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Leipzig blickt auf eine lange Tradition des selbstbewussten Bürgertums zurück. Das reiche Kunst- und Kulturleben in der Stadt hatte seine Wurzeln im breiten bürgerschaftlichen Engagement. Nach Erkämpfung der Demokratie und dem Wiedererstarken der Wirtschaftsmetropole Leipzig zum Ende des letzten Jahrhunderts begann die Zeit der Rückbesinnung auf bürgerliche Traditionen und die Entdeckung längst vergessener Schöpfungsstätten berühmter Leipziger Bürger. Ein wunderbares Beispiel hierfür stellt die Restaurierung der Klinger Villa und des dazugehörigen englischen Landschaftsgartens durch das Leipziger Unternehmen KSW GmbH dar. Die Salons und der Garten sollen zeitweise für Ausstellungen, Konzerte und Veranstaltungen geöffnet werden. Aufgabe des neu gegründeten Vereins Klinger Forum e. V. ist es, die Organisation hierfür zu übernehmen und Unterstützer für diese Idee zu gewinnen. Der Grundstein ist gelegt – das gemeinsame Werk kann beginnen.
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KLINGERFORUM
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Einleitung
Ein wunderbares Beispiel hierfür
stellt die Restaurierung der Klinger
Villa und des dazugehörigen engli-
schen Landschaftsgartens durch das
Leipziger Unternehmen KSW GmbH
dar. Die Salons und der Garten sollen
zeitweise für Ausstellungen, Konzerte
und Veranstaltungen geöffnet werden.
Aufgabe des neu gegründeten Vereins
Klinger Forum e. V. ist es, die Orga-
nisation hierfür zu übernehmen und
Unterstützer für diese Idee zu gewin-
nen. Der Grundstein ist gelegt – das
gemeinsame Werk kann beginnen.
Holger Krimmling
Jörg Zochert
Leipzig blickt auf eine lange Traditi-
on des selbstbewussten Bürgertums
zurück. Das reiche Kunst- und Kul-
turleben in der Stadt hatte seine Wur-
zeln im breiten bürgerschaftlichen
Engagement. Nach Erkämpfung der
Demokratie und dem Wiedererstar-
ken der Wirtschaftsmetropole Leipzig
zum Ende des letzten Jahrhunderts
begann die Zeit der Rückbesinnung
auf bürgerliche Traditionen und
die Entdeckung längst vergessener
Schöpfungsstätten berühmter Leipzi-
ger Bürger.
Die Klinger Villa und der dazugehörige englische Landschaftsgarten werden neue Leipziger Adresse für Kulturveranstaltungen.
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Leipzig – Die goldenen Jahre
Leipzig wurde im 19. Jahrhundert
Großstadt. Die hier angesiedelten Be-
triebe und Handwerke expandierten,
die Bevölkerung stieg sprunghaft an
und ein bis dahin nie gekannter Luxus
und Reichtum prägte die äußere Er-
scheinung der Stadt. Leipzigs Beson-
derheit waren die Messen, wo sich
zweimal im Jahr Vertreter des Buch-
handels und des Buchgewerbes, des
Pelzhandels und des Pelzgewerbes,
des Bankwesens und des Maschinen-
baus, der Musikindustrie, der zweitäl-
testen deutschen Universität und des
Reichsgerichts trafen. Hier wurden
die erste deutsche Fernbahnstrecke
eröffnet und das erste Konservatorium
Deutschlands gegründet. Die Indus-
trialisierung ging einher mit einem
blühenden Bauwesen: Ganze Stadt-
teile entstanden neu und die Straßen
und Plätze waren mit Prachtbauten
geschmückt, die jeden Besucher in
Erstaunen und Bewunderung verset-
zen. Der Wohlstand Leipzigs zeigte
sich in einem bürgerlichen Selbstbe-
wusstsein, das sich mit kulturellen
Stiftungen und einem Mäzenatentum
schmückte. An dieser Stelle seien
stellvertretend so bedeutende Namen
wie Grassi, Brockhaus, Meyer, Reclam,
Blüthner, Hupfeld, Sack, Gebr. Breh-
mer oder Mey und Edlich genannt,
das erste Versandhaus der Welt. Leip-
zig besaß auch auf kulturell-künstleri-
schem Gebiet inter na tionale Geltung,
war die Stadt doch die Geburts- oder
Wirkungsstätte Bachs, Mendelssohns,
Wagners und Mahlers, des Thomaner-
chors, des Gewandhausorchesters und
der Leipziger Oper. Hier wirkten Goe-
the und Schiller, Gottsched und Leib-
niz, und hier wurde Max Klinger gebo-
ren. Leipzig stand mit Paris, Wien und
Brüssel in der ersten Reihe der europä-
ischen Kunst- und Musikstädte. Hier
entstanden großar tige Museen mit
Sammlungen von überregionaler Be-
deutung, Musentempel wie Gewand-
haus und Oper, unzählige Denkmäler
und Monumentalbauten. Der Spruch,
den Goethe im Faust einen Studenten
im weltberühmten Auerbachs Keller
sagen ließ: „Mein Leipzig lob ich mir.
Es ist ein klein Paris und bildet seine
Leute.“, hatte seine Berechtigung und
machte die Leipziger besonders stolz
auf ihre reichhaltige Geschichte und
Kultur.
Leipzig war bereits im 19. Jahrhundert eine wohlhabende Stadt mit international bedeutenden Künstlern, Kulturstätten und Mäzenaten.
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Oben: Gewandhaus
und Bibliothek, um
1900
Kleines Bild:
Friedrich Arnold
Brockhaus
Oben: Bildermuseum am Augustusplatz
Großes Bild: Geschäftshaus Brühl, Architekt:
Alfred Stentzler, um 1908
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Klingers Leben und Schaffen
Max Klinger wurde am 18. Februar 1857
in Leipzig geboren. Der berühmte Ma-
ler, Bildhauer und Grafiker ist Deutsch-
lands berühmtester Vertreter des Sym-
bolismus – eine Kunstrichtung mit
Bezug zur Antike. Max Klinger hinter-
ließ der Nachwelt und seiner Vaterstadt
Leipzig viele bedeutende Zeugnisse
seines Schaffens.
Klinger blieb Leipzig zeitlebens ver-
bunden. Seine Biografie kann durch
die Orte im In- und Ausland, an de-
nen er sich aufhielt, und durch die Sta-
tionen seines Schaffens dokumentiert
werden – Leipzig war für ihn jedoch
immer ein privater und geistiger Rück-
zugsort. Er suchte in ganz Europa Im-
pressionen für seine künstlerische Ent-
wicklung. So bereiste er Karlsruhe oder
Berlin, Rom oder Paris, Wien oder Lon-
don, Florenz oder Brüssel, die antiken
Stätten in Italien und Griechenland –
er war in den Pyrenäen, auf Sizilien
und in Spanien. Der Schwerpunkt sei-
nes künstlerischen Schaffens und sei-
ne heimliche Liebe galt Leipzig. Hier
feierte er seine größten Erfolge, hier
war seine treueste Anhängerschaft,
hier hatte er seine Wurzeln.
Befreundete Künstler und Musiker be-
suchten ihn oft und ließen sein Heim
zu einem Hort der Musen werden.
Man mag sein Werk und sein Schaffen
unterschiedlich betrachten, aber eines
ist unumstritten: Max Klinger war es,
der der Kunst um 1900 die Richtung
in eine „andere Moderne“ wies. Seine
Suche nach einer „Wirklichkeit jenseits
der Realität“, sein Geist und sein Wir-
ken leben in Leipzig, der Stätte seiner
Erinnerung, fort.
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Treffpunkt und Salon
Eine Soirée in Max Klingers Atelier
Ein bürgerlicher Salon war ein zu-
meist privat organisierter, gesellschaft-
licher Treffpunkt für Diskussionen,
Le sungen oder musikalische Veran-
staltungen vom 18. bis zum 20. Jahr-
hundert. Er diente dem freien Ideen-
austausch, förderte unabhängig von
Stellung und Geschlecht die Aufklä-
rung und war Ausdruck eines kulturell
verfeinerten Lebensstils. Diese Treffen
verstanden sich als Träger einer neuen
Geselligkeitskultur. Max Klinger als
Ästhet und Kosmopolit etablierte in
seinem großen Atelier neben dem el-
terlichen Wohnhaus gesellschaftliche
Zusammenkünfte. In seinem Haus
gab es Abende mit Musikern des Ge-
wandhauses, Treffen mit Johannes
Brahms, Richard Strauss oder Max
Reger. Inmitten des Ateliers stand ein
Flügel, auf dem Klinger sein musika-
lisches Talent zum Besten gab. Nach
Beschreibungen von Zeitgenossen war
Klingers Haus eine erste Leipziger Ad-
resse für einheimische und auswärtige
Ästheten. Einen bedeutenden Anteil an
diesen Zusammenkünften hatte auch
Klingers damalige Muse Elsa Asenijeff,
die ihre Rolle als gleichberechtigte Le-
bensgefährtin eines Genius glänzend
spielte. Sie war die wichtigste Inspira-
tion in Klingers künstlerischem Leben.
Die Salonkultur endete mit dem Um-
zug Klingers auf seinen Weinberg.
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Wiederbelebung eines Kunstviertels
Das Gebiet der Leipziger Westvor-
stadt bis nach Plagwitz, Schleußig
und Lin denau war bis Mitte des
19. Jahrhunderts eine feuchte und
von Überschwemmungen bedroh-
te Sumpf- und Wiesenfläche. Als
der Leipziger Rechtsanwalt und Un-
ternehmer Carl Heine ab 1850 in
Plagwitz mit dem Bau des ersten
Teilstücks eines Kanals begann, der
die Weiße Elster mit der Saale schiffbar
verbinden sollte, wurde der Aushub
zum Straßenbau benutzt und damit
das Areal der heutigen Westvorstadt
trockengelegt. Heine begann dieses
Gebiet zu parzellieren und zu be bauen.
Durch ihn entstanden die heutige
Käthe-Kollwitz-Straße, die Karl-Heine-
Straße und die Plagwitzer Brücke als
neues Wohngebiet, wo sich das wohl-
habende Leipziger Großbürgertum
ansiedelte. Die heute noch größten-
teils erhaltenen prachtvollen Bauten
zeugen vom Reichtum und Kunstver-
ständnis der damaligen Bau herrn.
Nach und nach entstanden in diesem
Gebiet prächtige Villen, wo sich so be-
deutende Leipziger wie Joseph Meyer
(Lexikon), Rudolf Sack (Landmaschi-
nen), Moritz Mädler (Mädlerpassage),
Konrad Giesecke (Buchdruck) nieder-
ließen, um nur die wichtigsten zu nen-
nen. Die meisten dieser Großindustri-
ellen waren in alter Leipziger Tradition
auch als Mäzene tätig und förderten
in der Stadt Kunst, Kultur und Wis-
senschaft. Ohne diese großzügigen
Stiftungen und Spenden wären viele
kulturelle Projekte der Stadt Leipzig
nicht realisierbar gewesen.
Einst schufen hier fleißige Hände die Grund
lage für den ehemaligen Wohlstand Leipzigs:
Arbeiterinnen in der Baumwollspinnerei im
Dezember 1909.
Wenn es um den Kreativstandort Leipzig geht, fallen meist unmittelbar die Namen Plagwitz, Lindenau und Schleußig.
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Leipziger KünstlerInnen wie Christiane Baum
gartner öffnen regelmäßig im Rahmen des
beliebten Galerierundgangs Ihre Ateliers für
interessierte Besucher
100 Jahre später ist die Bauwollspinnerei
eines der bedeutenden Zentren für Leipzigs
Kreative und Künstler geworden.
Nach den Turbulenzen des vergan-
genen Jahrhunderts und den gesell-
schaftlichen Veränderungen der letzten
zwan zig Jahre kehrt ein Großteil der
Leipziger Kultur an seinen Ausgangs-
punkt zurück. Wenn es um den Kreativ-
standort Leipzig geht, fallen meist
unmittelbar die Namen der Stadtteile
Plagwitz, Lindenau und Schleußig. An
dieser Stelle seien nur die Spinnerei,
das Tapetenwerk oder die Schaubühne
genannt. Mit dem Klinger Forum e. V.
etabliert sich hier ein Kulturverein, der
die Leipziger Kunstszene zusätzlich be-
reichern wird.
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Wiederbelebung eines Kunstdomizils
Heinrich Louis Klinger ließ ab 1868
die Villa in der heutigen Karl-Heine-
Straße 2 für sich und seine große Fa-
milie errichten. Dieses Gebäude ist
das letzte erhaltene bauliche Zeugnis
des Leipziger Künstlers Max Klinger
in seiner Heimatstadt, nachdem sein
Geburtshaus abgerissen und sein eige-
nes Atelierhaus im Zweiten Weltkrieg
zerstört wurde. Er kaufte nach dem
Tod der Eltern dieses Gebäude, das
nach seinem Tode der Kaufmann Ri-
chard König erwarb. Nach mehreren
Umbauten, Jahren der unsachgemä-
ßen Nutzung und Vernachlässigung
hat Dr. Siegfried Unterberger die Villa
von einer Erbengemeinschaft gekauft
und die äußere Bauhülle mustergül-
tig saniert. Er wollte die Klinger Villa
wie die Villa Romana in Florenz zu ei-
nem Künstlerhaus machen, wo Stipen-
diaten nach dem Vorbild aus Florenz
eine Möglichkeit zum Arbeiten be-
kommen und Inspirationen im Klin-
gerschen Sinne empfangen können.
Widrige Umstände verhinderten die-
ses Vorhaben. So wurde die Villa 2010
von der Leipziger Firma KSW GmbH
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erworben, welche mit dem Blick für’s
Wesentliche die Restaurierung dieses
Gebäudes nach originalen Plänen und
denkmalpflegerischen Vorgaben fer-
tigstellt. Hier wird nach Vollendung
der Baumaßnahmen eine Plattform
für Künstler und Kunst interessierte
geschaffen, welche die Ideen Max Klin-
gers aufgreift. Das Klinger Forum e. V.
erfüllt diese Villa – ähnlich dem Pro-
gramm der Villa Romana – mit neu-
em Leben. Der große Landschaftsgar-
ten mit historischem Baumbestand
am Flusslauf der Weißen Elster und
die historischen Salons in der Villa er-
strahlen wieder in neuem Glanz.
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Nach dem Niedergang und dem Ver-
lust von kulturellen Werten nach dem
Zweiten Weltkrieg bildet sich heute ein
ganz neues Selbstbewusstsein. In al-
ter Tradition der folgerichtigen Verbin-
dung von wirtschaftlichen Interessen
und kulturellem Engagement in Leip-
zig zeigt sich eine Geisteshaltung, die
mit Stolz erfüllt.
Mit der Gründung des Klinger Fo-
rum e. V. durch eine private Initiati-
ve entsteht in Leipzig eine neue Platt-
form für Künstler, Ästheten und
Intellektuelle, die mit der Klinger Vil-
la einen Treffpunkt für Ausstellungen
privater und öffentlicher Sammlun-
gen, Musik veranstaltungen, Lesun-
gen, Gespräche und für die Beschäfti-
gung mit Kunst unter Gleichgesinnten
bekommen.
Es ist die Wiederbelebung der bürger-
lichen Salonkultur, für die Leipzig im
19. Jahrhundert bekannt war. Das Klin-
ger Forum bietet den kunstinteressier-
ten Bürgern der Stadt Leipzig die Mög-
lichkeit, dieses Haus wieder zu einem
belebten Ort zu machen, wo Kunst und
Gesellschaft verschmelzen, wo Geist
mit Schönheit einhergeht, ganz im
Sinne Max Klingers.
Zu empfinden, was er sieht, zu heben, was er empfindet, macht das Leben des Künstlers aus.Max Klinger (1857 – 1920)
Selbstverständnis des Forums
KLINGERFORUM
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Oben: Gartenszene
rechts: Pianistin Juliana Steinbach am Flügel
ganz links: Maximilian Schell mit seiner
Lebens gefährtin, Sängerin Iva Mihanovic im
Garten der Klinger Villa.
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Zusammenarbeit und Unterstützung
Der Verein Klinger Forum e. V. lädt
Partner, Förderer und Unterstützer der
kulturellen Wiederbelebung der Klin-
ger Villa herzlich ein, sich an diesem
großen Werk zu beteiligen. Die Form
der Unterstützung ist frei wählbar und
hängt sicher auch von den persön-
lichen Möglichkeiten des Einzelnen
ab. Je breiter die Idee im Herzen des
Leipziger Bürgertums verwurzelt ist,
umso größer wird die künftige kultu-
relle Vielfalt im Hause sein.
BIldquellen
Seite 9
Leipziger Baumwollspinnerei (oben)
Zeit für Kunst, Thomas Riese, 2009 (links)
Christiane Baumgartner in ihrem Atelier,
Bertram Schultze, 2009 (rechts)
Seite 13
Stefan Hoyer
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KLINGERFORUM
Klinger Forum e. V.
Karl-Heine-Straße 2
04229 Leipzig
www.klingerforum-leipzig.de