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BIBLlOTHECA ORJENTALIS HUNGARICA XLV Herausgegeben von GYQRGY HAZAI AKADEMIAI KIADG, BUDAPEST

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  • BIBLlOTHECA ORJENTALIS HUNGARICA

    XLV

    Herausgegeben von

    GYQRGY HAZAI

    AKADEMIAI KIADG, BUDAPEST

  • GRAF EDUARD RACZYNSKI

    MALERISCHE REISEIN EINIGEN PROVINZEN

    DES OSMANISCHEN REICHES

    Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von

    PETERZIEME

    AKADEMIAI KIADO. BUDAPEST

  • BlBLIOTHECA ORIENTALIS HUNGARICA

    XLV

    Herausgegeben von

    GYORGY HAZAI

    AKADEMIAI KIADO, BUDAPEST

  • GRAF EDUARD RACZYNSKI

    MALERISCHE REISEIN EINIGEN PROVINZEN

    DES OSMANISCHEN REICHES

    Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von

    PETER ZIEME

    AKAOEMIAI KIAOG, BUDAPEST

  • riAAVARD UNIVERSI1YUBRARY

    fEB 1 7 1998Ms

    ISBN 963 05 6999 XHU ISSN 0067-8104

    e Akademiai Kiad6, 1997Aile Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf

    ohne schriftliche Genehmigung des Veri ages in irgendeiner Form(Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reproduziert

    oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,vervielfaltigt oder verbreitet werden.

    Akademiai Kiad6, H1519 Budapest, Pf. 245

    Druck und Bindearbeit: Akademiai Nyomda, Martonvaser

    Printed in Hungary

  • Vorbemerkung

    Wie jedes Buch hat auch dieses seine Geschichte. Nach den zahlreichen Aufla-gen im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts geriet E. Raczynskis "MalerischeReise in einigen Provinzen des Osmanischen Reiches" in Vergessenheit. Ais ichEnde der achtziger Jahre vom verantwortlichen Lektor des Verlages Riitten &Loening den Auftrag erhieIt, Raczynskis Buch fiir einen Neudruck vorzuberei-ten, machte ich mich, ermuntert von Frau Dr. Gisela Kraft, mit Freude und mitaIter Technik an die Arbeit. Die Wende kam, das neue Druckmanuskript wurdeallmahlich fertig, doch der Verlag sah sich gezwungen zu schrumpfen, und mitibm auch die Reihe der Reiseberichte, in welcher das Werk erscheinen sollte.Und so geriet auch das Projekt der Neuausgabe in Vergessenheit, bis eines Ta-ges Prof. Georg Hazai mir anbot, es in Budapest herauszugeben. Ibm als Her-ausgeber der Bibliotheca Orientalis Hungarica bin ich zu besonderem Dankverpflichtet.Gleichfalls mochte ich Frau Maria Kaldor, der Leitenden Lektorin des Aka-

    demiai Kiado, fiir ihr Engagement danken sowie Herro Albrecht Friedrich, derin bewiihrter Weise die Arbeiten am Manuskript begleitet, Fehler ausgemerztund Anregungen zur GestaItung gegeben hat. Die letzten Arbeiten am Cornpu-termanuskript wurden von Frau Sehla Bujtas-Fahmi sorgfaltig ausgefiihrt.Des weiteren mochte ich Worte des Dankes allen denjenigen sagen, die mich

    in der einen oder anderen Weise unterstiitzt haben. Prof. E. Tryjarski hat mirbibliographische Angaben zu den Werken von E. Raczynski und iiber ihn mitge-teilt, Prof. H. Markiewicz hat mir die Kopie eines Aufsatzes iiber E. Raczynskizugesandt, Dr. M. Stachowski half mir bei der Ubersetzung der polnischen Bild-unterschriften. Da die Druckarbeiten schon im Gange waren, habe ich leider aufdie von ibm in einem Gesprach angebotene Moglichkeit, das Manuskript desdeutschen Textes mit dem polnischen Original zu vergleichen, verzichten miis-sen. Die vorliegende Ausgabe basiert nur auf der seinerzeitigen deutschenUbersetzung.Wenn man allein die Bildunterschriften durchsieht und sich die beteiligten

    Personen ihrer Nationalitat nach vor Augen halt, stelIt man leicht fest, dall be-reits die ersten Ausgaben ein wahrhaft europaisches Gemeinschaftswerk waren.Wenn auch die Neuausgabe aus dem Zusanunenwirken vieler Europaer zustan-de gekornmen ist, dann moge dies im Geiste Raczynskis zugleich ein Zeichenfiir die Zukunft sein.

    Berlin, imMarz 1997

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  • Erstes Kapitel

    Es war am siebzehnten Juli des Jahres 1814, als ich Warschau verlieJl. Den fol-genden Morgen erreichte ich das schone Pulawy. Ich war seit dem Jahre 1809 indiese Gegend nicht gekommen, urn so tiefer empfand ich, wie sehr binnen kur-zer Zeit die Umstande sich geandert hatten. Damals sah ich hier mit gerechtemStolz unsere siegreichen Fahnen einem HeIden folgen, den sein Feldherrntalentund echt ritterlicher Sinn woW wiirdig machten, in dieser Epoche fiir den erstenseiner Nation zu gelten. Ich eilte nach dem bei Pulawy gelegenen SchloJl Ma-rynki, wo damals der Furst Joseph Poniatowski sein Hauptquartier hatte. Kaurnerkannte ich diesen vor wenigen Jahren so belebten art: sein Glanz war erlo-schen; ode und verlassen schien er urn den erblichenen HeIden zu trauem. Nurwenige Stun den hielt ich mich in Pulawy auf, und noch an demselben Tage er-reichte ich das vierzehn Meilen davon entfemte Stadtchen Krasnostaw. Hierverlebte mehrere Monate als Kriegsgefangener der Erzherzog von OsterreichMaximilian, welcher im sechzehnten Jahrhundert als Nebenbuhler des KonigsSigismund III. sich urn die polnische Krone bewarb. Es ist bekannt, daJl dieserFurst im Jahre 1588 von dem beriihmten Johannes Zamoyski bei Pitschen inSchlesien gescWagen und gefangen wurde.

    Am neunzehnten Juli setzte ich bei Uscilug uber den Bug-Strom, welcherseit dem PreJlburger Frieden das Herzogtum Warschau von dem RussischenReiche scheidet, In friiheren Zeiten haben unsere Voreltem unter den piasti-schen Konigen zu wiederholten Malen in diesen Gefilden glucklich gegen dierussischen Fursten gekarnpft. Gleichzeitige Geschichtsschreiber erwahnen einesentscheidenden Sieges, welchen Boleslaus der Tapfere im Jahre 1019 uber denFursten von Nowgorod Jaroslaus erfocht. Die Russen verloren an diesem ver-hangnisvollen Tage den groflten Teil ihres Heeres und benannten darum denFluJl Bug, das hiiJlliche und schwarze Wasser.

    Ostwarts von Uscilug liegt das Stiidtchen Wlodzimierz, einst die Hauptstadteines Fiirstentums desselben Namens, von dem russischen Fiirsten Wolodimirim zehnten Jahrhundert erbaut; von hier begab ich mich nach Luck. Traurig istder Zustand dieser Ortschaften, in welchen schmutzige Hiitten, von Juden be-wohnt, planlos neben den Triimmem priichtiger Kirchen und Schlosser hin-gestreut, einen traurigen Kontrast bilden gegen die Vergangenheit, die eben so

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  • I d war als der jetzige Zustand bedauemswiirdig ist. Der Mangel an Ma-g anzen I" kli h Z d d S ad .nufakturen ist wahl die Hauptursache des ung uc IC en ustan es er ta te mWolh nien doch ist der Urgrund desselben in den haufigen Einfallen der Tar-taren ~d Kosaken zu suchen, welche diese Gegenden so oft verwiistet haben.Schon im dreizehnten Jahrhundert verheerten die Tartaren unter ihrem FiirstenBatukan das siidliche Polen.

    Das einst sehr feste Schlof in Luck steht nun ode und verlassen da. Es istnicht bekannt, wer der Erbauer desselben gewesen, doch glaube ich nicht, dalles ein Werk des russischen Fiirsten Wolodimir sei, welcher die Stadt selbst an-gelegt hat. Die Festen darnaliger Zeit baute man in diesen Gegenden bloll vonHolz und umgab sie mit Erdwallen.

    Dieses altertiimliche Gebaude gewahrt dem Freunde der vaterlandischenGeschichte ein warmes Interesse. Hierher kamen im Jahre 1429 zu einer glan-zenden Versammlung der Konig Wladislaus von Polen, Withold, sein Bruder,der deutsche Kaiser Sigismund nebst seiner Gemahlin, der russische Zar Basi-lius, der Konig von Danernark Erik, die Grollmeister der Kreuz- und Schwert-Ritter und die Gesandten des griechischen Kaisers Paliiologus. Der Zweck derZusammenkunft war, sich tiber die Mittel zu verstandigen, urn der immer dro-hender andringenden turkischen Macht Einhalt zu tun. Doch hatte der romischeKaiser dabei noch den geheimen Zweck, die Vereinigung von Polen und Li-tauen zu hintertreiben, die zustande kommen sollte. In dieser Absicht schlug derKaiser dem Prinzen Withold vor, sich zum Konig von Litauen zu erklaren. Wit-hold nahm den Antrag des Kaisers willig auf, doch war er vaterlandisch genuggesinnt, urn die Einwilligung des Konigs und der Reichsstande zu erfordem. DieSache wurde im Reichsrate vorgetragen und verworfen. Unmutig verlieJl derKaiser seinen Bundesgenossen, ohne seine neidische Absicht erreicht zu haben .

    ..Die Landschaft zwischen Luck und Dubno ist hochst malerisch; fast jederHugel bietet dem Auge eine eben so ausgebreitete als reizende Aussicht dar. Diefelslgen Gegenden urn Krakau gelten allgemein fur die schonsten in Polen: ichaber ware geneigt, diesem Teile des wolhynischen Gouvemements den Vorzugzu geben. Sanft erhobene Hiige], wohl angebaut und mit iippig wachsendenSaaten bedeckt, gewahren meiner Meinung nach dem Auge ein gefalligeres Bi1dals Massen von Marmor- und Granitfelsen, iiber welchen die Natur gleichsamemen Fluch ewiger Unfruchtbarkeit ausgesprochen hat und welche in einem~aler selbst hochstens nur den Maler, nicht den Mensch~n zugleich ansprechenonne~. Der fruchtbare Boden dieses Landes, das frische Griin der Wiesen,

    zahlrelche Herden e' b k I' . . . .. mes e annt ich ausgezeichnet schonen Hornviehs, anrnuu-ge Haine Idare Gew" II" . G . tr . ~. asser ste en em Bild zusammen welches rnemen eisPI~tzkIhChin jene arkadischen Gefilde versetzte, die ein 'Theolait und Gellner sog uc ich gedichtsr u db ahr. h n esungen haben. Diese schOnen Landschaften gewa enfilC t nur dem Au .W d ge emen angenehmen Genull sondem sie flollen auch dem

    an erer das beruhigende und wohltuende Gefilhl ein, dall die giitige Natur die

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    ____.s._

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    Bewohner dieses Erdstrichs reichlich mit allen Bedurfnissen des Lebens ge-segnet hat. Nicht so befriedigend ist der Zustand der hiesigen Landleute. DieseMenschen, ohne alle Erziehung, sind unreinlich und duster; sie haben weder denregeren Geist der Einwohner des westlichen Polens noch die muntere frohe Lau-ne der Krakauer. Es fiel mir schwer, ihre Sprache zu verstehen. Unsere Vorel-tern haben einen graBen politischen Fehler begangen, daB sie nicht alle Miiheangewendet haben, diese fremdartige, der russischen so ahnliche Sprache beidiesem Volke umzuandern.

    Am zweiundzwanzigsten Juli karn ich nach Ostrog. Dieses elende Stadtchenwar ehernals befestigt. Das SchloB selbst, einst ein Sitz des Wohlstandes unddes Glanzes, ist jetzt dermaBen verfallen, daB man kaum einige Spuren davonfindet, auBer der dem Einsturz drohenden Kirche und einigen Tiinnen undBasteien.Die Landesgeschichte erwahnt schon im Jahre 1100 dieses Ortes, von dem

    spaterhin das verdienstvolle Geschlecht des Ostrogski den glorreichen Namenfuhrte. Im sechzehnten Jahrhundert entfuhrte von hier der Furst Demetrius San-guszko die schone Beata Ostrcgska, um die er vergeblich warb. Dieser roman-hafte Frevel gab zu einem Reichsstreite Anlafl, an welchem die vornehmstenGeschlechter von Polen und Litauen den eifrigsten Anteil nahmen; schon des-halb scheint mir diese Begebenheit eine fluchtige Erwahnung zu verdienen. DerFurst Sanguszko warb urn die Geliebte, erhielt von ihrer Mutter, die andere Ab-sichten hatte, eine abschlagige Antwort. Er hatte sich schon friiher den PrinzenBasilius Ostrogski, den Oheim der schonen Beata, zum Freund gemacht und batnun urn seine Vermittlung; als aber auch diese abgelehnt wurde, sannen die bei-den Freunde darauf, mit Gewalt zum Zwecke zu gelangen. Unter dem Vorwandeines Besuchs begaben sie sich mit einem Gefolge von tausend Reitern nachOstrog. Eine so betrachtliche Schar schien dem Burgvogt verdachtig, und er be-fahI, die Tore zu schlieBen. Doch ehe dieses bewerkstelIigt wurde, drangen diebeiden Fursten in den SchloBhof ein, und als man sie hier noch mit Gewalt zu-riicktreiben wollte, wurden einige Soldaten der Besatzung erschlagen. Nun be-gaben sie sich zu der Prinzessin Mutter, und hier erklarte der Prinz Basilius, daBer seine Nichte dem Fiirsten Sanguszko zur Gemahlin versprochen hatte, unddaB er diese Verbindung sogleich vollzogen zu sehen wiinschte. Trotz allenVorstellungen beharrten Mutter und Tochter auf ihrer abschlagigen Antwort,Von Zorn entbrannt, lieB der Furst Basilius den SchloBkaplan holen und befahlihm, des Straubens beider Furstinnen ungeachtet das Paar zu trauen. Dieses ge-schah, und nachdem die Ehe vollzogen war, ging der Furst Sanguszko mit seinerjungen Gemahlin auf seine Besitzungen. Die purstin-Mutter aber eilte nach Kra-kau, urn dem damaligen Konig von Polen Sigismund August die Untat zuklagen. Der Konig Iud beide Parteien vor seinen Richterstuhl, erkannte denFiirsten Sanguszko fur schuldig und tat ibn in die Reichsacht. Dieser wartete das

  • Urteil nicht ab, sondem fluchtete nach Deutschland, wo er kurz darauf von Zbo-rowski Kastellan von Kalisch, erschlagen wurde.Am' dreiundzwanzigsten Juli erreichte ich Krzewin, wo ich im Hause des

    gastfreien Pursten Maximilian Jablonowski und seiner liebeMvrordigen. Ge-mahlin einige angenehme Tage verlebte. Das Schloll in Krzewm ist nut ememWassergrabenumgeben, welchen einige tausend vom Feldherrn Stanislaus Jab-lonowskiim siebzehnten Jahrhundert kriegsgefangene Turken gearbeitet haben.Am achtundzwanzigsten Juli setzte ich meine Reise nach Odessa fort. An

    demselbenTage besuchte ichmit einem erhebenden Gefiihl das Schlachtfeld beiZielenice, wo im Jahre 1792 der Furst Joseph Poniatowski gegen die Russeneinen riihmlichen Sieg erfocht. Zahlreiche Leichenhiigel bezeugen den blutigenKampf. Doch hinderte die furchtsame Staatskunst des Konigs von Polen, derden Feldzugnur verteidigungsweise gefuhrt wissen wollte, seinen ruhmbegieri-genNeffen, den errungenen Vorteil zu nutzen.In Ostropol setzte ich iiber den Slucz-Flull und bernerkte an dessen Ufem an-

    sehnliche Granitfelsen, Einige Meilen weiter kam ich in die Steppen. Schwer-lich bietet eine und dieselbe Gegend einen so verschiedenen Anblick dar als ei-ne Steppenach der Jahreszeit, in welcher man sie besucht. Im Frlihjahr entfaltetsie einen unerrnelllichen Teppich der schonsten Blumen, welche in diesemBoden lippig und mannigfaltig aufspriellen und dem Botaniker keine geringeAusbeutegewahren durften. 1m Sommer sind die Blumen bereits verdorrt, undan deren Stelle strecken sechs Full hohe aschgraue DisteIn dem miiden Wande-rer ihreStacheInungastfreundlich entgegen.Die ganze Gegend zwischen Ostropol und Human, der ostliche Teil des wol-

    hyruschenund der westliche des podolischen Gouvemements, bietet dem Augefast gar keme Abwechslung: der Boden ist uberall fruchtbar die Dorfer sindsehr volkreich, doch schlecht gebaut und oft zwei Meilen voneinander entfemt.Die Beviil~erungdes wolhynischen Gouvemements gibt man auf achthundert-tausendmannhche und weibliche Seelen an. Doch sind in dieser Zahl weder dieadligenGutsbesit~ernoch die zahlreichen Juden mit inbegriffen,Am emunddrellllgsten Juli traf ich in Human ein. Dieses Stadtchen ist viel

    bessergebaut als alle, welche ich bis dahin auf meiner Reise gesehen harte. Inder Ges~hichteder ersten Regierungsjahre des letzten Konigs von Polen steht esrmt blutiger Schrift bezeichnet. Ein Haufen saporogischer Kosaken die damalsnoch fast u bha '. 'b na anglg waren, brach in der Nacht in Human und in der benach-artenGegend ein und metzelte einige tausend Menschen nieder. Mit Beute be-laden kehrten sie u f . ihr" k ngestra t in I e Schlupfwinkel an den Ufern des Dneprzuruc .Die verwitwet G "f F l'I hera in e IX Potocka besitzt in dieser Gegend einen Garten,Wec er den schOnsten' E '. .z Ehr S in uropa an die Seite gesetzt werden kann und der ihru en cphiowka oder S hi b '.. . hS h ei Vi . op ienort enannt 1St.Diese reizende Anlage zie tIC eme lertelmelle '1 . . .wei in emern von zwei felsigen Hiigeln eingeschlossenen

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  • Tale hin. Mit Staunen sah ich in dem Garten einen vierzig Full breiten Flull wildzwischen Granitfelsen einherrauschen, sich von einer Hohe von achtundvierzigFull fast senkrecht herabstiirzen und in einen See ergiellen, der mit den selten-sten Gewiichsen und Pflanzen umgeben ist. In einiger Entfemung ragt aus demSee ein Granitfels hervor, aus welchem ein Springbrunnen sich machtig undkiihn achtzig Full hoch erhebt. Der Durchmesser der Wassersiiule ist unten dreiZoll stark, oben breitet sich dieselbe aus und bildet eine alabasterahnlichedurchsichtige riesenhafte Siiule wie die eines Feenpalastes. Diesen Teil des Gar-tens scheint die Besitzerin vor allen liebevoll geschmiickt zu haben. An demUfer des Sees steht eine antike marrnome Bildsaule eines rornischen Konsuls.Kopf und Faltenwurf sind vorziiglich schon und unbezweifelt antik; FiiJle undHande sind ergiinzt und entsprechen keineswegs der Schonheit des Ganzen.Oberhalb des Wasserfalls steht ein Granittempel im iigyptischen Stil, Ein an-sehnlicher Bach ergiellt sich iiber die Kuppel desselben, hiillt das Ganze in einmystisches Dunkel und gewahrt im Sommer den darin Weilenden die ange-nehmste Kuhle, Vorziiglich reich an Wasser ist dieses liebliche Tal: mittendurch dasselbe flieJlt ein arunutiger Bach, der sich bald in mehrere Arme teilt,bald sich wieder in das Hauptbett vereinigt, hier von Klippe zu Klippe schau-mend hinabstiirzt, dart unter Blumen schlangelnd und tandelnd sich gemiitlichweiter bewegt und den Wanderer zum Nacheilen einzuladen scheint:

    et fugit ... et se cupit ante videri.

    Am ersten August erreichte ich das Stadtchen Bohopol, am ZusammenfluJldes Boh- und des Sieniucha-Flusses gelegen. Bohopol ist vor wenigen Jahrennoch der Grenzort Polens gegen RuJlland und die Tiirkei gewesen. Unsere Ge-schichtsschreiber erwahnen eiseme Saulen, welche der Konig von Polen, Bole-slaus der Tapfere, an den Grenzen seines von ihm erweiterten Reiches hatte set-zen lassen. Mit wehmiitigem Wohlgefiihl bemerkte ich, dall sich diese Sittenicht bis auf unsere Zeiten fortgepflanzt hat, und dall man an den Ufem des Bahkeine eiserne Siiulen gesetzt hatre, Was friiher ein dauerhaftes Denkmal unseresWaffenruhms sein sollte, wiirde jetzt nur wamend von unsern Zwistigkeiten,unserrn Ungliick und den traurigen Foigen zeugen, die jene nach sich gezogen.

    Zwischen Bohopol und Odessa erstrecken sich wieder weite Steppen, diefriiher den tartarischen Stammen von Yedisan und Dzhamboyluk eigen waren,Die Tartaren welche bekanntlich mit ihren Herden ein nomadisches Lebenfiihrten, hatten auf diesem so bedeutenden Landstrich keine einzige feste Besit-zung. Durch den Friedensschlull von Jassy, im Jahre 1792, trat Sultan Selim die-se Provinz an RuJlland ab, und man ist seit dieser Zeit eifrig bemiiht, selbige mitAnsiedlern aus Polen, Deutschland, der Moldau und Bulgarien zu bevolkem.Herrliche Saaten auf dem iippigsten Boden und ansehnliche Herden von Hom-vieh und Schafen lassen diese Menschen einer gliicklichen Zukunft entgegen-sehen.

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  • Unertraglich durch ewige Einformigkeit ist die Reise durch die ..Steppe~;doch erregten darin meine Aufmerksamkeit zahlreiche runde aufgeschuttete Hu-el die oft zwanzig Full hoch sind und von den Emwohnern der SteppeniL;gan genannt werden. Der Herzog von Richelieu liell eine betriichtliche An-zahl derselben aufraumen. Einige waren leer, in den meisten fand man Men-schengebeine und altertumliche Waffen, Speere und breite, kurze Degen; dochwaren diese nicht bezeichnend genug, urn an denselben das Volk zu erkennen,zu welchem die mer beerdigten Krieger gehort haben mochten.Die Pest, welche in Odessa und in der umliegenden Gegend in den Jahren

    1812 und 1813 wiitete, raffte einen bedeutenden Teil der noch so geringen Be-volkerung hinweg. Ganze Hauser stehen verodet da, und sorgsarn eilt die Regie-rung, selbige mit neuen Ansiedlem zu beleben. Ich begegnete auf meiner Reisezu wiederholten Malen ansehnlichen Haufen deutscher Auswanderer, welche,von blendenden Versprechungen gelockt, ihre Besitzungen verlassen hatten undhier wiiste Stellen urbar machen sollten. Diese Menschen schienen nicht zu ah-nen, dall bei aller Fruchtbarkeit des Bodens der oft ganz regenlose heille Som-mer die Saaten verdorrt, dall der strenge Winter in einem von Brenn- und Bau-holz vollig entbliillten Lande doppelt empfindlich ist, dall endlich ansteckendeKrankheiten und die Pest alle Vorteile iiberwiegen, welche sie hier zu erwartenschienen.

    Am zweiten August langte ich in Odessa an. Diese neue Ansiedlung belebtalle umliegenden Provinzen; und mit Staunen sah ich hier eine bliihende Han-delsstadt, wo vor fUnfundzwanzig Jahren die Einwohner des tartarischen DorfesKocabay stumpfsinnig ihre Herden weideten. Odessa sollte billig Richelieu-Stadt genannt werden; dieser Ort ist namlich im strengsten Sinne das Werk desjetzigen franzosischen Staatsministers Herzog von Richelieu, der mehrere Jahrein russischen Diensten gestanden und als Generalgouvemeur den Statthalter-schaften von Jekatarynoslaw, Cherson und der Krim vorstand.Der Hafen von Odessa ist fUr die Bewohner von Podolien und der Ukraine so

    wichtig, dall eine kurze Geschichte dieser Stadt hier wohl an der rechten Stellesein diirfte. Die Geschichtsschreiber des Alterturns erwahnen die skythischeStadt Odessa, doch ist ihre Lage und ihre Geschichte nur sehr unvollstandig be-kannt.

    . Es ist mir wahrscheinlich, dall der Ort, wo jetzt die neue Stadt sich jugend-lich erhebt~ fruher u~ter der Botmalligkeit der polnischen Konige gestanden hat.Der Geschlchtsschrelber Cromerus berichtet: die Einwohner der von den Turkenunroer mehr bedriingten Hauptstadt des ostrornischen Reichs haben sich im Jah-re 1415 d K'" ." an en orug von Polen Wladislaus gewendet und ihn urn eine Unter-stutzung an Lebensmitteln gebeten, Gem willigte der hochherzige Konig in ihrGesuch und schickte eine mit Kom beladene und in Kacibey ausgeriistete Flottenach Konstantinopel. lch glaube, Kacibey solle hier Kocabay (jetzt: Odessa)

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  • heillen; wenigstens ist mir kein Hafen in dieser Gegend bekannt, welcher je denNamen Kacibey gefuhrt harte,

    Kurz nach der Eroberung von Konstantinopel nahmen die Turken Besitz vonden westlichen Ufern des Schwarzen Meeres.

    Vor vierzig Jahren lebten nur wenige Tartaren-Familien in dem k1einen un-bedeutenden Dorfe Kocabay, doch war die hiesige Reede irnmer sehr wichtigfiir die Schiffer auf dem Schwarzen Moor. Nach dem Frieden von Jassy (1792)bescWoll die Kaiserin Katharina II., in diesem soeben erworbenen Gebiet einenHafen anzulegen und gab der dabei zu erbauenden Stadt den altertiimlichen Na-men Odessa. Ihr Plan ward einigermallen ausgefuhrt, und vor ihrem Tode warenschon zweihundert Hauser, doch meist nur schlicht aus Lehm und Fachwerk, er-baut. Der Kaiser Alexander sah bald die Vorteile dieser Anlage ein; er befahldie vorgenommenen Bauten fortzufiihren und emannte im Jahre 1803 den Her-zog von Richelieu zum Gouverneur von Odessa.

    Der Herzog fand bei seiner Ankunft in dieser Stadt nur vierhundert elendeHauser: jetzt zahlt dieselbe zweitausend meist von Stein erbaute Gebaude undvierundzwanzigtausend Einwohner, laut neueren Nachrichten ist die Bevolke-rung von Odessa bereits auf vierzigtausend Menschen gestiegen. Die Strallender Stadt sind breit und regelmallig angelegt, ihre Quarantane ist wohl geordnet.Sie hat mehrere Kirchen, ein Schauspielhaus, Schulanstalten, Kasemen, Hospi-taler, einen offentlichen Garten und zwei fur den Handel so wichtige Asseku-ranz-Gesellschaften, ein Handelsgericht und ein arztliches Kollegium. Die wei-se Wirtschaftlichkeit des Herzogs von Richelieu ist ebenso bewundernswiirdigals sein reger, rastloser Eifer. Die russische Regierung bestimmte nur geringeGelder zur Ausfiihrung aller der auf ihre Kosten zu erbauenden Hafendamrne,Warenlager, Kasemen usw. Diese Gelder wurden von den Pachtem der Schank-gerechtigkeit erhoben, welche in RuJlland ein Monopol der Krone ist; auch be-willigte der Kaiser zu diesem Endzweck ein Zehntel der im Hafen erlegten ZoU-gebiihren. Der Gouverneur von Odessa wullte diese in den ersten Jahren und beider geringen Bevolkerung unbedeutenden Einnahmen so wohl anzuwenden, daller alle notigen Ausgaben bestritt, ohne eine Anleihe zu machen.

    Minder gliicklich ist der Furst in der Wahl des Baumeisters gewesen, wel-cher die Bauten in der Stadt leitete. Ich habe in Odessa wenig schone Gebaudegesehen, auller der griechischen Nicolaus-Kirche und dem Schauspielhaus.Dieses letztere, mit einem Saulengang dorischer Ordming gegen die See zuge-wandt, ist irn Stil der k1assischen Tempel des griechischen A1terturns erbaut.

    Die Reede von Odessa ist anderthalb Meilen lang und von der Ost-, West-und Nord-Seite vor allen Winden geschiitzt; auf der Siidost-Seite hat man .zweiHafendamme angelegt, an denen sich die drohenden Wogen der Herbststurmezerschlagen. Auf diese Art liegen hier Schiffe, bei einem sehr guten Ank~r-grunde, in allen Jahreszeiten ganz sicher. Der erste Hafendamrnm auf der Sud-Seite bildet den sogenannten Hafen der Quarantiine, und hier legen alle aus der

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  • Levante kommenden Schiffer an. Nach zweiundvie:zig Tagen .steht es ihnenfrei nach dem zweiten Hafendamm, welcher den Knegshafen bildet, zu gehenund'dort eine neue Ladung einzunehmen.

    Die gewiihnlichen VorsichtsmaBregeln aller wohl eingerichleten Quaranta-ne-Anstalten der europaischen Hafen werden in Odessa mil doppelter Strengegehandhabt. So lebhaft ist die Riickeri~erung an die letzte Pest, welche i~ denJahren 1812 und 1813 in der Stadt allein zweltausendsechshundertundzwemnd-dreiBigMenschen wegraffte. Ein tiirkischer Shawl, den ein russischer Offizierfiir eine Schauspielerin aus Konstantinopel mitgebracht und dem Quarantane-Offizianten zu verheirnlichen gewuBI hatte, war das unselige Vehikel diesesDbels. Die ungliickliche Schauspielerin wurde ein erstes Opfer desselben. Docherkannten die Ante ihr Dbel nicht und erklarten es fiir ein heftiges Faulfieber.Die Tauschung war von kurzer Dauer und die Pest unverkennbar, als mehrereMenschen kurz nacheinander, mit allen Kennzeichen derselben, eines schnellenTodes starben. Man schlof sogleich die Tore von Odessa und aile Versamm-lungsorter, als die Kirchen, die Gilde, das Schauspielhaus usw. Die hiesigenEinwohner schreiben es einslimmig der vaterlichen und rastlosen Sorgfalt desHerzogs von Richelieu zu, daf nach einigen Monaten das Dbel in der Stadtselbst behoben wurde. In der umliegenden Landschaft dauerte es weit langer,Traurig ist es, daB man bis jetzt noch kein entschiedenes Mittel gegen diesesfiircherliche Dbel gefunden hat; doch haben Chinarinde, in einer sehr starkenDosis mit gutem Wein gekocht, und Kampfer mit Salpeter bei vielen hiesigenPestkranken gute Wirkung getan.

    Die Pest wiitete irn Jahre 1812 auch auf der taurischen Halbinsel, wo nochjetzt viele Tartaren-Familien wohnen. Diese eifrigen Muslime glaubten demKoran zuwider zu handeln, wenn sie MaBregeln gegen diese Krankheit ge-brauchten, Der Herzog von Richelieu wuBte ihren Mufti zu gewinnen, und die-ser fand bald irn Koran eine Stelle, welche er den Tartaren dem Wunsche desHerzogsg~maB erklarte, Diese befolgten nun mit einem ganz beruhigten Ge-wIss~ndie Ihnen vorgeschriebenen MaJlregeln auf das genaueste.

    Ole Ausfuhr des Korns aus der Ukraine und aus Podolien bildet den Haupt-zweig des Handels von Odessa, welcher seit der Verwaltung des Herzogs vonRicheh~u immer bedeutender wird. Die Menge des ausgefiihrten Getreidesbleibt sich mcht aile Jahre gleich und hangt, wie leicht zu ermessen, von denm.ehr oder wemg~r gesegneten Ernten in der Gegend von Konstantinopel, irnsudhchen Frankreich, Spanien, Italien und Malta aboIrn Jahre 1811 wurden hiersecbs: bis siebenhundert Schiffe mit Korn beladen. Die jahrliche Ausfuhr kann:nan irn Durchschnin auf vierhundertfiinfzig Schiffsladungen annehmen undjede derselben zu sechstausend Berliner Scheffel rechnen. Also werden jahrlichaus Odessa geg . M'll' ... en zwei I ionen und slebenhunderttausend Berliner Scheffelausgefuhrt.

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  • AuJler den verschiedenen Getreidearten pflegen die hiesigen Kaufleute nochTauwerk, rohe Haute, Talg, etwas Leinol, Tabak, Wolle und Butter ins Auslandzu verschicken. Die Einfuhr ist ebenso bedeutend. Zu dieser liefert England vor-ziiglich Kolonialwaren, Frankreich Weine verschiedener Art, meistenteils Bor-deaux, St. Peray, I'Hermitage und Cote rotie, auch Baumel, Tiicher und Porzel-Ian. Italienische Schiffe bringen sizilianische Weine, Baumel, Kase aus Parma,Schwefel und Marmorsteine. Spanische Kaufleute versenden nach Odessa Wei-ne von Mallaga, A1icante, Xerez, Pacarete, Tinto und Benicarlos, auch Coche-nille, Indigo, Chinarinde, Blei, Teppiche und Tucher groberer Art. Die Portu-giesen bringen Oporto- und Madeira-Weine, Baumwolle, Seidenstoffe, Gewiir-ze, feine Shawls, Baumel, Rauchtabak und Seife.Der hiesige Generalgouvemeur ist seit einigen Jahren beschaftigt, diese Stadt

    auf eine ganz eigene Art zu befestigen. Rund urn dieselbe werden massive, starkgewolbte Kasemen erbaut, deren Fenster wie SchieBscharten gestaltet sind. ImFaile der Annaherung eines feindlichen Heeres sollen diese Kasemen, mit Ka-nonen besetzt, bedeckte Batterien bilden, welche sich gegenseitig bestreichen.Gegen einen mit grobem Geschutze schlecht versehenen Feind scheint mir dieseBefestigungsart, wenn die Kasemen mit einem breiten Graben und Palisadenumgeben werden, recht zweckmaflig; doch sind diese Gebaude zu feucht, urndauerhaft zu sein.Auf einem Hugel an der See stehl eine von der Kaiserin Katharina angelegte

    geraumige Schanze mit funf Basteien. Der Herzog von Richelieu hat vor eini-gen Jahren die Quarantane in dieselbe verlegt.Am sechsten August begab ich mich auf ein mit Kom beladenes nach Kon-

    stantinopel bestimmtes Kauffahrtei-Schiff. Einige Stunden darauf lichtete mandie Anker, und gegen Abend hatten wir Odessa aus den Augen verloren. DerWind war uns so gunstig, dall wir in achtundvierzig Stunden mehr als dreihun-dert Seemeilen zunicklegten.Am neunten August, gleich nach Mittemacht, erblickte unser Steuermann die

    an beiden Ufem des Bosporus brennenden Leuchttiirme. Mit Sonnenaufganglangten wir bei Fanaraki, einer an der europaischen Kuste erbauten Festung, an.Der Kanal ist hier 1900 Klafter breit. Bald kamen wir an den iibrigcn zu seinerVerteidigung angelegten Schlossern vorbei. Pfeilschnell segelte unser Schiff da-hin, und reizende Ansichten mit immer neuen Abwechslungen gewahrten unseinen hochst anziehenden Genull.

    Auf einem Felsen bemerkte ich ein grolles von den Genuesem erbautesSchloll, welche, wie man behauptet, die Schwache der griechischen Kaiser be-nutzend den Bosporus mit einer eisemen Kette sperrten und im dreizehnten undvierzehnten Jahrhundert von den ein- und auslaufenden Schiffen eine druckendeAbgabe eigenrnachtig erhoben. Auf der europaischen Kuste, dem altertiirnlichenSchJoll gegeniiber, liegt das anmutige Stadtchen Biiyiikdere. Die Hauser meh-rerer vermogender Kaufleute und verschiedener europaischer Gesandter, die

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  • hier im Sommer zu wohnen pflegen, ziehen sich in einer wohlgeordneten Reihelangs dem Gestade hin. Mit Staunen sah ich den ganzen Kanal :on Schiffen be-lebt, we1che aus Norden und Siiden kommend den Tnbut zweier Weltteile derKaiser-Stadt darzubringen schienen. Ein auf dem Schiffe befindlicher Griecheerklarte uns die Gegenstande, die unsere Aufmerksamkeit vorziiglich auf sichzogen.

    "Hier", sagte er, "bei Biiyiikdere sehen Sie eine Baumgruppe. von ungeheu-ren Platanen, die samtlich aus einem Stamm gewachsen sind. Uber derselbenragt eine prachtige Wasserleitung hervor, welche osmanische Kaiser erbaut ha-ben, urn die Hauptstadt mit Trinkwasser zu versorgen. Hier auf der asiatischenKiiste zieht sich eine starke halbe Meile hin das schone von Zypressen und Pla-tanen beschattete Tal Hiinkiir Iskelesi. Sultan Selim, fur Naturschonheit emp-fanglich, hat vor kurzem einen Sommerpalast in demselben erbauen lassen.Weiterhin liegt in Beykoz ein groBer auf zehn Marmorsaulen sich wolbenderSpringbrunnen. Noch weiter, in Sultaniye, konnen Sie ein anmutiges Spiel derNatur bewundem. Ein Feigenbaum ist aus dem ausgehohlten Stamm einer altenZypresse emporgewachsen und belaubt nun diesel be mit frischen Blattern undsaftigen Friichten. Die festen Schlosser auf der europaischen und auf der asiati-schen Kiiste haben im vierzehnten Jahrhundert Murat II. und Mehmet II. er-baut."

    Siidlich des Rumeli Hisan, dem europaischen Schloll, liegt das StadtchenArnavutkoy, wo unser Schiff vor Anker ging. Der Schiffskapitan segelte so-gleich ans Land, urn einen seiner Bekannten zu besuchen. Niemand fragte nachunserem PaB.Niemand forschte, wer wir waren. Niemand wollte den Zweck un-serer Reise wissen. Gleich bei meinem Eintritt in dieses Land erkannte ichdurch eigene Erfahrung, dall auch hier Gegensatze sehr nahe aneinanderliegen,und dall man unter dem Zepter eines Despoten oft einer in mehrerer Hinsichtsehr wiinschenswerten Freiheit sich zu erfreuen hat.

    Des Abends, da unser Kapitan nicht zuruckgekommen war, segelte ich alleinnach Konstantinopel in einem Kaik. Es ist dies eine Art langer, schmaler Na-chen, die so leicht sind, dall wenn etwa drei Menschen rudern oder bei gutemWetter sich ein kleines Segel ausspannen laBt, man pfeilschnell durch die Wo-gen gleitet. Kaum hat das Auge einen Gegenstand gefallt, so ist er auch schonentschwunden, indem ein anderer und gleich darauf wieder ein anderer an des-sen Stelle tritt.

    Bald erblickt~ ich das Vorgebirge des Serails. Bei jedem Ruderschlag erwei-terte sich die reizende Aussicht. Schon sehe ich das Lustschlof des Sultans inBeikt~ und iiber dernselben die Kasemen der reitenden Artillerie; schonkommt mit die Stadt Oskiidar in Asien und das ganze Serail des Grollherm zuGesichr, und nun schw~ift mein entziicktes Auge iiber die ganze ungeheureStadt und die mit sechzlgtausend Menschen bevolkerten Vorstiidte Galata undPera. Ich war nach Konstantinopel in der Meinung gekommen, dall friihere

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  • Reisebeschreibungen die Vorzuge der Lage dieser Stadt zu sehr gepriesen hat-ten: lebhaft empfand ich nun, daJl sie dieses Bild nur sehr unvollstandig dar-gestellt haben, oder vielmehr, daJl es mit Worten nicht darzustellen ist. Undnicht nur in dem Auge des Kiinstlers steht diese Stadt als einzig, als unver-gleichlich da, auch dem Staatsmanne bietet sie Aussichten dar, wie sie keine an-dere Stadt der Welt aufzuweisen hat.Nirgends ist die Verpflegung einer zahlreichen Volksmenge besser gesichert.

    Nord- und Ostwinde fiihren nach Konstantinopel kornbeladene Schiffe aus derfruchtbaren Moldau, aus der Walachei, aus Bulgarien und aus den Statthalter-schaften Sin ope und Trapezunt. Siid- und Westwinde begiinstigen die aus Grie-chenland, Morea und dem Archipelagus segelnden Flotten; und soli ten auch alleWinde eine Zeitlang der Schiffahrt ihren belebenden Hauch versagen: so ist diestarke Stromung aus Norden in den Pontus und Bosporus fast a!lein hinrei-chend, die leichten Fahrzeuge des Schwarzen Meeres nach Konstantinopel zufuhren. Und so ist dieser gluckliche Hafen mit vo!lem Recht das Goldene Horngenannt, jetzt unter der unmittelbaren Aufsicht des machtigen Herrschers, dieMauern seines Palastes bespiilend, ganz zum Mittelpunkt eines unermeJllichenHandels geeignet.Ebenso vorteilhaft ist die Lage der Stadt in strategischer Hinsicht. Das un-

    wirtbare, von allen fahrbaren StraJlen entblobte Balkan-Gebirge bildet eine Vor-mauer derselben, welche zu iibersteigen die Russen, mehrerer erfochtener Siegeungeachtet, in den Jahren 1770, 1791 und 1810 vergebens sich bemiiht haben.Durch die Festen am Bosporus und die Dardane!len gesichert, ist Konstantino-pel von der Seeseite, von Norden und Siiden her, ais unzuganglich zu betrach-ten.Nieht weniger begiinstigte Poseidon den Pflanzort des Byzas. AuBer dem so

    geraumigen, so sicheren Hafen, in welchem Tausende von Schiffen zu allenJahreszeiten sieher liegen konnen, diirfte man wohl die nahe an den Mauern sichentfaltende iiber zwanzig Meilen lange Propontis oder das Marmara-Meet eineReede der jetzigen Kaiser-Stadt und ganz derselben wiirdig nennen.Sollte endlich die Herrschsucht eines genialen Eroberers die schicklichste

    Stelle suchen, urn auf derselben den Sitz einer Universal-Monarchie zu griinden,so wiirde auch hier Konstantinopel den Vorzug behaupten. Das gegen Asienhingekehrte Vorgebirge des Serails scheint ein zum Sitz des Beherrschers beiderWeltteile bestimmter Ort zu sein. Spat gegen Abend landete ich bei Pera an.Hier erblickte ieh die Schatten der Mauem und Tiirme des Serails sich weit iiberdas Meer gegen Asien hinziehen, und es war mir, als sahe ich den Schatten desfurchtbaren Mehmet oder des siegreichen Siileyman das Zepter iiber diesen Erd-teil ausstrecken.

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  • Zweites Kapitel

    Es ist bekannt, daB Konstantin der Grobe die Hauptstadt des Romischen Reichsim Osten, die noch jetzt seinen Namen fiihrt, auf den Grundmauem des altenByzantiurns erbaut hat, Byzanz aber von Byzas dem Megarier gegen das Jahr648 vor Christi Geburt angelegt worden ist. Es ist fiir den Alterturnsforscherkeine leichte Aufgabe zu bestimrnen, wer die ersten Bewohner der Urstadt ge-wesen sind. Vellejus Paterculus nennt die Milesier, Justinus die Spartaner, Am-mianus Marcel1inus die Athener, Konstantinus Porphyrogennetos die Megarier,Spartaner und Bootier; noch andere wollen sie ausschlieJ31ich von den Mega-riem erbaut wissen.

    Im Jahre 508 vor Christi Geburt beherrschte diese Stadt ein den persischenKonigen zinsbarer Tyrann. Nach der Schlacht bei Plataa wurde sie von demspartanischen Feldherrn Pausanias erobert. Im Jahre 409 vor unserer Zeitrech-nung machte Alcibiades diesen so wichtigen und so glucklich gelegenen Pflanz-ort den Athenem zinsbar. .

    Im dritten Jahrhundert vor Christi Geburt wurden die Byzantiner von denMazedonien und Griechenland verheerenden Galliem gezwungen, denselben ei-nen jahrlichen Tribut zu erlegen. Die Unmoglichkeit, die dazu erforderlichenSummen anders aufzubringen, zwang die Byzantiner, einen Zol1 auf aile durchden Bosporus segelnden Schiffe zu legen. Die Rhodier, von dem bithynischenKonig Prusias unterstutzt, kundigten deshalb den Byzantinem eine Fehde anund zwangen sie, diese einem handelnden Yolk gehassige Auflage aufzuheben.

    Spater erlag die Stadt Byzanz mit dem samtlichen Thrakien dem Waffen-gluck der Romer. Nach dem Tode des Kaisers Pertinax ergriffen die Byzantinerdie Partei des Pescennius Niger, der sich urn den rornischen Thron bewarb, undverfochten dieselbe mit unerschutterlicher Treue. Septimus Severus, der in demblutigen Kampf der vier um die Herrschaft der Romerwelt ringenden Neben-buhler die Oberhand behielt, belagerte den flit Pescennius wichtigen Platz underoberte ihn nach einem langen und heftigen Widerstand. Nicht groB genug, urnden Heldenmut auch an Feinden zu wurdigen, lieB der Kaiser die besiegten By-zantiner seinen Zorn empfinden und ihre Stadtmauem samt al1en offentlichenGebauden schleifen. Endlich erhob Konstantin der GroBe den art aus seinen

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  • " und legte hier den Grundstein zu der zweiten Hauptstadt derTrurnmern emporRiimerwelt. .. b k I' h

    K t tinopel von den Tiirken lstambol genannt, gehort e annt IC zu Eu-ons an , '1 . U f bilb deutendsten Stadten, Ihr gegen dreieinhalb Mel en welter rn ang 1-ropas e . d S 'Is bidet ein Dreieek, dessen eine Seite sieh von dem Vorgebirge es erai IS zur

    Eyup-Mosehee langs dem Hafen in einer Weite von zweltausendsechshundertKlaftem hinzieht. Die andere Seite von der Eyup-Mosehee bis an das ScWoB derSiebentiirme (Yedikule) ist mit einer dreitausendzweihundert Klafter langenMauer urngeben. Endlich ist die dritte Seite von dem Schlof der Siebentiirmebis zum Vorgebirge des SeraHsnoeh urn fiinfzig Klafter langer als die zweite.Die ganze Stadt zahlt seehzigtausend Hauser und gegen sechshunde.rtsechzig-tausend Einwohner mit lnbegriff der Vorstadte; doeh ist die Stadt Uskiidar inAsien, welche vierzigtausend Einwohner zahlt und aueh zu den Vorstadten vonKonstantinopel gehiirt, nicht mit darunter gereehnet.

    Die Pest, welche in den Jahren 1812 und 1813 in Konstantinopel gewiitethatte, war noch nicht ganzlieh gedampft, als ieh in dieser Hauptstadt eintraf. Esfiel mir schwer, in den ersten Tagen meines Hierseins mieh einer unangeneh-men Empfindung zu erwehren bei dem Gedanken, daBjede Beriihrung fur miehverderblieh sein konnte, und zwar, da solche in einer so groBen volkreichenStadt und bei so engen Gassen doeh nicht zu verhuten war. Aber bald bedachteieh, daBdiese angstliche Furcht mir allen Genuf rauben muBte, den ieh mir beimeinem Hierbleiben verspreehen konnte; ich suchte die Gefahr zu vergessenund mir die Gleichgultigkeit der Osmanen in dieser Hinsicht eigen zu machen.Bald gelang es mir wirklieh, gelassen, wie diese, durch die StraBen zu wandeln,das Sehieksal ruhig erwartend, welches die Vorsehung mir zugedacht habe.

    Die Art, wie diese Stadt gebaut ist, entspricht keineswegs dem erhabenenEindruck, den ihr Anbliek von der Seeseite her auf die Reisenden macht. DieStraJlenvon Konstantinopel sind eng, winklig und auberst schlecht gepflastert.leh habe die StraBe (yol) Bahce Kapisi sorgfaltig gemessen und sie an einerStelle nicht iiber neun FuB vier Zoll breit befunden, Die Stadt wird dadurchnoch mehr verdunkelt, daBdie Turken die oberen Stockwerke ihrer Hauser im-mer tiber die unteren hinweg zu bauen pflegen, so daf oben oft nicht drei FuB~um zwischen denselben bleibt. Diese schmalen Gassen konnen unrncglichuberall mit Wagen befahren werden, auch bedienen sich die Tiirken ihrer nurselten. Die reiehsten und bedeutendsten Manner im Staat die oberen Beamtendes Serails, ja der GroJlherr selber, pflegen durch die Stadt 'zu reiten. Nur Frauenvom Stande bedienen sich in den breiteren StraJlen schwerer vergoldeter Wa-gen,,welchemich an die Staatskarossen unserer Voreltem erinnerten. Diese Wa-gen I~Konst~ntinopel werden mit Pferden oder Butfeln bespannt. lch habe hiernur erne emz h"" .ige sc ~ne Gasse, Edirne yolu genarmt, bemerkt, welche sehr lang,ziemlichbreit und mit arngen holzernen H" b b .ausem e aut 1St.

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  • Blick aufden Saray (Tcpkapr Sarayr)Skizziert von L. Fuhrmann, gestocaen von Hirt in Wien

  • Blick auf das Hippodrom (Atmeydam)Skizziert von L. Fuhrmann, gezeichnet von Duvivier in Wien, gestochen von Wolf in Berlin

  • Der Basar (Mrsir Ca~lSI)Skizziert von L. Fuhrmann, gestochen von Wolf in Berlin

  • PorphyrsauleSkizzien von L. FUhrmann, gestochen von Hammer in Dresden

  • Urn so angenehmer sind die breiten schonen Platze neben den bedeutenderenMoscheen und vor allen der in der Geschichte der griechischen Kaiser so be-kannte Hippodrom, von den Turken Atmeydam genannt. Dieser fiinfhundertSchritt lange und hundertzwanzig Schritt breite Platz diente ehemals den schau-spiellustigen Bewohnern der griechischen Kaiserstadt zur Rennbahn, auf wel-cher die beriichtigten Parteien der weillen, blauen, raten und griinen Wagenlen-ker um die Wette fuhren. Seine jetzige Benutzung entspricht einigermallen nochseiner urspriinglichen Bestimrnung: die Turken pflegen narnlich auf demselbenihre Pferde zuzureiten.Auf der Westseite des Atmeydam steht die Moschee des Sultans Ahrnet,

    auch Alti Minareli, das heillt die Sechsturrnige, genannt. Unverkennbar ist dieAbsicht der tiirkischen Baumeister bei der Anlage der bedeutenderen Moscheenin Konstantinopel, die Grundidee nachzuahmen, nach welcher Anthemius dieSophien-Kirche erbaut hat. Sehr geschickt wullten indessen Sultan Ahrnets Bau-meister einen Hauptfehler zu vermeiden, welcher in meinen Augen die Sophien-Kirche verunziert. Die Hauptkuppel dieses kolossalen Gebaudes ist ungemeinflach; sie mag also wohl fur ein Meisterstiick in der Ausfuhrung gelten, dochschon ist sie darum nicht. Die Hauptkuppel der Alti Minareli auf dem Hippo-dram ist weit hoher und entspricht viel besser den Verhaltnissen des Ganzen.Die leichten Minares oder Tiirme dieser Moschee und die kleineren Seitenkup-peln, welche sich stufenartig iibereinander wolben, durften jeden Bauverstandi-gen befriedigen, der bei der Beurteilung dieses Tempels die Grundsatze dergriechischen oder romischen Baukunst auf einen Augenblick auller Acht lassenwill. Harmonie und Grolle machen die Schonheit der Baukunst aus, und beidesind, glaube ich, in diesem edlen Gebaude unverkennbar.Die Moschee des Sultans Ahrnet ist von herrlichen Platanen beschattet, wel-

    che die Turken neben ihren Prachtgebiiuden vorzugsweise anzupflanzen pfle-gen. Ein Palladio durfte diese Sitte millbilligen, indem dadurch einzelne Teilefiir den Beschauer verlorengehen, doch ist dieses bei den Tiirken weniger zu be-riicksichtigen, weil ihre Baukunst nicht so reich an iiulleren Verzierungen ist.Uberdem gewahrt das 'herrliche frische Griin der Platanen, durch welches diegroBen Baumassen hervorschauen, eine so malerische Wirkung, daB dabei jedeKritik verstumrnen diirfte. Der Ahrnet-Moschee gegeniiber bemerkte ich dieTriimmer eines unlangst abgebrannten kaiserlichen Palastes, das alte Serail ge-nannt, welchen der Woiwode von Lenczyc, Leszczynski, im Jahre 1701 vonAugust II., dem Konig von Polen, als GroBbotschafter nach Konstantinopel ge-sandt, eine Zeitlang bewohnte. Die Turken gedenken noch seines prachtvollenEinzuges und des aus neunhundert Menschen bestehenden Gefolges.Unweit des Hippodroms liegt das Agyptische Warenhaus, MlSIf carsisi ge-

    nannt. Dieses zwei Stock hohe Gebaude besteht aus zwei Flugeln, deren jedervierhundertundachtzig FuB lang und gegen vierzig Full hoch ist. Inwendig sindzu beiden Seiten Nischen angebracht, in welchen Kaufleute aIle aus Agypten

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  • k nden Handelsprodukte feilbieten. Der Mittelgang ist fast immer gedrangtv~~:n Kaufem, welche hier auch bei dem unfreundlichsten Wetter ihren Han-delsgeschaften bequem nachgehen k6nnen.... .. .

    Es gibt in Konstantinopel noch mehrere ahnhche fur den Han?el bestimmtePlatze unter denen die sogenannten Bedesten die ansehnhchsten smd. Es ist sol-ches eine Stadt im kleinen zu nennen, welche aus vielen gewolbten, sich in allenRichtungen kreuzenden Gassen oder vielmehr gemauerten Gangen besteht. Ichhabe solcher gew6lbter Gange fiinfundvierzig gezahlt, ohne sie bei wei tern ailegesehen zu haben. Kaufleute jeder An nehmen hier besondere Reihen ein, undso findet man ganze Gassen der Schwertfeger, Goldarbeiter, Tuchhandler, Lein-weber, Lederfabrikanten usw. Der Anblick so mannigfaltiger hier an einem Ortzusammengedrangter Gegenstande ist fur den Reisenden um so interessanter,als die tiirkischen Fabrikate sich in mehrerer Hinsicht durch ihre Vollkommen-heit auszeichnen; und da iiberdern der Geschmack dieses Volkes in vieler Hin-sicht von dem unsrigen ganz verschieden ist, so bietet jeder Gegenstand, auf denman hinblickt, ein eigenes Interesse dar. Die Mannigfaltigkeit der Waren allerAn ist so grof in den Bedesten, daBman eine vollstandige Abhandlung iiber denHandel und den Fabrikenzustand von Konstantinopel liefem konnte, ohne ausdenselbenzu treten.

    Das gewohnliche Langenmaf in Konstantinopel ist das sogenannte Pik, wel-ches gegen dreiBig Zoll Rheinlandisch betragt, Das Gewicht ist das Okka unddas Kile. Ein Okka betragt etwa dreieinhalb Pfund und macht ein zweiundzwan-zigstesTeil eines Kile aus. Die MaBeund Gewichte sind im Osmanischen Reichwie noch vor kurzem in den meisten europaischen Staaten keineswegs gleich.Jede betrachtliche Handelsstadt als Aleppo, Damaskus, Kairo usw. hat ihr eige-nes MaBund Gewicht. Doch ist solche Verschiedenheit in diesem Land leichter~u berechnen ais im westlichen Europa, indem die Drachme (tiirkisch: dirhem)uberall sich gleich bleibt. Urn also die Verschiedenheit eines Okka in Kairo undAleppo auszumitteln, hat der Kaufmann bloB nachzuforschen wieviel Drach-mendie eine und die andere enthiilt. 'a Die Gelassenheit, womit die Tiirken in Konstantinopel ihre Handelsgeschaftcbmachen, und ~hrBiedersinn haben mich ungemein angezogen. Ich besuchtefast alle Tage die Bedesten, und nie habe ich in denselben die Heftigkeit be-merkt, womit bel uns Kaufer und Verkaufer sich gegenseitig zu bevorteilensuchen. In Konstantinopel gibt der Verkaufer einen Preis an der Kaufer pflegtdenselbenherunterzusetz . bei dri W .. ' . d.. en. elm ntten ort sind sie selbst in den bedeuten -sten Geschaften handelseinig oder geschieden.ki ~,e Gewmnsucht halt den Muslim nicht ab die tiiglichen funf Gebete (tiir-sc : namaz) genau zu beobachten. Sobald de; Muezzin d h der Ausrufer diezumGeb t b . , . . ,

    hed

    esnmmte Stunde ankiindigt, eilen aile seinen Ruf h6renden Glaubi-hen nac . er Moschee. Kaufleute lassen meistens ihre Gew6lbe offen und zie-en nur ernen Faden vo d lb ..r lese en, urn damit anzudeuten daB sie bald zuruck-,

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  • kommen werden. Dieses ebrenvolle Zutrauen wird nach Verdienst gewiirdigt;selten hort man, dall jemand bestohlen worden ware; und geschieht auch dieses,so ist der Missetater meistens ein Jude, ein Arrnenier oder ein Grieche.

    Die Altertiimer von Kontantinopel haben meiner Erwartung keineswegs ent-sprochen. Die Gleichgiiltigkeit der Tiirken gegen Kunste und Altertiimer warmir hinlanglich bekannt, gleichwohl hoffte ich, in der an Kunstschatzen sonst soreichen Stadt noch viel rnehr Uberbleibsel ihres vorigen Glanzes und Reichtumszu finden.

    Eine auf dem Atmeydaru befindliche agyptische Spitzsaule (Dikilitas), vonrotlichem Granit, behauptet mit vollem Recht die erste Stelle unter den Altertti-mem von Konstantinopel. Diese Spitzsaule ist viereckig, einundsechzig Fullhoch und hat auf allen vier Seiten hieroglyphische Inschriften. Sie ruht auf vierehemen Wiirfeln, und diese stehen auf einem viereckigen zwolf Full hohenMarmorsockel. Dieser Obelisk bietet allerdings einen schonen Anblick dar,dennoch glaube ich, daJl er nicht hoch genug ist im Verhaltnis zu seinem Durch-messer; und es ist mir wahrscheinlich, dall der obere Teil desselben durch ir-gendeinen Zufall abgebrochen worden. Das schiefwinklig zugespitzte Ende des-selben scheint rnir fast ein hinlanglicher Beweis dieser MutrnaJlung zu sein.Soleh einen VerstoJl gegen die Anfangsgriinde der Baukunst wurden die indiesem Tei! des menschlichen Wissens klassischen Agypter kaum begangen ha-ben. Kaiser Theodosius lieJl im vierten Jahrhundert diese Saule in der Rennbabnaufstellen, welches folgende auf dem Sockel uber der Erde eingegrabene In-schrift bezeugt:

    Diffici!is quondam dominis parere superbisJussus, et extinctis Palmam portare Tyrannis;Omnia Theodosio cedunt sobolique perenni;Terdenis sic victus ego domitusque diebus,Judice sub Proclo superas elatus as auras.

    "Einst war mir befohlen, stolzen Herren zu gehorchen und verstor-benen Tyrannen Ruhm zu bringen; doch jetzt muJl alles vor Theo-dosius und seinem erhabenen SproJlling weichen. Drum ward auchich binnen dreillig Tagen bezwungen und uberwaltigt und unterdem Richter Proclus in die Lufte emporgerichtet."

    Dieselbe Inschrift ist auf der anderen Seite in griechischer Sprache zu lesen,Das marrnome FuJlgestell der Spitzsaule ist auf allen vier Seiten mit erhabenenBildwerken geschmiickt, welche zwar zum Teil von den Tiirken abgestoJlen,doch noch deutlich genug zu erkennen sind, urn als Beweis des im vierten Jahr-hundert irnmer mehr schwindenden Kunstsinns aufgefiihrt zu werden. Die eineSeite stellt den Kaiser vor, wie er auf der Rennbabn den offentlichen Spielen zu-sieht. Die andere Seite zeigt ibn auf seinem Thron, von seinen zwei Sohnen undeinem zahlreichen Hofstaat umgeben. Auf der dritten empfangt er die Huldi-

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  • gung der besiegten Volker. Endlich auf der vierten sitzt er auf seinem Thronund halt einen Kranz in der Hand.

    Den Hippodrom bezeichnet noch eine zweite von Marmor-Quadern aufge-fiihrte Spitzsaule (Orme Siitun), welche einundneunzig FuB hoch undoacht FuBstark ist. Ich bewunderte urn so mehr die Haltbarkeit derselben, da ste bel derverhiiltnismiiJligso geringen Basis oben auf allen vier Seiten merklich bescha-digt ist. Der Kaiser Konstantin Porphyrogennetos hatte sie mit vergol~eten Ble-chen uberziehen lassen, von denen jetzt keme Spur mehr vorhanden 1St.BeideSpitzsaulen, nebst einigen anderen, die seit mehreren Jahrhunderten zerstortsind, standen auf der Rennbahn, in welcher die Roten, Blauen, WeiBen und Grti-nen urn die Wette fuhren. Bekanntlich waren dies in den bedeutenderen Stadtenvier Abteilungen Wagenlenker, welche von der Farbe ihrer Gewiinder solcheNamen fuhrten. Die Geschichte des morgenliindischen Reichs liefert mehrereBeispiele des unglaublich warmen Anteils, welchen das schauspiellustige Volk,ja die Kaiser selbst, an der einen oder anderen Partei dieser Wagenlenker nah-men. Den groflten Anhang hatten die Blauen und die Griinen; und ihre ofterenZwistigkeiten gaben mehrmals zu den gefahrlichsten Unruhen und MeutereienAnlaB.

    Zwischen beiden Spitzsaulen steht auf dem Hippodrom ein runder zehn FuBhoher, dreizehn Zoll starker ehemer Pfahl (Yilanh Siitun), wie eine Schraubegestaltet. Ehemals soli dieses sonderbare Denkmal noch hoher und oben mitdrei Schlangenkopfen versehen gewesen sein. Ais Mehmet II. am neunund-zwanzigsten Mai 1453 Konstantinopel erobert hatte und an der Spitze seinesHeeres seinen Einzug in diese Stadt hielt, stutzte er bei dem Anblick dieser Sau-le und glaubte in derselben ein die Stadt beschutzendes Gotzenbild zu sehen.Urn also der gesunkenen Monarchie auch diese letzte vermeintliche Stiitze zurauben, vielleicht auch urn die Besiegten seine auBerordentliche Starke sehenzu lassen, schlug er mit seiner Streitaxt einen dieser Schlangenkopfe herunter.Die belden anderen Kopfe sind im achtzehnten Jahrhundert in einer Nacht viel-leicht von irgendeinem unbesonnenen europaischen Archiiologen abgebrochenworden."Der,Geschichtsschreiber Gibbon ist der Meinung, daB diese Schlangensaule

    fruher III Delphi zur Stutze des DreifuBes des daselbst verehrten Apollo gedienthat.

    Ebenso wichtig fur den Altertumsforscher durfte ein zehn Full langer sechsFuBbreiter und acht FuB starker Porphyrblock sein den man fur das Grabmaldes groflen Konstanrin ausgibt. Die Bewobner dieser Stadt gehen gedankenJosan diesem irn Vorhof der Osman-Moschee halb verschiitteten Denkmal voriiber,welches die Asche des Erbauers ihrer Stadt enthielt und vormals als eine kostba-re Rehqme verehrt gewesen sein mag,

    k,Der Deckel d~s Sarkophags ist nicht mehr vorhanden. Aller Wahrscheinlich-eit nach haben Ibn die TOok . . ,ur en zu irgendeinem neuen Bau angewandt. Auf die-

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  • 1sem Deckel soil eine griechische Inschrift eingegraben gewesen sein, deren Be-deutung aber die Gelehrten jener Zeit vergebens zu ergriinden suchten. Im funf-zehnten Jahrhundert, unter der Regierung des vorletzten griechischen KaisersJohannes Palaologus, erklarte ein gewisser Gennadius, welcher sparer zum Pa-triarchen von Konstantinopel emannt wurde, daJl er den Sinn der Inschrift ge-funden habe, und daJl diese, bloJl aus Anfangsbuchstaben bestehend, eine Weis-sagung enthalte, der zufolge Konstantinopel nachstens von den Turken erobertwerden solle. Hier ist diese von Banduri bemerkte Inschrift, nebst deren Erkla-rung von Gennadius:

    "Zur Zeit der ersten Indiktion soil das Reich des Ismael, der sich Muhammadnennen wird, den Stamm der Palaologen vertilgen. Er wird die auf sieben Hii-geln erbaute Stadt erobem und in derselben viele Volker beherrschen. Er wirddie Inseln bis an das Schwarze Meer verheeren und die Ufer der Donau entvol-kern. In der achten Indiktion wird er den Peloponnes erobem; in der neuntenwird er irn Norden Krieg fiihren; in der zehnten wird er die Dalmatier iiberwalti-gen und in einer anderen Zeit abermals mit ihnen Krieg fiihren und sie zum Teilbezwingen. Alsdann werden die westlich wohnenden Volker sich zu Lande undzur See vereinigen, urn mit Ismael zu streiten, und sie werden ihn bezwingen.Seine Nachkommen werden nur kurze Zeit herrschen. Denn ein Volk, welchesblonde Haare hat, wird sich mit den urspriinglichen Bewohnern verbinden, denIsmael besiegen und die Stadt der sieben Hugel erobem. Alsdann fangt ein Bur-gerkrieg an, der bis urn die fiinfte Stunde dauern wird, und eine Stirnme wirddreimal ausrufen: bleibt, bleibt in Furcht und begebt euch eilig auf die rechteSeite! Dort findet ihr einen edlen, bewunderswiirdigen und uberaus kraftigenMann. Dieser wird euer Herr sein; denn er ist mein Freund. Und wenn ihr ihnannehmt, so wird mein Wille erfiillt."

    Es laJlt sich mit Recht bezweifeln, ob Gennadius den wirklichen Sinn derInschrift gefunden und ob man im vierten Jahrhundert, lange vor Mehmets Ge-burt, die Siege der Osmanen vorausgesehen habe; unleugbar aber ist es, daJl dieBekanntmachung dieser Weissagung zu einem Zeitpunkt, wo die meisten Pro-vinzen des griechischen Kaisertums bereits verloren gegangen waren, und wodieses Reich, fast auf die Hauptstadt beschrankt, nur durch den heroiscben Ge-meingeist der Einwohner erbalten werden konnte, daJl eine solche Bekanntma-chung ein Verbrechen war, welches sicb kein Vaterlandsfreund hatte zu Schul-den kommen lassen.

    Konstantin der GroJle hatte bekanntlich den Ehrgeiz, der von ihm erbautenStadt den grobtmoglichen Glanz zu geben. Das sicberste Mittel dazu schien ihmzu Recht, dieselbe mit Kunstschatzen zu bereicbem, und in dieser Absicht lieJler die gelungensten Gernalde und Bildsaulen der klassischen Kunstler desAltertums in den bedeutendsten Stadten seines Reichs sammeln und sie nachKonstantinopel bring en. Eine Bildsaule des Apollo, von Phidias' MeisterbandgemeiJlelt, prangte auf dem Forum auf einer bundert FuJl hohen Saule. Dieser

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  • II

    I

    damals mit den Bildnissen der griechischen Gorter und Heroen gesehmiiekteHauptplatz der Stadt ist von seiner alten Schonheit tief herabgesunk~n und nurmit elenden holzemen Hiitten bebaut: doeh zeugt von semem ehemaligen Glanznoch die bis jetzt erhaltene Porphyr-Saule als das Fullgestell der so eben ge-daehten Bildsaule des Gottes der Kiinste. Die Turken pflegen dies altertiimlicheDenkmal die verbrannte Saule (Cernbeli tas) zu nennen, weil sie von ofterenFeuersbriinsten dermallen beschadigt ist, dall man sie mit eisemen Reifen hatversehen mussen. Die geschmacklose Form der Saule, die unriehtige Einteilungdes Sockels und vorzuglich das schwere Sehaftgesimse mogen sehr schlecht derSchonheit des jugendlichen Gottes entsprochen haben, welchen Phidias in sei-nem vollen Glanz dargestellt haben soli. Im elften Jahrhundert, unter der Regie-rung des Nikephoros Botaneiates, vemiehtete ein Donnersehlag das Meister-stuck des athenischen Kunstlers und beschadigte die Saule. Das Fullgestell der-selben ist dergestalt mit aufeinander geturmten elenden Hutten umgeben, dallich, aller angewandten Miihe ungeaehtet, nieht an dasselbe habe vordringenkonnen. Ich habe also die darauf befindliche Inschrift nicht gesehen, welcheBanduri folgendermallen angibt:

    "Du, 0 Christus, Herr und Beherrseher der Welt,zu dir flehe ich jetzt, beschiitze diese dir dienende Stadtund dieses Zepter und die Macht Romsund bewahre sie vor jedem Unfall!"

    lch bezweifle, dall diese Inschrift auf Befehl Konstantins des Grollen sei ein-gegrabe~ worden: dieser Monarch war zwar immer den Christen geneigt, aberbekannthch gmg er zu dieser Religion erst auf dem Sterbebett iiber wo er auchdie Taufe empfing. '

    Eine and~re Inschrift, oben auf der Saule eingegraben, beweist, dall selbigevon dem Kaiser Manuel Kornnenos ist ausgebessert worden:

    "Dieses gottliche beschadigte Werk liell der fromme KaiserManuel ausbessem."

    Dieht ~eben dem .Atmeydam befindet sieh ein Wasserbehiiltnis (Zisterne),von den Turken Binbirdirek, d.h. Tausendundeine Saule, genannt, welche Kon-stannn ~er Grolle erbaut hat. Dieses zweihundert Full lange, hundertundsiebzigFull breite und vierzrg Full hohe Gebaude enthalt zweihundertseehzehn weilleMarmorsaulen, in vierzehn Reihen geordnet, welche zweihundertzweiundfunf-zig Kuppeln tragen, womit das Ganze von oben bedeckt wird. In den erstenZeiten naeh Erbauung Konstantinopels waren die Einwohner geniitigt in Er-mangelun d .. . T . '.. . g es notigen nnkwassers Regenwasser von den benaehbarten Ge-bauden u: den dazu eingerichteten Behalrnissen zu sammeln welche spaterhinvernachlassigt wurden hd . . ',nac em man mit emem ungeheuren Aufwand von allen

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  • Seiten Wasserleitungen erbaut hatte, durch welche ganze Strome nach der Stadtgeleitet worden sind.Vor einigen Jahren nahm ein tiirkischer Kaufmann von der Regierung die

    soeben benannte Zisteme in Pacht und rich tete sie zu einer Seidenspinnerei ein,in welcher gegen tausend Arbeiter beschaftigt waren. Der innere Bau dieses sobetrachtlichcn Wasserbehaltnisses ist keineswegs schon. Schwerlich lielle sicheine Entschuldigung finden fur die auller allen Verhaltnissen diinnen Saulen, fiirdie engen Kuppeln und vorzuglich fiir die geschmacklosen Vorspriinge an denSaulen, die durch ihre Zwecklosigkeit den Verstand und zugleich das Auge be-leidigen. Dieser Fehler ungeachtet tut das Gebaude auf den Beschauer eine gro-BeWirkung durch seinen Umfang und durch die Menge der Saulen, die es ent-halt.

    Unweit der Moschee Sehzade, in der Mitte der Stadt, ist eine zwei Stockhohe Wasserleitung, von Kaiser Valens erbaut und von Sultan Siileyman ausge-bessert. Die schonen Verhaltnisse dieses Gebiiudes und die sorgfaltige Ausfiih-rung desselben haben mich urn so angenehmer iiberrascht, als die meisten vonden griechischen Kaisern aufgefiihrten Bauten einen sonderbarenund hochsttraurigen Charakter der Vernachliissigung in der Ausfuhrung und einer ganz-lichen Nichtachtung aller Grundsatze der Baukunst an sich tragen. Die Wasser-leitung des Kaisers Valens ist ein sprechender Beweis, dall unter der Regierungdieses Monarchen die Grundsatze eines Vitruvius noch nicht ganz in Vergessen-heit gekomrnen waren. Oben iiber dem Wasserkanal ist zwischen den Steineneine lange Reihe Gebiisch hervorgewachsen. Die zarten Zweige desselben, voneinem leisen Wind geschaukelt, verleihen der kolossalen Steinmasse eine eigeneArunut. Diese Wasserleitung wiirde die Stadt unendlich verschonern, wenn siefrei stande und gesehen werden konnte: sie ist aber derrnallen mit Gebauden al-ler Art umgeben, dall man kaum an einigen Stellen an dieselbe treten kann. DieTiirken, welche in ihren weitlaufigen Provinzen so viel des fruchtbarsten Bo-dens fiir den Ackerbau unbenutzt lassen, pflegen ihre schlechtgebauten Hauserso sehr als nur moglich aufeinanderzuhiiufen und scheinen hier jede HandbreitErde sorgsam benutzen zu wollen, hauptsiichlich wohl, urn Schatten und Kiihlegegen die heille Jahreszeit zu gewinnen wie in anderen Sudlandern.

    Empfindlich fiir den Archiiologen ist der Verlust so vieler Meisterwerke dergriechischen Kunst, welche nach und nach zerstort worden sind und deren un-erreichbare Vorziige die Geschichtsschreiber des Altertums so enthusiastisch zuriihmen wissen. Der Verlust so vieler Kunstschiitze ist zum Teil den ofterenStaatsumwiilzungen zuzuschreiben, derer die Geschichte des morgenliindischenReichs so vie! aufzuweisen hat, und den schaudervollen Auftritten eines allver-heerenden Biirgerkrieges, welchen jene zur Folge hatten. Die Gleichgiiltigkeitder Tiirken fiir Altertiimer ist allerdings auch mit als Ursache manchen in dieserHinsicht ernpfindlichen Schadens anzugeben, doch mag der griiBte Verlust die-ser Art durch die Feuersbriinste entstanden sein, womit diese Stadt so oft heim-

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  • I

    gesucht worden ist. Die byzantinischen Geschichtsschreiber schildem in denstiirksten Ausdriicken die verheerende Allgewalt des Flammenrneeres, welchesan einem Tage bis zwanzigtausendHiiuser vemichtete. Soleh eine Feuersbrunstmulltenotwendig die dauerhaftesten Denkmiiler von Stem und Erz zerstoren,

    Der Reisende, der diese Stadt in ihren einzelnen Teilen kennenzulernen sichbestrebt, kann nicht zu jeder Stunde mit gleich gutem Erfolg seinen Forschun-gen nachgehen, indem zahlreiche Schwiirme Tiirken aus den niederen Klassensich sogleich urn ihn sammeln und ihn mit ihrer gutmutigen, doch nicht minderliistigenNeugierde quiilen.Nach einigen Tagen, die fur mich in dieser Hinsichtfast giinzlich verlorengegangen waren, bemerkte ich, dall der dazu am bestengeeignete Zeitpunkt isr, wenn der Ausrufer, der Muezzin, die Muslime zum Ge-bet berufen. Wie mit einem Zauberschlag veriindert sich alsdann die Szene. DieHabsucht des einen vorteilhaften Handel abschliellenden Kaufmanns, die Neu-gierde des gaffenden Pobels, der mutwillige Scherz der spielenden Knaben, dieEilfertigkeit des in Staatsgeschiiften abgefertigten Kuriers, ja die Todesangst deszum Richtplatz gefuhrten Verbrechers, aile diese so verschiedenartigen Emp-findungen mellen in ein warmes erhebendes Gefiihl der Gottesverehrung zu-sammen. Miinner und Weiber, Kinder und Greise beleben ihre Schritte und eilenzur Moschee; oder wenn diese zu weit entfernt ist, urn auf den bestimrntenAugenblick anlangen zu konnen, so bleiben sie plotzlich auf der Stralle stehenund verrichten mit gen Himmel gewandtem Blick das eifrigste, das wiirmsteGebel. Diese Zeit nun benutzte ich, wenn ich irgendeine Inschrift abschreibenodermein Reisegefahrte Herr Fuhrmann eine Zeichnung nach der Natur machenwollte; doch geme gestehe ich, dall ich mein Auge nur mit Muhe von dem erhe-benden Bilde wandte, welches mir die hohe Religiositat eines ganzen Volkesdarbol.

    Am neunzehnten August besuchte ich den ersten Vorhof des Serails, dessenZutritt auch dem Fremdling zu jeder Stunde offensteht. Die Gelehrten sind ein-stimmig der Meinung, dall das Serail des tiirkischen Kaisers genau die Stelledes allen Byzantions einnimmt, Der Umfang des Serails betragt fiinftausend-vierhundert Schritt oder etwas unter einer halben Meile. Auf eben dieser Stellehatten die griechischen Kaiser einen Palast, Boukoleon genann!. Die Ansichtdes Serails von der See her ist auflerordentlich reizend. Leichte Moscheentiirme(die Minares), vergoldete Kuppeln und hohe Zypressen stellen ein anrnutigesBild zusarnmen. Wie verschieden ist aber der Eindruck den der Reisende beimEintritt in das Tor dieses so freundlich scheinenden Ortes ernpfangtl Dustere~esIChter der schwa'7en und weiflen Verschnittenen, hohe Mauern, zahlreicheachter, drohende Gitter, Ja ich rnochte sagen, die ziimenden Schatten der hier

    Gemordeten umgeben ihn II S .. . Esie . .... I. von a en etten. Alle Tauschung ist zerronnen. rht sich plotzlich In emen Kerker versetzt und kann sich nur mit Muhe einer

    unangenehmen beklemmenden Empfindung erwehren.

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    -----.

  • Das Serail des Sultans ist mit etwa zehntausend Menschen bevolkert, wor-unter einige hundert Frauen und eben so viele weiBe wie schwarze Verschnitte-ne gezahlt werden. Die iibrigen Bewohner dieses Ortes sind Gartner, Stallbe-diente, Koche usw., auch Matrosen, Janitscharen und andere wachthabendeTruppenabteilungen.Mehmet II. ist der Erbauer des ersten Tors des Serails gewesen, welches er

    Babi Humayun, d.i. das erlauchte Tor, nannte. Dieses prunkhaften Namens un-geachtet ist die Anordnung dieses Gebaudes schwer und geschmacklos. Dererste Vorhof des Serails ist gegen fiinfhundert Schritt lang und beschlieBt in sei-nem Umfang einen mit herrlichen Platanen beschatteten Springbrunnen, einZeughaus oder Riistkammer und eine Miinze, deren Getriebe auf die gewohn-liche europaische Art eingerichtet ist. Das zweite Tor des Serails, welches denersten Hofraum von dem zweiten scheidet, ist ebenfalls von tiirkischer Bauart.Ich wiinschte eine Zeichnung dieses Platzes zu haben und fragte den wachtha-benden Janitscharen, ob es erlaubt ware, ihn aufzunehmen. Ziimend sah er michan und erwiderte: "Wehe dem Verwegenen, welcher die diesem Ort schuldigeEhrfurcht auBer Acht laBt." Diese Drohung hinderte indes meinen Reisegefahr-ten nicht, die gewiinschte Zeichnung nach der Natur zu machen. Er maB dieMauern mit Schritten ab; die Hohe derselben gaben ihm die an denselben ste-henden Manner an, undso gelang es ihm, nach einer mehrmaligen Besichtigungdieses Vorhofes eine treue Ansicht desselben anzufertigen.Das zweite Tor des Serails ist mit vergoldeten altertumlichen Rustungen und

    Waffen aller Art verziert. Die zum Tode verurteilten bedeutenderen Staats-beamten empfangen hier ihre Strafe, und dieser Ort scheint ausschlieBlich dieseblutige Bestimmung zu haben, indem man die in demselben befindliche Woh-nung Cellar odasi, d.h. die Kammern der Hinrichter, benannt hat. Die turkischeRegierung ist seit einiger Zeit weniger streng als sie sonst zu sein pflegte, unddie Strafbaren werden vieI ofter mit der Verbannung als mit dem Tode bestraft.Doch finden von Zeit zu Zeit ahnliche Blutszenen immer noch statt; und ich willals Beispiel nur einen gewissen Petraki erwahnen, welcher an dieser Stelle .voretwa dreiBig Jahren als Opfer der wirklich teuflischen Rachs~cht eme.s seinerMltbiirger fiel. Dieser Petraki war Miinzdirektor und bewarb sich urn die Stelleeines Hospodars der Walachei, erhielt sie aber nicht, indem ein anderer Griechemit Namen Maurojeni, den der GroBwesir begiinstigte, ihm vorgezogen wurde.NIChtzufrieden mit diesem Triumph, wuBte der neue Hospodar ~urch ansehn-hche Geschenke den GroBwesir dahin zu bringen, daf er den ungluckhchen Pet-raki ins Gefangnis werfen und bald darauf unter dem Vorwand, als harte er dieMunze bevorteilt, zurn Tode verurteilen lieB. An dem Tage, an welchem derneue Hospodar seine Bestallung im Serail vorn GroBherrn empfangen ~ollte,brachte ein von Maurojeni dazu bestochener vormaliger Freund des Petraki .den-selben auf den Gedanken urn die Erlaubnis zu bitten, daB er sich zu den FuBenseines gliicklichen Gegners werfen diirfte, urn durch dessen Vermittlung sem

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  • Leben zu ratten. Mit tiickischer Freude gab Maurojeni den gebeuglen Anver-dt des Petraki seine Einwilligung dazu. Der Gefangene wurde urn die be-

    w:m ~n Stunde vor den neuen Hospodar in das zweite Tor des Serails gefiihrt,snmm e . d Kn b hi ihm eidoch in demselben Augenblick, als er vor ihm as ie eugte, sc ug emdazu befehligter Nachrichter mit einem Beil den Kopf herunter. .Der T?d desUnglucklichen befriedigte aber noch nicht den Hospodar. Er erklarte feierlich,dieses Haupt des gehanten Gegners ware fur ihn das angenehmste Geschenk,welches er an diesem festlichen Tage vern Gronwesir hatte erhalten konnen,

    Die Todesstrafe ist in der offentlichen Meinung der Tiirken nicht irn min-desten entehrend; man betrachtet sie blof als einen gewohnlichen lebenver-kiirzenden Zufall. Folgender Vorfall mag als Beweis dieser philosophischenDenkungsatt der Muslime dienen. Im Jahre 1813 wurde der griechische FiirstDemetrius Murusi, welcher den letzten Frieden mit Rullland irn Jahre 1812 un-terzeichnet hatte und einer Bestechung beschuldigt wurde, zum Tode verurteiltund hingerichtet. Die Frau von Javat, die Gemahlin des spanischen Botschafters,besuchte die i.m Hause des Fursten versamrnelten Frauen dieser Pamilie, urnihre Teilnahrne an dem erliltenen Verlust zu bezeigen. Aber wie grof war ihrErstaunen, als eine Anverwandte des Hauses Murusi ihr ganz kalt erwiderte:"Furst Demetrius hatte einen bedeutenden Anteil an den Staatsgeschaften,konnte er wahl ruhig in seinern Bett wie ein Kramer sterben?"

    In einer Ecke des ersten Vorhofes des Serails liegt ein ungeheurer steinemerMorser, in welchem sonst die Ulema, d. i. Rechtsgelehrte und Theologen, wel-che das Leben verwirkt hatten, sollen zu Tode gestampft worden sein. Ihr Blutzu vergieBen ist, wie man versichert, den osmanischen Kaisem nicht erlaubt. In-nerhalb der Garten des Harems sah ich, von Pera aus, eine Mannorsaule ko-rinthischer Ordnung, welche irn vierten Jahrhundert dem Kaiser Theodosios zuEhren als Denkmal der ibn urn Frieden flehenden Gotenstamme errichtet wor-den ist,

    Die ZahJ der im Serail befindlichen Frauen soli sich wie ich schon friiherbernerkt habe, auf einige Hundert belaufen. Bei der jedesrnaligen ThronbeStei-gung emes neuen Sultans pflegen die oberen StaalSwiirdentrager, die Beamtendes .Semls, die Paschas und andere bedeutendere Manner im Reich demselbenschone Sklavinnen zum Geschenk darzubringen als einen dem neuen Herrscher

    schuldigen Tnbut, doch zum Teil auch in der Absicht durch Fiirbitte derselben

    vielleicht hohere Ehrenstellen zu erlangen. Noch im Jahre 1660, unter der Re-gllehrungMehmets IV., war es Sine, daB diejenige umer den Frauen des kaiser-IC en Harems welche d M h . I .H. ' em onarc en zuerst emen Sohn gebar den Tlte emeraseki kadm ode . ,.h. 1 D r, wle man m Europa zu sagen pflegt einer Favorit-SultaJUll

    er Ie t Ie 1 b b h '. . ange el e altene Silte ist irn achtzehnten Jahrhundert abgekom-men. Es glbt nunrnehr k H . . dM

    eme aseki kadm mehr welche man als Gefahr!m esonarchen und e . n .' IIImgermalJen als Kalserin betrachten konnte. An ihrer Ste e

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  • pflegt der Sultan vier oder secbs und hochstens sieben Frauen, denen er denVorrang vor den anderen zusichem will, zu Kadms, d.h. zu Damen, zu emen-nen. Jede derselben erhalt alsdann eine besondere Wohnung, einen Garten, einBad und einen Schwarm von Dienstmadchen, die man Odalisken (tiirkisch:Odahk), d.h. buchstablich Kammerfrauen, nennt. Die wechselseitigen Besucheder Damen werden immer mit dem griiBtmiiglichen Prunk abgestattet. Freund-schaft kann hier schwerlich als Beweggrund angenommen werden, meistens istes der Wunsch, etwa ein kostbares Geschmeide oder ein reich gesticktes Kleideine neidische Nebenbuhlerin sehen zu lassen. Der Groflherr pflegt in seinerNeigung nicht immer die im Harem eingefiihrte Ordnung zu beobachten, undnur zu oft gibt er irgendeiner jungen Odaliske ein naheres Recht auf sein Herzals den alteren Damen. Dieser Vorzug ist mit keiner geringen Gefahr fur dieje-nige verbunden, die er beglucken soll. Die Eifersucht der Damen hierin geht soweit, daB die vorgezogene Odaliske, wenn sie schwanger wird, fast immerheirnlich vergiftet wird.

    Diese Absonderung so vieler Frauen unter demheiBen Himmelsstrich hat irnSerail die sapphische Liebe fast allgemein gemacht. Die Eifersucht der Frauenin diesen Verhaltnissen soil alles iibersteigen, was man sich nur denken kann;urn so strenger sind die Gesetze des Harems, welche diese unnatiirliche Neigungfur ein Hauptverbrechen erklaren und mit dem Leben bestrafen. Der Trieb, diestreng verbotene Lust dennoch zu genieflen, hat im Serai! die geheime Zeichen-sprache vervollkommnet, welche die bekannte englische Botschafterin MiladyMontagu in Konstantinopel am Anfang des achtzehnten Jahrhunderts entdecktund mit dem Namen der Blumensprache bezeichnet hat.

    Wenn der Grollherr sich in seinem Harem eine Gefahrtin wahlt, so wirft erder Erkorenen nicht sein Schnupftuch zu, wie man ehemals glaubte, sondemseine Wahl wird derselben durch den Kizlar agasi oder durch die Frau Hofmeis-terin (kahya kadm) von Amts wegen bekannt gemacht. Die strengste Vorsichtscheint die VerhaltensmaBregeln erdacht zu haben, mit welchen der Harem, diedazugehorigen Garten und das ganze Serail bewacht werden, vorziiglich in derAbsicht, die darin eingeschlossenen Frauen von der iibrigen Welt abzusondern.Die deshalb eingefiihrte Ordnung durfte europaischen Truppen, welche Grenz-festungen zu bewachen haben, zum Muster dienen. Die schwarzen Verschnitte-nen bewachen den Harem selbst; ihnen liegt die Aufrechterhaltung der polizei-lichen Gesetze desselben ob. Die Weillen stehen mit jenen in keiner Verbindungund sind auf der AuBenseite des Harems verteilt. Im ersten Vorhof des Serailshaben die Baltaci, die Bostanci und andere Abteilungen der Leibtruppen desSultans ihre angewiesenen Posten. Endlich stehen aullerhalb der Ringmauemdes Serai!s zahlreiche Janitscharen- Wachen. Die Gesetze des Harems des Groll-herm sind so streng, dall, wenn derselbe seinen Wohnsitz irn Sommer nach Be-siktas, einem am Bosporus gelegenen Landschloll, verlegt und die ihn beglei-

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  • I

    I

    tenden Frauen sich einschiffen sollen, so sind nicht nur die. fiir diesel ben be-. ten Gondeln und sie selbst fest verschleiert, sondern die schwarzen Ver-

    schnitt n n stellen sich noch in zwei dichte Reihen langs dem von dem Wasser-SClee . hFuBhh .tor zum Landungsplatz leitenden Pfad und spannen erne sec S a e sparn-che Wand zu beiden Seiten derselben auf. Ein schneller Tad droht dem Unbe-

    :onnenen, der sich in diesem Augenblick von der See her dem Serail zu nahernwagt. Die Verschnittenen sind angewiesen, mit dem Geschrei Halvet! scho-nungslos auf denselben zu feuem. ..' . .

    Die schwarzen Verschnittenen kornmen sehr selten m die Stadt. Em emzigesGeschaft, in ihren Augen das wichtigste, so einem Menschen obliegen kann,.nimmt ihr ganzes nicht untatiges Leben in Anspruch. Ihr ganzes Dasein, ihrephysischen und etwa moralischen Krafte sind der Bewachung des kaiserlichenHarems geweiht. Sie werden in ihrer zartesten Jugend fur den Dienst des Serailsbestimmt; eine strenge Erziehung bildet sie ihrer kiinftigen Bestimmung ange-messen aus und macht sie einer rastlosen argwohnischen Aufmerksamkeit Hi-hig; kein Wink, kein Wort, kaum ein Gedanke der Frauen des kaiserliehen Ha-rems darf ihrer Aufsicht entgehen.

    Der Kizlar agas: ist das Oberhaupt der dreihundert Mann starken Schar derVerschnittenen. Sein Einflufi im Staat ist urn so grofier, da er stets einen freienZutritt beim Sultan hat, dessen Frauen und Kinder seiner Obhut anvertraut sind.Nicht weniger wichtig fur ihn ist die Verwaltung der Einkiinfte der Stadte Mek-ka und Medina und der meisten von den osmanisehen Kaisem erbauten Mo-scheen. Diese belaufen sich auf mehrere Millionen, und die Verleihung einerbetrachtlichen Anzahl Unterbeamten-Stellen der Einnehmer, Verwalter, Inspek-toren usw. ist fur den Kizlar agasi eine unversiegbare Quelle der reiehsten Ge-schenke.

    Man behauptet, der Harem des Grofiherrn enthalte Frauen von allen Natio-nen, darunter stehen, wie bekannt, die Georgierinnen und Tseherkessinnen imRuf vorzuglicher Schonheit. leh habe im Hause des russisehen Gesandten einigegeorgische Madchen, die Tochter eines Kaufmanns aus Tiflis, gesehen, und ichtrage kein Bedenken, Ihnen vor allen weibliehen Wesen die mir je vor Augengekommen, den Preis der Schonheit zuzuerkennen; und durfte ich von demEmzelnen auf das Ganze schliefsen,so wurde ich die allgemeine Meinung, wel-che die Georgierinnen fiir die reizendsten ihres Geschlechts erklart fUr voll-kommen begriindet halten. Die Gesichtsziige derjenigen, die ich gesehen habe,ihr kraftiger, regelmalliger Korperbau sehien mir ganz den Verhaltnissen derVelletnsehen Pallas zu e Is h d '.. W'n prec en; un ihre schonen Augen, von langen irn-pern beschattet, beseelte ein mir unwiderstehlich scheinender Reiz, mit echtjungfraulicher Seham gepaart.S fUn~eit des ersten Tors des Serails befindet sich ein Offentliches Bad, Ayaa ya arnarm genannl. Der erste dreifiig Fufi hohe Saal, worin man sieh aus-

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  • und ankleidet, ist mit breiten Marmorplatten gepflastert. In der Mitte ist einSpringbrunnen, der eine angenehme Kuhle verbreitet, und ringsumher an denWanden stehen breite Sofas, auf welchen man nach dem Bad einige Zeit auszu-ruhen pflegt. Nachdem ich mich hier entkleidet hatte, nahm ich hohe holzerneSandalen, eine breite Schiirze urn den Leib und begab mich, von dem Hamarnci,d.h. von dem Aufwarter, begleitet, in ein kleines auf vierundzwanzig Grad Re-aumur geheiztes Gemach. Nach einigen Minuten trat ich in einen unmittelbardaran stollenden geraumigen achteckigen Saal, worin das Thermometer aufzweiunddreillig Grad stieg. Rings umher an den Mauern fand ich einen acht Fullbreiten Gang; den iibrigen inneren Raum nimmt eine Estrade ein, von farbigenMarmorplatten zusammengefiigt, fur die sich gemeinschaftlich Badenden be-stimmt. In dieser so warmen Temperatur tritt ein starker Schweill aus dem gan-zen Korper hervor. Der Hamamci, der diesen Augenblick wahrgenommen, knietvor dem Badenden nieder, zieht eine Art Handschuh von rauher Wolle an undreibt damit eine Zeitlang den ganzen Korper abo Nachdem dieses geschehen,bringt ein zweiter Aufwarter in einer Schale wohlriechenden Seifenschaum,giellt dieselbe iiber den Badenden aus und trocknet ihn ab mit einem Biischelvon Angoraziegenwolle, welche die Seide an Weichheit iibertrifft, Dies wirdeinige Male wiederholt. Wenn sich ein Tiirke badet, so pflegt der Hamamci ihmalle Gelenke zu ziehen und beschliellt sein Geschaft mit einem Schlag, den erihm in das Genick gibt. Diese Empfindung ist sehr unangenehm. Nach beendig-tern Bad begab ich mich in das erste kleinere Gemach zuriick, und da ich auseiner viel warmeren Temperatur karn, so empfand ich einen unangenehmenSchauer; endlich kehrte ich in die erste Halle zuriick, wo ich mich ankleideteund ein schon zubereitetes Friihstiick einnahm.

    Man pflegt den franzosischen Reisebeschreiber Savary zu beschuldigen, daller den Genull eines morgenIandischen Bades allzusehr gepriesen habe. DieserVorwurf scheint mir unbegriindet; und ich bin in dieser Hinsicht ganz seinerMeinung; doch mag es hier hauptsachlich auf individuelle Leibesempfindlich-keit ankomrnen.

    Die Frauen in Konstantinopel und in allen bedeutenden Stadten des Tiirki-schen Reichs haben ihre besonderen Bader; in Dorfern und in kIeineren Fleckensind gewisse Stunden festgesetzt, an denen die offentlichen Bader Ihnen alleinoffen stehen. Auch die Eifersucht, diese im Morgenland so heftige Leidenschaft,darf Ihnen diesen Genull nicht entziehen, indem das Bad bei sehr vielen Fallenausdriicklich irn Koran anbefohlen wird; und eine Frau, welche bewiesen hat,dall ihr von ihrem Mann der Zutritt zu einem Bad einige Wochen lang versagtworden, darf deshalb auf Scheidung klagen. Unleugbar ist es, dall ein solchesBad das beste Reinigungsmittel ist, so man sich nur denken kann, indem die ge-offneten Poren alles Fremdartige auswerfen.

    Winkelmann zufolge waren die ramischen Bader auf dieselbe Art geheizt,wie es jetzt die turkischen sind.

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  • IIII

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    Unweit von Aya Sofya steht eine geraumige drei Stock hohe Janitscharen-Kaseme. Ich wiirde dies Gebaude unbedingt schon nennen, wenn die liullerenVerzierungen desselben als Gesimse, Tiir- und Fenstereinfassungen usw. sowiedas Gebaude selbst von Stein ausgefiihrt waren, Aber die Tiirken glauben, dalldie dazu notigen Kosten fiiglich zu ersparen sind, und lassen diese Verzierungensarnrlich auf die Wande malen. Dieser Millbrauch geht so weit, dall ich an demkaiserJichen Lustschloll in Be~ikta~eine prachtige Kolonnade gemalt gesehen

    habe.

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  • Drittes Kapitel

    Die von den osmanischen Kaisern in Konstantinopel erbauten Moscheen habensehr bedeutende Einnahmen. Die Ahmet-Moschee auf dem Atmeydaru besitzteinen Fonds von drei Millionen Piastern. Die Einkiinfte der Siileymaniye be-laufen sich jiihrlich auf zweihundertundfiinfzigtausend Taler. Der irn sechzehn-ten Jahrhundert durch seine Siege und seine weise Regierung so bekannteSiileyman II., von den Tiirken Elkanuni (der Gesetzgeber) genannt, ist der Er-bauer derselben gewesen. Dieser Monarch wandte alles an, was diesem Pracht-gebaude den grofnmoglichen Glanz geben konnte, und da ihn die Geschicklich-keit der damaligen tiirkischen Bauverstandigen nicht befriedigte, so wurde aufsein Gebot die griechische Kirche der Heiligen Euphemia in Chalkedon ihrerprachtigen Saulen und anderer architektonischer Zierate beraubt, welche derKaiser nach Konstantinopel fiihren und daselbst in der neuen Moschee anbrin-gen liell. Die aufiere Form dieser Cami, wie die Tiirken die grofieren Moscheenzu nennen pflegen, ist ziemlich der der Ahmet-Moschee gleich, beide Tempelaber sind augenscheinlich eine nach meiner Oberzeugung sehr gelungene Nach-ahmung der Sophienkirche, deren Bauart in der Meinung der Tiirken kJassischund unvergleichlich ist. Merkwiirdig fiir den Bauverstandigen ist der Portikusder Siileymaniye. Derselbe bildet einen bedeckten gewiilbten Gang, der aufvierundzwanzig Fuf hohen Saulen von Granit und orientalischem Porphyr ruht.Diese Saulen, jede aus einem Block gearbeitet, umgeben einen siebzig Schrittlangen und fiinfzig Schritt breiten Hofraum, der mit breiten Marmor- und Por-phyrplatten gepflastert ist. Vor der Tiir der Moschee steht eine kJeine ganz ein-fache Begrabniskapelle (Turbe), worin die Asche des siegreichen Monarchenruht. Ein riihrender Kontrast, welcher an das Sterbe-Hernd des groJlen Saladinerinnert.Unweit der Siileymaniye wohnt der Janitscberen-Age in einem geraumigen

    Palast, an welchen ein Turm stofit, den man ebenfalls den Turm des Janitscha-ren-Aga nennt. Die auf demselben aufgestellte Wache gibt ein verabredetes Sig-nal bei jeder in den benachbarten Stadtvierteln ausbrechenden Feuersbrunst;worauf die mit den Liischwerkzeugen versehenen Tulumbaci oder Spritzen-meister nach dem angezeigten Ort eilen.

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  • I.' Entfemung von diesem Turm. der Siileymaniye gegeniiber, stehl

    nm~~ . O'. I R ihe schlecht gebauter hiilzerner Buden, wonn pium verkaufterne ange e . [s bei d -rv k . . hwird Der Gebrauch dieses berauschenden Mille s .01 en. ~r e~ IS~me t so

    11. Is man es sonst in Europa glaubte und gl1t auch hier fur em Laster.

    a gemem a . h' f T' ki d" .Die iiffentliche Meinung brandmarkt mit dem Sc Imp namen irya leJem-die sich demselben ergeben. Dies Wort bedeutet emen Llebhaber des Opi-

    ~ . 'd' H"hums. So bestinunt auch die iiffentliche Meinung sich in ieser msic t ausge-sprochenhat, vermag sie doch nicht, das Dbel giinzlich zu heben. lch sah in denoben erwiihnten Buden eine bedeutende Anzahl Manner, welche sich hier ver-sammelt hatten, urn ihrer verderblichen Leidenschaft zu friinen. lhre blassen,hageren Gesichter fliillten mir ein tiefes Mitleid ein; doch ist diese ins Auge fal-lende Abspannung ihrer Muskeln bei weitem nicht die schlirnmste Foige des irnObermallgebrauchten Opiums. Noch andere Gebrechlichkeiten, welche nie aus-zubleibenpflegen, beweisen, wie schiidlich derselbe werden kann. Ich sah meh-rere dieser Tiryakis mit eitemden Beulen an der Stirn, am Hals oder am Hinter-haupt; andere litten an krampfhaften Verzuckungen, noch andere konnten einBein oder einen Arm nicht bewegen. Diese Ungliicldichen geben als einenreichlichenErsatz ihrer Leiden den physischen Genull an, der ihnen dabei zuteilwird, und versichem, der Rausch, welchen das Opium bewirkt, versetze denMenschen in eine sanfte freudige Schwiirmerei, oft sogar in einen Zustand desEntziickens,der alles nur erdenkliche irdische Gliick weit hinter sich liillt. lchhabe in Galata zwei Tiirken kennengelemt, welche sich an das Opium so sehrgewohnt hatten, dall sie bis hundert Gran desselben tiiglich zu sich nehmenkonnten. Nach Aussage der Arzte ist der vierte Teil dieser Dosis vollkommen

    hinreichend, um den kraftigsten Menschen in wenigen Stunden rettungslos zutoten,

    Am fiinfundzwanzigsten August als dem Ludwigsfest gab der franziisischeGesandte,General Andreossi, einen gliinzenden Ball, zu dem auch ich eingela-den wurde. Das Haus, welches er in den Sommermonaten in dem Stiidtchen Ta-rabya am Bo~porus bewohnt, gehiirte friiher dem Fiirsten Ypsilanti, welcher imJahre 1806sich darauf nach Ruhland fliichtete und mehrere Jahre in Kiew ver-lebte. Die tiirkische Regierung zog sein Vermiigen ein und schenkte das Hausdem damalIgen franziisischen Gesandten, General Sebastiani. Die Haushaltungdes Grafen Andreossi und die Anordnung des Festes fand ich in gleichem Malleglanzendund geschmackvoll, wobei die fremdartigen Trachten der dazu einge-laden.enTiirken, Griechen und Armenier einen angenehmen Kontrast machten.

    ~le gne~hlschen Frauen des Altertums waren bekanntlich ihrer Reize wegen

    beruhrnt. Ole jetzigen Frauen dieses Volkes sind in dieser Hinsicht ihrer Vor-fabren vollkomm .. d' . . .ihr' en wur 19. Nlcht ohne Vergniigen findet der Reisende hler 10d en femen, regehniilligen Ziigen, in ihren geistreichen ausdrucksvollen Augen. en Typu~ de~ plastischen Schiinheit, die einen Praxit~les begeisterte und vonibm so gluckhch wiedergegeben worden ist. Weniger reizend ist der Kiirperbau

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    der Griechinnen. Samtliche den Orient bewohnende Frauen scheinen dariibereinverstanden, sich keiner Schniirbriiste zu bedienen. Dies hat zur Folge, daB sieihre urspriinglich schonen Fonnen nur zu bald verlieren. Auch ist ihre Kleidungkeineswegs geeignet, die Verhaltnisse der Gestalt geltend zu machen und sie ineinern giinstigeren Licht darzustellen. Diese Tracht, an welcher die ganze Kunsteines Canova scheitem diirfte, besteht in einem weiten weiBseidenen Kleid mitvielen senkrecht laufenden Falten und aus einem dunklen Mieder ohne Armel,das seinem Schnitt nach ziemlich einem kurzen Mannsfrack ahnlich ist. Aufdem Kopf tragen sie weiBe oder rote Kappchen mit einer schwarzen Quaste. Ichhabe an diesem Abend mehrere Frauen dieser Nation gesehen, welche Diaman-ten, Edelsteine aller Arlen und Perlen am Hals trugen. Junge Madchen hattenBlumen in ihre Haare geflochten. Doch blieb die Hauptfonn ihrer geschmack-losen Kleidung bei allen diesel be, und jeden, auch den schonsten, einer Aspasiawiirdigen Kopf, verunstaltete das haflliche Kappchen mit der schwarzen Quaste.

    Die innere Einrichtung der tiirkischen und griechischen Hauser ist aller Ver-schiedenheit der Grolle derselben sowie der Vennogensumstiinde des Eigen-turners ungeachtet in der Hauptsache iiberall dieselbe. Sie ist dem Klima voll-kommen angemessen, doch start sie jene zweckmiillige Einteilung der Gema-cher, welche die Verfeinerung der Sitten in Europa als ein Haupterfordemis ei-nes wohleingerichteten Wohngebiiudes betrachtet. Den Mittelraum eines Hausesin und bei Konstantinopel nimmt ein groBer Saal ein, den man Selarnhk, d.h.BegriiBungszimmer, nennt. Die an der einen Seite an das Selamlik stoBendenGemacher bewohnt der Eigentiimer selbst. Die andere Seite ist seinem Harem,d.h. den Frauen und Kindem, eingeriiumt. Eben so einfach ist ihr Zimmergeriit.!ch habe in den bedeutendsten tiirkischen Hiiusem nur wenige Spiegel gesehen;die so teuren Bronzen sind .ihnen unbekannt, Gemalde vollends und Bildhauer-arbeiten, welche menschliche Figuren darstellen, sind den Turken durch denKoran untersagt. Statt unserer oft so teuren seidenen Tapeten lassen sie dieWiinde mit einer gliinzenden Olfarbe anstreichen. In den meisten Hiiusem sinddie Wiinde weiB, die Decken