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Junge Erwachsene - Die Verlierer der Globalisierung? Dipl. Soz.Dirk Hofäcker Vortrag auf dem Plenumstreffen des “Bündnis für Familien im LK Erlangen-Höchstadt” Forum d. Barherzigen Brüder, Gremsdorf 21. Oktober 2005 Entwicklungen von Berufseinstieg und Familiengründung - Muster und Politikansätze im internationalen Vergleich

Junge Erwachsene - Die Verlierer der Globalisierung? Dipl. Soz.Dirk Hofäcker Vortrag auf dem Plenumstreffen des Bündnis für Familien im LK Erlangen-Höchstadt

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Junge Erwachsene - Die Verlierer der Globalisierung?

Dipl. Soz.Dirk Hofäcker

Vortrag auf dem Plenumstreffen des “Bündnis für Familien im LK Erlangen-Höchstadt”

Forum d. Barherzigen Brüder, Gremsdorf21. Oktober 2005

Entwicklungen von Berufseinstieg und Familiengründung -Muster und Politikansätze im internationalen Vergleich

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Junge Erwachsene - Die Verlierer der Globalisierung?

Globalisierung und

Familienfreundlichkeit in Erlangen-Höchstadt –

Wo liegt der Bezug?

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Erlangen-Höchstadt Europäische Union

Durchschnittliche Kinderzahl bei Frauen im Alter von 15-49 Jahren

Land 1960 1980 1995

FIN 2,70 1,95 1,70

FRA 2,73 1,95 1,70

DEU 2,37 1,56 1,25

NL 3,12 1,60 1,53

SPA 2,86 2,20 1,18

USA (2,48) 1,84 2,02

IRL 3,76 3,25 1,83

CZE (2,11) 2,10 1,28

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Erlangen-Höchstadt Westl. Industrieländer

Durchschnittsalter bei Geburt des ersten Kindes

Land 1980 1990 2000

FIN 25,6 26,5 27,4

FRA 25,0 27,0 28,7

DEU 25,0 26,6 28,0

NL 25,7 27,6 28,6

SPA 25,0 26,8 29,0

USA 25,7 26,3 24,9

IRL 25,5 26,6 28,0

CZE 22,4 22,5 24,9

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“Klassische” sozialwissenschaftliche Erklärungen

• Wandel der Familienformen… geringere Heiratsneigung, Instabilität von Beziehungen

• Möglichkeiten der Familienplanung

• Gewandelte Einstellungen zu Kindern

… geringerer “Nutzen” (Absicherung im Alter durch staatl. Rente)… Kinder als “Kostenfaktor” … Wohlstandssteigerung schafft attraktive Konsumalternativen

• Wertewandel

… Säkularisierung, Zuwachs „post-moderner“ Werte (Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit, berufliche

Karriere)

• Mangelnde Kinderfreundlichkeit… Verstädterung: Fehlen einer kindgemäßen Umwelt… fehlende Möglichkeiten zur Vereinbarkeit v. Familie u. Beruf

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Problem “klassischer” Erklärungsansätze

• ABER:ABER:

• … in einigen Regionen übersteigt das Angebot an frühkindlicher Kinderbetreuung die tatsächliche Nachfrage

(Familienbericht des Instituts für Familienforschung (ifb) Bamberg)

• … in Deutschland wird ein in der Tat vorhandener Kinderwunsch

nicht realisiert

• Von allen 40 jährigen ohne Kinder...

• ... hätten 53% gerne 2 oder mehr Kinder

• ... 13% hätten gerne zumindest ein Kind

• Diese Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit erscheint paradox - sie ist nicht mit reinen Wertewandeltheorien nicht erklärbar!

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Das GLOBALIFE-Projekt

Forschungsprojekt an den Universitäten Bamberg und Bielefeld 1999-2005 gefördert von der Volkswagen-Stifung

Leitung: Prof. Hans-Peter Blossfeld

Soziologie, Wirtschaftsw., Bevölkerungsw.16 ‘lokale Wissenschaftler’ aus 7 Ländern45 nationale Experten aus 12 Ländern

Kernfrage

Wie wirkt sich der Prozeß der Globalisierung auf Erwerbs- und Lebensverläufe in verschiedenen westlichen Industrieländern aus?

Vier Phasen

1. Berufseinstieg und Familiengründung

2. Erwerbsverläufe von Männern

3. Erwerbsverläufe von Frauen

4. Erwerbsausstieg und Frühverrentung

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• Wirtschaftlicher u. ökonomischer Wandlungsprozeß seit Beginn der 70er Jahre

1) Globalisierung von Märkten

2) Standortwettbewerb zwischen Sozialstaaten

3) Neue Kommunikationstechnologien

4) Instabilität von Märkten

Was verstehen wir unter “Globalisierung”?

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ALLGEMEIN

unvorhersehbare Marktentwicklungen nehmen zu rapide Wandlungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft immer geringere Vorhersagbarkeit von Entwicklungen

Konsequenzen des Globalisierungsprozesses

UNTERNEHMEN

zunehmender Bedarf an Flexibilität (Deregulierung von Arbeitsbeziehungen, Einführung flexibler wenig bindender Arbeitsformen ) Verschiebung der Machtbeziehungen am Arbeitsplatz

INDIVIDUEN

Zunahme an Unsicherheit (langfristig bindende Entscheidungen, Vertrauensbeziehungen)

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Jugendlichen / junge Erwachsene...

... fehlt oft eine feste Verankerung am Arbeitsplatz (interne Arbeitsmärkte)

... können weniger auf soziale Netzwerke zurückgreifen

... sie besitzen dadurch nicht die Verhandlungsmacht, stabile und kontinuierliche Arbeitsverhältnisse einzufordern

... ihre Arbeitsverträge können vergleichsweise einfach veränderten Bedingungen angepasst, d.h. verschlechtert werden

Die besondere Situation von Jugendlichen / jungen Erwachsenen

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Internationale Beispiele:

... Jugendliche in südeuropäischen Ländern sind von hohen Arbeitslosig-keitsrisiken betroffen bzw. erhalten nur befristete Arbeitsstellen

... In Großbritannien und Ungarn finden sich Jugendliche häufig in befristeter Beschäftigung oder in (Schein-) Selbständigkeit wieder

... Junge Erwachsene in den Niederlanden müssen heute Stellen mit deutlich niedrigeren beruflichem Prestige annehmen als ältere Geburtsjahrgänge

... Einzige Ausnahme: IRLAND Verbesserung der Situation junger Erwachsener

Allgemein betrifft die Zunahme von Unsicherheiten vor allem junge Erwachsene mit niedrigem Humankapital

Jugendliche / junge Erwachsene: Zunahme von Unsicherheiten beim Berufseinstieg

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Wie reagieren junge Erwachsene auf zunehmende Unsicherheiten in der Arbeitswelt?

Verschiedene Strategien

(1) Verbleib im Bildungssystem

- Ausbildung als „Zufluchtsort“, Ausbildung als „Alternativrolle“ bei unsicherem Arbeitsmarkt - Hoffnung auf verbesserte Wettbewerbsfähig-

keit durch zusätzliches (Fach-) Wissen

(2) Kombination von Ausbildung und Erwerbstätigkeit

- Finanzierung verlängerter Ausbildung - Erwerb relevantem Wissens, Erleichterung eines späteren Berufseinstiegs

- mehr finanzielle Sicherheit

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Wie reagieren junge Erwachsene auf zunehmende Unsicherheiten in der Arbeitswelt?

Verschiedene Strategien

(3) Zunahme nichtehelicher Lebensformen

- höhere Flexibilität- Form des Zusammenlebens mit weniger langfristiger Bindung (rationale Reaktion)- Zusammenlegen von Ressourcen erhöht Sicherheit

(4) Geschlechtsspezifische Strategien

- „familienorientierte Frauen“: Sicherheit der Familie als ‚Gegenpol‘ zur unsicheren Arbeitswelt

- „erwerbsorientierte Frauen“: zunehmende Investitionen in die eigene Karriere, Aufschub familialer Entscheidungen

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Allgemeines Ergebnis für alle Länder: Die zunehmende Unsicherheit im Arbeitsleben führt bei den meisten jungen Erwachsenen zu einem Aufschub langfristig bindender Entscheidungen

Der jungen Generation fällt es zunehmend schwer, sich rasch beruflich zu etablieren und eine dauerhafte Erwerbsperspektive zu erlangen

Langfristig bindende Entscheidungen werden daher durch kurzfristigere Zeitplanung ersetzt

Entscheidungen für Partnerschaft und Kindergeburt werden aufgeschoben, und teilweise in geringerem Maße realisiert als ursprünglich geplant.

Aber: die o.g. Trends finden sich in verschiedenen Ländern in unterschiedlichem Ausmaß Nationale Institutionen „filtern“ den Globalisierungsprozeß

Wie reagieren junge Erwachsene auf zunehmende Unsicherheiten in der Arbeitswelt?

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Südeuropa: „Familienorientierte Staaten“ ?

- starke Barrieren innerhalb des Arbeitsmarktes behindern Arbeitsmarkteintritt

- extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit, Ausweichen in nicht dauerhafte, prekäre Beschäftigung (befristete Verträge, Schein-Selbständigkeit)

- staatliche Unterstützung für junge Menschen ausgesprochen gering (Arbeitslosenversicherung, Wohnungspolitik)

- familienpolitische Maßnahmen erst im Aufbau

paradoxes Ergebnis: In sogenannten „familienorientierten Staaten“ sinkt die Geburtenrate aufgrund der zunehmenden Erfahrung von Unsicherheiten drastisch!

In der “Globalisierungsfalle”?Nationale Reaktionen auf den Globalsiierungsprozeß (I)

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Skandinavien: Sicherheit durch den Staat

- aktive Arbeitsmarktpolitik fördert Beschäftigung und die Erwerbsintegration junger Erwachsener

- eine aktivierende Arbeitslosigkeitpolitik (groß- zügige staatliche Leistungen bei gleichzeitiger Betonung von Weiterbildung) verringert finanzielle Unsicherheiten

- großzügige familienpolitische Maßnahmen (finanzielle Unterstützung + kinderbezogene Dienstleistungen)

staatliches Eingreifen stabilisiert Lebens- und Erwerbsverläufe und verringert Unsicherheiten, resultierend in vergleichsweise hohen Kinderzahlen. Bemerkenswert: wenig geschlechtsspezifische Strategien (kein Ausweichen in Haushaltsrolle ODER Erwerbstätigkeit).

In der “Globalisierungsfalle”?Nationale Reaktionen auf den Globalsiierungsprozeß (II)

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Irland: Sicherheit durch Wachstum

- ehemals hohes Ausmaß an Arbeitslosigkeit und Armut

- Öffnung gegenüber der Weltmarktkonkurrenz, Förderung von Handelsbeziehungen und Investitionsanreize befördern Wachstum (nahezu Vollbeschäftigung in den 90ern)

- Ausbau familienpolitischer Unterstützung

Irland als „Gewinner der Globalisierung“: Wachstum befördert die Abnahme von Unsicherheiten, deutlicher Anstieg von Heirats- und Geburtenraten

Problem: Ist dieser Sonderweg „kopierbar“?

In der “Globalisierungsfalle”?Nationale Reaktionen auf den Globalsiierungsprozeß (III)

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USA: Ist nichts sicherer als (planbare) Unsicherheit?

- hohes Ausmaß an Flexibilität des Arbeits- marktes

- geringe Sicherheit von Beschäftigungs- verhältnissen, wenig Kündigungsschutz

- Aber: vergleichsweise günstige Möglichkeiten zum Wiedereinstieg in den / Aufstieg im Arbeitsmarkt

Der amerikanische Fall verweist auf die „subjektive“ Komponente von Unsicherheit: wird die - objektiv vergleichsweise hohe - Unsicherheit tasächlich als solche wahrgenommen oder ist sie „Normalität“?

In der “Globalisierungsfalle”?Nationale Reaktionen auf den Globalsiierungsprozeß (IV)

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Ausgehend von der Diagnose, daß (die Wahrnehmung von) Unsicherheit eine zentrale Rolle für das Eingehen von Partnerschaften und die Familiengründung spielt: Wie läßt sich Sicherheit für junge Erwachsene vermitteln?

1) Unterstützung von Beschäftigungsstabilität? (skandinavische Staaten / Irland)

2) Unterstützung eine möglichst reibungsfreien Übergangs von der (Aus-)Bildung in das Erwerbsleben? (Deutschland)

3) Unterstützung (dienstleistungstechnisch und materiell) von Familiengründung und deren Vereinbarkeit mit (paralleler?) Erwerbstätigkeit? (skandinavische Staaten?)

4) „Gewöhnung“ an die Zunahme von Unsicherheiten? (USA)

Was ist in diesen Zusammenhängen „familienfreundlich“?

Was läßt sich auf Landkreisebene realisieren?

Mögliche Diskussionspunkte