksam zu machen, das wohl kaum noch in so ausgedehntem MaBe Anwendung I~nde, wenn es nicht unter falscher Flagge segelte. Denn auch die Einspr i tzungsbehandlung geh6rt unbedingt zu den operativen Methoden der Bruchbehandlung.

PRAKTISCHE KLINIK DES ,,STHENISCHEN" UBERDRUEK-

DIABETES. ~r

P ro f . Dr . RUDOLF SCHMIDT. Aus der I. Medizinischen Klinik der Deutschen Universitfit Prag

(Vorstand: Prof. Dr. R. sCHMIDT).

Von , ,Diabe tes m e l l i t u s " sollte, falls m a n es i i b e r h a u p t ffir zweckmXl3ig h~tlt, a n dieser sehr m i t t e l a l t e r l i ch k l i n g e n d e n B e z e i c h n u n g - - in w6r t l i che r ~ ;be r se t zung : , ,honigsfiBer D u r c h g a n g " - - dauernd f e s t zuha l t en , hie gesprochen werden, ohne ein e n t s p r e c h e n d e s A t t r i b u t h inzuzuff igen . So sche in t

ERGEBNISSE. es mi r beispielsweise ganz ungeh6 r ig u n d i r re f i ih rend , ku rzweg yon e iner , , D i a b e t e s t h e r a p i e " zu sprechen , ohne nXher zu pr~zis ieren, welche A r t yon F~l len dieselbe im Auge h a t . S t a t i s t i s ehe Z u s a m m e n s t e l l u n g e n , welche d a r a u f ke ine Rt ick- s ich t n e h m e n , s ind sozusagen ein Z u s a m m e n z ~ h l e n yon Apfe ln u n d Bi rnen . Ganz besonde r s mul3 ge fo rde r t werden, d a b bei DiXtkuren, wie sie in ve r sch i edenen Mod i f i ka t i onen u n d Mod i f i ka t i 6nchen i m m e r wieder neu au f t auchen , ganz pr~zise angegeben werde, bei welchen k l in i schen T y p e n d a m i t Er fo lge erz ie l t wu rden .

Gewil3 i s t eine kurze Sk izz ie rung des e inze lnen Fal les de r bes te W e g einer Verst~tndigung. Bei S i c h t u n g eines gr6Beren

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Beobachtungsmaterials ergeben sich aber doch gewisse Typen, welche sich nach einzelnen Gesichtspunkten einordnen lassen. Hier k~men in t3etracht:

1. Kfirpergewicht und Fettreiehtum entsprechend der al ien t~inteilung i n ,,mageren" und ,,fetten" Diabetes.

2. Alter. Mit seltenen Ausnahmen ist der kindliche, noch nicht mit Insul in behandelte Diabetes gleichzeitig ein ,,ma- gerer", w~hrend der ,,f@tte" Diabetes das mittlere und h6here Alter betrifft. Allerdings wird derzeit immer erst festzustellen seth, ob es sich nicht um Insul inmast handelt.

3. Pyrogenetisehes l?eaktionsvermSgen. Vgl. R. SCHMIDT, Z. klin. Med. 85, 3 u. 4. Nach e. E. ergibt sich bei kind- lichem, mft Insulin nicht behandeltem Diabetes naeh i. m. Einverleibung yon 5 g Hypertherman (S~tchs. Serumwerke) oder gekochter Milch meist 1Reaktionslosigkeit, falls es sich nicht um eine Sensibilisierung durch Tuberkulose, Lnes oder Eiterkokkeninfektionen handelt. Erwachsene oder senile Diabetiker reagieren meist normal.

4. Blutzuekerspiegel. In der Literatur liest man immer wieder y o n ,,renalem" Diabetes, dessen Charakteristicum niedriger Blutzuckerspiegel und aliment~re .Niehtbeeinflug- barkeit sein soll. Diesbeziiglich m6chte feh nur bemerken, dab in den letzten IO Jahren an meiner Klinik viele Tausende yon Nlutzuckerbestimmungen gemacht wurden und mein Mit- arbeiter J. St. LORAI~T sieh ganz besonders eingehend mit der Frage des Diabetes beschgftigte, wir aber bet einem sehr groBen Diabetesmaterial such nicht in einem einzigen Falle zur l~lberzeugung kamen, dab es sich um einen ,,renalen" Diabetes im Sinne eines ]ixierte~ nnd stationiiren Krankheits- zustandes handelte. I-I~ufig sind diese F~lle also gewiB nicht.

Wohl wurde such yon uns in einigen wenigen FXllen die Tatsache festgestellt, dab dutch Jahre hindureh der Blut- zuckerspiegel niichtern und such w~hrend des Tages bet Zuckerausscheidung sieh als niedrig erwies und eine besondere aliment~re Beeinflussung der Zuckerausscheidung im Harn nicht bestand. Diese F~lle gingen aber sdimtlich bet geniigend langer t3eobachtung -- in einem Falle allerdings 8 Jahre -- in einen gewShnlichen Diabetes mit erh6htem Blutzuckerspiegel und mit aliment~rer BeeinfluBbarkeit des Harnzuckers ~ber.

5. Arthralgisch-neuralgische Komplikationen. IKrankheits- erscheinungen dieser Art sind besonders bei Diabetes des Er- wachsenen und im h6heren Alter aul3erordentlich h~ufig. Es scheint mir daher durchaus gerechtfertigt, yon ether ,,arthri- tisch-neuralgischen", gelegentlich auch yon einer ,,gichtischen" Form des Diabetes zu sprechen.

6. Patellarsehnenreflexe (PSR.). W~hrend der kindliche Diabetes fast stets zur Aufhebung der PSR. f~ihrt, sind beim Altersdiabetes F~lle nicht selten, in welchen trotz jahrzehnte- langem ]3estehen der Glykosurie die PSR. vorhanden und manchmal sogar gesteigert sind. Insulin ist imstande, oft sehon in kiirzester Zeit versunkene PSR. zu ,,heben". Es w~re deshalb an der Zeit, die Neuritistheorie der Patellarsehnenare- flexie endgi~ltig ]allenzulassen. Als Unterseheidungsmerkmal ist die Patellarsehnenareflexie deshalb nieht gee!gnet, weil such der Altersdiabetes gelegentlich, wenn such ungleich seltener als der kindliche Diabetes, die PSR. ausl6scht.

7. Blutdruck. Auf die ]~edeutung dieses Symptoms als I~inteilungsprinzip hat mit besonderem Nachdruek mein Mitarbeiter J. ST. LORANT [vgl. Wien. Arch. inn. Med. 7 (1923)] hingewiesen.

Die Bezeichnung Hochdruck, ~berdruck, Unterdrnck- diabetes sfnd zur raschen Orientierung jedenfalls sehr wichtig. ~'berdruck- und Hochdruckdiabetes sind fast durchwegs gutartiger Natur und therapeutisch oft ohne besonders kom, pliziertes Di~tregime und ohne Insulinbehandlung leicht beeinfluBbar. Die Umkehr dieser Regel ,,niedriger Blutdruck -- prognostisch ungiinstiger Fall" hat abet doch ziemlich zahlreiche Ausnahmen. Es schien mir daher zweckm~13ig zu sein, als Einteilungsprinzip zu w~hlen

8. die Gesamtlconstitution. Ich m6chte unterscheide~ zwischen a) sthenischem Diabetes, b) asthenischem Diabetes. Diese beiden auf Grund der Gesamtkonstftution orientierten

R I F T . 9. J A H R G A N G . Nr. 42 i8. OKTOBER 193o

Typen des Diabetes mellitus habe ich an anderer Stelle (Med. Klin. 1924, Nr 16, 514) in ihren wesentlichen Details skizziert. Ich habe vielleicht nur zu wenig betont, dab w~hrend der ,,asthenische" Diabetes fast stets ein Unter- druckdiabetes ist, der ,,sthenische" Diabetes in Ausnahms- f~llen doch such raft normalem oder sogar mit herabgesetztem Blutdruck efnhergehen kann und dies such in FXllen, in wen chen kein ausgesprochen depressiver Faktor, wie etwa Tuber- knlose, Kachexie u. dgl., zu I~echt besteht.

Im Sinne ether Arbeitshypothese m6chte ich den ,,a,.theni- sehen" Diabetes identifizieren mit absoluter Insuj]izienz des Inselapparates, fiir den ,,sthenischen" Diabetes abet an- nehmen, dab es sich bier nu t um eine relative Insufjizienz des Inselapparates handelt, relativ besonders mit Rticksicht auf allzu m~chtig einstr6mende Impulse yon seiten des chrom- affinen Systems. Natiirlich k~men per analogiam gelegentlieh such primate hypophys~re Einflfisse in Betracht.

Da endokrine Konstellation nnd Konsti tution sich zwar gewiB nicht restlos decken, abet doch einen groBen Fl~chen- bereich gemeinsam haben, so ist bei der totalen Verschieden- heft des jugendlichen asthenischen Unterdruckdiabetes vom sthenischen 1)berdruckdiabetes des Erwachsenen und des Greisenalters a priori ein tiefgreffender Unterschied endo- kriner Art sehr wahrscheinlich. Aueh hat es viel Wahrschein- lichkeit ffir sich, dab das fast ffir alle Organfunktionen gtiltige Prinzfp relativer Insuffizienz such ftir den Inselapparat yon Gtiltigkeit ist.

Zuktinftige Forschung wird es wohl erm6glichen, die Inkretspiegel im Blute und die Insnlinausscheidung im Harn quant i ta t iv zu erfassen. Voraussichilich wird sich dann er- geben, dab ,,sthenischer" und ,,asthenischer" Diabetes nicht nur in ihren ~tul3eren klinischen Erscheinungen, sondern in ihrem inneren Wesenskern voneinander dnrchaus verschieden sind.

Es scheint mir deshalb schon jetzt unzweckmXl3ig, beide Typen mit dem gleichen Namen ,,Diabetes mellitns" zu etf- kettieren. Die Bezeichnungen ,,asthenischer" und ,,sthenischer" Diabetes enthalten eine Aufforderung, an die l~16glichkeit und Wahrscheinlichkeit eines Wesensunterschiedes in der Patho- genese zu denken und die weitere Forschung in dieser Richtung zu orientieren. Der weiteren klinischen Besprechung liegen ausschlieBlich Pdlle vom ,,sthenischen" Diabetes zugrunde.

Hereditfit. In der Aszendenz und in der n~chsten Verwandt- schaft ,,sthenischer'" Diabetiker sind identische Erkrankungen auBerordentlich h~tufig (33 e. FSlle). Nicht selten handelt es sich um diabetische Erkrankungen beider Nltern; vielfach erreichten die diabetischen Vorfahren e i n sehr hohes Alter, wie iiberhaupt sthenische Diabetiker sehr hSufig Deszendenten sehr langlebiger Vorfahren sind. Dasselbe gilt meiner Er- fahrung nach auch ftir Aszendenten yon Krebskranken. Es liegt darin ein eigentiimlich paradoxes Verhalten. Die Des- zendenten aul3erordentlich langlebiger, a!so scheinbar sehr gesunder V0rfahren krebskrank, zuckerkrank! Ich m6chte deshalb die Frage einer ,,pathologisehen" Langlebigkeit zur Diskussion stellen. So paradox es im ersten Momente scheinen mag, besteht meines Erachtens doeh die M6glichkeit, dab es infolge ether eigenartigen, vom Durchschnitt und yon der Norm abweiehenden endokrinen Konstellation z.B. infolge dadurch bedingter abnorm groBer Resistenz gegentiber Infektionskrankheiten, abnormen Tonisierungszust~nden u. dgl. zu abnormer Langlebigkeit kommen kann. Diese Annahme wiirde meines Erachtens es verst~ndlicher erscheinen Iassen, warum bet den Deszendenten solcher individuen so h~nfig Erkrankungen im Sinne yon Krebs und abnormen Stoff- wechsellagen anzutreffen sfnd.

Auch Krebsert~ranl~ungen sind in .der Aszendenz und n~ch- sten Verwandtschaft yon sthenischen Diabetikern nicht selten (8 FMle), desgleichen Gieht und Adipositas (3). Jeden- falls tiberwiegt aber sowohl bet den Aszendenten als ill der nS, chsten Verwandtsehaft die Erkrankung an sthenischem Diabetes und- i s t besonders das geh~ufte Vorkommen des- selben sehr bemerkenswert. Nur in 2 Fgllen ergaben sich Anhaltspunkte bez~iglich Tuberkulose,

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Milieu. Der ]3ereich des ,,sthenischen" Diabetes deckt sich zum Tell mit dem ,,Diab~te goutteux" tier Franzosen. Vielfach k6nnte man ebensogut yon ,,diabetischer Gicht" als yon ,,gichtigem Diabetes" sprechen. Da es gewiB sehr nahe- liegt, auch die Gicht als ein vorwiegend endokrines Problem anfzufassen, ergibt sich hier die 3/I6glichkeit einer besonderen endokrinen Einstellung. So gehen manchmal typische Gicht- anf~lle im Grol3zehengelenk der Glykosurie zeitlich voraus.

Nicht selten vergesellschaftet sich ,,sthenischer Diabetes" mit Konlcrementbildung, set es in den Nieren (6) oder in den Gallenwegen (6). In 3 meiner FXlle bestand gleichzeitig eine Ca.-Erkrankung, I mal das Rectum, 2real. den Magen betref- fend.

13eachtenswert sind Verknfipfungen mit Vasomotoren- allergie, so im Sinne yon konstitutionellem Asthma oder matinalem Krampfniesen, Nahrungsmittelidiosynkrasie (Erd- beeren [ Eier !).

Mit Vasomotorenallergie h~ngt wohl auch teilweise die noch zu besprechende h~ufige Komplikation mit ,,An- strengungsaortalgie" zusammen.

Offene und auch kavern6se Tuberkulose geh6rt auch im Rahmen des sthenischen Diabetes zu den nicht allzu seltenen Komplikationen (7 F~lle) und dies auch in h6herem Alter. In einem Falle e. ]3. habe ich den sicheren Eindruck gewonnen, dab eine bis dahin ganz latente Tuberkulose in unmit telbarem Anschlul3 an eine ganz fiberflfissige Insulinbehandlung akti- viert wurde, um dann einen h6chst malignen letalen Verlauf zu nehmen. Dies sind F~lle, in welchen aueh bet sonst ,,stheni- scher" Gesamtkonstitution ein manchmal abnorm niedriger 131utdruck gefunden werden kann.

Herz- and Ge]dflbe/unde. Die Pulsfrequenz ist nicht selten unter der Norm im Sinne ether Sinusbradykardie, die h~ufig einhergeht mit Hypothermie. Die H~ufigkeit y o n Ver~nde- rungen speziell an den 13einarterien sollte in jedem Falle ver- anlassen, was h~ufig vers/~umt wird, sich fiber den Puls in den Arteriae dorsales pedis zu orientieren.

Eine ganz besonders h~ufige Komplikation ist Angina pectorisi besonders yore Typus der ,,Anstrengungsangina" (12 F/ille).

Ni t seltenen Ausnahmen geht der ,,sthenische" Diabetes mit ~ber- und Hochdruck einher. Vielfach besteht abet eine grofie Labilitiit des 131utdruckes, so dab wiederholt Messungen, besonders frfihmorgens and abends erforderlich sind. So war i n einem Falle e. t3. der 131utdruck bet Ermfidung abends meist I9O ram, friihmorgens I35 mm. Ein kaltes Bad wirkte erh6hend, ein warmes :erniedrigend:

F~lle yon Unterdruck oder normalem Druck kommen auch ohne den depressiven Faktor der Tuberkulose and auch im h6heren Alter im Rahmen des ,,sthenischen" Diabetes vor.

Jedenfalls ist der Bereich des ,,sthenischen" Diabetes gr6Ber als der des ,,~berdruck"diabetes.~

.In einem Falle e. 13. bestand der ,,sthenische" Diabetes schon seit 2o Jahren, der systolische 131utdruck war io 5 ram. Als Gegenstfick w~re ein Fall zu verzeichnen, in welchem bet asthenischem Diabetes, einen I2j~hrigen Jungen betreffend, allerdings nur vorfibergehend, nnd zwar unter reichlicher Insulinzufuhr (4oo E. pro die), ein 131utdruck yon 16o mm fest- gestellt wurde. Asthma cardiale ist ungleich seltener anzu- treffen als Angina pectoris.

Es liegt wohl nahe, anzunehmen, dab 131utdrucksteigerung nnd Hyperglyk~mie bzw. Glykosurie Koeffekte einer bestimm- ten endokrinen Konstellation stud.

Im Rahmen des kindlichen nnd jugendlichen ,,astheni- schen" Diabetes zeigt sich lceinerlei Tendenz zu Blutdruclc- steigerung, was mir auch ffir den Wesensunterschied zwischen ,,asthenischem" und ,,sthenischem" Diabetes zu spreehen scheint.

Nur in einem Falle e. 13. bestand ein konstitutionell be- dingter Pulsus paradoxus bet ether 131utdruckh6he yon I35 ram.

Arthritische und neuralgische Komplikationen. Derartige Komplikationen sind im Rahmen des ,,sthenischen" Diabetes so enorm h~ufig, dab auch die 13ezeichnung ,,rheumatischer Diabetes" oder ,,diabetiseher Rheumatismus" gereehtfertigt

K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 9. J A H R G A N G . Nr. 42 1971

wgre. Hier handelt es sich um Gicht und verwandte Zust~nde, zweifellos spielen auch 6rtliehe, sklerotisch bedingte Durch- blutungsanomalien eine urs~chliche Rolle. AuBerordentlich h~ufig ist Isehias anzutreifen (II F~tlle), meist einseitig, ferner bestehen Schmerzen in der Kreuzgegend, im Nacken, in den grol?en Gelenken, aber auch in GioBzehen-, Daumen- nnd Fingergelenken, Ferse und Sohle. 13esonders hgufig sind Schmerzen im 13ereich der Obersehenkel, evtl. mit Vertaubungs- geffihl. Nicht selten bestehen nokturne Schmerzen oder mati- nale Steifigkeit nnd Schmerzen im Kreuz; i n den Finger- gelenken u. dgl. mit Erleichterung dutch 13ewegung. Objektiv linden sich gelegentlich an einzelnen Fingern Heberden- knoten oder auch Dupnytrensehe Contractur.

Alle die erw~hnten subjektiven and objektiven Ph~no- mene sind oft 13egleiterscheinungen, sehr oft auch u der diabetischen Erkrankung. 13esonders bet arteriellem ~berdruck erfordert jeder Fall yon Ischias, ebenso F~lle mit arthritischen Symptomen eine ~berprfifung des Harnes, evtl. auch des 13lutes in der Richtung Glykosurie and Hyper- glyk~mie.

Haut. 13eachtenswert sind die verh~ltnism~Big h~ufigen 13eziehungen zwischen sthenischem Diabetes nnd Psoriasis

(8 F~tlle). Dabei t r i t t die Psoriasis oft familiar geh~uft aui und geht zeitlich dem Auftreten der Glykosurie oft viele Jahre voraus. Jeder Fall yon Psoriasis sollte im Hinblick auf Diabe- tessymptome and Glykosurie evtl. t typerglyk~mie in Evidenz gehalten werden. Die psoriatischen Plaques sind oft nur ver- einzelt, besonders h~tnfig an der Streckseite des Ellbogens.

Auch Neigung zu Furnnkulose ist oft ein Symptom, welches schon viele Jahre vor dem Manifestwerde~ der diabetischen Stoffwechselst6rung in Erscheinung trit t .

Sehr beachtenswert ist Hyper- und Allotrichosis. Die 13ehaarung betrifft auch Territorien, welche normalerweise nicht behaart sind. Die 13ehaarungstopographie ist oft aty- pisch, z. t3. kranzf6rmig um den Nabel (,,periumbilicaler Haar- kranz"), entsprechend den Schulterbl~ttern, den Fossae supraspinatae, dem Kreuzbein. Nit der l)berbehaarung des Stammes und der Extremit~ten in Kontrast steht die oft friihzeitig sich entwickelnde Glatze. Diese Tendenz zu abnorm starker Behaarung ist dem ,,asthenischen" jugend- lichen Diabetes mit seltenen Ausnahmen durchaus fremd. 13eachtenswert ist auch ]ri~hes Ergrauen, manchmal ein familiares Stigma.

Das Schweifidri~se~system zeigt verschiedenes Verhalten; bet gleichzeitiger Adipositas, bet Schw~chezust~nden and bet gleichzeitig bestehender Tuberkulose manchm~l Neigung zu Hyperhydrosis, in manchen F~llen abet mit Einsetzen des Diabetes oder schon preexistent deutliche tIypohydrosis. So t ra t in einem Falle e. 13. selbst nach 5 g Aspirin keine SchweiB- sekretion auf, obwohl es sich gleiehzeitig um eine Tuberkulose handelte. Ein anderer Kranker gab an, dab er yon jeher nicht schwitzen konnte.

Auffallend ist ,oft die starke BStung der Gesichtshaut, manchmal eine famili~re Eigentfimlichkeit, diese verleiht dem IZ~ranken leicht den Schein der Gesundheit.

Eigenttimliche Zust~nde vofl R6tung und Hyper~mie fin- den sich fibrigens nicht selten im Bereich der Hohlhancl und der ~ufisohle. In einem Falle e. 13. erwiesen sich Vo!a und Planta ger6tet und sch/~lten sich; der Kranke teilte mit, auch seine Mutter. zeige diese Ver~nderungen, ohne an Zucker zu leiden. Ein anderer Kranker teilte mit, wenn er seine Hand ins Wasser stecke, werde der ldeine Fingerballen und die t tand- fl~che ganz rot, dies bemerke er seit 3 Jahren, Zucker wurde vor 2 Jahren nachgewiesen. In ei nem Falle e. t3. betraf die starke R6tung haupts~chlich nur die Patt ie fiber dem Klein- Iingerballen.

Auch trophische St6rungen an den Ndgeln," spontanes Abiallen derselben, starke Riefung, L~ngsrisse, abnorme Verhornungsvorg~nge sind beachtenswert.

Nicht selten besteht Neigung zu Lipombildung vereinzelt oder multipel, so dab sich stets auch Untersuchung des Unter- hautzellgewebes empfiehlt.

Patellarsehnenre]lexe (PSR.). W~hrend beim ldndlichen ,,asthenischen" Diabetes, mit Ausnahme der mit Insulin be-

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handelten F~lle, die PSR. fast stets erloschen sind, zeigen F~lle yon sthenischem Diabetes h~tufig auch bei Jahrzehnte langem ]3estehen ihrer Glykosurie erhaltene oder sogar ge- steigerte PSR.*. In einer meiner Beobachtungen mit erhal- tenen PSR. bestand Zuckerausscheidung schon 25 Jahre lung! Allerdings gibt es auch F&lle, in welchen die Erkrankung nu t kurze Zeit zurfickdatiert und doch die Reflexe fehlen. Ihre Abwesenheit spricht also nicht gegen sthenischen Diabetes, das Vorhandensein oder die Steigerung derselben (ohne In- sulinbehandlungl) besonders bei langer Dauer der Glykosurie ffir sthenischen Diabetes. Wie schon hervorgehoben, spricht die MSglichkeit, erloschene PSR. dutch Insulin rasch zu akti- vieren, gegen die tibliche Erkl~trung der Areflexie durch Neur- itis. Es dfirfte sick wohl nur um nutri t ive mit der abnormen Stoffwechsellage zusammenh~ngende ausgesprochen rever- sible, nicht entzfindliche Ern~hrungsst6rungen handeln, deren Korrektur durch Insulin zum Wiederauftreten der Reflexe fiihren.

Ni t Riicksicht auf die MSglichkeit, erloschene PSR. dutch Tuberkulin zu reaktivieren, k6nnte man a priori daran denken, dab bei tier Kombination yon Diabetes und Lungentuberknlose die PSR. meist vorhanden seien. Nach e. ]3. trifft dies aber nicht zu. Jedenfalls muB aber die Kombination yon Lungen- tuberkulose und Patellarsehnenareflexie stets an die M6glich- keit eines gleichzeitig bestehenden Diabetes denken lassen.

Sonstige Symptomatologie. Sub]ektive Zeiehen. F~lle yon sthenischem Diabetes k6nnen deshalb leicht unerkannt bleiben, weil durchaus nicht selten abnormes Durst- und Hungergeji~hl dauernd fehlen und dies such bei intensiver Zuckerausschei- dung. So hatte einer meiner Kranken selbst bei 8 % Zucker- ausscheidung keinerlei Durstgeftihl, und ebenso fehlte es in 16 F~llen e. ]3. Abet such abnormes ttungergeftihl wird hSmfig vermil3t, ja, es besteht manchmal sogar Anorexie. Wenn auch das Syndrom Anorexie q- Glykosurie gelegentlich an Pankreascarcinom mtiBte denken lassen, so sind doch an- derseits F~ille yon sthenischem Diabetes mit Anorexie durchaus nicht selten. Im allgemeinen ist abnormer Durst noch h~u- Iiger, wenigstens zeitweise, anzutreffen, als HeiBhunger.

Beachtenswert sind Empfindungen yon Troclcenheit und Klebrigl~eit der Lippen, Sensationen, welche manchmal mit der Zuckerausscheidung zn- und abnehmen und daher als subjektive Eigenkontrolle der Kranken Beachtung verdienen.

Manchmal besteht Hitzegeji~hl im Munde oder Schmerzen im Zahn]leiseh. Bei Verschlechterung des Zustandes t r i t t manchmal infolge Austrocknung der Larynxschleimhaut Heiserkeit auf.

Geschmael~spari~sthesie'n, besonders auch im Sinne bitteren Geschmacks im Niunde, sind nicht selten.

H~ufig wird fiber ein Gefiihl der Schwere in den Beinen geklagt; groi3es Miidigkeitsgeffihl macht sick manchmal, be- sonders in den Abendstunden, bemerkbar; trotzdem ist die Schlafdauer oft eine sehr kurze. Ein 68j~ihriger Kranker gab an, er sehlafe seit Jahren nut 2 Stunden, trotzdem fiihle er sich abet frfihmorgens frisch.

]?:igentiimlich sind Ver~nderungen der 2'ettavidit~it und der .Fettoleranz, welche oft mit Eiiasetzen der Stoffwechselst6rung sich einstellen.

]?:iner meiner Kranken gab an, er babe friiher nie etwas Fettes essen kSnnen, w~hrend er naeh ]3eginn seiner Zuckerkrankheit Fett selbst ohne Brot gern esse und gut vertrage.

Ob]ektive Symptome. Als seltenere St6rungen y o n seiten des Nervensystems w~rea zu erwS~hnen Augenmuslcelli~h- mungen.

In einem Falle eines Beispiels handelte es sick nm eine Ab- ducensl~hmung, welche sick in ca. io Wochen vollkommen zu_ rt~ckbildete.

Schmerzloses Aus]allen der Zghne kann gelegentlich viele Jahre dem Ausbrueh der diabetisehen Stoffwechselst6rung vorausgehen.

Beaehtenswert sind Ver~nderungen der Leber, welche manchmal deutlich vergrSBert und hS.rter ist; dock gehSren

* In meinen Aufzeichnungen finde ictfVorhandensein in 2o F&llen, Steigerung in

Io Ffillen notiert.

KLINISCI-!E \VOCHENSCI-IRIFT. 9. JAHI%GANG. Nr. 42 ~KOKTOBI~:R ~gso

h6hergradige Ver~nderungen hinsichtlich Gr6Be und Kon- sistenz nicht zu den h~ufigen Begleiterseheinungen. Sie k6nnen, wenn vorhanden, leieht zu irriger Auffassung im Sinne eines Ca.-Verdachtes Veranlassung geben.

Konl~rementbildung in den Gallen- und Harnwegen scheinen mir hinsichtlich der Glykosurie h~ufiger bei- sis iibergeordnet zu sein. Immerhin muB gelegentlich mit einem Ubergreifen entziindlicher Prozesse yon den Gallenwegen auf das Pankreas gerechnet werden.

Die mit Fettsueht einhergehenden F&lle yon Diabetes ge- h6ren fast stets in die Gruppe des sthenischen Diabetes und sind meist gutartig. Meist kann yon einer reinen Mastfettsucht nicht gesprochen werden und scheint mir viel h~ufiger endo- gene :Bedingtheit gegeben. Eine interessante Tatsache ist, dab Entziehung der Kohlehydrate die Fettsucht gelegentlich steigert.

Beachtung verdienen Komplikationen im Sinne yon Otitis, eitrige Infektion der Harnwege, Parotitis, eitrige Iritis.

In einem Falle e. ]3. bestanden Zungenschmerzen, Verlust yon Geruehs- und Geschmackssinn.

VergrSl3erung und IKonsistenzzunahme der Milz mtigte stets an Tuberkulose denken lassen.

Von seiten des Digestionstraktes scheint mir Obstipatior~ viel hS~ufiger zu sein als Durchf~lle.

In einem Falle e. B. setzte der Diabetes mit 8t~giger Stuhl- verhaltung ein und dies bei yorker voIlkommen geregelter Darm- entleerung.

Ein ziemlich h~ufiges Symptom ist Sodbrennen. Zungenverdinderungen zeigen sieh gelegentlich im Sinne

einer Lingua plicata oder such im Sinne einer Lingua geo- graphics.

Strums ist im hiesigen Milieu kein h~ufiger Befund, Base- dowsymptome babe ich nu t in einem einzigen Falle beob- achtet.

Von anatomischen Bildungsanomalien erw~hne ich Con- tracturierung des 5. Fingers, in einem Falle e. ]3. fehlte an- geborenerweise ein Arm.

Soweit 1Vierenerkrankungen mit massiger Albuminurie nicht Folge einer aufsteigenden Cystitis sind, ist es oft naheliegend, sic mit der bestehenden StoffwechselstSrung in Zusammen- hang zu bringen und sic somit als ein aseptisch-endogenes und nicht als ein infektiSs-exogenes Problem aufzufassen. Die EiweiBausscheidungen k6nnen ziemlich betrgchtlich sein, Blutdrucksteigerung kann iehlen, und in ihrem verhglt- nismgBig benignen Verlaufe erinnern diese Nephropathien teilweise an Nephrose und Amyloidose.

Im Verlaufe eines sthenischen Diabetes und vielleicht dutch die StoffwechselstSrung provozier% entstehen gelegent- lick maligne Neubildungen, so nach e. B. Magencarcinom, Rectumcareinom, Adeno-Ca. der Leber. In einem Falle e. ]3. yon Bronchuscareinom verschwand mit Einsetzen der Krebs- erkrankung die Zuckerausscheidung, und zwar bei quant i ta t iv und qualitativ gleichbleibender Nahrungsaufnahme.

Ein Fall yon konstitutionellem Asthma e. B. besserte sich ganz auffallend mit Einsetzen der diabetischen Glykosurie.

Verlau] und Prognose. Gerade hinsichtlich des Verlaufes kann man sich kaum einen gr6Beren Kontrast denken als den, der zwischen dem asthenischen kindlichen Diabetes und dem sthenischen Diabetes des hSheren Alters besteht. ]3eide Formen kurzweg mit dem gleichen Namen ,,Diabetes mellitus" zu bezeichnen, seheint mir daher hSchst unzweckm~Big, da man mit dem gleichen Narnen nnr Dinge bezeichnen soil, welche ann~hernd gleich sind. Noch unexakter seheint es mir abet, kurzweg yon einer ,,Diabetestherapie" zu sprechen, ohne auf die in vielen Ziigen direkt gegenpolige Erscheinungs- form der Glykosurie im Sinne des asthenischen und sthenischen Diabetes Rticksicht zu nehmen. Auf dem Gebiete der gesam- ten Pathologie gibt es kein Analogon daffir, das eine endogen bedingte, im Wesen identische Gesundheitsst6rung in der Kindheit absolut malign, im h6heren Alter abet h6chst guta~tig verlau~en wfirdei Schon diese einfachen, nu t yon gesundem Menschenverstande diktierten Erw~gungen rnfissen zur Vor-

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sicht mahnen uiid soll ten davor bewahren, Y-_rankheitszu- st~nde, die h6chs twahrschein l ich ein ganz verschiedenes Wurze lgeb ie t besitzen, mi t genau demselben N a m e n zu be- zeichneu und in denselben Topf zu werfen. Es will mi r schei- hen, dab manche Stoffwechselspezial is ten doch zu sehr che- misch und zu wenig kl inisch eingestel l t sind. ]3esonders dort , wo eudokr ine St6ruiigen, welche in so hohem MaBe die jeweil ige Kons t i t u t i on beherrscheii , in B e t r a c h t kommen, mfissen ana - tomische und Iunkt ionel le E igena r t des Kranken ganz be- sonders ber t icksicht igt werden. Es l iegt nicht nahe, identische endokrine St6rungen anzunehmen, wenn das Bild der Konstitution in seiner Gesamthe i t so ganz verschieden ist. I m Hii ibl ick auf e x t r e m eingestel l te F~lte sei die Gegenpol igkei t in der Iolgen- den ~ b e r s i c h t k u r z zur Dars te l lung gebracht .

St heniseher Uberdruel~- Diabetes.

H6heres Alter, oft Greisenalter, meist arterieller ~3berdruck oder Hochdruek.

Neiguiig zu Zehengangran, keine Neigung zu Ketonurie.

Muskul6s, grobknochig, oft Adi- positas.

Energisch, starker Antrieb zu Bet&tiguiig, psychische Hoch- spaniiung, Erethismus, nicht nosophob.

Arthritis, Neuralgie. Heberdenknoten. Neigung zu Konkrementbildnng

(Gallensteine, Nierensteine). Pigmentreich In der Aszendenz Langlebigkeit;

Hyper- und Allotrichosis. PSR. oft vorhanden oder ge-

steigert. Koma selten. Atypisch, trotz

Insulin Exitus. Arbeitshypothese : primate snpra-

renale (hypophys~re ?) i3ber- funktion, sekund&r, wenigsteiis in den Anfangsstadien nut relative Inselinsuffizieiiz.

A sthenischer Unterdruek-Diabetes.

Meist unter 3 ~ Jahren, kindliches Alter, meist normaler oder nn- ternormaler arterieller Druck, Herzgef~tBapparat normal.

~eine Neigung zu ZehengangrXii, Ketonurie.

Muskelschwach, graziler Kno- ehenbau.

Magersucht. Energielos, schlafI, Torpor, ~ngst-

lich, hypochoiidrisch.

Figmeiitarm (blaue Iris!). In der Aszendeiiz Tnberkulose,

sp~rliches Haarkleid. PSR. meist erloschen.

Koma h~ufig, typisch, durch Insulin prompt beeinfluBbar.

Von Anfang an primate absolute Inselinsuffizienz.

Gewil3 is t es n ich t m6glich, alle F~lle yon chronischer Glykosur ie in diese 2 Gruppei i einzufangen. Eine E in te i lung ist s tets IIur auf dem Wege yon Abs t rak t ionen m6glich. Eigent l ich ist jeder einzelne Fal l ein P rob lem itir sich. U m so weniger scheint es mir abe t zweckrnSBig zu generalisieren IIIId beispielsweise' yon einer , ,Diabe tes therap ie" zu sprechen, ohne den ganz fundamen ta l en Uii terschied yon , , s thenischem" und ,,asthenisehem'" Diabetes zu beachten.

W e n n sich die allerversehiedensten, zum Teil d iamet ra l entgegei igesetz ten DiXtregime bei , ,Diabetes" bew~hr t haben, so hSiigt dies gewiB zum nicht ger ingeu Teile dami t zusammen, dab sie vie l fach vorwiegend bei sthenisehem Diabetes zur Anwen- dung g e l a n g t e n . Der s thenische Diabetes ist abe t vie l facb so auBerordent l ich gutar t ig , dal3 er oft genug auch ohne ]ede Behandl'ung gt ins t ig verl~uft .

E ine kurze I l lus t ra t ion zu d e n Gesagten:

N. N. 53 Jahre. Seit 18 Jahren Glykosurie, in der Jugeiid Lues. Mutter leidet an Diabetes, ebenso ein Bruder. Er ftihlt sich voll- kommen wohl, auch bei reichlicher Zuckerausscheidung yon etwa 5 %, ist lebhaft, energisch, teilt selbst mit, dab er viel , ,bummelt", starker Raucher sei, iBt auch Torten, Mehlspeisen, h~l% fiberhaupt keiiie Diht, vermeidet nut Zncker im Tee. Wenn er sich voriibergeheiid etwas di~t h~lt, treten Spuren yon Aceton auf und Schwindel.

D a m i t soll uat t i r l ich keine Anle i tung ffir eine wfiiischens- wer te Lebensweise yon s thenischen Diabe t ikern gegeben sein. Allerdings k6nnten viele F~lle d e n erw/ihnten an die Seite gestell t werden, F~lle, welche seit vielen Jahrei i ( io oder 2o) an s thenischem Diabetes leiden und sich noch mi t 7 ~ oder 8o J a h r e n rech t wohl ffihlen, ohne sich viet u m s t renge Digt- vorschr i f ten gekf immer t zu haben. Wenn ich die Gnta r t igke i t vieler FXlle yon s thei i ischem Diabetes s ta rk unters treiehe, so

geschieht dies deshalb, weil ich den E ind ruck habe, dab dies in manehen Lehrbf ichern fiber Stoffwechselkrai ikhei ten nicht in gentigender Weise geschieht und vielfach - - besonders in Saiiatoriei i -- eine ganz i~ber/li;tssige medikamentSse und diiitetische Polypragmasie getr ieben wird. Anderersei ts bes teht derzei t die Gefahr, dab yon unserer jfiiigereii, sehr injekt ions- f reudigen J~z te scha f t derar t ige F~lle yon s thei i ischem Di- abetes ganz fiberfliissiger- nnd m a n c h m a l sogar sch~tdlicher- weise mi t Insnl in in jekt ionen behande l t werden. ]3berhaupt scheint es mi r unzweekmiiBig, in diesen F~lleu sich tbe rapeu- t isch allzusehr au] die Glykosurie einzustellen. Man vergesse uicht, dab gerade im R a h m e n des s thenischen Diabetes m a n vielfach s ta r t voii Diabe t ikern besser yon glykosurischen t terz-Gef~Bkranken, Gallen- uiid Nierensteinkrai iken, Gichti- kern, mnanchmal, wenn auch selteii, yon Tuberkul6sen spre- chen kSnnte. Ganz besonders s tehen Herz-GefiiBsch~digungen oft im Vordergrunde, welcbe durchaus d e n konst i tu t ionel l - sklerot ischen Hochdruck eutsprechen, wie er so h~ufig auch ohne jedwede glykosurische Stoffwechsels t6rnng verl~uft .

I n j edem Fal le yon s thenischem ~Tberdruck-oder Hoch- druckdiabetes muB mi t der MSgliehkeit yon Zeheiigaiigr~n und mi t tier MSglichkeit des Anf t re tens eiiier Angii ia pectoris gerechnet werden. Es empfiehl t sich daher for t laufende Kon- t rol le der Ar te r ia dorsalis pedis, anderersei ts Ui i te rsuchnng auf das S y m p t o m des , , l inksseitigen P lexusdruckschmerzes" und voii beiden Gesichtspunkten aus Nieotinabstinenz!

Da konst i tnt ionel l -s tderot ischer t t ochd ruck so aul?erordent- l ich h~ufig ftir sich isoliert ohne Glykosurie in Ersche inung t r i t t , ai idererseits as thenischer Diabetes so h~nfig ohne Herz- Gef~Bver~nderungen verl~uft , scheint mir die A n n a h m e a m II~chsteii l iegend, beim sthenischen Diabetes die Gefiiflver(~nde- ,ungen und die Glylcosurie bzw. tIyperglyk/~mie als koordiniert aufzufassen.

Die E in te i lung in ,,asthenischen" Uii te rdruck- und , ,s thenischeii" ~Tberdruckdiabetes hal te ich ffir ungleicb wef t - ro l l e r als die Gruppie rung in leichten, mi t te l schweren IIIId schweren Diabetes . Die Einteilung ,,sthenisch", ,,astheniseh" regt an, in ~edeqn Falle sich 4ber das konstitutionelle Milieu Klarheit zu verscha]]en. Die Bezeichi iung , , le icht" und , ,schwer" bas ier t in ganz einseit iger Weise nur auf dem Ver- ha l t en der Glykosurie gegenfiber Kohlehydra ten tz iehu i ig nnd l~tBt die sonstige konst i t i i t ionel le Verschiedei ihei t der F~lle ganz uiibert icksichtigt .

Therapie. Die t3ehaiidlung des s thenischen Diabetes solt vielseit ig or ient ier t uiid in di~tet ischer Hins ich t IIicht allzu Xngstlich sein. ]?;ine vielsei t ige Or ien t ie rung ist erforderl ieh infolge der h~ufigen und zahlreicheii pathologischen Beglei t- zust~Liide wie ar ter iel ler ~)berdruck, Aortalgie, Galleii- uiid Harnko i ik remente , gichtische Dyskras ie uiid ve rwand te Zn- st~iide n i t a r thr i t i schen und neuralgischen Prozessen. E ine besoiidere J ingst l ichkei t in di~tet ischer Hins ich t is t deshalb n icht am Platze, well die E r f ah rung lehrt , da/3 viele dieser Kranken auch ohne besoiidere di~tet isehe Schonui ig IIIId manchma l gerade desbalb sich guten Wohlbef indens erfreuen.

U m n u t ein Beispiel anzuft ihren:

Ein 8oj~hr. Patient gibt an, seit 2o Jahren zuckerkrank zu sein, er hielt w~hreiid dieser ganzen Zeit keille DiXt ein, eiithielt sich IIur des Znckers; dasselbe berichtet ein aiiderer Patient. Er ist seit 8 Jahren znckerkraiik, leidet hier und da an Niereiikoliken. Ein anderer n i t 4% Zucker ist seit io Jahren zuckerkrank, war IInr einmal in Karlsbad, hMt keine Di~t uiid il3t sogar Ziieker.

Bei d e n eminent ehronischen, oft fiber Jahrzehnte sich erstrek- kenden Verlauf des sthenischen Diabetes ist es IIatfirlich gaiiz aus- geschlossen, die I(ranken daueriid auI strenge Di~t eiiizustellen; gewi3 wXre es auch sch~dlich.

Ein Kranker machte die interessante Aiigabe, er sehe viel besser aus, wenii er leiehtsinnig lebe. Efne sehr intelligente 62]~hr. Nraiike, seit 20 Jahren zuckerkrank, gab sehr prf~zise an, eine Wocbe strenge Kost bekomme ihr gut, ein langeres streiiges Kostregime abet sehr schlecht.

Auf diesem Gebiete des , , s then ischen" Diabetes gibt es zwei- fellos FXlte, in welcheii es vo l l kommen genfigt, Zucker und sfil3e Speisen zu meiden, im fibrigeii sich an gemisch te I~ost

1974 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 9. J A H R G A N G . Nr . 42 ~8.0KTOBER x93o

in normale r Menge zu hal ten . E i n i g e Tags s t rengerer Kos t k6nnen i m m e r dann e ingeschoben werden, wenn sub jek t ive Beschwerden wie gr613ere Mfidigkeit, T roekenhe i t im Mnnde auf eine Versch lech te rung der Stoffwechsel lage hinweisen. Es kann aber nicht eindringlich genug gewarnt werden vor einer zu langen Fristerstrecs sines strengen Kostregimes; selbs t wenige Gemiise-I~iertage bed ingen m a n c h m a l schon grebes Mfidigkeitsgeffihl. In den meis ten FXIlen yon , , s then i schem" Diabetes empf ieh l t sich weder Insul in noch Syntha l in . Manch- real wi rd Insul in d i r ek t schlecht ve r t ragen , e rzeugt Kopf- schmerzen, Sch.windel und Herzbeschwerden .

Mit Rfieksicht auf die beg le i tenden Herz-GefaGvergnde- rungen 1st eine al lm~hliche NicotinentwShnung s te t s in be- sonde rem Mage ans t r ebenswer t . Nich t seIten be s t eh t bei s the-

n i schem Diabe tes s ta rker Nicot inabusus . Von ant i lue t i scheu K u r e n ist h ins icht l ich A n d e r u n g der Stoffwechsel lage im all- gemeinen n ich ts zu e rwar ten , doch wird m a n c h m a l das All- gemeinbef inden d ad u rch sehr gtinstig beeinfluf3t. E iner nminer K r a n k e n meinte , er ffihle sich wie , , ve r j t i ng f ' .

Psychische Noxen wie Auf regungen sind rn6glichst fern- zuha l ten ; sie s te igern m a n c h m a l die Zuckeraussche idung in gleicher Weise wie allzu grebe Ermi idung . K6rper l iche Arbei t , leichte ]3ergtouren, Skisport , L u f t v e r g n d e r u n g u. dgl. bekom- men oft sehr gut. Besonders de f t , we a r th r i t i sche Kompl i - ka t ionen im Vorde rg rund s tehen, scheinen sich R a d i u m b ~ d e r ( Joachimstha l , Gastein) of t sehr gut zu bewXhren. In solchen F~illen babe ieh auch yon Ci t ronenkuren und c i t ronsau rem N a t r i u m oft gfinstige Wi rkungen gesehen.

REFERATENTEIL. LOKALE HAUTREAKTIVITAT FOR

VERSCHIEDENE BAKTERIELLE KULTURFILTRATE.

Ein neues immunologisches Phiinomen.

Von

Dr . GREGORY SHWARTZ~AN. Aus den Laboratorien des l~{ount Sinai-Hospitals New York City.

(Schlul3.)

Neut~,alisation der hautvorbereitenden l~a~toren dutch Immunsera. Zun~chst wurde in einleitenden Untersnchungen die Fil tratmenge bestimmt, die, intraven6s injiziert, eine schwere hgmorrhagische Nekrose an 4 Hautstellen, yon denen jede mit der gleichen Dosis des Filtrates vorbereitet worden war, zu erzeugen imstande war. Bei den Neutralisationsversuchen wurden zn gleicher Zeit 4 Haut- stellen entweder mit reinem Filtrat oder mit einer Mischung yon Fil trat und wechselnden Mengen Serum vorbereitet. Nach 24 Stun- den erhielten die Kaninchen sine einzelne intraven6se Injektion der vorher festgestellten Filtratmenge. Die Neutralisation der haut- vorbereitenden Faktoren ~uBerte sich in einem Niehtauftreten des Phgnomens. Die Ergebnisse der mit Typhusbacillen-Filtraten und homologen Sera ausgeftihrten Versuche k6nnen folgendermagen zusammengeiaBt werden:

Von den 316 untersuchten Stellen zeigten 135 Neutralisation dureh Sera in verschiedenen u nnd bei I81 Stellen blieb die Neutralisation aus. Diese Titrationen beweisen folgende 3 Tatsachen: a) dab eine Neutralisation mOglich ist; b) dab es such m6glich ist, auf diese Weise die Wirksamkeit eines Serums zu titrieren; c) dab verschiedene i{aninchen auf Mischungen aus Serum und Fil trat verschieden ansprechen, genau so wie es sich bei den reinen toxisehen Filtraten verh~lt. So z. I3. erhielten 9 Kaninchen Mischungen aus Typhusbacillenfiltraten und Typhusbacillen- Pferdeserum in verschiedenen Verdfinnungen. Nach der intra- ven6sen Injektion des Filtrates zeigte sich bei 6 Kaninchen Neutrali- sation der Stellen, die mit Mischungen yon Filtraten und Serum in Verdflnnungen I : 200, I : 20 und I : 2 vorbereitet waren; beieinem Kaninchen an den mit Fi l t rat und Serum in Verdflnnungen I : 2o nnd I : 2 vorbereiteten SteIlen, und bei zwei Kaninehen war keine Neutralisation aufgetreten. Man kann die Kaninchen, die dieses versch,iedene Verhalten zeigen, in folgende 3 Gruppen einteilen: Kaninchen mit vollst~ndig neutralisierten Reaktionen bei hohen Serumverdflnnungen (Kaninchen mit hoher Neutralisafion oder I-IN), solche mit vollstXndig neutralisierten Reaktionen bei geringer verdflnnten Sera (GN), und schlieBlich solche, die keine neutralisier- baren Reaktionen zeigen (NN). Es ergibt sieh nun weiterhin such sine best immte mathematisehe Relation zwischen der Wirksamkeit des Serums und den Reaktionen bei den drei Kaninchengruppen. Wenn beispielsweise Kaninchen mit dem h6chsten Neutralisations- t i ter (I-IN) vollst~ndige Neutralisation bei einer Verdflnnung I : 2ooo zeigen, dann wtirde der Titer bei der zweiten Gruppe (Neutralisation bei geringeren Verdfinnungen GN) I : 2oo sein. In F~IIen, we der h6chste Neutralisationstiter (HN) I :2oo ist, wird der geringere

Titer (GN) wahrscheinlich I : 20 sein. Aul3erdem variieren auch, wie zu erwarten ist, die relativen Zahlen der 3 Gruppen.

Die Untersuchungen an normalen Sera zeigen, dab die Neutrali- sation der durch Typhusbacillen erzeugten hautvorbereitenden Faktoren ausbleibt, wenn die Sera keine Agglutinine fiir Typhus- bacillen enthalten. Andererseits blieb auch bei manehen Sera, in denen diese Agglutinine vorhanden waren, die Neutralisafion der hautvorbereitenden Faktoren aus.

Von dell normalen Tieren, deren Sera die hautvorbereitendert Faktoren nicht neutralisieren konnten, wurden manche nachtrgglich wlederholt mit Typhusbacillen-I~ulturfiltrafen behandelt und

ergaben neutralisierende Sera yon hohem Titer. Auch einige hetero- loge Sera sind untersucht worden und zwar Scharlach, J~rysipe~, Shiga-Bacillus, Flexner-Bacillus, Mr. Desert-Bacillus, B. cell, Bacillus avlcida. Diese Sera zeigten keine Neutralisation der vor- bereitenden Faktoren ffir Typhusbacillen.

Paratyphusbacillen A uncl B hingegen erzeugten eine Neutrali- sation in verschiedenen Proportionen. Die mit dieser aus Serum und Fil trat bestehenden Mischung behandelten Kaninchen konnte man ebenfalls in die 3 Grnppen (HN, GN, NN) einteilen, analog wie bei Typhusbacillen-Sera.

Ahnliche t~xperimente wurden auger mit Typhusbacillen auch mit anderen hautvorbereitenden Faktoren ausgefflhrt. Bei folgen- den Mikroorganismen konnten wir durch homologe Sera eine Neutra- lisadon der hautvorbereitenden Faktoren erreichen: Pneumococcus Typus I, H und III , bei 3 St~mmen yon Streptococcus non haemo- lyticus, die aus Blutkulturen yon Patienten mit akutem Gelenk- rhenmatismus isoliert wurden, bei Streptococcus viridans, yon einem Beckenabscel3 isoliert, Bac. paratyphi A und Bac. paratyphi B, B. Shiga, B. tZlexner, B. dysenteriae, B. cell und Meningococcus.

Bei normalem Pferdeserum blieb die Neutralisation folgender hautvorbereitender Faktoren ans: B. coIi, Bac. paratyphi A, B. Shiga, Streptococcus non-haemolytieus (yon akutem Gelenk- rheumatismus) und Streptococcus viridans (ein Stature). Scharlach- Streptokoktcen-Serum konnte die hautvorbereitenden Faktoren yon Paratyphus A und Bac. cell nicht neutralisieren.

Es geht somit hervor, dab die aus den verschiedenen Bakterien gewonnenen hautvorbereitenden Fakt0ren eine Antigenspezifitat besitzen.

Neutralisation der 2~eaktions- (intravenOsen) tZaktoren durch Immunsera. Die einleitenden Titrationen haben gezeigt, dal3 selbst eine so kleine Dosis wie o,25 ccm des vorher im Verhgltnis I : IOO verdfinnten Typhusbacillen-Filtrates einer bestin~lmten Reihe im- stande war, die Haut mancher Kaniachen ffir das Phgnomen vorzn- bereiten, vorausgesetzt, dab die nachfolgenden intraven6sen Dosen genfigend groB waren. Wegen der hohen Verdfinnungen t ra ten jedoch individuelle Schwankungen in den iReaktionen auf. Um konstant einen hohen Grad der Reaktivitgt zu erzielen, wurde den Kaninchen ant Vorbereitung eine einzelne intradermale Injektion gegeben, die ein Mehrfaches der oben angefflhrten minimalen hantvorbereitenden Dosis enthielt; die Reaktionsfaktoren wurden dann titriert.

Bei den Neutralisationsversuchen wurde ein Mehrfaches der nach obigem Verfahren bestimmten Minimaldosis der aus Typhus-