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Februar 2003 Heft 1/2003 ISSN 0947-1049 Förderung für Forschung: Alzheimer früh erkennen Alte Ägypter als Chemiker: Die Farbe der Götter Folgen der EU-Osterweiterung: Arbeitsmärkte in Osteuropa stabil? Marcelo Dascal im Interview: „Leibniz nicht enttäuschen“ Gefahren für die Erde: Böden bewusst bewahren Training für China: Keine „vergammelte Milch“ Häuser, Decken, Brücken Forschung gegen den Verfall journal

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Februar 2003 Heft 1/2003 ISSN 0947-1049

Förderung für Forschung:Alzheimer früh erkennen

Alte Ägypter als Chemiker:Die Farbe der Götter

Folgen der EU-Osterweiterung:Arbeitsmärkte in Osteuropa stabil?

Marcelo Dascal im Interview:„Leibniz nicht enttäuschen“

Gefahren für die Erde:Böden bewusst bewahren

Training für China:Keine „vergammelte Milch“

Häuser, Decken, Brücken

Forschung gegen den Verfall

journal

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UniVersumNachrichten2002 aus der Sicht von BeauftragtenDatenbanken mit Mehrwert

GremienSenatssitzungen im Oktober und November 2002

ForschungDie alten Ägypter als ChemikerArbeiten mit dem ElektronenmikroskopAlzheimer früh erkennenArbeitsmärkte in Osteuropa stabil?NachrichtenSynergien bei Forschung und Ausbildung

UniCentralNeue Wohnkonzepte im GründerzeitbestandÜber den besonderen Schatz aus derGründerzeitHöheres Tragvermögen für DeckenStärkung für Pleiße-Brücken

Fakultäten und InstituteNachrichtenBöden bewusst bewahren

StudiosiInterkulturelles Training für ChinaReha auf dem WasserradNachrichten

PersonaliaLeibniz-Professor M. Dascal im InterviewPeter Welzel emeritiert75. Geburtstag von Gottfried GeilerEhrenpromotion für Herbert HaagNeu berufenW. Drauschke Ehrendoktor in TadschikistanInterview mit Ehrensenator Werner HolzmüllerKurz gefasst / Geburtstage

Jubiläum 2009Max Uhle:Vater der peruanischen ArchäologieDie Geschichte des „Rothen Collegs“

Habilitationen und PromotionenAm RandeNomenImpressum

Titelfoto : Tom Hobusch

EDITORIAL

1

Wichtige Beiträgefür Stadt und Region

Inhalt

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In den emotionsbeladenen und komplizierten Diskussionen des ver-gangenen Jahres innerhalb und außerhalb der Universität um Per-sonalkürzungen, Haushaltssperren und fehlende Mittel für unsereBibliotheken und deren deletäre Folgen für die Ausbildung unsererStudierenden kam die Forschung als zweiter wichtiger Aufgaben-komplex einer Universität oftmals zu kurz. Auch die wichtige Rolle,die die Universität für Stadt und Region, für die Zusammenarbeit mitder regionalen Wirtschaft ebenso wie mit Kultur- und Bildungsein-richtungen und für die Gestaltung der Atmosphäre und Lebens-

qualität einer Stadt spielt, fällt bei derartigen Be-trachtungen nur zu schnell unter den Tisch. Dabeiliegt darin die wohl unmittelbarste Wirkung derUniversität auf ihr Umfeld. Für die Stadt Leipzig und ihre Universität trifft diesin ganz besonderer Weise zu, sind doch beidedurch die Jahrhunderte ihrer Existenz in ganz be-sonderer Weise verbunden, die der damaligeOberbürgermeister der Stadt, Rudolf Dittrich, inseiner Grußadresse zur 500-Jahrfeier in die Wortefasste: „Leipzig ist stolz auf seine Universität unddie Universität fühlt sich wohl in ihrer Stadt. Beide

erkennen und genießen dankbar die Förderung, die sie einandergewähren”. Wenn wir uns nunmehr mit Nachdruck auf das 600-jährige Jubiläum vorbereiten, freut es mich ganz besonders, dasssich die Universität trotz der prekären Haushaltslage und der schwie-rigen hochschulpolitischen Rahmenbedingungen der letzten Jahrezunehmend auch dieser Aufgabe und diesen Herausforderungenstellt.Zwar konzentrieren sich die Beiträge dieses Heftes im Wesentlichenauf Beispiele zur Stadtentwicklung und -sanierung, aber weitere las-sen sich aus vielen anderen Lebensbereichen von Stadt und Regionnennen, in denen Mitarbeiter und Studierende der Universität Leip-zig erfolgreich beitragen, die Entwicklung der Stadt und der Regionvoranzubringen. Dabei geht es – wie der Bericht über die wiederhergestellte Pyramide aus Gletschersteinen im Südosten Leipzigszeigt – nicht nur um mehr oder weniger spektakuläre Großprojektewie etwa die Zusammenarbeit von Stadt und Universität beim Auf-und Ausbau der Biotechnologie oder der Entwicklung des Me-dienstandortes Leipzig, so wichtig dies im Hinblick auf die dringendnotwendige Schaffung neuer Arbeitsplätze und eines Umfeldes, wel-ches die Ansiedlung neuer zukunftsträchtiger Industrien spürbar ver-bessert, ist. Mindestens genau so wichtig scheint mir, dass die Uni-versität in ihrem Studienprofil auch Bedürfnisse der wieder aufblü-henden Metropole Leipzig widerspiegelt. Beispiele hierfür sind Ver-sicherungsinformatik, Banken- und Börsenrecht, Grundstücks- undWohnungswirtschaft, Public Relations oder Buchwissenschaft/Buch-wirtschaft. Damit gekoppelt ist eine Vielzahl von Forschungsprojek-ten, die häufig mit außeruniversitären Partnern durchgeführt werdenund von der die Stadt und die Region profitieren.Nicht zuletzt hat die Universität mit dem nun schon seit 1999 jähr-lich im Herzen unserer Stadt durchgeführten Tag der Universitäteinen neuen Schritt der weiteren Öffnung nach außen unternommen.All diese Beispiele und die Artikel in dieser Ausgabe des Uni-Jour-nals zeigen die Vielfalt und die Lebendigkeit der Kooperation vonUniversität, Stadt und Region, deren Weiterentwicklung sich dieUniversität verpflichtet fühlt.

Professor Dr. Volker BiglRektor

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Am Dies academicus (2. Dezember)nahm Rektor Prof. Dr. Volker Bigl Eh-rungen verdienter Universitätsangehöri-ger vor. Die Caspar-Borner-Medaille fürVerdienste um die Erneuerung der Uni-versität erhielt Prof. Dr. Rolf Thiele (im Bild oben rechts), dessen Initiativeder Aufbau des Bauingenieurwesens ander Universität zu verdanken ist. DerDiplomkrankenschwester Oberin MarliesFriedrich (oben links) wurde die Univer-

sitätsmedaille ver-liehen.Gert König, Pro-fessor für Massiv-bau/Baustofftech-nologie (kleinesBild), wurde die Würde eines Ehrenbür-gers zuteil. Er konnte bei der Ehrungallerdings krankheitsbedingt nicht per-sönlich anwesend sein.

Fotos: Armin Kühne / privat

radiert und ist jetzt wieder restauriert wor-den. Den angesprochenen Journal-Beitragdazu verfasste Weickmanns Sohn selbst.Wolfgang Tiefensee hatte sich eine Kopiedes Bildes erbeten. Sie soll im Neuen Rat-haus ihren Platz finden. C. H.

Neue Mitgliederim FördervereinIm vergangenen halben Jahr konnte derFörderverein der Universität sechs neueMitglieder hinzugewinnen. Dazu zählenauch die DaimlerChrysler AG und dieWirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst &Young AG. Indessen ist das Spendenauf-kommen des Vereins nach eigenen Anga-ben zurückgegangen, was aber nach Aus-sage des Vereinsvorsitzenden Prof. Dr.Gerhardt Wolff die Arbeit nicht behindert.In der zweiten Jahreshälfte 2002 seien fünfFörderanträge bewilligt worden, so dieFinanzierung des Snoezelen-Therapie-raums in der Klinik und Poliklinik fürPsychologie, Psychotherapie und Psycho-somatik des Kinder- und Jugendalters der Universität, die Teilfinanzierung derJustus-von-Liebig-Wanderausstellung, dieUnterstützung des Alumni-Tages der Wirt-schaftswissenschaften und zwei weitererTagungen.

PhysikBMBF-MitteleingeworbenDas Institut für Experimentelle Physik IIder Universität Leipzig hat eine Nach-wuchsgruppe auf dem Gebiet der Nano-technologie eingeworben. Der von Frau Dr.Heidemarie Schmidt im Rahmen des vomBundesministerium für Bildung und For-schung ausgeschriebenen Nachwuchswett-bewerbs „Nanotechnologie“ gestellte An-trag wurde in einem mehrstufigen Verfah-ren begutachtet. Von den 40 eingereichtenProjekten wurden insgesamt nur elf zurFörderung ausgewählt. Die Bewilligungfür die Nachwuchsgruppe „Nano-Spin-elektronik“, die in der Abteilung Halblei-terphysik (Prof. Dr. Marius Grundmann)angesiedelt sein wird, umfasst neben derStelle der Projektleiterin Mittel für meh-rere Stellen für wissenschaftliche undtechnische Mitarbeiter, Verbrauchsmittelund Investitionsmittel. Diese Ausstattungist der einer Juniorprofessur weit über-legen.

UniVersum

2 journal

JournalMitteilungen und Berichte für die Angehörigenund Freunde der Universität Leipzig

ImpressumHerausgeber: Der RektorRedakteur: Carsten HeckmannRitterstr. 26, 04109 Leipzig,Tel. 0341/ 9 73 01 54, Fax 0341/ 9 73 01 59,E-mail : [email protected]. i. S. d. P. : Volker SchulteNamentlich gekennzeichnete Beiträge geben dieMeinung der Autoren wieder.Layout : Andreas Wendt, wpunktwSatz und Lithographie: DZA Satz und BildGmbH, AltenburgDruck und Binden: Druckerei zu AltenburgGmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 AltenburgAnzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Tel. 03447/5550Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbHAugustusplatz 10/11, 04109 LeipzigTel./Fax: 0341/9900440Einzelheft : 1,50 eJahresabonnement (sieben Hefte) : 13,– e

In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Siesich bitte an die Redaktion, in Fragen, die denVertrieb betreffen, an den Verlag.Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Beleg-exemplare erbeten.Redaktionsschluß: 9. 1. 2003ISSN 0947-1049

Ehrungen

Kopie vom Bildmit Geschichtefür den OBMEine Kopie der großformatigen Grafik,über die das Uni-Journal in Heft 6/2002unter dem Titel „Ein Bild zeigt Ge-schichte“ berichtete, überreichte RektorProf. Dr. Volker Bigl Mitte Dezember demLeipziger Oberbürgermeister WolfgangTiefensee. Das Original der Grafik hängtim Observatorium am Collm, wo die Über-gabe der Kopie stattfand. Das Bild war demdamaligen Leiter des GeophysikalischenInstituts Ludwig Weickmann zur Grün-dung des Observatoriums vor 70 Jahrenvom Rat der Stadt übergeben worden.Weickmanns Sohn Ludwig A. Weickmannwar bei einem Besuch des Observatoriumsvor zwei Jahren aufgefallen, dass die Sig-natur des damaligen OberbürgermeistersGoerdeler fehlte. Die Unterschrift war voneinem Unbekannten wahrscheinlich zurVermeidung von Konflikten mit denMachthabern (nach dem Umsturzversuch1944, an dem Goerdeler beteiligt war) weg-

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Im Oktober 2003 wird die Gletscherstein-pyramide in Leipzig/Stötteritz 100 Jahrealt. Prof. Dr. Klaus Bente, Leiter des Insti-tuts für Mineralogie, Kristallographie undMaterialwissenschaft der Universität Leip-zig, wurde 1998 auf das Bauwerk auf-merksam, das sich in einem sehr schlech-ten baulichen Zustand befand. Unter seinerfachkundigen Leitung wurde die Pyramideim Jahr 2000 restauriert. Darüber hinauswurde im Rahmen eines Forschungspro-jektes die Geschichte der Gletscherstein-pyramide untersucht: Ist dieses Denkmaleine Besonderheit und wodurch zeichnetsich diese aus? Seit wann genau steht esund wer hat es erbaut? Welche Findlingewurden verwendet und unterlag ihre Aus-wahl bestimmten Kriterien? Woher stam-

men die verwendeten Findlinge? Wann undwie kamen sie nach Leipzig?Aus diesen Fragen ergab sich die Beschäf-tigung auch mit weiteren Findlingsdenk-malen und „Pyramiden in Leipzig und Um-gebung“ – so lautet der Titel des aktuellenJahreskalenders aus dem Institut. DiePyramidenform faszinierte offensichtlichdie Menschen verschiedener Zeitepochenauch in Mitteldeutschland und besondersin Leipzig immer wieder. Neben einigenhistorischen Bauwerken wurden auch neuePyramiden in die Arbeiten einbezogen, vondenen eine Auswahl in dem Kalender zuentdecken ist.Der Kalender ist zum Preis von 12 Euro in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung,Schuhmachergäßchen 4, erhältlich.

Heft 1/2003

AmRande

Der Berg ruft. Und die Freiberger Stu-denten kommen. Jeden Freitag fahrenzehn von ihnen ein in die Grube „Rei-che Zeche“, die zum Lehrbergwerk derTU gehört. Sie bekommen dort softskills beigebracht, wie es neudeutschheißt. Also Persönlichkeitseigenschaf-ten. Teamfähigkeit, Risikobereitschaft,Führungskraft etc. pp. Die Studentenmüssen unter Tage in BergmannskluftHindernisse überwinden, klettern undsich abseilen, unter Ausschaltung desSehvermögens Orientierung finden,sich der Führung anderer anvertrauenund einiges mehr.Eine geniale Idee der Freiberger Kol-legen. Schließlich brauchen die Stu-denten diese weichen Faktoren späterim harten Arbeitsleben. Lernen sie siebereits an der Uni, freuen sich dieArbeitgeber. Die brauchen dann nichtmehr viel Geld für Camps auszuge-ben, in denen ihre Manager in Hoch-seilgärten ihr Gleichgewicht verlieren,in der Wildnis Regenwürmer essenund gemeinsam Flöße bauen. Um an-schließend seelisch erneuert alles an-ders und vieles besser zu machen.Hier haben die Universitäten einenLehrauftrag. Natürlich könnten sie ihndelegieren. In den USA haben sichschon Studenten in Trainingslagernder Armee wiedergefunden. Okay,nicht jeder Professor mag das Zeugzum Persönlichkeitstrainer haben –aber gleich die militärische Variante?Das ist dann doch zu sehr the ameri-can way.Stellt sich die Frage, wie die Univer-sität Leipzig etwas Adäquates be-werkstelligen könnte. Vielleicht einSurvival-Training im Auewald? Kletter-übungen am Völkerschlachtdenkmal?Floßbau am Cospudener See? Allesnicht wirklich überzeugend. Und dieMoritzbastei ist ja leider schon freige-legt. Das hat eine andere Generationbesorgt. War bestimmt gut für die Per-sönlichkeit(en).Am besten geht die Uni mit der Zeitund verlegt sich auf eine sparsameVariante, die im Übrigen der neuesteSchrei unter den Manager-Kursen ist:Teamfähigkeitstraining auf die spiele-rische Art, die Kreativität wird neben-bei mitgeschult. Eigentlich können so-gar alle Studenten auf einmal teilneh-men. Es muss sich nur ein Sponsor fin-den – für die Legosteine.

Carsten Heckmann

Pyramiden im Kalender

Foto: Klaus Bente

Liebe Leser,Sie halten die erste Journal-Ausgabe desJahres 2003 in Ihren Händen. Vielleichtwerden Sie darin etwas vermissen: die gel-ben Seiten mit der Studierenden-Statistik.Wir bedauern das sehr. Das zuständige Dezernat 2 der Zentralver-

waltung ist noch mit der Aufbereitung derstatistischen Daten beschäftigt. Eine Ver-öffentlichung ist weiterhin geplant, entwe-der in der nächsten Ausgabe des Journals(April) oder im Internet. Wir werden Sie injedem Fall informieren.

Ihr Carsten Heckmann, Redakteur

Statistik noch nicht aufbereitet

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GleichstellungNoch viel zubesprechen

Von Dr. Monika Benedix,Gleichstellungsbeauftragte

„Man merkt nie, was schongetan wurde, man sieht im-mer nur das, was noch zutun bleibt.“

Marie Curie (1867 bis 1934), PhysikerinSeit ca. zwei Monaten bin ich die Gleich-stellungsbeauftragte der Universität Leip-zig und verdanke meiner Vorgängerin FrauProf. Dr. Ilse Nagelschmidt sowie allenMitstreiterinnen und Mitstreitern, dass dasJahr 2002 für die Gleichstellung von Frauund Mann ein sehr erfolgreiches war. Am 26. Januar 2002 fand in Leipzig unterLeitung der Gleichstellungsbeauftragtenein Öffentliches Kolloquium des Deut-schen Hochschullehrerinnenbandes e.V.„Wie viele Wege führen zur Professur?Aufstiegschancen von Frauen im Ver-gleich“ statt, welches großes Interesse undResonanz fand. Hier wurden besonders dieRahmenbedingungen von Nachwuchswis-senschaftlerInnen in verschiedenen Län-dern untersucht. Das Fazit dieser Veran-staltung war, dass in Deutschland schwie-rige Arbeitsbedingungen herrschen. Aufdiese Tatsache verwies bereits 1994 FrauProf. Dr. Jutta Limbach, FU Berlin, Präsi-dentin des Bundesverfassungsgerichtes,als sie feststellte: „Nach wie vor gilt, dassdie Luft in den höheren Rängen der Be-rufshierarchien für Frauen dünn ist. Die zu-rückgebliebenste aller Provinzen jedoch,dort wo der Fortschritt gewissermaßen aufder Stelle tritt, ist die Universität“. Hiermüssen wir also die Hebel ansetzten, nurwie? Das Jahr 2003 wird uns Gelegenheitgeben, daran zu arbeiten.Die Konferenz am 10. und 11. Juni 2002zum 100. Todestag der FrauenrechtlerinAuguste Schmidt „Leben ist Streben“ inLeipzig, die wir in Zusammenarbeit mitdem Regierungspräsidium, der Stadt Leip-zig sowie der Louise-Otto-Peters-Gesell-

schaft e. V. federführend veranstalteten,brachte u. a. diese Ergebnisse:1. Oft hören wir den Satz: „Es gab einfachkeine fähigen Frauen! Die Männer habenGeschichte geschrieben, deshalb hat mannihnen Denkmale errichtet.“2. Mit der Tagung wurde der Auftakt füreine weitere Forschung geben. Frauenmüssen noch viel für ihre Geschichte undihre Zukunft tun. 3. Es gilt, Reformansätze der pädagogi-schen Ausbildung früher und ihre Aktua-lität heute zu hinterfragen.Der Höhepunkt unserer Arbeit war die Mit-ausrichtung der Europäischen Konferenz„Gender Mainstreaming in Europe – aChallenge for Political Education“ vom 6. bis 8. September 2002 in Leipzig unterinternationaler Beteiligung. Hier konntesich besonders das Zentrum für Frauen-und Geschlechterforschung an der Univer-sität Leipzig in Diskussionsrunden und mitVorträgen einbringen. Noch viel zu be-sprechen wird es zum Thema GenderMainstreaming geben. Gender Mainstrea-ming richtet sich nicht nur oder zuerst anFrauen. Vielen Männern muss zunächstklar gemacht werden, dass ihre als „Nor-malsicht“ der Dinge empfundene Perspek-tive eine geschlechtsspezifische Sicht-weise ist. Nicht zuletzt deshalb werden ge-schlechtsspezifische Probleme, Interessenund Bedürfnisse bei den entscheidendenStellen (von männlichen Führungskräften)oft nicht als solche erkannt.

AusländerGuter Ruf, aberauch Sorgen

Von Dr. Wolfram Herold,Ausländerbeauftragter

Die Grundsituation hatsich gegenüber den voraus-gegangenen Jahren nichtwesentlich verändert. An

der Uni sind im WS 02/03 etwa 2400 Aus-länder aus 131 Ländern immatrikuliert,

d. h. ca. 8,5% aller Studierenden. Damitliegen wir im guten Mittel aller größerendeutschen Universitäten. Auf Grund vonLeistungskriterien, NC-Beschränkungenund Ausländerquoten musste jedoch wieimmer eine größere Anzahl von Bewerbernabgewiesen werden. Das große Interessean einem Studienplatz in Leipzig resultiertzum einen auf dem guten Ruf der Uni imHinblick auf ihre Ausbildungsqualität, aberauch auf der überwiegend ausländer-freundlichen Situation an der Uni selbst,die sich im Studienklima und der Qualitätder Betreuung auf vielfältigen universitäts-internen, aber auch universitätsnahen Ebe-nen äußert (RAS, Kirchen, Fördervereinu. a.). Diesem Positivum stehen gewisse, z. T. be-rechtigte, oft aber überzogene Befürchtun-gen bezüglich ausländerfeindlicher Akti-vitäten im städtischen Umfeld gegenüber,vor allem aber die in den neuen Bundes-ländern erschwerten Möglichkeiten zurNebenerwerbstätigkeit, die für viele Stu-denten eine wichtige Grundlage für dieFinanzierung ihres Studiums darstellt. Esgibt einfach zu wenig Jobs! Diese Sorgenbetreffen kaum Studierende aus Industrie-ländern oder Programmstudenten, derenökonomische Aufenthaltsbasis weitgehendabgesichert ist, sondern vorrangig die Stu-dierenden aus Entwicklungsländern ein-schließlich Staaten des osteuropäischenRaums. Sie haben mit den primären Finan-zierungs- und den daraus resultierendenNachfolgeproblemen oft bis an die Grenzedes Zumutbaren zu kämpfen und stellenmeine Hauptklientel dar. Die vorgetrage-nen Anliegen lassen sich kaum kategori-sieren und umfassen alle Lebensbereiche,zum großen Teil auch außerhalb der Uni.mBesonderheiten im vergangenen Jahr stell-ten die Irritationen im Zusammenhang mitden Terroranschlägen in den USA und derdaraufhin eingeleiteten Rasterfahndungdar, die als Pauschalverdächtigung von derbetroffenen Studentengruppe empfundenwird. Ebenso spielt im Denken und Fühlendie Auseinandersetzung zwischen Israelund den Palästinensern sowie die Situationum den Irak eine große Rolle, eine we-

UniVersum

4 journal

Das war 2002 – aus derSicht von Beauftragten …

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sentlich größere als in unserer eigenenBevölkerung. Meine Aufgabe bestandüberwiegend in der Hilfestellung bei Ein-zelfallproblemen, zur Mitarbeit bei derLösung konzeptioneller Fragen hatte ichkaum Gelegenheit.Für einen großen Teil der ausländischenStudentenschaft stellt der Ausländerbeauf-tragte eine wichtige, manchmal existen-tielle Anlaufs- und Helferstelle dar. ImZusammenhang mit meiner im Juni aus-laufenden Dienstzeit empfehle ich deshalbder Universitätsleitung und dem Senat,rechtzeitig eine Nachfolgeregelung zu fin-den.

BehinderungenBauliche Situa-tion verbessert

Von Dr. Martin Hüneburg,Beauftragter fürHochschulangehörige mitBehinderung

Die Zahl von 47 Studieren-den mit Behinderungen

oder chronischen Krankheiten, die zumWS 2002/3 an der Universität Leipzig im-matrikuliert sind, mag angesichts von der-zeit insgesamt mehr als 27000 Studieren-den gering erscheinen. Sie vermittelt auchein unzutreffendes Bild, insofern sie ledig-lich auf freiwilligen Angaben beruht undnur einen Grad der Behinderungen ab 50%erfasst. Nach den Sozialerhebungen desDeutschen Studentenwerkes liegt die tat-sächliche Zahl zwischen 12 und 14% allerStudierenden. Für diesen Personenkreis einUmfeld zu schaffen, dass die individuellganz unterschiedlichen Einschränkungenberücksichtigt, um ein Studium zu ermög-lichen, stellt eine bedeutende Herausforde-rung für die Universität dar.Seit diesem Wintersemester hat sich diebauliche Situation deutlich verbessert. So-wohl der Neubau Geisteswissenschaftenals auch die rekonstruierte Universitäts-bibliothek entsprechen den Anforderungen

an barrierefreies Bauen. In der BibliothecaAlbertina stehen jetzt sowohl ein gut aus-gestatteter Blinden- als auch ein Sehbehin-dertenarbeitsplatz zur Verfügung. Natür-lich bleiben Wünsche offen. Dies betrifftetwa die Gebäudesituation am Augustus-platz. Auch der durch die wachsende Zahlvon Studierenden hervorgerufene Platz-mangel stellt für Behinderte eine beson-dere Erschwernis dar.Der Hauptanteil der Arbeit eines Behin-dertenbeauftragten besteht in der Beratungund Unterstützung bei auftretenden Pro-blemen. Dabei geht es vor allem um Maß-nahmen zum Nachteilsausgleich im Stu-dienablauf und v.a. bei Prüfungen. Zuneh-mend mehr gefragt ist auch die Beratungvor der Aufnahme eines Studiums odereinem Hochschulwechsel. 2002 konnten inZusammenarbeit mit dem Behindertenver-band Leipzig die Erfassung aller länger-fristig genutzten Gebäude der Universitätunter dem Gesichtspunkt der Zugänglich-keit durch Behinderte abgeschlossen unddamit die Beratungsmöglichkeiten wesent-lich verbessert werden. Wichtig für die zukünftige Arbeit wird essein, dass sich immer wieder Betroffeneselbst äußern und ihre Interesse wahrneh-men. Die im November 2000 gegründeteInteressengemeinschaft behinderter undchronisch kranker Studierender (IG Fair-Stärkung, www.uni-leipzig.de/~igfair)braucht dringend Mitstreiter.

UmweltschutzErfreulicheTendenz

Von Dr. Nicola Klöß,Umweltschutzbeauftragte

Die Hochwasserflut imAugust hat verdeutlicht,welche Gewalt von Natur-ereignissen ausgehen kann.

Spätestens seit der Besorgnis angesichtsdramatisch steigender Wasserpegel inSachsen beschäftigen wir uns wieder mehr

mit Fragen des Umweltschutzes und inter-essieren uns für Informationen, um Kat-astrophen rechtzeitig zu erkennen bzw. ab-wehren zu können sowie um eigenes Han-deln zu überdenken. Dazu trägt insbeson-dere die Forschung im Umweltschutz bei,wobei die Interdisziplinarität und die Zu-sammenarbeit mit anderen Umwelteinrich-tungen stetig an Bedeutung gewinnen. Die-ses wurde auch zu Beginn des Jahres aufeinem Umwelttreffen an der Universitätbekräftigt, wo zukünftige Hochschulaufga-ben in Umweltforschung und -lehre disku-tiert wurden.Mit der im vergangenen Jahr eingerichte-ten Stiftungsprofessur für Umwelttechnikund Umweltmanagement wurde nicht nurForschung und Lehre auf diesem Gebiet anunserer Universität etabliert, sondern auchder Nutzen umweltrelevanter Forschungfür die Hochschulverwaltung einer neuenQualität zugeführt. In den Praktika zumUmweltmanagement werden Verbrauchs-zahlen und Umweltdaten einzelner Univer-sitätsgebäude unter die Lupe genommen,wissenschaftlich ausgewertet und darauskonkrete Verbesserungsvorschläge abge-leitet.Hinsichtlich der Umweltdaten der Univer-sität wird insgesamt eine erfreuliche Ten-denz deutlich. Der Wasserverbrauchkonnte vor allem durch Umstellung veral-teter Kühlsysteme im Jahr 2001 gegenüberdem Vorjahr um 37.000 m3 gesenkt werdenund hatte damit seit fünf Jahren den nie-drigsten Wert aufzuweisen. Auch die Fern-wärme konnte in den vergangenen zweiJahren um knapp 20% gesenkt werden. Da-für hat allerdings der Stromverbrauch imgleichen Zeitraum durch Inbetriebnahmeneuer Geräte und Räume um ca. 10% zu-genommen.Mit der Chemikalienbörse, die sich stei-gender Beliebtheit erfreut, wurden in denvergangenen 5 Jahren Ausgaben von ins-gesamt rund 100 000 Euro eingespart, wo-durch die Forderung der Ökologie nachWiederverwendung erfüllt, aber auch denSparzwängen beispielhaft Rechnung getra-gen wurde.

Heft 1/2003

UniVersum

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Manchmal ist etwas Gutes des Guten zu-viel. Ende 1999 wurden die Internetseiten,in denen man sich über universitäre Veran-staltungen informieren konnte, 7000malim Monat aufgerufen. Zwei Jahre späterlag die Zahl bei 12000. Unter Einbezie-hung der Veranstaltungsreihen konntennun Informationen zu jährlich 800 Veran-staltungen abgerufen werden. „Das war mitkonventionellen Methoden nicht mehrvernünftig beherrschbar“, sagt RolandKrause, Leiter der Forschungskontaktstelleim Dezernat für Öffentlichkeitsarbeit undForschungsförderung. Die neue Methode, umgesetzt im spätenFrühjahr vergangenen Jahres, besteht auseiner Datenbank. „Die bringt Vorteile fürden Nutzer, erleichtert die Aktualisierungund ermöglicht Synergien“, erläutertKrause. Und sie ist erfolgreich: Im vergan-genen November wurde die Adresse30 000mal aufgerufen. Im gleichen Monatwurde eine weitere Datenbank freigeschal-tet, für die ebenfalls die Forschungskon-taktstelle verantwortlich zeichnet: „Werforscht was“, bestehend aus 600 Informa-tionsseiten (sowie nochmals 600 in eng-lischer Sprache). Kurz und knapp ist dort, wie der Nameschon sagt, zu erfahren, wer was forscht,mit welcher Ausstattung und welchen Er-gebnissen – über Links, also durch eineneinzigen Klick mit der Maustaste, gelangtman zu Forschungsberichten und Ver-öffentlichungen. „Natürlich gibt es Such-maschinen im Internet, die einen auchirgendwann dorthin führen würden, abermit dieser Datenbank kann man sich un-nötigen Ballast sparen und kommt mitzwei, drei Klicks aus“, sagt Roland Krause.Gestaltet ist die Datenbank wie ein Baum.Von den tragenden Ästen gelangt man zueinzelnen Zweigen. Eine hierarchischeGliederung mit einer hohen Detailtiefe.Auch eine Volltextsuche ist möglich. Da-durch sollen alle potenziellen Nutzerschnell das finden, was sie suchen. ZurZielgruppe zählen vor allem Wissenschaft-ler, Wirtschafts- und Medienvertreter.

Die Erfassung der Informationen ermög-licht durch Verknüpfung mit anderen Da-ten weitergehende Verwendungen. So etwafür die Lagepläne, mit deren Hilfe derunkundige Internetnutzer die von ihm ge-suchte Einrichtung lokalisieren kann.Nicht zu reden von der Nutzung als Adress-

datenbank und E-Mail-Verteiler. DieMehrfachnutzung der Daten ist ein er-wünschter Nebeneffekt, „ein Mehrwert“,so Roland Krause, „Synergieeffekt“ wür-den es sicher manche nennen. Die Neuheiten im Netz werden bereits jetztgut angenommen. Aber natürlich gibt esauch die ein oder andere E-Mail mit kri-tischen Anmerkungen. So wurde bereitsbemängelt, dass die Zuordnung zu Fach-gebieten nicht unbedingt dem Verständnisbzw. der Fächerordnung der Universitätentspricht. „Das stimmt“, bestätigt RolandKrause. „Die Zuordnung wurde analog zuder im idw (Informationsdienst Wissen-schaft, d. Red.) vorgenommen, um dieJournalisten, die einen wichtigen Teil derZielgruppe bilden, nicht zu verwirren.“Dabei wird es also erst mal bleiben. Einanderes Problem wird bald ausgemerzt: Inder Veranstaltungsdatenbank, die von denVeranstaltern selbst gefüllt wird, werdenderzeit auch Datenfelder angezeigt, die garnicht ausgefüllt wurden. Das sieht dannbeispielsweise so aus: „Weitere Informa-tionen: keine Angabe“. Weitere kritischeBemerkungen und Vorschläge werden zur-zeit gesammelt und ausgewertet.Zudem wird in diesem Jahr noch eineNeuerung weiterentwickelt, die ebenfallsbereits online ist, jedoch noch in den Kin-derschuhen steckt. Sie trägt den Namen„Studieren“. Unter diesem Titel sind erst-mals Informationen zu allen grundständi-gen Studiengängen abrufbar. Als Grund-lage diente die Broschüre „Studiengängevon A bis Z“.Die technische Umsetzung aller Neuerun-gen übernahm übrigens Thomas Richter,der seit Jahresanfang das Sachgebiet Öf-fentlichkeitsarbeit leitet. „Nur durch ihnwar das alles überhaupt möglich“, lobt For-schungskontaktstellenleiter Krause. Wieanspruchsvoll eine solche Aufgabe ist, lässtfolgendes Zitat aus einer Produktbeschrei-bung eines bekannten amerikanischenSoftware-Herstellers erahnen, die im Inter-net kolportiert wird: „Beim Anlegen einerDatenbank fallen nur wenige einfacheSchritte an.“

UniVersum

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Datenbanken mit MehrwertInformationen im Internet auf neue Basis gestelltVon Carsten Heckmann

Die Internetadressen:www.uni-leipzig.de/veranstaltungenwww.uni-leipzig.de/forschenwww.uni-leipzig.de/lageplanwww.uni-leipzig.de/studieren

Die Forschungsdatenbank mit ihrerhierarchischen Baumstruktur (oben)und ein Beispiel aus der Datenbankder Lagepläne (unten).

Screenshots: Thomas Richter

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OffenerBriefSitzung desSenats am 12.November ’021. Der Senat befasste sich mit Berufungs-angelegenheiten; im einzelnen betraf dasAusschreibung und Berufungskommissionfür „Empirische Wirtschaftsforschung/Ökonometrie“ (C4/Nachfolge von Prof.Wagner), „Betriebswirtschaftslehre, insbe-sondere Finanzierung und Investition“(C4/Nachfolge von Prof. Hielscher), „Er-nährungsphysiologie“ an der Veterinärme-dizinischen Fakultät (C3) und Berufungs-kommission für „Biochemie/Molekular-biologie“ (C4); Berufungsvorschläge für„Theaterwissenschaft“ (C4) und „Moleku-lare Toxikologie“ (C3). Der Senat stimmtedem Antrag der Fakultät für Biowissen-schaften, Pharmazie und Psychologie,Prof. Dr. Dieter Strack zum Honorarpro-fessor für „Pharmazeutische Biotechnolo-gie“ zu bestellen, ebenso zu wie den An-trägen der Medizinischen Fakultät, PD Dr.Helmut Witzigmann und PD Dr. Lutz Uha-rek das Recht zur Führung der Bezeich-nung „außerplanmäßiger Professor“ zuverleihen.2. Der Senat wählte Rektor Prof. Dr. Vol-ker Bigl (qua Amt) und Prof. Dr. Dieter Mi-chel (Physik) als Vertreter der Gruppe derHochschullehrer der Universität Leipzig zuMitgliedern im Verwaltungsrat des Studen-tenwerkes Leipzig.3. Der Senat diskutierte über das Stellen-kürzungskonzept der Universität Leipzig.Kritik von Senatoren auf einen entspre-chenden Brief des Rektoratskollegiums andie Fakultäten, es seien Sachargumentenicht berücksichtigt worden, begegnete derRektor mit dem Hinweis, dass es sich hier-bei um Empfehlungen und nicht um einDogma handele. Allerdings müsse an denden Fakultäten auferlegten Zahlen für diezu streichenden Stellen festgehalten wer-den und die Profilbildung dürfe nicht be-einträchtigt werden. Die Gespräche gingenweiter und müssten jetzt auch dort konkretwerden, wo Fakultäten ihrerseits noch

keine Stellen für eine Streichung benannthaben. Die Diskussion verdeutlichte, dassmit dem Stellenabbau die innere Substanzder Universität angegriffen wird. Immerweiter steigende Studentenzahlen könnenur noch mit einer drastischen Zunahmevon Eignungsprüfungen und einem flä-chendeckenden Numerus clausus begegnetwerden. Wenn dadurch viele junge Men-schen von einem Studium ausgeschlossenund damit Entscheidungen zuungunstender jungen Generation getroffen werden,dann habe das die Staatsregierung zu ver-antworten. Wenn weitere Stellenkürzungenüber das Jahr 2004 hinaus verfügt und vomLandtag beschlossen würden, sehe sich dieUniversität vor unlösbare Probleme ge-stellt.4. In Sorge, dass sich die Neugestaltungdes Universitätskomplexes am Augustus-platz verzögert, wodurch aber die Zu-kunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Uni-versität gefährdet würde, unterbreitete derRektor dem Senat den Entwurf eines Offe-nen Briefes an den Ministerpräsidenten desFreistaates Sachen. Darin wird unter-strichen: „Leider bergen die nicht endenwollenden Auseinandersetzungen um dasBauprogramm und die architektonischeGestaltung der Gebäude am Augustusplatz– oftmals unzulässig verkürzt auf die Fragedes Wiederaufbaus der Universitätskirche– die Gefahr in sich, dass das eigentlicheAnliegen der Universität zu wenig beach-tet wird: Der Universität geht es zunächstund vor allem darum, dass die unzurei-chenden und zum Teil kaum noch zumut-baren Arbeits- und Studienbedingungenam traditionellen Standort grundlegendverbessert werden.“ In dem Brief wird dieErwartung ausgedrückt, dass die Architek-ten des von der Jury einstimmig für dieRealisierung der Wettbewerbsaufgabe aus-gewählten Entwurfs nunmehr unverzüglichmit der detaillierten Abstimmung ihresEntwurfs mit den Nutzern und der entspre-chenden Überarbeitung beauftragt werden.In dieser Überarbeitungsphase könntenauch noch in strittigen Punkten verbesserteLösungen gefunden werden. Abschließendheißt es: „Für dieses für die Zukunft vonUniversität und Stadt gleichermaßen wich-tige Vorhaben bedarf es jetzt nur noch derbaldigen Entscheidung des Bauherren –der Sächsischen Staatsregierung. Damitwürde sichergestellt werden, dass die Stu-dierenden, Lehrenden und Forschenden derUniversität so schnell wie möglich überanspruchsvolle, funktionsgerechte neueGebäude verfügen könnten, wie sie dem

traditionsreichen und neu aufstrebendenWissenschaftsstandort Leipzig angemes-sen sind.“ Der Senat stimmte – bei einerGegenstimme und drei Enthaltungen –dem Entwurf nach Diskussion und margi-nalen Änderungsvorschlägen zu, so dass erals „Offener Brief des AkademischenSenats“ an den Ministerpräsidenten unddie Öffentlichkeit herausgegeben werdenkonnte.5. Der Senat beschloss die Einrichtungeines postgradualen Aufbaustudienganges„Liturgiewissenschaft“, der an den Theolo-gischen Fakultäten in Erfurt, Halle, Jenaund Leipzig angeboten werden soll. Dieorganisatorische Federführung liegt amLiturgiewissenschaftlichen Institut derUniversität Leipzig.6. Der Prorektor für Forschung und wis-senschaftlichen Nachwuchs informierteden Senat über die von der DeutschenForschungsgemeinschaft vorgenommeneNeuausrichtung ihrer Promotionsförde-rung im Programm „Graduiertenkollegs“ab 1. April 2003. Der Entwurf des neuenLeitfadens für die Antragstellung ist zufinden unterwww.dfg.de/forschungsfoerderung/koordinierte_programme/graduiertenkollegs.7. Der Senat nimmt die vorgeschlageneÄnderung der Zusammensetzung der Gra-duiertenkommission zustimmend zurKenntnis. Frau Prof. Dr. Maria Huber wirdFrau Prof. Dr. Sigrid Meuschel ablösen,und Frau Dr. Monika Benedix übernimmtvon Frau Dr. Ilse Nagelschmidt die Funk-tion der Gleichstellungsbeauftragten in derGraduiertenkommission.

ZeitpläneSitzung desSenats am10. Dezember ’021. Der erstmals nach den Wahlen in kom-plett neuer Zusammensetzung tagende Se-nat behandelte eingangs Berufungsangele-genheiten; im einzelnen betraf das Aus-schreibung und Berufungskommission für

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„Europarecht, Völkerrecht, ÖffentlichesRecht“ (C4/Nachfolge Prof. Geiger) undAusschreibung für „Biochemie/Moleku-larbiologie“ (C4), Berufungsvorschlägefür „Umweltmikrobiologie“ (C4/gemein-same Berufung mit dem Umweltfor-schungszentrum), „Organische Chemie/Heterocyclenchemie“ (C4), „Epidemiolo-gie“ (C3) an der VeterinärmedizinischenFakultät. Der Senat nahm von den Beset-zungsvorschlägen für sieben Juniorpro-fessuren – „Funktionelle Neuroanatomie“an der Veterinärmedizinischen Fakultät,„Werkstoffe im Bauwesen“, „Geometri-sche Analysis“, „Numerik partieller Diffe-rentialgleichungen“, „Europäische Raum-ordnung und Raumplanung“, „Verkehrs-geographie mit dem Schwerpunkt Nach-haltige Mobilität in urbanen Land-schaften“, „Molekulare Virologie“ an derVeterinärmedizinischen Fakultät – Kennt-nis. Der Senat nahm den Antrag der Fakul-tät für Biowissenschaften, Pharmazie undPsychologie, Frau Dozentin Dr. ErdmuteSommerfeld das Recht zur Führung derBezeichnung „außerplanmäßige Professo-rin“ zu verleihen, zustimmend zur Kennt-nis.2. Der Senat stimmte, nachdem nunmehrgutachterliche Expertisen und eine Befür-wortung durch die beteiligten Fakultätenvorliegt, der Gründung eines Zentrums fürToxikologie als einer Zentralen Einrich-tung der Universität zu und genehmigtedessen Ordnung. Zuvor hatte Prof. Dr. Pe-ter Illes, Direktor des Rudolf-Boehm-Insti-tuts für Pharmakologie und Toxikologie,die mit der Zentrumsgründung verbun-denen Vorstellungen und Anliegen er-läutert.m3. Der Senat stimmte der Vorlage der Pro-rektorin für Lehre und Studium zu, dass dieGroßen Lehrberichte für das AkademischeJahr 2002/03 für die Fächer Mathematikund Informatik, Germanistik und Erzie-hungswissenschaft durch die entsprechen-den Fakultäten erstellt werden. Gleich-zeitig wird für diese Fächer eine externeLehrevaluation im Rahmen der Universi-tätspartnerschaft Halle-Jena-Leipzig durch-geführt.4. Der Senat beschloss die Studienord-nungen für das Graduiertenstudium an derErziehungswissenschaftlichen Fakultät,der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultätund der Fakultät für Mathematik und In-formatik.5. Der Senat stimmte dem vom Kanzler,zugleich Wahlleiter, vorgelegten Verfahrenund Ablaufplan für die Wahl des Rektors

und der Prorektoren im Wintersemester2003/04 zu. Danach wird der Ablauf durchfolgende Schritte bestimmt: 1. Einreichungder Einzelwahlvorschläge beim Wahlleiter(bis Mitte Juni 2003). 2. In der Juli-Sitzungbestimmt der Senat aus diesen Vorschlägenden Wahlvorschlag des Senats, der dreiKandidaten enthalten kann. 3. DieserWahlvorschlag wird hochschulöffentlichgemacht. 4. Zur Vorstellung der vom Senatbestätigten Kandidaten kann ein Sonder-konzil im Oktober 2003 einberufen wer-den. 5. Durchführung der Wahl des Rektorsund der Prorektoren auf dem Wahl-KonzilAnfang November 2003. 6. Amtsantritt derGewählten am 2. Dezember 2003.6. Der Senat nahm den Zeitplan für dasAkademische Jahr 2003/04 zustimmendzur Kenntnis. Danach liegen die Lehr-veranstaltungen des Wintersemesters imZeitraum 13. 10. 03 bis 7. 2. 04 und die des Sommersemesters vom 5. 4. 04 bis24. 7. 04. Die Immatrikulationsfeier findetam 16. 10. 03 statt. Vorlesungsfreie Zeit-räume liegen zwischen 21. 12. 03 und4. 1. 04, 9. 4. und 12. 4. 04 sowie 29. 5. 04und 6. 6. 04.7. Der Senat wählte die Ombudspersonenund die Mitglieder der ständigen Kommis-sion der Universität Leipzig zur Untersu-chung von Vorwürfen wissenschaftlichenFehlverhaltens. Ombudsperson ist Prof.Dr. Jörg Kärger, Stellvertreterin Frau Prof.Dr. Angelika Hoffmann-Maxis; Vorsitzen-der der Kommission ist Prof. Dr. FranzHäuser, Mitglieder sind Prof. Dr. HelmutPapp als Prorektor für Forschung undwissenschaftlichen Nachwuchs, Prof. Dr.Franz Jacobs als Vertrauensdozent derDFG, Prof. Dr. Rolf Hasse, Dr. MarlisGrunow und Silvio Kirsten.8. Der Senat bestimmte sich folgende Sit-zungstermine für das Kalenderjahr 2003:14. Januar, 11. Februar, 11. März, 8. April,13. Mai. 3. Juni, 15. Juli, 9. September, 14. Oktober, 11. November, 9. Dezem-ber.m9. Der Senat gab seine Zustimmung zueiner Veränderung in der Zusammenset-zung der Graduiertenkommission. Frau Dr.Ingrid Hesse (Erziehungswissenschaft-liche Fakultät) tritt an die Stelle von Prof.Dr. Franz Stachowiak.

Prof. Dr. V. Bigl V. SchulteRektor Pressesprecher

Gremien

8 journal

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Die Farbe derGötterSchon die altenÄgypter warenhervorragendeChemiker – und stellten amliebsten Blau herVon Dr. Bärbel Adams

2003 ist das Jahr der Chemie. Nach denLebenswissen- und Geowissenschaftensoll nun die Arbeit der Chemiker besondersgewürdigt werden. Gleich zu Jahresanfangzog die Fakultät für Chemie und Mineralo-gie das Interesse auf sich – beziehungs-weise auf ihren Gast Prof. Heinz Berkevom Anorganisch-chemischen Institut derUniversität Zürich. Berke hat Spannendeszu erzählen zum Thema „Die Erfindungvon blauen und purpurnen Farbpigmen-ten“.

Den Forscher fasziniert, wie erfinderischdie Menschen bereits in sehr frühen Kultu-ren in der Herstellung von Farben waren.Eine Farbe wurde besonders hoch ge-schätzt: Die Farbe „blau“ – die Farbe derKönige und Götter. Es war keine der rela-tiv leicht erhältlichen Erdfarben, sonderndie Blaupigmente waren nur über kompli-zierte Syntheseverfahren zu gewinnen.Allein eine konstante Ofentemperatur von800 bis 900 Grad Celsius (Ägyptisch Blau)bzw. 1000 Grad Celsius (Chinesisch Blau)über längere Zeit aufrecht zu erhalten, unddas ohne Thermometer, war eine Leistung.Kein Wunder, dass die blauen Farbpig-mente so wertvoll waren. Schon vor über 5000 Jahren konnte manblaue Farbpigmente herstellen. „Spureneines als Ägyptisch Blau bezeichnetenCalcium-Kupfer-Silicates finden sich z. B.an einem Olivenölbehälter aus der Zeit um3600 v. Chr.,“ so Berke. Auch der Kroneder Nofretete sowie unzähligen anderenantiken Kunstobjekten verlieh ÄgyptischBlau ihre Farbe. Die Zusammensetzungvon Ägyptisch Blau blieb über einen Zeit-raum von ca. 4 000 Jahren relativ konstantwie Proben belegen. Offenbar wurde dieNotwendigkeit bestimmter Mengenver-hältnisse der Ausgangsstoffe bereits sehrfrüh erkannt. Auch im antiken China begegnete mandem Blau-Mangel mit ausgeklügelter Che-mie. Die chinesischen Blaupigmente sindchemisch eng verwandt mit ÄgyptischBlau, enthalten jedoch Barium statt Cal-cium. „Chinesisch Blau“ und „ChinesischPurpur“ finden sich etwa in der Bemalungder Terracotta-Armee. Berke: „EinigeDatierungen gehen zurück bis etwa 500 v. Chr.“ Die Herstellung der chinesischen Pigmentewar deutlich schwieriger als die der ägyp-tischen. Das größte Problem: Nur be-stimmte, sehr seltene Barium-Mineralienlieferten zufrieden stellende Resultate. Diefrühen chinesischen Chemiker kamen aberauf einen genialen Trick: Sie verwendetendas zwar ungeeignete, aber häufig vor-kommende Baryt – unter Zusatz von Blei-salzen. Die Bleisalze wirken als Katalysa-tor und setzen Baryt zu einer wirksamenBariumverbindung um. Sollten sich beide so ähnlichen Pigment-synthesen völlig unabhängig voneinanderentwickelt haben? Berke hält einen „Tech-nologietransfer“ auch aufgrund der chemi-schen Verwandtschaft für plausibler: Dasägyptische Know-how könnte sich entlangder Seidenstraße bis nach China verbreitet

haben. Darauf aufbauend könnte die chi-nesische Variante entwickelt wordensein.mDort wurde durch den Ersatz von Calciumdurch Barium und die Verwendung anderermineralischer Ausgangsstoffe eine weiterechemische Entwicklung ausgelöst. DasChinesisch Blau, ein Barium-Kupfer-Sili-kat, hat im Vergleich zum Ägyptisch Blautechnologische Vorteile. Zudem lässt sichseine Rezeptur leicht in ein violettes Pig-ment, Chinesisch Purpur genannt, abwan-deln. Mischungen aus Chinesisch Blau undPurpur sind zu allen Anteilen möglich, sodass der antiken Malerei in China alleSchattierungen zwischen Blau und Purpurzur Verfügung standen. Die Informationen zur Herstellung vonÄgyptisch Blau gingen unter den Römernetwa 600 n. Chr. verloren. Dennoch sinddiese Pigmente ein eindrucksvolles Bei-spiel für chemisches „High-Tech“, das vonfrühen Zivilisationen aufgrund eines Be-darfs und basierend auf einem hohen wis-senschaftlichen Stand hervorgebrachtwurde. Prof. Joachim Sieler von der Leipziger Fa-kultät für Chemie und Mineralogie, Vorsit-zender des Ortsverbandes Leipzig der Ge-sellschaft Deutscher Chemiker, zeigte sichangetan von Berkes Ausführungen. Sie hät-ten dem entscheidenden Ziel gute Dienstegeleistet, nämlich „den Dialog zwischenWissenschaftlern und interessierter Öffent-lichkeit als traditionellem Anliegen derthemenbezogenen Jahre zu fördern.“

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Ein ägyptisches Amulett in Königsblau.Quelle: Prof. Sieler

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Über viele Jahrzehnte hinweg stellt dasLichtmikroskop sowohl in der Mineralogieals auch in der Festkörperphysik ein un-entbehrliches Hilfsmittel zur Untersu-chung des Mikrokosmos dar. Das wirdauch weiterhin so sein. Die Auflösungs-grenze des optischen Mikroskops, das imwesentlichen durch die Wellenlänge deszur Abbildung benutzten Lichtes (sichtba-rer Spektralbereich: 0,4 bis 0,8 m) gegebenist, liegt bei ca. 0,2 m. Dieses Auflösungsvermögen reicht aber imheutigen Zeitalter der Nanotechnologie beiweitem nicht mehr aus, um Informationenüber den atomaren Aufbau von Festkör-pern zu erhalten. Bedingt durch das we-sentlich bessere Auflösungsvermögen vonDurchstrahlungs- bzw. Transmissionselek-tronenmikroskopen (TEM-transmissionelectron microscope), das um den Faktor1000 besser ist, sind in den vergangenenJahren Elektronenmikroskope entwickeltworden, die das Sichtbarmachen von Kris-tallstrukturen und auch deren Störungenim atomaren Bereich ermöglichen. Ausnahmefälle sind auch heute noch dieextrem kostenintensiven Höchstspan-nungsmikroskope (1000- bzw. 1250-Kilo-elektronenvolt), die eine Auflösung von0,18 nm bzw. 0,105 nm erreichen. Einer-seits bewirkt die Erhöhung der Beschleu-nigungsspannung die für die Verbesserungdes Auflösungsvermögens notwendigeVerringerung der Wellenlänge. Anderer-seits können größere Dicken durchstrahltwerden, was repräsentativere Aussagenüber die Probeneigenschaften zulässt. EinNachteil dieser extrem hohen Beschleuni-gungsspannungen ist allerdings, dassStrahlenschäden innerhalb der Probe ent-stehen können. Deshalb ist man im allge-meinen bestrebt, sog. Mittelspannungsge-räte (200 bis 400 keV) zu betreiben, dieauch kostengünstiger sind.Während 100 keV- und 120 keV-Gerätevorzugsweise in der biologischen For-schung Anwendung finden, sind in derFestkörperphysik Mikroskope mit Be-schleunigungsspannungen ab 200 keV üb-lich. Seit dem Herbst des Jahres 1994verfügt auch das Institut für Mineralogie,

Kristallographie und Materialwissenschaft(IMKM) der Uni Leipzig über ein Durch-strahlungsmikroskop vom Typ Philips CM200. Das Gerät gewährleistet im Routine-betrieb eine Punktauflösung von 0.23 nm.Folglich konnten ab Herbst 1994 Unter-suchungen mit „atomarer“ Auflösung be-ginnen, die sich in den Folgejahren auchweiterhin auf Halbleiter konzentrierten.Um festzustellen, wann unerwünschteKristallstörungen erzeugt werden und wiediese sich ausbreiten, sind TEM- bzw.HRTEM-Untersuchungen die geeignetstenMittel (HRTEM- high resolution TEM).Das trifft auch auf die seit 1994 am IMKMim Mittelpunkt der Forschung stehendenHalbleitermaterialien mit Chalkopyrit-struktur zu, die als Absorbermaterialien inSolarzellen Anwendung finden sollen. Zielist, den Defektgehalt dieser Materialiendeutlich zu senken, um deren Anwendbar-keit in der Praxis zu ermöglichen. Dazu er-weisen sich elektronenmikroskopischeUntersuchungen als äußerst hilfreich.Manche Störungen sind zum Teil nicht zuverhindern. Dann müssen die Entstehungs-bedingungen und Bildungsmechanismenaufgeklärt werden, wozu sich das instal-lierte Mikroskop ausgezeichnet eignet.Das Gerät ist ebenfalls für die Beugung mitkonvergentem Strahl ausgelegt, d. h. dereinfallende Elektronenstrahl kann so ge-

bündelt werden (Durchmesser wenige nm),dass nur wenige Elementarzellen von ihmerfasst werden und Beugungsinforma-tionen liefern. Somit ist eine hohe lokaleAuflösung gegeben. Dieses trifft auch aufdas im Juli 2002 an das TEM adaptierteEDX-Analysesystem (EDX-energy disper-sive analysis of X-rays) zu. Mit dessenHilfe können chemische Analysen vonProbenbereichen erhalten werden, die nurwenige Kubiknanometer umfassen. Che-mische Analysen mit derartig extremerörtlicher Auflösung sind u. a. bei Unter-suchungen in Hinblick auf Mischkristall-bildung und Entmischungen unentbehr-lich. Derartige Untersuchungen erfolgenu. a. auch innerhalb eines Teilprojekts, dasneben 13 anderen durch das BMBF imRahmen der Innovationsinitiative „INNO-CIS“ gefördert wird. Ziel ist, kostengüns-tige und effizientere flexible Solarzellen zuentwickeln. Die Solarion GmbH Leipzigist Initiator dieser Initiative und hat auchdie Koordinierung übernommen. Aber nicht nur Halbleitermaterialien, die inder Optoelektronik oder Photovoltaik An-wendung finden, werden am IMKM trans-missionselektronenmikroskopisch in Hin-blick auf ihre Struktur, Defekte und che-mische Zusammensetzung untersucht. EinTeil der Aktivitäten entfällt auch auf natür-liche Minerale und Zementzuschlagstoffe,die ebenfalls Forschungsgegenstand amIMKM sind. Mit der Installation des Philips CM 200-Durchstrahlungselektronenmikroskops istden Wissenschaftlern des IMKM ein In-strument in die Hände gegeben worden,das im Raum Leipzig in Hinblick auf dieUntersuchung der Struktur von Festkör-pern und deren chemischer Zusammenset-zung mit einem bis zur atomaren Dimen-sion hinab reichenden Auflösungsvermö-gen einzigartig ist. Die Komplettierung desBasisgeräts mit dem EDX-Zusatz wird sichbelebend auf die bereits existierende inter-disziplinäre Zusammenarbeit mit den Fa-kultäten für Chemie und Physik sowie mitdem Institut für Oberflächenmodifizierung(IOM) Leipzig und der Solarion GmbHLeipzig auswirken.

Forschung

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Atomare Auflösung Arbeiten mit dem ElektronenmikroskopVon PD Dr. Gerald Wagner und Prof. Dr. Klaus Bente, Institut für Mineralogie, Kristallographie und Materialwissenschaft

Das 200 keV-Durchstrahlungsmikros-kop mit EDX-Detektor, TV-System, Ana-lyse- und Bildverarbeitungssystem.

Foto: E. Stern

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In diesem Jahr wird unter Leitung von Prof.Arendt ein EU-gefördertes Verbundprojektseine Arbeit aufnehmen, das die Zu-sammenarbeit mit Polen als EU-Beitritts-kandidaten einschließt. Gleichzeitig wer-den deutschlandweit drei von sieben For-schungsprojekten von der Alzheimer For-schung Initiative e.V. gefördert, die inLeipzig angesiedelt sind. Es handelt sichdabei um Projekte von Prof. ThomasArendt, Paul-Flechsig-Institut für Hirnfor-schung, Prof. Hermann-Josef Gertz, Klinikund Poliklinik für Psychiatrie, und PD Dr.Gerald Münch, Interdisziplinäres Zentrumfür Klinische Forschung, alle UniversitätLeipzig. Die geförderten Projekte haben das bessereVerständnis von Mechanismen des neuro-nalen Zelltodes sowie Methoden der Früh-erkennung der Alzheimer-Erkrankung zumGegenstand und sollen damit mittelfristigVoraussetzungen für neue therapeutischeStrategien schaffen. Zwei Vorhaben sindzudem deutsch-niederländische Gemein-schaftsprojekte mit den Professoren PhilipScheltens bzw. Piet Eikelenboom von derUniversität Amsterdam. Arendt geht seit rund 20 Jahren der Gret-chenfrage der Alzheimer-Forschung nach„Warum sterben die Zellen ab?“ Bekannt-lich „schrumpft“ bei der AlzheimerschenErkrankung das Gehirn, indem die Fur-

chung sich vergröbert. Das geht zurück aufein Absterben der Nervenzellen und ihrerneuronalen Fortsätze. „Wenn es uns ge-lingt, den Nervenzelltod zu verhindern“,erklärt Prof. Arendt, „könnte das Fort-schreiten der Alzheimerschen Erkrankungaufgehalten werden.“ Dazu müssen die Forscher den Ursachenauf den Grund gehen. Die Basis dafürkönnte eine Entdeckung von ThomasArendt sein, die er 1986 gemacht hat unddie ihm bereits 1987 einen Aufenthalt inGroßbritannien verschaffte. Er fand imGehirn von Alzheimer-Kranken nicht nurweniger Nervenzellen als im Gehirn vonGesunden, sondern er entdeckte neue Fort-sätze an den übriggebliebenen Nervenzel-len. Damit war der Grundstein für die For-schung der jetzigen Arbeitsgruppe umProf. Arendt am Paul-Flechsig-Institut fürHirnforschung gelegt. Arendt vermutet, dass die Veränderung desGehirns bei Alzheimer in der Evolution desMenschen begründet ist. Die Degenerationtritt in solchen Regionen auf, die entwick-lungsgeschichtlich relativ jung sind. „DerMensch ist offenbar nicht dafür gebaut,wesentlich älter als 40 Jahre zu werden“,meint Arendt. „Die Natur verwendet fürNervenzellen Material, das phylogenetischfür etwas anderes gedacht war.“ Jeder Zell-verband kann sich durch Zellteilung selbst

generieren. Für die Nervenzellen würdedas aber zu viele negative Effekte mit sichbringen. Deshalb hat die Natur einenSchutzmechanismus entwickelt, der dasverhindert. Die Teilung von Neuronenbleibt unvollständig und die Zelle stirbt ab(Apoptose). „Das könnte die spezifischeAntwort der Nervenzelle auf die Krebsent-artung anderer Zellarten sein.“, so Arendt. Arendt untersucht nun, welche Mechanis-men für den Zelltod bei Alzheimer verant-wortlich sind und wie man die Apoptoseverhindern bzw. verzögern kann. Gleich-zeitig sucht er nach Markern für eine früh-zeitige Erkennung der Alzheimerschen Er-krankung. Ziel der Forschungsarbeiten vonArendt, Gertz und Münch ist es, mittel-fristig neue Strategien für die Diagnoseund Behandlung der Alzheimerschen Er-krankung zu schaffen. Die Arbeiten setzendamit Untersuchungen fort, die im Rah-men eines von Arendt geleiteten Europäi-schen Forschungsverbundes in Zusam-menarbeit mit sechs weiteren Länderndurchgeführt werden.Prof. Arendt wurde außerdem als Mitgliedin das Scientific Advisory Board der Alz-heimer Initiative e.V. gewählt.

Informationen im Internet unter:www.uni-leipzig.de/~izkf/html/teilprojekt_c_1.htm

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Forschung

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Links ein gesundes Gehirn, rechts ein von der Alzheimerschen Erkrankung betrof-fenes. Foto: Thomas Arendt

Alzheimerfrüh erkennen Förderung für drei Projekte Von Dr. Bärbel Adams

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Die Osterweiterung der EU im Jahr 2004ist beschlossen. Die Wirkungen des Bei-tritts der acht mittel- und osteuropäischenLänder werden Europas politische undwirtschaftliche Entwicklung prägen. Diemöglichen Folgen für die Arbeitsmärktewurden bisher vorrangig unter dem Blick-winkel möglicher Zuwanderungsströmevon Arbeitskräften in die jetzigen EU-15behandelt. Erstaunlicherweise wurde dieEntwicklung der Arbeitsmärkte in den Bei-trittsländern kaum beachtet. Die Prognosenüber mögliche Migrationen betonen zwarderen Abhängigkeit von der Arbeitsmarkt-entwicklung in den Herkunftsländern derMigranten. Dennoch werden für die Be-rechnung der Migration in der Regel Mo-delle verwendet, in denen neben den Dif-ferenzen der Lohnsätze und Sozialleistun-gen dominierend die Dynamik des Wirt-schaftswachstums als Indikator für dieEntwicklung des jeweiligen Arbeitsmark-tes dient. Die hierbei unterstellte durchgängig posi-tive Relation zwischen Wirtschaftswachs-tum und Beschäftigung wird durch dieaktuellen Befunde zur Arbeitsmarktent-wicklung in Mittel- und Osteuropa (MOE)allerdings nicht bestätigt. Aus dieser Pro-blemlage ergibt sich eine Reihe von Fra-gen, die für die Integration der MOE-Län-der nach ihrem Beitritt von großer Bedeu-tung sind. Denn die Risiken, die sich auseiner kritischen Entwicklung der Arbeits-märkte in den MOE-Ländern ergeben, lie-gen auf der Hand: Da in den mittel- undosteuropäischen Ländern die privaten Er-sparnisse gering und die sozialen Unter-

stützungssysteme eher schwach entwickeltsind, ist die Bevölkerung auf Erwerbsarbeitangewiesen. Wenn es nicht gelingt, ein aus-reichend hohes Maß an Beschäftigung zusichern, können schwerwiegende Störun-gen des Integrationsprozesses in die EU dieFolge sein. Das ZIW hat daher ein Forschungsprojektzur Arbeitsmarktentwicklung in MOE undzu den Arbeitsmarkt-Folgen der EU-Oster-weiterung begonnen, das gemeinsam mitWissenschaftlern verschiedener Diszipli-nen der Leipziger Universität, Wissen-schaftlern Mittel- und Osteuropa-orientier-ter Forschungseinrichtungen in Deutsch-land und Wissenschaftlern aus den Bei-trittsländern selbst erarbeitet wird. In derersten Arbeitsphase standen dabei Unter-suchungen zu den Arbeitsmärkten der ein-zelnen Länder in Verbindung mit der ge-samtwirtschaftlichen Entwicklung imMittelpunkt. Nach Überwindung der Anpassungskrise,die in den betroffenen Ländern mit einerUmstellung der Arbeitsmärkte und einemraschen Anwachsen der Arbeitslosenzah-len einher ging, bewegt sich die Arbeits-losigkeit bei Raten um 10%, teilweise er-heblich darüber. Während das Wirtschafts-wachstum bis Mitte der neunziger Jahreüberwiegend auf der Ausnutzung vorhan-dener Kapazitäten basierte, wurden ab un-gefähr 1995 im Zuge des Privatisierungs-und Restrukturierungsprozesses, vor allemmit Hilfe ausländischer Direktinvestitio-nen deutliche Produktivitätssteigerungenrealisiert, die mit einem Arbeitskräfteab-bau einher gehen. Erstaunlicherweise bietet die derzeitige Ar-beitsmarktentwicklung in MOE trotz ähn-licher Ausgangslage am Beginn der 90erJahre und vergleichbarer Transformations-aufgaben ein sehr heterogenes Bild: Wäh-rend sich in einigen Ländern, besonders inEstland, Tschechien und Rumänien, die ver-gleichsweise hohen Beschäftigungsquotenerhalten haben, sind sie in anderen Ländern

deutlich gesunken. Zwar liegen die Be-schäftigungsquoten im Durchschnittweiterhin über dem Durchschnittswert derEU. Die Arbeitslosenquoten differieren je-doch innerhalb der MOE-Ländergruppestark. Zu den Ländern mit niedriger Ar-beitslosenquote (2000 unter 10%) zählenUngarn, Rumänien und Tschechien, derenProduktivitätsentwicklung innerhalb derLändergruppe deutlich zurückgeblieben ist.Die auffallend unterschiedliche Entwick-lung der Arbeitsmärkte in den Transforma-tionsländern die offenbar nicht direkt mitdem Wirtschaftswachstum und der Produk-tivität korreliert, ruft nach Erklärungen.Da die demographische Situation in denbetrachteten Ländern ähnliche Merkmaleaufweist, kommen als Erklärungsansätzefür die unterschiedlichen Entwicklungenneben kulturellen Besonderheiten vorallem strukturelle Unterschiede der Volks-wirtschaften in Betracht. Dabei reicht esnicht aus, die Entwicklung der Arbeits-märkte seit 1990 als bloßes Transforma-tionsproblem zu betrachten, sondern dieArbeitsmärkte müssen zugleich als Teil desProzesses der Internationalisierung vonKapital und Arbeit untersucht werden.Mit der Wiedereingliederung der MOE-Länder in die internationale Wirtschaftstellte sich auch die Frage, welche Positionsie im Prozess der Globalisierung einneh-men werden. Dieser Prozess hat seit den70er Jahren die Arbeitsmärkte in West-europa kräftigen Veränderungen unterwor-fen. Im Gefolge der Verlagerung arbeits-intensiver Güterproduktion, zunehmendDienstleistungen aus den KernländernWesteuropas in Niedriglohnregionen ander Peripherie oder nach Asien sank inWesteuropa seither der Anteil arbeitsinten-siver Branchen und damit das Angebot anniedrigqualifizierten Arbeitsplätzen.Die Indizien nach 1990 sprachen dafür,dass die MOE-Wirtschaften aufgrund ihresniedrigen Lohnniveaus und der geographi-schen Nähe zu Westeuropa mittelfristig zueinem idealen Standort für Industriepro-duktion aus den Kernländern der EU wer-den könnten. Diese Arbeitsteilung hat sichin den einzelnen Ländern in sehr unter-schiedlichem Maß realisiert. Im nächstenSchritt des Projekts wird darum untersucht,auf welche Weise die spezifische Rolle, diedie einzelnen EU-Beitrittsländer in dereuropäischen und internationalen Arbeits-teilung einnehmen, ihren Arbeitsmarkt be-einflusst. Weitere wichtige Themen sindsoziale und rechtliche Aspekte des Wan-dels der Arbeitsmärkte in MOE.

Forschung

journal

Arbeitsmärkte inOsteuropa stabil?Folgen der EU-OsterweiterungVon Prof. Rolf Hasse und Dr. Cornelie Kunze,Zentrum für Internationale Wirtschaftsbeziehungen (ZIW)

Im November ’02 fand an der Universität das16. Leipziger Weltwirtschaftsseminar zumThema Die Arbeitsmärkte der mittel- undosteuropäischen EU-Beitrittsländer imSpannungsfeld von Transformation und Glo-balisierung statt mit Beiträgen des LeipzigerSoziologen Georg Vobruba, des Arbeits-marktexperten Michael Knogler vom Ost-europa-Institut München und mehrerenArbeitsmarktexperten aus Mittel- und Ost-europa. Das Seminar bildete den Auftakt fürein längerfristiges Forschungsprojekt glei-chen Namens, das hier beschrieben ist.

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Stiftung fördertForschung zumultiethnischenRegionenIm Rahmen ihres Förderschwerpunkts„Einheit in der Vielfalt? Grundlagen undVoraussetzungen eines erweiterten Euro-pas“ fördert die VolkswagenStiftung imZeitraum 2003–2006 ein Leipziger For-schungsprojekt über sprachliche Individu-ation in Situationen der Mehrsprachigkeitam Beispiel der nördlichen Bukovina in derUkraine und der Republik Moldau mit biszu 267 500 Euro. Ziel ist es, Aufschlussüber die Spezifik der Identitätsbestim-mung mittels Sprache zu gewinnen. Umein über offizielle Verlautbarungen undhistorische Meistererzählungen hinausge-hendes Verständnis für aktuelle Einstellun-gen zur Sprachproblematik zu gewinnen,werden mittels qualitativer Befragung die„Sprachbiographien“ systematisch erfasstund mit offiziösen Quellen abgeglichen.Das Projekt, das im Rahmen der For-schungsgruppe Europa am Zentrum fürHöherer Studien der Universität Leipzigbetrieben wird, wird von dem RomanistenKlaus Bochmann und dem Osteuropa-historiker Stefan Troebst geleitet.

Befragung:Zeit für Kinder?Im Rahmen einer sozialgeographischenDissertation am Geographischen InstitutHeidelberg will die Diplom-GeographinUte Forster die regionale Ausprägung so-zialer Unterstützungsnetzwerke von Aka-demikern untersuchen. Das Angebot anprivat organisierten und öffentlichen Kin-derbetreuungsmöglichkeiten und derenAuswirkungen auf die Berufs- und Fami-lienplanung stehen im Focus der Untersu-chung. Die Befragung findet im Februarstatt und richtet sich an wissenschaftlicheMitarbeiter der Universitäten Heidelbergund Leipzig. Der Fragebogen kann imInternet online beantwortet werden, dieAdresse der Homepage wird ausgewähltenPersonen in einem persönlichen Anschrei-ben bekannt gegeben. Ute Forster bittet auf diesem Wege um regeBeteiligung. Über die Ergebnisse derUntersuchung wird zu gegebener Zeit imUni-Journal berichtet.

Der Lehrstuhl für Berufs- und Wirtschafts-pädagogik führt umfangreiche For-schungs- und Entwicklungsarbeiten imRahmen des BMBF-Projektes „Interdiszi-plinäres multimediales Programm für uni-versitäre Lehre und selbstorganisiertesLernen zum Thema Electronic Com-merce“ (ImpulsEC) durch. Ziel ist es, einennetzbasierten modularen Lehrgang zu ent-wickeln und in der universitären Lehre ein-zusetzen und zu evaluieren. Die multi-mediale Aufbereitung der Lerninhalte fürden Lehrgang ist eine komplexe Aufgabe,die qualifizierte Fachkräfte für Medien-gestaltung erfordert. An der Leipziger Gutenbergschule werdenu. a. Assistenten für Multimedia in vollzeit-schulischer Form ausgebildet. Um das er-worbene Wissen und Können in Arbeits-kontexten zu erproben und zu erweitern,sind im Rahmen dieses BildungsgangesPraktikumsphasen vorgeschrieben. Auf-grund der aktuellen Wirtschaftslage bestehtjedoch gegenwärtig ein Mangel an Arbeits-plätzen in Unternehmen im Raum Leipzig,die für Praktikanten geeignet sind.Das war der Anlass für eine Initiative vonProf. Dr. Fritz Klauser, dem Leiter desLehrstuhls für Berufs- und Wirtschaftspä-dagogik: Er bot der Schule an, Auszubil-dende während ihres Praktikums aufzu-nehmen, zu betreuen und in die For-schungsarbeit zu integrieren. Die Berufs-schule und die Auszubildenden haben dasAngebot gern angenommen:Seit November arbeiten Aghavni Azizyan,Jasmin Scholz und Yvonne Schulz anmodernen, multimedial ausgestattetenArbeits- und Lernplätzen im Wirtschafts-pädagogischen Lehr-Lern-Studio. Die dreiPraktikantinnen zeigen sich beeindrucktvon der technischen Ausstattung der Bild-schirmarbeitsplätze. Sie sind aber auch mitder angenehmen Atmosphäre im Raum zu-frieden, die Ihnen ein konzentriertes Ar-beiten und Lernen ermöglicht.

Pädagogisch betreut werden sie von denMitarbeiterinnen und Mitarbeitern desLehrstuhls. Als ausgebildete Diplom-Han-delslehrer/-innen und Diplom-Psycholo-gen/-innen sind sie in besonderer Weisedafür qualifiziert, die Auszubildenden an-zuleiten und zu fördern. Die Praktikantinnen entwerfen vor allemGrafiken, Animationen sowie Präsentatio-nen und setzen diese multimedial um.Diese Tätigkeiten sind typisch für die künf-tigen beruflichen Handlungsfelder vonMultimedia-Assistentinnen. Durch die Ar-beitsaufträge wird eine praxisnahe Ausbil-dung sichergestellt und der Erwerb Beruf-licher Handlungskompetenz gefördert.Zudem entsteht ein Nutzen für die For-schung des Lehrstuhls: Die Ergebnisse derArbeits- und Lernprozesse fließen in das E-Learning-Angebot und damit auch in dieakademische Lehre ein.Berufliche Erstausbildung findet zwar invielen Bereichen der Universität statt, wirdaber nur selten mit Forschungsaktivitätenkombiniert. Dass die Verbindung von Be-ruflicher Bildung und universitärer For-schung Synergien freisetzen kann, zeigtdas geschilderte Beispiel. Insofern handeltes sich um ein innovatives Projekt, das imHinblick auf seine Übertragbarkeit auf an-dere Bereiche geprüft werden sollte.

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Forschung

Forschung undAusbildung –Synergien nutzenVon Nils Krah und Karin Wirth,wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Berufs- und Wirtschaftspädagogik

Die Praktikantinnen und der Leiter desLehrstuhls für Berufs- und Wirtschafts-pädagogik, Prof. Dr. Fritz Klauser.

Foto: Nils Krah

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Trotz der umfangreichen Sanierungen derletzten 10 Jahre existiert noch ein großerAnteil des gründerzeitlichen Häuserbe-standes in Leipzig, welcher unsaniert undleerstehend ist. Die Gründe dafür sind vorallem im Bevölkerungsrückgang zu fin-den, der durch Abwanderung, fallende Ge-burtenzahlen und Suburbanisierungspro-zesse verursacht wird. Neben den massivenLeerständen ist seit einigen Jahren aucheine Übersättigung des Marktes mit kon-ventionell sanierten Wohnungen entstan-den. Die Wohnungspreise sind auf ein sehrmieterfreundliches Niveau gesunken,gleichzeitig sind die Ansprüche an Woh-nungsqualitäten enorm gestiegen. Ein gro-ßer Bedarf (und fehlende Angebote) an„anderen“ innerstädtischen Angebotenist feststellbar. Insbesondere das Woh-nen im eigenen Haus ist ein Wunsch, dersich derzeit in der Stadt nur schwer rea-lisieren lässt.In besonderem Maße sind es die Aus-fallstraßen, wie die Karl-Liebknecht-Straße, die Eisenbahnstraße oder die Kä-the-Kollwitz-Straße, die unter den Ver-formungen auf dem Wohnungsmarkt zuleiden haben. Einst waren es die Pracht-straßen der Stadt, heute sind es ver-kehrslärmbelastete Schneisen, in denenverständlicherweise niemand wohnenmöchte. Von vielen Seiten existierttrotzdem der starke Wunsch, diese stadt-bildprägenden Straßensituationen zu er-halten. Doch mit einfachen Sanierungs-strategien ist auch bei einer massivenFörderung kein sinnvolles Wohnungs-produkt zu erreichen. Die Frage stehtalso nach alternativen Nutzungen oder

intelligenten Wohnungskonzepten, die of-fensiv mit den Nachteilen umgehen undgleichzeitig besondere Wohnungen anbie-ten.Kann es gelingen, durch „chirurgische Ein-griffe“ neue Wohnqualitäten und eine ge-ringere Dichte zu erreichen und gleichzei-tig den stadträumlichen Zusammenhangauch in problematischen gründerzeitlichenQuartieren zu erhalten? Eine individualis-tischer werdende Gesellschaft sucht diffe-renzierte Angebote, in denen sich der Ein-zelne wiederfinden kann.Die sinnvolle Nutzung der kulturellen undmateriellen Ressource „Gründerzeitbe-bauung“ steht im Kontext zu dem Bild

einer kompakten und nachhaltigen Stadt.Dabei geht es nicht allein um die Rekon-struktion von vorhandenen Strukturen,sondern um eine prozesshafte Weiterent-wicklung zu Bausteinen einer lebendigenStadt. Es wird nicht in allen Quartierenmöglich sein, die gründerzeitlichen Struk-turen zu erhalten. Neben neuen Nutzungs-konzepten werden auch radikalere Szena-rien wie großflächige Rückbauten das Bildunserer Städte verändern. Auch wenn sichdie Untersuchungen auf Leipzig beziehen,entstehen Ergebnisse, die auf andere Städteübertragbar sind. Das Forschungsprojekt „Neue Wohnkon-zepte im Gründerzeitbestand“ schließt an

mehrere Forschungsarbeiten an, die inden vergangenen Jahren am LehrgebietEntwerfen und Konstruktives Gestaltenzum Umgang mit gründerzeitlicher Bau-substanz bearbeitet wurden. Das aktuelleProjekt wird vom Bundesamt für Bau-wesen und Raumordnung gefördert undvom Amt für Stadterneuerung und Woh-nungsbauförderung der Stadt Leipzig ineiner Kooperation unterstützt. Ziel der Forschungsarbeit ist es, kosten-günstige Konzepte für unterschiedlicheTypen von Stadthäusern/Maisonetten/Etagenwohnungen für die verschiedenenNutzergruppen zu entwickeln, die in denStädten derzeit kein adäquates Wohn-raumangebot vorfinden. Mit ungewohn-ten Eingriffen (Umdrehen der Grund-risse, neue Erschließungen und Rückbauvon Gebäudeteilen) sollen die Anzahlder Wohneinheiten durch die Verände-rung der Wohnungsgrößen und -zu-sammenhänge deutlich reduziert wer-

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Wie weiter mit derGründerzeit?Das Forschungsprojekt„Neue Wohnkonzepte im Gründerzeitbestand“Von Prof. Dipl.-Ing. Architekt Burkhard Pahl sowie den wissenschaftlichen Mitarbeitern Sabine Kruger und Tom Hobusch,Lehrgebiet Entwerfen und Konstruktives Gestalten

Gründerzeitrepräsentanten

Kein schönerAnblick: Leipzig,Lützner Straße.

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den. Dies soll bei wesentlichem Erhalt derBausubstanz und Verbesserung der Le-bensqualität erfolgen.Persönliche Bedürfnisse (Wohnungsgrößeund -standard, Orientierung, Lage), Eigen-tumsformen, Wohnumfeldqualitäten (Ruheund Grün), flexible Grundrisse fließen indie Untersuchungen ebenso ein wie derstadträumliche Zusammenhang und dieEinbindung des unmittelbaren Wohnum-feldes, die Lagebedingungen und das Aus-schöpfen der Potentiale der Gebäudestruk-tur bei wirtschaftlichen Kosten.Im Rahmen der Forschungsarbeit wurdenBesucher der Immobilienmesse Leipzigbefragt und spezifische Wünsche erfasstund ausgewertet. Im „Durchschnitt“ wurdeein eigenes, eingeschossiges Haus mit 4Zimmern, einer Wohnküche, Keller undeigenem Garten (etwa 110 qm Wohnflächemit gehobener Ausstattung für ca. 125 000Euro) als Ideal benannt.An konkreten Beispielen aus dem gründer-zeitlichen Wohnungsbestand der StadtLeipzig werden Möglichkeiten aufgezeigt,wie die Wünsche innerhalb der Stadt reali-siert werden können, und mit welchenKosten diese Lösungsvorschläge einherge-hen. Im Anschluss an diese Forschung sollmit der Realisierung von Pilotprojekteneine Katalysatorwirkung erzielt werden,wodurch die angestrebte Entwicklung an-geregt wird.Nach der Auswertung der vorhandenenUntersuchungen und Analysen der Wohn-bedürfnisse sowie der Eingrenzung desUntersuchungsgegenstandes wurde einZielkatalog erstellt. Integriert ist die Sich-tung des baulichen, gründerzeitlichen Be-standes nach Problemfällen des unmittel-baren Handlungsbedarfes anhand vonDatenmaterial (Häufigkeit, Bauzustand,Lage, Wohnungsgröße, Zuschnitt, Leer-stand und Wohnungsanzahl).In einem nächsten Schritt erfolgte die Ein-grenzung auf relevante Gebäuderepräsen-tanten, die Aufbereitung und strukturelleGliederung der baulichen Daten und desbaukonstruktiven Hintergrundmaterials,einschließlich der erforderlichen Pla-nungsparameter. Die ausgewählten Ob-jekte konzentrieren sich an problembehaf-teten Standorten wie der Käthe-Kollwitz-Straße, dem Neustädter Markt oder derGeorg-Schumann-Straße.In einem Expertengespräch wurden dieZwischenergebnisse hinsichtlich der Defi-nition der Zielgruppen, der zukünftigenBewohnerstruktur und der Auswahl derGebäuderepräsentanten und deren Anfor-

derungsprofile in Bezug auf Problemlagendiskutiert. Im Ergebnis entstand die Be-schreibung der Ziele zur baulichen Er-neuerung (Potenziale und konzeptionelleWeiterentwicklung) gefährdeter gründer-zeitlicher Bausubstanz. Die Wünsche po-tentieller Nutzer wurden zusammenge-fasst. Insbesondere nachgefragte Wohnungsgrö-ßen in Relation zur Finanzkraft, die ver-schiedenen Eigentumsformen, Ausstat-tungspräferenzen und technischer Stan-dard, der Gartenbezug und Aspekte wieWohnküchen, Tageslichtbäder, separatesWC, Abstellmöglichkeiten und Garagenwurden in Fragebögen erfasst und analy-siert .Zu den ausgewählten Gebäuderepräsentan-ten erfolgt die Entwicklung von Grund-rissvarianten unter Einschluss einer neu-artigen vertikalen und horizontalen Zuord-nung der Wohneinheiten mit dem Ziel derErzeugung von bisher fehlenden Wohn-qualitäten und Freiräumen für unterschied-liche Nutzergruppen (Alleinerziehende,junge Familien, Lebensgemeinschaften,Singles, Personen mit Erwerbsmöglichkei-ten). Die Veröffentlichung der Grundriss-varianten ist zum jetzigen Zeitpunkt nichtmöglich, da dieser Arbeitsschritt nochnicht abgeschlossen wurde.Die Varianten werden in Hinsicht der kon-struktiven Eingriffe und der baulichenMethodik sowie des Umfeldes und zu er-wartenden Kosten analysiert und in einerbewertenden Matrix zusammengefasst.Auf dieser Grundlage erfolgt die Auswahl

von Vorzugsvarianten, die in einem nächs-ten Schritt zu unterschiedlichen Sanie-rungsstrategien, Ansätzen der Kostenmini-mierung und Bauteilbetrachtungen unter-sucht werden.Dabei erfolgt eine Überlagerung der Ent-wurfsansätze mit abgestuften Sanierungs-strategien (step by step, Nutzerbeteiligung,durchgreifende Erneuerung einzelner Sa-nierungsbausteine), mit Lösungsansätzenzur Minimierung des baukonstruktivenAufwandes unter Erhalt der entwurflichenPotenziale und Bauteilbetrachtungen imSinne von Nachhaltigkeitsgrundsätzen.Bei der Untersetzung mit Kosten undMassen, sowie Wirtschaftlichkeitsbetrach-tungen stehen die Gesamtkosten vor der aktuellen Marktsituation im Vorder-grund.Es ist geplant, in einer weiteren Experten-diskussion die Ergebnisse und Aussagenzur ganzheitlichen Betrachtung und Über-lebensfähigkeit (im Sinne nachhaltigerEntwicklung) der neuen Wohnkonzepte imgründerzeitlichen Bestand zu erörtern unddabei die Anforderungen an das Wohn-umfeld und den stadträumlichen Gebiets-zusammenhang und Aussagen zur öko-nomisch-ökologischen Reichweite desAnsatzes, aber auch Abschätzung zur Kon-kurrenzsituation Neubau / sonstiger Woh-nungsbestand zu schärfen. Im Zusammen-hang mit der Leerstands- und Abwande-rungsproblematik sollen Empfehlungenfür Rahmenbedingungen und die zukünf-tige Förderkulisse im Wohnungsbau zu-sammengefasst werden.

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Gründerzeithäuser in Leipzig,Georg-Schumann-Straße.

Fotos: Tom Hobusch,Lehrgebiet

Entwerfen undKonstruktives

Gestalten

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Leipzig besitzt in seinen noch weitgehenderhaltenen großen Wohngebieten derGründerzeit und des frühen 20. Jahrhun-derts einen besonderen Schatz, dessen Er-haltung, Pflege und Nutzung eine wirt-schaftlich wie kulturell gleichermaßen an-spruchsvolle Aufgabe darstellt. Um dieseAufgabe auch in Zukunft meistern zu kön-nen und der Stadt ihre anziehende urbaneAtmosphäre zu bewahren, bedarf es nichtallein der Weiterführung der bewährten Sa-nierungs- und Denkmalpflegeprogramme.Ebenso wichtig sind innovative Konzepte,die bei grundsätzlicher Erhaltung der his-torischen Strukturen den Neubau und ge-gebenenfalls auch den partiellen Rückbauim gründerzeitlichen Wohnhausbestandnicht ausschließen. Ein solches Vorgehen bleibt freilich einBalanceakt, denn mit dem Abbruch oderder Überformung eines jeden alten Wohn-hauses – sei es für sich betrachtet auch keinEinzeldenkmal von besonderem Rang –verschwindet unwiederbringlich ein Stückanschaulich erlebbarer Geschichte, wirddas räumlich geschlossene, bei großerVielfalt der Stile und Formen auf eine ho-mogene Gesamtwirkung angelegte Bildder Straßen und Plätze aufgebrochen undverändert. Wie gravierend solche Eingriffesein können, zeigt das Beispiel von Thie-mes Hof, Querstraße 26–28, ein stattlicherGeschäftshauskomplex der 1870er Jahre,dessen Abriss in Anbetracht des jetzigenvöllig desolaten Bauzustandes leider un-umgänglich geworden ist. Die Erhaltung und denkmalgerechte Mo-dernisierung gründerzeitlicher Wohnquar-tiere sowie deren infrastrukturelle Auf-wertung wird nicht allein aus kulturge-schichtlichen Gründen die Vorzugslösunggegenüber dem Abriss, der Neubebauungbeziehungsweise der kostensparenden Be-grünung neu entstehender Baulücken blei-

ben. Ist die Bausubstanz der Gebäudesolide, können sie fast jedem heutigenNutzungs- und Raumbedarf durch ent-sprechende Um- und Ausbaumaßnahmenangepasst werden, wobei die Skala der je-weils angemessenen Lösungen sehr breitist. Sie reicht von der akribischen, äußerst auf-wändigen „Luxussanierung“ hochherr-schaftlicher Villen und Nobelmietshäuserbis zur Einrichtung praktikabler kleinerWohnungen und studentischer Wohnge-meinschaften. Die hohe Qualität sanierterAltbauwohnungen wird u. a. deutlich inden differenzierten, meist sehr gut ge-schnittenen Grundrissen und in den vielenliebevoll restaurierten handwerklichenAusbaudetails, die von der Gestaltung derTreppenhäuser bis zum oftmals noch vor-

handenen Deckenstuck und zum altenParkettfußboden den Wohnungen ein indi-viduelles Gepräge geben.Zu den als besonders attraktiv empfunde-nen Standortvorteilen des Wohnens imgründerzeitlichen Altbaubestand gehörennicht zuletzt auch die gute Anbindung andas Stadtzentrum durch öffentliche Ver-kehrsmittel und – insbesondere für dieSüdvorstadt mit der attraktiven Hauptachseder Karl-Liebknecht-Straße charakteri-stisch – ein lebendiges Wohnumfeld mitvielen Läden, Dienstleistungs- und gastro-nomischen Einrichtungen. Wenn man bedenkt, dass von den etwa17000 eingetragenen Leipziger Kultur-denkmalen etwa 80 Prozent auf den Bau-bestand der gründerzeitlichen Wohnge-biete fallen, so wird die Größe der Aufgabedeutlich. Um den dazu notwendigen wis-senschaftlichen Vorlauf zu schaffen, müs-sen die Kompetenzen der in der Stadt -vorhandenen Forschungseinrichtungen ge-bündelt und neue Formen der Kooperationgeschaffen werden. In diesen Verbund fügtsich das Forschungsprojekt „Neue Wohn-konzepte im Gründerzeitbestand“ als einwichtiger Beitrag der Universität ein.

Aktuelle Literaturhinweise : Stadt Leipzig, Amt für Bauordnung und Denk-malpflege (Hg.): Denkmalschutz und Denkmal-pflege Leipzig. Das Leipziger Mietshaus. Mer-seburg 2002 Stadt Leipzig (Hg.): Kulturdenkmale der StadtLeipzig. Leipzig 2002

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Die Skala derLösungen ist breitÜber den besonderen Schatz aus der GründerzeitVon Prof. Dr. Thomas Topfstedt, Institut für Kunstgeschichte

In Leipzig ein alltägliches Bild: ein saniertes Gründerzeithaus neben einem un-sanierten, hier in der August-Bebel-Straße. Foto: Carsten Heckmann

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Am Institut für Statik und Dynamik derTragstrukturen werden Konzepte ent-wickelt, um die Leistungskapazität be-stehender Holzbalkendecken hinsichtlichTragfähigkeit, Verformungswiderstand,Schwingungsverhalten und Schallschutzzu erhöhen und so gleichzeitig ein wirt-schaftliches Konstruktionsprinzip für Neu-bauten anzubieten – die Holz/Estrich-Ver-bundkonstruktionen.Durch stählerne Verbindungsmittel wirdder Holzbalken mit einer auf der vorhan-denen Dielung aufgebrachten nur ca.40 mm dicken Estrichschicht verbunden.Der Verbund ermöglicht einen Plattenbal-kenquerschnitt mit erheblich größererBiegesteifigkeit und damit geringeren Ver-formungen gegenüber dem unverstärktenHolzbalken sowie höhere Traglasten. Trotzder zusätzlichen Eigenlast der Konstruk-tion reduziert sich der Traglastanteils desHolzes.Bauphysikalische Vorteile ergeben sich ausder Verbesserung des Schalldämmmaßes,aus spürbar reduzierter Schwingungsemp-findlichkeit und der Verbesserung der Tritt-schalldämmkapazität von Bodenbelägenund Trockenestrichen.Die oft mit Stuck versehene Deckenunter-sicht historischer Bauten kann ohne Beein-trächtigung erhalten bleiben. Gemeinsammit einem aufgeschlossenen LeipzigerBauherrn konnten so – gewissermaßen alsPilotprojekt – sämtliche Holzbalkendeckeneines Gründerzeithauses den Erwartungenentsprechend saniert werden. Die Konstruktion weist zeitlich veränder-liche Materialeigenschaften (Kriechen,Dauerfestigkeitsverhalten) auf. Das Lang-zeitverhalten der Holz/Estrich-Verbund-konstruktion ist durch innerstrukturellewerkstoffspezifische Verformungen desEstrichs, des Holzes und stählernen Ver-bindungsmittel charakterisiert. Die quanti-tativen und qualitativen Einflüsse des Ver-haltens auf den inneren Anstrengungszu-stand der im Verbund wirksamen Struktur-

elemente sind für das Rechenmodell auf-zubereiten.Die Beanspruchung der Verbinder nimmtunter konstanter Belastung zeitlich zu, dieRandspannungen des Holzes nehmen imGegensatz dazu ab, selbst wenn die nicht-lineare Last-Verformungs-Beziehung desVerbindungsmittels gleichzeitig berück-sichtigt wird.Weiterhin konnte durch gezielt entwickeltemathematische Modelle gezeigt werden,dass das bisherige Nachweiskonzept fürartverwandte Konstruktionen für die kos-tengünstige Gestaltung von Holz/Estrich-Verbundkonstruktionen kaum geeignet ist. Das im Rahmen der Forschung neu ent-wickelte Bemessungskonzept erlaubtgleichzeitig eine einfache und wirtschaft-liche Bemessung und gewährleistet einenkonstanten Sicherheitsabstand zum Ver-sagenslastniveau. Die durch numerische Berechnungen do-minierte Forschung (Finite Elemente Me-thode, Materialmodellierung) kann hin-

sichtlich verbindlicher Anwendungsvorga-ben auf experimentelle Untersuchungennicht verzichten. Diese Prüfungen werdenin der Materialforschungs- und Prüfungs-anstalt Leipzig sowie im Laborbereich des Fachbereichs Bauingenieurwesens ander Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultätdurchgeführt. Neben den Verbunddecken sind v. a. diehistorischen Leipziger Bundwände, derenTragverhalten bisher kaum wirklichkeits-nah ermittelt werden konnte, ein parallelerForschungsschwerpunkt am Institut. Bund-wände sind schlanke Mauerwerkswändemit seitlichen Holzstielen. In die ProjekteVerbunddecke und Bundwand sind Studie-rende des Bau- und Wirtschaftsingenieur-wesens durch Seminarprojekte, Diplomar-beiten sowie als studentische Hilfskräfteeingebunden. Das Verbundkonzept wurdeu. a. auf der Messe „Denkmal 2002“ vor-gestellt und war seitens der Architektur-und Ingenieurbüros sowie ausführenderUnternehmen stark nachgefragt.

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Höheres Tragvermögenfür die GeschossdeckenAltes Holz und neuer Estrich im VerbundVon Prof. Dr. Rolf Thiele und Dipl.-Wirtsch.-Ing. Jörg Schmidt, Institut für Statik und Dynamik der Tragstrukturen

Modelldarstellung des Holz/Estrich-Verbundes mit einer Sechskantholzschraube alsVerbindungsmittel und einer Zwischenschicht. Foto: Jörg Schmidt

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In Leipzig sind noch vier Brücken der Bau-art Möller vorhanden: die Gohliser Wehr-brücke über die Parthe (Waldstraße), dieBrücke der Prager Straße über die Bahnund die beiden Teile der Überbrückung desPleißemühlgrabens, im Bereich des Ditt-richringes und neben der Harkortstraße derParkplatz vor dem Gebäude des ehema-ligen Reichsgerichtes. Bei einer Breite vonrund 300 m bzw. 132 m verfügt die Über-brückung des Pleißemühlgrabens wahr-scheinlich über die größte Anzahl von Möl-lerträgern in einem Bauwerk.Beide Teile der Überbrückung wurden inden Jahren von 1895 bis 1898 errichtet. Be-schädigungen durch Kriegseinwirkungensind 1946 beseitigt worden, danach erfolg-ten nach Kenntnisstand der Verfasser keine

weiteren Sanierungs- und Bauerhaltungs-maßnahmen an den Brückenträgern. Derjetzige Zustand der beiden Brücken warAnlass, Anfang der 90er Jahre experimen-telle Tragfähigkeitsuntersuchungen mitProbebelastungen durchzuführen.Die Überbrückung neben der Harkort-straße wurde im Jahre 1991 von derBundesanstalt für Straßenwesen, Außen-stelle Berlin untersucht. Der Zustandwurde wie folgt beschrieben: „Es kann da-von ausgegangen werden, dass das Zug-band ohne Korrosionsschutz frei liegt. DieAbrostung an den Zugbändern ist jedochunbedeutend. Es wurde kein Blattrost fest-gestellt. Die Betondeckung ist offenbar in-folge Rosttreibens abgeplatzt. Abrostungs-beträge von 1–4 mm sind hier zu vermu-

ten.“ Die Brücken wurde an verschiedenenStellen mit bis zu vier Lkw belastet, außer-dem wurde eine statische Nachrechnungder Versuche durchgeführt. Als Schluss-folgerung für die Möllerträger wurde fest-gestellt: „Die Verschlechterung des jetzi-gen Bauzustandes kann nur durch soforterfolgende Mindestmaßnahmen der Sanie-rung aufgehalten werden. Das wären u. a.:Entfernen der Betonunterschale, Korro-sionsschutz am Zugband und das Aufbrin-gen einer funktionierenden Dichtung. EineTragfähigkeitssteigerung ist durch dieseMaßnahmen aber nicht zu erwarten.“Für den Bereich des Dittrichringes wurdedie Materialforschung- und Prüfungs-anstalt für Bauwesen Leipzig Ende 1992mit der Untersuchung der Tragfähigkeit

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Sanierungsbedürftige Möllerträger

Tropfsteinbildung Ansicht Widerlager

Herab-hängende Beton-deckung

Stärkung für Pleiße-BrückenDie Sanierung von MöllerträgernVon Dipl.-Ing. Andreas Laubach und Dipl.-Ing. Gunter Schenck, Institut für Massivbau und Baustofftechnologie

Geschichte und Bauweiseder MöllerträgerProf. Max Möller lebte von 1854 bis 1935in Hamburg, Karlsruhe, Braunschweigund Leipzig. Seit 1890 lehrte er als or-dentlicher Professor für Wasserbau an dertechnischen Hochschule Braunschweig.Die Bauweise der Möllerträger wurdevon ihm in Zusammenarbeit mit derBraunschweiger Baufirma Drenkhahn &Sudhop entwickelt und im Jahre 1894zum Patent angemeldet. In Thüringen undSachsen übernahm die Leipziger Bau-firma Rudolf Wolle die Ausführung vonKonstruktionen der Bauart Möller.Die Stahlbeton-Plattenbalkenkonstruk-tion besteht aus Trägern im Abstand vonca. 1–1,5 m mit veränderlicher Höhe,

welche mit einem Flachstahlzuggurt unter-spannt sind. Die Form der Unterseite derTräger entspricht in etwa einer Parabel undfolgt damit dem Kräfteverlauf für einen miteiner Gleichlast beanspruchten Einfeldträ-ger. Der Verbund zwischen Zuggurt undBeton wird durch einzelne auf der Ober-seite aufgenietete Stahlwinkel erreicht.Über den Auflagern ist der Stahlzuggurtmit 3–5 auf beiden Seiten aufgenietetenStahlwinkeln verankert, die horizontaleKomponente der Zugbandkraft wird vonder Fahrbahnplatte aufgenommen. In dieWiderlager werden daher nur vertikaleKräfte aus dem Überbau eingeleitet. Wäh-rend des Betonierens der Träger dient dasStahlzugband als untere Schalung. DerKorrosionsschutz des Zugbandes kann aus

heutiger Sicht nicht als gesichert ange-sehen werden.Die prinzipielle Tragfähigkeit der Möl-lerträger ist durch die große Anzahl (ca.500 Stück) der ausgeführten Projekte,durch historische und aktuelle Probebe-lastungen sowie durch statische Be- undNachrechnungen ausreichend nachge-wiesen. Im konkreten Fall der Überbrü-ckung des Pleißemühlgrabens ist dieStandsicherheit durch Korrosionsschä-den der Zugbänder jedoch nur nochbedingt gegeben. Daher ergibt sich dieNotwendigkeit, ein Sanierungskonzeptauszuarbeiten. Die Tragwirkung der his-torischen Konstruktion soll dabei nachMöglichkeit erhalten oder nicht wesent-lich verändert werden.

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beauftragt. In einer zusammenfassendenVeröffentlichung wurde der Zustand derTräger wie folgt beschrieben:– abgeplatzte oder hohlliegende Beton-

überdeckung, teilweise über die gesamteSpannweite der Möllerträger, Risse ent-lang der Stahleinlagen

– Korrosion des Zugbandes – Korrodierte Stemmeisen und Niete– Durchfeuchtung der Fahrbahnplatte und

der Träger Beide Untersuchungen kommen zu demErgebnis, dass es nicht ausreicht, den jet-zigen Zustand der Brücken durch geeig-nete Sanierungsmaßnahmen zu konservie-ren. Vielmehr sollten neben der Wieder-herstellung der Dauerhaftigkeit Maßnah-men zur Steigerung der Tragfähigkeit inAngriff genommen werden.Der rund 100 Jahre alte Beton der Brückenkann als allgemein tragfähig eingestuftwerden und verfügt über erstaunliche Fes-tigkeiten. Prüfungen an zwei Bohrkernenergaben eine mittlere Druckfestigkeit vonknapp 50 MN/m2. Damit ist eine wesent-liche Vorraussetzung für die Sanierungs-fähigkeit der Möllerträger gegeben.

Das Sanierungs-konzeptZiel des Sanierungskonzeptes ist es, diehistorische Tragwirkung der Möllerträgersoweit als möglich zu erhalten und Ergän-zungen an der Tragkonstruktion nur in un-verzichtbar notwendigem Maße durchzu-führen.

Die Eleganz der Möllerträgerkonstruktionmit fischbauchartig verlaufendem Unter-gurt besteht darin, dass der Verlauf des in-neren Hebelarms zwischen Zugband undBetondruckzone den äußeren Belastungenangepasst ist. Für eine Gleichstreckenbe-lastung eines Einfeldträgers bleibt dadurchdie Kraft im Zugband über die Stützweitekonstant. Wenn sich die Zugkraft über dieLänge gesehen kaum ändert, dann brau-chen auch keine Verbundkräfte zwischenZugband und Stegbeton aktiviert werden.Daher erscheint eine Sanierung mittelsexterner Vorspannung ohne Verbund derhistorischen Konstruktion angemessen.Die Tragwirkung wird nicht wesentlichverändert, sondern den heutigen Anforde-rungen entsprechend verstärkt. Der Einsatzinnovativer und neuartiger Werkstoffe,Vorspannung durch Carbon-Faserver-stärkte-Kunstoff-Lamellen (kurz CFK-La-mellen oder auch Kohlefaserlamellen),entspricht sicherlich dem Erfinder derMöllerträgerbauweise.Entlang der parabelförmigen Unterseiteder Möllerträger werden Kohlefaserlamel-len über fünf Stützpunkte polygonal ge-spannt und über den Widerlagern veran-kert. Die Lamellen werden neben den Ste-gen der Möllerträger geführt, damit dievorhandene Verankerung der Stahlzugbän-der nicht durch die neue Konstruktion zer-stört wird. Die Umlenkkräfte der Stütz-punkte werden über Quertraversen auf dievorhandenen Möllerträger übertragen.Eine kraftschlüssige Verbindung wirddurch eine Mörtelausgleichsschicht her-gestellt, die Umlenkkonstruktion wird biszum Anspannen der CFK-Lamellen me-chanisch vor dem Herabfallen gesichert.

Die Endverankerung soll über eine mecha-nische Klemm-Klebe-Konstruktion sicher-gestellt werden, die horizontale bzw. verti-kale Komponente der Zugbandkraft wirdauf die Möllerträger bzw. das Widerlagerabgegeben. Zur Durchführung der CFK-Lamellen werden die Widerlager vonaußen durchbohrt und ein konstruktiv be-nötigtes Hüllrohr (z. B. aus PE Material)wird eingebaut. Das vorhandene Stahlzug-band der Möllerträger wird vom Rost be-freit und mit einem dauerhaften Korro-sionsschutz versehen. Eine nachträglicheBetondeckung wird im Gegensatz zurhistorischen Konstruktion nicht mehr auf-gebracht, damit ist eine einfache Kontrolledes Zustandes des Stahlzugbandes gege-ben.Die CFK-Lamellen können als externeVorspannung ohne Verbund betrachtet wer-den. Dabei werden die Nachweise im Ge-brauchszustand für den bestehenden Möl-lerträger unter alleiniger Berücksichtigungder externen Vorspannung geführt. Durchdie externe Vorspannung mit CFK-Lamel-len wird die Gebrauchstüchtigkeit der Möl-lerträger erhöht, eine nach heutigen Vor-stellungen ausreichende Bruchsicherheitkann im Zusammenwirken mit dem vor-handenen Stahlzugband sichergestellt wer-den. Mit diesem Sanierungsvorschlag kanndie Tragfähigkeit der Möllerträger füreinen langen Zeitraum gesichert werden.Mit dem aktuellen Konzept steht eine viel-versprechende Konstruktion zur Sanierungder sogenannten Möllerträger in den Be-reichen, wo diese nicht abgebrochen wer-den sollen, um die Pleiße wieder freizu-legen, zur Verfügung.

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Das Sanierungskonzept.Fotos und

schematischeDarstellung:

Institut für Massivbauund Baustofftechnologie

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SportwissenschaftZielvereinbarungIm Beisein der Prorektorin für Lehre undStudium, der Mitarbeiter der Geschäfts-stelle Evaluation und zahlreicher Professo-ren und wissenschaftlicher Mitarbeiter derFakultät unterzeichneten Ende 2002 Rek-tor Prof. Dr. Volker Bigl und Dekan Prof.Dr. Jürgen Krug eine Zielvereinbarungzwischen dem Rektorat und der Sportwis-senschaftlichen Fakultät, mit der die Er-kenntnisse und Empfehlungen der Evalua-tion von Lehre und Studium im Fach Sport-wissenschaft in den Jahren 1999 bis 2001künftig umgesetzt werden sollen. Es han-delt sich hierbei um die erste Zielverein-barung im Anschluss an eine Lehrevalua-tion in der Universitätspartnerschaft Halle-Jena-Leipzig.In dieser Vereinbarung sind sowohl Maß-nahmen der Qualitätssteuerung in Lehreund Studium, die als Konsequenz aus derEvaluation ergriffen werden, als auch dieAufwendungen der Fakultät und die Unter-stützung durch die Universitätsleitung fest-gelegt. Zu ersterem Punkt zählen die Ein-führung eines dreijährigen Bachelor-Stu-dienganges Sportwissenschaft mit demSchwerpunkt Fitness und Gesundheit undeines Masterstudienganges mit verschiede-nen Schwerpunkten ab Wintersemester2003/04. Weiter ins Auge gefasst ist derAusbau des Angebots an sportartenbezo-genen Veranstaltungen, die Entwicklunginternetbasierter Module für die Lehre, dieGründung eines Absolventenvereins unddie Verbesserung der technischen Ausstat-tung von Hörsälen und Seminarräumendurch mobile Projektionstechnik. V. S.

AnglistikMagischeObjekteWenn die Leipziger Anglistik im jüngstenForschungsranking des Centrums fürHochschulentwicklung (CHE) in der Spit-zengruppe der deutschen Universitätenplatziert ist, dann auch durch die beacht-liche Anzahl ihrer Publikationen. AberZahlen sind nur das eine, der eigentlicheGewinn ergibt sich, wenn man sich denInhalten zuwendet. Und da werden ausErkundungen („Leipzig Explorations inLiterature and Culture“ lautet der Titeleiner englischsprachigen Reihe) interes-sante Entdeckungen in jenen fruchtbaren

Kulturgebieten, wo sich Literatur, Natur-und Geisteswissenschaften treffen. Ein Gespräch mit den Herausgebern derPublikationsreihe im weltweit agierendenGalda + Wilch Verlag, Prof. Dr. ElmarSchenkel und Dr. Stefan Welz vom Institutfür Anglistik, verdeutlicht das Anliegen,mit diesen Grenzüberschreitungen, diezumeist auf Magister- und Doktorarbeitenfußen, nicht nur spannende Themen zu be-handeln, sondern auch Forschungslückender Literaturwissenschaft überhaupt zuschließen. Zu denken ist an Silke Strick-rodts Band über die Afrika-Forschungs-reisende Sarah Lee (1791–1856) oder Diet-mar Böhnkes Buch über den zeitgenös-sischen schottischen Autor James Kelmanoder Martina Seiferts Monographie überden bekanntesten, 1940 geborenen neu-fundländischen Schriftsteller Tom Dawe.mDiese Publikationen wie auch die vier in-zwischen vorliegenden Konferenzbände,darunter als Highlight der zur 98er Kon-ferenz „Lost Worlds & Mad Elephants.Literature, Science and Technology1700–1990“, finden internationale Beach-tung und sind ein Markenzeichen des Leip-ziger Instituts geworden. Auch insofern,dass hier Studenten und Nachwuchswis-senschaftler früh in das editorische Hand-werk, in die Publikations- und Konferenz-tätigkeit eingeführt und einbezogen wer-den. Sie werden so ganz praktisch dazuangehalten, nicht über den zurückgehen-den Einfluss der Geisteswissenschaften zulamentieren, sondern auf die modernenNaturwissenschaften zuzugehen, Berüh-rungsängste abzubauen und Berührungs-punkte zu schaffen. Das im übrigen, wieProf. Schenkel betont, in guter englisch-pragmatischer Tradition. Solcherart Grenzüberschreitung zwischenden „zwei Kulturen“ strahlt aus und lässtauch Physik- und Medizinstudenten denWeg zu entsprechenden Oberseminarenfinden. Da werden Grundmuster des Den-kens in den unterschiedlichen Fächerkultu-ren aufgespürt, da wendet man sich imagi-nativen Elementen und Inspirationen in der Wissenschaft zu oder geht visuellenArchetypen nach. Und den Studentenmacht es Spaß, von der eigenen in einefremde Lebenswelt zu springen, wenn etwaFormen des organischen Denkens in derLiteratur des 19. Jahrhunderts oder Gestal-ten und Orte der Alchemie in Kunst undLiteratur aufgesucht werden.Und natürlich kann in diesem Kontext das Interesse an dem Autor der „Zeitma-schine“ und allerlei Wissenschaftsphant-

asien, H. G. Wells, einem der Väter derScience fiction, nicht fehlen. Elmar Schen-kel verfasste die erste deutsche Biographiedes englischen Autors, und im Sommervergangenen Jahres hat die Wells-Societyim Zusammenhang mit der Leipziger Kon-ferenz zur Rezeption von Wells in Europaerstmals außerhalb Englands getagt, ebenin Leipzig und in Gemeinschaft mit zahl-reichen Experten aus mehreren Ländern.Ein Blick voraus, und zwar ins Jahr 2004,zeigt: Man bleibt sich treu. Erscheint dochda das Thema „Magische Objekte in Lite-ratur und Wissenschaft“ am LeipzigerKonferenzhimmel. Volker Schulte

VeterinärmedizinPreis für bestePromovendinDie Promovendin Katja Steiger vom Insti-tut für Veterinär-Pathologie erhielt denWilhelm-Ellenberger-Preis 2002, der nacheinem bekannten Leipziger Veterinär-Ana-tomen benannt wurde und den die Veteri-närmedizinische Fakultät der UniversitätLeipzig für die beste Promotion des Jahresvergibt. Die junge Tierärztin trug einen Baustein imWissensgefüge über das Pferd bei. In ihrerDissertation „Licht- und elektronen-mikroskopische Untersuchungen zur puer-peralen endometrialen Involution der Stuteunter besonderer Berücksichtigung peri-partaler Störungen“ untersuchte die jungeTierärztin die Rückbildung der Gebärmut-ter von Stuten nach normalen Geburten,aber auch nach Früh- oder schweren Ge-burten bzw. nach Geburten mit einem ver-zögerten Abgang der Nachgeburt. DieseFrage ist für den Pferdezüchter von beson-derem Interesse, weil eine Stute schon 10bis 14 Tage nach der Geburt erneut träch-tig werden kann. Dass die Umbauvorgängeinnerhalb der Gebärmutter während diesesZeitraumes genau beobachtet werden müs-sen, um eventuell auftretende Störungenrechtzeitig erkennen und gegebenenfallstherapeutisch beeinflussen zu können, liegtauf der Hand. Doch bisher gibt es keine de-taillierten Kenntnisse auf diesem Gebiet.Katja Steiger untersuchte Gewebeproben,die am 3., 6. und 9. Tag nach der Geburtaus der Gebärmutter entnommen wurden.Diese wurden sowohl mit konventionellenals auch mit elektronenmikroskopischenMethoden untersucht. Bezüglich einernormalen Geburt kam die Promovendin zuErkenntnissen, die so präzise vorher noch

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nicht beschrieben worden waren. Basie-rend auf diesen Ergebnissen, war es mög-lich von den Normalbefunden abwei-chende Erscheinungsbilder bei Tieren mitStörungen während und unmittelbar nachder Geburt zu charakterisieren.Während nach schweren Geburten die Zu-rückbildung aller Gewebsstrukturen in derGebärmutter gestört ist, sind nach einemverzögerten Abgang der Plazenta nur dieDrüsenepithelzellen (das sind die Zellen,die Sekrete produzieren können) betroffen.Frühgeburten dagegen hatten keinen fest-stellbaren Einfluss auf die Umbauvor-gänge. Die im Rahmen dieser Untersuchung ge-wonnenen Erkenntnisse und Vorstellungenstellen wichtige Grundlagen für die Ent-wicklung neuer therapeutischer Ansätzezur Verbesserung der Trächtigkeitsaussich-ten bei Stuten mit Störungen während undnach der Geburt dar. Es konnten außerdemEinblicke in die Entstehung von Krankhei-ten dieser Stuten gewonnen werden, die dieTrächtigkeit wesentlich beeinflussen kön-nen. Dr. Bärbel Adams

WirtschaftsinformatikErstmalsDoktoranden-seminar zu drittAm 6. Dezember 2002 fand an der Uni-versität Leipzig erstmals ein interuniver-sitäres Wirtschaftsinformatik-Doktoran-denseminar Halle-Jena-Leipzig statt. Dazueingeladen hatte das Institut für Wirt-schaftsinformatik der Universität Leip-zig.mAls Gäste konnten neben den Doktorandendes gastgebenden Instituts auch Nach-wuchswissenschaftler des Instituts fürWirtschaftsinformatik und OperationsResearch der Martin-Luther-UniversitätHalle-Wittenberg und vom Lehrstuhl fürWirtschaftsinformatik der Friedrich-Schil-ler-Universität Jena begrüßt werden.Damit wurde, basierend auf der im Ver-bund der Universitäten Leipzig, Halle undJena vereinbarten Kooperation in Lehreund Forschung, eine bereits seit dem Jahr2000 gemeinsam mit der Universität Halledurchgeführte Seminarreihe für Doktoran-den der Wirtschaftsinformatik auch erst-mals auf Jena, als dritte Universität desVerbundes, ausgeweitet.Informationen zum Seminar im Internetunter: www.iwi.uni-leipzig.de

Medizin

SelektiveInformation„Alles Gute wird noch besser durch Infor-mationstechnologie“ – ist der nicht nur iro-nisch gemeinte Leitspruch des Universi-tätsgynäkologen Prof. Höckel für das neueJahrtausend. In der Medizin, in der Ge-sundheit und Leben der Patienten daranhängen können, wie gut ihr Arzt übergrundlegende und neueste Diagnose- undTherapiemethoden Bescheid weiß, spieltdie rechte Information zur rechten Zeit einebesondere Rolle. Aber nichts läuft auto-matisch; es gibt keine allgemeingültige In-stitution, die Informationen zielgerichtetweitergibt und es kann sie auch nicht ge-ben. „Für die Vermittlung und Beschaffungevidenz- und wissensbasierter Informatio-nen sind wir selbst verantwortlich“, meintProf. Höckel. Und er sieht eine besondereVerantwortung bei den Universitätsmedizi-nern, die den neuesten Stand der Forschungrepräsentieren und verbreiten sollen.Nach Höckel besteht das große Dilemmadarin, dass viele der medizinischen Infor-mationen einzig und allein dem Marketingdienen. „Pharma- und Medizintechnik-firmen informieren natürlicherweise selek-tiv. Ihre Information bezieht sich auf ihrProdukt.“ Damit wird immer nur einschmales Segment der gesicherten medizi-nischen Kenntnisse bedient. Vieles gehtunter, weil es nicht einem Marketinginte-resse dient. „Bedenklich wird es immerdann“, so Höckel, „wenn Ärzte auf die be-kannten Themen fixiert sind, weil sie mitihnen immer wieder konfrontiert werdenund alles andere aus ihrem Blickfeld ge-rät.“Im Informationszeitalter stürmt außerdemeine solche Fülle von Informationen auchauf die Mediziner ein, dass es schwer fällt,Wichtiges von Unwichtigem zu unter-scheiden. Alles zusammengenommen kanndazu führen, dass trotz der weiten Verbrei-tung eines Krankheitsbildes und der damitverbundenen gesundheitspolitischen Be-deutung keine oder nicht ausreichende evi-denzbasierte Informationen vorliegen undkein Konsens unter den Ärzten für Dia-gnostik und Therapie der Erkrankung be-steht. Das ist das eine.Das andere ist, dass auch die Patienten einRecht auf medizinische Informationen inallgemeinverständlicher Form haben. ImGespräch Arzt/Patient bleibt das oft auf der

Strecke, weil die Zeit fehlt. Zudem ist dieKommunikation oft eingleisig, weil diePatienten die Erklärungen ihres Arztesnicht hinterfragen, aber gleichwohl einebessere Informationsqualität erwarten. Da-bei könne man mit der Beantwortung vonsechs Fragen, erklärt Höckel, diesem In-formationsbedürfnis der Patienten leichtgerecht werden: 1. Was ist nicht in Ord-nung? 2. Warum ist es nicht in Ordnung?3. Was kann getan werden? 4. Was solltegetan werden? (Nicht alles, was getan wer-den kann, muss getan werden) 5. Wer solltees tun? (welcher Arzt?) 6. Was kann derPatient erwarten? Außerdem ist bekannt, dass ein aufgeklär-ter Patient viel zu seinem Genesungspro-zess beitragen bzw. Krankheiten durch einegesunde Lebensweise vermeiden helfenkann. Prof. Höckel spricht deshalb voneiner neuen Verantwortung der Ärztegegenüber seinen Patienten. Dem Arztsollte ein mündiger Patient gegenüber-stehen. Die Vision des auf dem neuesten medizini-schen Stand stehenden Arztes und des auf-geklärten Patienten ist das, was Höckelvorschwebt und was er in dieser Einheit aufdem 1. Leipziger Tag der Frauengesundheiterstmals verwirklicht hat. Der Informa-tionsaustausch unter den Medizinern, imkonkreten Fall der Gynäkologen, verbun-den mit einer Informations- und Diskus-sionsveranstaltung mit den Patienten, andem interessierte Bürger, niedergelasseneGynäkologen, Klinik- und Universitäts-ärzte beteiligt waren, war der erste gelun-gene Versuch, der einspurigen Vermittlungvon Fachinformationen entgegenzuwirkenund gleichzeitig die auf der Fachveran-staltung besprochenen Probleme an dieÖffentlichkeit zu bringen.

Dr. Bärbel Adams

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Tag der FrauengesundheitEnde letzten Jahres fand an unserer Uni-versität der 1. Leipziger Tag der Frau-engesundheit statt. Der Direktor derUniversitätsfrauenklinik, Prof. Dr. Dr.Michael Höckel, verwirklichte damitsein Informationskonzept, das Gynäko-logen und Patienten gleichermaßen ein-schließt. Ausgewählt wurde das Thema„Myome der Gebärmutter“, weil dieseErkrankung symptomatisch ist für dasnebenstehend beschriebene Dilemma.Welche gesundheitspolitische Bedeu-tung der Tag hatte, wird darin deutlich,dass die Sächsische Staatsministerin fürSoziales, Christine Weber, die Schirm-herrschaft übernahm und die Leiterinder Leitstelle für Mann und Frau inihrem Ministerium, Prof. Ilse Nagel-schmidt, aktiv an der Gestaltung diesesTages beteiligt war.

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BödenbewusstbewahrenWovor diesächsische Erdegeschützt werdenmussVon Dr. Carsten Lorz,Institut für Geographie

Böden sind Naturkörper und bilden imwahrsten Sinne des Wortes die Lebens-grundlage der Menschheit. Trotzdem wirdder Boden als Umweltmedium deutlichweniger wahrgenommen als Wasser undLuft. Dies mag vor allem in seiner relati-ven Verborgenheit und in seiner vermeint-lichen Unscheinbarkeit begründet sein. ImBoden kann jedoch in faszinierender Weisedas Ineinandergreifen aller Sphären derUmwelt und damit ein sehr komplexes Pro-zessgefüge beobachtet werden. Kenntnisseüber die Entstehung, Verbreitung undEigenschaften von Böden sichern nicht nurderen optimale wirtschaftliche Nutzung,sondern auch deren nachhaltigen Schutz.Böden entstehen als Prozessgefüge derGeofaktoren Ausgangssubstrat, Klima, Re-lief, Wasser, Flora, Fauna und Mensch. Dader Boden kein statisches Gebilde darstellt,sondern sich den ständig veränderndenUmweltbedingungen anpasst, wird dieBodenbildung als evolutionärer Vorgang(Boden-Evolution) aufgefasst. Boden kannsomit als ein zeit- und raumabhängigesIntegral aller Geofaktoren angesehen wer-den.

Die Einteilung in Bodengesellschaftenkann für Sachsen über das Ausgangssubs-trat, dem wichtigsten Geofaktor, in fünfgrößere Gruppen erfolgen. Die innereGliederung der Bodengesellschaften wirdbesonders durch das Relief und die davonabhängigen Faktoren (wie Klima und Was-serhaushalt) bestimmt. In einigen Berei-chen spielt der Mensch die wichtigste

Rolle, indem er durch Bergbau oder Acker-bau neue Ausgangssubstrate schafft.Grundlage eines jeden Bodenschutzes sindInformationen zu Bodeneigenschaften undderen räumlichen Verteilung. Solche Infor-mation werden in Bodenkarten flächenhaftvorgehalten.

Nutzungsbedingte Maßnahmen können,wenn nicht sachgerecht ausgeführt, sowohlfür den Boden selbst als auch für nachge-schaltete Systeme (z. B. Grund- und Ober-flächenwasser) negative Folgen haben. DerBoden kann in seinem Gesamtbestand, inseinen chemischen und physikalischenEigenschaften oder im Wasserhaushaltstark verändert werden. Darüber hinauswirken sich auch indirekte Veränderungen,wie ubiquitäre Immissionen von Schad-stoffen, nachteilig auf den Boden und seineFunktionen aus. Flächenhafte schädlicheBodenveränderungen entstehen langsamund sind damit nur schwer zu erkennen.Die Tatsache, dass Boden nicht vermehrbarist und seine Regenerierung zumeist teuer,langwierig oder gar nicht möglich ist,unterstreicht die Forderung nach einemeffektiven Schutz des Bodens. In Sachsenexistiert daher seit dem 12. 8. 1991 einBodenschutzgesetz. Seit dem 17. 3. 1998besteht ein solches Gesetz auch für die ge-samte Bundesrepublik Deutschland. Trotz-dem bleibt das Bundes-Bodenschutzgesetzein Gesetz zum Schutz von Funktionen desBodens und nicht des Bodens per se. Bo-denfunktionen sind:natürliche Funktionen wie: Lebensgrund-lage und Lebensraum für Menschen, Tiere,Pflanzen und Bodenorganismen, Bestand-teil des Naturhaushaltes, Filter und Puffer;Funktionen als Archiv der Natur- und Kul-turgeschichte; Nutzungsfunktionen wie:Rohstofflagerstätten, Fläche für Siedlun-gen, Standort für die land- und forstwirt-schaftliche sowie die sonstige wirtschaft-liche Nutzung.

Ziel des Bodenschutzes ist es, schädlicheBodenveränderungen zu verhindern, zueliminieren oder zu minimieren. Der vor-sorgende Bodenschutz hat die Vermeidungvon Belastungen zum Ziel. Die Beseiti-gung bestehender Bodenbelastungen istdie Aufgabe des sanierenden Bodenschut-zes. Dazu zählen Maßnahmen zur Ero-sionsverminderung, Kompensationskal-kungen von Waldböden, Entsiegelungs-maßnahmen oder andere Sanierungsmaß-nahmen an kontaminierten Böden.Für Sachsen ist die Bedrohung der Boden-funktionen durch (a) stoffliche Bodenveränderungen durch

Schwermetalle, Pflanzenschutzmittelund deren Umwandlungsprodukte so-wie Bodenversauerung

(b) Bodenerosion und -verdichtung sowie (c) Flächenverbrauch und Versiegelung zu erwarten. Um schädliche Bodenverän-derungen (Monitoring) zu erkennen, wer-den in Sachsen Bodenmessnetze und Bo-dendauerbeobachtungsflächen betrieben. Schwermetalle in bedenklichen Konzen-trationen treten in Sachsen besonders imZusammenhang mit Erzbergbau, Verhüt-tung und Siedlungen auf. So liegenSchwerpunkte im Erzgebirge, besondersim Bereich alter Bergbaustandorte (Frei-berg, Aue, Annaberg) sowie im Bereich dergrößeren sächsischen Städte. In den Hoch-lagen des Erzgebirges sowie in NW-Sach-sen ist die Bodenversauerung zu beobach-ten. Neben den stofflichen Veränderungen sindBöden auch durch nicht-stoffliche schäd-liche Veränderungen (Abtrag, Versie-gelung, Bodenerosion und -verdichtung)gefährdet. So wurden im Zeitraum1990–1998 in Sachsen ca. 170 km2 Bodenversiegelt, eine Fläche, die ungefähr demStadtgebiet von Leipzig entspricht. Boden-erosion führt durch den Abtrag des Ober-bodens zur Schädigung und schließlich zurZerstörung von Böden. Die Neubildungvon Substrat und Boden ist in relevantenZeiträumen nicht möglich. Durch die Se-dimentation des abgetragenen Bodenmate-rials werden auch andere Schutzgüter be-einträchtigt. Ungefähr die Hälfte der land-wirtschaftlichen Nutzfläche in Sachsen isterosionsgefährdet. Als Schutzmaßnahmensind Konturpflügen, Begrünung, Anlagevon Windschutzstreifen oder Verbauungvon Tiefenlinien zu nennen.

Informationen im Internet:www.bodenwelten.dewww.bvboden.de

Fakultäten und Institute

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„Böden bewusst bewahren“ lautete derTitel der Jahrestagung des Bundesver-bandes Boden, die im letzten Jahr an derUniversität Leipzig stattfand. Der be-wusste Umgang mit Böden hängt starkvon einer ausreichenden Kenntnis derEigenschaften, Verbreitung und Entste-hung des Bodens sowie vom gesell-schaftlichen „Bodenbewusstsein“ ab.Nur dann kann der Boden effektiv ge-nutzt werden, ohne ihn zu zerstören. Le-sen Sie dazu diesen Beitrag.

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„Darf ein deutscher Bankmanager einechinesische Geschäftspartnerin direkt nachihrem Alter fragen?“ (im Prinzip ja, aberbloß nicht gleich zu Anfang) – „Was ser-viert man chinesischen Gästen?“ (Das istein weites Feld – bloß kein rohes Fleischund keinen Käse, der gilt als „vergammelteMilch“.) – „Darf man bei offiziellen An-lässen Alkohol ablehnen?“ – (eine heikleFrage, besser nicht oder mit Verweis auf dieGesundheit) – „Wie wählt man geeigneteMitarbeiter für eine Niederlassung inChina?“ (Das lässt sich nicht auf dieSchnelle beantworten.) – „Wieso fragenchinesische Studenten nicht nach, auchwenn sich später herausstellt, dass sie et-was nicht verstanden haben?“ (Es gilt alsunhöflich.) – „Wie spricht man Kritik-punkte an, ohne dass Chef oder Kollege ihrGesicht verlieren?“ (Das ist besondersschwierig; indirekt, über Dritte ...)

Dies sind nur einige der nicht ganz bana-len Fragen, auf die ein Sinologe heute eineAntwort parat haben soll. Die Beziehungenzu China haben sich in den letzten 20 Jah-ren in allen Bereichen intensiviert und diechinesische Gesellschaft ist seit der Öff-nung im Jahre 1978 dramatischen Wand-lungen unterworfen. Interkulturelle Kom-petenz ist als Schlüsselqualifikation ge-fragter als je zuvor.Die Arbeitgeber gehen einfach davon aus,dass Sinologen wissen, wie man sich inChina benimmt. Sie sollen die Reaktionenvon Geschäftspartnern interpretieren, Fir-men bei ihrer Vorgehensweise beraten undselbst als Vermittler auftreten. Solche be-rufsbezogenen Kenntnisse gehören an denmeisten Unis jedoch nicht zum Lehrplander Sinologie. Um die Lücke zwischen Theorie und Pra-xis zu schließen, hat das Ostasiatische In-stitut seit dem Sommersemester 2002 am

Lehrstuhl für klassische Sinologie die Se-minarreihe „Interkulturelles Training“ inihr Programm aufgenommen. In mehrerenaufeinander aufbauenden Kursen bereitensich die Studenten auf ihre Vermittlerfunk-tion vor. Auf dem Stundenplan stehenchinesische Werte und Verhaltensmuster,allgemeine Regeln der Kommunikation,Konfliktlösung, Motivation und Kritik,Lern- und Unterrichtsverhalten, hierarchi-sche Strukturen, Teamwork und Entschei-dungsfindung. Im traditionellen Studium der chinesischenPhilosophie lernen die Studenten eigent-lich schon viel über chinesische Werte undKulturstandards. Im interkulturellen Trai-ning sollen sie üben, den Bezug zur Gegen-wart herzustellen und die konkreten Aus-wirkungen kultureller Unterschiede inKontaktsituationen zu verstehen.Durch Fallstudien und Rollenspiele werdenverschiedene Verhaltensalternativen veran-schaulicht, analysiert und eingeübt. DieVeranstaltungsreihe wird ergänzt durchÜbungen zu Höflichkeit und Beziehungs-pflege in China. Dabei werden chinesischeKommilitonen einbezogen: Bei den ra-schen Veränderungen sind sie wichtige In-formationsquellen für aktuelle Gepflogen-heiten in China. Außerdem können in ge-meinsamen Übungen die interkulturellenSituationen authentischer simuliert wer-den. Ich kenne die Probleme und Anforderun-gen der Praxis aus eigener Anschauung.Als Übersetzerin, Projektleiterin und alsTrainerin für Fach- und Führungskräftewar ich täglich mit interkulturellen Fragenkonfrontiert. Die Veranstaltungsreihe„Interkulturelles Training“ vermittelt denTeilnehmern konkrete Kenntnisse und Fer-tigkeiten für das Arbeitsleben. Für einigeder teilnehmenden Studenten geben jedochnoch andere Gründe den Ausschlag zur

Teilnahme am Training: „Es ist eine guteVorbereitung für Studenten, die in Chinaoder Taiwan studieren wollen“, meint Teil-nehmerin Janine Ersch. „Durch die Ein-bindung chinesischer Kommilitonen sinddie Trainings- und Gesprächsrunden au-thentischer und effektiver.“ Studienkolle-gin Anne Brautzsch pflichtet ihr bei: „Ichhabe das Seminar vor allem deshalb be-sucht, weil ich mir nach meinem einjähri-gen China-Aufenthalt den Überblick überdie wichtigsten chinesischen Höflichkeits-prinzipien im Vergleich zu deutschen Um-gangsformen verschaffen wollte. Dennauch nach diesem Jahr im Ausland sindeinem noch nicht alle chinesischen Höf-lichkeitsformen geläufig. Durch den ge-meinsamen Erfahrungsaustausch mit chi-nesischen Kommilitonen hoffe ich, zu-künftige Fettnäpfchen im zwischen-menschlichen Umgang mit Chinesenvermeiden zu können.“Ein einheitliches Berufsbild des Sinologenexistiert heute weniger denn je. Die wenig-sten bleiben in der Wissenschaft. UnsereAbsolventen gehen in Unternehmen oderAuslandsämter, sie werden Repräsentantendeutscher Firmen im Ausland, Übersetzeroder Journalisten oder unterrichtenDeutsch als Fremdsprache. Hier stelltinterkulturelle Kompetenz ein Basiswissendar, das auch dann noch von Nutzen ist,wenn man nicht unmittelbar sinologischtätig wird. Auch deshalb ist das interkultu-relle Training als Bestandteil des neuenMasterstudiengangs „global studies“ vor-gesehen, der sich nicht ausschließlich anSinologen, sondern auch an Studenten an-derer Fächer mit Interesse an Asien wen-det.

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Bankettsimulationmit chinesischen

Kommilitonen zurÜbung von Tisch-

sitten und höf-lichem Benehmen.Foto: T. Wiebusch

Bittekeine „vergammelte Milch“Interkulturelles Training für ChinaVon Dr. Thekla Wiebusch, Ostasiatisches Institut, Sinologie

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Judith Gründer hat von1996 bis 2002 an derUniversität LeipzigSportwissenschaft stu-diert. Ihre Schwer-punkte: Rehabilitations-sport, Sporttherapie undBehindertensport bei

Inneren Erkrankungen. Die 25-Jährigeist jetzt Doktorandin an der Sportwis-senschaftlichen Fakultät. Im nebenste-henden Beitrag beschreibt sie Methodenund Ergebnisse ihrer Diplomarbeit (be-treut von Dr. Lutz Schega) zum Thema„Leistungsbestimmung im Wasser unddie Bewertung leistungsphysiologischerParameter im Vergleich Land- vs. Was-ser-Fahrrad-Ergometrie bei KHK-Pa-tienten“. Mit der Vorstellung ihrerArbeit gewann sie im Dezember ver-gangenen Jahres den wissenschaftlichenWettstreit für Studenten und Nach-wuchswissenschaftler der Sportwissen-schaftlichen Fakultät. Sie erhielt denMeinel-Preis für die beste Leistung allerWettbewerbskategorien.

Einleitung:Das Medium Wasser in seiner Anwen-dungsvielfalt ist hinsichtlich seiner ge-sundheitlich protektiven Bedeutung seitJahrhunderten bekannt und in der Literaturhinreichend beschrieben worden. In derkardiologisch-stationären Rehabilitationstellt das Wissen um die medienabhängigeBelastungs- und Beanspruchungssituationdes Patienten mit Koronarer Herzerkran-kung (KHK) die Basis der gezielten thera-peutisch-objektiven Belastbarkeitskon-trolle dar. Die bisher vorrangig an Landdurchgeführte medizinische Leistungs-diagnostik gilt hinsichtlich der Beurteilungder Belastbarkeit des Herzpatienten imMedium Wasser als unzureichend. DieValidierung des bekannten Zusammen-hangs zwischen mechanischer Leistungund Sauerstoffaufnahme unter Berücksich-tigung der physikalischen Eigenschaftendes Wassers stellt ein weiteres Problem beider Leistungsbestimmung im Wasser dar.Daraus resultierend wurde das Verfahrender Fahrrad-Ergometrie sowohl an Land als

auch im Wasser angewandt, mit dem Ziel,zum einen vergleichende Betrachtungenhinsichtlich der Leistungsphysiologie zuermöglichen und zum anderen ein Unter-suchungsverfahren zu entwickeln, das dieBestimmung der Leistung im Wasser aufGrundlage eines mechanischen Arbeits-ansatzes zulässt.

Methoden:Auf Grundlage einer quasi-experimentel-len Studie wurden zwei KHK-Patienten-gruppen untersucht. Diese absolvierteninnerhalb der ersten Tage der stationärenRehabilitation sowohl an Land auf einemFahrradergometer (FE) als auch im Wasserauf einem Unterwasserfahrrad (UWF)einen stufenförmigen, symptomlimitier-ten, spiroergometrischen Belastungstest.Im Rahmen der Sport- und Bewegungsthe-rapie trainierte in den folgenden 3 Wochendie „Landgruppe“ (n = 9) vorrangig anLand und die „Wassergruppe“ (n = 10)hauptsächlich im Medium Wasser. AmEnde der Rehabilitation wurde das o. g.diagnostische Vorgehen mit beiden Patien-tengruppen wiederholt. Die leistungsphy-siologischen Parameter wurden für beideMedien erfasst und im Sinne eines Prä-Post-Testes statistisch verglichen. Für die beiden Verfahren der Leistungs-bestimmung (mechanisch und leistungs-physiologisch) wurde das o. g. UWF ein-gesetzt, welches über eine spezielle Kon-struktion mit dem FE an Land verbundenwar. Die Probanden saßen dabei bis zu denSchultern eingetaucht (head-out-water) aufdem UWF. Die Ermittlung der mechani-schen Leistung auf Grundlage des leis-tungsphysiologischen Ansatzes erfolgtemittels Durchführung des spiroergometri-schen Belastungstestes und der Erstellungeiner Regressionsgeraden von Sauerstoff-aufnahme bei gegebener Belastungsstufe.Die Bestimmung der mechanischen Leis-tung über den mechanischen Ansatz er-folgte über den Antrieb des UWF miteinem an Land befindlichen Motor. Dabeiwurde die Reaktionskraft des Motors inseiner Aufhängung gemessen und somitdie Leistung in Verbindung mit der ge-wählten Drehzahl bestimmt.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen:Die Steigerung der Leistungsfähigkeitnach 3 Wochen Rehabilitation konnte nurim Rahmen der Landdiagnostik für beideGruppen statistisch nachgewiesen werden.Bei der Leistungsbestimmung über a) dasleistungsphysiologische Verfahren konnteeine mechanische Leistung im Mittel von30,9 Watt und über b) den mechanischenAnsatz eine Leistung im Mittel von 32,5Watt errechnet werden. Diese Leistung be-zeichnen Schega et al. (2002) als medien-abhängige, individuelle Grundleistung. Siewird als mögliche Ursache für das Aus-bleiben der Leistungssteigerung innerhalbder Wasseruntersuchungen aufgeführt. ImVergleich Land vs. Wasser zeigen sich hin-sichtlich der Ausprägung der leistungsphy-siologischen Funktionsparameter signifi-kante Unterschiede. Im Gruppenvergleichprofitierte die „Wassergruppe“ aus qualita-tiver und quantitativer Sicht eindeutigmehr von der Durchführung wasserspezi-fischer Interventionen.

AndrianopuluSprecherin dersächsischenStudierendenEleni Andrianopulu, Sprecherin des Stu-dentInnenrates der Universität Leipzig,wurde Ende November 2002 auch zurSprecherin der Konferenz Sächsischer Stu-dierendenschaften (KSS) gewählt. Sieübernimmt damit die Aufgabe von JulianeDrews, die Ende September zurückgetre-ten war. Eine Neuwahl war zwingend not-wendig, da die KSS satzungsgemäß miteiner Doppelspitze arbeitet.Andrianopulu ist 26 Jahre alt und studiertim 2. Semester Übersetzung in den Spra-chen Spanisch und Griechisch. „Schwer-punkt meiner Arbeit werden die Gesprächeüber die Hochschulfinanzierung, den ge-planten Konsens und die Entwicklung derStudentenwerke sein“, erklärte Eleni An-drianopulu.

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Reha auf dem WasserradJudith Gründer (Institut für Rehabilitationssport, Sporttherapie und Behindertensport) über ihre Diplomarbeit

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AmerikanistikReise zuReligionenBeeindruckt von der enormen Differen-ziertheit der religiösen Landschaft in denUSA zeigten sich 15 Amerikanistik-Stu-dierende, die im Oktober vergangenen Jah-res das Land bereisten. Sie wollten sichdort über die Rolle der Religion im öffent-lichen Leben und in der Politik informie-ren. Wie Professor Hartmut Keil, der dieGruppe leitete, berichtet, ging es vor allemum Probleme wie: die Auswirkungen reli-giöser Überzeugungen auf das alltäglicheLeben in einem Land, das als ausgeprägtreligiöse Nation unter den modernen west-lichen Gesellschaften gilt; das scheinbareParadox der strikten Trennung von Staatund Kirche, wie es im 1. Verfassungszusatzfestgeschrieben ist, einerseits und desgroßen öffentlichen Einflusses religiöserÜberzeugungen auf die Politik anderer-seits; der Stellenwert der sogenanntenZivilreligion, d. h. der symbolischen Prä-senz der jüdisch-christlichen Tradition imöffentlichen Bereich.Die Gruppe nahm an Gottesdiensten ver-schiedenster Glaubensrichtungen teil unddiskutierte mit deren Geistlichen. „Diedoktrinäre Bandbreite innerhalb der vonuns aufgesuchten christlichen Religions-gemeinschaften reichte von rigoros funda-mentalistischen Positionen der SouthernBaptist Convention – wir konnten in Nash-ville ausgiebig mit zweien ihrer Vizepräsi-denten diskutieren – und der Church ofChrist bis zur liberalen Unitarian Univer-salist Association in Boston“, so HartmutKeil. Über die Bedeutung der Zivilreligionwie auch des politischen Einflusses reli-giöser Normen und Werte wurden dieStudenten vor allem von Vertretern vonForschungseinrichtungen an Universitätenbzw. von sogenannten Think Tanks infor-miert. Die Studienreise wurde von verschiedenenInstitutionen und Unternehmen gefördertund führte unter anderem in die HauptstadtWashington, sowie nach Nashville undBoston. Für zwei Teilnehmer können sichnach Angaben von Hartmut Keil für dieRecherche ihrer Magisterarbeiten Aufent-halte an der Smithsonian Institution bzw.an der Harvard University ergeben.Zu ihrer Studienreise bereiten die Studen-ten eine Fotoausstellung vor, um eine mög-lichst breite Öffentlichkeit zu informieren.

ErwachsenenpädagogikInitiative fürgute Tutorien„Ein Feuerwerk an Ideen und Anregun-gen“, „gut strukturiert“, „praxisbezogen“,„Probleme wurden ernst genommen“ –Schlaglichter von Teilnehmern einesWorkshops zur Tutorenqualifizierung (imOktober 2002), organisiert und durchge-führt von der TUT-Initiative. Das sind Stu-dierende am Lehrstuhl für Erwachsenen-pädagogik der Uni Leipzig mit vielseitigenErfahrungen in der Tutorentätigkeit sowieKenntnissen im Bereich der Seminar-gestaltung. Die Initiativgruppe möchte vorallem die Qualität von Tutorien verbessernsowie Tutoren in ihrer Vorbereitung me-thodisch und didaktisch unterstützen. Ausdiesem Grund finden jedes Semester TUT-Workshops statt, die angehenden Tutorenhelfen sollen. Mehr Informationen zur TUT-Initiativeund den Workshops im Internet unterhttp://www.tut.de.lv, telefonisch unter03 41/97 31 486 oder per E-Mail an:[email protected].

MedizinVier Regeln für StudentenAm 28. 11. 2002 wurden die Absolventender Humanmedizin im kleinen Hörsaal desCarl-Ludwig-Instituts feierlich verabschie-det. Die Absolventin Dorothea Lauer hieltdabei eine von vielen Zuhörern als äußerstinteressant empfundene Rede, die hier inkurzen Auszügen dokumentiert wird. „[…] Meine 4 Regeln an Studienanfänger,um möglichst unauffällig durch das Medi-zinstudium zu kommen, lauten:1. Übe Gelassenheit im Umgang mit Wis-

senslücken, optimiere mit kühlem Kopfdas Verhältnis von Lernaufwand undPrüfungserfolg.

2. Lerne von deinen Vorgängern und ihrenPrüfungserfahrungen

3. Bei mündlichen Prüfungen: Erkundigedich nach dem angemessenen Stil desAuftretens und handle danach, die Prä-sentation hat große Bedeutung für denErfolg.

4. Während der Krankenhauspraktika:Übe dich im Umgang mit den Eigen-heiten der Vorgesetzten. […]

Mein Studium ist seit einem halben Jahr

vorbei. Ich bin Ärztin, Ärztin im Prakti-kum. […] Klar habe ich mit zitternden Hän-den meine ersten vier Wochen hinter michgebracht. Ich bin nach dem Studium keinegute Ärztin, ich versuche es zu werden.Man sieht mir an, dass ich jung und uner-fahren bin. Trotz meiner StatussymboleStethoskop und Arztkittel sagte letztenseine Patientin zu mir: Sie haben aber gutBlut abgenommen, Schwester. Daraufhinruft es empört aus dem Nachbarbett: Aberdas ist doch die Frau Doktor! Dieselbe Pa-tientin, die mich vorher noch gebeten hattedas Fenster zu schließen und das Kopfteilhochzustellen. […] Aller Anfang ist schwerund man lernt auch nach dem Studium täg-lich weiter, anders wird es auch nicht er-wartet. […]“

WirtschaftswissenschaftenHervorragendeAbschlüsseBei einer Festveranstaltung im Renais-sance Leipzig Hotel mit anschließendemAbsolventenball hat die Wirtschaftswis-senschaftliche Fakultät im Dezember die229 Absolventen ihrer Studiengänge ge-ehrt. Drei Absolventen erreichten dasGesamtergebnis „mit Auszeichnung“:Diplom-Volkswirtin Heide Köpping, Di-plom-Kaufmann Peter Breitbeck undDiplom-Ingenieur Stephan Mucha. 16 Ab-solventen erhielten die Gesamtnote „sehrgut“. Sie bekamen von der Fakultät eine be-sondere Anerkennungsurkunde zusätzlichzum Diplom, ein Buchgeschenk über dieStadt Leipzig und ein Video der Univer-sität. Erstmals konnten auch Absolventendes deutsch-französischen Doppeldiplom-studienganges geehrt werden, der von der Fakultät mit der Université LumièreLyon 2 durchgeführt wird. 15 Absolventenerhielten jeweils das Diplom der LeipzigerFakultät und den entsprechenden franzö-sischen Abschluss. Auch bei Promotionen, Diplomarbeitensowie in der Forschung der Fakultät wurdenhervorragende Ergebnisse erzielt: Für fünfder Dissertationen aus der Fakultät wurdenForschungspreise verschiedener externerOrganisationen vergeben. Außerdemwurde die hervorragende Qualität mehrererDiplomarbeiten durch Preise gewürdigt.Ein Vertreter der Ernst & Young Stiftungüberreichte den Preis der Stiftung an FrauDr. Peggy Tillich für ihre Dissertation„Ökonomische Analyse der Umsatzsteuer-befreiung der Wohnraumvermietung“.

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Page 27: journal - Universität Leipzighome.uni-leipzig.de/presse/pdf/Journal/2003.pdf · Gleichstellung Noch viel zu besprechen Von Dr. Monika Benedix, Gleichstellungsbeauftragte „Man merkt

Marcelo Dascal ist im laufenden Win-tersemester der Leipziger Leibniz-Pro-fessor. Mit der Einrichtung der Leibniz-Professur am Zentrum für Höhere Stu-dien verfolgt die Universität das Anlie-gen, interdisziplinäre Forschung undGraduiertenausbildung zu befördernund internationale Kontakte zu vertie-fen.Mit Dascal wurde zum ersten Mal einnamhafter Leibniz-Spezialist auf dieProfessur berufen. Er hat in Sao Paulo,Aix-en-Provence und Jerusalem Inge-nieurwissenschaften, Philosophie, Lin-guistik und Epistemologie studiert. Ander Universität in Tel Aviv ist er heuteProfessor für Philosophie.In Leipzig gibt er zwei Seminare: „Leib-niz’s Dialectics“ sowie „Kontroversenund Wissen“. Auch nach Ablauf desWintersemesters bleibt Dascal nocheinige Monate in Deutschland. Diesermöglicht ihm der Humboldt-Preis2002/03.Geboren wurde der heute 62-Jährige inBrasilien. Im Alter von 24 Jahren ginger nach Israel. „Ich bin Jude und ichwollte am jüdischen Staat mitbauen, andiesem Prozess teilnehmen“, sagt er.„Aber im Fußball fühle ich brasilia-nisch.“Dascals Frau Varda stammt aus Uru-guay. Er hat drei erwachsene Töchterund drei Enkelkinder. Der Professor ist ein echtes Sprachtalent: Nach eige-ner Aussage spricht er zehn Sprachen.Beim Interview sprach er vorwiegendDeutsch, unterbrochen nur von der einoder anderen englischen Passage. Diedeutsche Sprache hat er im Goethe-Institut in São Paulo gelernt.

Weitere Informationen zurLeibniz-Professur im Internet:

http://www.uni-leipzig.de/zhs/zhs/leibniz/

Herr Professor Dascal, wie gefällt esIhnen in Leipzig?Leipzig ist eine wunderbare Stadt, nicht zuklein und nicht zu groß. Es gibt viele kul-turelle Angebote. Ich liebe die Musik. Esist eine so musikalische Stadt. Die StadtBachs. Jeden Samstag gehen meine Frauund ich in die Thomaskirche zu Motettenund Kantaten, und wir besuchen Orgel-konzerte in der Nikolaikirche. Leider kön-nen wir nicht ins Kabarett gehen. Dafürmuss man die Sprache noch besser könnenund die Verhältnisse kennen.

Wie steht es mit der Universität?Es ist interessant. Die meisten Studentensind gut. Sie arbeiten, sie haben meine Ar-beitsdisziplin, das ist gut. Aber ich musssagen: Einige kennen nicht viel von derPhilosophie. Es gibt ja auch kein einheit-liches Pflicht-Curriculum für alle. Da ist esauch unmöglich zu wissen, was die einzel-nen Studenten schon mitbringen.Was ich schrecklich finde, ist die Univer-sitätsbibliothek. Das, was ich brauche, istnicht da. Der Leibniz-Teil ist sehr selektivund unvollständig. Das finde ich unglaub-lich, wo wir doch in Leipzig sind.

Was möchten Sie den Studenten mitge-ben?Zuerst möchte ich eine andere Interpreta-tion des Leibnizschen Rationalismus ver-mitteln. Ich glaube, es ist wichtig für Leip-ziger Studenten, zu wissen, wer Leibnizwar. Für mich ist es unglaublich, dass eskeine institutionalisierte Leibniz-Lehre andieser Universität gab. Leibniz war dergroße Denker von Leipzig. Einer der größ-ten Philosophen der Welt.Leibniz ist zugleich sehr neu. Er hat vielgeschrieben – aber wenig veröffentlicht.Die Manuskripte sind jetzt zugänglich,aber es gibt keine komplette Edition. Manweiß also viel über ihn, aber nicht alles. Esgibt neue Dinge zu entdecken. Das ist sehraktuell und sollte Studenten interessieren.Diese Dinge sind auch sehr wichtig für dieheutige Welt. Es sind nicht nur theoretisch-

wissenschaftliche Dinge. Leibniz war zumBeispiel der Erste, der die Idee eines föde-rativen Europas hatte. Seine Ideen zu bear-beiten, das ist wichtig für Leipzig.

Wie sieht die „andere Interpretation“von Leibniz aus?Meine Haltung ist nicht nur logisch wie dietraditionelle Interpretation. Sondern dia-lektisch. Leibniz’ Dialektik ist eine Dia-lektik der Kontroversen, aber auch der Ver-bindung zwischen den Menschen. Dasunterscheidet sich von Hegels Dialektikund der von Marx, auch von der Platons.Das hat was zu tun mit einem wirklichenDialog der Menschen und damit, wie Op-positionen aufzulösen sind. Eine solcheInterpretation ist ein Beispiel für die neuenDinge, die man finden kann, wenn manLeibniz studiert.

Ist es das, was Sie unter „soft reason“verstehen?Ja. Das ist eine wirkliche Form von Ratio-nalismus. Die sagt: Man muss nicht irra-tional sein, wenn man Probleme durch eineLogik löst, die nicht die strenge deduktiveLogik ist.

Also eine andere Logik. Wodurch ist diegekennzeichnet?Zum Beispiel durch die Nutzung einesWahrscheinlichkeitskalküls. Im Bereichdes Rechts beispielsweise hat man nicht dieMöglichkeit, nur deduktive Logik zu be-nutzen. Das ist nicht genug. Das ist etwas,das ich den Studenten mitgeben möchte. Das andere ist die Generalisierung derIdeen Leibniz’, dass die Kontroversennicht marginale Phänomene sind. Sie sindder Motor der intellektuellen Entwicklung.

Sie haben einmal über Leibniz, den„Polemiker“ geschrieben. Was bedeutetdieses Attribut?Leibniz hat eine große Korrespondenz mitvielen Wissenschaftlern, Politikern, Theo-logen geführt. Er hat diskutiert, er hat po-lemisiert. Er hat nach Lösungen für die

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„Ich möchte Leibniz nicht enttäuschen“Der Leibniz-Professor Marcelo Dascal im Interview

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großen Probleme der Zeit gesucht. ZumBeispiel für die Separation der Religionen.Er wurde zwei Jahre vor dem Westfäli-schen Frieden geboren. Für den jungenLeibniz war die Nachkriegserfahrungschrecklich. Deutschland war kaputt, diehalbe Bevölkerung tot. Er wollte nicht,dass so etwas noch einmal passiert. Seinganzes Leben hat er die Basis für einenDialog entwickelt. Für diesen Dialog hat ereine Methode entwickelt. Für ihn warenDiskussionen und Debatten dialektischeMethoden, um neue Lösungen für Pro-bleme zu finden. Diese Methoden sindauch heute essentiell für einen Fortschrittim Denken und für die Lösungen unsererProbleme.In diesem Sinne war er ein Polemiker.Nicht, um den Opponenten als dumm da-stehen zu lassen, sondern um aus dessenPosition das Gute herauszuholen. Hegelhat gesagt, das sei schlimm, ein bisschenvon hier und ein bisschen von da zu neh-men. Aber für Leibniz gibt es gibt so etwasGutes in allen Positionen. Man muss es nurfinden.

Verlassen wir Leibniz mal für einen Mo-ment. In Ihrem Anrittsvortrag haben Sieüber Transparenz in der wissenschaft-lichen Kommunikation gesprochen. Dahaben Sie gesagt: „Eine wahre Interdis-ziplinarität ist schwer zu erreichen.“Wie meinen Sie das?Man spricht viel über Interdisziplinarität.Man glaubt, dass sie wichtig ist. Ich habe

sehr viel Erfahrung mit Interdisziplinarität.Als Forscher und als Dekan.Ich habe das Thema viel studiert. Ich ge-höre auch einer internationalen Gemein-schaft an namens „Cognitive science“. Dasist eine „Föderation” verschiedener Diszi-plinen. Linguistik, Philosophie, Computer-wissenschaft und andere. Die gibt es jetztseit rund 20 Jahren. Sie hat zu einer be-sonderen Integration zwischen diesen Dis-ziplinen geführt. Aber es gibt weiterhinDinge, die nicht integriert sind.Das Problem ist immer: Wie können Leute,die verschiedenen Disziplinen angehören,verstehen, was die anderen sagen. Wie kön-nen Sie wirklich deren Perspektive nach-vollziehen. Wie tief ist der Dialog? Nor-malerweise bleibt jeder in seiner Perspek-tive. Diese gibt ihm die Grundbegriffe unddie methodologischen Werkzeuge sowiedie Kriterien für die Verarbeitung andererPositionen. Im ersten Moment einer Diskussion wirdjeder seinem Gesprächspartner aus eineranderen Disziplin sagen: Du kannst michnicht kritisieren. Meine Aussagen beruhenauf meinen Kriterien. Man wird zunächstnicht bereit sein, auch diese Kriterien kri-tisieren zu lassen. Man sieht seine Positionals heilig an, als unantastbar. Es gibt eineMauer. Die muss weg – nur dann gibt eswahre Interdisziplinarität.

Wann und wie sind Sie zu Leibniz ge-kommen?Ich habe Ingenieurwissenschaften und

Philosophie studiert. Meine Lehrer habenmir die Verbindung zwischen Naturwis-senschaften und Philosophie als etwas sehrWichtiges vermittelt. Dann brauchte meineUniversität einen Philosophen, der keineAngst vor Physik, Mathematik und Co.hatte. Einer wie ich war sehr willkommen.Als Assistent durfte ich dann Logik lehren. Als ich also studierte und lehrte, suchte ichnach einem Vorbild, einem Denker, zu demich aufsehen kann. Leibniz schien für micheine solche Person zu sein. Ich habe michentschieden, ihn näher kennen zu lernen.Seine Metaphysik war zwar nicht so inter-essant für mich. Mich interessiert, wie mandenkt, wie man Wissen „baut“. Ich bin also allein aus intellektuellen Grün-den zu Leibniz gekommen. Und: Wennman studiert, ist es auch wichtig, etwas zufinden, wo man noch einen neuen Beitragliefern kann.Als ich meine Dissertation vorbereitethabe, habe ich entdeckt, dass es etwas gab,dass vor mir niemand als Fokus seiner For-schung genommen hatte. Meine Disserta-tion habe ich über die Semiotik von Leib-niz geschrieben. Ich habe den Begriff des „Zeichens“ zum Kern meiner For-schung gemacht. Das entsprechende Buchist heute ein Klassiker in der Leibniz-Lite-ratur. Es ist zuerst auf Französisch erschie-nen unter dem Titel „La Semiologie deLeibniz“. Später habe ich dann die Dialektik gefun-den. Mein nächstes Buch wird „Leibniz’Dialektik“ heißen.

Wann wird es erscheinen?Hoffentlich 2004.

Was bedeutet Ihnen die Leibniz-Profes-sur?Sie ist für mich sehr wichtig. Sie zu be-kommen, war sehr bewegend für mich.Aber sie bedeutet natürlich auch eine großeVerantwortung. Ich möchte Leibniz nichtenttäuschen. Es wäre schön, wenn ich ei-nen Beitrag dazu leisten kann, dass dieLeibniz-Lehre hier etabliert wird. Undwenn ich noch mal kommen muss, um daszu erreichen, dann komme ich – auch ohneLeibniz-Professur.

Womit beschäftigen Sie sich sonst noch?Ich interessiere mich für die Verbindungzwischen Zeichen und Denken. Dafür habeich auch ein Forum geschaffen: die Zeit-schrift „Pragmatics & Cognition“. Wie Siesehen: interdisziplinär!

Interview: Carsten Heckmann

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Marcelo Dascal mit seiner Frau Varda nach seiner Antrittsvorlesung. Foto : Carsten Heckmann

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Die Stimme ist leise, die Sätze sind kurz.Nach dem Motto: Warum soll ich übermich viele Worte machen. So sind es eherStichworte, die einem kundigen Zuhörerdoch wohl alles Nötige sagen. Oder? Na-türlich nickt man da – im Geiste – pflicht-schuldigst mit dem Kopf und lenkt viel-leicht das Gespräch doch lieber von Stero-iden und Terpenoiden hinüber zur jüngstenInszenierung des Leipziger Schauspielsoder gar zur Bochumer Reminiszenz anPina Bausch. Gewiss, zwei weit entfernteGebiete, auf denen der frisch gebackeneEmeritus Peter Welzel aber gleichermaßenzu Hause ist: die Naturstoffchemie, die erseit 1993 bis 2002 als „zuständiger“ Pro-fessor an der Universität Leipzig vertretenoder muss man besser sagen: verkörperthat, und die Schauspielkunst, die er seitJahrzehnten als Freund und Bewunderer,seit kurzem auch als Förderer, nämlich inseiner Eigenschaft als Gründungsvorsit-zender des Freundeskreises SchauspielLeipzig e. V., begleitet.Im Herbst 2002 in den Ruhestand verab-schiedet, hat er doch in dem schönen Neu-bau der Chemie noch immer einen Ar-beitsplatz. Vielleicht muss er wie ein Spit-zensportler langsam abtrainieren. Von ihmwurde nicht umsonst gesagt: Früh der erste,abends der letzte. Und Frau Dekanin Hey-Hawkins unterstrich zum Abschied: Siesind einer der aktivsten Menschen, die ichkenne. Und lautete sein Spitzname nicht„C7“, sollte heißen: der arbeitet für zweiProfessoren? Vielen galt und gilt er als derForschertyp schlechthin: kreativ, hartnä-ckig, genau, bescheiden, anregend. Ja, alsgroßer Anreger interdisziplinärer, fakul-tätsübergreifender Forschungsverbündewird er ins Geschichtsbuch der LeipzigerNaturwissenschaften eingehen; zu nennensind zum Beispiel das Innovationskolleg„Chemisches Signal und biologische Ant-wort“, das Graduiertenkolleg „Mechanisti-sche und Anwendungsaspekte nichtkon-ventioneller Oxidationsreaktionen“, dieSonderforschungsbereich-Initiative „Bio-aktive Liganden kommunikativer Proteine:Sonden zur Strukturerkennung und Funk-tionsanalytik“, die Konzipierung des Bio-

technologisch-biomedizinischen Zentrumsund jüngst die Einrichtung des Promo-tionsstudiums „Grenzgebiete der Chemie“.In seiner Person hat Peter Welzel, was fürdie wissenschaftliche und moralische Er-neuerung der Universität nach 1990 vonunschätzbarem Wert war, immer auch einStück „deutsche Einheit in Freiheit“ ver-körpert. An ihm, dem unabhängigen, un-angepassten Geist und Wahrheitsfanatiker,konnte man sich orientieren, wenn es nun-mehr galt, Freiräume zu entdecken undauszufüllen. Geboren im Osten, in Eis-leben, wurde ihm, dem Mitglied der Jun-gen Gemeinde, trotz bestem Abitur desJahrgangs in Sangerhausen das Chemie-Studium verweigert, weil er es am gesell-schaftspolitischen Engagement für denSED-Staat fehlen ließ. So ging er 1956 inden Westen, holte hier das Abitur nach undmusste, auf sich allein gestellt, mit einemkargen Stipendium auskommen. „Das Le-ben war härter, aber solidarischer“, sieht esPeter Welzel im Rückblick. So ermöglichtez. B. sein berühmter charismatischer Leh-rer Burckhard Helferich während des Bon-ner Chemie-Studiums Freitische (Mittag-essen) für Studenten, wenn diese die Fleiß-überprüfung beim Professor bestanden,also den Nachweis erbracht hatten, dass siein der Vorlesung zugehört hatten. Erfah-rungen als Werkstudent bei Bayer ließenden freiheitsliebenden jungen Mann spü-ren, dass die Freiheit der Forschung einhohes Gut ist, dass am ehesten an einerUniversität zu erreichen ist. So war dieLaufbahn als Wissenschaftler und Hoch-schullehrer frühzeitig ins Auge gefasst.Nach Promotion, prägenden Post doc-Jah-ren in London („dieser wunderbaren Thea-terstadt“) beim späteren NobelpreisträgerD. H. R. Barton, in dessen Labor Nach-wuchswissenschaftler aus aller Welt anzu-treffen waren, und Habilitation in Bonnfolgte die Berufung als Professor für Or-ganische Chemie – Naturstoffchemie andie Ruhr-Universität in Bochum, wo er 20Jahre (1973–93) erfolgreich tätig war (und

wo er – um wiederum dem Kunstliebhabergerecht zu werden – die Aufführungeneines Zadek, Peymann oder einer PinaBausch genoss). Hier trat zutage, was er fürsich immer als notwendige Ergänzung zumGrundsatz der Freiheit der Forschung emp-funden hat: sich mit etwas forschend zubeschäftigen, „was auch für andere vonBelang ist“. In seinem Falle hieß das, sichmit Substanzen zu beschäftigen, die biolo-gisch-medizinisch relevant sind.Dieser Prämisse ist er auch in Leipzig treugeblieben. An dieser Universität, wo von1930–45 auch Burckhard Helferich ge-wirkt hatte, das spürte er nach einem erstenGespräch an der Fakultät, wartete eine neueHerausforderung auf ihn: der Wiederauf-bau der Naturstoffchemie, die einst seinLehrer hier begründet hatte. Als er amAbend dieses ersten Tages in dem ihm bisdato unbekannten Leipzig in die Thomas-kirche ging und ein bewegendes Konzerthörte, entschied er sich endgültig, von derRuhr an die Pleiße überzuwechseln – unddas mit sieben DFG-Projekten im Gepäck.Wenn er in der Folgezeit ein immensesArbeitspensum auf sich nahm, dann ausder Verantwortung heraus, seiner innerlichgegebenen „Berufungszusage“ gerecht zuwerden: beizutragen, dass in Leipzig dieWeichen für eine moderne organische Che-mie, die mit der Biochemie eng kooperiert,und für eine Reformierung des Chemie-Studiums gestellt werden. Nach fast zehn Leipziger Universitätsjah-ren könnte man salopp feststellen: Zielerreicht – danke! Zu einer eigenen Bilanzgedrängt, sagt er in seiner wägend-beschei-denen Art: „Ich sehe die Leipziger Chemieauf einem guten Wege“. Seine persön-lichen Wege werden den Ruheständler mitAnführungszeichen nun auch an viele an-dere Orte in Leipzig und Sachsen jenseitsdes Chemie-Gebäudes führen. War seinLeipziger Leben bisher fast ausschließlichmit C-h-e-m-i-e zu buchstabieren, so sollsich das Alphabet wieder erweitern – umK-u-n-s-t und K-u-l-t-u-r natürlich.

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Naturstoffchemieund mehrPeter Welzel emeritiertVon Volker Schulte

Foto: Armin Kühne

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Pathologe G. Geiler 75Mit 63 Jahrenbegann seinwichtigsterLebensabschnitt

Prof. Dr. med.Gottfried Geilerfeierte am 13. De-zember 2002 sei-nen 75. Geburts-tag. Der bekannteLeipziger Patho-loge, der auf demGebiet der Rheu-maforschung ausdem Blickwinkelder Histopatholo-

gie und Immunhistologie mit 200 Vorträ-gen und mit mehr als 100 Buchbeiträgeninternationalen Ruhm erntete, ist schonlange im Ruhestand, hat sich aber nicht zurRuhe gesetzt. Zum 70. Geburtstag von Prof. GottfriedGeiler schrieb einer seiner Habilitanden,Prof. Dr. Peter Stiehl vom Institut für Pa-thologie der Universität Leipzig: „Nach derpolitischen Wende begann für Geiler imAlter von fast 63 Jahren, zu einem Zeit-punkt, an dem andere bereits den verdien-ten Ruhestand vor Augen haben, sein wich-tigster Lebensabschnitt mit einer über-durchschnittlichen Fülle universitärer undüberregionaler Aufgaben und Funktionen,die ihm auf Grund seiner großen wissen-schaftlichen und persönlichen Ausstrah-lungskraft und seiner integren Haltungwährend des Bestehens der DDR wieselbstverständlich zufielen“. Er charakteri-sierte damit einen großartigen Menschen,einen hervorragenden Wissenschaftler undeinen Hochschulpolitiker im besten Sinnedes Wortes. Unvergessen ist mir eine Fakultätsrats-sitzung im Frühjahr 1995, zu der er ausDresden kommend abgehetzt und verspä-tet eintraf, seinen Mantel auszog, sich dieHaare etwas zurückstrich, vorn hinsetzteund ruhig und freundlich die Leitung derSitzung übernahm. Ruhe und Freundlich-keit, verbunden mit wissenschaftlicher undmenschlicher Integrität, einem ungeheurenFleiss, Zielstrebigkeit – das waren und sindjene Eigenschaften, die ihn gerade in jenenturbulenten Zeiten für Universität und Me-dizinische Fakultät unentbehrlich machten. Gottfried Geiler ist sein gesamtes Leben

mit Leipzig verbunden. Er wurde hier ge-boren, ging hier zur Schule und studiertehier Medizin, unterbrochen nur durch dieZeit in der Wehrmacht und eine kurzeAssistenzzeit in Berlin. 1952 promovierteer mit dem Thema: „Der Einfluss des kör-perlichen und seelischen Traumas auf Be-ginn und Verlauf der multiplen Sklerose“.1961 folgte die Habilitation, da war er be-reits seit einem Jahr Oberarzt unter Prof.Gottfried Holle und seit sieben Jahren amInstitut für Pathologie tätig. Nach seinerHabilitation wurde er relativ schnell Hoch-schuldozent, erhielt aber erst 1978 eineaußerplanmäßige Professur. Dennochwurde er auf Grund seiner zahlreichen wis-senschaftlichen Arbeiten und seiner regenVortragstätigkeit international schnell be-kannt. Schon 1969 wählte man ihn in dieGesellschaft für Naturforscher Leopoldina,deren Vizepräsident er 1989 wurde. Seinwissenschaftliches Interesse galt zunächstden krankhaften Veränderungen des Kör-pergewebes bei rheumatischem Fieber, erwandte sich dann aber mehr und mehr derformalen Entwicklung der Rheumatoid-Arthritis zu.1990 wurde Geiler Mitglied des Rektorats-kollegiums der Universität Leipzig. Zwei-mal wählten ihn die Hochschullehrer derMedizinischen Fakultät zu ihrem Dekan,eine Funktion, die er von 1990 bis 1995inne hatte. 1993 wurde er gleichzeitig biszum Ende seiner Dienstzeit 1996 zum Di-rektor des Institutes für Pathologie bestellt.Welche Arbeitslast er in dieser Zeit zu be-wältigen hatte, zeigt sich allein daran, dasser 120 Berufungen zu bearbeiten hatte –immer unter dem Aspekt einer ausgewo-genen Neugestaltung der MedizinischenFakultät. Zugleich war Geiler auch Präsi-diumsmitglied des Medizinischen Fakul-tätentages und Gründungsmitglied vielerwissenschaftlicher Institutionen. Für seineverdienstvolle Tätigkeit erhielt er 1994 dasGroße Verdienstkreuz des Verdienstordensder Bundesrepublik Deutschland und dieCaspar-Borner-Medaille für Verdienste umdie Erneuerung der Universität. Obwohl inzwischen längst im Ruhestand,seiner Universität und Medizinischen Fa-kultät ist er nach wie vor verbunden. DerRektor der Universität Leipzig, Prof. Dr.Volker Bigl, der unter Geiler zunächstProdekan und dann selbst Dekan war, hobin seinem Glückwunschschreiben zum 75. Geburtstag ausdrücklich hervor, dass ernach wie vor „von Ihrem Rat und Ihrer Er-fahrung profitieren“ könne.

Dr. Bärbel Adams

SportwissenschaftenEhrenpromotionfür Herbert HaagAm 9. Dezember 2002 verlieh die Univer-sität Leipzig dem Kieler Sportwissen-schaftler Prof. Dr. em. Herbert Haag dieEhrendoktorwürde „für seine besonderenVerdienste um die Entwicklung der Sport-wissenschaft im Allgemeinen und um dieNeuorientierung der Sportwissenschaftensowie ihre Etablierung an der UniversitätLeipzig nach der politischen Wende im Be-sonderen“, so der Rektor der LeipzigerUniversität Prof. Dr. Volker Bigl in seinerAnsprache.Prof. Herbert Haag ist seit 1990 mit derLeipziger Sportwissenschaft eng verbun-den. Er arbeitete im Auftrag des Sächsi-schen Staatsministeriums für Wissenschaftund Kunst in der Gründungskommissionfür die neue Sportwissenschaftliche Fakul-tät der Universität Leipzig mit und setztesich für den Erhalt einer leistungsfähigenLeipziger Sportwissenschaft ein. Der in München geborene Herbert Haagstudierte an der Sporthochschule Köln, derUniversität Tübingen und in den USA.Nach seiner Promotion folgte er dem Rufals Professor für Sportpädagogik nach Gie-ßen, dann an die Christian-Albrechts-Uni-versität Kiel ebenfalls als Professor fürSportpädagogik und Direktor des Institutesfür Sport- und Sportwissenschaften. An-fang der 90iger Jahre ging er für eineAmtsperiode als Direktor an das DeutscheOlympische Institut nach Berlin und kehrtedann nach Kiel zurück.mProf. Haag gehört zu den bedeutendstendeutschen Sportwissenschaftlern. DieSchwerpunkte seiner Tätigkeit liegen inder Evaluation von Lehr- und Lernprozes-sen im Sport, der vergleichenden Sportpä-dagogik sowie der Forschungsmethodolo-gie. Seine Theorien gingen in die Rahmen-prüfungsordnung für das Magisterstudiumder Sportwissenschaft und in die Prüfungs-und Studienordnung der Sportwissen-schaftlichen Fakultät der Universität Leip-zig ein.

Dr. Bärbel Adams

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Ehrendoktor Herbert Haag und derDekan der SportwissenschaftlichenFakultät, Prof. Jürgen Krug. Foto: ZFF

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Neuberufen:

Volker Gruhnhat am Institut für Informatik den Lehr-stuhl für Angewandte Telematik/e-Busi-ness inne. Es handelt sich um einen Stif-tungslehrstuhl der Deutschen Telekom AG.Und um eine „gut ausgestattete Stelle aneinem dynamischen Fachbereich in einerlebendigen Stadt“, wie Gruhn selbst for-muliert. Ihn hat „der komplette Neuaufbaueines Lehrstuhls“ besonders gereizt, nebender Vielfalt der Themen und einem großenPraxisbezug. Auf die Anforderungen ineben dieser Praxis will er die Studentenvorbereiten und dabei „dazu beitragen,dass Softwareentwicklung als Mix voningenieurmäßigem und künstlerischemVorgehen begriffen wird“.Gruhn hat von 1982 bis 1987 an der Uni-versität Dortmund Mathematik studiert.1991 promovierte er am dortigen Fachbe-reich Informatik über das Thema „Valida-tion und Verifikiation von Softwarepro-zess-Modellen. Von 1987 bis 1991 arbei-tete er als wissenschaftlicher Mitarbeiteram Dortmunder Lehrstuhl für Software-Technologie. Seine erste Professur über-nahm er ebenfalls im Fachbereich Infor-matik in Dortmund. Von 1997 bis 2002 warer dort Professor für Praktische Infor-matik/Spezifikationssprachen. Zwischen1991 und 1997 war er nacheinander Be-reichsleiter Software-Entwicklungswerk-zeuge bei der LION GmbH in Bochum,Bereichsleiter Aus- und Weiterbildung amFraunhofer-Institut für Software- und Sys-temtechnik, Berlin/Dortmund, und Ge-schäftsführer der LION GmbH.Das Spezialgebiet des 39-Jährigen um-fasst: Software-Technologie, komponen-tenbasierte Softwareentwicklung, Soft-warearchitekturen, Architekturen undGeschäftsmodelle von e-Business-Anwen-dungen. Das Forschungsgebiet der Telema-tik, dem der neue Lehrstuhl verpflichtet ist,beschäftigt sich mit der Frage, wie Infor-matik und Telekommunikation kombiniertwerden können, um effizient und effektiveinsetzbare verteilte Softwaresysteme zuentwickeln und zu betreiben. C. H.

Neuberufen:

M. Middendorfist seit dem Wintersemester an der Univer-sität Leipzig Professor für Parallelverarbei-tung und Komplexe Systeme. „Für meineBewerbung war das interessante wissen-schaftliche Umfeld in Leipzig maßgebend,denn persönlich kannte ich Leipzig nicht“,erzählt Martin Middendorf. „Besondersfasziniert hat mich die Tatsache, dass an derUniversität neue Initiativen stattfinden wiezum Beispiel die Gründung des Interdiszi-plinären Zentrums für Bioinformatik. Alsich dann das erste Mal nach Leipzig gekom-men bin, hat mich die Stadt spontan be-geistert.“ Er kann also guten Gewissens seinZiel verfolgen, ausländische Wissenschaft-ler dazu zu bewegen, für Forschungsaufent-halte nach Leipzig zu kommen.Geboren wurde der heute 42-Jährige inHannover. Dort studierte er Biologie biszum Vordiplom und Mathematik bis zumDiplom. Auch promovierte er dort – in In-formatik. Das Thema seiner Dissertationvon 1992: „Zur Komplexität von Wort-mengenproblemen“. Seine Habilitations-schrift (1998 an der Uni Karlsruhe) trägtden Titel „Plan Merging und verwandteProbleme“. Seine Beschreibung in Kurz-form: „In der Arbeit werden Methoden ent-wickelt mit denen sich Planungsproblemeeffizient auf Rechnersystemen lösen las-sen. Dabei geht es beispielsweise um Pro-bleme der Ablaufplanung für Produktions-systeme oder um die Reihenfolgeplanungvon Experimenten. Interessanterweise tre-ten strukturell verwandte Probleme auch inder Bioinformatik bei der Analyse der ge-netischen Information auf.“mIn seiner Laufbahn ist Middendorf viel her-umgekommen. Zu seinen Stationen zählenNewcastle in Australien, Dortmund undEichstätt. Außerhalb seines Fachs hat ersich lange Jahre für gefährdete Tierarteneingesetzt und für die niedersächsischeNaturschutzbehörde gearbeitet. „Heutekomme ich leider nur noch selten dazu“,bedauert er. Außerdem interessiert sich derverheiratete Professor für Kunst, insbeson-dere Graphik, und reist gerne. C. H.

Neuberufen:

Tim Drygalaist nun auf die Professur berufen worden,die er bereits ein Jahr lang vertreten hatte,nämlich die für Handels- und Gesell-schaftsrecht sowie Wirtschaftsrecht. „DieStelle entspricht von ihrem Zuschnittgenau meinen wissenschaftlichen Interes-sen“, sagt der 39-Jährige. Und damit nicht genug: „Die Juristenfakultät enga-giert sich stark in der Lehre und arbeitetdaran, innovative Konzepte in der Juristen-ausbildung zu verwirklichen. Daran mit-zuwirken ist für mich eine große Freude.“Besonders liege ihm an der Verstärkungdes Kontakts zwischen Universität undPraxis.Drygalas Spezialgebiete machen deutlich,dass er an der richtigen Stelle gelandet ist.Er kennt sich sehr gut aus im Recht derHandelsgesellschaften mit den Schwer-punkten GmbH und AG, sowie insbeson-dere mit dem Konzernrecht und dem Ka-pitalmarktrecht. Nicht umsonst trägt seineHabilitation aus dem Jahre 1999 den Titel„Inhaltskontrolle von Kapitalmarktpapie-ren“. Promoviert hatte er 1990 zum Thema„Gläubigerschutz bei der Betriebsaufspal-tung“ – in Gießen, wo er von 1982 bis 1987Rechtswissenschaften studierte. Das an-schließende Rechtsreferendarasiat absol-vierte er von 1989 bis 1992 in Frankfurt amMain.Geboren ist Drygala ganz woanders: in Lü-beck. Dorthin hat es ihn aber nie wieder zu-rück verschlagen. 1992 wurde er Hoch-schulassistent am Institut für Handels- undWirtschaftsrecht in Bonn und blieb dort bis1997. Anschließend übernahm er eineLehrstuhlvertretung an der TU Darmstadtund verbrachte 2000 einen sechsmonatigenForschungsaufenthalt an der Harvard-Uni-versity in den USA.Drygala hat wichtige Aufsätze zur Rolleder Finanzanalysten am Kapitalmarkt undzur Verhaltenshaftung im Konzern publi-ziert. Wenn er gerade nicht arbeitet, wid-met er sich seiner dreijährigen Tochter undseinen Hobbys: Segeln, Motorradfahren,Kochen – und Essen! C. H.

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NOMENNamenforscher Prof. Jürgen Udolph zurHerkunft des Namens „Drygala“

Unter ca. 40 Millionen Telefonteilnehmernist der Name Drygala 85mal bezeugt. Erhat die Varianten Drygal (18mal), Drygalla(118mal), Drygalski (21mal) und Dry-galsky (mal) neben sich. Die Verbreitungzeigt Schwerpunkte in Norddeutschland,vor allem im Ruhrgebiet, in Sachsen-An-halt, Niedersachsen und Bremen. Süd-deutschland ist kaum betroffen.Die Endung des Namens Drygala weist aufpolnische Herkunft. Leicht variiert findetsie sich auch im Namen des jetzigen Paps-tes, der vor seiner Wahl den Namen Wojtylatrug. In Polen findet sich Drygala in derdort korrekten Schreibung Drygała (miteinem sogenannten „harten“ -l-) 933 mal,wobei die meisten Namen in den BezirkenKalisch und Kattowitz bezeugt sind.In der Deutung kann man dem Vorschlagvon K. Rymut (Krakau) folgen, der denNamen zusammen mit zahlreichen weite-ren wie Dryga, Drygan, Drygiel, Dryglazum polnischen Verb drygac „zittern, zu-cken (vor allem von Gliedern des mensch-lichen Körpers)“ zieht. Mit einiger Wahr-scheinlichkeit bezog sich die Namen-gebung auf ein auffälliges körperlichesMerkmal des ersten Namenträgers.

Ehrendoktor inTadschikistan

Dr. Walter Drauschke,langjähriger Mitarbeiterder Universität Leipzig,1965 in Halle zum Doktorder Landwirtschaftswis-senschaften promiviert, be-kam jetzt von der Tadschi-

kischen Agraruniversität die Ehrendoktor-würde verliehen. Die Hochschule würdigtedamit „seine umfangreichen Leistungenund Arbeiten, die er an unserer Universitätdurchgeführt hat“. Der 68-jährige, der inLeipzig unter anderem an den Instituten fürDüngungsforschung und für TropischeLandwirtschaft arbeitete, war an der Agrar-universität im Oktober/November 2002 alsGastdozent tätig. Seit seinem ersten Be-such 1991 pflegt er Kontakte dorthin. Die Leitung der Agraruniversität ist sehr aneiner Zusammenarbeit mit der UniversitätLeipzig interessiert. Der Prorektor für Wis-senschaft Professor Mirsojew wird even-tuell in diesem Jahr Leipzig besuchen.

Der Leipziger Physiker und EhrensenatorProfessor Dr. Werner Holzmüller feierteam 15. 12. 2002 seinen 90. Geburtstag. Die Polymerphysik war ein Schwerpunktinnerhalb Holzmüllers wissenschaftlicherTätigkeit an der Universität Leipzig. Zuseinen Veröffentlichungen zählen sowohlfachgebundene Lehrbücher als auch Ab-handlungen, die sich mit Fragen der Um-welt, der Biologie und der Kosmologie be-schäftigen. In einem seiner späteren Bü-cher mit dem Titel „Das Ende“ warnt er vordem Einsatz der Atombombe. Auch heutenoch ist Prof. Holzmüller in verschiedenenwissenschaftlichen Gesellschaften aktivtätig. Eva Martinek sprach dem Jubilar.

Prof. Holzmüller, seit Ihrem 16. Lebens-jahr beschäftigen sie sich intensiv mitder Physik. Ein Sprichwort verspottetdiese Wissenschaft: Chemie ist das, wo’skracht und stinkt, Physik ist das, wo’snie gelingt. Wie erklären sie sich das Zu-standekommen solch einer „Weisheit“? Das ist natürlich historisch bedingt und da-durch, dass die Naturwissenschaften in denSchulen gelehrt werden. Dort ist es häufigso, dass die Voraussetzungen für die Expe-rimente nicht so stimmen. Es ist ein Zei-chen unserer Toleranz, dass wir es dabeiimmer ein bisschen von der fröhlichenSeite nehmen und gar nicht böse sind, wennman sagt, dass es nicht gelingt. Meistensgelingt es aber doch am Ende.

Und welcher Grund war für Sie aus-schlaggebend, sich eingehender mit derPhysik und ihren Experimenten zu be-schäftigen? Das liegt schon in der frühesten Jugend be-gründet. Ich war in der Schule nicht so sehrsportlich und daher gab es wohl so eineVerdrängung nach den Naturwissenschaf-ten. Bereits im Alter von 16 Jahren bin ichzu den Sonntagsvorlesungen von Dr. Sän-gewald im Physikalischen Institut gegan-gen, so dass ich genaugenommen jetztschon seit über 70 Jahren Angehöriger der„Leipziger Physik“ bin. Meine Veranla-gung liegt bei mir einfach auf dem natur-wissenschaftlichen Sektor.

Gab es schon als Schüler für Sie Vorbil-der, an denen Sie sich orientiert haben?Es waren die ersten Entdeckungen auf demGebiete der Atomphysik, die mich ammeisten faszinierten. Es gab an der Leipzi-ger Volkshochschule Kurse über diese Fra-gen, die ich schon als Schüler besuchte.

Was ist Ihnen aus Ihrer Studienzeit inLeipzig vorrangig in guter in Erinne-rung geblieben?Ich hatte das große Glück, zu der Zeit zustudieren, als der Nobelpreisträger WernerHeisenberg mit seinem OberassistentenCarl Friedrich von Weizsäcker aufbauendauf den Arbeiten von Einstein und Planckin Leipzig die Quantenphysik entwickel-

ten. Mein Doktorvater – der No-belpreisträger Debye – setzte hierauch seine Arbeiten über polare Mo-leküle fort, wobei die drei Doktoran-ten Malsch, Martin und ich in unse-ren Arbeiten den experimentellenNachweis erbrachten, dass sich be-stimmte Stoffe in elektrischen Wech-selfeldern erwärmen. Darauf beruht

Heft 1/2003

Personalia

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„Man vergisst die Grundlagen“Ehrensenator Werner Holzmüllerfeierte seinen 90. Geburtstag

Freude über ein persönlichesStändchen: Werner Holzmüller anseinem 90. Geburtstag.

Foto : Armin Kühne

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heute nicht nur die für die Medizin wich-tige Diathermie, sondern auch die in fastjedem Haushalt vorhandene Mikrowellezur Erwärmung von Lebensmitteln.

Inwieweit sind Sie in Ihrer weiterenTätigkeit von Ihren Lehrern beeinflusstworden?Durch Prof. Hund und Prof. Debye bin ichauf das Gebiet der Molekülphysik gekom-men. Debyes hydrodynamische Grund-vorstellungen habe ich durch statistischeÜberlegungen, jetzt unter dem NamenPlatzwechseltheorie bzw. Hoppingtheoriebekannt, ergänzt.

Welche Bereiche haben Sie nach demStudium am meisten interessiert?Ich bin dann im Wesentlichen auf dem Ge-biet der Polymerphysik tätig gewesen, auchbei meiner Habilitationsarbeit in Berlin.

Nach Ihrem vierjährigen Aufenthalt inBerlin waren Sie 1942–1945 Dozent ander Technischen Hochschule Aachen,um dann nach Russland zu gehen …Aachen war ja Kriegsgebiet und die ge-samte Bevölkerung wurde herausgetrie-ben. So kam ich zu meiner Familie ins rus-sische Besatzungsgebiet. Bei den Russenwar man natürlich auch als Wissenschaft-ler bekannt – fast 2000 Wissenschaftler,Konstrukteure und Chemiker wurden mitihren Familien zusammen nach Russlandgebracht. Unsere Aufgabe bestand im We-sentlichen darin, den Stand der deutschenWissenschaft und der deutschen Industriezu vermitteln. Ich würde heute sagen, dassdiese Zeit eine sehr wertvolle und frucht-bare war. Wir konnten den Russen zeigen,dass wir doch keine Unmenschen waren,dass wir ihnen helfen wollten und an derVersöhnung sehr interessiert waren.

Sie waren von 1947 bis 1952 in Russland.Fünf Jahre sind eine lange Zeit …Man sagte uns, dass die Deutschen nachdem Kriege Reparationsleistungen zu er-bringen hätten, und dass auch Wissen-schaftler und Fachkräfte unter guten wirt-schaftlichen Verhältnissen eingesetzt wür-den. Ich bin also mit einem gewissen Op-timismus nach Russland gegangen undhabe die russische Gastfreundschaft undihre Herzlichkeit kennengelernt.

Wie hat sich Ihre dortige Arbeit auf Ihrspäteres Leben ausgewirkt?Ich war in Russland auf dem rein indus-triellen Gebiet eingesetzt worden. Als In-

dustriephysiker konnten wir uns frei be-wegen, in der Hinsicht hatten wir eseigentlich sehr gut getroffen. Entwickelthaben wir Bauelemente der Elektrotech-nik, vor allem die Ferrite, das sind magne-tische Werkstoffe. Schließlich habe ichdieses Wissen mit nach Leipzig gebracht,so dass wir bis heute hier eine Abteilunghaben, die sich mit diesem Gebiet beschäf-tigt.

Inwiefern können einschneidende Ent-wicklungen – wie die der Atombombebeispielsweise – den Blick und die Ein-stellung zur Physik verändern?Es ist so, dass Otto Hahn und Fritz Straß-mann, die die Kernspaltung des Urans unddie Möglichkeit für Atombomben durcheinsetzende Kettenreaktionen entdeckten,gar nicht an diese Auswirkungen gedachthaben. Sie haben nur an die reine Wissen-schaft gedacht, und das gilt auch für michin Bezug auf die Anwendung der in meinerDissertation erarbeiteten Mikrowellen-erwärmung.

Man entwickelt nicht eine gewisse Skep-sis gegenüber der Atomphysik?Ich habe mir Hiroshima angesehen. Es istfürchterlich zu sehen, was aus der Atom-physik entstanden ist. Man hatte eine all-gemeine Angst vor der Kernenergie be-kommen. Das führte dazu, dass alles, wasmit Kernenergie zusammenhängt, jetztnicht geachtet wird und man sich davonentfernt. Ich bin der Meinung, dass dieKernenergie – zu friedlichen Zwecken an-gewandt – eine saubere Form der Energie-gewinnung ist. Natürlich muss man – imGegensatz zur früheren Sowjetunion – alleSicherheitsvorschriften beachten.

Sie haben eine Menge Bücher veröffent-licht. Auf welches Werk sind Sie be-sonders stolz?Für besonders wichtig halte ich mein„Lehrbuch für technische Physik“, das inmehreren Auflagen erschien, und dann dasBuch „Physik der Kunststoffe“. Beide sind vermehrt im Unterricht eingesetztworden.

Robert Park, ein amerikanischer Physi-ker, schreibt in seinem letzten Buch„Fauler Zauber – Betrug und Irrtum inden Wissenschaften“: „Selbst bedeu-tende Wissenschaftler haben im Laufihrer Karriere Ergebnisse eigentlich un-wichtiger Versuche dergestalt fehlinter-pretiert, dass sie in der Folge davon

überzeugt waren, eine phantastischeEntdeckung gemacht zu haben. Außer-dem neigen Wissenschaftler genau wiealle anderen Menschen dazu, das zu se-hen, was sie sehen wollen.“ Ist da wasdran?Das ist schon wahr. Die Wissenschaft ist sogroß, dass man die Grundlagen vergisst.Die alten Gesetze werden unbekannt, undman „erfindet“ alles neu und glaubt damit,auch eine ganz neue Physik zu entwickeln.Ich halte mich an Isaac Newton, der gesagthatte: „Hypotheses non fingo“ – „Ichdenke mir keine Hypothesen aus, die nichtdurch die Erfahrung bestätigt sind“. DieserGrundsatz ist bei einigen Physikern in Ver-gessenheit geraten.Eine gewisse Einseitigkeit innerhalb dernaturwissenschaftlichen Forschung ist be-obachtbar und war immer üblich. Es gabimmer eine herrschende Vorstellung undwer dagegen redete, der wurde früher ver-brannt – Giordano Bruno wurde noch um1600 verbrannt, weil er an der Erde alsMittelpunkt der Welt zweifelte. Heute wirdman nur totgeschwiegen.

Sie sind ein waschechter Leipziger undhaben abgesehen von der Zeit zwischen1938 und 1952 immer hier gelebt. Wasbedeutet Ihnen die Stadt und ihre Men-schen?Ich betrachte mich zwar als Weltbürger, binaber letzten Endes ein Leipziger. In mei-nem Büchlein „Fröhliche Stunden in erns-ten Zeiten“ gibt’s dazu eine schöne Ge-schichte mit dem Titel „Wir Sachsen“. DieSachsen sind meiner Meinung nach zu ver-gleichen mit einem Gras, wo der Sturmdrüber hinweg geht, aber es bleibt erhalten,denn es ist im Boden verwurzelt. Dienordischen Eichen werden vom Sturm ge-fällt … Die Sachsen sind am schnellstendabei, wenn es darum geht, ihre Meinungzu ändern. Nur so wird ein Überleben ge-sichert. Die Sachsen sind fleißig und habensehr viel geleistet – auch in Kunst, Litera-tur, Musik und Schriftstellerei …

Am 15. Dezember 2002 konnten Sieihren 90. Geburtstag begehen. Was war– oder ist noch – Ihr größter Wunsch?Ich wünsche mir eine stärkere kritischeBeachtung meiner in den letzten Jahrenerschienenen Bücher. In Bezug auf dieAusbildung tüchtiger Physiker würde ichfür mehr Praxisnähe schon während derSchulzeit plädieren, damit nicht nur unver-standene Formeln auswendig gelernt undschnell wieder vergessen werden.

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Kurz gefasstProf. Dr. Manfred Rudersdorf vom His-torischen Seminar ist von der Studienstif-tung des deutschen Volkes für eine zweitevierjährige Amtsperiode zum Vertrauens-dozenten an der Universität Leipzig be-stellt worden.

Professor Dr. Holger Preißler, Religions-wissenschaftliches Institut, wurde am 3. Dezember 2002 als Mitglied des „Kura-toriums für ein weltoffenes Sachsen“ beru-fen.

Privatdozent Dr. Attila Tárnok aus derKlinik für Kinderkardiologie des Herzzen-trums Leipzig GmbH der Universität Leip-zig ist zum Vizepräsidenten der DeutschenGesellschaft für Zytometrie (DGfZ;www.dgfz.org) mit Sitz in Heidelberg ge-wählt worden (Zytometrie ist die Messungvon Zellgrößen mittels eines Messokulars).

Prof. Dr. Karen Nieber, Institut für Phar-mazie, wurde vom Bundesministerium fürGesundheit für den 6. Berufungszeitraum(2003–2007) in den Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht beru-fen. Weiterhin wurde sie in den Vorstanddes Deutschen Pharmazeutinnen Verban-des (dpv) gewählt.

Dr. Antje Böttner, Assistenzärztin an derKlinik und Poliklinik für Kinder und Ju-gendliche, erhielt im Rahmen des STEPS-AWARD 2002 den 1. Preis der Arbeits-gemeinschaft Pädiatrische Endokrinologieder DGKJ/Sektion Pädiatrische Endokri-nologie der Deutschen Gesellschaft fürEndokrinologie (APE/SPE) zur Förderungdes wissenschaftlichen Nachwuchses fürdie wissenschaftliche Arbeit „Characteri-zation of Adipocytokine Expression andSecretion During Differentiation of HumanAdipocytes.“ Der Preis ist mit 2 600 e do-tiert und wurde während der 19. Jahres-tagung der Arbeitsgemeinschaft/SektionPädiatrische Endokrinologie der Deut-schen Gesellschaft für Kinderheilkundeund Jugendmedizin und der Deutschen Ge-sellschaft für Endokrinologie in Reckling-hausen überreicht. Sponsor des Preises istdie Firma Serono Pharma GmbH.

Einer der Posterpreise der Society forPsychophysiological Research wurde aufeiner Tagung in Washington (USA) anDipl.-Psych. Urte Roeber, Institut für All-

gemeine Psychologie, verliehen. Der Titeldes Posters lautete „ERP transitions fronnon-rivalrous to rivalrous binocular stimu-lation“. Mit dem Preis wird ein Schecküber 300 $ übergeben.

Dr. Johannes Jungbauer, SelbständigeAbteilung für Medizinische Psychologieund Medizinische Soziologie, wurde fürseine Studie „Partner schizophrener Pa-tienten – Belastungslagen, Bewältigungs-strategien, Lebensentwürfe“ mit dem For-schungspreis 2002 der Deutschen Gesell-schaft für Psychiatrie ausgezeichnet. DieArbeit entstand im Rahmen eines For-schungsprojektes an der Klinik und Poli-klinik für Psychiatrie und ist im Psychia-trie-Verlag Bonn erschienen.

Prof. Dr. Ursula Froster, Direktorin desInstitutes für Humangenetik, wurde in denVorstand der Sächsischen Krebsgesell-schaft gewählt.

Die University of Cape Town, Faculty ofHealth Sciences, Südafrika, hat HerrnProf. Gottfried Alber, Institut für Immo-nologie an der Veterinärmedizinischen Fa-kultät, zum „Honorary Professor“ an derdortigen Abteilung für Immunologie er-nannt.

Prof. Dr. Fred Wagner, Professor für Ver-sicherungbetriebslehre an der Wirtschafts-wissenschaftlichen Fakultät, ist in denFachbeirat der neu gegründeten Bundes-anstalt für Finanzdienstleistungsaufsichtbestellt worden. Dem Fachbeirat kommtdie Aufgabe zu, Präsident Sanio bei seinenAufgaben in der Bankenaufsicht, der Ver-sicherungsaufsicht und der Wertpapierauf-sicht fachlich zu unterstützen.

GeburtstageFakultät für Geschichte,Kunst- und Orientwissenschaften65. GeburtstagProfessor Dr. Elke Blumenthal, Ägyptolo-gisches Institut, am 25. Januar Professor Dr. Claus Wilcke, Altorientali-sches Institut, am 23. Februar

Sportwissenschaftliche Fakultät60. GeburtstagProf. Dr. Klaus Nitzsche, Institut für Be-wegungs- und Trainingswissenschaft der Sportarten, am24. Januar

Medizinische Fakultät60. GeburtstagProf. Dr. med. Hans-Gerd Gräfe, Universi-tätsklinik und Poliklinik für Kinderund Jugendliche, am 1. Februar65. GeburtstagProf. Dr. rer. nat. Klaus Dähnert, Institutfür Medizinische Physik u. Biophysik, am2. FebruarProf. Dr. med. Dieter Reißig, Institut fürAnatomie, am 5. FebrurarProf. Dr. med. Wolfgang Reuter, Medizini-sche Klinik und Poliklinik IV, am 19. Fe-bruar75. GeburtstagProf. Dr. med. Joachim Dietzsch, ehem.Frauenklinik, am 9. JanuarProf. Dr. med. Werner Göhler, ehem. Insti-tut für Rechtsmedizin, am 28. Februar80. GeburtstagProf. Dr. med. Irmgard Lorenz, ehem. In-stitut für Biochemie, am 22. Februar

Fakultät für Mathematikund Informatik65. GeburtstagProfessor Dr. Siegmar Gerber, Institut fürInformatik, am 29. Januar

Der Rektor der Universität Leipzig und dieDekane der einzelnen Fakultäten gratulie-ren herzlich.

(Die Geburtstage werden von den Fakul-täten gemeldet. Die Redaktion übernimmtfür die Angaben keine Gewähr.)

HabilitationenFakultät für Physik und GeowissenschaftenDr. Uwe Harlander (11/02):On Rossby wave propagation in atmosphere andocean

Wirtschaftswissenschaftliche FakultätDr. Werner Schneider (11/02):Kollapsanalyse quasistatisch belasteter stählernerSchalentragwerke

Medizinische Fakultätjeweils 11/02:Dr. Michael Deininger:Hemmung der Bcr-Abl-Tyrosinkinase durch Imatinib,einen selektiven pharmakologischen Inhibitor: Prä-klinische und klinische Evaluation und Studien zurPathogenese der chronischen myeloischen Leukämie(CML)Dr. Thomas Friedrich:Klinische und tierexperimentelle Untersuchungen zurProblematik der Parese des N. laryngeus recurrensnach SchilddrüsenoperationenDr. Wolfgang Harth:Soziokulturelle und psychische Einflussfaktoren inder Dermatologie

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Personalia | Habilitationen

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Dr. Guido Hildebrandt:Mechanismen der antiinflammatorischen Wirkungniedrig-dosierter RadiotherapieDr. Steffen Leinung:Untersuchungen zur klinischen Relevanz dissemi-nierter Tumorzellen im Knochenmark bei Patientenmit einem Mammakarzinom, Magenkarzinom oderkolorektalen KarzinomDr. Anja Saalbach (12/02):Das humane Thy-1 – ein induzierbares Aktivierungs-antigen auf humanen dermalen mikrovaskulären En-dothelzellen und seine Bedeutung für die Zell-Zell-AdhäsionDr. Anette Weber (12/02):Genexpressionsanalyse in Plattenepithelkarzinomendes Kopf-Hals-Bereiches und deren Lymphknoten-metastasen

Philologische FakultätDr. Anke Levin-Steinmann (1/03):Bedeutung und Funktionen der kopulalosen I-Peri-phrasen im Bulgarischen

PromotionenWirtschaftswissenschaftliche Fakultätjeweils 7/02:Hoai Ngoc von Doan:Die Gewinnermittlung und das Verhältnis der Han-delsbilanz zu steuerlichen Bemessungsgrundlagen inder vietnamesischen Rechnungslegung und Besteue-rungHeinz Michael Horst:Förderung des Mittelstands in den neuen Bundeslän-dern – Möglichkeiten und Grenzen – unter besonde-rer Berücksichtigung der historischen Bedingungen inder Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) und der Deut-schen Demokratischen Republik (DDR)Dietmar Michel:Die Steuerung von strategischen Fabrikbauprojektenim dynamischen Markt der Automobilindustrie – ab-geleitet aus Industriebauprojekten der DaimlerChrys-ler AGjeweils 10/02:Pham Hung Tien:Erfolgsfaktoren in vietnamesisch-ausländischenJoint-VenturesDana Vosberg:Markt für Personaldienstleistungen – eine theoreti-sche und empirische AnalyseKarsten Höhn:Nichtlineare Strukturanalyse imperfekter windbela-steter schlanker stählerner KreiszylinderschalenAlexander Sint:Duktilität von Biegebauteilen bei Versagen der Be-tondruckzonejeweils 11/02:Robert Krumbach:Beurteilung der Empfindlichkeit von Spannstählengegenüber wasserstoffinduzierter Spannungsrisskor-rosion mit Hilfe des elektrochemischen RauschensFrank Jungwirth:Untersuchungen zur Krafteinleitung über Zwischen-verankerungen bei externen SpanngliedernHossam Saleh:Ein Beitrag zur Untersuchung und Bemessung vonstumpf gestoßenen Fertigteilstützen aus normalfe-stem BetonChristoph Nahm (12/02):Grundlagen der Berechnung von innenliegendenDehnfugenbändern mit Hilfe der Finiten-Element-Methode

Fakultät für Chemie und Mineralogiejeweils 7/02:Khalid Mohammed Abu Ajaj:Synthesis of Phosphonate Analogues of the Antibio-tic Moenomycin A12

Thomas Bittner:Untersuchungen zur gaschromatographischen Be-stimmung von 2,4-Dinitrophenylhydrazin-Derivatenleichtflüchtiger Aldehyde und KetoneAntje Meister:Methodische und applikative Untersuchungen zurelektrochemischen Detektion in der Kapillarelektro-phoreseNubia Stella Morales Rodriguez:Untersuchungen zur Optimierung der Extraktion inder Haaranalytik am Beispiel von Opiaten, Cocain,Methadon, Benzodiazepinen und deren MetabolitenRené Sommer:Darstellung, Charakterisierung und katalytischeEigenschaften von Übergangsmetallkomplexen mitP-funktionalisierten Ferrocenylphosphanliganden Martin C. Wende:Entwicklung atomspektroskopischer Verfahren mitmikrowellenassistiertem Druckaufschluss und direk-ter Probenzuführung mittels ETV für die ICP-OESund ICP-MS zur Analyse von Al2O3-PulvernMadina Mansourova (8/02):Verfahren zur Synthese von Strukturanaloga der Moe-nomycin-Antibiotika mit variierter Lipid-EinheitSven Thust (8/02):Anwendung des Substratmimetika-Konzeptes für denProtease-katalysierten Einbau unspezifischer undnichtnatürlicher Aminosäuren in PeptideThomas Anspach (9/02):Zur Analytik polarer halogenorganischer Wasserdes-infektionsnebenprodukte durch Einsatz von Hoch-leistungsflüssigchromatographie und Atmosphären-druckionisierungs-MassenspektrometrieAndrea Bettio (9/02):Biophysical Investigations of Neuropeptide Y Inter-actions

Fakultät für Mathematik und Informatikjeweils 9/02:Stefan Kolb:Differential Calculus on Quantum Complex Grass-mann ManifoldsIonas Erb:Wechselseitige Information im ThermodynamischenLimesStefan Boller:Spectraltheorie of Modular Operators for von Neu-mann Algebras and Related Inverse ProblemsJürgen Lorenz (10/02):Einige Beiträge zur Vervollständigung nichtnegativerund kontraktiver Blockoperatoren

Fakultät für Physik und GeowissenschaftenIna Mattis (9/02):Aufbau eines Feuchte-Temperatur-Aerosol-Ramanli-dars und Methodenentwicklung zur kombiniertenAnalyse von Trajektorien und AerosolprofilenMartin Weigel (10/02):Vertex Models on Random GraphsMohamed Samir Mulla-Osman (10/02):NMR- und NQR-Untersuchungen zur Domänen-struktur und zum Mechanismus der Phasenübergängein Tetramethylammoniumcadmiumchlorid (TMCC)-EinkristallenMarlen Gutjahr (11/02):ESR- und ESEEM-Untersuchungen von Nitroxidra-dikal-Adsorptionskomplexen in Y-Zeolithen

Fakultät für Sozialwissenschaften und PhilosophieAstrid Melzer-Titel (12/02):Modernität des Südens. Humanismus- und Renais-

sancebezüge als Argumentationsmuster in derGegenwartsphilosophie Spaniens

Philologische FakultätVasilie Dumbrava (1/03):Sprachkonflikt, Sprachbewusstsein und Sprachloya-lität in der Republik MoldovaSteffen Pappert (1/03):Politische Sprachspiele in der DDR: KommunikativeEntdifferenzierungsprozesse und ihre Auswirkungenauf den öffentlichen Sprachgebrauch

Medizinische Fakultätjeweils 3/02:Andreas Heduschke:Entwicklung des Hypothyreosescreenings bei Neuge-borenen und Beurteilung der gegenwärtigen Situationin LeipzigJohann Christoph Kodal:Proliferationsstudien an kultivierten Müllerzellen derMeerschweinchenretinaSabine Krieghoff:EEG-Veränderungen bei terminaler Niereninsuffi-zienz im KindesalterAnne Limbach:Verlaufsbeobachtungen von Zöliakiepatienten derUniversitätsklinik und Poliklinik für Kinder undJugendliche Leipzig im Kindes- und jungen Erwach-senenalter unter der Frage: Transiente Zöliakie?Steffi Müller:Schlafendokrinologische Untersuchungen bei Patien-ten mit einem schwergradigen obstruktiven Schlafap-noesyndromMarko Reitmann:Morphometrischer Algorithmus und feinstrukturelleUntersuchungen zur Diagnostik kindlicher und juve-niler Formen hereditärer motorisch-sensibler Neuro-pathien (HMSN). Korrelation mit Klinik und Elektro-physiologieSaskia Schenk:Sicherheit und Wirksamkeit eines neuen pulmolgän-gigen Ultraschallkontrastmittels in der Echokardio-graphiejeweils 4/02:Dagmar Bachhuber:Dr. med. Elisabeth Herzfeld (1890–1966). Eine derersten in Leipzig niedergelassenen Ärztinnen.Anette Bachmann:Unspezifische und spezifische mütterliche Infektio-nen in der Schwangerschaft und ihre Auswirkungenauf das NeugeboreneSabine Bleiziffer:Differentielle Genexpression der extrazellulären Ma-trix – remodeling und reverse remodeling bei Links-herzhypertrophieStefan Böckler:Diagnostische Relevanz zentral-peripherer Tempera-turdifferenzen bei septischen Infektionen sehr kleinerFrühgeborenerHarald Daum:Rekonstruktion der Beckenarterien durch Kombina-tion von Crossover-Bypass und percutaner translumi-naler Angioplastie der Spenderseite: Spätergebnissevon 41 FällenChristian Elsner:Hämodynamische und molekularbiologische Unter-suchungen am biventrikulär perfundierten arbeiten-den Rattenherzen: Einfluss von NoradrenalinMark Engel:Die Kriegsbeschädigtenfürsorge im ersten Weltkriegunter besonderer Berücksichtigung sozialmedizini-scher GesichtspunkteAndreas Flade:Der Einfluss von gamma-Aminobuttersäure auf dieHorizontalzellen der Kaninchennetzhaut

Habilitationen und Promotionen

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Der ehemalige Student und Doktorand der Universität Leipzig Max Uhle(1856–1944) [1] ist als berühmter Archäo-loge und Erforscher präinkaischer Kultu-ren Lateinamerikas bekannt. Herausragendgenannt seien nur Pachacamac, die zentraleOrakel- und Tempelstätte etwa 40 km süd-lich von Lima/Perú [2], die Ruinen vonTiahuanaco mit den gewaltigen Steinmo-numenten auf der Hochebene im jetzigenBolivien [3] und die ersten wissenschaft-lichen Ausgrabungen zur Mochica-Kulturan der Huaca del Sol an der peruanischenNordküste. Max Uhle ist zusammen mit dem PeruanerJulio César Tello, der die Chavín- und Pa-racas-Kultur erschloss, Vater der peruani-schen Archäologie [1] und genießt in Perúein vergleichbar hohes Ansehen wie etwader große deutsche Naturforscher Alexan-der von Humboldt (1769–1859). Von derdeutsch-peruanischen Wissenschaftspart-nerschaft zeugt eine Steinstele, die inPachacamac vom Präsidenten der Bundes-republik Deutschland, Heinrich Lübke, imJahre 1964 zu Ehren von Max Uhle gestif-tet wurde. Das im Jahre 1999 abgeschlos-sene Universitätsabkommen [4] zwischender Universidad Nacional Mayor de SanMarcos Lima, der 1551 gegründeten unddamit ältesten Universität Lateinamerikas,und der fast 600-jährigen Universität Leip-zig (gegründet 1409) sowie das im Wachs-tumsprozess befindliche Lateinamerika-zentrum (LAZ) [5] an letzterer, stimulierennachhaltig die Entwicklung von Wissen-schaftsbeziehungen auf unterschiedlichenGebieten (gegenwärtig Chemie, Botanik,Medizin, Geologie und Archäologie).

Die VitaMax Uhle wurde am 25. 03. 1856 in Dres-den als Sohn des Königlich-SächsischenOberstabsarztes Friedrich Ernst Uhle unddessen Frau, der Tochter eines Königlich-

Sächsischen Gerichtsdirektors, geboren.Er starb einsam am 11. 05. 1944 in Loben(Oberschlesien). Max Uhle besuchte dieFürstenschule „St. Afra“ in Meißen undstudierte in Göttingen und Leipzig Philo-logie und Indogermanistik. Nach seinerPromotion an der Universität Leipzig, überdie nachfolgend berichtet werden wird, warer in Dresden von 1881–1888 am dama-ligen „Königlichen Zoologischen undAnthropologisch-Ethnographischen Mu-seum“ tätig. Er arbeitete am Berliner Völ-kerkundemuseum und von da führte ihn1892 sein Weg in den Altiplano in Bolivien,wo er „seiner unwiderstehlichen Leiden-schaft für die Feldforschung“ [1] verfielund die wissenschaftlichen Grabungen be-gannen. Nachdem er zunächst sprachlicheForschungen bei Urus und Aymaras (bis1895) betrieben und bei der bolivianischen

Regierung den staatlichen Schutz für dieRuinenstätte Tiahuanaco erwirkt hatte,grub er ab 1896 in der peruanischen Küs-tenzone bei Ancón und in Pachacamac. Ab1899 arbeitete Max Uhle dann sehr erfolg-reich an der peruanischen Nordküste beiden Pyramidenbauten der Moche und wei-ter südlich in Chincha und Ica, wo er alserster Wissenschaftler Nasca-Keramik anOrt und Stelle aus den Gräbern holte. Nach einem kurzen Intermezzo in Kalifor-nien (1901–1903) zog es ihn erneut nachPeru in die Küstenwüste von Ancón. Dortmachte er Funde aus der Chavin-Kultur.Die jüngsten sensationellen Ausgrabungenim Supe-Tal durch die Peruanerin Dr. RuthShady Solis von der Universidad NacionalMayor de San Marcos Lima (ab 1994) ha-ben diese Region mit der Entdeckung derbisher ältesten Hochkultur Lateinamerikas,nach Caral-Supe benannt, wieder in denBlickpunkt der Fachwelt gerückt [6]. Insgesamt wurden unter Max Uhles Füh-rung in den Jahren 1905/1906 vierund-dreißig Bestattungsstätten in der mittlerenKüstenzone ausgegraben, wobei er in die-ser Zeit mit der peruanischen Regierungüber die Gründung eines Nationalmu-seums erfolgreich verhandelte und daraufzwischen 1907 und 1911 das „Museo deHistoria Nacional“ in Lima leitete. Ein Ver-trag des „Pioniers der Perú-Archäologie“mit der chilenischen Regierung sieht ihndann von 1912 bis 1915 in Chile, wo er inder Hauptstadt mit dem Aufbau eines ar-chäologischen Museums und der Vor-lesungstätigkeit an der Universität beauf-tragt wurde und Ausgrabungen in RioLosa, Pisagua, Taltal und Arica vornahm.Er wird Präsident der „Sociedad Chilena deHistoria y Geografía“. Siebenundsiebzigjährig entschloss er sich,hochgeehrt mit Orden lateinamerikani-scher Staaten, zur Rückkehr nach Deutsch-land, wo ihm eine Professur für andineArchäologie der Universität Berlin über-tragen wurde. Der Anfang des 2. Weltkrie-

Heft 1/2003

Jubiläum 2009

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Vater der peruanischenArchäologieMax Uhle promovierte in LeipzigVon Prof. Dr. Dr. h.c. Lothar BeyerFakultät für Chemie und Mineralogie und Lateinamerikazentrum

Porträt von Max UhleDatum unklar, wahrscheinlich 1876

Quelle: Ibero-Amerikanisches Institut,Stiftung Preußischer Kulturbesitz

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ges überraschte ihn während einer Teil-nahme am XXVI. Amerikanistenkongressin Lima. Dieser Umstand war Anlass, un-ter dem Schutz der peruanischen Regie-rung in Bellavista/Callao in Perú bis zumJahre 1942 zu bleiben. Eine allgemeineVerfügung der Staaten der Anti-Hitler-Ko-alition zwang deutsche Staatsangehörigezur Ausreise. Obwohl die peruanischeRegierung aufgrund der besonderen Ver-dienste von Max Uhle den Ausweisungs-befehl für ihn zurücknahm, ließ er sich imAlter von 84 Jahren nach Deutschland ab-transportieren.

Die PromotionMax Uhle hatte sich bereits zum Sommer-semester am 23. April 1875 an der Univer-sität Leipzig unter der Nummer 330 desStudentenverzeichnis (Philosophische Fa-kultät) eingeschrieben. Die Exmatrikula-tion ist mit dem Datum des 10. August1875 versehen. Aus der Wahl seiner Vor-lesungen ist ersichtlich, dass stud. lips.Max Uhle schon am Anfang seiner Lauf-

bahn ein starkes Interesse für alte Sprachen und Ge-schichte entwickelte. ZuMichaelis 1878 trat er ausdem Philologischen Seminarin Leipzig, dem er ein Jahrangehört hatte, aus, um sichmit Beginn der Vorlesungs-tätigkeit von Prof. Dr. v. d.Gabelentz der allgemeinenSprachwissenschaft, insbe-sondere ost-asiatischenSprachen, jedoch auch unterProf. Loth dem Türkischenund bei Prof. Windisch demSanskrit zu widmen. Außer-dem hörte er Vorlesungenüber Philosophie bei denProfessoren Wundt undHeinze. Das Interesse für die Sprach-wissenschaft zahlte sichspäter mit dem von ihm ausdem aussterbenden Sprach-gebrauch der auf und amTiticacasee in der perua-nisch-bolivianischen Hoch-ebene des Vogeljäger- undFischervolkes, der „Urus“

(„Menschen von schwarzem Blut“, Eigen-bezeichnung Pukina) gesammelten 400 ineinem „Diccionario“ fixierten unbekann-ten Wörtern (nur 19 waren bis dahin be-legt) aus. Trotz dieses philologischen Inter-esses hätte man nun mit Blick auf seinespäteren bedeutenden Leistungen in derArchäologie erwarten können, dass MaxUhle eine Promotion auf diesem Gebiet an-strebte. Gefehlt! Umso größer war dieÜberraschung beim erstmaligen Lesen desTitels der Dissertationsschrift [7]:„Die Partikel wéi im Shu-king und Shi-king. Ein Beitrag zur Grammatik des vor-classischen Chinesisch“. (wéi bedeutet:nur, allein, einzig)Die Dissertationsschrift wurde am 13. Fe-bruar 1880 bei der Philosophischen Fakul-tät der Universität Leipzig eingereicht.Nun folgte das übliche Procedere, wonachder Doktorvater Dr. Georg von der Gabe-lentz (1840–1893), der an der UniversitätLeipzig seit 1878 a. o. Professor für ost-asiatische Sprachen war, mit der Anferti-gung eines Gutachtens beauftragt wurde.Das zweite erforderliche Gutachten er-stellte Professor Dr. Ernst Windisch(1844–1918), seit 1877 ordentlicher Pro-fessor für „Sanskrit“ und 1895 Rektor derUniversität Leipzig.Das ausführliche erste Gutachten, das

handschriftlich vorliegt [8], war bereitseinen Tag später, nämlich am 14. Februar1880, fertiggestellt und noch dazu ein-gangs mit dem handschriftlichen Vermerk„Beschleunigung erbeten!“ versehen. Die-ses Gutachten gibt einen so aufschlussrei-chen Einblick in die Persönlichkeit undwissenschaftliche Kreativität des jungenMax Uhle, dass es hier in Auszügenwiedergegeben werden soll:

„Der Kandidat hat es unternommen zumersten Male einen Theil der vorclassischchinesischen Sprache grammatisch zu be-arbeiten, die Schwierigkeiten einer solchenAufgabe sind von ihm voll erkannt, klardargelegt und keineswegs überschriebenworden. Es gilt, nächst der Sammlung er-reichbaren Sprachstoffes, vor Allem dieMethode der zu übenden Kritik zu ent-decken. Dies hat der Verfasser meinerÜberzeugung nach mit einer Umsicht undFolgerichtigkeit geleistet, die an das Meis-terhafte grenzen. Die Aus- und -durchfüh-rung entspricht dem: voller Überblick überdas Einsichtsmaterial und hervorragenderScharfsinn in Sichtung, Ordnung und Er-klärung desselben. Man darf bezweifeln,ob in Fragen von so heikler Art nach Maß-gabe der gebotenen Hülfsmittel je einevöllig sichere Lösung findbar sei, – ichwüsste dies weder zu bejahen noch zu ver-neinen. Im ungünstigsten Falle müsste manaber doch dem Verfasser parcial zuerken-nen: dass er einen bedeutenden Schritt zurLösung gethan, und dass man – güns-tigstenfalles – wohl glücklicher finden,aber nicht leicht umsichtiger und scharf-sichtiger suchen kann als er.Ich gestatte mir vorzuschlagen, Herrncand. Max Uhle auf Grund der eingereich-ten Arbeiten, welcher die Censur I (egre-gia) zu ertheilen sein dürfte, zur münd-lichen Prüfung vorzulassen. Leipzig, d. 14. Februar 1880

Dr. vd Gabelentz ao. Prof.“

Das handschriftliche und ausführlicheKoreferat von Prof. Windisch war am22. 2. 1880 fertiggestellt und enthält nebeneiner die WissenschaftlerpersönlichkeitMax Uhles ebenfalls positiv wertendenPassage auch die Aussage: „… des sach-lichen Werthes der Arbeit vollkommendem sachkundigen Urtheile des verehrtenCollegen von der Gabelentz. Dagegennehme ich weit größeren Anlaß als er anStil und Ausdruck des Verfassers.“ Dieserletztgenannte, im Grunde gesehen formale,Aspekt wird nun in der Folge ausführlichst

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Steinmonument in Pachacamac/Perú zuEhren von Max Uhle Foto: L. Beyer

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und mit Beispielen abgehandelt bis zur Zu-sammenfassung in Form des Vorschlages,die zu erteilende Note auf IIa (admodumlaudabilis) abzusenken, dem sich von derGabelentz am 23. 2. 1880 anschließt. Dem folgen weitere Professoren, die offi-ziell ihre Zustimmung zu geben haben, wo-bei wie in einem sich verstärkenden Do-mino-Effekt auf die immer weiter diesenformalen Aspekt vertiefenden kurzen pau-schalisierenden Bemerkungen des jeweili-gen Vorgängers Bezug genommen wird.Ungeachtet dessen wird aber nun dasmündliche Examen für den 3. März 1880,nachmittags um 3 Uhr im „Facultätslocal“anberaumt, das von den Prüfern von derGabelentz (Censur I), E.Windisch (CensurII) und Heinze (2) abgenommen wurde undschließlich zur Festlegung der Gesamtcen-sur IIa (magna cum laude) für die Promo-tion und dem Beschluss über die Promo-tion führte.Zusammenfassend ist dem Promotionsver-fahren zu entnehmen, dass der in der wis-senschaftlichen Reifephase befindlichehochbegabte junge Max Uhle mit großerZielstrebigkeit und Fleiß sich einem ausjetziger Sicht mehr exotischem Gebietwidmete und bei der ernsthaften Beschäf-tigung damit an der Universität Leipzig dasFundament für eine später so erfolgreicheLaufbahn als Entdecker und Forscher legte.Die Universität Leipzig kann darauf stolzsein, einer solchen Koryphäe von Weltrufdie wissenschaftliche Erstprägung gegeben zu haben.

Literatur[1] H. D. Disselhoff, „Max Uhle (1856–1944)

zum Gedächtnis“, Z. f. Ethnologie 81(1956) 307–310; W. Wurster (Hrsg.), „MaxUhle (1856–1944), Pläne archäologischerStätten im Andengebiet“, Verlag von Za-bern/Mainz, 1999, ISBN 3-8053-2612-2.

[2] M. Uhle, „Pachacamac“, 1903.[3] A. Stübel, M. Uhle, „Die Ruinenstätte von

Tiahuanaco im Hochlande des alten Peru“,Leipzig, 1892.

[4] Universitätsabkommen, Univ. Leipzig/Univ. San Marcos Lima; Lima und Leipzig,1999.

[5] Lateinamerikazentrum der Univ. Leipzig,Amtl. Bekanntmachungen der Univ. Nr.24/2000.

[6] R. Shady Solis, J. Haas, W. Creamer, „Da-ting Caral, a Preceramic Site in the SupeValley on the Central Coast of Perú“,Science 292 (2001) 723–725.

[7] M. Uhle, „Die Partikel wéi im shuking undshiking. Ein Beitrag zur Grammatik desvorklassischen Chinesisch“. Inaugural-Dis-sertation Univ. Leipzig, 1880.

[8] Universitätsarchiv Leipzig, Phil. Fak. Prom.3718.

„Gott schütze alle, die an diesem Bau ar-beiten, er schütze das neue Haus undsegne, die in demselben ein- und ausge-hen.“1

Diese Worte unterschrieben am 20. Ok-tober 1891 der Dekan der philosophischenFakultät, Dr. Ratzel sowie der KöniglicheUniversitäts-Rentmeister Gebhardt.Von welchem Haus mag hier die Redesein? Es handelt sich um das sogenannte„Rothe Colleg“ in der Ritterstraße.Es wurde damals für 250 000 Mark anstelledes ältesten in Leipzig befindlichen Pro-fangebäudes neu errichtet, denn das alteGebäude, so schrieb der Architekt ArwedRoßbach, „ragt aus weit zurückliegenderZeit zu uns herüber und obgleich … viel-fache Veränderungen und Umbauten desalten Hauses im Laufe der Jahrhundertevorgenommen wurden, vermochten dochkeine derselben den allmählichen Verfalldes ehemals stattlichen Hauses aufzuhaltenund die breiten, klaffenden Risse, die sichvorzüglich an der Hinterfront vom Haupt-sims bis tief herunter ziehen, sprechen nurzu deutlich vom Vergang auch solch festenMenschenwerks, als welches dieser ehr-

würdige Zeuge alter Zeit und alter Kunstsicher einst errichtet wurde“.2

Beim Abriss des „Rothen Collegs“ (Rit-terstr. 16) wurden gleichzeitig die drei andieses Gebäude angrenzenden Häuser(Nr. 18, 20 und Nr. 22), die sich eben-falls in Universitätsbesitz befanden, mitabgerissen und aus diesem – wie Rossbach– schreibt „Conglomerat von Gebäud-chen, Höfchen und Anbauten, die durchjahrhundertelange, intensive Ausnutzungden Stempel vollsten Ruins tragen“3 einNeubau gesetzt, der auch heute noch steht.Am 21. Oktober 1891 wurde nachmittagsum fünf Uhr die Urkunde über den Neubaudes „Rothen Collegs“ nebst Beilagen (einZweimarkstück mit dem Bildnis des regie-renden Königs Albert von Sachsen, sowieweitere Münzen, welche beim Abriss desalten Gebäudes gefunden wurden und eineZeitungsbeilage) „in einen vom ausführen-den Maurermeister Richard Uhlmann ge-stifteten kupfernen, im Inneren verzinntenund nach Einfügung des Schriftstücks ver-löteten Kapsel … in den hierfür bestimm-ten, unmittelbar unter dem Fuße der imMittel der südlichen Vorlage an der Ritter-

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Professorenstreit,Studentenleben,Sektionen und eintotes FindelkindStreifzüge durch die Geschichtedes „Rothen Collegs“Von Christiane Richter

Christiane Richter hat an der UniversitätLeipzig studiert und hier ihre Abschlüsseder deutschen, englischen und russischenSprache erworben. Sie ist seit 1997 am In-stitut für Theaterwissenschaft beschäftigt.Neben den Aufgaben der allgemeinen In-stitutsverwaltung leistet sie wissenschaft-liche Zuarbeiten und baute das Video-archiv auf. Sie leitet und archiviert

weiterhin das Theaterprogrammhefte-Archiv und bearbeitet Rechercheaufträgezu gesuchten Theaterinszenierungen.Seit 1999 hat das Institut für Theaterwis-senschaft seinen Sitz im „Rothen Colleg“in der Ritterstraße. Daher entstand dasInteresse, sich mit diesem historischenGebäude und seiner bewegten Vergan-genheit näher zu beschäftigen.

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straße im Parterre befindlichen Säule ein-gemauerten Granitwürfel eingelegt“.4

Dieser „Neubau“ Arwed Roßbachs wurdein der ersten Etage von der Philoso-phischen Fakultät genutzt (Sitzungssaal,Prüfungszimmer etc.) Das ehemalige Prü-fungszimmer I der Philosophischen Fakul-tät war früher u. a. mit wertvollen Bildnis-sen Martin Luthers und Philipp Melanch-thons aus der Werkstätte Lucas Cranachsgeschmückt. Jetzt befindet sich in diesemZimmer der Seminar- und Videosichtraumdes Instituts für Theaterwissenschaft.Im zweiten und dritten Stockwerk habenheute das Dezernat für Beschaffung undHaushalt ihren Sitz.

Herkunft desNamensDas Haus hieß zunächst „Neues Colleg“nach dem Neubau von 1517. Der Name„Rothes Collegium“ tritt zuerst in denRatsleichenbüchern am 22. Februar 1646auf. Vielleicht hatte das Haus kurz vor1646 einen rötlichen Anstrich bekommen.Der Architekt des oben erwähnten Neu-baus dieses Hauses schreibt am 31. März1891 an das Königliche Universitätsrent-amt zu Leipzig: „Was das Äußere des Neu-baus anbelangt, so glaubte der Verfasserdes Projekts pietätvoll an die Kunstformenund den Eindruck des alten, gothischen,rothen Bauwerks anknüpfen zu sollen, um-

somehr als ja die Bezeichnung des altenAnwesens als ,Rothes Collegium‘ lediglichauf den rein äußerlichen Eindruck seinesGebäudes zurückzuführen ist. Ist es zuwünschen, daß sich die traditionelleBezeichnung fort und fort erhalte, so wirdhierzu zweifellos die Wiedererweckung deralten Formen und Farben im Neubau we-sentlich beizutragen vermögen und vondiesem Gesichtspunkt aus ist die vor-liegende rothe Facade entstanden.“5

Wenn man vom „Rothen Colleg“ spricht,handelt es sich um einen Gebäudekomplex.Es ist nicht nur der eben erwähnte Bau dessogenannten Vordergebäudes in der Ritter-straße, welcher ursprünglich 1517 unterHerzog Georg dem Bärtigen erbaut undwie beschrieben von Grund aus neu er-richtet wurde durch den Architekten ArwedRoßbach. Nein, es zählt auch das Hinter-gebäude in der Goethestraße dazu, unge-fähr dort, wo sich heute die Zentralverwal-tung der Universität befindet. Dort warfrüher die Stadtmauer, auf der dieses Ge-bäude errichtet wurde (1503–1513). Hierbefand sich einst das sogenannte Va-porarium, „wo ehedem die solennen Ma-gisterschmäuse gehalten wurden“.6

Selbstverständlich hatte auch dieses Ge-bäude in der Goethestraße zahlreiche Um-bauten über die Jahrhunderte erlebt.Schließlich hatte es ebenso wie seinGegenstück in der Ritterstraße auch eineprächtige rote Fassade zur Goethestraße.Leider wurde dieser imposante Bau in derBombennacht im Dezember 1943 totalzerstört und man setzte zu DDR-Zeiten

an diese Stelle das Studentenwohnheim„Jenny Marx“.Wie auch heute, so lag schon früher zwi-schen diesen beiden Gebäuden ein Hof.Dort befand sich des Rathes Marstall (Ge-bäude für Pferde, Wagen, Reit- und Fahr-utensilien). Von hier holten die reichenBürgersöhne ihre Rosse zu einem Turnierauf dem Marktplatze. Auch brachten hierdie Begleiter der zur Messe nach Leipzigreisenden Kaufleute ihre Pferde unter. Da-mals kam es Herzog Georg dem Bärtigenunschicklich vor, dass in unmittelbarerNähe der Collegien ein Marstall mit sei-nem lärmenden Verkehr stehen sollte undso wurde dieser verlegt.

StudentendaseinWas ist uns über das Studium und dieLebensbedingungen im „Rothen Colleg“bekannt?In den Anfangszeiten der Leipziger Uni-versität galt als Regel die Vita communis,das gemeinsame Leben in den Kollegien,so wie man dies heute noch in den be-rühmten Colleges in Cambridge, Oxfordoder Harvard vorfindet. Immer bildeten dieStudierenden mit ihren Professoren undMagistern eine Arbeits- und Lebensge-meinschaft.Die Studierenden der Artistischen (späterPhilosophischen) Fakultät im „Rothen Col-leg“ wurden früher in den sieben FreienKünsten (Grammatik, Dialektik, Rhetorik;Arithmetik, Geometrie, Musik, Astrono-

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Hintergebäude des „Rothen Collegs“zur Goethestraße, wo sich ehemals dieStadtmauer befand. In diesem Gebäudewohnte Robert Schumann im unterenGeschoß von 1836 bis zu seiner Verhei-ratung mit Clara Wieck im Jahr 1840.Das Haus wurde 1904 abgebrochen.

Historische Postkarte, Privatbesitz

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mie) unterrichtet. Erst nach dieser Grund-ausbildung konnten sie das Studium an derTheologischen, Juristischen oder der Me-dizinischen Fakultät fortsetzen.Da die Universitätsgebäude damals nochnicht über ausreichende Beleuchtung ver-fügten, begannen die Lehrveranstaltungeninsbesondere wegen der vollen Ausnut-zung des Tageslichts teilweise bereits umfünf Uhr morgens, was man sich heutekaum vorstellen kann. Der Tag lief ab imWechsel von Gebet und Studium. Unter-brochen wurde dies durch dürftige ge-meinsame Mahlzeiten. So z. B. „erfährt derSpeisezettel der privaten Bursa Henrici inden Dunkelmännerbriefen die bekannteAnprangerung: es habe oft Grütze, Suppe,Mus und mageres Fleisch, dagegen kaumje Braten, Obst oder Käse gegeben …“.7

Jedoch gab es auch heitere, wenn auchrauhe Zeremonien (Deposition), mit denenwahrscheinlich auch die neuen Studieren-den des „Rothen Collegs“ begrüßt worden.So hieß man die Neuankömmlinge durcheine symbolhafte Wandlung vom unwis-senden Tier zum gebildeten Menschenwillkommen. In phantastischer Verklei-dung musste sich der Erstsemestler vor-stellen. „Ihm, dem Tier des Feldes, mußtenerst die Hörner abgeschlagen werden, da-mit er zum rechten Hören der öffentlichenVorlesungen vorbereitet wurde … Ihmwurde das Salz der Weisheit auf die Zungegelegt und der Wein der Freude aufs Hauptgeschüttet. Aus dem Neuling war einGleichberechtigter, ein Student, gewor-den.“8 Diese Zeremonie ging unter allerleiScherz und Spottreden vor sich.

Professorenstreit1516 kam es zwischen dem „Rothen Col-leg“ und dem daneben liegenden GroßenFürstencolleg zu einem heftigen Professo-renstreit über die Frage, wo die Prüfungs-kandidaten zu examinieren seien. Bis datowar es üblich, dass die Prüfungskandidatenzur Ablegung ihrer Prüfungen in das GroßeFürstenkolleg gebeten wurden.Wenn man bedenkt, dass ein Studium da-mals über das Bakkalaureat zum Magiste-rium führte und beide Prüfungen in derRegel mit relativ hohen Gebühren für dieBewirtung der Prüfer sowie für die Erhal-tung der Gebäude verbunden waren, sohandelte es sich hierbei um ein durchauslukratives Geschäft, von dem auch das„Rothe Colleg“ profitieren wollte.Dagegen wiederum protestierte das Große

Fürstencolleg, das bis dahin dieses Vor-recht besaß. Deshalb kam es zum erbitter-ten Streit, so dass sogar Herzog Georg derBärtige und mit ihm Adolphus, Bischof zuMerseburg, anreisen mussten, um denStreit beizulegen. So befahl der Herzog,dass von nun an im „Rothen Colleg“ dieKandidaten zu prüfen seien und das „Ro-the Colleg“ die zwei Groschen, welche eszuvor von jedem Prüfungskandidaten demNachbarkollegium überlassen hat, von nunan nicht mehr geben brauche, sondern be-halten könne, jedoch eine Einmalzahlungvon 266 Thalern und 12 Groschen zu leis-ten habe.

Anatomie im„Rothen Colleg“Das „Rothe Colleg“ war nicht immer nurein Ort, an dem die sieben Freien Künstegelehrt worden waren. Nein, hier wurdenauch Sektionen durch die Medizinische Fa-kultät durchgeführt. „Im Jahr 1555 wurdezwischen der philosophischen und medizi-nischen Fakultät ein Vertrag abgeschlos-sen, durch den dieser eine heizbare Stubedes roten Kollegs, die den Namen ,Vapo-rarium consilii‘ führte, zur Vornahme der Sektionen überlassen wurde.“9 Jedochmüssen die Vertragsbestimmung sehr un-günstig für die Medizinische Fakultät ge-wesen sein. So mussten sie die Bänke aufeigene Kosten herstellen lassen. Es wurdeüber die Mangelhaftigkeit der Räumlich-keit geklagt. Die Medizinische Fakultätmuss daran interessiert gewesen sein, sichvon diesem Vertrag zu lösen. So bekam siespäter einen Raum im Kreuzgang der Pau-linerkirche für die Anatomien zugewiesen,„ein finsteres, gewölbtes, halb unterirdischgelegenes Gemach, das zweifellos zu demZwecke, dem es zu dienen hatte, ganz un-geeignet war. Nichtsdestoweniger führtees, wenn es auch offiziell keinen Anspruchdarauf hatte, den stolzen Namen eines,Theatrum anatomicum‘“.10

Schlimmer FundDass man den Leipziger Studenten nichtimmer Gutes zugetraut hatte, vor allem imUmgang mit jungen Mädchen, zeigt sichz. B. darin, dass man einen schlimmenFund am 10. Januar 1739 im „Rothen Col-leg“ machte. Auf den Stufen des „Rothen

Collegs“ fand man ein „neugeborenesMägdlein“ tot auf, „welches in einen altenLappen gewickelt gewesen nebst einemZettel mit der Aufschrift: Studentengut“.11

BerühmtePersönlichkeitenGeorg RhauGeorg Rhau (Rhaw) kam 1518 nach Leip-zig, wo er als Thomaskantor und Universi-tätsdozent an der Artistischen (Philosophi-schen) Fakultät tätig war und damit am„Neuen“ bzw. „Rothen Colleg“ der Uni-versität ein und aus ging.In Rhaus Amtszeit fällt ein Ereignis vonhistorischer Tragweite: die Disputationzwischen Martin Luther, Andreas Karlstadtund Johann Eck, an der als Zuhörer übri-gens auch Thomas Müntzer teilnahm. Siefand im Juni/Juli 1519 in der LeipzigerPleißenburg statt. Interessant in Bezug aufdas „Rothe Colleg“ ist der Weg, der bis zurPleißenburg genommen wurde. Denn dieDisputanten, die Vertreter der Universitätund die vornehmen Gäste versammeltensich am 27. Juni 1519 morgens in der Rit-terstraße. Von hier aus ging es dann ge-meinsam in feierlichem Zuge in die Tho-maskirche zum Eröffnungsgottesdienst derDisputation, für den Rhau eine zwölfstim-mige Messe komponiert hatte. Nach demAusgang der Disputation war für Rhau einweiteres Wirken in seinen Leipziger Äm-tern unmöglich. Er ging nach Wittenberg,wo er als Drucker von Luthers Schriftentätig war.

Gottfried Wilhelm LeibnizZur Chronik des „Rothen Collegs“ gehört,dass hier am 01. Juli 1646 der berühmteUniversalgelehrte Leibniz geboren wordensein soll. (Das „Rothe Colleg“ ist jedochals Geburtshaus von Leibniz nicht gesi-chert. [Döring 1996]) Zum damaligen Zeit-punkt war sein Vater Professor für Moralan der Philosophischen Fakultät und Notar.Der Familientradition entsprechend stu-dierte Leibniz Rechtswissenschaft. „Ander Artistenfakultät belegte er zunächst dieFächer Mathematik, Physik, Geschichteund Philosophie … 20 Jahre jung, wollte ernun Doktor der Rechte werden, um danneine Professur an der Universität zu erhal-ten. Die Reaktion ist bekannt: Die Juristi-sche Fakultät verweigerte das mit der Be-gründung, daß ältere Kandidaten auf den

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Erwerb des Doktorgrades Vorrecht hät-ten.“12 Leibniz war natürlich verärgert undenttäuscht und verließ daher Leipzig.Leibniz gilt als Begründer der mathemati-schen Logik. Das von ihm entwickeltebinäre Zahlensystem bildet die Grundlageder heutigen Computertechnik. Er befasstesich aber ebenso mit historischer Quellen-forschung, Geologie und Biologie, er „kon-struierte Rechen- und Windkraftmaschi-nen“13, versuchte, die Sonnenwärme tech-nisch zu nutzen, „befasste sich mit derEntsalzung des Meerwassers“14 u. v. m.

Johann Christoph GottschedIn der Philosophischen Fakultät des „Ro-then Collegs“ krönte man einst Dichter.„Gekrönte Poeten erscheinen uns wohl alsbessere Scherze, damals jedoch war dasheiliger Ernst. Der hier residierende Gott-sched krönte 1752 einen ausgedienten kur-sächsischen Offizier: Christoph Otto Frei-herr von Schönaich als 27jährigen zum,poeta laureatus‘.“15

Christian Fürchtegott GellertIm Hofgebäude des „Rothen Collegs“nahm der Dichter Christian FürchtegottGellert einst seine Studentenwohnung.Später las er außer über Moralphilosophieauch über Dichtung und Beredsamkeit.„Seine ethischen und ästhetischen Vorle-sungen waren weniger philosophisch tief,als vielmehr nach der praktischen und an-wendbaren Seite hin gerichtet.“16

Goethe hat Lehrveranstaltungen bei Gel-lert in Leipzig besucht. Goethe schreibt:„… Er wünschte nur prosaische Aufsätzeund beurteilte auch diese immer zuerst. DieVerse behandelte er nur als eine traurigeZugabe, und was das schlimmste war,selbst meine Prosa fand wenig Gnade vorseinen Augen.“17

Robert SchumannRobert Schumann, der Führer der deut-schen musikalischen Romantik, lebte imHintergebäude des „Rothen Collegs“ von

1836 bis zu seiner Verheiratung mit der be-rühmten Pianistin Clara Wieck im Jahr1840. Schumann wohnte im unteren Ge-schoss. Seine Wirtin war eine gewisse FrauDevrient, eine gute, fürsorgliche Witwe.Die Aussicht von seinem Fenster führte zuden englischen Parkanlagen des Schne-ckenberges, etwa im Bereich des heutigenOpernhauses am Augustusplatz.Hieronymus Truhn, einer der Korrespon-denten Schumanns, liefert eine sehr an-schauliche Beschreibung der WohnungSchumanns im „Rothen Colleg“: „Es lagmit dem Fenster nach dem baum- undbuschreichsten Teil der Promenade hinaus,die das alte Leipzig umgürtete; daneben lagein größeres, zweifenstriges Gemach, daswohl auch zu seiner Wohnung gehörte,denn man hörte nie einen Laut darin. Eswar so still und lauschig in diesen Räumen… Wenn man an dem Fenster saß, dessenScheiben die vom Winde bewegten Zweigedes nahen Gebüsches fast erreichen konn-ten, unter dem draußen nur ein Fußwegvorbeiführte, so glaubte man nimmer indem volkreichen, gewerbetätigen Leipzigzu sein. Dieses Fenster lag der Tür gegen-über. Die Mauer bildete dort eine Art Ni-sche, in der sich auf einem Tritt ein Tischmit dem Schreibzeug befand. Rechts nebender Tür war der Flügel aufgestellt, links derSekretär, auf welchem Figurinen von Thal-berg (zehn Finger an einer Hand) und Liszt(mit vier Händen) standen und über demeine Karikatur von Paganini hing, der dieniederhängende G-Saite mit wütendemBlick betrachtet. An der linken Seitenwandstanden ein Sofa und ein Tisch, auch be-fand sich dort die Tür zum Nebenraum.Bildnisse von Bach, Beethoven, seinemFreund Ludwig Schunke und Clara, nichtzuletzt eine Raffaelsche Madonna, überdem Flügel angebracht, schmückten dasZimmer. Seine Götter also in der Nähe desFlügels, die Karikaturen beim Sekretär.Eine zweckmäßige Unordnung verhindertees zuweilen, daß Gäste sofort Platz nehmenkonnten.“18

Der Vater von Clara Wieck versuchte mitallen Mitteln einen Keil zwischen die sichLiebenden, Robert Schumann und seineTochter, zu treiben. Schumann war ver-zweifelt. So hielt er sich oft in der Gast-wirtschaft „Zum Arabischen Coffeebaum“auf. Er blieb oft sehr lange dort. Schumanngraute vor der einsamen schlaflosen Nachtin seinem Zimmer im „Rothen Colleg“. Ertrank sehr viel, um sich über seinenSchmerz hinwegzuhelfen. „Die Hausbe-wohner aber hatten für des spät Heimkeh-

renden Bedrängnisse, wenn es plötzlich ge-spensterhaft wie ein gellender Aufschreiüber die Klaviatur raste oder ganz unmusi-kalische Störungen in die Nachtruhe ris-sen, kein Verständnis und Wohlwollen.Frau Devrient, die Schumann, den siehochachtete, mütterlich betreute, nahm allden Ärger auf sich. Von Zeit zu Zeit frei-lich ermahnte sie den Ungestümen. Dannwollte er voller Scham ausziehen und ent-schuldigte sich: ,Das melancholische Wet-ter und immer schwerere Leiden, von de-nen ich Niemand sagen darf, hatten michwüst gemacht.‘ Doch er gewann schnellseinen Mut wieder: ,An Madame Devrienteinen schönen Morgengruß und daß ichmich nur mit Gewalt aus meiner Stubebringen lasse. Mir kommt es vor, als habeich hier dreimal mehr gelebt.‘ So versöhnteer sie bald wieder. Denn die einfache Frauhatte Mitleid und einen schönen FunkenVerständnis für ihn; und ihm war das Woh-nen im ,Roten Collegium‘ lieb gewor-den.“19

11 UAL, Phil.Fak. A4/42, Bd.1, Blatt 1212 UAL, Film 879, Auf-Nr. 24613 siehe Anmerkung 214 UAL, Phil. Fak. A4/42, Bd. 1, Blatt 1315 UAL, Film 879, Aufn.-Nr. 24816 Gretschel: Leipzig und seine Umgebungen.

Reprint der Originalausgabe, Leipzig 1836,S. 97

17 Schulze, Friedrich: Aus Leipzigs Kultur-geschichte. Die hohe Schule. Leipzig 1956,S. 23

18 Herbst, Kurt: Der Student in der Geschichteder Universität Leipzig. Kulturgeschicht-liche Streiflichter aus den ersten 500 Jahrender Universität. Leipzig 1961, S. 19–20

19 Rabl, Karl: Das Anatomische Institut. In:Festschrift zur Feier des 500 jährigen Beste-hens der Universität Leipzig. 3. Bd., Leipzig1909

10 siehe Anmerkung 911 Schneider, Wolfgang: Leipzig. Streifzüge

durch die Kulturgeschichte. Leipzig 1995,S. 194

12 Berühmte Leipziger Studenten (5). GottfriedWilhelm Leibniz. Zum Universitätsjubi-läum: ST-Serie nach einem URANIA-Band.In: Sächsisches Tageblatt vom 7. 8. 1984

13 Riese, Brigitte: Historische Persönlichkeitenin Leipzig. Gottfried Wilhelm Leibniz. In:Leipziger Volkszeitung vom 20. 05. 1978

14 siehe Anmerkung 1315 Wend, Johannes: Die Weihe des Hofes. In:

Sächsisches Tageblatt vom 1. 11. 197516 Leipziger Philosophen. Portraits und Studien

aus dem wissenschaftlichen Leben derGegenwart. Leipzig 1894

17 Wend, Johannes: Alte Leipziger Stadtansich-ten. Ungewöhnliche Fassade. In: SächsischesTageblatt vom 15. 11. 1975

18 Köhler, Hans Joachim: Robert Schumann.Sein Leben und Wirken in den Leipziger Jah-ren. Leipzig 1986, S. 47/48

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Gedenktafelim Durchgangdes „RothenCollegs“.Foto : CarstenHeckmann

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Oben: Ehemaliges Studentenwohnheim,„Jenny Marx“, jetzt Zentralverwaltungder Universität, erbaut auf der Stelledes Hintergebäudes des „RothenCollegs“ (links). Dieses Hintergebäudehatte eine ebenso schöne rote Fassadewie sein Gegenstück in der Ritterstraße.Der Bau wurde 1943 völlig ausge-bombt.

Foto: Carsten Heckmann/Historische Postkarte, Privatbesitz

Vordergebäude des „Rothen Collegs“zur Ritterstraße. Neubau ArwedRoßbachs von 1891/92, in dem sichheute in der ersten Etage das Institut für Theaterwissenschaft und in derzweiten und dritten Etage das Dezernatfür Beschaffung und Haushalt befinden.An dieser Stelle stand das alte „RotheCollegium“, zu sehen auf einer Ton-flächenlithografie, um 1850.

Lithografisches Institut von Adolph Werl, Kunstbesitz der

Universität Leipzig/Foto: Carsten Heckmann

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Titel-H_02_03_V2 04.04.2003 11:01 Uhr Seite 1

Probedruck

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April 2003 Heft 2/2003 ISSN 0947-1049

Campus-Neugestaltung:Architekt Behet im Interview

The Farmer’s Bible:Karriere eines Katalogs

Entdeckung im Seminar:Die kurze Geschichte einer „antiken“ Kanne

Großes Universitätssiegel:Das Mittelalter ist allgegenwärtig

Studentisches Fernsehen:Ganze Arbeit für ein Viertel

Forschung zur Flut:Der Katastrophe auf der Spur

Auf und nach der Buchmesse

Die „Tippgemeinschaft“ sorgt für Furore

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UniVersum„Universitätsreden“ / Studierenden-Statistik„Hochschulkonsens“Campus-Gestaltung: Hitzige DiskussionRücktritt des RektorsInterviews mit Prof. F. Häuser und M. Behet„Terror und der Krieg gegen ihn“ – eine Bilanz

GremienSenatssitzungen von Januar bis März

ForschungMehr Sicherheit durch virtuellen ReifentestDer Flut-Katastrophe auf der SpurWeb-Services für Geschäftsprozesse

UniCentralBuchmesse: Neuheit von Leipzig-Flüchtling„Tippgemeinschaft“: Ein Institut – ein BuchEin Buchmesse-ErfahrungsberichtGebündeltes Wissen zum IslamWeitere Frühjahrsmessen

Fakultäten und InstituteDie kurze Geschichte einer „antiken“ KanneInterkulturelles Lernen Nachrichten

StudiosiNachrichtenProjekt zu politischer Verfolgung „Akademisches Viertel“ auf Sendung

PersonaliaEmeriti Geiger, Reuter, EhrenbergAltorientalist Claus Wilcke im InterviewKurt Aurins EhrenpromotionErich Proskauer vor 100 Jahren gestorbenNachruf: Wieland HeldNeu berufen Kurz gefasst / Geburtstage

EssayThe Farmer’s Bible: Karriere eines KatalogsWoher das Wort „Ostern“ stammt

Jubiläum 2009Die Geschichte des großen UniversitätssiegelsDie JubiläumsmarkeDas Siegel der Medizinischen Fakultät

Habilitationen und PromotionenAm RandeNomenImpressum

Titelfoto : Christoph Busse

EDITORIAL

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SelbstbestimmungInhalt

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Die letzten Wochen und Monate waren an Turbulenz und dra-matischer Zuspitzung, an Konfrontation und Enttäuschung, aberauch an Bestärkung und Solidarisierung kaum zu übertreffen.Was in nicht ganz korrekter Weise als „Paulinerstreit“ die Ge-müter weit über die Universität und Leipzig hinaus erregte,wurde ausgelöst durch einen Wortbruch der Staatsregierung.Das plötzlich und mit einem autoritären Zungenschlag verkün-dete Abrücken von dem über die Jahre hinweg gemeinsam er-arbeiteten und vertretenen Konzept für dieErrichtung des innerstädtischen Campusmusste als nicht hinnehmbarer Eingriff in dieAutonomie der Universität aufgefasst wer-den und führte zum Rücktritt des Rektors undder Prorektoren. Es kam zu lebhaften Prote-sten Hunderter Studierender und zu einerbisher nicht erlebten Welle von Sympathieund Solidarisierung mit der Universität, undzwar in Leipzig, Sachsen, ja in vielen OrtenDeutschlands. Auch die Hochschulrektoren-konferenz äußerte sich unmissverständlich. Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass die in diesem Maße bis-her noch nicht erreichte Aufmerksamkeit und Unterstützung fürdie Universität, ihre Anliegen und ihre konsequente Haltungauch in Zukunft unserer Alma mater erhalten bleiben. Dafür wird

sie das Ihre durch klare Sprache und entschiede-nes Auftreten, durch eine möglichst großen Trans-parenz ihres Denkens und Handelns beitragen.mOffenbar unter dem Eindruck der öffentlichenReaktionen waren in dem Gespräch vom 18. Fe-bruar in Dresden zwischen Sächsischer Staats-regierung, Stadt und Universität Leipzig kompro-missbereitere Töne von Seiten des Wissenschafts-ministers zu hören. So konnte man sich als ge-meinsame Grundposition darauf verständigen,die Bebauung am Augustusplatz nach dem prä-

mierten Entwurf des Architektenbüros Behet und Bondzio durch-zuführen und keinen neuen Wettbewerb auszuschreiben. DerVorschlag eines originalgetreuen Wiederaufbaus der Universi-tätskirche war damit vom Tisch. Auf dem Standort der „Pauli-nerkirche“ soll, wie ursprünglich vorgesehen, ein Gebäude er-richtet werden – wir haben inzwischen die Bezeichnung „Pauli-num“ dafür gefunden –, das sowohl als akademische Universi-tätsaula wie auch als gottesdienstlicher Raum genutzt werdenkann. Im Inneren wie im Äußeren soll das Gebäude stärker alsnach den bisherigen Entwürfen der Architekten an die „Pauliner-kirche“ und ihre Zerstörung erinnern. Trotz mancher Irritationdurch nachfolgende Äußerungen von Regierungsseite kann manhinter dieses Verhandlungsergebnis nicht zurückfallen. Aufgabeder Architekten wird es nun sein, auf dieser Basis eine Reiheneuer, alternativer Gestaltungsvorschläge vorzulegen, die zueiner einvernehmlichen Lösung führen können.Es gab vereinzelt auch Stimmen, welche die konsequente Hal-tung der Universitätsleitung und des akademischen Senats alsUneinsichtigkeit und Sturheit kritisiert haben. Dieser Vorwurf istleicht zu widerlegen. Nicht Rechthaberei oder akademischer

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Messennoch nichtgesungen„Konsens“:WeitereVerhandlungenangestrebt

Das Kabinett hat auf seiner Sitzung am11. März 2003 dem vom Sächsischen Mi-nisterium für Wissenschaft und Kunst aus-gearbeiteten Entwurf einer Vereinbarungder Staatsregierung mit den staatlichenHochschulen in Sachsen über die Entwick-lung bis 2010 als Grundlage für eine sol-che Vereinbarung zugestimmt. In einemSchreiben an die Universitäts- und Hoch-schulleitungen unterstreicht StaatsministerDr. Matthias Rößler: „Die Staatsregierungwird die von ihr eingegangenen Verpflich-tungen erfüllen, wenn die vorgegebenenStrukturänderungen umgesetzt werden; siewird von diesen Verpflichtungen frei, wenneine Hochschule ihren Verpflichtungennicht nachkommt. Das betrifft insbeson-dere die Umsetzung der Vorgaben derStaatsregierung zur strukturellen Entwick-lung.“Danach werden zu den 415 Stellen in denJahren 2001 bis 2004 zusätzlich insgesamt300 Stellen in den Jahren 2005 bis 2008 anden Hochschulen abgebaut. Für die Uni-versität Leipzig bedeutete das, noch einmal78 Stellen abzugeben. Von den erwähntenStrukturvorgaben wäre die Universität auffolgenden Gebieten betroffen:– die staatliche Ausbildung von Juristen

wird in der Universität Leipzig konzen-triert;

– die Ausbildung im Fach Romanistikwird in der Universität Leipzig und derTU Dresden konzentriert;

– die Ausbildung von Grund- und Mittel-schullehrern wird spätestens ab 2005grundsätzlich in der Universität Leipzigkonzentriert;

UniVersum

2 journal

JournalMitteilungen und Berichte für die Angehörigenund Freunde der Universität Leipzig

ImpressumHerausgeber: Der RektorRedakteur: Carsten HeckmannRitterstr. 26, 04109 Leipzig,Tel. 0341/ 9 73 01 54, Fax 0341/ 9 73 01 59,E-mail : [email protected]. i. S. d. P. : Volker SchulteNamentlich gekennzeichnete Beiträge geben dieMeinung der Autoren wieder.Satz und Lithographie: DZA Satz und BildGmbH, AltenburgDruck und Binden: Druckerei zu AltenburgGmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 AltenburgAnzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Tel. 03447/5550Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbHAugustusplatz 10/11, 04109 LeipzigTel./Fax: 0341/9900440Einzelheft : 1,50 eJahresabonnement (sieben Hefte) : 13,– e

In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Siesich bitte an die Redaktion, in Fragen, die denVertrieb betreffen, an den Verlag.Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Beleg-exemplare erbeten.Redaktionsschluss: 21. 3. 2003ISSN 0947-1049

Reihe „Universitätsreden“BrisanteVorträge jetztals PublikationRechtzeitig zur Buchmesse ist das jüngsteKind der Reihe „Leipziger Universitäts-reden“ herausgekommen, das den Namenträgt: „Vorträge aus dem Studium univer-sale 2001–2003“. Die in dem neuen Bänd-chen versammelten Beiträge verdeutlichendie große Bandbreite der Einzelthemeninnerhalb der jeweiligen Semester-Rah-menthemen „Musik und Gesellschaft“(2001/2002) und „Welt der Arbeit – Arbeitin der Welt“ (2002/2003). Die vom Ar-beitskreis Studium universale unter Lei-tung von Prof. Dr. Klaus Bente getroffeneTextauswahl ermöglicht einen vertieftenBlick auf historisch-kulturelle Phänomeneund Zusammenhänge, die noch immer vol-ler Brisanz sind, und auf aktuelle globaleEntwicklungen, die die Zukunftsfähigkeitunserer Gesellschaften berühren. So findensich zum einen in der NeuerscheinungThemen zur Musiktherapie, zu RichardWagner und zum Dritten Reich sowie zurdeutschen Nationalhymne, zum anderenzum Ende der Vollbeschäftigung, zu Arbeitals Leitbegriff und zur Kinderarbeit.Ein Thema aus den neuen Universitäts-reden – „Ende der Vollbeschäftigung“ desLeipziger Soziologen Prof. Dr. GeorgVobruba – wurde auch von der diesjähri-gen Buchmesseakademie von UniversitätLeipzig und Leipziger Messe GmbH auf-gegriffen: Unter der Überschrift „Wer sitztin der Armutsfalle?“ diskutierten Expertenin der Uni-Buchhandlung.

Studierenden-Statistikim InternetDie Studierenden-Statistik der UniversitätLeipzig ist nun online verfügbar. Zahlenund Fakten in Form von Texten, Tabellenund Diagrammen bieten einen Überblicküber die Entwicklung der Studierenden-zahlen im Allgemeinen und innerhalb be-stimmter Kategorien.

Die Internetseite lautet:www.uni-leipzig.de/zahlen

Hochmut haben die Überlegungen derUniversität bestimmt, sondern sie hat sichvon einem schlichten, aber alles anderebestimmenden Maßstab leiten lassen: Esentspricht dem Selbstbestimmungsrechtder Universität, sich dafür einzusetzen,notfalls dafür zu kämpfen, dass auf ihremGrund und Boden nur das gebaut wird,was ihrem gesetzlichen Auftrag, also denBedürfnissen von Forschung und Lehre,mithin ihrer Zukunftsfähigkeit am bestenentspricht. Nicht mehr und nicht weniger.Das kann auch für die Staatsregierungnicht zu viel sein.Das beharrliche Eintreten für eine „mo-derne“, den Anforderungen und Möglich-keiten einer Universität des 21. Jahrhun-derts gerecht werdende, funktional be-stimmte bauliche Lösung war und ist ja ge-rade Ausdruck dafür, dass sich Rektor, dieProrektoren, der Kanzler sowie der Senatund die gesamte Universität ihrer Verant-wortung für eine schnelle und grund-legende Verbesserung der Arbeits- undStudienbedingungen an dieser Universitätbewusst sind. Vor allem an dieser Anfor-derung muss und will die Universitäts-leitung sich messen lassen. Nach dieserDevise muss und will sie handeln.

Prof. Dr. Volker Bigl, amtierender RektorProf. Dr. Franz Häuser, amtierender

Prorektor für strukturelle Entwicklung

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– die universitäre Ausbildung von Bau-ingenieuren wird in der TechnischenUniversität Dresden konzentriert, dievon Wirtschaftsingenieuren in den Tech-nischen Universitäten;

– die Ausbildung in den geowissenschaft-lichen Fächern Geophysik, Geologieund Mineralogie wird grundsätzlich inder TU Bergakademie Freiberg konzen-triert.

Der Entwurf der Vereinbarung wird gegen-wärtig in den Gremien und betroffenenEinrichtungen der Universität lebhaft dis-kutiert (s. a. Stellungnahmen der Geowis-senschaften und der Bauingenieure aufdieser Seite). Wie der Senat beschloss(siehe auch Bericht von der Sitzung vom11. 3. 2003 in diesem Heft), wurde eineKommission unter Leitung des Prorektorsfür strukturelle Entwicklung, Prof. Dr.Franz Häuser, gebildet, die den Standpunktder Universität zu dem Entwurf der Ver-einbarung ausarbeiten soll, um ihn dann indie angestrebten Verhandlungen mit derStaatsregierung einzubringen. Es zeichnetsich ab, dass die Universität alle Anstren-gungen unternehmen wird, um ihre finan-zielle und personelle Ausstattung zu ver-bessern und die abzugebenden Studien-gänge in der einen oder anderen Form zuerhalten. V. S.

Geowissenschaften:Vernetzung undKooperationDie Professoren Franz Jacobs (Geophysik),Werner Ehrmann (Geologie) und KlausBente (Mineralogie) haben insgesamt neunThesen zur Weiterentwicklung der Geo-wissenschaften aufgestellt, von denen hiereinige in einer gekürzten Fassung wieder-gegeben werden.• Ausgehend von den Empfehlungen der

Sächsischen Hochschulentwicklungs-kommission wird die ganzheitlich natur-wissenschaftliche und auch material-wissenschaftliche Ausrichtung der dreiGeowissenschaften Geophysik, Geolo-gie und Mineralogie in Leipzig in engerKooperation mit den umweltwissen-schaftlich orientierten Geowissenschaf-ten in Freiberg fortgesetzt.

• Die Schaffung einer Zentraleinrichtungist vorgesehen und wird die Fächer Geo-logie, Geophysik und durch Umgliede-

rung das Fach Mineralogie in einem Ins-titut innerhalb der Fakultät für Physikund Geowissenschaften zusammenfüh-ren.

• Die Einrichtung eines Zentralstudien-ganges Geowissenschaften (Geologie,Geophysik, Mineralogie) sollte zum WS2003/2004 erfolgen. Die Schaffung ge-stufter Studiengänge (Bachelor/Master)verbessert die Chancen arbeitsteiligerAusbildung mit der TU BA Freiberg. DieVordiplom/Bachelor-Ausbildung solltemit Schwerpunkt Freiberg konzentriertwerden, während die Fächerspezialisie-rung dann sowohl in Freiberg als auch inLeipzig erfolgt (Diplom/Master).

• Die erfolgreiche Vernetzung der Leipzi-ger Geowissenschaften mit der außer-universitären Forschung in der StadtLeipzig sowie mit dem Regierungspräsi-dium, mit der Stadt und mit ortsansäs-sigen Wirtschaftsunternehmen der Geo-branche wird fortgesetzt.

• Das eigene Lehr- und Forschungsprofilder Leipziger Geowissenschaften prägtdie Absolventen und die Drittmittelein-werbungen ebenso wie Gerätebeschaf-fungen und Methodenkompetenzen. Inallen Bereichen wird im Vergleich zurBergakademie Freiberg ein unterschied-liches Marktsegment bedient.

Bauwesen:12 JahreErfolgsgeschichteDas auf Empfehlung des Wissenschafts-rates von 1991 eingerichtete Bau- undWirtschaftsingenieurwesen hat sich inner-halb von zwölf Jahren mit einem innova-tiven Studienkonzept zu einem Erfolgs-modell entwickelt. Mit einem auf wesent-

liche Kernkompetenzen gestrafftem Curri-culum liegt das Bauwesen der UniversitätLeipzig in den Studentenzahlen nicht nurgleichauf mit den klassischen Bauinge-nieurfakultäten, sondern hat die höchstePräsenzstudentenzahlen in Ostdeutsch-land. Ein Dritter Platz bundesweit in derDrittmitteleinwerbung und 30 Promotio-nen und drei Habilitationen in nur wenigenJahren belegen nicht nur den wissenschaft-lichen Erfolg, sondern auch die Akzeptanzin der Praxis. Durch eigene Forschungsaufgaben unddurch die mit dem Bau- und Wirtschafts-ingenieurwesen verbundene Materialfor-schungs- und Prüfungsanstalt Leipzig hatsich das Bauwesen der Universität Leipzigzu einem Ankerpunkt für die regionaleWirtschaft entwickelt.Neuestes Projekt ist die Einrichtung einesinternationalen Aufbaustudienganges Stadt-umbau. Dieser Studiengang greift die re-gionalen Erfahrungen bei der urbanen Be-wältigung des demographischen Wandelsauf. Er wird zwar durch das Bauwesen ini-tiiert, seine Umsetzung gelingt jedoch nurdurch die fachliche Zusammenarbeit brei-ter Bereiche der Universität, denn hier sindund technische, planerische und sozialwis-senschaftliche Kompetenz gleichermaßengefragt.In seiner Rede „Bildung als Investition indie Zukunft“ am Dies Academicus am2. Dezember 2002 hat MinisterpräsidentMilbrandt erklärt, dass er für die Hoch-schulen einen Wechsel von einer Input-Steuerung zu einer Output-Steuerung an-strebt. Wenn das Wort des Ministerpräsi-denten gilt, hat das Bauwesen an der Uni-versität Leipzig eine gute Zukunft, auchwenn die derzeitige Hochschulstruktur-planung dies noch nicht umgesetzt hat.

Prof. Dr. Robert Holländer,Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Heft 2/2003 3

Das Tauziehen um den „Hochschulkonsens“ hält an. Karikatur: Weiss

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Die Diskussion um die Neugestaltung des Campusgeländes am Augustusplatz istin den letzten Wochen eskaliert. Anhanddes Medienechos (aus dem hier einigeSchlagzeilen dokumentiert werden) lässtsich diese Entwicklung gut nachvollzie-

hen. Lesen Sie zu diesem Thema außer-dem die Rücktrittserklärung des RektorsProf. Volker Bigl sowie Interviews mitdem Kandidaten für seine Nachfolge Prof.Franz Häuser und dem Architekten MartinBehet.

Eine ausführliche Dokumentation derDebatte findet sich im Internet unter

http://www.uni-leipzig.de/chronik/diskussion_kurz.html

UniVersum

4 journal

Hitzige Diskussion um dieCampus-Neugestaltung

Sächsische Zeitung, 28. 01.

Leipziger Volkszeitung, 27. 01.

Leipziger Volkszeitung, 29. 01.

Frankfurter Rundschau, 03. 02.

Bild, 31. 01.

Sächsische Zeitung, 19. 02.

Bild, 21. 02.

Sächsische Zeitung, 22. 02.

Sächsische Zeitung, 26. 02.

Freie Presse, 01. 03.

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Am 30. Januar trat Prof. Dr. VolkerBigl von seinem Amt als Rektor derUniversität Leipzig zurück. An die-ser Stelle dokumentiert das Jour-nal seine Rücktrittserklärung. Prof.Bigl amtiert bis zur Wahl seinesNachfolgers weiterhin als Rektor.

„Ich habe dem Akademischen Senatder Universität Leipzig heute mei-nen Rücktritt vom Amt des Rektorserklärt. Entsprechend der Verfas-sung der Universität Leipzig werdeich mein Amt noch bis zur Neuwahleines Nachfolgers verantwortungs-voll weiterführen.Veranlasst zu diesem Schritt wurdeich durch einen Beschluss der Re-gierung des Freistaates Sachsen,mit dem das gemeinsam mit derStaatsregierung und der Stadt Leip-zig entwickelte Konzept einer Neu-gestaltung des universitären Cam-pus am Augustusplatz zugunsteneines Wiederaufbaus der Universi-tätskirche aufgegeben werden soll,obwohl alle universitären Gremiendiesem Konzept zugestimmt hattenund der Freistaat sich in einergemeinsamen Erklärung mit derUniversität als Anlage zum außer-gerichtlichen Vergleich über dasKörperschaftsvermögen der Uni-versität schriftlich für eine Umset-zung dieses Konzeptes verpflichtethatte. Verbunden mit diesem Sin-neswandel, für den die Staatsregie-rung der Universität keinerleiGründe genannt hat, war die offeneund unverhüllte Drohung, den Neu-bau des innerstädtischen Campusganz zu stoppen, wenn sich dieUniversität den neuen politischenVorgaben nicht fügen und am bis-herigen (gemeinsamen!!) Konzeptfesthalten sollte. Eine solche Nicht-achtung einer bindenden Erklärungseitens der Staatsregierung und diedamit verbundene Einmischung in

die Selbstverwaltungsangelegen-heiten der Universität sind ohneBeispiel.Dass Regierungen ihre Meinungenändern, wenn sie sich davon partei-politische Vorteile erhoffen, istnicht neu. Damit muss und kannman in einer Demokratie leben.Nicht akzeptieren aber kann ich,dass die Staatsregierung die Ver-fügungsgewalt über ihr anvertrauteSteuermittel benutzt, um Be-schlüsse einer Institution auszuhe-beln, hinter denen mehr als 30.000Mitglieder stehen. Dies zeugt nachmeiner Auffassung von einem ka-tastrophalen Demokratieverständ-nis und einer Überheblichkeit derMacht, die ihresgleichen sucht.Eine derartige Behandlung der altenLandesuniversität durch die Sächsi-sche Staatsregierung und die Miss-achtung sowohl ihrer eigenen Zu-sagen als auch der Beschlüsse derSelbstverwaltung der Universitätkonnte ich als Rektor nicht mehrlänger mittragen und bin deshalbheute von diesem Amt zurückge-treten. Der Akademische Senat hat heutemit seinen Beschlüssen nochmalsden Willen der Universität be-kräftigt, an der vorliegenden Kon-zeption zur der Neugestaltung des Augustusplatzes festzuhalten,eine deutschlandweit einmaligeChance, einen inneruniversitärenCampus für die Universität des 21. Jahrhunderts zu gestalten. Ichwünsche meinem Nachfolger undder Alma mater Lipsiensis dabeiErfolg und Zuversicht.Vivat! Crescat! Floreat!Professor Dr. Volker BiglLeipzig, 30. Januar 2003“

Für die Mai-Ausgabe des Uni-Journals ist ein großes Interviewmit Professor Bigl geplant.

Heft 2/2003

„Einmischungohne Beispiel“Der Rücktritt des Rektors

AmRande

Da sich in dieser Rubrik ja nicht nur der bittere Ernstdes akademischen Lebens spiegeln soll – eher imGegenteil –, ist es an dieser Stelle vielleicht gestat-tet zu sagen: danke, Kabinett, danke, SMWK. Dennderen plötzliches Umschwenken in der Frage derBebauung des Universitätsgeländes am Augustus-platz, was Universität und eine breite Öffentlichkeitzu Recht als Eingriff in die Autonomie der Almamater ansehen mussten, hat zu einer Welle der So-lidarisierung mit ihr und ihrer Haltung – von RektorBigl und den Prorektoren mit ihrem Rücktritt amnachhaltigsten demonstriert – geführt, wie sie bishernoch nicht zu erleben war. Von dieser Welle, was den medialen Teil betrifft,wurde auch der Pressesprecher erreicht. Noch niein seinem Leben hat er so viel und so lange mit derVierten Macht im Staate telefoniert. Keine der gro-ßen überregionalen Zeitungen, ob sie nun Frank-furter Allgemeine, Neue Züricher, Süddeutsche oderFrankfurter Rundschau hießen, der er nicht denHintergrund des Streits und die Anliegen der Uni-versität erläutert hätte; kein regionales Medium, mitdem er nicht gerade die aktuelle Lage besprochenhätte. Und wer wollte nicht alles einen O-Ton! Ausdem Medienäther tauchten bislang unbekannteFlugobjekte auf. So etwa Radio Andernach, ein Sen-der der Bundeswehr, der zunächst auf „Wieder-aufbau“-Kurs zu segeln schien. Aber damit gehörteer neben „Welt“ und „Bild“ zur großen Ausnahmeunter den deutschsprachigen Medienschiffen.Mit dem Gespräch vom 18. Februar, da sich Minis-terium, Stadt und Universität auf die Formel „KeinWiederaufbau der Universitätskirche, kein neuerWettbewerb, kein Aussparen oder Abgeben desGrundstückes der Universitätskirche, wohl aber Er-richtung eines Gebäudes in zeitgemäßer Architek-tur mit Nutzung als Aula und gottesdienstlicherRaum mit starkem Erinnerungsakzent“ verständig-ten, trat eine gewisse Entspannung ein. Die aberdurch eine unterschiedliche Sprachregelung – wirdda eine Aula/Kirche oder eine Kirche/Aula ge-baut? – wieder aufgebrochen wurde und sich ineine Posse zu verwandeln schien.An diesem Punkte hatte der Pressesprecher eineIdee. Da Name eben doch nicht Schall und Rauchist (pardon, Johann Wolfgang), meinte er, dass sichunter dem Dach des historisch verbürgten Begriffs„Paulinum“ der Gegensatz aufheben ließe und denArchitekten das letzte Wort gegeben würde, um dieBalance von akademischer und gottesdienstlicherNutzung gestalterisch umzusetzen. Am 11. Märzerhielt dann das „Paulinum“ auch die Weihen desSenats.Ist der „Paulinerstreit“ nun zu Ende? Sicher nicht.Aber geführt wird er künftig doch wohl auf einerniedrigeren Stufe. Fehlte er ganz, fehlte uns dochetwas. Denn ein bisschen Glühen der Telefondrähtein der Pressestelle sollte schon weiter sein.

Volker Schulte

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Am 11. März beschloss der Senat dieKandidatenliste für die Rektorwahl undstimmte für den eingegangenen Vorschlag,Prof. Dr. Franz Häuser von der Juristen-fakultät zum Rektor für das Interim biszum 1. Dezember 2003 zu wählen. DerVorschlag war sowohl von den Dekanen alsauch von den studentischen Senatoren ein-gereicht worden. Das Wahlkonzil findetam 23. April 2003 statt. Vorab sprach Cars-ten Heckmann mit dem Kandidaten.

Herr Prof. Häuser, was glauben Sie,warum Sie für die Position des Rektorsvorgeschlagen wurden?Hintergrund ist wohl, dass die Vorschla-genden der Meinung sind, für die Zeit-spanne bis Dezember solle jemand aus demamtierenden Rektoratskollegium die Auf-gabe übernehmen. In diesem Gremium binich zudem das amtsjüngste Mitglied, alsorelativ unbefangen.

Musste man Sie zur Kandidatur über-reden?Ich habe mich nicht nach der Aufgabe ge-drängt. Aber es entspricht auch meiner Le-benshaltung, dass ich nicht weglaufe, wennsich mir eine Herausforderung stellt.

Sind Sie vielleicht als Jurist besondersprädestiniert für die Aufgabe?Ich denke, Jurist zu sein, ist keine Voraus-setzung für das Rektoramt, wie die hervor-ragende Führung der Universität in denzurückliegenden Jahren gezeigt hat. Aberes schadet sicherlich auch nicht, sondernkann angesichts des hohen Grades an Ver-rechtlichung auch der Verhältnisse an derUniversität sogar hilfreich sein.

Worin sehen Sie Ihre Aufgaben, solltenSie vom Konzil gewählt werden?Es sind aktuell nach wie vor einige schwie-rige Themen zu bearbeiten, die in ersterLinie mit dem nicht einfachen Verhältniszur Landesregierung zusammenhängen. Soduldet trotz aller Hindernisse die Campus-Neugestaltung am Augustusplatz keinen

Aufschub, wenn man das Jubiläumsjahr2009 im Auge behalten will. Ein zweiterPunkt hat mit dem Hochschulkonsens zutun, und zwar unabhängig davon, ob dieUniversität Leipzig das vorliegende Papierunterzeichnet, ein dritter bezieht sich aufFragestellungen, die das Verhältnis dermedizinischen Fakultät zu dem Klinikumbetreffen. Die grundsätzliche Linie derUniversität in den angesprochenen Fragenwird sich sicherlich nicht ändern. Dafürspricht schon die beabsichtigte größtmög-liche personelle Kontinuität im Rektorats-kollegium.

Wollen Sie auch über das Jahr 2003hinaus Rektor sein?Diese Frage liegt natürlich nahe – aber ichhabe mich mit ihr noch nicht ernsthaft be-fasst. Ich hielte auch eine Festlegung ge-genwärtig für verfrüht. Das entspricht näm-lich auch einem Lebensprinzip von mir:Mache nicht den zweiten Schritt vor demersten. Davon abgesehen liegt auch insoweitdas Vorschlagsrecht wieder beim Senat.

„Wirbrennendarauf,dass eslosgeht“Architekt Martin Behet imInterviewDie Diskussion um die Neugestaltung desCampus-Geländes wurde teilweise mit denArchitekten Behet und Bondzio geführt,teilweise über sie und ihre Ideen undmanchmal sogar offen gegen sie. Noch im-mer können die beiden Münsteraner fürsich in Anspruch nehmen, den nach Ansichtder Jury besten Entwurf für den Campusabgeliefert zu haben – aber natürlich gehtdas Hin und Her nicht spurlos an ihnen vor-über. Martin Behet schildert seine Sicht derDinge im Interview mit dem Uni-Journal.

Herr Behet, wie stellt sich die Lage fürSie dar?Wir hoffen, dass das, was sich als Einigungabgezeichnet hat, möglichst bald konkreti-siert wird. Also eine moderne Lösung ohneRekonstruktion der Kirche, aber mit einerstärkeren Betonung des Gedankens derErinnerung an die Kirche. Wir warten dasErgebnis eines weiteren Zusammentreffensder Beteiligten ab. Momentan kursieren janoch unterschiedliche Interpretationen derEinigung. In einer davon ist die Rede vonsechs neuen Varianten, die ausgearbeitetwerden sollen. Uns liegt uns aber noch keinkonkreter Auftrag vor.

Aber eine erste Überarbeitung haben Sieja bereits vorgenommen.Der Begriff „Überarbeitung“ ist leicht irre-führend. Wir haben lediglich einige Dingeskizzenhaft eingearbeitet, die wir bei denDiskussionen in Leipzig mitbekommenhaben.

UniVersum

6 journal

„SchwierigeThemen“Der Kandidat: Prof. Häuser

Franz Häuserstammt aus Limburg ander Lahn und ist 57 Jahrealt. Er hat in Marburg undBonn Rechtswissenschaft

studiert und in Mainz promoviert undsich dort auch habilitiert. Seit dem Win-tersemester 1992/93 ist er Universitäts-professor an der Universität Leipzig undInhaber des Lehrstuhls für BürgerlichesRecht, Bank- und Börsenrecht sowieArbeitsrecht. An der Juristenfakultät lei-tet er zudem als Co-Direktor das Institutfür deutsches und internationales Bank-und Kapitalmarktrecht. Von 1997 bis2000 war er Prodekan, anschließend bis2002 Dekan der Juristenfakultät. Seit13. 11. 2002 ist er Prorektor für struktu-relle Entwicklung. Er fungiert außerdemals Vorsitzender der Ständigen Kommis-sion zur Untersuchung von Vorwürfenwissenschaftlichen Fehlverhaltens.

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Wie haben Sie denn die Diskussionenund das Presseecho empfunden?Es ist zunächst einmal positiv, dass über-haupt über Architektur gesprochen undauch gestritten wird. Aber Manches warnicht in Ordnung. So hält sich hartnäckigdie Behauptung, dass am Wettbewerb keinerenommierten Büros beteiligt gewesenseien. Das ist schlichtweg falsch. Es warenbeispielsweise Axel Schultes und Gerkan,Marg und Partner dabei. Von denen stam-men zum Beispiel die Entwürfe für dasBundeskanzleramt beziehungsweise dieNeue Messe Leipzig. Diese Argumentationführt ohnehin in die falsche Richtung. Manmuss über das Thema streiten.

Wie kommen Sie denn mit dem Hin undHer der Entwicklung klar?So wichtig die Auseinandersetzung ist:Irgendwann muss man sie zu einem Er-gebnis bringen. Es muss eine klare Aus-sage dazu geben, ob, und – wenn ja – wiesich die Vorgaben bezüglich der Aula ver-ändern. Dann können wir darauf gestalte-risch reagieren.

Sind Sie es irgendwann leid?Das würde ich nicht sagen. Erstens ist unsdie Sache dafür zu wichtig. Wir brennendarauf, dass es losgeht. Und zweitens hat-ten wir in den vergangenen Wochen undMonaten auch sehr viele positive Erfah-rungen, die die negativen allemal aufwie-

gen. Was auf uns zum Beispiel sehr auf-bauend gewirkt hat, war die Entschlossen-heit und die Hartnäckigkeit der Universitätund der Leipziger Öffentlichkeit.

Wann würden Sie dennoch sagen: Mituns bis hierhin und nicht weiter?Eine Rekonstruktion der Kirche würdenwir nicht planen können und wollen. Ichsehe aber auch nicht wirklich die Gefahr,dass sich die Dinge so grundsätzlich än-dern.Unsere Sorge ist, dass das, was als poli-tischer Kompromiss herauskommt, dazuführen könnte, dass es zu einem archi-tektonischen Kompro-miss kommen soll, denman dem Ergebnis späterauf den ersten Blick an-sehen würde. Das wärewirklich schade.

Bei aller Aufregung:Ihr Architektenbürohatte vermutlich nochnie eine so große Publi-city, oder?Das ist definitiv wahr.Für uns ist es natürlichpositiv, mit unserenIdeen in der Öffent-lichkeit so stark regis-triert zu werden. Das istdoch klar. Für ein junges

Büro wie unseres ist das Campus-Projekteine Riesenherausforderung und eine Rie-senchance. Interview: C. Heckmann

Die Architekten selbst äußerten sich imJournal 5/2002 zu ihren Absichten undIdeen:http://www.uni-leipzig.de/~unineu/journal/0205/0205campussieger.htmlIhre Ideen zur Weiterentwicklung desursprünglichen Entwurfs sind illustriertunter:http://www.uni-leipzig.de/campus2009/bau/neu/index.html

Heft 2/2003

UniVersum

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Martin Behet und Roland Bondzio

Das neugestaltete Campus-Areal (Blick vom Augustus-platz) in einem aktuellen Entwurf der ArchitektenBehet und Bondzio. Grafik: Behet und Bondzio

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Was haben wir aus all dem, den 23 Vorträ-gen, den insgesamt mehr als 70 StundenDiskussionen und den diversen Bild-Dis-kursen und Installationen gelernt? Dasmuss jeder Ringvorlesungs-Teilnehmer fürsich beantworten. Ich zog in der Ab-schlussvorlesung meine eigene Bilanz. InThesenform: Der Anti-Terror-Krieg, sowie er bisher unter Leitung der USA ge-führt wurde, ist diskriminierend, egoistischund insgesamt kontraproduktiv. DieserartKampf gegen den Terror (insbesondere inForm von Anti-Terror-Kriegen – Muster:Irakkrieg II) sollte daher entweder ein-gestellt oder radikal geändert werden. Wieschon der Afghanistankrieg ist auch derIrakkrieg ein Verbrechen gegen dieMenschlichkeit. Bleibt nur noch die Frage:Wie kann man die Wahrscheinlichkeit dernächsten Kriege verringern, die aus derGeostrategie der derzeitigen US-Admini-stration mit praktischer Notwendigkeitfolgen? Die zwei Alternativen: (i) Europa

koppelt sich von Amerika ab; Ende derNATO; oder (ii) Amerika nimmt von seinerStrategie der uneingeschränkten Welt-dominanz Abschied. Die Ringvorlesungschloss mit einer Vision: Eurabia. Orientierungshilfe in gesellschaftlichenGrundsatzfragen anzubieten – auch das isteine der zentralen Aufgaben einer Univer-sität. Eine solche Hilfeleistung erwartenvon der Alma Mater außer der Öffent-lichkeit auch die nicht nur auf Karrieregeeichten Teile der Studentenschaft. ZuRecht. Bezüglich dieser Aufgaben ver-sagen die meisten Universitäten. DieseRingvorlesung war der Versuch einer Aus-nahme.Ist dieser Versuch gelungen? In der Ab-schlussdiskussion in der Bibliotheca Al-bertina waren die Bitten um Fortsetzungjedenfalls zahlreich und deutlich. Die vonmir zu Beginn (April 2002) noch eherrhetorisch vorgebrachte Frage „Wozu sindUniversitäten denn überhaupt da?“ klang

bei vielen Teilnehmern am Ende der Ring-vorlesung (Februar 2003) schon fast wieeine Forderung: Wozu sind Universitätenüberhaupt da – wenn nicht auch zur ratio-nalen Klärung unserer brisantesten Zu-kunftsfragen?Wie weiter? Das Philosophische Institutbereitet unter dem Titel „Terror und Gegen-Terror“ den Aufbau einer neuen Forscher-gruppe vor. Die Vereinigung der Fördererund Freunde der Universität Leipzig unter-stützt den Plan, ähnliche Begegnungenzwischen Wissenschaft und Öffentlichkeitin einem neuen Rahmen zu institutionali-sieren: In den Semestern wird es an ausge-wählten Sonntagvormittagen eine Öffent-liche Universitäts-Matinee geben.

Nähere Informationen – insbes. Abs-tracts und vorläufige Vortragsfassungen– gibt es im Internet über den Link „Uni-versitätsringvorlesung“ unterwww.uni-leipzig.de/~philos

UniVersum

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„Verbrechen gegen dieMenschlichkeit“Bilanz der Ringvorlesung„Terror und der Krieg gegen ihn“Von Prof. Dr. Georg Meggle, Institut für Philosophie

nicht nur Rezipient; sie war auch Akteur:Außer Wissenschaftlern sprachen alsReferenten: Geheimdienstexperten, Gene-räle, Journalisten, Pfarrer, aktive und ehe-malige Politiker. Die Ringvorlesung warauch nicht national begrenzt: Gastvortra-gende kamen aus Australien, Israel, Saudi-Arabien, Schweiz und USA. Die Abendewaren auch nicht auf Rede und Gegenredebeschränkt: Es ging zudem um die Bot-schaft von Bildern, von Bildern der Gewaltund deren Wirkungen. So in Ausstellungenund Installationen (in Verbindung mit derHochschule für Graphik und Buchkunstund dem SMWK-Projekt Kunstkommuni-kation); und eine ganze Woche lang wardas Programm eines Filmtheaters (Schau-bühne Lindenfels) auch das Programm derRingvorlesung. Fortsetzung bzw. Vertie-

fung der Diskussion gab es auf drei Ebe-nen: Direkt nach den Veranstaltungen amRunden Tisch in der Nikolaischule; imTerror-Forum des Philosophischen Insti-tutes auf dessen Website; und im Begleit-seminar jeweils am nächsten Morgen. Finanzieller Hauptförderer der Ringvor-lesung war neben der Universität (insbes.Philosophisches Institut und StudiumGenerale) die Vereinigung der Fördererund Freunde derselben. Dieses Tandemermöglicht es auch, dass die Thesen undResultate dieser Ringvorlesung in Formeines Proceedings-Bandes auch einerpotentiell unbegrenzten Öffentlichkeit in Auswahl präsentiert werden können:„Terror und der Krieg gegen ihn. Öffent-liche Reflexionen“ (Verlag Mentis, er-scheint zur Frankfurter Buchmesse).

Was ist Terrorismus? Wie kann man ihnverstehen und. erklären? Wie ist Terro-rismus moralisch/rechtlich/politisch zubeurteilen? Und wie geht man mit ihm ambesten um? Das sind die Fragen, die mansich bei einer rationalen Befassung mitTerror und Gegen-Terror-Maßnahmen zustellen hat. Folglich waren das auch dieFragen, denen sich die von Georg Meggle(Institut für Philosophie) initiierte undorganisierte Ringvorlesung über zwei Se-mester hinweg (SS 2002 und WS 02/03)zu stellen hatte – und auch gestellt hat.Diese Ringvorlesung war keine reinakademische Angelegenheit. Sie richtetesich auch an die Öffentlichkeit; und diesenahm dieses Diskussions- und Orien-tierungsangebot an (insgesamt mehr als3000 Hörer). Die Öffentlichkeit war aber

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AbbauvonPersonalSitzung desSenats am14. Januar 2003

1. Der Senat befasste sich mit Berufungs-angelegenheiten, im einzelnen mit Aus-schreibung und Berufungskommission für„Klinische Pharmakologie“ (C3), „Auto-maten und Sprachen“ (C4), „PhysischeGeographie“ (Nachfolge Prof. Neumeis-ter/C4); mit Berufungsvorschlägen für„Didaktik des Englischen als Fremd-sprache“ (C3), „Wirtschaftsinformatik,insbesondere Anwendungssysteme inWirtschaft und Verwaltung“ (C4), „Kin-derchirurgie“ (C4), „Kognitionspsycholo-gie (Schwerpunkt höhere geistige Pro-zesse)“ (C3) und für die Juniorprofessur„Strategische Versicherungsnetze“.

2. Der Senat nahm zustimmend Kenntnisvon dem Beschluss der Fakultät für Ge-schichte, Kunst- und Orientwissenschaf-ten, dem weltbekannten polnischen Kom-ponisten Krzysztof Penderecki, der am 23. November 2003 70 Jahre alt wird, dieEhrendoktorwürde zu verleihen. Insbeson-dere sollen damit seine Verdienste um diedeutsch-polnischen Kulturbeziehungenund die Verständigung zwischen beidenLändern über politische Grenzen hinweggewürdigt werden. – Der Senat nahmweiterhin zustimmend Kenntnis von demBeschluss der Erziehungswissenschaft-lichen Fakultät, Prof. Dr. Kurt Aurin (Frei-burg) die Ehrendoktorwürde zu verleihen.Der Experte auf dem Gebiet der Schul-entwicklungsplanung, Schulwirkungsfor-schung und Schulvergleichsuntersuchun-gen als Mittel der Politikberatung hat sichnach dem politischen Umbruch besondersum den Aufbau der Erziehungswissen-schaft an den Universitäten in den neuenBundesländern, nicht zuletzt in Leipzig,verdient gemacht.

3. Nachdem sich die drei im Neubau Geis-teswissenschaften ansässigen Fakultätennicht auf die Benennung „Ernst-Bloch-Haus“ verständigen konnten und stattdes-sen „als kleinsten gemeinsamen Nenner“dem Senat vorschlugen, dem Gebäudekeinen Namen zu geben, was durchaus jün-gerer Leipziger Tradition entspricht, ent-schied der Senat nach ausführlicher, zumTeil kontrovers geführter Diskussion, sichauf seiner nächsten Sitzung abschließendmit dem Thema zu befassen.

4. Der Senat nahm zustimmend Kenntnisvon einer Änderung in der Zusammenset-zung der Haushaltskommission; an dieStelle von Prof. Dr. Ekkehard Wolff trittFrau Prof. Dr. Sabine Rieckhoff.

5. Auf Anfrage informierte der Personal-dezernent, dass das Rektoratskollegiumentschieden hat, bei den Mitteln für stu-dentische und wissenschaftliche Hilfs-kräfte keine Kürzungen vorzunehmen.Damit steht die gleiche Summe wie im Vor-jahr zur Verfügung. Allerdings liegt der-zeit eine universitätsinterne 25-prozentigeHaushaltssperre auf diesen Mitteln, umden Personalabbau zu kompensieren. Mittedes Jahres wird die Entscheidung darübergetroffen, ob oder in welchem Umfang dieSperre bestehen bleiben muss.

6. Der Rektor informierte den Senat überdas Konzept zur Umsetzung des von derStaatsregierung verfügten Personalabbausbis 2004, wobei er zunächst feststellte, dassdurch wechselseitige Information der Fa-kultäten eine höchstmögliche Transparenzan der Universität gegeben sei. Ein Ge-spräch in der Staatsregierung zur Wieder-aufnahme der „Konsens“-Verhandlungenhabe ergeben, dass an den Kürzungsplänenfür 2005–2008 festgehalten werden soll,was für die Universität Leipzig hieße, wei-tere 78 Personalstellen abzubauen. Solangenicht ein Strukturkonzept der Universitätmit dem Zeitplan der Umsetzung, einge-schlossen dem für den Abbau, in Dresdenvorliege, würden gegenwärtige Berufungs-vorgänge ruhen, so dass einige Fakultätenkaum noch handlungsfähig seien. Dasjetzige Hochschulentwicklungskonzeptdecke nur die erste Kürzungsrate bis 2005ab. Der weitere Abbau nach 2005 könneaus seiner Sicht erst nach einem Landtags-beschluss umgesetzt werden. Außerdemsei dies nur durch tiefe strukturelle Ein-schnitte möglich.

RücktrittdesRektorsSondersitzungdes Senats am30. Januar 2003

1. Rektor Prof. Dr. Volker Bigl legte mitBezug auf den Beschluss der SächsischenStaatsregierung vom 28. Januar 2003, dieUniversitätskirche wieder zu errichten, dieGründe für seine Ankündigung einesRücktritts vom Amt des Rektors dar.

2. Der Senat billigte nach ausführlicherDiskussion einstimmig die Haltung desRektoratskollegiums, von den bisherigen,im Einvernehmen mit der Staatsregierunggetroffenen Entscheidungen in Bezug aufdie Errichtung des innerstädtischen Cam-pus nicht abzuweichen. Er bekräftigteseine Beschlüsse zum Neubaukomplex undlehnte die Ausgliederung oder Veräuße-rung des Grundstücks der ehemaligen Uni-versitätskirche ab.

3. Der Senat beschloss, dass die Univer-sität Leipzig angesichts des belasteten Ver-trauensverhältnisses zur Staatsregierungbis auf weiteres nicht an den Verhandlun-gen um einen sächsischen Hochschulkon-sens teilnimmt.

4. Prof. Bigl erklärte seinen Rücktritt vomAmt des Rektors. Entsprechend der Ver-fassung der Universität Leipzig wird er biszur Wahl eines Nachfolgers die Aufgabendes Rektors weiter wahrnehmen.

Lesen Sie dazu auch die Rücktrittserklä-rung Prof. Bigls und das Interview mitProf. Häuser auf den Seiten 5 und 6.

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NeubauohneNamenSitzung desSenats am11. Februar 2003

1. Der Senat behandelte eingangs Beru-fungsangelegenheiten, so Ausschreibungund Berufungskommission für „Strahlen-therapie“ (C4), „Hals-, Nasen-, Ohrenheil-kunde“ (Nachfolge Prof. Bootz/C4), „Or-thopädie mit den Schwerpunkten Kinder-orthopädie und Wirbelsäulenchirurgie“(C3), die Ausschreibung für die Juniorpro-fessur „Entwicklungsökonomie unter be-sonderer Berücksichtigung von Klein- undMittelunternehmen“ und den Berufungs-vorschlag für „Historische deutscheSprachwissenschaft“ (C4). Der Senatnahm den Antrag der Fakultät für Ge-schichte, Kunst- und Orientwissenschaf-ten, Frau Prof. Dr. Keebet von Benda-Beckmann zur Honorarprofessorin fürEthnologie zu bestellen, zustimmend zurKenntnis. Der Senat nahm weiterhin An-träge der Fakultät für Geschichte, Kunst-und Orientwissenschaften, Universitäts-musikdirektor Wolfgang Unger und demKomponisten und Musikpädagogen BerndFranke das Recht zur Führung der Be-zeichnung „außerplanmäßiger Professor“zu verleihen, zustimmend zur Kenntnis.Gleiches galt für den Antrag der Wirt-schaftswissenschaftlichen Fakultät für Pri-vatdozent Dr. Ing. Werner Schneider. 2. Prorektor Prof. Papp gab eine Informa-tion über den gegenwärtigen Stand der Ver-handlungen der sächsischen Hochschulenmit dem Staatsministerium für Wissen-schaft und Kunst zum „Hochschulkon-sens“. Der Entwurf sieht in Bezug auf dieUniversität Leipzig vor: die Konzentrationder Juristenausbildung in Leipzig; die Ro-manistikausbildung soll nur noch in Dres-den und Leipzig erfolgen; die Ausbildungfür das Lehramt an Grund- und Mittel-schulen wird in Leipzig konzentriert; dasBauingenieurwesen wird an der TU Dres-den konzentriert; die Ausbildung in dengeowissenschaftlichen Disziplinen Geo-physik, Geologie und Mineralogie wirdgrundsätzlich in Freiberg konzentriert.Nach ausführlicher Diskussion beschlossder Senat einstimmig, gegenwärtig nichtan den „Konsens“-Verhandlungen teilzu-nehmen, in der Zwischenzeit aber offeneFragen zu klären, insbesondere die Aus-wirkungen der Strukturvorgaben auf dieUniversität und ihre Partner, und die wei-tere Vorgensweise zu beraten. Es wurde dieOption bekräftigt, dem „Hochschulkon-sens“ gegebenenfalls zu einem späterenZeitpunkt beizutreten.3. Nachdem die Namensgebung für denNeubau Geisteswissenschaften in der Beet-hovenstraße mit dem Namen einer histori-

schen Persönlichkeit der Universität ge-scheitert war, fand auch der Vorschlag„Philosophicum“ keine Zustimmung inden im Neubau ansässigen Fakultäten. Da-raufhin beschloss der Senat, dem Gebäudevorerst keinen Namen zu geben.4. Der Senat nahm von den Veränderun-gen in der Zusammensetzung der For-schungskommission – Prof. Dr. EkkehardWolff ist Nachfolger von Frau Prof. Dr.Charlotte Schubert – und der Graduierten-kommission – Prof. Dr. Ekkehard Wolff fürProf. Dr. Frank Schulz und Prof. Dr. KlausSchildberger für Prof. Dr. Jürgen Guthke –zustimmend Kenntnis.5. Der Senat bestätigte die Ausgliederungder Allgemeinen und Vergleichenden Lite-raturwissenschaft aus dem Institut für Ger-manistik und deren Eingliederung in dasInstitut für Klassische Philologie.6. Der Senat bestätigt das Verfahren undden Ablaufplan für die Wahl des Rektorsund der Prorektoren für den verbleibendenZeitraum der Amtszeit bis zum 1. 12. 2003.Danach wird auf der März-Sitzung desSenats die Entscheidung über den Rektor-Wahlvorschlag getroffen, das Wahl-Konzilwird am 23. 4. 2003 stattfinden.7. Der Senat wählte die Mitglieder desWahlausschusses für die Amtszeit 2003 bis2006 und bestätigte den Zeitplan für dieWahlen der Gruppenvertreter der Studie-renden in den Fakultätsrat, den Fach-schaftsrat und als weitere Konzilsmitglie-der im Sommersemster 2003 sowie dieSitzverteilung der Studierenden im Konzil.8. Der Senat wählte Frau Dr. MonikaBenedix als Gleichstellungsbeauftragte derUniversität Leipzig und Frau Prof. Dr. Sa-bine Rieckhoff-Hesse als stellvertretendeGleichstellungsbeauftragte.9. Auf Anfrage erläuterte der Kanzler denmit der Staatsregierung abgestimmtenKooperationsvertrag zwischen der Univer-sität Leipzig und einem privaten Investorfür die Bebauung des Universitätsgeländesam Augustusplatz. Wenn die konkretenBauabsichten feststehen, soll dem Investorim Rahmen eines Erbbaurechtsvertragesermöglicht werden, in der Erdgeschoss-zone längs der Grimmaischen Straße La-dengeschäfte zu errichten. Der Erbbauzinsfür die Dauer des Erbbaurechts wird inForm einer Einmahlzahlung erfolgen, dieu. a. für die Ausstattung der Paulineraulabestimmt ist.

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1. Der Senat befasste sich mit Berufungs-angelegenheiten; das betraf Ausschreibungund Berufungskommission für „Strafrechtund Kriminologie“ (Nachfolge von Prof.Seebode/C4), „Grundschulpädagogik“ (C4),„Angewandte Mathematik“ (Nachfolgevon Prof. Beyer/C4), „Persönlichkeitspsy-chologie und Psychologische Diagnostik“(Nachfolge von Prof. Guthke/C4) und fürdie Juniorprofessur „Finanzmathematikund angrenzende Gebiete“, und es betrafdie Berufungsvorschläge für „Fachdidak-tik Geschichte“ (C3) und „Innere Medizin/Schwerpunkt Gastroenterologie, Hepato-logie“ (C3).

2. Der Senat diskutierte ausführlich überdie von der Staatsregierung vorgeschla-gene Vereinbarung bis 2010 zwischen denUniversitäten des Freistaates Sachsen undder Sächsischen Staatsregierung und stelltefest, dass der neue Vorschlag durchausVerbesserungen gegenüber den früherenEntwürfen eines „Hochschulkonsenses“enthält. Dem stehen aber u. a. Vorgabengegenüber, die zu viele wesentliche Fragenoffen lassen und sich eindeutig zu Lastender Universität Leipzig auswirken können.Dazu zählen die folgenden Punkte:

• die vorgegebene Planungssicherheit istnicht erkennbar;

• die Sparpotentiale aus den Strukturvor-gaben sind nicht nachgewiesen. Darüberhinaus werden die gravierenden univer-sitären und außeruniversitären Konse-quenzen der Schließung des Bauinge-nieurwesens in Leipzig und der „grund-sätzlichen“ Konzentrierung der Aus-bildung in den geowissenschaftlichenFächern Geophysik, Geologie und Mine-ralogie in Freiberg nicht berücksichtigt;

• die Auswirkungen einer Konzentrierungvon Studiengängen in Leipzig (u. a.Rechtswissenschaft, Lehramt) auf dieAusstattung der davon betroffenen Fa-kultäten sind offen gelassen;

• die Festschreibung der Budgetanteile dersächsischen Hochschulen bis zum Jahre2010 würde die bisherige Benachteili-gung der Universität Leipzig fortsetzen.

Aus diesen Gründen hält der Senat Ver-handlungen zwischen der Universität Leip-zig und der Sächsischen Staatsregierungfür notwendig. Wenn die Staatsregierungallerdings keinen Spielraum hierfür sieht,wäre die Universität Leipzig genötigt, dievorgelegte Vereinbarung abzulehnen.Der Senat sprach sich für die Bildung einerKommission unter Vorsitz von ProrektorProf. Häuser zur Ermittlung des Verände-rungsbedarfs an dem „Konsens“-Papieraus; ihr gehören die Dekane der von Struk-turvorgaben betroffenen Fakultäten und einstudentischer Senator an.

3. Der Senat wurde von Prorektor Prof.Häuser über das Gespräch zwischen Wis-senschaftsministerium, Stadt und Univer-sität Leipzig am 18. 2. 2003 in Dresdenzum Thema innerstädtischer Campus in-formiert und nahm die dort getroffene Ver-einbarung, das Bauvorhaben am Augustus-platz auf der Grundlage des prämiertenEntwurfs der Architekten Behet und Bond-zio weiter zu qualifizieren, zustimmendzur Kenntnis.Der Senat bekräftigte seinen Beschluss, aufdem Standort der ehemaligen Universitäts-kirche St. Pauli das Paulinum mit aka-demischer Aula und gottesdienstlichemRaum zu errichten. Dabei sei letzterer sozu gestalten, dass eine Öffnung zur Aulamöglich ist.

4. Der Senat beschloss die Kandidatenlistefür die Rektorwahl für das Interim bis zum1. Dezember 2003 und stimmte in gehei-mer Wahl für den eingegangenen Vor-schlag: Prof. Dr. Franz Häuser, Juristen-fakultät, bisheriger Prorektor für struktu-relle Entwicklung. Der Vorschlag warsowohl von den Dekanen als auch vonstudentischen Senatoren eingebracht wor-den. Das Wahlkonzil findet am 23. April2003 statt.

5. Der Senat nahm die von der Prorektorinfür Lehre und Studium vorgeschlageneZusammensetzung der SenatskommissionLehre, Studium und Prüfungen zustim-mend zur Kenntnis.

6. Der Senat stimmte der zweiten Än-derungssatzung zur Immatrikulationsord-nung der Universität Leipzig vom 22. 9.2000 zu. Damit wird es möglich, ab Win-tersemester 2003/2004 die Einschreibungder deutschen Studienbewerber auf posta-lischem Wege zu vollziehen. Die Ein-schreibung der ausländischen Studien-bewerber erfolgt weiterhin nur bei per-sönlichem Erscheinen im AkademischenAuslandsamt.

7. Der Senat wählte – jeweils getrenntnach Mitgliedergruppen – die Mitgliederdes Ordnungsausschusses, der bei Ord-nungsverstößen von Mitgliedern und An-gehörigen der Universität wirksam wird.

8. Der Senat nahm die Änderungen in derZusammensetzung der Bibliothekskom-mission – Prof. Seiwert für Prof. Heyde-mann (Fak. f. GKO), Prof. Schwarz fürProf. Luckhaus (Fak. f. Math. u. Inf.) undProf. Honscha für Prof. Grün (Vet.med.Fak.) – zustimmend zur Kenntnis.

9. Der Senat nahm die Positionen undEmpfehlungen des Gesprächskreises Aka-demischer Mittelbau zur dienstrechtlichenStellung und zu Aufgaben von Juniorpro-fessoren/innen im Übergangszeitraum biszur Umsetzung des Hochschulrahmen-gesetzes in sächsisches Landesrecht zurKenntnis.

Prof. Dr. V. Bigl V. SchulteRektor Pressesprecher

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„Konsens“ und CampusSitzung des Senats am 11. März 2003

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Die Forschungsaktivitäten am Institut fürStatik und Dynamik der Tragstrukturen(ISD) erstrecken sich auf ein breites The-menspektrum: innovative Ansätze imHolzverbundbau (s. Journal 1/2003, S. 17),Modellbildung im konstruktiven Glasbau

oder auf die Analyse des Stabilitätsverhal-tens dünnwandiger Kreiszylinderschalen.Neben diesen Gebieten, die dem klassi-schen Bauingenieurwesen zuzuordnensind, eröffnen die modernen rechnerge-stützten Methoden der Strukturmechanik

neue Aufgabengebiete auch über die Gren-zen der eigenen Fachdisziplin hinaus. Einaktuelles Forschungsprojekt am ISD hatzum Ziel, die Haltbarkeitscharakteristikenvon Kraftfahrzeugreifen zu beschreibenund Vorschläge zur Verbesserung desSicherheitsniveaus zu machen.Die Bedeutung der Haltbarkeitsthematikist in den letzten Jahren durch den soge-nannten „Firestone-Case“ in den Blick-punkt der Öffentlichkeit gerückt. In diesemZusammenhang haben sich in den USAEnde der neunziger Jahre eine Vielzahl vonUnfällen mit 174 nachgewiesenen Todes-opfern ereignet. Die Versagensfälle sindauf komplexe Wechselwirkungen von Halt-barkeitsproblemen bei Reifen der MarkeFirestone mit Fahrzeugen des Typs FordExplorer zurückzuführen. Neben den zubeklagenden Opfern geht es für die beidenUnternehmen auch um wirtschaftliche Fol-gen in der Größenordnung von mehrerenMilliarden Dollar. Gerichte versuchen zurZeit die Verantwortlichkeiten zu klären.Die Frage nach der Haltbarkeit ist sowohlfür den Pkw- wie auch den Lkw-Reifenvon grundlegender Bedeutung. An Reifen sind als wichtiges sicherheits-relevantes Bauteil am Fahrzeug höchsteAnforderungen zu stellen. Zwar gewähr-leisten Versuchsprogramme auf dem Prüf-stand und im Feld die Erfüllung der stren-gen Sicherheitsanforderungen, jedoch ge-ben computergestützte Berechnungsme-thoden während der Entwicklungsphaseeines neuen Reifens oder bei der nach-träglichen Ergründung von Schadensfäl-len Aufschluss über das Strukturverhaltenund das „Innenleben“ der Bauteile. DemEntwicklungsingenieur ist es möglich,Designvarianten virtuell im Rechner zusimulieren, ein vertieftes mechanischesVerständnis zu gewinnen und letztlich Ent-wicklungszyklen zu beschleunigen. Das im Rahmen des aktuellen Projekteseingesetzte Verfahren zur Strukturanalyseist die sogenannte Finite Elemente Me-

Forschung

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Mehr Sicherheit durchvirtuellen ReifentestHaltbarkeitsverbesserungen bei LuftreifenVon Prof. Dr. Michael Kaliske und Dipl.-Ing. Bastian Näser, Institut für Statik und Dynamik der Tragstrukturen

Michael Kaliskeist seit 1. August 2002 Pro-fessor für Statik und Dy-namik der Tragstrukturensowie Direktor des gleich-lautenden Instituts an derWirtschaftswissenschaft-

lichen Fakultät. Sein wissenschaftlichesProfil umfasst Arbeiten, die sowohl derStatik als auch der Mechanik zuzuordnensind. „Idealerweise hat das Institut beideThemenbereiche zu vertreten“, sagt Kali-ske. „Dieser Sachverhalt ist auf die effi-ziente Struktur des Bauingenieurwesensin Leipzig mit doppelt gewidmeten Pro-fessuren zurückzuführen.“

Prof. Kaliske liegt viel daran, „zukunfts-orientierte Impulse“ aus seinem Fach-gebiet in der Lehre zu setzen sowie dietheoretisch fundierte Forschung imBereich Materialwissenschaft und Struk-turmechanik „mit einem klaren Anwen-dungsbezug und Industriekooperationen“zu verbinden.Vor seinem Umzug nach Leipzig war der42-jährige Vater zweier Söhne als Abtei-lungsleiter bei der Continental AG inHannover tätig – der Stadt, an deren Uni-versität er 1990 sein Diplom im Bau-ingenieurwesen erwarb. Zuvor hatte erübrigens drei Jahre in Kiel studiert – aller-dings Theologie. C. H.

NOMENNamenforscher Prof. Jürgen Udolphzur Herkunft des Namens „Kaliske“

Der Familienname Kaliske ist in Deutsch-land nicht sehr häufig: 64 Träger diesesNamens finden sich in einer Telefon-CD,ihre Wohnorte liegen vornehmlich inNorddeutschland, ohne dass ein Schwer-punkt oder Zentrum erkennbar wäre. Dasspricht für Zuzug aus dem Osten. DerName ist nicht zu trennen von Kaliska(7 Einträge) und Kaliski (49 Anschlüsse)und auch nicht von Kalischke (31), Ka-lischko (116).In Polen findet der Name Kaliske unter 38 Millionen Personennamen sichere An-schlüsse in Kaliski (862), Kaliszek (84)und Kaliszka (68). Dabei ist wichtig, dass

sich die meisten Kaliski-Namen bei Byd-gosc/ Bromberg, Konin und Posen befin-den.In dt. Kaliske liegt wahrscheinlich eineEindeutschung aus poln. Kaliski vor. Kaliska und Kaliski sind mehrfach alsOrtsname in Polen bezeugt. ZwischenPosen und Konin liegen drei Dörfer mitdem Namen Kaliska. Eines davon wirdder Ursprung für den HerkunftsnamenKaliski (> dt. Kaliske) sein (weitere Na-men bei J. Udolph, Studien zu slavischenGewässernamen und Gewässerbezeich-nungen, Heidelberg 1979, S. 177). Zu-grunde liegt eine in den slavischen Spra-chen weit verbreitete Wortfamilie umukrain. kal, russ. kal, poln. kał „Sumpf,Schlamm, Schmutz, Kot, Pfütze, Lache“,die auch in dem bekannten poln. Orts-namen Kalisz vorliegt.

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thode (FEM). Mittels dieses mathemati-schen Ansatzes wird die komplexe realeStruktur, die einer detaillierten analyti-schen Berechnung nicht zugänglich ist, inElemente mit endlichen Abmessungen undeinfachen Geometrien zerlegt. Alle rele-vanten Bauteile finden dabei Berücksich-tigung. Die Struktur wird somit in einmathematisches Geometriemodell über-führt.Die im Reifen verwendeten Werkstoffeweisen ein vielschichtiges Materialverhal-ten auf. Elastomere (Gummiwerkstoffe)und die verstärkenden Stahl- oder Poly-estercorde (Verstärkungsfäden) ergeben imZusammenspiel mit den Belastungen u. a.aus Reifeninnendruck, Kontakt in der Bo-denaufstandsfläche und Fahrwerkskräfteneine komplexe Strukturantwort. Aus bis zu30 Einzelbauteilen wird der Reifen auf-gebaut. Die Elastomere unterliegen großenVerzerrungen bei nichtlinear elastischemWerkstoffverhalten. Ebenso sind zeit-, fre-quenz- und temperaturabhängige Eigen-schaften zu beobachten. Die verstärkendenCorde, beispielsweise im Gürtel, bilden mitder Luft im Reifeninnern die eigentlicheTragfähigkeit des Reifens. Durch eineeffektive und realitätsnahe mathematischeModellierung sind die wesentlichen Cha-rakteristiken der Werkstoffeabzubilden.Aus den einzelnen sogenann-ten Finiten Elementen, denendas jeweilige Materialverhal-ten zuzuweisen ist, wird diegesamte Struktur zusammen-gesetzt. Zur Lösung des zu-grundeliegenden mathemati-schen Problems müssennichtlineare Gleichungssys-teme mit vielen zehntausendUnbekannten wiederholt ge-

löst werden. Voraussetzung hierfür ist eineangemessene Rechentechnik, die moderneMaschinen bieten.Der im Computer „zusammengebaute“Reifen steht nun den Analysen des For-schers und des Ingenieurs zur Verfügung.Die Auswirkungen der Belastungen aufden Reifen werden untersucht. Ein großerVorteil des theoretisch-numerischen An-satzes der FEM ist die Möglichkeit, „zer-störungsfrei“ in die Bauteile hineinsehenzu können und Spannungen, Deformatio-nen oder weitere Parameter auszuwerten.Mit experimentellen Methoden ist dieskaum möglich. Zum Beispiel ist der Kon-taktbereich mit der Fahrbahn von besonde-rer Wichtigkeit, da über diese relativ kleineFläche die gesamten Fahrzeugkräfte über-tragen werden. Durch die FEM könnenohne den zeit- und kostenintensiven Bauvon Prototypen Designvarianten auf verän-derte Eigenschaften hin virtuell getestetwerden.Auf der Basis der beschriebenen Methodikerforscht das ISD die Einflussgrößen fürHaltbarkeitsaspekte des Reifens. Das aufmehrere Jahre angelegte Projekt wird voll-ständig durch die Industrie finanziert. Derbesondere Augenmerk gilt den Stahlgürtel-lagen. Hier finden sich kritische Bereiche

des Reifenquerschnitts.Mikrorisse oder Stellen mitfehlendem Verbund zwischendem umgebenden Elastomer-werkstoff und den Stahlcor-den können langsam wach-sende Risse initiieren, dieschließlich zum Versagen desGürtelbereichs und des Rei-fens führen. Die Wechselwirkungen zwi-schen den Reifencharakteris-tiken und dem Design sind

von den mechanischen Zusammenhängenher nicht vollständig geklärt. Als Einfluss-größen sind die Werkstoffeigenschaften,konstruktive Maßnahmen, der Aufbau derCorde oder auch die Beanspruchungssitu-ationen Gegenstand der Untersuchungen.Aufgrund der äußerst komplexen Zu-sammenhänge in der Reifenstruktur konn-ten beispielsweise die Phänomene, die zuden erwähnten Unfällen mit FirestoneReifen führten, noch nicht abschließendgeklärt werden. Für die numerischen Simulationen werdenbruchmechanische Indikatoren zur Be-schreibung von Risswachstum entwickelt.Der Reifentest im Computer soll eine Be-urteilung der Risssensitivität eines Designsliefern. Die speziell entwickelten Kriterienzur Haltbarkeitsanalyse sind in den Kon-text der in der Industrie eingesetztenSimulationssoftware einzubauen. Kom-merziell verfügbare Lösungen genügenden speziellen Anforderungen nicht. DasZiel des Projektes ist, Simulationswerk-zeuge und Wissen für die Optimierung derStruktur im Hinblick auf ein robustesReifendesign bereitzustellen.In der Reifenindustrie liegt ein reicherErfahrungsschatz und empirisches Wissenaus über 100 Jahren Entwicklungs-geschichte vor. Erst jedoch mit den Me-thoden der numerischen Strukturmechanikkönnen wichtige Fragenstellungen er-schlossen werden. Die Basis hierfür bildetdie Werkstofftheorie in Kombination mitnumerischen Methoden. Die Reifenstruk-tur, die sich für den Laien simpel als rundund in der Regel schwarz darstellt, erweistsich für den Strukturmechaniker als äu-ßerst komplexes und interessantes Bauteil,das sicher noch auf Jahre ein dankbaresForschungsobjekt bleiben wird.

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Schematischer Reifenaufbau Simulation der Kontaktdruckverteilungin der Bodenaufstandsfläche

NumerischesReifenmodell

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Im August 2002 wurden zahlreiche Men-schen in Deutschland von einem Hoch-wasser riesigen Ausmaßes überrascht. EinHochwasser, das mit seiner Wucht ganzeStädte und Dörfer verwüstete, Häuser untersich begrub und zahlreiche Existenzen zer-störte. Mit den Schrecken der sogenanntenJahrhundertflut überrollte gleichermaßeneine Welle der Hilfsbereitschaft die betrof-fenen Regionen und deren Bürger. Tausende Helfer waren gekommen, um anElbe und Mulde sowie deren Zuflüssen dieDämme zu sichern oder nach verlorenemKampf gegen die Wassermassen die ver-ursachten Schäden zu beseitigen. Auch anGeld- und Sachspenden haperte es nicht.Alleine an die großen WohlfahrtsverbändeRotes Kreuz, Diakonie und Caritas spen-deten die Bundesbürger fast eine Viertel-milliarde Euro für die Flutopfer. Die enorme Unterstützung, die den Betrof-fenen aus ganz Deutschland zukam, nah-men sich Soziologie-Studierende der Uni-versität Leipzig zum Thema. In einer amLehrstuhl von Prof. Dr. Thomas Voss an-gebotenen Lehrveranstaltung mit dem Titel„Empirische Bedingung der Hilfsbereit-schaft – Hilfeverhalten in der Flutkata-strophe 2002“ gingen sie im Wintersemes-ter den zerstörerischen und menschlich-erfreulichen Wirkungen der Flut nach. Kern der von Dr. Bernhard Prosch geleite-ten Lehrveranstaltung bildete die Konzep-tion und Durchführung einer Befragungzum Hilfeverhalten während und nach derFlut. Die Studierenden trugen dazu bei,einen Fragebogen zu entwickeln, mit demMenschen aus möglichst vielen Regionenzu ihrer Entscheidung zu helfen oder nichtzu helfen befragt werden sollen.

Vorrangiges Ziel des Projekts ist es, zu klä-ren, warum es zu einem so enormen Aus-maß an Hilfeleistungen kam. Die Fragender Studierenden betreffen dabei beispiels-weise die Art und Weise der Hilfeleistung– von der Geldspende bis hin zum Einsatzauf dem Deich. Auch die Intention der ge-botenen Unterstützung wird thematisiert.Zudem zielen die Fragen auf die persön-liche Betroffenheit der Befragten und dasAusmaß an Informiertheit über die Hoch-wassersituation durch die Medien. Befragt werden nicht nur Einzelpersonen –ob Helfer oder Nicht-Helfer – sondernauch Angehörige von Institutionen wieSchulen, Verwaltungen und Betrieben so-wie Hilfsorganisationen wie TechnischesHilfswerk, Polizei, Bundeswehr und Feuer-wehren – schließlich hatten sich diese Or-ganisationen wesentlich an der Linderungder Flutschäden beteiligt. Bis zum Märzbeteiligten sich bereits rund 1200 Personenan der Befragung. Bis zum Abschluss desProjekts sollen es etwa 1500 Befragte wer-den.Damit die Studierenden überhaupt eineVorstellung von der Jahrhundertflut undihren Folgen erhalten konnten, reisten siebei einer zweitägigen Exkursion nachGrimma, Bitterfeld und Wittenberg. AmEnde der Semesters plädierten die Stu-dierenden für eine weitere, gänzlich selbstfinanzierte Exkursion: Im Juni soll es insebenfalls flutgeschädigte Prag gehen. Dortwerden in einer Konferenz erste Ergebnisseder Studie präsentiert und mit tschechi-schen Kooperationspartnern diskutiert.Für weitere Informationen und bei Inter-esse an einer Teilnahme an der Befragung:[email protected]

InformatikWeb Servicesfür Geschäfts-prozesse Web Services bieten die Möglichkeitelektronische Dienste, wie z. B. eine Preis-abfrage, die Buchung eines Flugs oder dieBestellung von Teilen bei einem Zulieferer,potenziellen Nutzern und Anwendungenim Internet weltweit zur Verfügung zu stel-len. Dazu wird ein Web Service in einemXML-basierten Format beschrieben undüber eine standardisierte Web-Schnittstelleaufgerufen. Die Beschreibung der WebServices eines Dienstanbieters werden inglobalen Verzeichnissen, sogenanntenUDDI-Registries, veröffentlicht. Darinkönnen die Dienstnutzer weltweit nacheinem passenden Anbieter für eine zu er-ledigende Aufgabe suchen. Durch diese weltweite Verfügbarkeit vonDiensten wird die Komposition und Aus-führung kooperativer Geschäftsprozesse(auch Workflows genannt), die zwischenverschiedenen Unternehmen stattfinden,wesentlich erleichtert. In einem DFG-ge-förderten Forschungsprojekt der AbteilungDatenbanken des Instituts für Informatik(http://dbs.uni-leipzig.de) wird das SystemWebFlow entwickelt, das die Definitionund Ausführung solcher kooperativerWorkflows unterstützt. Ein Schwerpunktder Untersuchungen ist dabei, eine hoheFlexibilität und Robustheit bei der Ausfüh-rung kooperativer Workflows zu erzielen.Hierzu können Nutzer temporale oderinhaltliche Bedingungen definieren, diewährend oder nach der Ausführung einesWeb Services gelten müssen, wie Termin-vorgaben, Preislimits oder Dringlichkeits-grade.Zum anderen reagiert WebFlow automa-tisch auf logische Ausnahmen (z. B. dieVerletzung von Bedingungen), die wäh-rend der Ausführung eines kooperativenWorkflows auftreten, um dennoch die wei-tere Ausführung des Workflows zu ermög-lichen. Das System wurde auf der Infor-matik-Tagung BTW2003 präsentiert, dieEnde Februar an der Uni Leipzig stattfand.Außerdem wird an der Abteilung Daten-banken die Verwendung von Web Servicesfür die wissenschaftliche Literaturrecher-che im Internet untersucht. Die Suche nachVolltexten und bibliographischen Angabenist derzeit sehr langwierig, insbesondere

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Der Katastropheauf der SpurSoziologen forschen zur FlutVon Theresa Pfeifer und Bernhard Prosch, Institut für Soziologie

Foto: Busse

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wenn in den Literaturdatenbanken keineEinträge zu einem gesuchten Artikel vor-handen sind. Zur Erleichterung dieser Ar-beit werden mehrere Web Services für dieautomatisierte Recherche in Online-Daten-banken und in Suchmaschinen entwickeltund in einem übergreifenden Web Serviceintegriert. Dieser erhält über einen Brow-ser die Nutzereingaben zur gesuchten Lite-ratur, wie Autor, Titel, Schlagwörter oderVeröffentlichungsdatum, und ruft die ent-sprechenden Dienste auf. Die Einzelergeb-nisse werden zusammengefasst, aufberei-tet und dem Nutzer präsentiert.

Ulrike Greiner und Erhard Rahm, Institut für Informatik

Vom 26.–28. Februar 2003 fanden an derUniversität Leipzig zwei renommierteInformatik-Fachtagungen zu Datenban-ken und Informationssystemen (Daten-banksysteme für Business, Technologieund Web – BTW 2003, Tagungsleiter:Prof. Dr. Erhard Rahm) sowie Rechner-netzen und Verteilten Systemen (Kom-munikation in Verteilten Systemen –KiVS 2003, Tagungsleiter: Prof. Dr.Klaus-Peter Fähnrich, Prof. Dr. KlausIrmscher) statt. Die Web Services bil-deten eines der Hauptthemen der bei-den Tagungen und waren auch Gegen-stand des gemeinsamen Eröffnungsvor-trags im Gewandhaus zu Leipzig. Trotzder wirtschaftlich angespannten Lagekonnte mit nahezu 500 Teilnehmern ausForschung und Industrie ein sehr guterBesuch verzeichnet werden. Im Umfeldder Tagungen fanden mehrere Tutorienund Workshops zu aktuellen Themen ausden beiden Fachgebieten statt, die eben-falls gut besucht waren.Weitere Informationen:http://www.btw2003.de http://kivs03.uni-leipzig.de

Halle 3, C 209 – das waren in diesem Jahrbei der Leipziger Buchmesse die Koordi-naten der Universität Leipzig.Unter anderem am Stand präsent:• das Deutsche Literaturinstitut Leipzig• der Internet-Islam-Katalog und die Inter-

net-Datenbank zu religiösen politischenGruppierungen in der Islamischen Welt

Lesen Sie dazu in diesem Uni-Journaleigene Beiträge.Am Stand vorgestellt wurden 150 Bücher– eine Auswahl aus den mehr als 4800 wis-senschaftlichen Publikationen, die im zu-rückliegenden Jahr von Autoren der Uni-versität Leipzig vorgelegt wurden. EineÜbersicht findet sich Internet unterwww.uni-leipzig.de/messen/buch2003-1.htm

Neuerscheinungvon Leipzig-FlüchtlingHelmut Hirsch, Historiker, Honorarprofes-sor an der Gerhard-Mercator-UniversitätDuisburg und ehemaliger Student der Uni-versität Leipzig, hat pünktlich zur Leip-ziger Buchmesse 2003 seine Biographieüber Karl Ludwig Bernays unter dem Titel„Freund von Heine, Marx/Engels und Lin-coln“ publiziert.Studiert hat Prof. Hirsch an den Univer-sitäten zu München, Berlin, Bonn, Köln,Leipzig und Chicago. In seiner Zeit an derLeipziger Alma Mater von 1930 bis 1933besuchte er Kurse in Sozial- und Wirt-schaftsgeschichte, Kunstgeschichte, Archi-tektur und Zeitungswesen. Für seine Dis-sertation ließ er sich im Wintersemester1932/33 beurlauben. Er verließ Leipzig

wegen des heraufziehenden Faschismusund um an auswärtigen Forschungseinrich-tungen wie dem „Marx-Engels-Institut“ inMoskau Material für seine Doktorarbeitüber Carl Friedrich Koeppen zu sammeln. Nach dem Machantritt Hitlers wurdenseine beiden Doktorväter ihres Amtes ent-hoben – Prof. Doren, weil er jüdischerAbstammung war, und Prof. Everth, weil eran der Versammlung für die Freiheit desWortes teilgenommen hatte. Somit wurdeHirsch die Promotion an der LeipzigerUniversität verweigert. Man erkannte seineDoktorarbeit erst 1988 an. Der Prorektorder Universität Dr. sc. Hans-Peter Klebersagte dazu am 31. 01. 1989: „… Die Ver-leihung einer Promotionsurkunde mit derVerspätung eines Menschenalters dürfte inder deutschen Universitätsgeschichte ohneBeispiel sein …“.Hirschs neuestes Buch ist weit mehr alseine bloße Abhandlung biographischerFakten. Er beschreibt das Pariser Umfeldzu Lebzeiten des Philosophen – Politik undDemokratie des Vor- und Nachmärz, Kind-heit, Jugend und Studierzeit, die erstenliterarischen Versuche und seine Verbin-dungen nach Dänemark, Frankreich und indie Schweiz. Allem voran stellt er seineHommage à Jacques Grandjonc – einemExperten auf dem Gebiet der Bernays-For-schung, Freund und Kollege des Autors.Zusammen mit persönlichen Erfahrungs-berichten gibt dieses Buch einen umfas-senden Einblick in Leben, Werk und Wir-ken des Philosophen Charles Louis Ber-nays, aber auch in das des Helmut Hirsch.

Juliane Eichler

Helmut Hirsch: Freund von Heine, Marx/Engels und Lincoln. Eine Karl Ludwig Ber-nays-Biographie. Peter Lang, Frankfurt a. M.,Paperback, 184 Seiten, ISBN 3-631-34695-6

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Forschung | UniCentral

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Buchmesse2003

Karikatur: Weiss

KorrekturIn der Februar-Ausgabe des Journals istuns bedauerlicherweise ein Fehler unter-laufen. Im Beitrag „Atomare Auflösung“auf S. 10 wurde die Auflösungsgrenze desoptischen Mikroskops mit 0,2 m angege-ben. Richtig muss es heißen: 0,2 µm(Mikrometer). Ebenso reicht der sichtbareSpektralbereich von 0,4 bis 0,8 µm. Bitteentschuldigen Sie das Fehlen des Buchsta-bens Mü. Eine Diskriminierung des grie-chischen Alphabets war nicht beabsichtigt.

Ihr Carsten Heckmann, Redakteur

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Das Institut„Und was studierst du?“ Mit der Antwortauf diese Frage haben wir Studenten amDeutschen Literaturinstitut Leipzig esnicht leicht. Die einen sagen der Einfach-heit halber, sie studierten „Literatur“. An-dere versuchen, es etwas genauer zu sagen:„Das muss man sich wie an einer Kunst-hochschule vorstellen. Man lernt nun abernicht Bildhauerei, sondern die Arbeit anden eigenen literarischen Texten. Außer-dem sind wir keine Kunsthochschule, son-dern gehören zur Uni Leipzig.“Wer es ganz genau nimmt, nennt noch dieoffizielle Bezeichnung: „künstlerischerStudiengang Literatur“ mit seinen Schwer-punkten Lyrik, Prosa und Dramatik/NeueMedien.Eine weitere äußerst beliebte Frage lautet:„Und was wird man damit? Etwa Diplom-Schriftsteller?“ Nicht nur etwa – sondernwirklich. „Aber wer am DLL studiert, dertut das in erster Linie, um gemeinsam anseinen Texten zu arbeiten, und nicht, umsich nachher Diplom-Autor zu nennen.“Soviel zum Rechtfertigungszwang für an-gehende Diplom-Schriftsteller.An Kunsthochschulen präsentieren dieStudenten einmal im Jahr in einem so ge-nannten Rundgang ihre aktuellen Arbeiten.Als ein solcher Rundgang ist auch unsere„Tippgemeinschaft“ gedacht, in der sich 33 DLL-Studenten mit ihren Texten vor-stellen. Und zusammen mit Studenten derHochschule für Grafik und Buchkunstunter Beweis stellen wollten, dass sie einBuch nicht nur schreiben, sondern auchmachen können.

Claudius Nießen, Student am DLL

Tippgemeinschaft –Jahresanthologie derStudierenden desDLL 2003Mit einem Vorwortvon Josef HaslingerPaperback, 176 Sei-tenISBN 3-00-011120-410,00 Euro

„Jetzt, im ausgeschürften Braunkohle-gebiet, in der Buchstadt bist du vielleichtdaheim. Industrieluft stockt in den Straßen(abgestandener Atem, den der Wind nichtvertreibt) durchs Kopfsteinpflaster brichtUnkraut, Ruinenlandschaft mit Metastasenvon Telekomarchitektur. Vielleicht bist duhier jetzt daheim, wenn du den Bahnglei-sen folgst & dem Geruch der Parthe, dunimmst die Witterung des (Klär)Schlammsauf, vielleicht bist du nur im Formbarendaheim, wenn du den Schlamm mit deinenSchritten knetest.“

Ist das etwa die Beschreibung einer Boom-town?! Vielleicht werden nicht viele Leip-ziger in diesen Zeilen ihre Stadt wieder-erkennen – aber vielleicht werden einigeKritiker in ihnen literarisches Talent ent-decken …? Das Zitat ist den „Ableitungen“entnommen, die Literaturstudent LarsBeyer zur Jahresanthologie „Tippgemein-schaft“ beigesteuert hat (s. a. nebenstehen-der Text). Interessant ist, dass auch BeyersSchriftbild sich erst noch formt, währender vom „Formbaren“ schreibt. Eine schöneIdee.Schon daran zeigt sich, was auch vieleweitere der im Buch versammelten Kurz-geschichten, Gedichte, Romanfragmenteauszeichnet: die Unkonventionalität des inLeipzig studierenden schriftstellerischenNachwuchses. Da wird schnell mal diePerspektive gewechselt (wie in HannesLeuschners „Über einen Träufling“) odersogar die einer Leiche gewählt (wie vonMarascha Heisig in „Dreck am Stecken“).Da üben sich Autoren im Verzicht auf Satz-zeichen (z. B. auch Heisig) oder schreibenein Gedicht, das dann „kein Gedicht“ über-schrieben ist (Michael Fiedler).Allerdings ist der Übergang fließend vonunkonventionell zu unverständlich. ZumTeil stellt sich beim Leser ein „Häh-Effekt“ein, wo er sich doch nach einem „Aha-Effekt“ sehnt. Andere Beiträge verfügendankenswerterweise über eine schöneSchlusspointe, z. B. Dorothee Brix’ „Be-such bei der Mutter“. Im Mittelpunkt derKurzgeschichte steht Einzelgänger Albert,der mit 40 bei seiner Mutter ausgezogen

ist. Albert arbeitet im Museum, und zwargerne, denn: „Kaum jemand spricht einenMuseumsaufseher an. Er kann zwischenden Menschenmassen sitzen und niemandmöchte ihn sehen.“ Wie die Geschichte umAlbert endet, wird hier natürlich nicht ver-raten.Sehr oft stellen die NachwuchsliteratenMenschen in den Mittelpunkt ihrer Werke,die allein, die sich fremd geworden sind.Einmal, bei Verena Rossbacher, sind Men-schen allein zu zweien. In „Ein Zimmeroder das Projekt Einsamkeit“ verbindet sieaber doch etwas: das Nichts.Entsprechend nüchtern ist größtenteils dieSprache – wenn auch zum Glück nichtimmer ganz so nüchtern wie in Ruth Wie-buschs Kurzgeschichte „Bali“, in der nichtnur Steine „grau“ sind, sondern auch Wol-ken, Sommersprossen, Hitze, Wasser undStrand. Manche Autoren schaffen es, mitganz wenigen Worten ganz viel zu sagen,Jadwiga Engelmann beispielsweise, vonder eine gute Fünf-Satz-Story stammt.Oder auch Marascha Heisig, aus derenFeder zwar die längsten Sätze des Buchesstammen, die aber eben auch zu den bestenzählen. Obgleich ihre üble Tatort-Szenerierund um einen verwesenden Körper, Fäka-lien und Innereien so manchen Leser auchabstoßen könnte.So handelt es sich also um eine „Tippge-meinschaft“, deren Mitglieder kaum unter-schiedlicher sein könnten. Aber am Deut-schen Literaturinstitut meint der BegriffGemeinschaft „vor allem, dass alle amProjekt Beteiligten in derselben Situationsind“, wie Institutsdirektor Josef Haslingerin seinem Vorwort zur Anthologie schreibt.Eine zweite Seite: „Das Gemeinsame istder Substanz nach hauptsächlich ein Ge-spräch, das nicht nur in den Seminarenstattfindende Gespräch über literarischeTexte.“ Mithin ist der Buchtitel doch keinso „schrecklicher“, wie Haslinger zunächstdachte. Und das Buch ist nicht insgesamtso schrecklich wie das kreischende Rosaseines Covers.

Carsten Heckmann

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Die „Tippgemeinschaft“:Das Buch – Glänzendes und Graues

Hintergrundbild: Christoph Busse

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Es ist Samstagabend, kurz vor 19 Uhr,irgendwo in der Stadt liest gleich ImreKertész, der Nobelpreisträger. Ebenfallsum 19 Uhr lesen wir. Wir, das sind die Stu-denten des Deutschen LiteraturinstitutsLeipzig, kurz DLL. Und in diesem Jahr stel-len wir unsere erste gemeinsame Jahres-anthologie vor: die „Tippgemeinschaft“.Die Kartons aus der Druckerei sind genauauf den letzten Drücker am Mittwochnach-mittag im Institut in der Wächterstraßeangekommen. Wir schleppen die Kartonshinauf in den Abstellraum. Von wegenleichte Literatur – zumindest nicht beimTragen.Die Eingangstür zum DLL steht nicht mehrstill, immer mehr Menschen drängen inden großen Saal. Trotz Imre Kertész undtrotz der Polizei-Absperrung, die draußenvor dem Institut in der Wächterstraße ver-läuft und nicht uns, sondern unsere ameri-kanischen Nachbarn schützen soll, ist derLaden so voll, dass einige Zuhörer sogarauf den Treppenaufgängen Platz nehmenmüssen. Das hat etwas von der Atmosphäreüberfüllter Hörsäle, etwas, das man amDeutschen Literaturinstitut mit seinen rund65 Studenten sonst nicht kennt.Die Buchpräsentation aus der „großenYogurette“, wie einige Studenten unsereAnthologie wegen der Farbgebung (rosa!)bereits getauft haben, ist ein Erfolg gewor-den. Die Bücher verkaufen sich gut, selbstdie ersten Bestellungen über den Buchhan-del sind schon eingetroffen und auch dieJournalisten zeigen sich interessiert. „Spiegel-Online“ hat seine Rezensionpünktlich zum Buchmesse-Start ins Netzgestellt und auch die „tageszeitung“ hatdarüber geschrieben. Das hat weitereJournalisten auf den Plan gerufen. EineJournalistin vom Westdeutschen Rundfunkschleicht schon zum x-ten Mal um denBuchmesse-Stand herum und sammelt O-Töne für ein einstündiges Radio-Feature

über das Leipziger Literaturinstitut undjunge Literatur. Und auch ansonsten bittendie freundlichen Damen und Herren immermal wieder um ein rosa Rezensionsexem-plar.Was angehende Autoren aber noch mehrfreut als der ganze Presse-Rummel sind die Besuche der Lektoren, die sich einExemplar der Tippgemeinschaft abholen,schließlich lässt das den ein oder anderenin der Anthologie vertretenen Studentenam Institut auf eine E-Mail des entspre-chenden Verlages hoffen.Und natürlich nutzen die Studenten amStand die Zeit zwischen den Gesprächenmit interessierten Studenten in spe, Lekto-ren und Journalisten für einen kleinenMesse-Rundgang. Schließlich ist eineBuchmesse nicht nur Eigenpräsentation.Das Angebot an Lesungen ist schließlichgroß und einen Michel Houellebecq odereinen Ralf Rothmann lässt man sich nicht

so schnell entgehen. Und auch die Lesun-gen von Dozenten wie Hans-Ulrich Trei-chel oder Michael Lentz ziehen regelmäßigeine Schar von DLL-Studenten an.Viele Interessierte fühlen sich auch vonunserer zweiten Lesung aus der „Tippge-meinschaft“ angezogen. Die findet diesmalnicht im Deutschen Literaturinstitut stattsondern im Rahmen der universitärenBuchmesse-Akademie. Und noch währendder Schriftsteller und Gastdozent MichaelLentz ein wenig über das Literaturinstitutund die Tippgemeinschaft erzählt, sind dieSitzplätze der Buchmesse-Akademie be-reits belegt …

–Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag.Das also war die Leipziger Buchmesse. Fürdieses Jahr. Froh ist man irgendwie trotz-dem, wenn nach diesen vier Tagen allesvorbei ist: die Fahrten mit der überfülltenLinie 16 hinaus zum Messegelände und die Horden von vagabundierenden Schul-klassen und Schnäppchenjägern, die ge-rade Donnerstag und Freitag mit ihrenTüten und Taschen die Gänge der Leipzi-ger Buchmesse verstopfen.Bis zum nächsten Jahr werden sich zu denausgestellten Büchern von Studenten, Ab-solventen und Dozenten des DeutschenLiteraturinstitutes wahrscheinlich wiederein paar neue Titel hinzugesellen und aucheine neue Anthologie wird es geben. Dannvielleicht in pastellblau statt in rosa.

–Es ist Sonntag Abend, kurz vor 19 Uhr,Imre Kertész sitzt vermutlich im Fliegernach irgendwo oder ist schon längst dortangekommen. Wir haben die ausgestelltenBücher und die wenigen übrig gebliebenenFlyer in ein paar Taschen gepackt und inder Linie 16 sogar einen Sitzplatz gefun-den. In diesem Moment freut man sicheigentlich schon wieder – auf die Buch-messe im nächsten Jahr.

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Rummel um die „große Yogurette“Ein Buchmesse-Erfahrungsberichtvon Literatur-Student Claudius Nießen

Claudius NießenFoto: Christoph Busse

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Der 11. September 2001 war gerade fürOrientalisten ein einschneidendes Ereig-nis. Plötzlich wurden von allen SeitenInformationen über den Nahen Osten undden Islam verlangt. Und alles sollte leichtverständlich und in verdaubaren Häppchenserviert werden, auf dass das abendlicheFernsehpublikum, der Regionalzeitungs-leser oder der Realschüler die politischenZusammenhänge verstehe. Kundige aberauch windige Nahost-Experten geben sichseitdem in den Fernsehstudios die Klinkeund in den Buchläden die Drucker-schwärze in die Hand.Das Orientalische Institut der UniversitätLeipzig – eines der ältesten seiner Zunft inDeutschland und einzigartig in seinem ehergegenwartsbezogenen Profil – konnte an-gesichts dieser unkontrolliert steigendenInformationsflut nicht abseits stehen. Istdas Institut doch das Sammelbecken für dieNahost-Experten der Zukunft, die übergute Sprachkenntnisse, Vor-Ort-Erfahrungund eine wissenschaftliche Ausbildungverfügen und sicherlich mit fundierterenAuskünften dienen können als sie gemein-hin durch die Medien schwirren.Professor Eckehard Schulz, Dozent fürSprach- und Übersetzungswissenschaftenin der Orientalistik, regte deshalb zwei Pro-jekte an, die glaubwürdig, neutral und inüberschaubarem Rahmen Informationenaus erster Hand über den arabisch-islami-schen Raum bieten sollen. So wurden im letzten Jahr auf der Leipzi-ger Buchmesse erstmals zwei von Studie-renden erstellte Internetseiten präsentiert,die mit arabischen Quellen arbeiten, diesefür den deutschen Nutzer kommentieren,mit den jeweiligen Originalseiten verlinkenund Kurzzusammenfassungen aus diesenDokumenten und Zusatzmaterial bieten.Natürlich wird alles mit Quellenangabenbelegt und nachvollziehbar gemacht. Zu-dem bietet das Medium Internet jedem

Interessierten einen schnellen, einfachenund preiswerten Zugang. Die gute Resonanz im letzten Jahr zeigte,dass das Orientalische Institut hier denWeg geht, der für Universitäten so oft ge-fordert wird: wissenschaftliche Erkennt-nisse für die Allgemeinheit zugänglich zumachen und somit auch die Leipziger Uni-versität als wichtige Einrichtung in denKöpfen der Menschen zu verankern.

Projekt zu militanten religiö-sen und politischen Gruppen

Diese Internetseite widmet sich denjenigenGruppen und Organisationen, die gemein-hin als terroristisch oder fundamenta-listisch klassifiziert werden. Die Palettereicht von der Hamas, über die Hisbollahund die algerische FIS bis hin zu AbuSayyaf. Deren bevorzugtes Medium zurSelbstdarstellung ist das Internet. Deshalbeignet sich auch eine Online-Seite, dieständig aktualisiert wird und auch den oftwechselnden Adressen der Gruppen nach-

spüren kann, besonders, um mit neuestenInformationen aufwarten zu können. Kurze Zusammenfassungen zu den wich-tigsten Schlagwörtern, die auf der Auswer-tung der gesichteten Originalseiten undarabischen Dokumente und Zusatzinfor-mationen beruhen, bieten so den einenguten ersten Überblick, sind aber zugleichauch Einstieg für solche, die sich tiefer-gehend mit einer der Gruppen befassenwollen.So ist zum Beispiel in wissenschaftlicherHinsicht die Terminologie interessant, mitder die Gruppen sich selbst legitimierenund ihr Tun begründen. Mit Hilfe diesesInternetprojektes wurde die besondereSprache der Gruppen im letzten Jahr auchschon in einem Seminar der Orientalistikanalysiert; mindestens eine Magisterarbeitwird folgen.Zielgruppe der Website sind aber in ersterLinie die Medien, die schnell, aber um-fassend informiert werden wollen. Da dieNutzung der Seite allen unentgeltlich offensteht, ist nur sehr schwer nachvollziehbar,von wem die Seite tatsächlich aufgerufenwird. Innerhalb des letzten Jahres gab esüber die Website aber zahlreiche Interview-Anfragen von n-tv, Radiostationen undZeitungen an das Institut, und sie wurdemehrfach von Online-Nachrichtendienstenzitiert und verlinkt. Außerdem greifenetliche Schüler, Studierende und interes-sierte Bürger auf das Projekt zurück undstellten per E-Mail weitere Fragen. Eswurde auch bekannt, dass die Seite sogarvom sächsischen Verfassungsschutz undvom Landeskriminalamt als sachkundigeQuelle geschätzt wird. Neben dieser enormen Resonanz seit derletzten Buchmesse ist ein zunehmendes

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GebündeltesWissen zum IslamInternetangebote erfreuen sichgroßer ResonanzVon Carola Richter und Anne Schober, Studierende der Orientalistik

Screenshotvom Islam-katalog

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Interesse an den Ablegern militanter Grup-pen in Deutschland spürbar. Hier kann undwill das Projekt keine nachrichtendienst-liche Funktion übernehmen, sondern stelltdie vom Verfassungsschutz veröffentlich-ten Daten und Vorwürfe den Selbstdarstel-lungen der Gruppen gegenüber: NeutraleAusgewogenheit ist das Motto des Pro-jekts.

Der Islamkatalog

Hinter dem Islamkatalog verbergen sichdrei umfangreiche Online-Kataloge –Islaw, Ismedia und Useful Links – diedurch eine sorgfältig ausgewählten Link-sammlung unterschiedliche Themen derislamischen Welt zugänglich machen sol-len. Der Islaw-Katalog ist nach 27 Länderngeordnet und führt zu Informationen überderen Rechtssysteme. Ismedia ist denonline verfügbaren Medien dieser Ländergewidmet und nach verschiedenen Me-dienarten gegliedert. Zusätzlich enthält erLinks zu länderübergreifenden Medien.Der dritte Katalog, Useful Links, hat dasbreiteste Spektrum: von Informationenzum Islam, über Buchläden bis zu arabi-schen Browsern kann man hier alles fin-den. Der Katalog beinhaltet momentan 1300Links, die zu englisch-, französisch- oderarabischsprachigen Seiten führen, und de-ren Aktualität regelmäßig überprüft wird.Beständig werden neue, von den am Kata-log arbeitenden Studierenden ausgewählteLinks hinzugefügt, regelmäßig treffen aberauch Anfragen von Seitenbetreibern ein,um im Katalog aufgenommen zu werden.mAuch bei dieser Seite fällt es schwer, dieNutzung genau nachzuvollziehen. DieZahl der Anfragen an den Katalog stiegspürbar seit letztem Jahr. Meistenteils han-delt es sich um Bitten für Recherchehilfe.Kritik wurde an der Abwesenheit von Län-dern wie dem Iran oder der Türkei imIslawkatalog geübt. Dass diese Länder feh-len bzw. dass es uns nicht möglich ist, denKatalog zu vergrößern oder tiefergehendeSachverhalte für Interessierte zu recher-chieren, hat in der leidigen Mittelknappheitseine Ursache. Deshalb versuchen wir imMoment, vor allem einen qualitativ an-spruchsvollen und aktuellen Katalog anzu-bieten.

Die beschriebenen Internet-Seitenfinden Sie unter www.islam-gruppen.tk und www.islamkatalog.uni-leipzig.de

Mit einem Hochwasserschutzprojekt präsentierte sich die Universität Leipzig auf derTerratec. Das vorgestellte Messverfahren nennt sich „Geoelektrische Leitfähigkeitstomo-graphie mit niederfrequenten Wechselströmen“. Mit einem Multielektrodensystem wirddie elektrische Leitfähigkeit des Deiches gemessen. Experten können daraus den geo-technologischen Zustand beurteilen und entscheiden, ob der Deich gefährdet ist. Geleitetwird das Projekt von Prof. Dr. Franz Jacobs, Dr. Erik Danckwardt und Günter Petzoldvom Institut für Geophysik und Geologie.Weitere Informationen im Internet:http://www.uni-leipzig.de/messen/terratec2003-1.htm

CATS heißt das Projekt, mit dem sich die Alma Mater (Institut für Angewandte Lingui-stik und Translatologie, Prof. Dr. Peter A. Schmitt) und die TU Dresden auf der CeBITvorstellten. Diese Software dient der sprachenpaarorientierten multimedialen Terminolo-gieverwaltung, die Anwendung bei Übersetzungen und Dokumentationen findet. MitHilfe des Programms lassen sich zum Beispiel Glossare, Fachwörterbücher und Lexikaerstellen.Das Institut für Software- und Systementwicklung (Prof. Dr. Gerd Goldammer) präsen-tierte im Rahmen von UniTel+ Kommunikationssysteme für Lehre und Studium. Die Er-zeugnisse: • das Electronic Lecturer’s Desk, ein plattformunabhängiges und datenbankgestütztes

Softwaresystem, das der Kommunikation zwischen Lehrstuhl und Studierenden dient• das European Credit Transfer System (ECTS) Information Package, ein elektronisches

Buch zur zweisprachigen (Deutsch, Englisch) Darstellung der inhaltlichen Lehrange-bote im Rahmen des ECTS am Beispiel der Wirtschaftwissenschaftlichen Fakultät

Weitere Informationen im Internet:http://cats-term.com/bzw. http://www.iss.uni-leipzig.de/iss/fai/iss-fair.html

BioAnalytica München, 1.–4. April

Das Institut für Biochemie der Leipziger Universität zeigteunter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Eschrich die Ergebnisseihrer Forschungsarbeit mit dem Projekt „Bakterienscreeningdurch PCR-MALDI-TOF MS“. Mit Hilfe der MALDI-TOFMassenspektroskopie wird die Identifizierung von Bakterienin medizinischen, biotechnologischen und Umweltproben er-möglicht.

Hannover Messe 7.–12. April

Die Universität Leipzig und die Solarion GmbH Leipzig stellen ihr ProjektInnocis vor. Geleitet wird es von Dr. Gerald Wagner vom Institut für Mine-ralogie, Kristallographie und Materialwissenschaft. Mit einer neuen ionen-strahlgestützten Technologie werden auf dünne Polymerfolien effizienteDünnschichtsolarzellen auf Basis von Kupfer, Indium, Gallium und Selen auf-getragen. Solche Solarzellen können bei Massenanfertigung die Kosten erheblich senken.Sie sind dünner als Papier, flexibel, ultraleicht und auf jede Oberfläche aufbringbar. Daserschließt zahlreiche neue Anwendungsfelder. Weitere Informationen in Journal 4/2002 (S. 12) und im Internet:http://www.uni-leipzig.de/presse2003/solarzelle.html Juliane Eichler

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Weitere Frühjahrsmessen

Leipzig, 11.–14. März

Hannover, 12.–19. März

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Es war eine typische Seminaraufgabe, dieDiana Härtrich zu erledigen hatte: Miteiner Oinochoe, einer Weinkanne, sollte siesich beschäftigen. Beschreiben, vermes-sen, Herkunft und Funktion bestimmen,datieren. „Altitalisches Kunsthandwerk imAntikenmuseum“ hieß das Seminar fürStudenten der Ur- und Frühgeschichte so-wie der Klassischen Archäologie.Die ersten Arbeitsschritte verliefen nochunspektakulär. Dann ging die 25-Jährige in die Bibliothek, suchte nach Vergleichs-stücken, die oft Analogieschlüsse erlauben.„Zu der Kanne habe ich zwar viel gefun-den, aber das war alles sehr unterschied-lich. Das kam mir schon merkwürdig vor“,berichtet Härtrich. Eine nähere Betrach-tung zusammen mit der Restauratorin GritKaren Friedmann brachte endgültig Auf-schluss: Die Kanne, so stellte sich heraus,ist alles andere als antik – von wegen 6. Jahrhundert vor Christus!Die Diagnose in den Worten Härtrichs, dieim Hauptfach Kunstgeschichte studiert:„Unter dem Mikroskop war klar erkennbar,dass sie aus einem Stück gegossen ist. Derrötlich-braune Überzug ist nicht der Kor-

rosion geschuldet, es handelt sich umFarbe. Und an zwei angeschliffenen, gold-gelben Stellen konnte man sehen: DieBronze hat offenbar einen relativ geringenKupfer-Anteil, der war in der Antikehöher.“ Ergo: eine moderne Nachbildung,19. oder 20. Jahrhundert.„Ein wahnsinniger Lerneffekt für die Stu-dentin“, freut sich Dr. Hans-Peter Müllervom Institut für Klassische Archäologie,der das Seminar zusammen mit Dr. Wolf-Rüdiger Teegen leitete. „So ein Problem-objekt schult ungemein das archäologischeSehen und Vergleichen.“ In der Lehr- und Studiensammlung befänden sich oft„schwierige Stücke, mit denen sich nochniemand groß beschäftigt hat.“ Der im-mense „Altbestand“ eigne sich gut für einpraxisnahes Seminar. „Wenn man späterim Beruf in ein Museum kommt, dannkönnte es auch heißen: Hier ist einSchrank, hier sind einige Bronzen – ma-chen Sie mal was draus!“15 Studenten konnten am vergangenen Se-minar teilnehmen, doppelt so viele wolltendabei sein. „Natürlich ist so etwas span-nend für die Studenten, sie arbeiten eben

mit Originalen, können die in die Handnehmen und untersuchen“, weiß Müller.„Aber für uns ist es eine sehr aufwändigeLehrveranstaltung.“ Übrigens eine, in derauch moderne Untersuchungsmethodenwie die Computertomografie zum Einsatzkamen und beim nächsten Mal kommenwerden.Inzwischen ist im Antikenmuseum einekleine Studio-Ausstellung mit den von denStudenten untersuchten Stücken zu sehen,die am 11. April offiziell eröffnet wird.„Löwenkanne & Co.“ lautet ihr Titel. Dasvon Diana Härtrich als Nachbildung ent-larvte Objekt ist auch dabei. „Es hat ja auch wissenschaftlichen Wert für dieUntersuchung der Rezeption der Antike“,sagt Hans-Peter Müller. Er will die Wein-kanne auch wieder Studenten als ver-meintliches Original „unterjubeln“ –„wenn erst mal ein paar Semester ins Landgegangen sind …“. Carsten Heckmann

Das Antikenmuseum in der Alten Nikolai-schule ist Dienstag bis Donnerstag sowieSamstag und Sonntag von 12 bis 17 Uhrgeöffnet.

Fakultäten und Institute

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Die kurzeGeschichte einer„antiken“ KanneEntdeckung im Archäologie-Seminar

Interkulturelle Erfahrungen ohne Aus-landsaufenthalt? Ja, das ist möglich! Seitdem Sommersemester 2000 besuchen je-des Jahr 20 Studierende und zwei Profes-soren der Ohio University den Lehrstuhlfür BWL, insbes. Marketing von Prof. Dr.Helge Löbler, um gemeinsam mit 20 Mar-ketingstudenten der Universität Leipzig in gemischten Teams Praxisprobleme zulösen. Für die Praxisprojekte werden Firmen ausder Region angesprochen, schließlich sol-len die Teams vor Ort agieren können undder Begriff „praxisnahes Problem“ kann

hierdurch wörtlich genommen werden.Aufgrund der enormen räumlichen Distanzkann sich die eigentliche Projektarbeit nurauf knapp zwei Wochen beschränken. Diesverlangt den Studenten einiges an Flexibi-lität beim Umgang mit dem eigenen Stun-denplan ab, aber „es lohnt sich“ – so derGrund-Tenor der Studenten.Neben den Studierenden genießen natür-lich auch die Lehrkräfte die Vorteile desProgramms: Durch den persönlichen Er-fahrungsaustausch ergeben sich neue Im-pulse für die Verbesserung der eigenenLehre.

Das Lob der teilnehmenden Unternehmenzeigt, dass diese Lehrform eine Zukunfthat. Besonders hervorzuheben ist hier dieZusammenarbeit mit den Wirtschaftsjunio-ren Leipzig und dem World-Trade-CenterLeipzig.

Informationen zum Global Competitive-ness Program, welches im Sommer 2003vom 21. Juni bis 5. Juli stattfinden wird,erhalten Sie bei Herrn Dipl.-Kfm. MarkusTauber telefonisch unter 0341/97-33754oder per e-Mail [email protected]

Interkulturelles Lernen am Marketing-Lehrstuhl

Diana Härtrich mit „ihrer“Kanne. Foto: A. Kühne

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ErwachsenenpädagogikLeipzig lerntDas vom Lehrstuhl für Erwachsenenpäda-gogik der Universität Leipzig geleiteteProjekt „Lernende Region“ bekam jetzteine Förderempfehlung. Der Lenkungsaus-schuss des bundesweiten Programms „Ler-nende Regionen“ (gestartet vom Bundes-ministerium für Bildung und Forschung)sprach sich dafür aus, dass bis zum Jahr2006 Gelder in Höhe von 1,26 MillionenEuro in den Aufbau eines Bildungsnetz-werkes im Regierungsbezirk Leipzig flie-ßen. Darin sollen auch Mittel des europäi-schen Sozialfonds enthalten sein. Weitere540 000 Euro bringt das Netzwerk selberauf. Das Konsortium des Netzwerkes, dassich in einem wahren Beantragungsmara-thon erfolgreich um das Projekt bewarb,wird vom Leipziger Lehrstuhl für Erwach-senenpädagogik geleitet. „Wir sind natür-lich glücklich über die Empfehlung undsehen dies auch als eine Anerkennungunserer bisherigen Arbeit an“, sagt Lehr-stuhlinhaber Prof. Dr. Jörg Knoll, der zu-dem als ehrenamtlicher Projektleiter tätigist. Ziel der „Lernenden Regionen“ sei es,wirtschaftliche, soziale und kulturelleHandlungsfelder und Einrichtungen mit-einander zu verknüpfen, um mit Hilfe vonBildung und Beratung die tief greifendenVeränderungen der Leipziger Region zubewältigen und die Lebensqualität zusteigern. Im gesamten Regierungsbezirksollen so genannte „i-Punkte“ aufgebautwerden, die als Anlaufstellen für lernför-dernde Informationen sowie für Beratung,Bildung und Tätigkeit agieren. „Unser Wunsch ist es, dass die i-Punktenach Ablauf des Projekts selbständig sindund das Netzwerk somit weiter funktio-niert“, erklärt Prof. Knoll. Bis dahin wer-den die etwa 60 Netzwerk-Partner vomProjektbüro an der Erziehungswissen-schaftlichen Fakultät in der Karl-Heine-Straße angeleitet und unterstützt. In De-litzsch wird es außerdem eine Regional-agentur geben. Im Rahmen der „LernendenRegionen“ soll zum Beispiel eine Lern-werkstatt entstehen, in der Multiplikatorenaus Vereinen, Wirtschaft, Politik und Kul-tur geschult werden. Weiterhin wird dasProjekt ein Trainingsangebot für „interkul-turelle Kompetenz“ entwickeln. Diesesrichtet sich vor allem an Menschen, die mitAusländern arbeiten. Es soll helfen, kultu-relle Besonderheiten besser zu verstehen.m

Weiterhin werden Teilprojekte gestaltet,beispielsweise zu den ThemenkomplexenUmwelt oder Ausbildung, die in die Ler-nende Region integriert sind, aber eigeneTräger haben. Das Netzwerk überschreitetdabei Grenzen klassischer Bildungsein-richtungen und wird tradierte Lernorte aufden Prüfstand stellen. „Lernen und Bil-dung sollen auch im Alltag und in der Frei-zeit Raum bekommen. Dazu gehören auchungewöhnliche Lernorte wie beispiels-weise ein Bauernhof oder ein altesSchloss“, sagt Projektleiter Jörg Knoll. Bis2006 sind zudem Wettbewerbe und weitereTeilprojekte geplant. Jarno Wittig

Informationen im Internet:www.leipzig-lernt.de www.erwachsenen-paedagogik.de

Ibero-AmerikanischesForschungsseminarRingvorlesungzu „Andersheit“Das Ibero-Amerikanische Forschungs-seminar am Institut für Romanistik derUniversität Leipzig organisiert in Zu-sammenarbeit mit dem Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin undder Konrad-Adenauer-Stiftung im Som-mersemester eine Ringvorlesung zumThema „Andersheit – Das ‚Eigene‘ und das‚Fremde‘. Hybriditätsstrategien im globa-len Zeitalter in Lateinamerika.“ Die Veranstaltungsreihe, die jeweils don-nerstags 12:30 bis 14 Uhr im Hörsaal 15stattfindet, steht unter der Schirmherr-schaft des Staatsministers für Wissenschaftund Kunst des Freistaates Sachsen, Mat-thias Rößler. Als Vorlesende konnten u. a.namhafte Lateinamerika-Wissenschaftleraus Berlin, München, Düsseldorf und Grazgewonnen werden.Gegenstand der Veranstaltung ist die Be-schreibung und Interpretation von Reprä-sentationsformen der Andersheit im Kon-text von Hybriditätsstrategien und im Rah-men der Auswirkungen der Globalisierungin Lateinamerika. Die zunehmende Ver-flechtung zwischen dem sog. ‚Eigenen‘und dem sog. ‚Fremden‘ wirft Fragen überKonzepte wie Differenz und Identität, Na-tion und kulturelle Gegebenheiten auf.

Informationen im Internet unter:www.uni-leipzig.de/~iafsl/Kolloqu/ring03konz.htm

Historisches SeminarWährungs-historischeSammlungenMit Beginn des Sommersemesters 2003stehen am Historischen Seminar der Uni-versität Leipzig die Wirtschafts- und Wäh-rungshistorischen Sammlungen, die unterder Leitung von Prof. Dr. Dr. h. c. mult.Wilhelm Abel und Prof. Dr. Karl HeinrichKaufhold seit mehr als 40 Jahren an derGeorg-August-Universität Göttingen zu-sammengetragen worden sind, als Leih-gabe für Forschung und Lehre zur Ver-fügung. Die umfangreiche Währungs- undWirtschaftshistorische Quellensammlungbildet einen in Mitteleuropa einzigartigenBestand von Kopien von etwa 30 000Dokumenten zur Währungs-, Preis-, Lohn-und allgemeinen Wirtschaftsgeschichtevorrangig zwischen 1450 und 1850.Im Rahmen eines Leihgabevertrages zwi-schen den Universitäten Leipzig und Göt-tingen wurde vereinbart, dass der Inhaberdes Lehrstuhls für Sozial- und Wirtschafts-geschichte, Prof. Dr. Markus A. Denzel, fürdie Betreuung, die Auswertung und denweiteren Ausbau der Sammlungen verant-wortlich ist. Er wird dabei beratend unter-stützt von einem vom Vorstand des Histori-schen Seminars gewählten Kuratorium. Im Rahmen eines Gastvortrages stellte Dr. Gerhard, als dessen „Lebenswerk“ derAufbau und die bisherige Auswertung derSammlungen gelten dürfen, den Quellen-bestand detailliert vor und erläuterte dievielfältigen Chancen vor allem für wäh-rungshistorische Studien zur Frühen Neu-zeit, insbesondere auch zum sächsischenRaum. Die Sammlungen bieten dem His-torischen Seminar die Möglichkeit einerProfilbildung auf dem Gebiet der Wäh-rungsgeschichte, da, wie das Kuratoriumvereinbarte, vor allem Grundlagenfor-schung betrieben werden soll. Zu diesemZwecke ist als ein erster Schritt eine um-fangreiche kommentierte Quelleneditiongeplant. Auch im Bereich der Lehre bringen dieSammlungen eine Innovation im Histori-schen Seminar: Bereits im soeben ange-laufenen Sommersemester werden Studie-rende im Rahmen eines Hauptseminarszum Thema „Geld und Währung im AltenReich“ an die Arbeit mit den Material-sammlungen herangeführt.

Anja Timmermann

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Fakultäten und Institute

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Besuch aus RigaEnde Januar 2003 weilten rund 30 Dokto-randen und Studierende berufsbegleitenderMaster-Studiengänge vom Institut für Pä-dagogik und Psychologie der UniversitätLettlands in Riga für eine Woche am Zen-trum zur Erforschung und Entwicklungpädagogischer Berufspraxis an der Univer-sität Leipzig. Der Seminarschwerpunktbestand in „Kultur und Bildung in Sachsen– Tradition und aktuelle Entwicklungen“.Zum Tagungsprogramm gehörte auch derVortrag des früheren Präsidenten der Rek-torenkonferenz und Berliner Wissen-schaftssenators Prof. Dr. George Turnerzum Thema „Spannungsfeld Deutschland– Baltikum. Vergangenheit, Gegenwart,Zukunft“. Die baltischen Staaten, so derReferent, verstünden sich zu Recht nichtals Osteuropa, sondern als östlicher TeilMitteleuropas. Das gemeinsame kulturelleErbe von Balten und ehemals dort ansässi-gen Deutschen werde gegenwärtig an-erkannt. Die Bundesrepublik sollte dazu

beitragen, dass jene Region mit ihren Mög-lichkeiten, nicht zuletzt der Brückenfunk-tion zu Russland, besser wahrgenommenwird. In der Diskussion äußerten die Gäste,die oftmals mit der Vermittlung der deut-schen Sprache beruflich verbunden sind,die Hoffnung, dass durch Unterstützungaus Deutschland der Umfang des Deutsch-unterrichts ausgebaut werden kann. V. S.

Resolution zumUni-VerbundDie Studierendenvertretungen des Univer-sitätsverbundes Jena-Halle-Leipzig habenim März eine Resolution verabschiedet.Darin erklären sie, ihre gemeinsamen über-greifenden Forderungen und Ideen ge-meinsam formulieren und vertreten zuwollen. An die drei verbundenen Univer-sitäten stellen sie einige Forderungen. Sosolle für eine Vernetzung des Lehrangebotsgesorgt werden, die bislang „nicht einmalim Ansatz“ stattfinde. Konkret schlagendie Studierenden zum Beispiel gemein-same Vorlesungsverzeichnisse vor. DieVernetzung dürfe aber „nicht mit der Aus-nutzung von Synergieeffekten verwechseltwerden“ und „zu einer verschlechtertenStudiensituation an den einzelnen Hoch-schulen führen“. Auch eine Zusammen-arbeit auf sozialer, kultureller und sport-licher Ebene zählt zum Forderungskatalog.Zudem sei mit den regionalen Verkehrs-unternehmen zu reden, um „die sinnvolleErreichbarkeit der Universitätsstädte durchden öffentlichen Personennahverkehr“ zuerreichen. Zu weitergehenden Forderungengehört der Appell, an den Universitäten„Werte wie Demokratie und Partizipation“vorzuleben und umzusetzen. C. H.

1. Preis aufMedienmesseAuf der Internationalen Karlsruher Me-dienmesse LEARNTEC hat die am Institutfür Kommunikations- und Medienwissen-schaft der Universität Leipzig entwickelteDVD zur Film- und Fernsehästhetik den 1. Preis, der mit 4 000 Euro dotiert ist, ge-wonnen.Unter 200 Multimediaprodukten wurde dieDVD ausgezeichnet für den gelungenenTransfer einer Entwicklung aus der Uni-versität in die Praxis. Entwickelt wurde dieDVD von einem studentischen Team umProf. Dr. Rüdiger Steinmetz, der den Lehr-stuhl Medienwissenschaft und Medienkul-tur inne hat. Es handelt sich dabei um eineinteraktive Lern- und Lehrsoftware aufDVD-Basis, mit der sich Fortgeschrittenein audiovisuellen Studiengängen und Ver-treter der Lehrpraxis anhand ausführlicherErläuterungen und einer Fülle an Beispie-len der Thematik Film- und Fernsehästhe-tik nähern können. Das Projekt ist in seinerArt einzigartig in Europa.

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Prof. George Turner und Prof. GerhardtWolff, Vorsitzender der Vereinigungder Förderer und Freunde der Univer-sität Leipzig. Foto: A. Kühne

Der „Anker“ war restlos ausverkauft, dasPublikum begeistert: Beim zwölften Tanz-fest des Zentrums für Hochschulsport(ZfH) am 21. März zeigten 300 Mitwir-kende ein abwechslungsreiches und hoch-klassiges Programm. Die Darbietung um-fasste vierzehn verschiedene Tanzvariatio-nen von Breakdance über Jazz und SwingDance bis zum Tango argentino. Für alle,

die keine Karte mehr erstehen konntenoder schlicht mehr sehen möchten: ImRahmen des Sport- und Campusfestivalsan der Jahnallee veranstaltet das ZfH zwei-mal eine Best-of-Gala des Hochschul-sports (neben Tanz auch andere Sportartenals Showvorführung), am 21. und am22. Mai. Zudem wird es im Dezember nochden Hochschulsportball geben.

Begeisterndes Tanzfest

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Bautzen I und IIAm 22. Januar 2003 fuhren 30 Studen-ten als Teilnehmer des Proseminars „Po-litische Verfolgung von Jugendlichen inder SBZ/DDR“, das am Historischen Se-minar unter Leitung von Michael Parakstattfand, nach Bautzen, um Zeitzeugen-gespräche mit Günter Mühle und EwaldKurbiuhn zu führen.Die ehemalige Sonderhaftanstalt Baut-zen II ist heute Gedenkstätte und bietetRundführungen durch den fünfstöckigenGebäudekomplex an. Ansprechpartnerinist die wissenschaftliche MitarbeiterinCornelia Liebold, selbst Absolventin derUniversität Leipzig.Die Gefängnisse Bautzen I und II warenkurz nach der Jahrhundertwende erbautworden. In sie wurden Untersuchungs-häftlinge und Strafgefangene, derenHaftzeit i. d. R. nur bis zu einem Jahrbetrug, verbracht. Während des „DrittenReiches“ wurden dort auch politischeRegimegegner inhaftiert.Im Mai 1945 richtete die sowjetische Be-satzungsmacht in Bautzen I ein Spezial-lager ein. Hier wurden zunächst NS- undKriegsverbrecher, bald jedoch auch poli-tische Oppositionelle inhaftiert. Rund27 000 Gefangene durchliefen das Spe-ziallager. Knapp 3 000 davon überlebtendie unmenschlichen Haftbedingungennicht. Im März 1950 wurde die Anstaltin die Zuständigkeit der DeutschenVolkspolizei übergeben. Auch im Unter-suchungsgefängnis Bautzen II wurdennach 1945 politische Gegner der Besat-zungsmacht und der SED inhaftiert. SeitAugust 1956 zeigte sich das Ministeriumfür Staatssicherheit für diese Anstalt ver-antwortlich. Bis Ende 1989 waren dortrund 3000 Männer und Frauen inhaftiert.Viele der so genannten „Staatsfeinde derDDR“ wurden in langjähriger Einzelhaftisoliert.

In Bautzen II kann man anhand verschie-dener 7 bis 9 qm kleiner Zellen, die meistmit zwei oder drei Personen belegt waren,einen Einblick in die katastrophalen Haft-bedingungen gewinnen. Anfang der 50er-Jahre musste die Notdurft in Eimer ver-richtet werden. Dies änderte sich erst in den70er-Jahren, als die Zellen Toiletten mitWasserspülung erhielten. Duschen war nurzweimal pro Monat möglich. Im Winterfroren die Gefangenen, da die Dampfhei-zung von 1906 meistens nicht funktionierteund erst später durch eine Zentralheizungersetzt wurde.In den ersten Jahren der SBZ wussten dieAngehörigen der Inhaftierten oftmalsnicht, wo sich diese befanden, bzw. es bliebihnen verwehrt, sie zu besuchen. Zu denHäftlingen gehörten politische Oppositio-nelle, „Republikflüchtlinge“, Fluchthelfersowie mutmaßliche Agenten westlicherGeheimdienste, aber auch straffällig ge-wordene SED-Funktionäre. Stets strengvon der Öffentlichkeit abgeschirmt, wur-den die an den „Stasiknast“ grenzendenWohnhäuser größtenteils an Stasi- undVolkspolizeimitarbeiter vermietet. Ein weiteres Instrument der Repressionwar die systematische „Verwanzung“ derZellen. So wurden Mikrofone in Scheuer-leisten versteckt, Telefongespräche abge-hört Briefe mitgelesen und der Besucher-raum seit den 80er-Jahren auch videoüber-wacht. Seit 1956 änderte sich die Arbeitsdoktrin inden DDR-Haftanstalten. Während es zuZeiten der Sowjetverwaltung ein Arbeits-verbot gab, um die Gefangenen psychischzu zermürben, wurde die Arbeitsleistungder Inhaftierten ein fester Bestandteil desDDR-Haushaltes mit rund 2 Mrd. DDR-Mark pro Jahr. Dabei mussten die Gefan-genen oft sehr stupide Arbeiten verrichten.So mussten beispielsweise AkademikerKnöpfe auf Pappen aufnähen, um diese soversandfertig zu machen.

Dies alles macht deutlich, mit welchen Me-thoden der real-existierende Sozialismusseine politischen Gegner verfolgte, verur-teilte, inhaftierte und dies gegenüber derÖffentlichkeit verschwieg. Wir, die jungeGeneration, sollten dieses dunkle Kapiteljüngster deutscher Vergangenheit nicht inVergessenheit geraten lassen und die vonuns erlebte DDR nicht nostalgisch verklä-ren, da wir sie nur als altstoff-sammelndePioniere oder FDJler erlebten.

Günter Mühle wurde 1949 als Zwan-zigjähriger wegen der Verteilung vonFlugblättern, die für freie Wahlen war-ben, zu zehn Jahren Haft verurteilt. Erst1956 wurde er entlassen. Damit war erein Opfer des heute kaum noch bekann-ten Speziallagersystems der sowjeti-schen Besatzungsmacht in der SBZ/DDR. In diesen Speziallagern warenneben so genannten NS-Verbrechern seit1945 zunehmend Personen inhaftiert, diedem stalinistischen System kritischgegenüber standen. Es wird angenom-men, dass in diesen Lagern bis 1950 rund125 000 Männer und Frauen interniertwaren, von denen circa 43 000 dieschrecklichen Haftbedingungen nichtüberlebten.Günter Mühle war in Bautzen I inhaf-tiert. Nach seiner Haftentlassung flüch-tete er in die BRD. Selbst dort galt er füreinige Behörden als „Sicherheitsrisiko“,weil er in der DDR als „Politischer“ ein-gesessen hatte. Er mahnte mit seinemWahlspruch „Die Roten Knüppel warengenauso hart wie die Braunen!“ nicht zuvergessen, dass die DDR ein Unrechts-staat war. Als Vorsitzender des Bautzen-Komitees hat er es sich zur Aufgabe ge-macht, die Interessen der politisch Ver-folgten der DDR zu vertreten und auf sieaufmerksam zu machen.

Ewald Kurbiuhn wurde kurz nach demBerliner Mauerbau inhaftiert und wegender Anfertigung und Verteilung von 50Flugblättern, in denen er zum Wider-stand aufrief, zu 42 Monaten Zuchthausin Bautzen I verurteilt. Dabei verblieb erim Gegensatz zu Günter Mühle nachseiner Haftentlassung in der DDR. Seinevier später gestellten Ausreiseanträgewurden abgelehnt. Er schilderte Repres-salien nach Haftentlassung durch dieBehörden und Kollegen im Berufslebensowie die besonders verletzende Bespit-zelung durch einen „Freund“.

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„Genauso hartwie die Braunen!“ Verfolgung in der SowjetischenBesatzungszone/DDRVon Andreas Vogt und Tim Steinwender, Studenten am Historischen Seminar

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GanzeArbeit für einViertelStudentischesFernsehen feierte PremiereVon Carsten Heckmann

Ein Blick auf das Logo sagt eigentlichalles: Es ist eine runde Sache geworden,dieses „Akademische Viertel“ – das neuestudentische Fernsehen aus und für Leip-zig. „Wir haben uns von vielen Seiten einDoppellob eingehandelt: für den Inhalt undfür die methodisch-technische Umset-zung“, berichtet der einzige Nicht-Studentim Team, Teamleiter Dr. Sebastian Köhlervon der Abteilung Journalistik des Institutsfür Kommunikations- und Medienwissen-schaften. Dort ist das Fernsehprojekt alsvierte Lehrredaktion neben der LVZ-„Campus“-Seite, Radio „mephisto“ undder „Magazin“-Sparte angesiedelt. Am31. Januar flimmerte die Premierensen-dung über die Bildschirme, im Programmvon Leipzig Fernsehen. Mit dem Senderwar zuvor eine Kooperationsvereinbarunggeschlossen worden. Themen der ersten Sendung waren u. a. der„Schiller von Leipzig“, Experimente einerjungen Verhaltensforscherin im Pongolandim Zoo und das Studier-Klima im Spar-Klima. „Wir hatten schon den ein oder an-deren Stolperstein zu überwinden, aber amEnde sah doch alles ziemlich gut aus“,konstatiert Claudia Groh erleichtert underfreut. Die 26-Jährige, die im Hauptfach

Italianistik studiert und Journalistikwie Anglistik im Nebenfach belegt

hat, zeichnete für den „Schiller“-Beitrag verantwortlich und hat zu-sammen mit ihrem KommilitonenFrank Hartkopf den Hut für diezweite, noch ausstehende Sendungauf. Die 14 Studenten in der Lehr-

redaktion hatten wohl alle etwas mitden Tücken der Technik zu kämpfen.

„Vor allem mit dem Ton war’s nicht ein-fach, der war dann auch mal übersteuert“,verrät Groh. Zum Profi könne man ebendurch Workshops allein nicht werden,schließlich seien „Tontechniker und Ka-meramann eigentlich eigene Berufe“. Dennoch: „Akademisches Viertel“, abge-kürzt „AV“ (was auch für audio-visuellsteht) ist eine rein studentische Produktion,abgesehen von der allseits gelobten techni-schen „Beihilfe“ von Ingenieur WaldemarScheible im Zentrum für Medien undKommunikation, wo ein Großteil derSendung gefertigt wird. Das bedeutet: DieStudenten planen, recherchieren, koordi-nieren, filmen, sichten, texten, schneiden,sprechen, moderieren selbst.„Bei anderen Universitäten läuft das an-ders“, weiß Sebastian Köhler. „Da über-nehmen die Studenten eben nur die Auto-renrolle, um Kamera und Ton kümmern

sich andere.“ Später im Arbeitsleben könn-ten sich zwar viele Leipziger Absolventenin einer solch für sie angenehmen Situationwiederfinden. „Aber es ist halt auch sinn-voll, zu wissen, wie ein Weißabgleich funk-tioniert oder wie aufwändig es ist, eine be-stimmte Bewegung einzufangen oder auchnur einen guten Ton hinzubekommen“,führt Köhler aus. „Wenn ich darüber Be-scheid weiß, dann bringe ich gute Voraus-setzungen für die Arbeit im Team mit.“ Da-von abgesehen gebe es das neue Berufsbilddes „Videojournalisten“, der auf sich ge-stellt einen Beitrag für eine Fernsehsen-dung anfertigen müsse. „Das ist in Zeitendes kommerziellen Drucks ein Feld, aufdem Journalisten arbeiten können – odermanchmal müssen.“So erklärt sich also die arbeitsaufwändigeVariante der Leipziger Lehrredaktion – diezur Folge hat, dass zunächst nur ein vier-telstündiges „Akademisches Viertel“ proVierteljahr entstehen kann. „Mehr gebendie Kapazitäten momentan nicht her“, sagtder Redaktionsleiter. Einen Schritt weiterkönne das Projekt dann kommen, wennsich ein Stamm von Mitarbeitern heraus-bilden würde, die auch nach Erhalt desScheines für die einsemestrige Mitarbeit anweiteren Erfahrungen interessiert wären.m„Wir haben eben einen solchen Stammnoch nicht“, sagt Claudia Groh mit Blickauf Radio „mephisto“, das in gewisserHinsicht Vorbildfunktion habe. Selbstbe-stimmt und eigenverantwortlich mit derUnterstützung einer Art Mentoren Pro-gramm machen zu können, das ist es, was„mephisto“- und „AV“-Macher gemein-sam haben.Das TV-Projekt soll sich auch am Marktbehaupten, wie es der Radio-Variante be-reits gelungen ist. „Akademisches Viertel“soll als lokales Magazin spannende, aberauch heitere Geschichten bieten, in derenMittelpunkt interessante Menschen undVorhaben aus den Hochschulen, den For-schungseinrichtungen und den Kunst-Insti-tutionen stehen. In Sendung Nummer zweiwird es vor allem ein Vorhaben sein: Überdas Vorbild „mephisto“ ist eine 13-minü-tige Reportage entstanden.

Der genaue Sendetermin von „AV“ Nr. 2stand bei Redaktionsschluss dieser Jour-nal-Ausgabe noch nicht fest, soll aber nochvor Ostern liegen. Den Termin (und auchdie Wiederholungstermine) finden Sie aufder Internetseitewww.akademischesviertel.de

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Logo entworfen von Enrico Meyer,Hochschule für Grafik und Buchkunst

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Emeritiert: Rudolph GeigerVom Richterzum ProfessorDer Abschied warzweifach. Die Ab-schiedsvorlesunghielt er am 30. Ja-nuar zu dem ange-sichts der Irak-Krise höchst ak-tuellen Thema„Präventiver An-griffskrieg? – VomVölkerrecht in einer Zeit des Umbruchs“.Die Abschiedsfeier am 5. Februar hatte erunter das ein wenig pathetische Mottogestellt „Leipzig, ich muss dich lassen!“,was schon zeigt, wie schwer dem 65-jährigen Münchner der Abschied vonder Stadt Leipzig und ihrer Universitätfällt. 1993 von der Isar an die Pleiße zuwechseln und hier am Aufbau der Juristen-fakultät, einst die berühmteste in Deutsch-land, mitzuwirken, hat der damalige Rich-ter am Oberlandesgericht München undapl. Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität als große Herausforderungempfunden. Auf den Lehrstuhl für öffent-liches Recht, Völkerrecht und Europarechtberufen hat er ein entsprechendes Institutan der Juristenfakultät aufgebaut und ihrals Prodekan (1996/97) und Dekan(1997–99) gedient. Auf seine Initiativewurde 1996 das Magisteraufbaustudium„Recht der europäischen Integration“ ein-gerichtet. Zu verdanken sind ihm auch viel-fältige Praxisbeziehungen, so nach Brüsseloder zum Auswärtigen Amt, und wissen-schaftliche Kontakte, so zur Universität inMiami, Florida, oder zum Utrecht Net-work und deren internationalen Sommer-schulen in Bologna. Reisen, Austausch,Meinungsstreit – die jeweiligen Studenten-gruppen wissen das zu schätzen. Be-sonders „spannend“ die gemeinsamen Se-minare mit der Law School der UniversitätMiami, in denen rechtliche Probleme undKonflikte zwischen den USA und Europaerörtert wurden. Und auch im Ruhestandbleibt Prof. Geiger aktiv, so ist er im Fe-bruar und März für fünf Wochen nachKambodscha gegangen, um dort für Staats-beamte einen Kurs über Völkerrecht abzu-halten.Zur Abschiedsfeier verwies Prorektor Prof.Dr. Franz Häuser auch darauf, dass wich-tige wissenschaftliche Arbeiten aus derFeder Rudolf Geigers stammen. So seien

„ziemlich punktgenau zur Emeritierung“neue Auflagen erschienen zu seinem Lehr-buch zu Grundgesetz und Völkerrechtsowie zu seinem Kommentar zu den euro-päischen Verträgen, „der sicherlich aufkeinem Schreibtisch eines Juristen fehlt,der etwas auf sich hält“. Und Dekan Prof.Dr. Martin Oldiges würdigte insbesondereden vorbildlichen und beliebten Hoch-schullehrer Geiger und schloss mit denWorten: „Ihr Wirken an der Juristenfakul-tät wird sich fortsetzen in den Lebens-läufen Ihrer Studenten und Schüler und inderen Art und Weise, die Aufgaben, die ihreBerufe ihnen stellen werden, zu meistern.“Den Worten folgte übrigens auch ein Ge-schenk der Fakultät: ein Büchlein ehrwür-digen Alters über die 400-Jahr-Feier derUniversität Leipzig im Jahre 1809. V. S.

Emeritiert: Wolfgang ReuterGeradlinig,exakt, offen

Prof. Dr. WolfgangReuter feierte am19. Februar 2003seinen 65. Geburts-tag. Der bekannteLeipziger Internisthat sich vor allemauf dem Gebiet derGerontologie unddes Fettstoffwech-

sels einen Namen gemacht. Bei den Stu-denten war er aber auch als Hochschulleh-rer und als Studiendekan sehr beliebt, trotzoder gerade wegen seiner Durchsetzungs-fähigkeit auch bei unpopulären Entschei-dungen.Wolfgang Reuter wurde am 19. Februar inLeipzig geboren, studierte hier von 1956bis 1962 Medizin, war danach als Pflicht-assistent und im allgemeinpraktischen Jahrim Kreiskrankenhaus Teterow und von daab ununterbrochen an der Klinik für InnereMedizin der Universität Leipzig tätig.Nach seiner Habilitation 1978 wurde er1979 zum Oberarzt ernannt, aber erst 1992zum C3-Professor für Innere Medizin/Ge-rontologie berufen. 1989 übernahm er dieLeitung der Abteilung Stoffwechsel/Er-nährung, die 1998 in den Fachbereich Ge-rontologie/Lipidstoffwechsel an der Medi-

zinischen Klinik IV überging, dessen Lei-ter er dann wurde. Prof. Holm Häntzschelernannte als damaliger GeschäftsführenderDirektor des Zentrums für Innere MedizinProf. Reuter außerdem zum Personalober-arzt des Zentrums.„Prof. Reuter hat die Gerontologie in Leip-zig mit großer nationaler und internationa-ler Ausstrahlungskraft geprägt“, so Häntz-schel, Direktor der Medizinischen Klinikund Poliklinik IV. „In diesem Sinne setzteer die Tradition der bekannten LeipzigerInternisten und Gerontologen Max Bürgerund Werner Ries fort.“ Viel beachtet warauch die Forschung Reuters zum Fettstoff-wechsel und zur Atherosklerose sowie zurAdipositas. Die von ihm organisierten Ge-riatrie-Workshops, in denen Probleme desfortgeschrittenen Lebensalters unter ver-schiedensten Aspekten behandelt wurden,und die Lipid-Meetings, die er mit aus derTaufe gehoben hatte und die sich mit demFettstoffwechsel im weitesten Sinne be-schäftigen, sowie die 13. Jahrestagung derDeutschen Adipositas-Gesellschaft 1997in Leipzig sind Ausdruck seines Bestre-bens, neueste Erkenntnisse seines Wissen-schaftsgebietes einem möglichst großenPublikum bekannt zu geben.Mit ganzem Herzen war Prof. Reuter auchHochschullehrer. Seine Vorlesungen aufdem Gebiet der Inneren Medizin wurdenvon den Studenten sehr geschätzt. Die Stu-denten waren es auch, die ihn Mitte der90iger Jahre unbedingt als ihren Studien-dekan wollten. Prof. Reuter widmete sichdieser umfangreichen und kräftezehrendenAufgabe mit großem Engagement. DasStudium als wichtigen Abschnitt im Lebenunserer zukünftigen Ärzte würdigend,sorgte er dafür, dass Immatrikulation undExmatrikulation der Medizin-Studentenfeierlich begangen wurden. Prof. Dr. Joa-chim Mössner, der als Dekan viele Jahreden Studiendekan Prof. Reuter begleitete,schätzte an ihm besonders sein unermüd-liches Bestreben, „allen Hochschullehrernimmer wieder ins Bewusstsein zu rufen,dass die Ausbildung der Medizinstudentennicht hinter der klinischen Tätigkeit undder Forschung zurücktreten darf“.Besonders in seiner Zeit als Studiendekanbewältigte Prof. Reuter ein fast übergroßesArbeitspensum. „Dabei war er immerexakt in Wort und Tat und unbeugsam inder Verfolgung wichtiger Ziele“, erklärenProf. Mössner und Häntzschel überein-stimmend. „Seine Herangehensweise istimmer geradlinig und offen“, ergänztHäntzschel. B. A.

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Personalia

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Mit einem lachenden und einem weinen-den Auge legte Prof. Dr. Dieter Ehrenberg,Direktor des Instituts für Wirtschaftsinfor-matik, am Ende seines Vortrages „Internet-basiertes Lernen in der Informationsge-sellschaft“ anlässlich des Wirtschaftsinfor-matik-Symposiums seine letzte Folie auf.Der etwas heitere Ausblick auf den zu-künftigen Semesterablauf als emeritierterProfessor zeigte insbesondere die grenzen-losen Möglichkeiten eines semesterüber-greifenden Urlaubs. Dennoch wird er auchweiterhin mit dem von ihm gegründetenInstitut für Wirtschaftsinformatik z. B. alsTeletutor oder in beratender Funktion imDrittmittelprojekt Winfoline verbundenbleiben.Als Prof. Ehrenberg, zu dieser Zeit ordent-licher Professor an der Technischen Hoch-schule Leipzig, im Juni 1990 eine Konfe-renz zum Thema „Künstliche Intelligenz inder Betriebswirtschaft“ initiierte, nutztenauch Experten aus den westlichen Bundes-ländern dieses Auditorium zu einem erstenwissenschaftlichen Ausflug in den Osten.Die damaligen Gastreferenten, die Profes-soren Stahlknecht, König, Mertens, Krall-mann, zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebietder Wirtschaftsinformatik bereits namhafteExperten, hielten aber nicht nur ihren Vor-trag, sondern boten spontan ihre Hilfe ins-besondere bezüglich Technik und Fachlite-ratur an. Nach diesem sehr erfolgreichenAuftakt ahnte Prof. Ehrenberg anfangsnicht, welche Kontakte, unterschiedlichsteFormen der Zusammenarbeit und auchlangjährige Freundschaften sich fortanherausbilden sollten. In den Jahren 1991 und 1992 nutzte er dieGelegenheit und nahm eine Vertretungs-professur an der Universität Osnabrück an.Ausgestattet mit diesem Wissen und denreichhaltigen Erfahrungen bewarb er sichan der Universität Leipzig. Hier wurde ernicht nur zum Gründungsdirektor des Ins-titutes für Wirtschaftsinformatik berufen,sondern kurze Zeit später auch zum Dekander Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultätgewählt.Er prägte sowohl die wissenschaftlicheArbeit auf dem Gebiet der Wirtschaftsin-formatik als auch den ausgezeichneten Rufdes Instituts. Zu seinen Forschungsschwer-punkten gehören z. B. internetbasierte

Teamarbeit, wissensbasierte Systeme undKnowledge Management, ManagementSupport Systeme, Telelearning für Aus-und Weiterbildung, E-Business/E-Govern-ment. Sein Engagement für das Fachgebietwurde auch durch die Mitwirkung in ver-schiedenen Gremien und Kommissionendeutlich. Als im Rahmen eines Schmalen-bach-Arbeitskreises ein Projekt zur Ent-wicklung multimedialer Lehre ins Lebengerufen wurde, war Ehrenberg einer dervier Professoren, die das Bildungsnetz-werk Winfoline (WirtschaftsinformatikOnline) initiierten. Mehrjährige Gastpro-fessuren an den Universitäten Innsbruckund Liechtenstein sowie zahlreiche Vor-träge und Veröffentlichungen belegen seinunermüdliches Wirken. Im Oktober 2002 feierte Prof. Ehrenbergseinen 65. Geburtstag. Prof. Hasse, derDekan der WirtschaftswissenschaftlichenFakultät, bemerkte in seiner Laudatio, dasses „nahezu unverschämt ist, mit 65 so gutauszusehen“ und meinte eigentlich, dassdie Dynamik und die Konstitution desJubilars durchaus eine weitere Arbeit fürdie Fakultät zulassen würden. Mit dem von Ehrenberg organisiertenSymposium am 4. Februar 2003 schlosssich der Kreis. Schaut man die Referenten-liste an, ist man nicht überrascht, die Weg-gefährten vom Anfang wieder zu finden.Inzwischen sind zahlreiche dazu gekom-men. Die vielfältigen Wünsche zur Emeritierungbeinhalteten einerseits die „Genehmigung“zu einem teilweisen Rückzug aus den Gre-mien und verwiesen andererseits auf dieChance der neuen Freiheit, sich auf das zukonzentrieren, was Spaß macht. Das aller-dings unter der Maßgabe, den Termin-kalender von nun an auch selbst führen zumüssen. K. K.

„VomEinkaufs-zettelbis zumEpos“AltorientalistClaus Wilckeim Interview

Vom 1. Oktober 1993 an lehrte der Alt-orientalistik-Professor Claus Wilcke an derUniversität Leipzig. Er gestaltete mit gro-ßem Engagement den Neuaufbau des Alt-orientalischen Instituts. Am 23. Februarwurde er 65 Jahre alt. Carsten Heckmannsprach mit dem Emeritus über Faszinationbei der Forschung und besondere Erleb-nisse.

Herr Professor Wilcke, ich würde Siegerne mit „Silima“ begrüßen – aber ichweiß gar nicht, ob dieses sumerischeWort eine Anrede ist oder ein Ab-schiedsgruß.Man sagt es zur Begrüßung. Einen Ab-schiedsgruß kennen wir nicht – aber viel-leicht hieße der auch „Silima“. Denn dasheißt ja: Möge es dir gut gehen. Wörtlich:Sei heil. Das ist genau dasselbe wie dashebräische „Shalom“.

Leipzig gilt als Wiege der deutschen Alt-orientalistik. Aber ich habe mir sagenlassen, dass sich das Fachgebiet in kei-nem guten Zustand befand, als Sie hier-her gekommen sind.In der Tat. Es war ein sehr trauriger Zu-stand. Das Fach war aus dem Fächerkanongetilgt. Der letzte verbleibende Altorienta-list, Herr Kollege Manfred Müller, hattezwar einen Arbeitsplatz, konnte aber hiernicht lehren. Die Ressourcen waren zu-sammengeschmolzen auf zwei, drei Regal-bretter mit Büchern.

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Emeritiert: Dieter EhrenbergDer gutaussehendeGründungsdirektor Foto: Sascha Werner

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Ich bekam zunächst einen Raum zugewie-sen in der Schillerstraße. Dort durfte mankeine hohen Bücherregale aufstellen. Dahabe ich protestiert. Wir erhielten dann imHochhaus in der 22. Etage Räume, in de-nen das alte Orientalische Institut gewesenwar. Da lag alles unter einer dicken Staub-schicht. Wir haben ein Großreinemachenangefangen. Glücklicherweise erschienenzwei Studentinnen, die gehört hatten: Daist ein neues Fach. Die haben kräftig mit-geholfen. Und das Lustige war: Meine Frauhat mir einen Riesenblumenstrauß mitsamtder Vase ins Chaos geschickt. Um denhaben wir dann herumgearbeitet. So habenwir angefangen.

Wo steht die Leipziger Altorientalistikim Jahre 2003?Wir haben wieder ein funktionierendesInstitut aufgebaut. Von vier Studenten imersten Semester haben wir uns gesteigertauf immerhin 40. Und die fühlen sich hierwohl, wie auch die Mitarbeiter. Das merktman an der Art und Weise, wie alle arbei-ten. Und ich habe es auch gemerkt an dembewegenden Abschiedsfest, das sie mirbereitet haben.

Viele, die das Fach nicht studiert haben,werden sich fragen: Was macht ein Alt-orientalist eigentlich?Wenn er glücklich ist, dann liest er Ton-tafeln und arbeitet über deren Inhalte.Wenn er weniger glücklich ist, dannschreibt er Gutachten, zum Beispiel für dieDeutsche Forschungsgemeinschaft. Aberdas gehört halt zum Job.Die Bereiche, mit denen wir uns beschäf-tigen, umfassen die gesamte Kultur. Dasfängt an mit allem, was aufgeschrieben ist:vom Einkaufszettel bis zum Epos, vom Ge-setz bis zur Weissagung. Ganz am Anfangder Literatur aber stand die Bürokratie: DieDokumentationen zur Verwaltung der Tem-pel bildeten den Anstoß zur Schrifterfin-dung. Die Bürokratie brauchte ein Me-dium, um die Grenzen von Zeit und Raumzu überwinden.

Wie sind Sie zu Ihrem Forschungsgebietgekommen?Wie man häufig zu Dingen kommt: durchZufall. Oder man könnte auch sagen: durchFrustration. Es gab mehrere Schlüssel-erlebnisse. Als Theologiestudent bereiteteich ein Referat über Fluch und Segen imAlten Testament vor. Dabei hat mich ge-ärgert, dass ich die altorientalischen Spra-chen nicht verstand und die Inhalte der

Texte nur annähernd übers Hebräische er-ahnen konnte. Dann bin ich in ein Seminar über hethiti-sche Archäologie gegangen. Ein höheresSemester hielt ein Referat. Ich verstandüberhaupt nicht, wovon er redete. Aberdanach rückte ein kleiner, älterer Mann mit wenigen Worten zurecht, was vorheramorph war. Das hat mich fasziniert. Nachdem Seminar redeten Studenten über einenSprachkurs. Ich dachte: Da gehe ich hin.Und so bin ich da reingerutscht. Ich wollteeben etwas verstehen können.

Anschließend hat Sie die Altorientalistiknie mehr losgelassen. Warum?Es ist einfach ein faszinierendes Fach. Wasimmer man anpackt, man entdeckt sofortNeues.

Das System der Keilschrift wirkt füreinen Laien, vorsichtig formuliert, nichtganz unkompliziert.Wie lange haben Siegebraucht, um die Schrift zu beherr-schen?Nun ja, es gibt eine riesengroße Menge vonKeilschriftzeichen und -zeichenformen,einige Tausend sind das. Aber es gibt einkleineres Inventar geläufiger Zeichen. Undab 2350 v. Chr. gab es eine Silbenschrift alsSystem. Das kommt mit rund 80 Zeichen

aus. Wenn man ein paar gängige Wortzei-chen noch dazu nimmt, sind es 120. Mitanderen Worten: Das können Sie in einerWoche lernen. Und mit dieser Grundlagefangen Sie an, Texte zu lesen. Die Lese-fähigkeit entwickelt sich dann nach demSchneeballsystem.

Haben Sie ein Lieblingswerk in der alt-orientalischen Literatur?Einerseits das Lugalbanda-Epos in sumeri-scher Sprache, über das ich promoviert undmit dem ich mich immer wieder beschäf-tigt habe. Andererseits das akadischeAtramhasis-Epos – ein wahnsinnig interes-santer Text, weil er so vielschichtig ist undunter anderem Handlungsanweisungen fürden politischen Widerstand enthält. Undein bisschen Humor gibt’s auch.

Sie waren für Ihre Forschungen natur-gemäß viel im Orient unterwegs.Aber eshat Sie auch in die DDR verschlagen.Wie kam das?Das war im Nachgang zu meiner Disserta-tion. Wichtige Quellen liegen in der Hilp-recht-Sammlung der Universität Jena. Dortgab es damals einen neuen Kurator, Dr.(jetzt Professor) Oelsner. Er hat mir eineAufenthaltsgenehmigung verschafft. Alsobin ich 1967 das erste Mal angereist. DieGrenzkontrolle war ein ungewöhnlichesErlebnis. Ich wurde gefragt, ob ich Druck-erzeugnisse dabei habe, und zeigte Sonder-drucke für die Jenenser Kollegen. Das ver-ursachte Stirnrunzeln. Man hat sie sich an-gesehen – altorientalistische Aufsätze mitmerkwürdigen Texten, die man nicht solesen kann … Das löste ein Kreuzverhöraus. Aber am meisten nahm man Anstoß ander Werbung für ein anderes wissenschaft-liches Buch auf der letzten Seite. Die Dis-kussion dauerte lange. Den Anschlusszughabe ich nur knapp erwischt. In Jena nahmman mich sehr freundlich auf, und ichkonnte sehr effektiv arbeiten. 1968 war ichein zweites Mal dort.

Welchen Rat wollen Sie den Studieren-den der Altorientalistik mit auf den Weggeben?Zwei Ratschläge, zwei ganz einfache. Ers-tens: Exakte grammatikalische und lexi-kalische Recherche ist die Grundlage füralles. Und dann: Entwickeln Sie ein Theo-riebewusstsein! Das fehlt in unserem Fachoft noch.

Vielen Dank, Herr Professor. Und: „Si-lima!“

Heft 2/2003

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Prof. Wilcke neben der kopflosenStatue des sumerischen StadtfürstenGudea, der im 21. Jahrhundert v. Chr.als Architekt wirkte. Foto: A. Kühne

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Ehrenpromotion desErziehungswissenschaftlersKurt AurinWerte stattZeitgeistDie Erziehungswissenschaftliche Fakultäthat am 4. Februar 2003 die Ehrendoktor-würde an Prof. Dr. Kurt Aurin (Freiburg)verliehen. Damit wurden seine besonderenLeistungen auf den Gebieten der Schulent-wicklungsplanung, der Schulwirkungsfor-schung, der Schulvergleichsuntersuchun-gen als Mittel der Politikberatung, derSchule als Stätte der Erziehung wie auchseine vielfältigen Bemühungen zur Ge-währleistung von Freiheit und innerer Un-abhängigkeit von Schule gewürdigt. DerLaureat verband mit seinen DankeswortenGedanken über die künftigen Herausforde-rungen für Unterricht und Lehrerbildung,wobei er sich nachdrücklich für Erzie-hungswirksamkeit, Wertevermittlung unddas Zurückdrängen unguter Zeitgeistein-flüsse sowie für eine europäische Ausrich-tung der Schule und die Einrichtung vonEuropa-Lehrern aussprach.Der 1923 in Nordhausen geborene Aurinist mit der Ehrenpromotion, wie auf derfestlichen Veranstaltung im Alten Senats-saal zu hören war, nach den ProfessorenGeißler und Anweiler der Dritte im Bundenamhafter deutscher Erziehungswissen-schaftler, die einen Dr. h. c. aus Leipzig er-halten haben. Alle drei erwarben sich umden Aufbau der Erziehungswissenschaft anden Universitäten in den neuen Bundes-ländern, insbesondere an der UniversitätLeipzig, außerordentliche Verdienste; KurtAurin seit 1991 als Mitglied der Grün-dungskommission der Erziehungswissen-schaftlichen Fakultät. So warzu dieser Ehrenpromotionauch an die fast taggenau vorneun Jahren erfolgte Gründungder Fakultät zu erinnern, diesich inzwischen in der wissen-schaftlichen Gemeinschaft miteiner Vielzahl beachtenswerterPublikationen und Promotio-nen, mit der Berufung vonProfessoren in bedeutendeWissenschaftsgremien und derAusrichtung wichtiger Kon-gresse auf nationaler und inter-nationaler Ebene hohe Aner-kennung erworben hat. Prorek-tor Prof. Dr. Franz Häuser hob

hervor, dass sich Prof. Laurin mit Erfolgder verantwortungsvollen Aufgabe gestellthat, die belastende Verwobenheit von Ideo-logie und Pädagogik aus DDR-Zeit zu ent-flechten und gleichzeitig das Verständnisder Pädagogik als einer Werte und Normenvermittelnden Wissenschaftsdisziplin zubeachten. In seiner Laudatio spürte Prof. Dr. JörgKnoll verschiedenen Leitlinien im Wirkenvon Kurt Aurin nach und hob unter demAspekt der Forschung deren kontextuelleAusrichtung hervor; ihm gehe es vorrangigum Zusammenhänge zwischen Lernen undBildung einerseits und den Bedingungenhierfür andererseits, mithin um eine Zu-sammenschau von persönlicher Entwick-lung und konkreter Lebenslage. Nicht zu-letzt würdigte der Laudator seinen Einsatzfür eine Orientierung gebende und Wertevermittelnde Schule und pädagogischeWissenschaft – gemäß seiner Überzeu-gung, „dass Wissenschaft nur dann vonFortschritten reden kann, wenn es um Fort-schritt für den Menschen und sein Lebenund auch das der Gesellschaft geht“. Dieprinzipielle Wertschätzung, die jeder Per-son zukommt, so Prof. Knoll über Prof.Aurins Intention, lässt die Verhältnissenicht auf sich beruhen, wenn sie der indi-viduellen Entfaltung entgegen stehen. Siewendet sich aber genauso gegen das Über-stülpen ideologisch begründeter General-lösungen – sei es in der Eigentumsfrageoder in der Auswahl eines einzigen Schul-typs. Seine Untersuchungen zu den zentra-len internen Faktoren, die eine Schule zueiner guten Schule machen, haben viel-mehr als unabdingbar ermittelt: pädagogi-sches Engagement und fachliches Könnender Lehrer, Kompetenz von Leitung, Ko-operation, Konsens.

Volker Schulte

Erich Simon Proskauervor 100 Jahren geboren Pionier derPolymerchemiestudierte inLeipzigIn den USA ge-hörte er zu denPionieren derPolymerchemie.Zusammen mitHermann Markbegründete er1946 das „Jour-nal of PolymerScience“. Beidestellten außerdem die für Deutschland seitdem 19. Jahrhundert typische Verbindungzwischen universitärer Forschung undindustrieller Anwendung her. Am 19. März 1903, vor 100 Jahren wurdeErich (Eric) Proskauer als Sohn des jüdi-schen Kaufmanns Jakob Proskauer inFrankfurt/Main geboren. Seit seiner frühenKindheit lebte die Familie in Oetzsch(heute Ortsteil von Markkleeberg) und inLeipzig. Hier besuchte er die Bürgerschuleund das Königin Carola-Gymnasium. DieLektüre von Wilhelm Ostwalds „Handbuchder Allgemeinen Chemie“ hat den damals16-jährigen Schüler stark beeinflusst. Nachdem Abitur 1922 studierte Proskauer ander Universität Leipzig physikalische Che-mie und Philosophie. Zu seinen heraus-ragenden Lehrern gehörten Carl Drucker,der letzte Assistent von Ostwald, Max leBlanc, Arthur Hantzsch, Otto Wiener, FritzWeigert sowie Hans Driesch und TheodorLitt. Der Abschluss seines Studiums verzögertesich, weil er als einer der ersten Werkstu-denten für seinen Unterhalt selbst sorgenmusste. Zunächst arbeitete er im naturwissen-schaftlichen Antiquariat von Max Weg undgab die Zeitschrift „Der Geologe“ heraus.1928 wechselte Proskauer zur Akademi-schen Verlagsanstalt über, wo er bis zu sei-ner erzwungenen Flucht 1937 vor dem NS-Regime als wissenschaftlicher Mitarbeitertätig war. Als er 1933 mit zwei physiko-chemischen Einzelarbeiten bei seinemLehrer Carl Drucker promovierte, bildetedas schon die Ausnahme vor dem Hinter-grund der braunen, antisemitischen Ge-

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Kurt Aurin (l.) empfängt Glückwünsche und Urkundezur Ehrenpromotion von Dekan Harald Marx (Mitte) und Franz Häuser. Foto: Armin Kühne

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setze. Lehrer und Schüler gerieten zuneh-mend in Gefahr. Carl Drucker ist bald nach Schweden emigriert. Die mündlichen Prüfungen für Erich Pros-kauer fanden am 28. April und 2. Mai 1933statt. Übereinstimmend bescheinigten ihmHans Driesch „Gutes historisches Wissenund klares Denken“, Max Le Blanc, derphysikalische Chemiker, und Peter Debye,der Physiker, gute Kenntnisse und gutesVerständnis. Carl Drucker hält in seinemGutachten uneigennützig fest, dass das ge-meinsam herausgegebene „Physikalisch-chemische Taschenbuch“, Band I–II, Leip-zig 1932/33, nach „Plan, Anlage undDurchführung des Ganzen als eine Leis-tung des Herrn Proskauer zu bewerten sind,da meine Mitwirkung sich auf gelegent-liche Beratung beschränkt hat.“ Der Frage-bogen für die Annahme der Arbeit in derphilosophischen Fakultät trägt u. a. dieUnterschriften von Ludwig Weickmann,Werner Heisenberg, Georg Zade, der baldnach Schweden emigrieren musste, und die von Arnold Weissberger, der nach derVertreibung durch die NS-Behörden alsBerater bei der Eastman Kodac Kompaniein Rochester (N.Y.) arbeitete.Zum 70. Geburtstag von Proskauer schriebWeissberger: „Eric Proskauer ist meinältester und nächster Freund. Wir trafenuns in den frühen 1920er Jahren an derUniversität Leipzig. Er studierte am Insti-tut für physikalische Chemie und ich ar-beitete im chemischen Labor unter ArthurHantzsch.“ Gemeinsam gaben sie 1934 das Buch „Organische Lösungsmittel“ beiClarendon Press, einer Abteilung von Ox-ford University Press, heraus, das nochviele Auflagen erlebte. Eric Proskauer begründete 1940 in NewYork einen neuen naturwissenschaftlichenVerlag, Interscience Publishing, der 1961mit dem weltbekannten, gleichfalls natur-wissenschaftlichen Publikationsunterneh-men John Wiley & Sons fusionierte. Seit-dem bekleidete Proskauer in dem Groß-verlag leitende Funktionen als Vizepräsi-dent und Manager, zuletzt als Direktor. Proskauer genoss hohes internationalesAnsehen. Er galt als hervorragender Che-miker und Verleger, geprägt von der Uni-versität Leipzig, ihrem wissenschaftlichenAnsehen, und von Leipzig, der Stadt desBuch- und Verlagswesens. Er starb nachlanger Krankheit am 3. November 1991 inNew York. Gerald Wiemers

Wieland Held gestorbenZum Tod eineshervorragendenHistorikersMit Wieland Held ist am 23. Februar 2003ein hervorragender Kenner der GeschichteMitteldeutschlands sowie der Geschichtedes späten Mittelalters und der frühen Neu-zeit verstorben. Der berufliche WerdegangHelds gipfelte 1992 in seiner Berufung aufden Lehrstuhl für Sächsische Landes-geschichte am Historischen Seminar derUniversität Leipzig, den er bis 1998innehatte. Eine heimtückische Krankheitzwang ihn vorzeitig zur Pensionierung.Damit begann eine jahrelange Vakanz desLehrstuhls, der erst 2001 mit dem Unter-zeichneten wiederbesetzt worden ist.Das Forschungsfeld von Wieland Held warweitgespannt. Zugleich zeichnen sich darindie Brüche und Umwege einer Historiker-karriere unter den Bedingungen der DDRab. Am 24. Februar 1939 in Leipzig ge-boren, wirkte Held nach dem Studium derFächer Geschichte und Germanistik zu-nächst vier Jahre als Lehrer. Dann ent-schloss er sich aber, in die Wissenschaftzurückzukehren und wurde zum Historikerdes Altertums. Nach der Promotion 1966in Leipzig hat Held bis 1971 zunächst alsAssistent, dann als Oberassistent für AlteGeschichte an der Universität Greifswaldgewirkt. Er hat eine beachtliche Reihe vonPublikationen vor allem zur Sozialge-schichte der Römischen Kaiserzeit und derSpätantike vorgelegt, darunter eine Habili-tationsschrift über die Krise des Weströmi-schen Reiches (erschienen Berlin 1974).Da es jedoch für Althistoriker in der DDRnach der sog. 3. Hochschulreform kaumnoch Bedarf gab, sah sich Wieland HeldAnfang der 70er Jahre gezwungen, zu-nächst beruflich, dann thematisch umzu-satteln. Nach einigen Jahren der Redak-tionstätigkeit im Bibliographischen InstitutLeipzig fand Held 1974 Anschluss im For-schungsbereich von Max Steinmetz undSiegfried Hoyer in Leipzig. Er wurde nunzum Historiker des ausgehenden Mittelal-ters und der Frühen Neuzeit, die sich in derDDR als Epoche der „frühbürgerlichen Re-volution“ besonderen Interesses erfreute.Was auf diesem Gebiet von ostdeutschenHistorikern geleistet worden ist, hat auchinternational Beachtung gefunden.Seit 1977 hat er wichtige Untersuchungenzur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des

späten 15. und des 16. Jahrhunderts vor-gelegt. Dabei interes-sierten ihn besondersdie wenig erforschtenLebensverhältnisseder Lohnarbeiter undder unterbäuerlichen Schichten sowie dieWechselwirkungen von Stadt und Land.Nach der friedlichen Revolution von1989/90 hat sich Wieland Held durch dieBerufung auf den landesgeschichtlichenLehrstuhl in Leipzig nochmals die Chanceeröffnet, sich mit Sachsen in einer neuenForschungslandschaft zu entfalten. Wiedermeisterte Held diese Herausforderung undsetzte eigene thematische Akzente, bei-spielsweise durch die Erforschung dessächsischen Adels in der Frühen Neuzeit,die lange Zeit aus ideologischen Gründentabuisiert war. 1999 legte er eine Mono-graphie über August den Starken und densächsischen Adel 1694 bis 1707 vor.Die langjährige Beschäftigung mit ThomasMüntzer und seiner Zeit mündete in eineEdition der Lebenszeugnisse des radikalenReformators und Sozialrevolutionärs, dieWieland Held gemeinsam mit SiegfriedHoyer erarbeitet hat. Die Drucklegungdieses seit Ende der 1980er Jahre fertigge-stellten Manuskripts hat sich aus verschie-denen Gründen verzögert. Auch in seinen letzten Jahren hat WielandHeld noch eine bedeutende Zahl wissen-schaftlicher Veröffentlichungen vorlegenkönnen, die er mit einer achtunggebieten-den Disziplin seiner unerbittlich voran-schreitenden Krankheit abgerungen hat.Rückhalt fand er in diesen letzten Jahrenvor allem bei seiner Familie.Mehr und mehr musste er sich aus der Öf-fentlichkeit und den gelehrten Gremien,denen er angehörte, zurückziehen. Dortwie auch im Historischen Seminar erfreutesich Wieland Held der ungeteilten Wert-schätzung der Kollegen. Die Neubegrün-dung des Historischen Seminars der Uni-versität Leipzig hat Wieland Held als aka-demischer Lehrer und Forscher wesentlichmitgestaltet. Dort Verantwortung zu über-nehmen, hat er sich nie gescheut. Vor allemaber hat er den Neubeginn der sächsischenLandesgeschichtsforschung nach derWende mit eigenen Themen und Akzentengeprägt. Die Stimme Wieland Helds in derlandesgeschichtlichen Forschung Mittel-deutschlands wird fehlen.

Prof. Dr. Enno BünzLehrstuhl für Sächsische Landesgeschichte,

Historisches Seminar

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Neuberufen:

A. Baderist kein Kliniker, der im weißen Kittel amKrankenbett steht, aber ein Mediziner. SeinMetier ist die Forschung. Prof. Dr. med.Augustinus Bader, der seit Beginn diesesJahres die Mannschaft des BBZ verstärkt,erforscht „lebende“ Materialien und willdazu beitragen, den bisher praktiziertenGewebeersatz mittels mechanischer Teiledurch individuell produzierte Gewebe-strukturen abzulösen. Gegenwärtig arbeiteter vor allem an einem biologischen Kno-chenersatz mit körpereigenen Stammzel-len, an der biotechnologischen Herstellungvon Herzklappen und Gefäßen sowie anLebermodellen, die die komplizierten Pro-zesse der Leber nachvollziehen können. Der Ausbildungsweg des 1959 in Augsburggeborenen Wissenschaftlers ist ebensointernational wie interdisziplinär. Er stu-dierte in Italien und Würzburg, famuliertein China, ging in die USA und in dieSchweiz. Hier durchlief er verschiedenechirurgische, Intensiv- und onkologischeAbteilungen, aber auch die Kardiologieund die Neurologie. Er legte ein deutschesund ein amerikanisches Staatsexamen abund promovierte auf dem Gebiet der Me-dizin – eine naturwissenschaftliche Pro-motion folgt demnächst. Schon bald nach dem Studium zeichnet sichseine biomedizinisch-biotechnologischeOrientierung endgültig ab, die folgerichtigzur Annahme der C4-Professur für Zell-techniken und angewandte Stammzellbio-logie an der Universität Leipzig führte. Hiersieht er starke klinische Partner, ein idealesbiotechnologisches Umfeld und Wirt-schaftsperspektiven, die seinem Bestreben,hier einmal ein Entwicklungs- und Anwen-dungszentrum für Regenerative Medizinvon europäischer Bedeutung mit aufzu-bauen, entgegenkommen. Sein 1. Weltkon-gress für regenerative Medizin, der EndeOktober in Leipzig stattfinden soll, ist quasidie Initiation und ein Beleg für den von ihmangestrebten historischen Konsens zwi-schen Wissenschaft, Industrie, klinischenAnwendern und Öffentlichkeit. B.A.

Neuberufen:

Wolfgang Hirschist Kinderarzt und Radiologe und bekamjetzt eine C3-Professur an der Klinik undPoliklinik für Diagnostische Radiologie ander Medizinischen Fakultät der UniversitätLeipzig. Der ehemalige Leiter der Kinder-radiologie in Halle hat seinen 1. Facharztin der Pädiatrie und seinen 2. Facharzt inder Radiologie erworben. Eines liegt Hirsch besonders am Herzen:der Strahlenschutz bei Kindern. „Denn“, soProf. Hirsch, „so schonend wie alle neuenRöntgengeräte heutzutage arbeiten, eineReststrahlenbelastung ist immer da. Undfür Kinder sollte man diesen Rest auchnoch so weit wie möglich reduzieren.“Hirsch empfiehlt daher, alle Aufnahmenvom Körperinneren mit dem Magnet-resonanztomographen, kurz MRT genannt,durchzuführen, da dies absolut strahlenfreigeschehen könne. „Dem MRT gehört dieZukunft der Kinderradiologie“, meint er.Noch sind MRT-Aufnahmen nicht für alleKörperregionen möglich. So entzieht sichdie Lunge bisher weitestgehend einer Dar-stellung mit der Magnetresonanztomogra-phie. Prof. Hisch wird solange auf demGebiet weiter forschen, bis die Computer-tomographie, die auf der Basis von Rönt-genstrahlen arbeitet, bei Kindern vollstän-dig durch die Magnetresonanztomographieersetzt werden kann. Seine Arbeit in Patientenbetreuung, For-schung und studentischer Ausbildung lässtihm nicht viel Freizeit. Was verbleibt, willer vornehmlich seiner Frau und seinen dreiKindern Susanne, Jonas und Hannes wid-men und „vielleicht“ so meint er, „bleibtnoch ein bisschen Zeit für die Hobbys.“ Ermalt Städteansichten von Halle, der Stadt,in der er geboren und aufgewachsen ist undauch – mit Ausnahme eines einjährigenAufenthaltes in London – studiert undgearbeitet hat. Zudem spielt er Saxophon.Leider sind die Auftritte in seiner Band„Swing and more“ durch die Arbeit an derHabilitation ein bisschen auf der Streckegeblieben, bedauert er. „Aber man musseben Prioritäten setzen.“ B. A.

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Eduard Wernerwurde vor einigen Wochen von der Leip-ziger Volkszeitung als „wissenschaftlicherObersorbe“ betitelt. Den Titel hat er sichdadurch „verdient“, dass er einem Ruf andie Uni Leipzig gefolgt ist: Der 36-Jährigehat am 1. März die Professur für Sorabistikübernommen, die einzige in Deutschland.Werner ist nicht etwa in der Lausitz gebo-ren, sondern in Rheinland-Pfalz. 1991 zoges ihn in den Osten, 1993 wurde er wis-senschaftlicher Mitarbeiter der AbteilungSprachwissenschaft des Sorbischen Insti-tuts in Bautzen. Schon in Kindheitstagenhatte er sich für die russische Sprache er-wärmen können. Zwar studierte er später in Bonn zunächst Geologie/Paleontologie(1985/86), wechselte dann aber zu Slavis-tik/Indogermanistik (bis 1991). „Das hatmir mehr Spaß gemacht“, sagt Werner. Esfolgte 1996 die Dissertation mit „Studienzum sorbischen Verbum“.Inzwischen ist Werner u. a. Mitglied derObersorbischen Sprachkommission. Er hatden Kinderbuch-Klassiker „Winnie thePooh“ ins Obersorbische übersetzt und für die Sprachanpassung eines Computer-spiels gesorgt. Offiziell sprechen 60 000Menschen die westslavische Sprache, dochWerner glaubt, dass es wesentlich mehrsind. Er findet das Sorbische faszinierendund will seinen Beitrag leisten, damit esnicht ausstirbt. An der hiesigen Universitätwar der Professor schon mehrfach als Do-zent tätig. Er freut sich, nun über ein „grö-ßeres Arbeitsspektrum als an einem For-schungsinstitut“ zu verfügen und mit Stu-denten sowie Kollegen anderer Fachrich-tungen zusammenarbeiten zu können.Werner wird auch weiter seinen Hobbysnachgehen. Dazu zählen Aikido (japani-sche Kunst der Selbstverteidigung), Mo-dellflug und Computer – „in der Freizeit“hat er von 1994 bis 1996 sogar Informatikstudiert, das Studium aber wegen seines Ha-bilprojektes abgebrochen. Er hat übrigenseine litauische Frau, die er der auf Espe-ranto-Kongress in Kroatien kennen gelerntund in Dänemark geheiratet hat. C.H.

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François Buscotist Franzose, geboren am 22. 8. 1956 inParis. Aber er arbeitet seit 1988 in Deutsch-land – und seit 1. 4. 2003 in „Klein-Paris“,wo er die Professur für terrestrische Öko-logie mit Schwerpunkt Bodenökologie derPflanzen innehat.Buscots Spezialgebiet ist die Mykologie,die Pilzkunde, insbesondere die symbioti-schen Assoziationen zwischen Bodenpil-zen und Wurzeln. Die Symbiosen habeneine hohe ökologische Relevanz: „90 Pro-zent der Pflanzen sind auf sie für ihre Er-nährung angewiesen“, sagt Prof. Buscot.„Sie helfen ihnen auch, Stresssituationenbesser durchzustehen.“ Auch kennt sichder Neuzugang bestens aus mit Schlauch-pilzen. „Dazu zählen Morcheln, die nichtnur sehr lecker sind, sondern auch einekomplexe Weise haben, Sex zu machen.“Er untersucht ebenfalls die Funktionen vonPilzen an naturnahen und gestörten Stand-orten – um die Pilze als Indikatoren für dieGüte von Böden nutzen zu können.Bevor François Buscot nach Leipzig kam,war er fünfeinhalb Jahre lang an der Uni-versität in Jena tätig, wo er und seine Fa-milie (eine Tochter, zwei Söhne) zunächstnoch wohnen bleiben werden. Stationendavor waren u. a. die Bundesforschungsan-stalt für Landwirtschaft in Braunschweigund die Uni Tübingen. Seine Ausbildungabsolvierte er in Frankreich: Chemie-Bio-logie-Vordiplom in Lille, HauptstudiumBotanik/Ökologie in Straßburg, Diplom-studium Molekular- und Zellbiologie inBesançon. „Nach Deutschland bin ich zumersten Mal mit sieben Jahren gekommen,um die Sprache zu lernen“, erzählt Buscot.„Später habe ich eine Elsässerin geheiratetund dann hat sich immer wieder eine Ar-beitsmöglichkeit in Deutschland geboten.“Jetzt fühle er sich wohl hier – aber einesseiner Hobbys, das Kochen, ist weiterhinfranzösisch geprägt. Außerdem interessierter sich für Literatur („Ich hege eine großeLiebe für Stefan Zweig“) und Musik(„Meinen Kontrabass vernachlässige ichviel zu sehr“). C. H.

Kurz gefasstAm 26. Januar verstarb im Alter von fast94 Jahren Pfarrer i. R. Gottfried Steyer,langjähriger Dozent für Griechisch, He-bräisch und osteuropäische Sprachen amTheologischen Seminar Leipzig, der späte-ren Kirchlichen Hochschule, die im Herbst1992 mit der Theologischen Fakultät zu-sammengeführt wurde. Die Fakultät er-innert sich in Dankbarkeit an das reichgesegnete Lebenswerk von GottfriedSteyer.

Prof. Dr. Fred Wagner, Inhaber der Pro-fessur für Versicherungsbetriebslehre ander Wirtschaftswissenschaftlichen Fakul-tät, wurde in den Fachbeirat der neu ge-gründeten Bundesanstalt für Finanzdienst-leistung bestellt.

PD Dr. Attila Tárnok aus der Klinik fürKinderkardiologie des Herzzentrums Leip-zig GmbH ist zum Vizepräsidenten derDeutschen Gesellschaft für Zytometrie ge-wählt worden.

Prof. Dr. Ursula Froster, Direktorin desInstituts für Humangenetik, wurde vomVorstand der Sächsischen Landesärzte-kammer in die Fachkommission „Brust-krebs“ berufen.

Zu außerplanmäßigen Professoren wurdenbestellt: PD Dr. med. Gerhard Scholz,ehemals Medizinische Klinik und Polikli-nik III; PD Dr. med. Lutz Uharek, Medi-zinische Klinik und Poliklinik II; PD Dr.med. Helmut Witzigmann, ChirurgischeKlinik und Poliklinik II.

Prof. Dr. Joachim Mössner, Direktor derMedizinischen Klinik und Poliklinik IV,wurde zum Geschäftsführenden Direktordes Zentrums für Innere Medizin gewählt.Stellvertreter ist Prof. Dr. Holm Häntz-schel, Direktor der Medizinischen Klinikund Poliklinik IV.

Das Lateinamerikazentrum der UniversitätLeipzig hat einen neuen Vorstand. Direk-tor: Prof. Dr. Wilfried Morawetz, Institutfür Botanik/Botanischer Garten; Vize-Di-rektor: Prof. Dr. Lothar Beyer, ehemalsInstitut für Anorganische Chemie; weitereMitglieder: Prof. Dr. Michael Rieken-berg, Historisches Seminar/Ibero-Ameri-kanische Geschichte; Prof. Dr. PeterFritz, Wissenschaftlicher Geschäftsführer

des Umweltforschungszentrums Leipzig/Halle GmbH.

Prof. Dr. Klaus Bente, Direktor des Ins-titutes für Mineralogie, Kristallographieund Materialwissenschaft, wurde von derÖsterreichischen Forschungsgemeinschaft(ÖFG) zu einem Workshop am 14.–15. 3.2003 nach Baden bei Wien eingeladen. Ersprach dort zum Fach Mineralogie unterdem Thema „Größe und Bedeutung einesFaches – im Kontext von Profilbildung undStandortfragen“. An der Tagung nahmenneben Fach- und MinisterialvertreternÖsterreichs ausgesuchte Fachvertreter ausDeutschland teil.

Prof. Dr. Andreas Hensel, Direktor desInstitutes für Tierhygiene und ÖffentlichesVeterinärwesen an der Veterinärmedizi-nischen Fakultät, wurde zum Präsidenten des Bundesinstitutes für Risikobewertung(BfR) in Berlin ernannt.

Prof. Dr. Olaf Michel ist seit 1. 3. 2003kommissarischer Direktor der Klinik undPoliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheil-kunde. Der aus Köln kommende Medizinerhat damit die Nachfolge von Prof. Dr.Friedrich Bootz angetreten, der einen Rufnach Bonn angenommen hat.

GeburtstageTheologische Fakultät60. GeburtstagProf. Dr. Helmut Hanisch, Institut für Re-ligionspädagogik, am 13. April

Fakultät für Geschichte, Kunst-und Orientwissenschaften75. GeburtstagProfessor Dr. Manfred Taube, Institut fürIndologie und Zentralasienwissenschaften,am 11. März

Sportwissenschaftliche Fakultät60. GeburtstagDoz. Dr. Hartmut Herrmann, Institut fürAllgemeine Bewegungs- und Trainings-wissenschaft, am 12. April65. GeburtstagDr. Wolfgang Wallner, ehemals Dekanatder Fakultät, am 3. März

Medizinische Fakultät60. GeburtstagProf. Dr. med. Michael Geyer, Klinik undPoliklinik für Psychotherapie u. Psychoso-matische Medizin, am 2. April

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Prof. Dr. med. Harald Lenk, Universitäts-klinik und Poliklinik für Kinder und Ju-gendliche, am 12. April

Fakultät für Mathematikund Informatik70. GeburtstagProfessor Dr. Günther Eisenreich, Mathe-matisches Institut, am 12. April

Fakultät für Chemie und Mineralogie65. GeburtstagProf. Dr. Peter Schreiter, Institut für Mine-ralogie, Kristallographie und Materialwis-senschaft, am 10. April70. GeburtstagProf. Dr. Konrad Quitzsch, Wilhelm-Ost-wald-Institut für Physikalische und Theo-retische Chemie, am 12. MärzProf. Dr. Cornelius Weiss, am 14. März

Der Rektor der Universität Leipzig und dieDekane der einzelnen Fakultäten gratulie-ren herzlich.

(Die Geburtstage werden von den Fakultä-ten gemeldet. Die Redaktion übernimmtfür die Angaben keine Gewähr.)

HabilitationenMedizinische Fakultätjeweils 1/03:Dr. Ulf Anderegg:Zellkultursysteme zur modellhaften Untersuchungpathophysiologisch relevanter Aktivierungsmecha-nismen bei der quarzinduzierten SklerodermieDr. Wieland Hermann:Multimodale neurologische Analyse zur Verlaufskon-trolle des Morbus WilsonDr. Dr. Thomas Hierl:Untersuchungen zur Distraktionsosteogenese desMittelgesichtesDr. Matthias Knüpfer:Experimentelle Therapieoptionen bei malignen Glio-menDr. Christian Koch:Die molekulare Pathogenese von neuroendokrinenTumorenDr. Leon Kohen:Die Transplantation des retinalen Pigmentepithels:Ursachen der Transplantat-Abstoßung und Maßnah-men zur Verhinderung der Abstoßungjeweils 2/03:Dr. Udo Rolle:Immunhistochemische und histochemische Untersu-chungen des intramuralen Nervensystems am oberenHarntrakt – tierexperimentelle und klinische StudieDr. Matthias Steinert:Die Expression von CD97 und EMR2 in normalenGeweben, Tumorzelllinien und malignen Tumorensowie ihre WichtungDr. Jens-Uwe Stolzenburg:Vergleichende histologische Untersuchungen zu denMuskelsystemen des unteren Harntraktes – Hund(Canis) und Rhesusaffe (Macaca mulatta): Sind Er-gebnisse von Studien zur Physiologie des unterenHarntraktes auf den Menschen übertragbar?

Fakultät für Physikund GeowissenschaftenDr. Mathias Schubert (1/03):Infrared Ellipsometry on III-V semiconductor layer

Fakultät für Sozialwissenschaftenund Philosophiejeweils 1/03:Dr. Matthias Middell:Das Leipziger Institut für Kultur- und Universal-geschichte – Institutionalisierungsprozesse und me-thodologische Problemlagen der deutschen Ge-schichtswissenschaft 1890–1990Dr. Christoph Jäger:Rechtfertigung und religiöser GlaubeDr. Renate Martinsen:Staat und Gewissen im technischen Zeitalter Prole-gomena einer politologischen Aufklärung

Fakultät für Geschichte, Kunst-und OrientwissenschaftenDr. Gerald Heusing (1/03):Die südlichen Lwoo-Sprachen. Beschreibung, Ver-gleich und Rekonstruktion ausgewählter Aspekte

Veterinärmedizinische FakultätDr. Michaele Alef (12/02): Anästhesiologie und Kleintierchirurgie Dr. Annette Schuhmacher (12/02):Tierernährung und Diätetik

PromotionenVeterinärmedizinische Fakultät jeweils 1/02:Claudia Huwe-Klug:Untersuchungen zu Pilzsporenemissionen aus Bio-filtern großtechnischer Kompostieranlagen und ausModellbiofilteranlagen Beate Schneider:Leben und Werk des Veterinäranatomen EberhardAckerknecht (1885–1968) Silke Schroth:Anatomische und histologische Untersuchungen anden Hufen von Connemara-Ponys, Irischen Hunternund Englischen Vollblütern jeweils 3/02:Dirk Bohn:Lasergestützte Mikromanipulation an der Kaninchen-eizelle im Rahmen von Kerntransferexperimenten Antje Klemt:Klinisch-chemische Blutwerte Asiatischer Elefanten(Elphas maximus) aus Zoologischen Gärten Deutsch-lands Lothar Seibt:Beziehungen zwischen Qualitätsmerkmalen ausge-wählter Muskeln von Schlachtschweinen im Verlaufeder Kühlung jeweils 5/02:Babett Kirbach:Nachweis von Herzmuskelschäden bei Hunden undKatzen über spezifische Parameter der Myokardinte-grität im Blut Nicole Kruse:Parapoxvirus ovis: Immun-Escape durch lokale se-lektive Induktion von CD-95 vermittelter Apoptose inantigenpräsentierenden Zellen Lilian Mitzkat:Die Optimierung des mikrobiellen Abbaus von Li-monen in Biofiltern Karen Püschel:Die Rolle CD4-positiver T-Zellen während der Ma-serninfektion im Baumwollrattenmodell Steffen Schmidt:Untersuchungen zum Vorkommen von Capillariahepatica und Metazestoden der Cyclophyllida beiWildmäusen in Deutschland

Mirjam Schmitz:Veränderungen des Elektrolyt- und Proteinstatus imBlut von Stuten und Fohlen sowie im Kolostrum inder frühen postpartalen Phase jeweils 6/02:Sebastian Justus:Beeinflussung der akuten und chronischen Strahlen-reaktion der Harnblase (Maus) durch orale Gabemehrfach ungesättigter Fettsäuren Daniel Kreeb:Vergleichende Untersuchungen zur Wirkung vontrans-Natrium-[tetra-chlorobis-(indazol)ruthenat(III)]und trans-Indazolium-[tetrachlorobis (indazol)ruthe-nat (III)] auf das klonogene Wachstum frisch explan-tierter Tumorzellen in vitro Martin Petzold:Leukozytäre alkalische Phosphatase – Referenzwerteund klinische Bezüge Jens Straub:Zur aeroben Bakterienflora von Kornea, Rachen undKloake vor und nach der Winterruhe von Landschild-kröten der Arten Testudo (T.) hermanni, T. gracea, T. marginata und T. horsfieldii Jeanette Theißen:Pulmonale Funktionen und Herzfrequenz bei thora-koskopischen Eingriffen am stehenden Pferd Guido von Plato:Der Einfluss des arteriellen Blutdruckes auf das Tot-raumvolumen während der Isoflurannarkose beimPferd jeweils 7/02:Sandra Langguth:Haltung, Fütterung, Fortpflanzung und Krankheits-geschehen des Lippenbären (Melursus ursinus, Shaw1791) in Zoologischen Gärten unter besondererBerücksichtigung des Metastasierenden Extrahepati-schen Gallengangskarzinoms (MEG) Daniela Radomski: Hämatologische und klinisch-chemische Referenz-werte und Werte bei ausgewählten Krankheitsbildernim Blut von im Zoologischen Garten Leipzig gehal-tenen Wildfeliden Alf Theisen:Tierexperimentelle Untersuchungen zum Einfluss desSubstitutionsmusters (C2/C6-Verhältnis) auf die Se-rumelimination des Plasmaexpanders Hydroxyethyl-stärke Annett Kastner:Untersuchungen zum Fettstoffwechsel und Endoto-xin-Metabolismus bei Milchkühen vor dem Auftretender Dislocatio abomasi Holger Klemm:Wildstammisolierung von bestimmten Enterokokkenaus Rohwürsten und Untersuchung ihrer potenziellenEignung als Starterkulturen Kerstin Klug:Studie zur Parasitenfauna bei streunenden Hunden inBukarest Sybille Sakowsky:Krankheiten der Wale (Cetacea) (Eine Literaturstu-die) Antje Schminke:Schlittenhundesport unter Tierschutzgesichtspunkten Gerlinde Schneider:Epidemiologische Analyse zum Auftreten der New-castle disease in Sachsen in den Jahren 1993 bis 1995 jeweils 9/02:Thorsten Arnold:Nachweis von Salmonella und Yersinia enterocoliticaim persistent infizierten Schwein Elsayed Nasser Ali Abou Hashem:Investigation on the significance of the gastro-intestinal flora for the immune system of chickens Atif Mohamed Awad Hasan: Aryl Hydrocarbon Receptor Expression in the Geni-tal Tract of Female Rabbit (Oryctolagus cuniculus) Stefan Siebert:Die Geschichte der Veterinärmedizinischen Fakultätder Universität Leipzig: Die Fachrichtung Veterinär-medizin der Sektion Tierproduktion und Veterinär-

Personalia | Habilitationen und Promotionen

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medizin der Karl-Marx-Universität Leipzig von 1968bis 1990 Gunter Wolf:Beziehungen zwischen spermatologischen Parame-tern und den Konzentrationen von FSH, LH, Testo-steron und Östradiol-17ß im Blutplasma sowie ver-schiedenen Enzymen und Metaboliten im Semial-plasma von Ebern unter Berücksichtigung der Jahres-zeit jeweils 10/02:Birgit Garz:Wirkung von Stickstofffmonoxid auf den Ionentrans-port über das isolierte Dickdarmepithel des Schwei-nes Sylvie Bensinger:Untersuchungen zur Reproduktionsleistung von Feld-häsinnen (Lepus europaeus Pallas, 1778) gleichzeitigein Beitrag zur Ursachenfindung des Populations-rückganges dieser Wildtierart Thomas Gödicke:Untersuchungen zur Auswirkung der Schräglagerungund des Kapnoperitoneums auf wichtige hämodyna-mische Parameter während des Laparaskopie beimspontan atmenden Kalb unter einer Ketamin-Xylazin-Anästhesie Katja Steiger:Licht- und elektronenmikroskopische Unter-suchungen zur puerperalen endometrialen Involutionder Stute unter besonderer Berücksichtigung peripar-taler Störungen Michael Gürtler:In-vitro- und In-vivo-Studien zur Wirksamkeit vonEigelbantikörpern gegen Salmonella Enteritidis Annette Johne: Untersuchungen zur differentiellen Genexpression inbovinen Cumulus-Oozyten-Komplexen (COK) ausunterschiedlich großen Follikeln jeweils 11/02:Heike Möbius:Epidemiologisch – biometrische Bewertung von Er-gebnissen der Fleischuntersuchung in Deutschland(unter besonderer Berücksichtigung der Rinder-, Käl-ber- und Schweineschlachtung Katharina Poschinger:Untersuchungen zur Expression von Interleukin-10nach Transfektion humaner retinaler Pigmentepithel-zellen und dessen Einfluss auf die Proliferation vonT-Lymphozyten in vitro Karsten Stief: Morphologie der Blutzellen ausgewählter pflanzen-fressender Zootiere Thure Adler:Der Streptozotozin-induzierte Diabetes in der trans-genen CD4/DR17-Maus Helge Behncke: Spermagewinnung und -untersuchung sowie en-doskopische Beurteilung des Geschlechtsapparates inAbhängigkeit von der Spermaproduktion bei Psitta-

ziden am Beispiel des Wellensittichs (Melopsittacusundulatus) Falk Melzer:Untersuchungen zur Bedeutung pathologischer Or-ganveränderungen für das Auftreten endogener Kon-taminationen bei Schlachtschweinen jeweils 1/03:Gabriele Schweyen:Induktion und Hemmung von intestinalen Enzym-systemen am isoliert perfundierten Rattendarm René Reinhold:Wirkungen aktueller veterinärrechtlicher Änderun-gen aus den Jahren 1996/97 in Hinblick Not- undKrankschlachtungen auf Tierschutz und Fleisch-hygiene Regina Schröder: Nachweis intrazellulärer Zellen nach oraler Infektionvon Mäusen Christin Ellenberger: Funktionelle Pathologie des equinen Ovars und dar-aus resultierende endometriale Differenzierungs-störungen – Histomorphologische und immunhistolo-gische UntersuchungenPeter Strauhs:Pharmakokinetik von Olsalazin beim Pferd jeweils 2/03:Konstanze Göhler: Eine Studie zum Carnitinstoffwechsel von früh abge-setzten Ferkeln Gaby Neumann:Bestimmung von Sexualzyklus und Trächtigkeit mitHilfe des Nachweises von Gestagenen im Kot von imZoo gehaltenen Giraffen (Giraffa camelopardalis)und Spitzmauslnashörnern (Diceros bicornis) Michael Asperger:Zur Ätiologie und Bekämpfung der Lumpy JawDisease bei Kängurus Florian Gaull:Vorkommen von Campylobacter coli und Campylo-bacter jejuni bei Schweinen im Bestand und nach derSchlachtung sowie in weiteren Lebensmitteln tieri-schen Ursprungs – Typisierung der Isolate und Ver-gleich mit humanen Isolaten Jens Mauersberger: Untersuchungen zur endogenen Kontamination beiSchlachtschweinen unter besonderer Berücksichti-gung des mikrobiellen Status von Fleischlymphkno-ten

Fakultät für Chemie und Mineralogiejeweils 10/02:Marijana Petkovic:Role of lipid-derived second messengers in the oxi-dative activity of human polymorphonuclear leuko-cytesThomas Rühl:Untersuchungen zur Synthese eines trifunktionellenReagenzes auf Isoserin-Basis für die Identifizierung

der Transglycosylase-Domäne auf dem Penicillin-bindenden Protein 1 B durch Photoaffinitätsmarkie-rungThomas H. Treutler:Elektrochemische Modifizierung und Charakterisie-rung im Nanometerbereich mit kombinierten Raster-sondenmethodenGuangbin Yang:Eine flexible Synthese von Trisaccharid-Analoga desMoenomycin ASvetlana Zakharova:Synthese von Moenomycin-Phosphonatanaloga amlöslichen PolymerAnna Galkina (11/02):Stereoselektive oxidative 1,4-Addition an s-trans-DieneAndreas Donati (12/02):Spectroscopic and Kinetic Investigations of Halogen-containing Radicals in the Tropospheric AqueousPhaseRalph Mazitschek (12/02):Konzeption, Synthese und biologische Bewertungneuartiger anti-angiogener Wirkstoffe

Fakultät für Physikund Geowissenschaftenjeweils 1/03:Petrik Galvosas:PFG NMR-Diffusionsuntersuchungen mit ultra-hohen gepulsten magnetischen Feldgradienten anmikroporösen MaterialienHarriet Herbst:The importance of wastelands as urban wildlife areas– with particular reference to the cities of Leipzig andBirminghamVolker Jaenisch:Der Einfluss turbulenter Mischungsprozesse auf dieBildungsraten atmosphärischer AerosolpartikelAlexander Kasic:Phonons, free-carrier properties, and electronic inter-band transitions of binary, ternary, and quaternarygroup-III nitride layers measured by SpectroscopicEllipsometryFalk Mrowka:Globale und nichtlokale Untersuchungen an Hoch-temperatursupraleitern mit Hilfe der Wechselfeldsus-zeptibilitäts-, Transport- und Vibrating-Reed-Technikjeweils 2/03:Stephan Leinert:Hygroscopicity of Micrometer-Sized Aerosol Parti-cles – a New Measurement TechniqueLama Naji:NMR-spektroskopische-Untersuchungen zur Dyna-mik der Makromoleküle des KnorpelgewebesKarsten Otte:Modifizierung von Cu (In, Ga) (Se, S)2 mit nieder-energetischen Ionen

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Habilitationen und Promotionen

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Öffentliche BekanntmachungJurastudenten an der Technischen Universität Dresden und der Universität Leipzig

Die Dr.-Hedrich-Stiftung ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts mit Sitz in Dresden. Sie ist benannt nach ihrem Stifter,Herrn Staatsminister a.D. Dr. jur. Hans Richard Hedrich, verstorben am 20. 09. 1945 in Dresden. Zweck der Stiftung ist es, begabte undbedürftige Studentinnen und Studenten, die ein juristisches Studium an der Technischen Universität Dresden oder an der UniversitätLeipzig absolvieren, finanziell zu fördern.Die Voraussetzungen einer Förderung im Einzelnen ergeben sich aus der Satzung und der Vergaberichtlinie der Stiftung.

Interessenten fordert der Vorstand der Stiftung hiermit auf, bis zum 30. 04. 2003 einen Antrag auf Förderung zu stellen.

Nähere Informationen zu den Antrags- und Förderbedingungen sind erhältlich bei der Dr.-Hedrich-Stiftung, Landeshauptstadt Dresden,Geschäftsbereich Finanzen und Liegenschaften, Postfach 12 00 20, 01001 Dresden oder telefonisch unter 0351/488 20 82 (Frau Behn).

Der Vorstand der Dr.-Hedrich-Stiftung

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Um 1900 vollzog sich auf dem Bücher-markt der USA eine geradezu revolutio-näre Wende. In der zutiefst religiösen ame-rikanischen Kultur erhielt die Bibel ernst-hafte Konkurrenz, und zwar von SearsRoebuck, einem Versandhauskatalog.Nach der Bibel war dieser Katalog nun dasLieblingsbuch der Amerikaner, das vorallem auf dem Land in mehr amerikani-schen Haushalten präsent war als die Bibel– was den ironischen Namen „The Farmer’sBible“ prägte.Das Buch, das diese flächendeckende Wir-kung erzielte, hatte soziale und kulturelleAuswirkungen, die das Leben grundlegendveränderten. Als der allgemeine Versand-handel als neue und genuin amerikanischeForm des Kaufens 1872 entstand, warendie USA noch überwiegend ländlich undlandwirtschaftlich strukturiert. In diesendünn besiedelten ländlichen Regionen mitunterentwickelter Infrastruktur war derVersandhandel das primäre Medium beider Modernisierung in den entscheidendenDekaden zwischen 1880 und 1930; er wardas Medium bei der Entwicklung zur Kon-sumgesellschaft in den ersten Jahrzehntendes 20. Jahrhunderts; und die Kataloge tru-gen wesentlich zur Einebnung der Unter-

schiede zwischen Stadt und Land bei undwaren eine wesentliche Voraussetzung fürdie Homogenisierung amerikanischer Kul-tur.

Von der Wiege bis zumGrabstein

Sears Roebuck hatte ein allumfassendesAngebot, das die Kunden von der Wiegebis zum Grabstein, von Häusern bis zuKleidung, von Lebensmitteln bis zu Ka-thetern, von Pferdekutschen bis zu Autos,von Brillen bis zu Instrumenten zumSchweinekastrieren alles anbot, was manso braucht im Leben. Diese Komplettver-sorgung auf materieller Ebene weckte inmanchen Kunden in den Anfängen desUnternehmens auch Hoffnungen auf wei-tere Fürsorge; die Firmengeschichte ist vollvon Anekdoten über Kunden, die sich zumBeispiel in der Hoffnung auf Vermittlungvon Ehepartnern an Sears Roebuck wen-deten, oder über Kinder, die vermuteten,die zehn Gebote entstammten dem Kata-log. An den Häusern kann man das Ausmaß der logistischen Leistungen verdeutlichen:

zwischen 1908 und 1940 verkaufte SearsRoebuck per Katalog über 100 000 Häuser,die in numerierten Kisten mit Bauanleitun-gen per Zug und Post geliefert wurden.Und zwar in 30 000 Teilen, Nägel undSchrauben nicht mitgezählt – eine Heraus-forderung an den Heimwerker. Bereits1908 bot Sears 22 verschiedene Modellean, die von 107 US$ bis zu 650 US$ kos-teten; heute noch können diese Häuser inSiedlungen im Mittleren Westen besichtigtwerden.Die Kataloge trugen wesentlich zur Stan-dardisierung, einem elementaren Merkmalder Modernisierung, bei. Bis zur Standar-disierung musste beispielsweise Kleidungentweder von Haushalten selbst oder vongelernten Kräften hergestellt werden. AlsResultat war die Menge an Kleidungs-stücken, die sich schlechter Verdienendeleisten konnten, sehr begrenzt, und modi-sche Elemente traten deutlichst zurückhinter Kriterien wie Nützlichkeit und Halt-barkeit. In den ersten Katalogen gibt esdemzufolge bei extrem vagen Angaben derKleidergröße nur einige wenige und aus-gesprochen schlichte Modelle. In den1910er Jahren beginnt Sears Roebuck eineentschiedene Kampagne zur Standardisie-

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The Farmer’s BibleKarriere eines KatalogsVon Prof. Dr. Anne Koenen

Die Autorin ist Professorin für Ameri-kanische Literaturwissenschaft amInstitut für Amerikanistik der Univer-sität Leipzig. Sie gehört zudem demBeirat des American Studies Inter-national Center der University ofVirginia an.

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rung – in „editorials“ der Kataloge werdendie Käufer angehalten, verschiedensteMaße an Sears mit der Bestellung weiter-zuleiten. So sicherte sich Sears eineenorme Datenbasis, die als Grundlage fürzuverlässige Größen diente, die wiederumraffiniertere Schnitte erlaubten. Die Be-deutung der Standardisierung zeigt sich indem geradezu explosionsartigen Anwach-sen des Angebotes an Kleidern von derStange. Innerhalb kürzester Zeit wirdFrauenbekleidung, die anfangs noch aufnur zehn Seiten ein Schattendasein führtund hinter Waren wie Nähmaschinen undPferdezubehör weit zurücktritt, zum um-fangreichsten Angebot der Kataloge. Be-reits 1915 füllt sie die Anfangsseiten derKataloge und nimmt die meisten Seiten ein(1930/31: ein Viertel der 1200 Katalogsei-ten), verdrängt Nähmaschinen und Stoffefast völlig. Ein Ergebnis der Standardisie-rung von Kleidung war eine Demokratisie-rung der Erscheinung – Kleider verloren inden USA, wie europäische Beobachterirritiert notierten, ihre Funktion als zuver-lässige Indikatoren von sozialem Status.

Beitrag zur Technologisierung

Ebenso zentral war der Beitrag der Ver-sandhauskataloge bei der Technologisie-rung der Farmarbeit; Technologisierungführte zu mehr Freizeit, einem zentralenMerkmal der Konsumgesellschaft. Derabsolute Bestseller unter diesen Landwirt-schaftsmaschinen waren die Zentrifugen,„cream separators“, die erstmals im Kata-log von 1905 auftauchen – lange Zeitmachte der Verkauf der Zentrifugen einDrittel des Gesamtumsatzes von SearsRoebuck aus. Diese Zentrifugen revolutio-nierten eine der langweiligsten und ar-beitsintensivsten Vorgänge auf dem Hof.Nach dem Melken musste die Milch vomFarmer (oder seiner Frau oder den Kin-dern) weiterverarbeitet werden, um dieSahne von der Magermilch und der regu-lären Milch zu trennen. Mit dem „creamseparator“ übernahm nun eine Maschinediese Arbeit – und diese Maschinen wur-den manchmal auch unorthodox betrieben,von einem Hund, einer Ziege oder einemSchaf. Der Technologisierung der Haus-arbeit war allerdings enge Grenzen gesetzt,weil bis zum New Deal die wenigstenHaushalte auf dem Land über Stroman-schlüsse verfügten.Zu den begehrtesten Haushaltsmaschinengehörten Waschmaschinen und Kühl-

schränke, und an ihrer Darstellung in denKatalogen können wir präzise und im De-tail verfolgen, wie sich die Werbung in denUSA von Fakten zur Emotion hin ent-wickelt. Stehen in den frühen Katalogensachliche Abbildungen und Informationen– beispielsweise über das Zirkulieren derLuft in Kühlschränken – im Vordergrund,so locken Kataloge ab Mitte der zwanzigerJahre mit zur Identifikation einladendenFiguren, die glücklich lächelnd die Pro-dukte begleiten.In den USA ist Sears Roebuck legendärerBestandteil der Kultur. Das reicht von Car-toons im Kult Magazin New Yorker bis zurErwähnung in Literatur. Tagebücher vonder Frontier erzählen von der atemlosenAufmerksamkeit, die die Familienmitglie-der dem Katalog widmeten; Krimis benut-zen Referenzen auf Sears, um Protagonis-ten sozial einzuordnen. Auch amerikani-sche Politiker wie Präsident Roosevelt undEugene Talmadge, ein ehemaliger Gouver-neur von Georgia, verwiesen immer wiederauf die kulturelle Bedeutung der Kataloge.Roosevelt bemerkte, den Russen könneman den American Way of Life am bestenmit einem Sears Roebuck Katalog erklä-ren; und Talmadge sagte seinen Wählernauf dem Land, sie hätten nur drei Freunde:Gott den Allmächtigen, Sears Roebuck und– natürlich – Eugene Talmadge.

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Essay

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Links:Durch die Positionierung der jungenFrau neben der Waschmaschine (1908)wird suggeriert, dass die Arbeit leichtist (weißes Kleid) und Freizeit schafft(die junge Frau liest).

Kleider (hier im Katalog von 1897)waren vor der Entwicklung exakterGrößen um 1910 kaum in den Katalo-gen vertreten.

Bilder von Menschen neben Produkten(hier eine Zentrifuge von 1908) warenvor den 1920er Jahren selten; meistdominierte die exakte Darstellung undBeschreibung der Waren.

An Häusern interessierte Kunden konn-ten auch einen Extrakatalog anfordern.Die Häuser aus dem Hauptkatalog von1919 kosten zwischen 235 US$ (2 Räume) und 558 US$ (fünf Räume).

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„MitWasserüber-gießen“Woher das Wort„Ostern“ stammtVon Jürgen Udolph, Professor für Namen-forschung, Institut für Slavistik

Man ist sich bisher über die Herkunft desWortes keineswegs einig. Es gab bisher imwesentlichen zwei Theorien:1.) Beda, angelsächsischer Geschichts-schreiber und Theologe († 735), nahm an,dass der für den Monat „April“ verwendetealtenglische Name Eosturmonath von einerGöttin abgeleitet sei (etwa wie engl. Wed-nesday „Mittwoch“ vom heidnischen GottWodan). Da auch im Althochdeutschenganz entsprechend der April „Ostarma-noth“, also „Ostermonat“, genannt wurde,glaubte man an eine deutsche Entspre-chung „Ostara“, an eine Frühlings- oderFrühjahrsgöttin, zu deren Ehren man imFrühling Feste veranstaltet habe. Da auchJacob Grimm diesem folgte, wurde dieserGedanke sehr populär und findet sich bisheute in den Schlagzeilen der Osteraus-gaben zahlreicher Zeitungen.Inzwischen weiß man aber, nicht zuletztdurch die Volkskunde, dass es diese Göttinnie gegeben hat (auch nicht im Glauben derheidnischen Völker). Dafür spricht vorallem, dass die Monatsnamen in dengermanischen Sprachen nie mit Götter-bezeichnungen kombiniert worden sind(anders als bei Wochentagen, wo neben„Wednesday“ auch an dt. „Dienstag“ zu„Ti(u)“, hochdt. „Ziu“, und „Donnerstag“zu „Donar“ gedacht werden kann).2.) Der zweite Versuch einer Erklärungdes Wortes „Ostern“ bestand darin, dasWort „Ostern“ mit dem „Osten“ zu verbin-den. Das deutsche Wort „Osten“ gehörtzusammen mit lat. „auster“ = „Südwind“,altslavisch „zaustra“ = „Morgen“ letztlichzu einem Wort für die „Morgenröte“,griech. „Eos“, lat. Aurora. Bei dieser Ver-bindung muss man allerdings zu einer feh-lerhaften Übersetzung aus dem Lateini-schen greifen; zudem ist für das Osterfestnicht der Morgen, sondern die Nacht mitihrem Gottesdienst in der Christenheit dasentscheidende Ereignis.Vielleicht muss man einen ganz anderenWeg gehen. In den nordgermanischenSprachen gibt es eine Wortfamilie, diesprachlich zu „Ostern“ passt: altnordisch„ausa“ = „(Wasser) schöpfen, gießen“,„austr“ = „Begießen“. Man verwendetediese Wörter u. a. bei der sogenanntenWasserweihe der heidnischen Nordgerma-nen, bei der ein Neugeborenes vom Vateraufgenommen wurde (womit auch einrechtlicher Status verbunden war), mit

Wasser übergossen wurde (Übernahmevom Christentum?) und seinen Namen er-hielt (zumeist vom Bruder der gebärendenFrau). Dieser Akt wurde im Nordischen als„vatni ausa“ („mit Wasser begießen“) be-zeichnet, unter „austr“ verstand man dasGießen, Ausgießen.Heidnische Germanen erlebten nun offen-bar in der Osternacht etwas ganz ähnliches.Ostern war in der frühen Christenheit daszentrale Ereignis des Kirchenjahres (kei-neswegs Weihnachten). Und ausschließlichzu Ostern wurde getauft (für „Nachzüg-ler“, Kranke und Sterbende früh auchPfingsten). Wir haben dazu aus dem Jahr536 einen wichtigen Hinweis. Die Unmög-lichkeit, zu Ostern taufen zu können, führtenach Zeugnissen antiker Chronisten bei derNiederwerfung des Wandalenreiches zueinem Aufstand. Ostgotische Söldner for-derten „im Verein mit den überlebendenwandalischen Priestern … für sich Kir-chen, und die Erregung erreichte ihrenHöhepunkt, als sie zur Osterzeit keineMöglichkeit sahen, ihre Kinder arianischtaufen zu lassen“.In Europa wurden die Täuflinge (Katechu-menen) bis zu drei Jahre auf den Taufaktvorbereitet. Das Osterfest kulminierte inder Osternacht (im Westslavischen heißtOstern „Wielkanoc“, „velika noc“, „Vel’kanoc“ = „große Nacht“), in der die Täuflingemanchmal zu Hunderten in die Kircheneinzogen und getauft wurden, immer nachder alten Formel: „Ich taufe Dich im Na-men des Vaters, des Sohnes und des Heili-gen Geistes“. Dreimal wurde dabei derTäufling mit Wasser übergossen. DieseTaufen fanden unter Angelsachsen, Sach-sen (Karl d. Große) und Friesen auch nichtselten in Massentaufen an Flüssen statt.Man darf daher vermuten, dass das Wort„Ostern“, das nur im Englischen seine Ent-sprechung besitzt („Easter“) – die übrigenSprachen greifen auf das „Passah“-Wortzurück (franz. „pâque“, niederdt. „Pa-schen“, niederl. „Pasen“) –, eigentlich „mitWasser übergießen“ bedeutet hat, aus demGermanischen stammt und sich auf dieTaufriten der frühen Christenheit bezogenhat.

Lit.-Hinweis: J. Udolph, Ostern – Ge-schichte eines Wortes (C. Winter Universi-tätsverlag Heidelberg 1999, 15 Euro, ISBN3-8253-0866-9).

Essay

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Foto: Volkmar Heinz

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Der Autor hat von1996 bis 2001 an derUniversität LeipzigMittlere und NeuereGeschichte, Soziolo-gie und HistorischeHilfswissenschaften/Archivwissenschaftstudiert. Seine Ma-

gisterarbeit trägt den Titel „Die Siegelder Universität Leipzig von 1409–1937.Katalog der Universitäts-, Rektorats-,Fakultäts-, Nationen- und Kollegiensie-gel.“ Zur Beschäftigung mit den Siegelnwurde der 33-Jährige durch ein Haupt-seminar zum Thema „Die Siegel derdeutschen Universitäten“ angeregt. „Da-bei stellte sich heraus, dass zu den Leip-ziger Siegeln vergleichsweise wenig be-kannt war, teilweise auch chronologischeZuordnungsprobleme bestanden. Seitden 1950er Jahren war dazu nichts mehrerschienen. Hier ein wenig zur Aufklä-rung beizutragen, lag auf der Hand,nachdem das Thema immer weiter in mirgärte“, sagt Himmelsbach.Momentan recherchiert der Historikerim Auftrag der Leipziger Verkehrsbe-triebe (LVB) zum Thema „Die LVB undder 17. Juni 1953 in Leipzig“.

Jeder Student und jeder Mitarbeiter siehtdas Erkennungszeichen der Universität fasttäglich, denn es findet sich auf der Uni-Card, auf T-Shirts, in Briefköpfen oder imInternet. Weniger bekannt mag aber sein,dass dieses Erkennungszeichen fast so altwie die Universität Leipzig selbst ist, dennes handelt sich dabei um die Neufassungdes großen Universitätssiegels, das bereitsin ihren ersten Statuten von 1410 er-wähnt wird. Dieses große Siegelstellte im Mittelalter gemein-sam mit der Amtskette unddem Szepter nicht nur ei-nes der wichtigsten Ho-heitszeichen der Univer-sität dar, es diente auchals Beglaubigungsmittelfür die Rechtsgeschäfteder Universität.Führt man sich vor Augen,welche Bedeutung Siegel in un-serem heutigen Leben spielen – siefinden sich auf fast allen offiziellen Doku-menten, Zeugnissen, Ausweisen und be-hördlichen Schreiben aller Art, um derenGültigkeit zu bestätigen – so kann man er-ahnen, wie wichtig Siegel im Mittelalterwaren. In einer Zeit, in der nur der kleinereTeil der Bevölkerung lesen konnte, warenSiegel der bildliche Beweis für die Gültig-keit einer Urkunde und der darin erwähn-ten Rechtsinhalte. Die heute viel wich-tigere Unterschrift war zu dieser Zeit alleinkein ausreichendes Beglaubigungsmittel. Aus diesem Grund unterlagen die Siegel –wie auch heute noch – besonderen Bestim-mungen, die ihren Missbrauch durch un-befugte Personen, den Diebstahl oder dieFälschung und eine dadurch möglicheUrkundenfälschung verhindern sollten.Der Anreiz zur Urkundenfälschung scheintim Mittelalter so groß gewesen zu sein,dass Siegelfälschung und -betrug mit dra-konischen Strafen belegt waren. Freilichfinden sich keine Beispiele von Urkunden-fälschung und Siegelbetrug, an denen das

große Universitätssiegel „beteiligt war“,doch das folgende Beispiel soll illustrieren,welche Strafen in solchen Fällen drohten.mVeit Stoß, der besonders durch seinen Altarin der Krakauer Marienkirche berühmtgewordene Bildschnitzer, geriet 1503 nachseiner Rückkehr nach Nürnberg in wirt-schaftliche Schwierigkeiten. Um diesen zuentgehen, fälschte er das Siegel einer Ur-

kunde, in der ihm 1200 Gulden zu-gesprochen wurden. Zur Be-

strafung wurden ihm beideWangen mit einem glü-

henden Eisen durchsto-ßen. Diese Brandmar-kung, die im übrigennoch bis ins 18. Jahr-hundert als Strafe für

Siegelfälscher diente,stellte jedoch schon eine

Begnadigung aufgrund mil-dernder Umstände dar. In den

meisten Fällen wurden Siegelfäl-schungen im Mittelalter wie die schwerstenVerbrechen mit der Todesstrafe geahndet.

Drei Schlösser zum Schutz

Aber nicht nur schwere Strafen, sondernauch umfassende Vorsichtsmaßnahmensollten eine missbräuchliche Verwendungder Siegel verhindern. So verwundert esnicht, dass bereits die erste Erwähnung desgroßen Universitätssiegels in den Statutenvon 1410 seine Aufbewahrung regelt. Essollte gemeinsam mit dem Geld und denPrivilegien der Universität in einer Truhe,der sogenannten „archa“, die also gleich-zeitig Archiv und Tresor der Universitätwar, aufbewahrt werden. Ausschließlich der Rektor der Universitätwar dazu berechtigt, das große Siegel, daser bei seinem Amtsantritt erhielt, zu benut-zen. Dies geschah jedoch nur im Beiseinweiterer Personen, denn der Siegelstempelwurde nach der Amtseinführung des Rek-tors wieder zu Geld und Privilegien in die

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Jubiläum 2009

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Das Mittelalter istallgegenwärtigÜber die Geschichte des großen UniversitätssiegelsVon Thomas Himmelsbach

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mit drei Schlössern gesicherte „archa“ zu-rückgelegt. Zwar besaß der Rektor einender drei Schlüssel, die beiden anderen wur-den jedoch von zwei weiteren „Schlüssel-haltern“ verwahrt. Diese wurden halbjähr-lich aus den Reihen des Universitätskonzilsneu gewählt und leisteten den Schwur, beijeder Öffnung der Truhe anwesend zu sein.Einer der Anwesenden hatte dabei zusätz-lich die Aufgabe, die in der „archa“ aufbe-wahrten Gegenstände in den Rechnungs-büchern der Universität zu protokollieren.Auf diese Art war das große Universitäts-siegel gegen Diebstahl und Missbrauchausreichend geschützt.Der Gründung der Universität Leipzig imJahr 1409 folgte die Anschaffung oder Ver-leihung des großen Siegels wohl nichtsofort. In den Rechnungsbüchern der Uni-versität, die von Beginn an geführt wurden,findet sich nämlich erst für das Jahr 1419ein Eintrag, der auf sein tatsächliches Vor-handensein hinweist.Leider ist der Siegelstempel dieses erstengroßen Universitätssiegels heute nichtmehr erhalten und auch die Umstände sei-nes Verschwindens sind rätselhaft. SeineVerwendung wird letztmalig für das Jahr1730 erwähnt, zum Anfang des 19. Jahr-hunderts war er verloren. Ein Umstand, dervon Friedrich Zarncke, der sich um dieMitte des 19. Jahrhunderts mit der Editionder Urkunden zur Geschichte der Univer-sität verdient machte, als treffende Strafe

für die Unordnung, die in der Universitäts-verwaltung wütete, bezeichnet wurde. Das Material des Stempels wird nur einmalnäher beschrieben, er soll aus vergoldetemErz bestanden haben. Bei dem Erz handeltees sich wahrscheinlich um Bronze oderMessing, da die meisten mittelalterlichenSiegelstempel aus diesen Materialien ge-fertigt wurden. In den runden Stempelwurde das Siegelbild wahrscheinlich voneinem Goldschmied vertieft und negativeingeschnitten um im Abdruck ein positi-ves und erhabenes Bild zu erhalten.

Nur zwei Abdrücke erhalten

Eigentümlicherweise haben sich nur zweiAbdrücke dieses Siegelstempels aus denJahren 1516 (s. Bild 1 auf S. 41) und 1610erhalten. Diese geringe Anzahl von Siegel-abdrücken ist bis heute nur damit zu erklä-ren, dass der Rektor für das gewöhnlicheTagesgeschäft ein eigenes, kleineres Rek-toratssiegel führte, das große Universitäts-siegel aber nur zu besonderen Anlässenverwendet wurde. Betrachtet man das Siegelbild selbst, soerkennt man zwei auf Konsolen stehendeHeiligenfiguren, die von einem reich ver-zierten, fünfbogigen gotischen Baldachinüberdacht werden. Die seitlichen Anbautendes Baldachins füllen das Siegelbild sym-metrisch aus. Die Umschrift verkündet ingotischen Minuskeln, also einer Schrift,

die nur aus Kleinbuchstaben besteht, denNamen des Siegelführers: sigillum univer-sitatis studii lipczensis. Die Heiligen im Siegelbild sind durch dieGegenstände die sie bei sich tragen, ihreAttribute, genauer gekennzeichnet. DieseAttribute stehen meist in direktem Zu-sammenhang mit der Vita, der Geschichtevon Leben und Wirken eines Heiligen,vielfach geben sie auch über sein Marty-rium Auskunft. Wer waren nun die Heiligen, die im großenUniversitätssiegel abgebildet sind? Eingenauerer Blick lohnt, denn die Lebens-geschichten und Legenden, die sich um diechristlichen Heiligen ranken, sind span-nender als man vielleicht vermutet. So istes nicht verwunderlich, dass ihre Viten imMittelalter als Grundlage von Mirakel-spielen, einer mittelalterlichen Form desTheaters, dienten.

Laurentius, Patron derStudenten

Die linke, bartlose Figur im großen Uni-versitätssiegel stellt den Heiligen Lauren-tius von Rom dar. In der rechten Hand hälter einen Rost, in der linken Hand ein mitfünf Buckeln beschlagenes Evangelien-buch. Laurentius lebte im 3. Jh. zur Zeit der Christenverfolgungen unter dem römi-schen Kaiser Valerian und war einer dersieben Diakone in der Stadt Rom. Damitwar er für die Finanzen und die Sozialarbeitder Kirche von Rom zuständig.Als der römische Bischof Sixtus II. durchKaiser Valerian festgenommen wurde, umenthauptet zu werden, war sein DiakonLaurentius der Überlieferung nach darüberverzweifelt, dass man ihn nicht für würdighielt, diesen Tod zu teilen. Sixtus trösteteihn mit der Verheißung, dass er ihm in dreiTagen nachfolgen werde, und erteilte ihmden Auftrag, den Kirchenschatz unter denLeidenden und Armen auszuteilen. AberValerian erhob Anspruch auf diese Schätzeund ließ Laurentius mehrfach geißeln, umihn zur Herausgabe zu zwingen. Laurentiuserbat sich für seine Entscheidung drei TageBedenkzeit, verteilte während dieser Fristdie Güter und präsentierte dann die be-schenkten und christlich gewordenen Ar-men dem Kaiser als „die wahren Schätzeder Kirche“. Der wütende Valerian ließLaurentius daraufhin mit Bleiklötzenschlagen, zwischen glühende Platten le-gen, und befahl schließlich, ihn überständig brennendem Feuer auf einem Rost

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einzeln als auch mit Traditionssiegel odergrafisch gestaltetem Leitmotto zusam-men einsetzbar.

Weitere Informationen zur Verwendungstehen im Gestaltungshandbuch der Uni-versität:www.uni-leipzig.de/gestaltungskonstanten

… lehnt sich in ihrer Form an das großeSiegel der Universität Leipzig aus dem 15. Jahrhundert an. Die senkrechten Li-nien erinnern an die Strebepfeiler der go-tischen Bauelemente auf dem Siegel. Andie Stelle der Schutzheiligen unter demBaldachin tritt die Inschrift in Deutschund Latein mit den Jahreszahlen desJubiläums. Die Abstraktion des Siegels,seine schlichte, einprägsamen Gestalt unddie typografische Verbindung der serifen-losen Hausschrift der Universität „Fu-tura“ mit der „Antiqua“ in den Jahres-zahlen widerspiegeln gestalterisch einSpannungsfeld zwischen Tradition undModerne.Das Jubiläumslogo wurde von wpunktw(www.wpunktw.com) im Auftrag der Uni-versität Leipzig geschaffen. Es ist sowohl

Die Jubiläumsmarke

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langsam zu Tode zu martern. Selbst unterdiesen Qualen bewahrte sich Laurentiusder Legende nach aber seinen Humor undneckte den Henker, er solle ihn auf demFeuer wenden, denn der Braten sei auf dereinen Seite schon gar. Mit Laurentius findet sich einer der meist-verehrten Heiligen der Kirche auf demgroßen Universitätssiegel, dessen Darstel-lungen sich in Deutschland vom 13. Jahr-hundert an verbreiteten. Er ist zudem der Patron, also der Schutzheilige undHelfer, der Schüler und Studenten undwurde an der Universität Leipzig be-sonders verehrt.

Johannes der Täufer

Der rechts im Siegelbild abgebildete, bär-tige Heilige ist durch das Lamm mit Heili-genschein, das er auf seinem linken Armträgt, eindeutig als Johannes der Täufergekennzeichnet. Johannes kam der Über-lieferung folgend ein halbes Jahr vor Jesus zur Welt. Er lebte als Asket in derWüste, wo er mit rauem Kamelhaar be-kleidet, von Heuschrecken und wildemHonig lebte. Im Jahr 29 n. Chr. trat er erst-mals öffentlich als Prediger auf. Er ver-kündete am Jordan das Kommen des vonden Juden ersehnten Messias und kündigteChristus als Lamm Gottes an. Aus diesemGrund wird er auch im großen Universi-tätssiegel mit dem Lamm auf dem Armabgebildet. In seinen Predigten forderte er seine Zuhö-rer zur Buße auf und spendete im Jordandie Taufe als Reinigung von den Sünden.Auch Jesus wurde von Johannes, der ihnals Messias erkannte, bei Jericho getauft.Da Johannes immer mehr Anhänger umsich sammelte, befürchtete Herodes Anti-pas, der Fürst von Galiläa einen Volks-aufstand und ließ Johannes verhaften. He-rodes war außerdem darüber aufgebracht,dass ihm Johannes öffentlich seine ehe-brecherische Verbindung mit Herodias, der Frau seines Stiefbruders vorgeworfenhatte. Herodias fühlte sich von Johannes’Anklagen sogar so tief beleidigt, dass sieimmer wieder seinen Tod verlangte. Alsihre Tochter Salome auf der Geburtstags-feier ihres Stiefvaters Herodes vor Gästentanzte, war dieser so entzückt, dass erversprach, ihr einen Wunsch zu erfüllen:Salome verlangte und erhielt auf Veran-lassung ihrer Mutter das Haupt Johannes’des Täufers und überreichte es Herodiasauf einer Schale.Johannes der Täufer ist der heute wahr-

scheinlich noch gegenwärtigere der beidenHeiligen. Seine Hinweise auf den Messiassind wahrscheinlich der Grund, dass sichdas alte keltische Sonnenwendfest, der Tagdes Sieges der Sonne und des Lichtes über Dunkelheit und Tod, als Johannistaggeeignet erwies und christlich überformtwurde. Johannis- oder Sonnwendfeuerwerden in der Nacht zum 24. Juni in vielenGebieten Deutschlands abgebrannt undauch eine Pflanze ist nach dem Heiligenbenannt. Dem Johanniskraut, das um diese Jahreszeit blüht, schrieb man Ab-wehreigenschaften gegen Geister undTeufel zu.

Symbolisch dem Bischofunterstellt

Mit Laurentius und Johannes dem Täuferhaben nun aber keine beliebigen HeiligenEingang in das große Universitätssiegel ge-funden. Das Aussehen des Siegelbilds stehtvielmehr in engem Zusammenhang mit der Gründungsgeschichte der Universität,denn Laurentius und Johannes der Täufersind die Schutzpatrone des Bistums Mer-seburg. Nationale und kirchenpolitische Ausein-andersetzungen an der Universität Pragführten im Mai 1409 zum Auszug fast allerdeutscher Magister und Studenten aus die-ser Stadt, nachdem der böhmische KönigWenzel IV. im sogenannten KuttenbergerDekret die Mitwirkungsrechte der deut-

schen radikal zugunsten der tschechischenUniversitätsangehörigen beschnitten hatte. Ein Teil der Lehrer und Studierenden kamdaraufhin nach Leipzig und beteiligte sichan den Vorbereitungen zur Gründung einerneuen Universität. Für die Gründung einerUniversität waren im 15. Jahrhundert aberzwei Dinge unerlässlich. Zum Einen wur-den Geld und Räumlichkeiten, also diematerielle Ausstattung zur Absicherungdes Lehrbetriebs benötigt. Zum Anderenwar eine Universität nur dann ausreichendlegitimiert, wenn ihre Einrichtung durchden Papst bestätigt war. Die materielleAusstattung der Universität Leipzig wurdedurch die meißnischen Markgrafen Fried-rich IV. und Wilhelm II. am 2. Dezember1409 gestiftet. Für das Aussehen des gro-ßen Universitätssiegels ist hier entschei-dend, dass die meißnischen Landesherrenals Stifter der Universität auf die Gestal-tung des Siegelbilds keinen Einfluss ge-nommen haben. Dies ist deshalb so unge-wöhnlich, da sich in den Siegeln andererlandesherrlicher Universitätsstiftungen,wie z. B. der Universitäten Wien und In-golstadt, deutliche Hinweise auf die Stifterin Form ihrer Wappen finden, im Siegel derUniversität Prag ist mit Karl IV. sogar derGründer selbst abgebildet.In Leipzig scheint die päpstliche Bestäti-gung für die Gestaltung des Siegelbildesentscheidender gewesen zu sein. In der Be-stätigungsbulle Papst Alexanders V. wurdenämlich der jeweilige Bischof von Merse-burg, zu dessen Diözese Leipzig gehörte,zum Kanzler der Universität bestimmt. DerKanzler, dessen Grundfunktion darin be-stand, die Erlaubnis zur Promotion zu er-teilen, besaß in Leipzig aber eine erheblichgrößere Macht als an anderen Universi-täten, denn er übte die oberste Gerichts-barkeit über die Universität und ihre An-gehörigen aus. Mit Laurentius und Johan-nes dem Täufer bildete die Universität inihrem großen Siegel also die Schutz-patrone ihres obersten Gerichtsherrn abund unterstellte sich diesem so auch aufsymbolische Art.Obwohl der ursprüngliche Siegelstempelvor ungefähr 200 Jahren verloren ging,hielt die Universität in der noch jetzt ge-bräuchlichen Neufassung aus der Mitte des19. Jahrhunderts an den mittelalterlichenBildinhalten fest. Und noch heute begeg-nen wir diesem Zeichen beinahe 600-jähri-ger Kontinuität täglich.

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Kleines Siegel.Dieses Siegel wurde wahrscheinlichum 1909 als Brosche getragen. Siegel-abguss aus Metall, auf der Rückseitebefinden sich zwei Halterungen.Durchmesser: 4,3 cm.

Foto: Universitätsarchiv

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DieheiligenÄrzteÜber das Siegelder Medizini-schen FakultätVon Prof. Dr. Heinz-Gerd ZimmerDirektor des Carl-Ludwig-Instituts fürPhysiologie der Medizinischen Fakultät

Im Siegel der Medizinischen Fakultät derUniversität Leipzig sind zwei Heilige dar-gestellt: St. Cosmas (SC) im linken Feldund St. Damian (SD) im rechten Feld. St.Cosmas hält in der rechten Hand ein Buchund in der linken ein Uringlas, St. Damianhat in der rechten Hand ebenfalls ein Buchund umfasst mit der linken einen Mörser-stab oder eine Spatula zur Herstellung vonArznei. Dadurch sind sie mit den Attribu-ten der Gelehrsamkeit, der Diagnostik undder Therapie ausgestattet. Bekanntlich wurde 1409 die UniversitätLeipzig von Professoren, Scholaren undStudenten gegründet, die aus der Univer-sität Prag ausgezogen waren. Es ist daherinteressant, dass heute noch im Siegel dertschechischen Ärztekammer St. Cosmasund St. Damian in der realen Situation derArzt-Patienten-Beziehung zu sehen sind.Insbesondere die Funktion des Uringlaseszur Harnschau als diagnostische Maß-nahme ist deutlich zu erkennen. Wiekommt es, dass diese beiden als Ärzteausgewiesenen Heiligen die Schutzpatroneder Mediziner und deren Fakultäten undVereinigungen wurden? Cosmas und Damian waren Zwillingsbrü-der und wurden um 260 AD geboren. IhrVater war bereits den Märtyrertod gestor-ben. Sie studierten Medizin in Syrien undlebten dann als Ärzte in Kilikien, Asiaminor, im heutigen Süden der Türkei. Aus-gehend von Egea zogen sie durch das Landund behandelten kostenlos Kranke. Siewurden daher „Aanargyroi“ genannt. Siestarben 303 unter Diokletian den Märtyrer-tod. Über die Versuche, sie zu töten, gibt es

einige Legenden. Sie sind von Fra Ange-lico (1387–1455) dargestellt worden. Sowurden sie ans Kreuz gebunden. Die Pei-niger zielten Steine auf sie und schossenPfeile ab. Doch diese wurden auf sie zu-rückgelenkt. In einer anderen Darstellungsollten sie zusammen mit ihren Brüdernauf dem Scheiterhaufen verbrannt werden.Aber das Feuer schlug zurück und ver-brannte die Brandstifter. In einem weiterenVersuch band man Steine um sie undstürzte sie von einem Felsen ins Meer. Aberwährend des Sturzes löste ein Engel dieSteine, und sie konnten unversehrt ans Uferschwimmen. Schließlich sah man keineandere Möglichkeit als die beiden Ärztezusammen mit ihren drei Brüdern nach derArt der Römer zu enthaupten. Cosmas und Damian wurden bald nachihrem Tod heilig gesprochen. Nach derAnerkennung des christlichen Glaubensunter Kaiser Konstantin errichtete manüber ihrem Grab in Killiz, Syrien, eineKirche. In seiner Regierungszeit 527–565ließ der oströmische Kaiser Justitian zuEhren dieser beiden Heiligen eine großeBasilika in der Hauptstadt Konstantinopelerrichten, da er glaubte, durch ihre Hilfevon einer schweren Krankheit geheilt wor-den zu sein. In Rom ließ Papst Felix IV.(526–530) ihnen zu Ehren in unmittelba-rer Nähe des Forums die Basilika „SS. Cos-mas e Daminano“ erbauen. Das Mosaik inder Apsis stellt die beiden Heiligen dar(Bild 3 auf S. 41). Die Beulenpest, die umdas Jahr 600 Italien heimsuchte, führte zuBittprozessionen und machte die Vereh-rung der heiligen Ärzte in Italien populär.m

Aus der Verehrung der beiden Heiligen undaus dem Glauben an ihre Wunder ent-wickelte sich die Idee der Transplantation.So träumte der Diakon Justinianus der Ba-silika in Rom, die St. Cosmas und St. Da-mian geweiht war, dass die beiden Heiligenzu ihm kämen, das kranke Bein abnähmenund es durch das Bein eines ägyptischenMohren, der kurz zuvor gestorben war,ersetzten. Diese Geschichte ist von zahl-reichen Malern dargestellt worden. Aufdem Bild von Fra Angelico im Kloster SanMarco in Florenz spielt die Szene in einemSchlafzimmer. Die beiden Heiligen-Ärztehaben gerade das Bein des Mohren trans-plantiert. Der Patient scheint ruhig zuschlafen (Bild 2 auf S. 41). Die Idee und die bildliche Darstellungeiner Transplantation entstanden in Mittel-europa also schon recht früh. Erst zu Be-ginn des 20. Jahrhunderts wurden Organ-transplantationen im Tierversuch realisiert.Voraussetzung hierfür war der Nachweis,dass aus dem Organismus entnommeneOrgane durch Perfusion mit geeignetenLösungen vital erhalten werden können. Inder zweiten Hälfte des 19. Jahrhundertswurden im Physiologischen Institut derUniversität Leipzig unter der Leitung vonCarl Ludwig (1816–1895) Organe aus demFrosch, dem Kaninchen und dem Hund iso-liert und mit geeigneten Lösungen durch-strömt. Das isolierte Froschherz war überStunden funktionsfähig. Die isolierteKaninchenleber produzierte Galle, die iso-lierte Hundeniere aber keinen Urin. Auf der Basis dieser Experimente ent-wickelte Alexis Carrel (1873–1944) An-fang des 20. Jahrhunderts eine Methodezur Gefäßnaht. Mit dieser Technik führte erbei Hunden und Katzen Transplantationenvon Gefäßen, Schilddrüse, Milz und Nieredurch. Auch die Transplantation einesBeines, also das Wunder von Cosmas undDamian, ist ihm beim Hund gelungen. Fürdiese Arbeiten erhielt Carrel 1912 den No-belpreis für Physiologie und Medizin.Beim Menschen wurden ab Mitte des 20.Jahrhunderts Transplantationen von Niere,Herz und Leber durchgeführt. Interessan-terweise erfolgte die erste Transplantationeiner Hand erst 1998. Das Wunder von St. Cosmas und St. Damian, die Trans-plantation eines Beines, ist bis heute nochnicht realisiert worden.

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Bild 1:Großes Universitätssiegel. Wachsabdruck, hängend aneiner Pergament-Urkunde vom 26. Januar 1516, die indeutscher Sprache einem Vergleich zwischen der Univer-sität und der artistischen Fakultät Rechtskraft verleiht.Durchmesser des Siegels: 8,5 cm.

Foto: Gunter BinsackQuelle: Universitätsarchiv

Bild 2:Fra Angelico, Das Wunder von St. Cosmas und St. Damian: Die Heilung des Diakons.

Justinianus. Predella der Pala von San Marco,Museo di San Marco, Florenz, 1439–1442;

Abbildung aus: Gabriele Bartz:Fra Angelico, Könemann Verlag 1998;

Repro: ZFF

Bild 3:Mosaik (527–530) in der Apsis der Basilika „SS. Cosma e Daminano“ in Rom: Damian (ganzlinks) und Cosmas (ganz rechts) werden von denAposteln Paulus bzw. Petrus Christus vorgestellt.

Entnommen der Broschüre„Basilica Santi Cosma e Damiano”,

Casa Generalizia TOR, Rom

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Titel-H_03_03_V1 05.05.2003 10:44 Uhr Seite 1

Probedruck

C M Y CM MY CY CMY K

journalJahr der Chemie

Forscher und Fotografenentdecken die Faszination

Mai 2003 Heft 3/2003 ISSN 0947-1049

Credit Points:Die globalisierte Bewertung von Leistung

Ehrendoktor Genscher:Rastloser Anwalt zwischen Ost und West

Das Thaer-Institut:Von artgerecht bis umweltgerecht

Volker Bigl im Interview:„Noch Reserven zu erschließen“

Instrumente aus dem Freiberger Dom:400 Jahre in Engelshand

Studiensammlung neu entdecken:„Geballte Kraft“

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UniVersumNachrichtenNeues Rektorat gewähltInterview mit Volker Bigl

ForschungFür immer schlank – ohne Diäten?Veterinärmedizin:Forschung und Dienstleistung vernetzenVW-Stiftung fördert Ostasien-Projekt Instrumente aus dem Freiberger Domwerden untersuchtJournalismus-Forschung in neuem Institut

UniCentralChemie für Laien erlebbar machen Faszinierende Grenzflächen Was fühlen Moleküle in Lösung?Erfahrungen Leipziger Chemie-Absolventen

Fakultäten und InstitutePaläontologen vollenden GrabungsprojektEine Betrachtung über Standortfragen amBeispiel der MineralogieDolmetscherausbildung:Europa spricht alle SprachenRestaurierung am AntikenmuseumDas Thaer-Institut für AgrarwissenschaftenDie globalisierte Bewertung von Leistung

StudiosiHandwerkszeug für Tutoren

PersonaliaEhrendoktor Genscher:Rastloser Anwalt zwischen Ost und WestOberarzt Stolzenburg:Mehr als Patienten, Forschung und LehreGastprofessor Joan Hemels Leibniz-Professor David SimoAnglist Schücking vor 125 Jahren geborenKurz gefasstGeburtstageNeu berufen

Jubiläum 2009„Geballte Kraft“ – Interview zurStudiensammlung

Habilitationen und Promotionen Am RandeNomen Impressum

Titelfoto : Jennifer Salzer

EDITORIAL

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„Das ist ja die reine Chemie!“ ist so ungefähr die schlimmste Kri-tik, die man an Objekten des täglichen Bedarfs üben kann. „Che-mie“ wird dabei empfunden als scharfer Gegensatz zu „Natur“oder „Natürliche Produkte“. Folgt man diesem Gedanken, kämedie Abschaffung aller „Chemie“ der Rückkehr ins Paradies gleich!Oder schleichen sich da doch einige Zweifel ein? Was wäredenn, wenn man die Ergebnisse chemischer und pharmazeuti-scher Forschung der letzten 50 Jahre streichen würde? Wäre un-ser Leben wirklich besser? Der Energieverbrauch und der Ver-brauch an Primärressourcen wären erheblich höher. Die Effizienzvon Photozellen, einer der Wege zur Nutzung regenerativer Ener-gie, wäre sowohl in der Herstellung als auch im Gebrauch er-heblich schlechter. Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen. Darü-ber dürfen Fehler keineswegs verschwiegen werden. Wie aberschützt sich die Gesellschaft am besten vor Auswüchsen chemi-scher Forschung und chemischer Produktion? Indem sie Chemie

verteufelt und damit jungen Leuten die Lust an die-ser und anderen Naturwissenschaften nimmt?Kaum, wir brauchen gerade engagierte jungeMenschen, die sich die Fähigkeit zu kompetenterKritik erworben haben. Chemie ist ein Fach und ein darauf basierendesAusbildungsangebot mit einem sehr großen Spek-trum an Methoden und Anwendungen. Vage Er-innerungen an die Chemie in der Schule bestehenvielleicht im Farbumschlag der Lösung in einemReagenzglas bei Zugabe bestimmter Stoffe und invorhergesagten oder (noch schöner?) überra-schenden Explosionen: Chemie ist, wenn es kracht

und stinkt! Natürlich gehört dergleichen auch heute zum Erschei-nungsbild der Chemie. Die aktuelle Forschung sieht jedoch ganzanders aus: Der Synthetiker sucht nach Wegen, maßgeschneiderte Materia-lien zu erzeugen, der Analytiker bemüht sich um die Bestimmungwinzigster Mengen von Spurenstoffen, der Physikochemiker unter-sucht die Grundlagen des Verhaltens von Materie und beantwor-tet dabei oft Hilferufe von Chemieingenieuren aus der industriel-len Praxis, und der Theoretische Chemiker begleitet all diese Be-mühungen mit Rechnungen, die verraten, was manchmal selbstmit modernsten experimentellen Hilfsmitteln nicht zu messen ist.mWesentlich für produktive Forschung ist das Zusammenwirken derEinzelbereiche. Dies ist nur möglich, wenn jeder Chemiker beialler Spezialisierung genügend viel von allen Gebieten versteht.Aus diesem Grunde kann eine gute Ausbildung in Chemie nur die-jenige sein, die zu frühe Spezialisierung vermeidet. Diesem Leit-gedanken folgt der neu eingerichtete Studiengang unserer Fakul-tät, der ein sechssemestriges Studium bis zum Abschluss Bache-lor und ein anschließendes viersemestriges Studium bis zum Ab-schluss Master umfasst. Im Verlauf des Bachelorstudiums werdendie Studierenden mit allen vorhandenen Gebieten der Chemieinklusive der Biochemie und der Technischen Chemie vertraut ge-macht. Dies liefert die Basis, auf der die Studierenden im Ma-sterstudium kompetent Schwerpunkte eigener Wahl setzen kön-nen. Aber auch in diesem Studienabschnitt heißt Schwerpunktbil-dung nicht etwa „Scheuklappen anlegen“, sondern exemplarischarbeiten, um ein breit gebildeter Chemiker zu werden. Die Anforderungen der Gesellschaft wandeln sich ständig, undsomit auch die Berufsbilder des Chemikers, was auch aus denKurzportraits von drei Absolventen unserer Fakultät hervor geht.Die Devise kann nur heißen: gute chemische Allgemeinbildung tutnot, die die Basis für vielfältige berufliche Aufgaben ist und gleich-zeitig auch die Basis für kompetente Kritikfähigkeit.

Prof. Dr. Harald Morgner,Dekan der Fakultät für Chemie und Mineralogie

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pulse für die Entwicklung der Biotechno-logie in Leipzig, die von Pääbos Forschun-gen ausgehen.Der 48-jährige schwedische Wissenschaft-ler, zuvor in Uppsala, Zürich und Münchentätig, der seit fünf Jahren in Leipzig hei-misch ist und sich hier so zu Hause fühltwie in seiner Geburtsstadt Stockholm,wollte in seinen Dankesworten die Ehrungals Anerkennung für seine ganze Forscher-gruppe verstanden wissen und stellte nachder Preisverleihung zwei Projekte seinesInstituts zur Erforschung der Ursprüngedes modernen Menschen vor, wobei er je-weils das Thema mit einem Fragezeichenversah: „Eine Beziehung Neandertaler –moderner Mensch?“ und „Ein Gen für dieSprache?“

UniVersum

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JournalMitteilungen und Berichte für die Angehörigenund Freunde der Universität Leipzig

ImpressumHerausgeber: Der RektorRedakteur: Carsten HeckmannRitterstr. 26, 04109 Leipzig,Tel. 0341/ 9 73 01 54, Fax 0341/ 9 73 01 59,E-mail : [email protected]. i. S. d. P. : Volker SchulteNamentlich gekennzeichnete Beiträge geben dieMeinung der Autoren wieder.Satz und Lithographie: DZA Satz und BildGmbH, AltenburgDruck und Binden: Druckerei zu AltenburgGmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 AltenburgAnzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Tel. 03447/5550Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbHAugustusplatz 10/11, 04109 LeipzigTel./Fax: 0341/9900440Einzelheft : 1,50 eJahresabonnement (sieben Hefte) : 13,– e

In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Siesich bitte an die Redaktion, in Fragen, die denVertrieb betreffen, an den Verlag.Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Beleg-exemplare erbeten.Redaktionsschluss: 23. 4. 2003ISSN 0947-1049

Der mit 10 000 Euro dotierte LeipzigerWissenschaftspreis, den Stadt und Univer-sität Leipzig sowie die Sächsische Akade-mie der Wissenschaften vergeben, wurdeam 11. April in der Alten Handelsbörse anProf. Dr. Svante Pääbo, Direktor am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropo-logie und Honorarprofessor an der Univer-sität Leipzig, verliehen.Wie der Rektor der Universität Leipzig,Prof. Dr. Volker Bigl, in seiner Laudatiosagte, werden mit dem Preis die bahnbre-chenden Arbeiten Prof. Pääbos auf demGebiet der Molekularen Archäologie ge-würdigt, mit denen er den Ruf Leipzigs alsStadt der Wissenschaften national undinternational verbreitet und gefestigt hat.Und er verwies auf die nachhaltigen Im-

„Edition amGutenbergplatz“gegründetEnde Februar wurde im Haus des Buchesder Verlag „Edition am GutenbergplatzLeipzig“ gegründet. Hauptrichtungen desVerlages sind: Mathematik, Informatik,Naturwissenschaften, Wirtschaftswissen-schaften, Wissenschafts- und Kulturge-schichte.Der Verlag teilte mit, dass die Auswahl derThemen in bewährter Weise erfolge: „DieManuskripte werden lektoratsseitig be-treut, von führenden deutschen Anbieternprofessionell auf der Basis Print on De-mand produziert und weltweit vertrieben:sowohl über den Buchhandel als auch un-ter Nutzung der modernen Internet-Distri-bution.“Vorteile des Wissenschaftsverlages fürForschung, Lehre und Anwendung seien„zeitgemäße Herstellungsverfahren undVertriebswege, keine Lagergebühren, minimale Verwaltungskosten und kein zeit-raubendes Berichtswesen“.

Informationen im Internet:http://www.eagle-leipzig.de/

Wissenschaftspreis für Pääbo

Preisträger Svante Pääbo (l.) imGespräch mit dem Leipziger Zoo-ChefJörg Junhold. Foto: A. Kühne

Im akademischen Jahr 2001/02 belegte dieUniversität Leipzig mit 349 Gaststudieren-den, die hier im Rahmen des europäischenBildungsprogramms „Sokrates“ studierthaben, Rang 5 innerhalb einer Rangfolgeder beliebtesten dreißig deutschen Hoch-schulen. Größeren Zulauf von europäi-schen Universitäten fanden die Freie Uni-versität Berlin, die Humboldt-Universitätzu Berlin, die Universität des Saarlandssowie die Universität Tübingen. Sachsen-

weit lag die Universität Leipzig damit vorder Technischen Universität Dresden. Damit verstärkt sich der positive Trend, dersich auch in einer kontinuierlich steigen-den Zahl ausländischer Studierender ins-gesamt, nicht nur „Sokratiker“, ausweist.Das Akademische Auslandsamt möchte andieser Stelle allen Mitstreitern in denFakultäten danken, die den MiteuropäernLeipzig zur zweiten Heimat werden las-sen.

„Sokrates“-Programm:Leipzig auf Rang 5

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Am 10. April 2003 hat die SächsischeStaatsregierung offiziell beim Bundes-ministerium für Verkehr, Bau- und Woh-nungswesen die Bewerbung Sachsens fürdie Ansiedlung des in der rot-grünen Koa-litionsvereinbarung vom 16. Oktober 2002avisierten Osteuropazentrums für Wirt-schaft und Kultur in Leipzig eingereicht.Das Konzept für die Einrichtung des „Ost-europazentrums für Wirtschaft und Kultur“als OstWestZentrum Leipzig entstand inkürzester Frist an der Universität Leip-zig.mBereits im November 2002 hatten der Rek-tor der Universität Leipzig, Professor Dr.Volker Bigl, und der Oberbürgermeisterder Stadt Leipzig, Wolfgang Tiefensee,gegenüber der Bundesregierung das Inter-esse von Stadt und Universität an der An-siedlung des Bundeszentrums in Leipzigsignalisiert. Konkrete Vorgaben für dieGliederung der Konzeption erhielt die Uni-versität am 31. März 2003, ein entspre-chender Beschluss des Rektoratskollegi-ums erfolgte am 4. April, am 8. April wurdeder 41 Seiten umfassende Antrag abge-schickt. Das war nur möglich dank des sehrengagierten Einsatzes von Professor Dr.Stefan Troebst, der die Federführung über-nommen hatte, des Dezernates für Öffent-lichkeitsarbeit und Forschungsförderung,des Prorektorates für Forschung und wis-senschaftlichen Nachwuchs (seitens derUniversität Leipzig ist Prorektor ProfessorDr. Helmut Papp für diese Initiative ver-antwortlich) und der Stadt Leipzig. Der Vorschlag wird von den hier ansässi-gen anderen Hochschulen und Forschungs-einrichtungen, von Einrichtungen derMittel- und Osteuropäischen Länder sowie

von verschiedenen Leipziger Wirtschafts-unternehmen mit Geschäftsbeziehungennach Osteuropa nachdrücklich unterstützt,denn für dieses Zentrum mit bundes- undeuropaweiter Bedeutung ist Leipzig wegendes hier vorhandenen Potenzials und we-gen des deshalb zu erwartenden Nutzensfür die gesamte Bundesrepublik, aber auchdie sich erweiternde Europäische Unionidealer Standort. Auch diplomatische Ver-tretungen mittel- und osteuropäischer Staa-ten, mit denen im Vorfeld Gespräche ge-führt wurden, haben Interesse signali-siert.m Dem Freistaat Sachsen kommt eine tradi-tionelle, nach 1989 erneuerte Brücken-funktion zwischen West und Ost in Europazu. Er ist seitens des Bundesrates (gemein-sam mit Niedersachsen) federführend fürdie EU-Osterweiterung. In Sachsen gibt esvielfältige, sich ergänzende Kompetenzenzu Mittel und Osteuropa. Die UniversitätLeipzig selbst hat die Forschung zu Mittel-und Osteuropa einschließlich Südost-europa wegen des vorhandenen, breitenSpektrums interdisziplinärer Wissen-schaftsprojekte zu einer Profillinie ihresEntwicklungskonzeptes erklärt. FrühereÜberlegungen einer sachsenweiten Bünde-lung und Vernetzung haben im März 2003zur Gründung des Vereins „Kompetenz-zentrum Mittel- und Osteuropa Leipzig“geführt, der ausgehend von den LeipzigerAkteuren in der Folge auch die mittel- undosteuropabezogenen Wissenschafts-, Wirt-schafts- und Kulturkompetenzen der ande-ren Teile Sachsens einbeziehen soll (siehedazu gesonderten Text auf der nächstenSeite). Das alles bildet ein hervorragendesNetzwerk, auf welches das als Kopfstelle

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AmRande

Sie wollte den Krieg verhindern. Dazufuhr eine Münsteraner Islamistik-Stu-dentin in den Irak und schloss sich dortden menschlichen Schutzschilden an.Solange, bis der Kriegsausbruchnahte. Hin und weg war sie.Und da soll noch einer sagen, den Stu-denten von heute liege nichts mehrdaran, sich politisch zu engagieren.Sagt auch einer. Der, ehemaliger Stu-dent der Uni Leipzig, behauptet dochglatt in seiner Magisterarbeit: An denHochschulen herrsche der Typus des„flexiblen Studierenden“ vor. DessenHauptorientierung: Augen zu unddurch, Marktposition sichern, von derUni nur den Abschlusstitel erwarten.Die „Lust an der Anpassung“ hat derAbsolvent ausgemacht, zusammen mitder Unlust auf Politik und Protest.Eine Regel mit Ausnahmen, wie solltees anders sein. Ausnahme Nummereins: Als „Event“ inszenierter Protest.Am besten mit garantierter Medien-präsenz. So was ziehe Studenten ma-gisch an. Bagdad lässt grüßen. Ausnahme Nummer zwei: Die Angst,zur Gruppe der Verlierer zu zählen,könne bei Studenten groß genug sein,um sich zu engagieren. Frei nach demMotto: Nur Verlierer protestieren. Bag-dad lässt grüßen.Am Ende aber, so ist sich unser Kron-zeuge sicher, werden auch aus denmeisten Protestlern wieder „flexibleStudierende“. Und das Ende kommeschnell. Mit Grüßen an eine Müns-teranerin: Carsten Heckmann

Feier im Alten SenatssaalGratulationen fürCornelius WeissAm 14. März wurde Altmagnifizienz Prof. Dr. Cor-nelius Weiss (hinten) bekanntlich 70 Jahre alt. Ausdiesem Anlass fand am 4. April eine Gratulations-feier im Alten Senatssaal statt, zu der Weiss’ Nach-folger Prof. Volker Bigl (links) eingeladen hatte. DerJubilar kam mit Familie (im Bild) und freute sichüber lobende Worte, feierliche Musik und Spendenfür den Freundes- und Förderkreis Musikinstrumen-tenmuseum e. V.

Foto: Armin Kühne

Leipzig will OstWestZentrum

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gedachte Bundeszentrum zurückgreifenund mit dem es kooperieren kann. Sowohldie Universität Leipzig als auch die StadtLeipzig haben darüber hinaus konkreteAngebote für das OstWestZentrum unter-breitet. So zeigte sich auch der Chef derSächsischen Staatskanzlei, StaatsministerStanislaw Tillich, von den guten Voraus-setzungen Leipzigs überzeugt: „DieMessestadt Leipzig mit ihrer Universität,der hohen Dichte osteuropabezogenerForschungseinrichtungen, ihrer Ost-West-und Nord-Süd-Drehscheibenfunktion so-wie ihrem wirtschaftlichen und kulturellenPotenzial bietet ideale Bedingungen füreine solche Einrichtung“.In welchem Zeitraum die Bundesregierungüber die Ansiedlung des Osteuropazen-trums entscheiden wird, ist noch offen,ebenso wie die Details der geplanten För-derung durch den Bund noch nicht geklärtsind. Staatsminister Tillich hat die Bundes-regierung zu größtmöglicher Transparenzim Hinblick auf das Verfahren und dieKriterien für die Auswahl des Standortesaufgefordert. Neben Sachsen bewerbensich Brandenburg und Mecklenburg-Vor-pommern. Dr. Sylvia Richter

Kompetenz-zentrum Mittel-und OsteuropaDie seit Ende 2002 unternommenen Be-mühungen der Universität Leipzig, derStadt Leipzig sowie von einer Reihe außer-universitärer Forschungseinrichtungen,Unternehmen und Mittlerorganisationenzur Bündelung und Vernetzung ihrer Akti-vitäten zu Mittel- und Osteuropa habenjetzt mit der Gründung des Kompetenz-zentrums Mittel- und Osteuropa Leipzige.V. zu einem ersten Ergebnis geführt.Vertreten waren auf der Gründungsver-sammlung im Alten Senatssaal neben derUniversität die Stadt Leipzig, das Umwelt-forschungszentrum Leipzig-Halle, dieSächsische Akademie der Wissenschaftenzu Leipzig, die Stadtwerke, die MaxicoMGmbH, das Geisteswissenschaftliche Zen-trum Geschichte und Kultur Ostmitteleu-ropas (GWZO), InterDaF, die Societas Ja-blonoviana, das Sorbische Institut Bautzen,das Institut für Länderkunde, das Europa-haus Leipzig, das Simon-Dubnow-Institutfür Jüdische Geschichte und Kultur, dieHochschule für Grafik und Buchkunst, dieIndustrie- und Handelskammer zu Leipzig

sowie das Sächsische Staatsministeriumfür Wissenschaft und Kunst. Zu persön-lichen Gründungsmitgliedern zählen derDirektor des Polnischen Instituts Leipzigund der Honorarkonsul des KönigreichsSchweden in Leipzig. Zu Vorstandsmit-gliedern des Zentrums wurden der an derUniversität und am GWZO tätige Osteuro-pahistoriker Prof. Dr. Stefan Troebst, derProrektor für Forschung und wissenschaft-lichen Nachwuchs der Universität, Prof.Dr. Helmut Papp, und Adam Stanyer, Pro-kurist der Stadtwerke Leipzig, gewählt.Angesichts der in Leipzig sowie im übri-gen Sachsen vorhandenen Verdichtung vonwissenschaftlichen wie praktischen Mittel-und Osteuropapotenzialen war bereits2001 von der Sächsischen Hochschulent-wicklungskommission empfohlen worden,diese Kompetenzballung zu vernetzen undzu bündeln. Die Universität Leipzig hat inihrem Entwicklungskonzept von 2002 dieForschung zu Mittel- und Osteuropa sowieSüdosteuropa als einen ihrer Schwer-punkte definiert. Das Zentrum bezieht neben wissenschaft-lichen Einrichtungen regionale Wirt-schaftsunternehmen, kulturelle Institutio-nen und vor allem die Stadt Leipzig ein. Eswill Hilfestellung bei der Einwerbung vonforschungsbezogenen Drittmitteln leisten,als Informationsdrehscheibe für Forschungund Öffentlichkeit dienen sowie alsSchnittstelle der regionalen Forschungs-,Unternehmens- und Kulturlandschaft fun-gieren – etwa durch Bereitstellung vonTrainings- und Beratungsangeboten fürPartner aus Wirtschaft und Verwaltung. Der erste Schritt, die Bündelung der loka-len Akteure, ist erfolgt. Der zweite Schrittwird die Einbeziehung der mittel- undosteuropabezogenen Wissenschafts-, Wirt-schafts- und Kulturkompetenzen der ande-ren Teile Sachsens umfassen. „In Dresden,Freiberg, Görlitz und Chemnitz“, so derVorstandsvorsitzende Professor Troebst,„ist das Interesse an einer Mitwirkung imKompetenzzentrum Mittel- und OsteuropaLeipzig bereits jetzt sehr hoch.“In unmittelbarem Zusammenhang mit derVorbereitung der Gründung des Kompe-tenzzentrums Mittel- und Osteuropa Leip-zig und gewissermaßen als erste Aktivitätentstand die Konzeption für den inzwi-schen von der Sächsischen Staatsregierungbeim Bundesministerium für Verkehr-,Bau- und Wohnungswesen eingereichtenAntrag auf Ansiedlung eines Osteuropa-zentrums für Wirtschaft und Kultur inLeipzig. Dr. Sylvia Richter

Das WahlkonzilHäuser zumRektor gewähltAuf dem Wahlkonzil vom 23. April 2003wurde der alleinige Kandidat, Prof. Dr.Franz Häuser, zuletzt Prorektor für struk-turelle Entwicklung, mit 179 von 235 ab-gegebenen Stimmen zum neuen Rektor fürdie verbleibende Amtszeit bis zum 1. De-zember dieses Jahres gewählt. Der Amts-wechsel findet am 13. Mai im Alten Se-natssaal, die Verabschiedung von Prof.Bigl am 16. Mai im Neuen Rathaus statt.Auch die Prorektoren-Kandidaten fandendie Zustimmung des Konzils (s. u.).Die vorgezogene Neuwahl war notwendiggeworden, da Rektor Bigl wegen des Vor-gehens der Sächsischen Staatsregierungbei der Bebauung des Universitätsgeländesam Augustusplatz am 30. Januar zurückge-treten war. Auf dem Konzil wurde er fürdiese konsequente Haltung und überhauptfür seine fast sechsjährige Amtszeit mitnicht enden wollendem Beifall bedacht.Prof. Häuser ließ keinen Zweifel daran,dass er das Amt im Sinne seines Vorgän-gers weiterführen und dessen Rat bei derMeisterung der anstehenden schwierigenAufgaben wie des Abschlusses einerHochschulvereinbarung oder des Fort-gangs des Campus-Bauvorhabens einholenwerde. Deutlich wurde freilich auch, dassein neuer Rektor sich in seiner Amtsfüh-rung nicht darauf beschränken kann, aus-schließlich in den Fußstapfen seines Vor-gängers zu gehen, sondern auch eigeneWege beschreiten muss. Insoweit wird zu-nächst wohl ein pragmatisches Auslotenvon Spielräumen im Vordergrund stehen.mZuvor waren die Tätigkeitsberichte desRektors und der drei Prorektoren vom Kon-zil zustimmend zur Kenntnis genommenworden. Daraus ging hervor, dass die Uni-versität trotz eines Numerus clausus in 57Studiengängen mit 28 000 Studierenden ander Spitze in Mitteldeutschland steht, diesaber mit einer Überlastung des Lehrperso-nals, insbesondere in den Geisteswissen-schaften, überfüllten Vorlesungen und Se-minaren erkauft. In der Forschung hält dieSteigerung bei der Einwerbung von Dritt-mitteln zwar an (von 33 Mio. Euro im Jahr2000 auf fast 50 Mio. Euro 2002), doch dienur zwei aktuellen Sonderforschungsberei-che, jeweils zusammen mit Halle auf demGebiet der Lebens- und der Geisteswissen-schaften, trüben das Gesamtbild. V. S.

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Die neueMannschaftim Rektorat

Neu gewählt:RektorProf. Dr. Franz Häuser

Jurist / geb. am 14. 08. 1945 in Limburg ander Lahn / seit 1992 Professor an der Uni-versität Leipzig und Inhaber des Lehrstuhlsfür Bürgerliches Recht, Bank- und Börsen-recht sowie Arbeitsrecht / von 1997 bis2000 Prodekan der Juristenfakultät, an-schließend bis 2002 Dekan / seit 13. 11.Prorektor für strukturelle Entwicklung

Neu gewählt:Prorektor für struktu-relle EntwicklungProf. Dr. med.Peter Wiedemann

Augenarzt / geb. am 23. 10. 1953 in Erlan-gen / 1993 Berufung auf den Lehrstuhl fürAugenheilkunde an der Medizinischen Fa-kultät / seit 1. 9. 1993 Direktor der Klinikund Poliklinik für Augenheilkunde

Wieder gewählt:Prorektorin für Lehreund StudiumProf. Dr. Monika Krüger

Veterinärmedizinerin / geb. am 16.11.1947in Berlin / seit 1993 Inhaberin der Profes-sur für Bakteriologie und Mykologie undTierseuchenlehre der Veterinärmedizini-schen Fakultät / seit Anfang Dezember2000 Prorektorin für Lehre und Studium

Wieder gewählt:Prorektor für Forschungund wissenschaftlichenNachwuchsProf. Dr. Helmut Papp

Chemiker / geb. am 14. 12. 1941 in Nürn-berg / im April 1993 auf die Professur Tech-nische Chemie an der Fakultät für Chemieund Mineralogie berufen / von 1996–99Dekan der Fakultät / seit Dezember 2000Prorektor für Forschung und wissenschaft-lichen Nachwuchs

Herr Professor Bigl, mit dem Abstandvon einigen Monaten, bedauern Sieheute Ihren Rücktritt?Nein. Er war die für mich persönlich einzigmögliche Konsequenz aus dem Beschlussder Sächsischen Staatsregierung zum Cam-pus-Neubau am Augustusplatz. Mit ihremabrupten Verlassen des in jahrelangen Ver-handlungen gemeinsam erarbeiteten Kon-zeptes, ohne dass der Universität im VorfeldGründe benannt oder sie als Hauptbetroffe-ner und Eigentümer des fraglichen Grund-stücks nochmals angehört wurde, greift dieStaatsregierung, alle Beschlüsse der Gre-mien der Universität missachtend, in bei-spielloser Weise in die Autonomie der Uni-versität ein. Zugleich hat sie mit einemsolchen Vorgehen auch meine für eine ge-deihliche Zusammenarbeit notwendige per-sönliche Vertrauensgrundlage in einer Weisebeschädigt, die mir eine Weiterführungmeines Amtes nicht mehr ermöglicht hat.mNur durch einen Rücktritt konnte allen Be-teiligten und einer größeren Öffentlichkeitverdeutlicht werden, dass die Universitätkeine dem Ministerium nachgeordnetestaatliche Behörde ist, sondern sich ihr

Selbstverständnis und ihre Leistungsfähig-keit auf Freiheit und Selbstbestimmunggründen. Und so ist, denke ich, innerhalbund außerhalb der Universität auch meinRücktritt verstanden worden.Lassen Sie mich noch ein Wort mehr sagen,wie ich es auch jüngst vor dem Konzil ge-tan habe: Es bleibt zu hoffen, dass sichHerr Staatsminister Dr. Rößler bald daraufbesinnt, dass er für Wissenschaft und Kunstund nicht für Kirchenneubau in unseremLande zuständig ist. Ansonsten wird dieFertigstellung dieses für die künftige Ent-wicklung der Universität und die Verbesse-rung der Arbeits- und Studienbedingungenso eminent wichtigen Bauprojektes biszum Universitätsjubiläum im Jahre 2009sicher nicht gelingen. Und die einmaligeChance wäre vertan, im Herzen unsererStadt der Idee einer modernen, bürgeroffe-nen Universität Gestalt zu geben.

Vor Ihrer ersten Wahl und auch zurWiederwahl gab es lautstarke Studen-tenproteste, auch Rücktrittsforderun-gen, die aber nichts mit Ihrer Person,sondern mit dem von der Staatsregie-

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„Noch Reservenzu erschließen“Interview mit Rektor Volker Biglzum Abschluss seiner Amtszeit(1997–2003)

Volker Biglwurde am 13. 02. 1942 in Bernsdorf/Erz-gebirge geboren und studierte nach demAbitur 1960 Humanmedizin, bis 1962 inBukarest und von 1962 bis 1965 in Leip-zig. 1966 promovierte er zum Dr. med.,arbeitete als Assistent an der AbteilungNeurochemie der Universität Leipzig.Von 1976 bis 1983 war er als Oberarzt amPaul-Flechsig-Institut für Hirnforschungtätig, wo er 1978 mit einer Arbeit zumEinfluss von Anlage und Umwelt auf dieHirnentwicklung den Dr. sc. med. erwarb,der 1991 in Dr. med. habil. umgewandeltwurde. 1983 wurde er zum Dozenten für

Neurochemie, 1992 zum C4-Professor fürdieses Fachgebiet berufen. 1993 erfolgtedie Bestellung zum Direktor des Paul-Flechsig-Instituts, 1994 die Wahl zumProdekan der Medizinischen Fakultät,und 1995 trat er die Nachfolge von Prof.Geiler als Dekan an. 1996 wurde er wie-der zum Dekan gewählt. Im Oktober 1997wurde er vom Konzil zum Rektor derUniversität Leipzig gewählt und am1. November 2000 wieder gewählt. Am30. 01. 2003 trat er als Rektor zurück(siehe dazu Journal 2/03).Bigl ist verheiratet und hat vier Kinder.

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rung verordneten Stellenabbau zu tunhatten. Man kann sagen, dass Sie Rektorin finanziell schwierigen Zeiten waren.Hat sich das lähmend oder eher moti-vierend ausgewirkt?Weder noch. Jedenfalls habe ich in diesemZusammenhang nie an Rücktritt gedacht.Da bin ich viel zu sehr ein Mann derPflicht, der den Kompromiss und nicht dieKonfrontation sucht. Bloße Ablehnungbringt auf Dauer nichts. Dass beide Seiten– Staatsregierung und Universität – ihreZiele verfolgen und in Verhandlungeneinen Kompromiss anstreben, ist ein nor-maler Vorgang in einem demokratischenStaatswesen.

Ich habe immer wieder betont, dass ich dieKürzungen im Hochschulbereich für falschhalte. Nachdem dies aber nicht zu verhin-dern war, hätte ich mir natürlich auch lie-ber einen größeren Gestaltungsspielraumgewünscht, und natürlich wäre ich auchlieber nicht so oft an Grenzen der finan-ziellen und personellen Möglichkeiten desHaushalts gestoßen. Das hat Kraft undRessourcen des Rektoratskollegiums ge-bunden, die an anderer Stelle fehlten. Icherinnere nur daran, dass im ersten Jahr mei-ner Amtszeit der vom Landtag beschlos-sene Abbau von 72 Personalstellen umge-setzt werden musste. Nach dem „Ruhejahr2000“ waren dann, aufgeschlüsselt auf Jah-

resscheiben, ab 2001 bis 2004 noch einmal108 Personalstellen auf einer Streichlistezu benennen. Andererseits war und ist eseine große Herausforderung, wie sich dasauch in teilweise heftig und emotional ge-führten Debatten mit den Fakultäten ab-lesen ließ, innerhalb des eng gestecktenHaushaltsrahmens ein ausgewogenesStrukturkonzept aufzustellen, das nicht nurdie Realisierung des uns auferlegten Stel-lenabbaus, sondern auch neue Entwicklun-gen in Forschung und Lehre berücksich-tigt. Mit der Quintessenz, dass im Ganzendie Kernkompetenz und die Fächervielfaltals das Markenzeichen der UniversitätLeipzig grundsätzlich erhalten bleiben undso die alte Idee der Universitas litterarumimmer wieder neu belebt werden kann.Einschnitte in das Leistungsangebot derUniversität sind m. E. jedoch unvermeid-lich, wenn die neuen Vorgaben der Staats-regierung, die Teil der neuen Hochschul-vereinbarung werden sollen, in den Jahren2005 bis 2008 weitere 78 Stellen an derUniversität abzubauen, rechtskräftig wer-den. Dass nicht alles mit gleicher Intensitätbetrieben werden kann, liegt auf der Hand.Aber die Universität darf ihre Kernkompe-tenz, und zwar nicht nur im geisteswissen-schaftlichen Bereich, sondern auch bei denNaturwissenschaften und den Staatswis-senschaften, nicht verlieren. Mehr noch:Eine moderne Universität muss auch übereinen Andockpunkt für die angewandtenTechnik- bzw. Naturwissenschaften verfü-gen. Vor allem deshalb, weil sich hier durchneue Entwicklungen ganz besondere, inno-

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Stationen des Rektors Bigl:

Amtseinführung 1997Am 1. Dezember 1997 wurde Bigl indas Rektoramt eingeführt. Hierzu emp-fing er Glückwünsche des scheidendenRektors Prof. Dr. Cornelius Weiss, der inzwei Amtsperioden von 1991 bis 1997die Geschicke der Universität geleitethatte.

Campus 2000Vom 30. Juni bis 2. Juli 2000 präsen-tierte die Universität ihre wissenschaft-lichen Leistungen in der GrimmaischenStraße. Dabei kamen Rektor Bigl undOberbürgermeister Wolfgang Tiefenseeins Gespräch. Fotos: Armin Kühne

Kuba 1998Verlängerung der Partnerschaft derUniversität Leipzig mit der Universidadde la Habana in Cuba am 9. Oktober1998: Die Rektoren Prof. Dr. MarioRodriguez (li.) und Prof. Bigl unterzeich-nen den Vertrag.

Foto: ZFF

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vative Impulse sowohl für andere Wissen-schaften als auch für die Wirtschaft der Re-gion ergeben. Eine Notwendigkeit für unsere Gesell-schaft ist aber auch, den Dialog zwischenden Geisteswissenschaften und den an-wendungsorientierten Wissenschaften wie-der aufzunehmen und zu stärken. Vieleethische Probleme unserer Zeit, denken Siean gentechnisch veränderte Organismenoder an die Stammzellforschung oder andie Einführung neuer Entwicklungen in derTelekommunikation und Informatik, dieden gläsernen Menschen ein ganzes Stückaus dem Bereich der Science Fiction in dieRealität rücken, bedürfen dieses Dialogs,bedürfen eines Überdenkens. Deshalb halte ich die Verkürzung des Pro-fils der Universität auf ein vorwiegendgeisteswissenschaftlich ausgerichtetes fürnicht sachgerecht. Wie ich es im Übrigenauch nicht für sachgerecht halte, die tech-nischen Universitäten auf ihren techni-schen Sachverstand reduzieren zu wollen.Das kritische Wechselspiel zwischen denverschiedenen Wissenschaftskulturen fürdie Forschung, aber auch für die studenti-sche Ausbildung nutzbar zu machen, halteich für die Universität der Zukunft wie fürdie Gesellschaft insgesamt für unverzicht-bar.

Nehmen wir Ihre fast sechsjährigeAmtszeit noch etwas detaillierter in denBlick. „Raum für neue Entwicklungenzu schaffen“, war ein Credo Ihrer Redezu Ihrer Wiederwahl Ende des Jahres2000. Was wurde in diesem Sinne er-reicht?Auf dem Gebiet der Forschung steht fürmich der Aufbau des Biotechnologisch-Biomedizinischen Zentrums (BBZ) an er-ster Stelle. Die zusätzlichen Professurensind besetzt, die Nachwuchsgruppen arbei-ten bereits. Der Bezug der Räume und La-bore im Neubau am Deutschen Platz stehtunmittelbar bevor. Mit diesem Ereignis ver-bindet sich zugleich die beglückende Er-fahrung einer engen und fruchtbaren Zu-sammenarbeit mit der Stadt Leipzig, die aufvielen Gebieten weiter ausgebaut wurde.Das BBZ steht auch für das intensive Be-mühen, mit der Etablierung weiterer For-schungszentren und damit nicht- perma-nenter Strukturen, die zwischen den Fach-grenzen angesiedelt sind, das traditionellinterdisziplinäre Wissenschaftsverständnisunserer Universität – ich erinnere nur an un-seren Leitspruch „Aus Tradition Grenzenüberschreiten“ – weiter auszuprägen.

So entstanden in den letzten Jahren das La-teinamerikazentrum, das Zentrum zur Er-forschung und Entwicklung pädagogischerBerufspraxis, das Zentrum für Frauen- undGeschlechterforschung, das Zentrum fürMagnetische Resonanz, das Zentrum fürPrävention und Rehabilitation und dasZentrum für Toxikologie. Besonders er-wähnt sei das Interdisziplinäre Zentrum fürBioinformatik, das für zunächst fünf Jahrevon der Deutschen Forschungsgemein-schaft gefördert wird. Und schließlichwurde vor kurzem das KompetenzzentrumMittel- und Osteuropa als eingetragenerVerein gegründet. Darauf aufbauend ist aufInitiative von Universität und Stadt die Be-werbung Sachsens zur Ansiedlung einesOsteuropazentrums des Bundes in Leipzigeingereicht worden. Fiele die Wahl aufLeipzig, wäre das für die Universität ein

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Höhepunkte abseits der Arbeit:

Bowling mit den Kollegen (April 2001).

Ruderpartie beim Rektoratsausflug (August 2001). Fotos: Gesine Leistner

Torte vom Studentenwerk zum 60. Geburtstag (Februar 2002).

Foto: Randy Kühn

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Erfolg vergleichbar dem Leipzigs beider Olympiabewerbung.Mit dieser Zentrenbildung und demim vergangenen Jahr beschlossenenEntwicklungskonzept, das zehn pro-filbestimmende Forschungsfelderüber Fakultätsgrenzen hinweg aus-weist, hat die Universität ihre Fähig-keit unterstrichen, ihr wissenschaft-liches Spektrum und ihre Strukturenselbstbestimmt weiterzuentwickeln.Wodurch könnte die Universität ihreLebendigkeit und ihre Lebensfähig-keit besser unter Beweis stellen?Auf dem Gebiet von Lehre und Stu-dium ist es gelungen, neue Impulse fürdie weitere Internationalisierung zugeben. Als Beispiel möchte ich das mitder Ohio-Universität in Athens ent-wickelte Projekt des Ohio Leipzig Eu-ropean Centre (OLEC) nennen, mitdem zum ersten Mal in größeremMaßstab der Studentenaustausch vonden USA in Richtung Deutschlandvollzogen wird. Ich habe gerade indiesen Tagen mit großer Freude wie-der 19 amerikanische Studenten zu einem3-Monate-Kurs in Leipzig begrüßen kön-nen. Zu erwähnen sind in diesem Zu-sammenhang auch neue oder erneuerteUniversitätspartnerschaften mit China,Russland, Japan und Ländern Südamerikasund Afrikas. Mehr als beachtlich ist unsereBeteiligung an den europäischen Aus-tauschprogrammen, liegt doch die Univer-sität Leipzig im Ranking der deutschenUniversitäten an fünfter Stelle im Hinblickauf die Anzahl der beteiligten Studieren-den. Wer hätte das vor reichlich einemJahrzehnt in der „eingemauerten“ DDR zuträumen gewagt!

Und was wurde nicht erreicht?Keine Frage, dass die Universität noch sehrviel stärker als bisher ihre wissenschaft-liche Arbeit in größeren Forschungsver-bünden zusammenfassen muss. Nach wievor bestehen Defizite – auch im Vergleichmit den anderen sächsischen Universitäten– auf dem Gebiet der Sonderforschungsbe-reiche. Sie sind nun einmal ein wichtigerAusweis für die wissenschaftliche Leis-tungsfähigkeit einer Universität. Esschmerzt mich noch immer, dass der fun-dierte und ja auch überaus positiv bewer-tete SFB-Antrag „Bioaktive Ligandenkommunikativer Proteine: Sonden zurStrukturerkennung und Funktionsanalytik“nicht durchgekommen ist und dass der un-serer Universität scheinbar auf den Leib

geschriebene „Sachsen-SFB“ nicht weiter-geführt werden konnte. Die gegenwärtigbestehenden zwei „halben“, weil gemein-sam mit Halle betriebenen Sonderfor-schungsbereiche – Wechselwirkungen zwi-schen nomadischen und sesshaften Le-bensformen sowie Protein-Zustände mitzellbiologischer und medizinischer Rele-vanz – entsprechen in keiner Weise derGröße und der Leistungsfähigkeit, aberauch nicht der Tradition unserer Univer-sität und ihrem Anspruch an sich selbst.Und dass die leistungsstarke MedizinischeFakultät bislang keinen eigenen SFB er-reicht hat, ist ebenfalls unbefriedigend. Ichhoffe, dass wir mit der Zentrenbildung,also der Einrichtung horizontaler For-schungsstrukturen ergänzend zu den verti-kalen Fakultätsstrukturen, einen Weg ein-geschlagen haben, der uns zu den anderenUniversitäten aufschließen lässt.Meine Politik in den fast sechs Jahrenwar, ich sprach schon davon, die Fächer-vielfalt als wichtiges Profil der Univer-sität zu erhalten. Denn es hat über dieJahrhunderte hinweg eine Stärke der Uni-versität Leipzig ausgemacht, einen aus-gesprochen interdisziplinären Ansatz inder wissenschaftlichen Arbeit zu verfol-gen. Wenn so viele herausragende Ge-lehrte an ihr tätig waren, die die interna-tionale Wissenschaftsentwicklung ihrerZeit maßgeblich mitbestimmt haben, undwenn die Universität Leipzig der Ort war,

wo sich – weltweit gesehen – zahl-reiche neue Wissenschaftsdisziplinenherausgebildet haben, dann auch des-halb, weil hier stets Wert darauf ge-legt wurde, das Neue an den Grenzen,also in der Grenzüberschreitung her-kömmlicher Disziplinen zu suchen. Diese große Tradition ist aber aucheine Verpflichtung für heute, und ichdenke, dass im Übergang vom bloßenNebeneinander zum intensiven Mit-einander der einzelnen Fächer nocherhebliche Reserven liegen, die es zu erschließen gilt. Die Verwirk-lichung des alten Grundgedankens derUniversität, dass durch das Zu-sammenwirken aller Fächer mehrerreicht wird als die Summe dereinzelnen Fächer ergibt, ist m. E. auch die Grundvoraussetzung dafür,dass die immer wieder – auch von mir– beschworenen Fächervielfalt auchauf Dauer gegen alle Kürzungsplänebehauptet werden kann.

Haben Sie sich manchmal ge-wünscht, um Entwicklungen beschleuni-gen zu können, der Universität nicht alsRektor, sondern als allmächtiger Präsi-dent vorzustehen, der weniger Rücksichtauf die Gremien nehmen muss?Es mag gelegentlich eine Verlockung sein,eine Universität wie ein Wirtschaftsunter-nehmen zu führen, um zu schnelleren Ent-scheidungen zu kommen. Aber zu beden-ken ist, dass die Universität mit ihrerGrundidee einer Gemeinschaft von Leh-renden und Lernenden in Leipzig fast 600Jahre besteht, während es straff geführteUnternehmen heute oft nur noch auf einLebensalter von 20, 25 Jahren bringen. DieGremien-Universität beschreitet zweifelloseinen mühsameren, aber gewiss langfristigauch erfolgreicheren Weg. Und es gehörtgerade zu den besten Erfahrungen meinerAmtszeit, wie Dekane und Studierende,Wissenschaftler und Mitarbeiter innerhalbund außerhalb der Selbstverwaltungsgre-mien unabhängig von politischen Über-zeugungen und Gruppeninteressen in kon-struktiver, stets kollegialer Weise zumWohle der Universität zusammengearbeitethaben. Ich denke, auch das macht das Leip-ziger Universitätsprofil aus und spricht fürdas alles andere als partikularistischeSelbstverständnis dieser Universität.

Im Dasein eines Rektors, ist da nochPlatz für ein unvergessliches persön-liches Erlebnis?

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Volker Bigl in seinem Büro. Foto: Gesine Leistner

Volker Bigl mit seinem Nachfolger Franz Häuser.Foto: Armin Kühne

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Die Ehrenpromotion des italienischenStaatspräsidenten Dr. Carlo AzeglioCiampi, der als erster Politiker nach der„Wende“ Ehrendoktor der UniversitätLeipzig wurde, war ein solches besonderesEreignis. Ihm einen Tag lang die Univer-sität und die Stadt Leipzig mehr als 50Jahre nach seinem Leipziger Studienauf-enthalt zeigen und dabei eine Persönlich-keit erleben zu können, der ihr hohes Amtnicht auf der Stirn geschrieben stand, zähltzu den unvergesslichen Erinnerungen.Ebenso möchte ich meine eigene Ehren-promotion an der Ohio-Universität nennen,da mir hier eine Aufgeschlossenheit undHerzlichkeit der amerikanischen Gastge-ber entgegengebracht wurden, die ja, wasdas Entscheidende ist, einen Unterpfandder für beide Seiten nützlichen Universi-tätspartnerschaft darstellen.

Herr Professor Bigl, Sie gehen zurück anIhr Institut, das Paul-Flechsig-Institutfür Hirnforschung. Was werden Sie ver-missen, was zurückgewinnen?Ich freue mich darauf, frei von den Zwän-gen eines Rektoramtes wieder meine wis-senschaftliche Neugier befriedigen zu kön-nen. Ich kann mich also wieder den Fragenzuwenden, die mich vor Jahrzehnten be-wogen haben, die akademische Laufbahneinzuschlagen. Es ist zugleich eine großeHerausforderung für mich, nach Jahren alsDekan und Rektor wieder Anschluss an dieWissenschaft zu gewinnen. Zwei Frei-semester sollen mir dabei helfen.Vermissen werde ich das „Privileg“ einesRektors, mit vielen bedeutenden Persön-lichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaftund dem öffentlichen Leben ins Gesprächzu kommen und so Einblick in neue Ent-wicklungen ganz unterschiedlicher Berei-che der Gesellschaft zu erhalten, was ichimmer als Bereicherung empfunden habe.Und nachwirken wird auch, dass ich alsRektor durch die tägliche Arbeit sehr in-tensive Kontakte und enge persönliche Be-ziehungen zu zahlreichen Mitgliedern derUniversität aufbauen konnte. Das gilt nichtzuletzt für die Vertreter der Studierenden-schaft. Deren Engagement für ihre Univer-sität und die Entwicklung der sächsischenHochschullandschaft hat mich immer wie-der beeindruckt. Wie es erfrischend war,ihre Ideen und Haltungen kennen zu ler-nen, so gewann man auch die schöne Ge-wissheit, dass eine Universität auf ihreWeise immer jung und lebendig bleibenwird – im Gegensatz zu einem selbst.

Interview: Volker Schulte

Eine Gruppe von Wissenschaftlern von derHarvard Universität in Boston, darunter derLeipziger Dr. Matthias Blüher, der jetzteine Gruppe junger Wissenschaftler imInterdisziplinären Zentrum für KlinischeForschung (IZKF) an der Universität Leip-zig leitet, hat mit sogenannten Knock-Out-Mäusen eine genetische Komponente fürÜbergewicht (Adipositas) nachgewiesen.Fehlt den Mäusen ein spezieller Insulin-Re-zeptor, bleiben sie schlank und leben län-ger, auch wenn sie genau soviel oder mehrals ihre „normalen“ Artgenossen essen. Da das Genom der Mäuse dem des Men-schen sehr ähnlich ist, Mäuse aber einenwesentlich schnelleren Lebenszyklus ha-ben, sind sie ideale Modelle für Wissen-schaftler. Analogien zum Menschen sinddennoch nicht so ohne weiteres möglich.„Es bedarf noch vieler Untersuchungen,bis das, was bei den Mäusen funktioniertauch für den Menschen bewiesen ist.“, er-klärt Dr. Blüher. „Es ist vor allem noch einweiter Weg bis zur Entwicklung von Medi-kamenten, die ganz gezielt nur im Fettge-webe den Insulin-Rezeptor ausschalten.“mUnter der Leitung von Dr. Blüher arbeitetseit Januar diesen Jahres eine Nachwuchs-gruppe im IZKF daran, die Rolle des Fett-gewebes für die Steuerung des Stoffwech-sels und der Insulinwirkung genauer zuuntersuchen, um einerseits die Grundlagefür die Entwicklung von wirksamen Medi-kamenten gegen Adipositas zu legen undandererseits der Entwicklung des soge-nannten Metabolischen Syndroms vorzu-beugen, das die Lebenserwartung wesent-lich verkürzen kann. Unter MetabolischemSyndrom verstehen die Mediziner eineReihe von Krankheiten, die unter anderemals Folge der Adipositas auftreten können.Dazu gehören Diabetes Typ II, Fettstoff-wechselstörungen, Herz- und Kreislauf-erkrankungen, Schlaganfall, Leberfunk-tionsstörungen. Das ist auch unter demBlickwinkel bedeutsam, dass man damitrechnet, dass sich die Zahl der Patienten mit

Metabolischem Syndrom in den nächstenJahren in Deutschland nahezu verdoppelnwird.m„Wir unterscheiden bei unseren Unter-suchungen zwei Fettgewebsdepots. Unsinteressiert dabei besonders das viszeraleFettgewebe.“, fährt Blüher fort. „Das istdas Fettdepot, was sich in der Bauchhöhlebefindet. Das Unterhaut- oder subkutaneFettgewebe spielt für die Ausbildung desMetabolischen Syndroms offensichtlicheine geringere Rolle.“ Besonders gefährdetsind also Dicke, die einen Bauch vor sichher tragen und weniger die, bei denen dasFett gleichmäßig über den ganzen Körperverteilt ist. „Aber,“ warnt Dr. Blüher, „Oftkommt beides zusammen.“Die Wissenschaftler rücken dem Problemmit unterschiedlichen Methoden zu Leibe.Sie prüfen am Mausmodell welche Unter-schiede es bei den verschiedenen Arten desFettgewebes gibt und welche Gene die Bil-dung welcher Art von Fettgewebe begün-stigen. Außerdem prüft man die Fettzellenoder Adipozyten hinsichtlich verschiede-ner Prozesse, die in der Zelle selbst oderzwischen den Zellen ablaufen. Die Ergeb-nisse der experimentellen Arbeiten werdendann in klinischen Studien überprüft undverglichen mit krankheitsauslösenden Fak-toren bzw. bereits aufgetretenen Erkran-kungen. So hofft man, in absehbarer Zeitganz neue Möglichkeiten der Behandlungvon Adipositas zu finden und damit dasMetabolische Syndrom zurückzudrängenoder sogar zu verhindern. Dr. Blüher weiss,wie wichtig das ist. Denn „alle bisherigenStrategien zum Gewichtsabbau verlangeneine dauerhafte Umstellung der Lebens-weise, wenn es nicht zu dem gefürchtetenJo-Jo-Effekt kommen soll. Und das gelingtden Wenigsten.“ Dr. Bärbel Adams

Weitere Informationen: Dr. Blüher,Telefon: 0341/9 71 33 01,E-Mail: [email protected]: http://www.uni-leipzig.de/~izkf/html/teilprojekt_n_03.htm

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UniVersum | Forschung

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Für immer schlank– ohne Diäten? Zentrum für Klinische Forschungnimmt Fettgewebe ins Visier

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VeterinärmedizinForschung undDienstleistungvernetzenDie Veterinärmedizinische Fakultät derUniversität Leipzig etablierte jetzt eine Ko-ordinierungsstelle für VeterinärklinischeStudien (Kovet). Damit sollen die vielfälti-gen Gutachter- und Studien-Aktivitätenihrer Kliniken und Institute vernetzt und in die Forschung eingebunden werden.Gleichzeitig präsentiert sich die Einrich-tung als Schnittstelle zwischen Universitätund Wirtschaft. Moderne klinische Studien sind durch einezunehmende Komplexität der Fragestel-lungen und durch einen hohen organisato-rischen Aufwand gekennzeichnet. Studienmüssen geplant, überwacht und dokumen-tiert werden und internationalen Standardsgenügen. Nur mit dem erforderlichenKnow How ist eine erfolgreiche Studien-durchführung garantiert. Genau das sollmit der neuen Koordinierungsstelle für ve-terinär-klinische Studien gewährleistetwerden. Auch Projekte, die an unterschied-lichen Orten realisiert werden, sind damitkein Problem mehr. „Die Veterinärmedizinische Fakultät derUniversität Leipzig, die auf eine lange Tra-dition in der klinischen Forschung und aufeine erfolgreiche Zusammenarbeit mit derpharmazeutischen Industrie verweisenkann, sieht die neue Koordinierungsstelleals Qualitätssprung in der Durchführungveterinär-klinischer Studien an“, erklärtProf. Dr. Arwid Daugschies, wissenschaft-licher Leiter der Koordinierungsstelle undDirektor des Institutes für Parasitologie.„Wir können jetzt Projekte von der Pla-nung bis zur Durchführung ‚aus einerHand‘ anbieten sowie auf eine umfang-reiche und flexible Infrastruktur vom mo-lekularbiologischen Labor bis zum Groß-tierstall zurückgreifen. Dass qualifizierteWissenschaftler mit internationaler Repu-tation und geschultes Personal zur Ver-fügung stehen, versteht sich von selbst.“Weitere Pluspunkte der Leipziger Einrich-tung sind die breite Palette der Studien-möglichkeiten auf allen Gebieten der Vete-rinärmedizin und ein direkter Zugang zuBetrieben und Einzeltieren für Feldstudien.

Dr. Bärbel Adams

http://www.kovet.uni-leipzig.de

Die Volkswagenstiftung bewilligte jetzt einForschungsprojekt, das im Rahmen desProgramms „Konstruktionen des ‚Frem-den‘ und des ‚Eigenen‘: Prozesse interkul-tureller Abgrenzung, Vermittlung undIdentitätsbildung“ gefördert wird. Konzi-piert haben es Prof. Dr. Steffi Richter(Japanologie, Ostasiatisches Institut, Uni-versität Leipzig), Prof. Michael Lackner(Lehrstuhl Sinologie, Institut für Außer-europäische Sprachen und Kulturen, Uni-versität Erlangen) und Prof. WolfgangHöpken (Direktor des Georg-Eckert-Insti-tuts für Internationale Schulbuchforschungin Braunschweig/Historisches Seminar,Universität Leipzig). Es trägt den Titel„Selbstbestimmung, Selbstbehauptung,Fremdwahrnehmung: Neufundierung vonIdentitäten und Geschichtsrevision inOstasien seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts“. Inhalte und Wege derRealisierung dieses zweieinhalbjährigenProjektes können wie folgt zusammenge-fasst werden.Der jüngste „Streit um Geschichtsschul-bücher“ in Japan und dessen Auswirkun-gen auch auf seine Nachbarländer zeigt,dass Geschichtsrevisionismus ein globalesPhänomen ist. Das o. g. Projekt soll nun aufder Grundlage nationaler und internationa-ler Kooperation untersuchen, wie durchNeuschreibung bzw. Revision von Ge-schichte Identitäten in der Region Ostasien– mit den Kernländern Japan, China, Tai-wan und Korea – neu konstruiert und his-torisch legitimiert werden: im nationalenMaßstab ebenso wie auf subnational-re-gionaler und supranationaler Ebene (z. B.„Ostasien“).Aus der Sicht deutschsprachiger area stu-dies und Asienforschung wird sich das For-schungsprojekt durch zwei methodisch-inhaltliche Neuerungen auszeichnen: Zumeinen liegt ihm ein Verständnis von Inter-

kulturalität zugrunde, das – im Unterschiedzu den bislang üblichen, kontrastiv dicho-tomisierenden Vergleichen „Westen“/Eu-ropa – „Asien“ bzw. eines der genanntenasiatischen Länder – die Interdependenzdieser Länder selbst thematisiert. Gegen-stand der Untersuchungen ist demnach daspostkoloniale Ostasien als sich im Prozessder Neuformation befindliche Raumord-nung, in der der „Westen“ als Projektions-fläche für Identifikationsprozesse in dieserRegion selbst von Interesse ist. Eine so verstandene Interkulturalität erfor-dert auch ein entsprechendes methodischesVorgehen: Die in Betracht gezogenen Ak-teure werden nicht als bereits gegebene„autonome“ Einheiten verglichen, die ein-ander „beeinflussen“, sondern als vielfäl-tige, permanent interagierende konkretekollektive Subjekte in immer konkretenKontexten untersucht, in denen sie sichauch durch historische Distinktion undDifferenzbildung identifizieren. DieseProzesse verlaufen asymmetrisch undbringen zugleich Machtverhältnisse in derRegion zum Ausdruck, die auch historio-grafisch artikuliert werden.Zum anderen ist Intermedialität ein zen-trales inhaltliches Anliegen wie auchgrundlegendes methodisches Vorgehen, fürdessen Realisierung die Kooperation mitPartnern aus den genannten ostasiatischenLändern unabdingbar ist. Das PhänomenGeschichtsrevision in Japan, China, Tai-wan und Korea wird untersucht a) im Rah-men der professionellen Geschichtsschrei-bung (historiographische Diskurse), b) imMedium Schulbuch, c) in populären Me-dien wie Film/Fernsehen, Internet, Mangaund anderen Massenprintmedien. Ein zentrales Problem wird auch hier sein,wie diese verschiedenen Diskursebenenund Medien miteinander vernetzt sind,welche Rolle im Zeitalter der medialen Re-

Forschung

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Neue Geschichte,neue IdentitätenVolkswagenstiftungfördert Projekt zurOstasien-Forschung

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volution akademische Geschichtsschrei-bung und Schulbücher spielen können undsollen, in welchem Zusammenhang ins-besondere auch neue Medien, neonationa-listische Geschichtsrevision und ihrebreite, generationsübergreifende und zu-gleich generationsspezifische Akzeptanzstehen.Herausgearbeitet werden nicht nur histori-sche Themen und Topoi, die aus je unter-schiedlicher Perspektive neu erzählt oderaber „vergessen“ werden, um die vielfälti-gen, auch konkurrierenden eigenen Iden-titäten (einschließlich der von Minder-heiten) sowie Bilder des/der Anderen ge-schichtlich zu fundamentieren. Auch Ge-meinsamkeiten und Unterschiede in denErzählstilen, Darstellungs- und Argumen-tationsweisen, in den Techniken der Popu-larisierung dieser Themen und Identitäts-bilder werden untersucht.Dem Medium Schulbuch wird dabei des-halb eine besondere Aufmerksamkeit zu-kommen, weil a) in den je verschieden kon-fuzianisch geprägten LerngesellschaftenOstasiens den darin sedimentierten schrift-gelehrten Geschichts- und ethischen Auf-fassungen bzw. Werten nach wie vor einegroße Bedeutung bei der Bildung von Per-sönlichkeiten, von loyalen Staatsbürgern,beigemessen wird; und weil b) Historio-grafie traditionell vor allem in Phasen desUmbruchs eine Folie für die Diskussionpolitischer, zeitgenössischer Themen bil-det und ihre Sedimentierung in Schul-büchern mithin heftige Auseinanderset-zungen in diesen Gesellschaften wie auchzwischen ihnen auszulösen vermag. Dasverdeutlicht der jüngste, von japanischenRevisionisten ausgelöste „Schulbuch-“und „Historikerstreit“, der – wie eingangserwähnt – auch im Hintergrund des bean-tragten Projektes steht.Zur Realisierung des Gesamtprojektes sinddrei Teilprojekte konzipiert, die ein ent-sprechend multilinguales und transdiszi-plinär arbeitendes Personal sowie Interkul-turalität auch als Forschungspraxis erfor-dern. Diesbezüglich sind daher insgesamteine ganze und zwei halbe Stellen (je anden drei teilnehmenden Instituten) veran-kert sowie Gelder für Werkverträge vorge-sehen, über die jeweils in Japan, China,Taiwan und Korea Wissenschaftler „vorOrt“ mit uns kooperieren. Die Ergebnissedes Projektes sollen Ende 2005 auf einerabschließenden internationalen Tagung inLeipzig sowie in einschlägigen Publikatio-nen präsentiert werden.

S. Richter, W. Höpken, M. Lackner

Von Veit Heller,Musikinstrumenten-Museum

Allein die fünf Streichinstrumente aus derFrühzeit des Violinenbaus sind Raritätenersten Ranges. Wie aber werden sie wohlgeklungen haben und für welche Musikwaren sie eingerichtet? Welche Stimmton-höhe und Stimmungsart haben die sächsi-schen Musiker im 16. Jahrhundert verwen-det? Das sind nur einige aus einer Fülle vonFragen, die für die Vertreter des Facheshistorische Musikinstrumentenkunde undInstrumentenbauer bei der bisherigen Be-schäftigung mit den Musikinstrumentendes Freiberger Domes (vgl. H. Heyde undP. Liersch, Jahrbuch Peters 1979) unlösbarblieben. Aber Antworten sind gesucht, ist hier docheine Instrumentenbauschule vor 1600 soumfassend und konzentriert belegt wiesonst nirgendwo in Europa. In der Baupla-nung von 1585 für die Neugestaltung imChor des Freiberger Domes, der seit 1541als Grablege der wettinischen Kurfürstendiente, wird die Ausstattung „mit allerleySeitenspiel und Instrumenten“ bereits vor-gesehen. Hoch oben auf einem Sims amGewölbeansatz ließ man musizierendeEngel Platz nehmen – himmlische Musikermit irdischen Instrumenten. In dieser abgeschiedenen Höhe haben dieMusikinstrumente ohne nennenswerte Ver-änderungen in originalem Zustand über-dauert und bergen somit ein außerordent-liches Informationspotential zum Instru-mentenbau und zur Musizierpraxis imreformatorischen Sachsen und darüberhinaus in Mitteldeutschland. Daraus er-

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Es ist ein weltweit einmaliger Fund: 30 Musikinstrumente fanden sich in derBegräbniskappelle des Freiberger Doms,die zwischen 1585 und 1594 damit aus-gestattet worden war. Bereits in den1950er Jahren wurden sie beschrieben –als gelungene Imitate, die ihre Vorbildervier Jahrhunderte überdauert hatten. In-zwischen steht aber fest: Es handelt sichum 17 Originale und 13 Attrappen. Alle-samt sind sie derart gelungen ausgeführtund unversehrt erhalten, dass sie ihrGeheimnis offenbaren: den unerhörtenKlang der Renaissance. Am Musikinstrumenten-Museum derUniversität Leipzig werden sie nun wis-senschaftlich untersucht. ProjektleiterVeit Heller spricht von einer „riesigenChance“ – und beschreibt in nebenste-hendem Beitrag, wie sie genutzt werdensoll.

Kolloquium„Die Instrumente der Freiberger Begräb-niskapelle“ vom 20. bis 23. 11. 03, Klos-ter Michaelstein

ProjektträgerInstitut für Musikinstrumentenforschung„Georg Kinsky“ e. V. am Musikinstru-menten-Museum der Universität Leip-zig; Veit Heller, Projektleiter; Dr. EszterFontana, Projektkoordinatorin

FörderungStändige Konferenz Mitteldeutsche Ba-rockmusik e. V. aus Mitteln des Beauf-tragten der Bundesregierung für Angele-genheiten der Kultur und der Medien undder Länder Sachsen, Sachsen-Anhaltund Thüringen; Ostdeutsche Sparkassen-stiftung im Freistaat Sachsen mit derSparkasse Leipzig

400 Jahre inEngelshandInstrumente aus demFreiberger Domwerden untersucht

Foto oben:Engel mit Geige, um 1597

Foto: Volker Friedemann Seumel/Musikinstrumenten-Museum

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wächst heute ihre überragende Bedeu-tung.mDie 30 Instrumente wurden alle in Sachsenhergestellt, einige tragen die Signatur derInstrumentenmacher Paul und GeorgKlemm aus Randeck nahe Freiberg.Spätestens 1594 müssen diese Instrumentefertiggestellt worden sein, denn in diesemJahr wurden die Arbeiten im Chorraumdurch den Bildhauer Giovanni Maria Nos-seni abgeschlossen. Nicht eindeutig war jedoch in der Vergan-genheit die Beurteilung, wie realistisch diezu Schauzwecken angebrachten Instru-mente wirklich gearbeitet sind. Inzwischenkann als sicher gelten: mindestens 21 Ins-trumente sind im Prinzip spielfähig ausge-arbeitet (Kleine Geige, Diskantgeige, Te-norgeige, zwei Bassgeigen verschiedenerMensur, vier Cistern, vier Lauten, dreiHarfen, drei Schalmeien, zwei GeradeZinken). Nur auf wenige Details, wiebeispielsweise das Aufbinden von Bündenaus Darmsaiten auf die Lautenhälse – eineRoutinetätigkeit jedes Lautenistens –wurde mitunter verzichtet. Aber auch dieAttrappen (zwei Posaunen, drei KrummeZinken, zwei Schellentrommeln, zwei Tri-angel) müssen von verständigen Instru-mentenmachern hergestellt sein. Allein ausihren äußeren Formen und Maßen lassensich genügend Informationen für klin-gende Nachbauten gewinnen.Noch bis zum Jahresende werden dieInstrumente am Musikinstrumenten-Mu-

seum der Universität Leipzig wissen-schaftlich untersucht und konservatorischbetreut. Dabei steht das Projekt vor einergroßen Herausforderung: Die Ergebnissewerden die Grundlage für vorerst jede wei-tere wissenschaftliche Bearbeitung bildenund Materialproben, die jetzt nicht genom-

men, und Fragen, die nicht gestellt werden,müssten möglicherweise Jahrzehnte aufeine Bearbeitung warten. Denn die Origi-nalinstrumente kehren wieder in die Händeder Engel zurück. Dieser Aufgabe stellt sich eine Arbeits-gruppe von etwa 50 Spezialisten und 20 In-stitutionen, von Museen und Hochschul-einrichtungen bis hin zu Forschungslaborsund Partnern für Prüf- und Messtechnikaus dem Industriebereich. Eine wichtigeSäule für die Projektarbeit ist dabei dieunkomplizierte Zusammenarbeit mit denInstituten für Experimentelle Physik I undDiagnostische Radiologie der UniversitätLeipzig. Im Zentrum stehen die Untersuchungen anden Instrumenten selbst. Mit dem amMuseum entwickelten 3D-Laserscannerwerden Oberflächenprofile und Umrisseerstellt. Von den Innenkonstruktionen lie-ferte die moderne Videoskopie bereitsHunderte von Aufnahmen. Diese werdenwiederum ergänzt durch das Röntgen unddie Computertomografie.Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei win-zigen Spuren, die die verwendeten Werk-zeuge hinterlassen haben. Mit ihrer Hilfelässt sich dann auch der Fertigungsprozessrekonstruieren und auf die Intention des In-strumentenmachers schließen. So beweistdie Spur eines beschädigten Hohleisensbeispielsweise die Herkunft zweier Instru-mente aus der gleichen Werkstatt. Oder ge-zielte, feine Unterschneidungen von Grif-flöchern zeigen, dass die Blasinstrumentetatsächlich gestimmt und gespielt wordensind. Alle Untersuchungsergebnisse fließen einin eine umfangreiche Dokumentation, zuder sowohl Messdaten, Fotos, Fotogram-metrien, Auswertungen von Holz-, Lack-und Metallproben gehören als auch techni-sche Zeichnungen. Auf diesem Materialbaut der zweite Abschnitt des Projektesauf: die Anfertigung exakter, spielbarerKopien der Instrumente. So werden Fragenbezüglich der Besaitung, der Stimmung,des Klanges und der Spielweise lösbar, dieallein auf teoretischer Grundlage nichtsicher zu beantworten wären. Die ersten bereits vorliegenden Nachbau-ten erfüllen, ja übertreffen sogar die Er-wartungen. Das klangliche Erleben dieserInstrumente des ausgehenden 16. Jahrhun-derts rückt damit in erwartungsvolle Nähe.Spätestens während der Zweiten Sächsi-schen Landesausstellung im kommendenJahr sind die Kopien zu sehen und zu hö-ren.

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Veit Heller präsentiert eine Cister vordem 3-D-Laser-Scanner.

Fotos: Armin Kühne

Wissenschaftliche Untersuchung der 30 Musikinstrumente aus der Begräbnis-kapelle des Freiberger Domes vom Ende des 16. Jahrhunderts: Veit Heller hateine Harfe auf dem 3-D-Laser-Scanner positioniert.

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Journalismus-erforschung inneuem Institut„Unsere demokratische Grundordnung hatdem Journalismus eine tragende Rolle zu-gewiesen“, betont Prof. Dr. Michael Haller,Inhaber des Lehrstuhls für Journalistik ander Universität Leipzig, „und deshalb stehtdie Medienwissenschaft in der Pflicht, ihrKnowhow für die Qualitätssicherung imJournalismus einzubringen.“ Diese Auf-gabe soll das zum 1. April gegründete„Institut für Praktische Journalismusfor-schung“ erfüllen. Es ist das erste Journa-lismus-Forschungsinstitut in Deutschland.Seine Träger sind die Universität Leipzigund die Medienstiftung der SparkasseLeipzig. „Vordringlich wollen wir den Zei-tungsredaktionen praktisch nutzbare Er-kenntnisse zur Verfügung stellen“, so Prof.Haller, der als wissenschaftlicher Direktordas Institut leitet. Die Gründung geht zurück auf eine Initia-tive von Prof. Haller und Stephan Seeger,dem Geschäftsführer der Medienstiftung.Die gemeinnützige Stiftung der Sparkassefördert in erster Linie die Aus- und Fort-bildung junger Menschen für die Medien-berufe. Dazu gehören die Vergabe vonLeistungsstipendien, gezielte Projektför-derungen und die Organisation von Veran-staltungen zur politischen Bildung. Sie ver-gibt auch den „Preis für die Freiheit undZukunft der Medien“. Mit der Instituts-gründung unterstützt die Stiftung jetzt auchdie wissenschaftliche Forschung. „Geradeheute, in der Zeit der Medienkrise, ist Qua-litätsforschung für den Journalismus be-sonders wichtig“, begründet Seeger dasEngagement, „und dies meinen wir auch injournalismusethischer Hinsicht.“Dank einer Anschubfinanzierung durch dieStiftung und durch die Sparkassenversi-cherung Sachsen startet das Institut miteinem Forschungsprojekt zur Stärkung desQualitätsmanagements in Redaktionen. ImHerbst wird eine Online-Lehrredaktion inBetrieb genommen. Sie dient der Untersu-chung von multi- und crossmedialen Pro-duktionen und wird auch der Journalistikder Universität Leipzig für Ausbildungs-zwecke zur Verfügung stehen. Die neue Einrichtung ist in der „Villa Ida“,Menckestraße 27, untergebracht und be-schäftigt neben wissenschaftlichen Mitar-beitern vor allem Doktoranden der Journa-listik im Rahmen der Stipendienvergabe.

Wie machen wir Chemiker der breitenÖffentlichkeit, insbesondere Kindern undJugendlichen, klar, dass unser Fach mehrist, als das, was das altbekannte Sprichwortsagt: „Chemie ist das, was knallt undstinkt“? Wie stellen wir Chemie als mo-derne Naturwissenschaft dar, die die es-sentiellen Grundlagen für das täglicheLeben bildet und außerdem noch Spaßmacht? Aktivitäten dazu gibt es in derLeipziger Chemie viele: Vom „Tag deroffenen Tür“, über die legendären „Weih-nachtsvorlesungen“ bis hin zu Schüler-Schnupperkursen. Trotzdem sind Chemi-ker dieses Jahr besonders aufgerufen, zuzeigen, was sie eigentlich tun. 2003 wurdevom Bundesministerium für Bildung undForschung zum „Jahr der Chemie“ erklärt.Grund genug für das Leipziger JungChe-mikerForum (JCF) der Gesellschaft Deut-scher Chemiker (GDCh), Studenten undDoktoranden der Fakultät Chemie, diesesThema auf ungewöhnliche Weise anzuge-hen.

Fotowettbewerb gestartet

Unsere Idee: ein Mitmachfotowettbewerb:Aber, was haben Chemie und Fotografieheute noch gemeinsam? Im digitalen Zeit-alter werden Filme nicht mehr in Dunkel-kammern mit alchimistisch anmutendenLösungen entwickelt. Der spannende Mo-ment des Belichtens und Fixierens, bei demsich langsam die Umrisse des Bildes zei-gen, entfällt. Heute wird dieses Erlebnis

unspektakulär durch das Warten auf dasDigitalbild – je nach Leistungsfähigkeitder Elektronik – ersetzt. Schade eigentlich!Dass heutzutage bei der Herstellung desSiliziumchips mindestens genauso vielChemie dabei ist, sieht man nicht!Um den Blick für die „Chemie im Alltag“zu schärfen, hat das JCF in Zusammen-arbeit mit dem Regionalschulamt und der„Leipziger Volkszeitung“ im Februar denFotowettstreit gestartet. Zielgruppe sind

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Über den Versuch, Chemie für Laien erlebbar zu machenVon Sebastian Fritzsche, JungChemikerForum Leipzig

Chemieim Alltag

Wettbewerbsfotos von Martina Reinel(oben, ohne Titel) und Jennifer Salzer(unten, „Salzkristalle auf Salzstange“).

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insbesondere Schülerinnen und Schüler.Der Wettbewerb soll zeigen, wie Chemieuns alle auf Schritt und Tritt begleitet, aberdas Thema auch kritisch beleuchten. AlsPreise gibt es u. a. einen Erlebnistag ineinem modernen Labor, eine Digitalka-mera, Chemie-Experimentierkästen, Bü-cher und ein Zeitschriftenabo zu gewinnen.Einsendungen mit maximal drei Fotos(max. 13 × 24 cm) können noch bis zum31. Mai ans JCF Leipzig gesandt werden.

Blitzeis zum Essen

Zweiter Versuch – mit viel Gefühl: Dieoffizielle Wanderausstellung „Der Kuss –Chemie und Magie“ zum „Jahr der Che-mie“ war im März zu Gast auf der „Leip-ziger Buchmesse“. Dieser Teil einer Trilo-gie zu den Themen Ernährung, Körper und

Gesundheit wollte den Laien mit Fragenkonfrontieren, die jeden alltäglich betref-fen: „Was passiert beim Küssen?“ „Warummacht Schokolade glücklich?“ und „Wieist das eigentlich mit Acrylamid?“. Um die Themen auf den Ausstellungstafelnzu veranschaulichen, haben Studenten undDoktoranden des JCF und der FachschaftChemie die Ausstellung auch praktisch er-lebbar gemacht. So gab es „Erbsubstanzaus der Tomate“, bei dem DNA mit Spül-mittel und Kochsalz aus Tomaten extrahiertwurde, und „Eis aus Joghurt und flüssigemStickstoff“. Mit über 1300 Gratisportionenvon selbstgemachtem „Blitzeis“ und ca.15 000 Besuchern war die Ausstellung lautUmfrage des MDR bei Schülern der be-liebteste Stand auf der Messe.

Rein in die Schulen

Dritte Idee – bereits inder Schule zeigen,was moderne Chemiekann: Das JCF will abMitte des Jahres inLeipziger Schulengehen und in Zu-sammenarbeit mitLehrern in einer Un-terrichtsstunde zei-gen, wie ein modernesChemiestudium heuteaussieht: Materialienund Wirkstoffe be-rechnet am Computer,Chemiestudium imInternet, Roboter syn-thetisieren im Labor.

Neben Multimediavorführungen von derCD-ROM, die vom JCF extra für das Jahrder Chemie entwickelt wurde, Tipps zumStudium und Chemieprogrammen, gibt esnatürlich Experimente – dass es „knallt undstinkt“. Wäre auch schade, wenn’s malnicht mehr so wäre – oder?

Weitere Veranstaltungen des JCF:17. Mai: erste Fotos des Fotowettbewerbsauf dem „Campus 2003“ im Chemie-Zelt,Grimmaische Str.26. Juni: „2. Mitteldeutsche Jobbörse“ fürNaturwissenschaftler im Neubau Chemie

Weitere Infos:JungChemikerForum Leipzig,Johannisallee 29, 04103 LeipzigHomepage: www.uni-leipzig.de/~jcfE-Mail: [email protected].: 0341-97-36121 (Sebastian Fritzsche)

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Ausschnitt aus dem Wettbewerbsfoto (ohne Titel) der Schüler der AG „Faszi-nierende Experimente“ des Rudolf-Hildebrand-Gymnasiums Markkleeberg.

Wettbewerbsfoto TitelbildDas Journal-Titelbild von Jennifer Sal-zer zeigt Kristalle aus Weinstein, die aufeinem Weinkorken gewachsen sind.Weinstein, das Monokaliumsalz derWeinsäure KHC4H4O6, ist Bestandteildes Saftes von Weintrauben. Der farbloseFeststoff scheidet sich bei längerer La-gerung von Wein in Form von rhombi-schen Kristallen ab. Je nach Farbe desWeines können die Kristalle durch ein-geschlossene Farbstoffe gelblich oderrötlich verfärbt sein. Die Verbindungwird auch im Gemisch mit Kalium-hydrogencarbonat als Backpulver ver-wendet und kommt als Beize in der Fär-berei zur Anwendung.

Karikatur: Weiss

Jungchemiker bei der Herstellung von„Blitzeis“. Foto: Media Consulta

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Kann ein Gegenstand in Kontakt mit Was-ser sein und dennoch trocken bleiben? Ja,das geschieht sogar häufig. Manchmalkann das sehr ärgerlich sein: Sie wolleneinen fettigen Fleck aus dem Mantel be-seitigen, sind aber unterwegs und habennur normales Wasser zur Verfügung. Siestellen fest, dass der Fleck unverändertbleibt. Dies liegt dann daran, dass Fett beiKontakt mit Wasser trocken bleibt, es „be-netzt“ nicht. „Benetzen“ ist die wissen-schaftliche Bezeichnung für „nass wer-den“. Es gibt aber auch Fälle, wo dieser Effektwillkommen ist: Regenabweisende Klei-dung, die gleich-zeitig – wie dieWerbung ver-spricht – atmungs-aktiv ist. In dieserKleidung schwitztman nicht so leicht, weil Dampf nach au-ßen entweichen kann, obwohl Wasser vonaußen nicht eindringen kann. Wie kann dasfunktionieren, wo doch der Wasserdampfaus denselben Molekülen besteht wie dieRegentropfen? Regentropfen bestehen aus sehr vielenH2O-Molekülen, ein typischer Tropfen ent-hält etwa 1020 Wassermoleküle. Bei einemsolchen Tropfen ist ganz klar, was dazu ge-hört und was draußen ist. Und zwischendrinnen und draußen liegt die Grenzfläche!Sie besteht zwar aus denselben Molekülenwie der Tropfen, aber die Grenzfläche hates in sich. Nur deshalb, weil die Molekülean der Grenzfläche nicht von allen Seitenvon anderen Wassermolekülen umgebensind, entwickeln sie besondere Eigenschaf-ten. Eine dieser Eigenschaften besteht inder Oberflächenspannung, die den Tropfenzusammenhält und verhindert, dass er ein-fach auseinander fließt. Die Oberflächen-spannung ist natürlich auch bei einer gro-ßen Wasserfläche vorhanden.

Die Oberflächenspannung

Es gibt sogar Lebewesen, denen die Ober-flächenspannung des Wassers einen beson-deren Lebensraum ermöglicht. Wasserläu-fer leben an der Oberfläche von meist still-stehenden Gewässern. Sie nutzen dabei dieOberflächenspannung des Wassers aus. Siekönnen in Ruhe stehen (sie müssen nicht„Wassertreten“) oder langsam gleiten wieein Schlittschuhläufer, aber sie könnenauch ruckartige Bewegungen mit Be-schleunigungen bis zu zehnfacher Erdbe-schleunigung vollführen. Sie orten einan-der anhand der Wellen, die sie beim Lau-

fen erzeugen. Mitder gleichen Me-thode lokalisierensie auch andereGegenstände in ih-rer Umgebung,

z. B. Beute. Die Wasseroberfläche bildeteine Vertiefung, wo die Füße der Wasser-läufers aufliegen, was im Bild aufgrund derLichtbrechung gut zu sehen ist.mDer Physiker kann mithilfe des Kräfte-parallelogramms leicht erklären, warumdie Verbiegung der Oberfläche zu einerKraft führt, die den Wasserläufer trägt. DerChemiker kann dagegen die Frage beant-worten, warum die dünnen Beine die Was-serfläche nicht einfach durchstoßen. Diesliegt an der Belegung der Füße mit soge-nannten hydrophoben Molekülen. Hierhaben wir erneut das Phänomen, dassmanche Gegenstände eben nicht nass (oderetwas wissenschaftlicher: nicht benetzt)werden.

Nicht nass werdendeFlüssigkeitenInteressant (und von enormer technischerBedeutung) ist es auch, dass es sogar Flüs-sigkeiten gibt, die von Wasser nicht benetzt

werden (also nicht nass werden können!).Der Versuch, Öl und Wasser zu vermi-schen, schlägt fehl. Die beiden Flüssigkei-ten trennen sich, sobald man aufhört, sie zurühren oder zu schütteln. Auf molekularerEbene kann man auch mit den besten me-chanischen Mitteln eine Mischung der bei-den Komponenten nicht erzwingen. Genau diese Situation wird aber technischgenutzt: Zwei Flüssigkeiten sind in Kon-takt, ihre Kontakt- oder Grenzfläche kanndurch Rühren sogar beliebig vergrößertwerden, sie vermischen sich aber dennochnicht und können leicht wieder voneinan-der getrennt werden. Einsatzgebiete sindz. B. die Extraktion oder die Phasentrans-ferkatalyse. Die Phasentransferkatalyse hat ihren Na-men von den beiden unmischbaren Flüs-sigkeiten, die als unterschiedliche Phasenbezeichnet werden. Hier kann man z. B. dieerzeugten Stoffe leicht von den Ausgangs-stoffen trennen, wenn sie in unterschied-lichen Phasen löslich sind. Oder man kannStoffe, die sich nicht im selben Lösungs-mittel lösen, dennoch an der Grenzflächezwischen den Phasen zur Reaktion brin-gen.Dazu bedarf es dann allerdings besondererHilfsstoffe, sog. Phasentransferkatalysato-ren, die die Stoffe gewissermaßen als Taxian die Grenzfläche transportieren, dortchemisch reagieren lassen und anschlie-ßend wieder freilassen. All dies geschiehtnicht durch Steuerung von außen, sondernallein durch die Besonderheiten des Ver-haltens von Molekülen an Grenzflächen.Eine wichtige Aufgabe der PhysikalischenChemie besteht in der Aufklärung des Ver-haltens von Molekülen an den Grenz-flächen von Flüssigkeiten.

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Mischen impossibleEin Beitrag über faszinierende GrenzflächenVon Prof. Dr. Harald Morgner und Prof. Dr. Rüdiger Szargan, Wilhelm-Ostwald-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie

Wasserläufer

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Bei uns entwickelte moderne Technikenerlauben aber auch die direkte Messung der Stoffverteilung an der Grenzfläche:Schnelle Helium-Ionen werden verwendet,um die Anreicherung von positiven undnegativen Ionen unmittelbar sichtbar zumachen.Auch die Grenzflächen von Feststoffenspielen für unser tägliches Leben eine be-deutende Rolle. Zwar lenkt unser täglicherUmgang mit den Erzeugnissen der chemi-schen Industrie und der Hochtechnologienur gelegentlich den Blick auf die rätsel-haften Erscheinungen, die an den Grenz-flächen von multifunktionalen Schicht-anordnungen aus anorganischem und orga-nischem Material beobachtet werdenkönnen. Sie sind aber von besondererWichtigkeit, wenn ein Material in mindes-tens einer Raumrichtung nur geringeGröße hat. Eine solche „reduzierten Dimensionalität“gibt es bei Filmen, Drähten oder Clustern.Ihre Ausdehnung entspricht oft nur weni-gen Atomdurchmessern. Solche „Nano-strukturen“ sind mit dem bekannten Licht-mikroskop nicht sichtbar und bestehen aus-schließlich oder überwiegend aus Grenz-flächen. Sie verleihen dem Objekt, mit demsie verbunden sind, unerwartete optoelek-tronische und magnetische Eigenschaften.Darüber hinaus führt die Bewegungsein-schränkung der Elektronen in solchen Na-nostrukturen zu Quanteneffekten, die neu-artige Perspektiven für die Entwicklungvon elektronischen Bauelementen eröff-nen.

Pyramiden in geordneten Reihen

Regelmäßig angeordnete Kristallite eineshalbleitenden Materials, die mit einer Kan-tenlänge von weniger als 0,1 Mikrometernin diesen Bereich der Nanostrukturen ge-hören, können u. a. aus der Gasphase aufeinem Substrat abgeschieden werden. Ver-wendet man dabei Materialien, mit ver-schiedenen Atomabständen im Kristallgit-ter, so kann sich wegen der auftretendenVerspannung z. B. auf einer Indiumphos-phid-Oberfläche keine glatte Bleisulfid-schicht bilden. Es wachsen stattdessenPyramiden von PbS-Kristalliten in geord-neten Reihen mit einer an die Gitterstruk-tur des Substrats angepassten Grundfläche,die mit Hilfe eines sogenannten Raster-kraftmikroskopes (AFM) wie oben gezeigtabgebildet werden können. Solche Anord-

nungen können für die elektronische Bild-darstellung und Informationsaufzeichnungverwendet werden, wenn ihre chemischensowie opto- oder magnetoelektronischenEigenschaften das zulassen. Fragen und Aufgabenstellungen hierzukönnen sehr wirksam mit Hilfe von Rönt-genstrahlen bearbeitet und gegebenenfallsbeantwortet werden. Das gilt insbesonderedann, wenn die Röntgensonde einer Syn-chrotronspeicherringanlage neuester Bau-art wie BESSY II in Berlin-Adlershof mitsehr hohem Photonenfluss, mit einstell-barer Photonenenergie und hohem Polari-sationsgrad eingesetzt wird. Röntgenstrahlen dringen in das unter-suchte Material ein und lösen elektronischeAnregungen aus, die spektroskopisch stu-diert werden können. Ein Spektrum vonPhotoelektronen, deren kinetische Energieüber Art und chemischen Zustand derAtome Auskunft gibt, lässt z. B. erkennen,wie sich auf einer frisch gespaltenen Probean der Luft in weniger als einer SekundeSauerstoffverbindungen bilden.Das Spektrum des Minerals Arsenopyrit(rechte Spalte) zeigt, dass die fortschrei-tende Reaktion nach einigen Stunden einenOxidfilm hervorbringt, der die im rechtenTeil der Abbildung auftretenden Sulfidsig-nale des Minerals unterdrückt, obwohl ernur wenige Nanometer dick ist. Mit Hilfeeiner mathematischen Datenanalyse er-kennt man Elementarschritte und Gesetz-mäßigkeiten der Mineraloxidation, die beider Optimierung der Erzaufbereitung, beider Stabilisierung elektronischer Bauele-mente auf Sulfidbasis und bei der nachhal-tigen Entsorgung umweltschädlicher Re-aktionsprodukte beachtet und gesteuertwerden müssen. Die Röntgensonde lässt sich in ähnlicherWeise für die Aufklärung des chemischen

Zustands von Molekülen in Adsorbatenverwenden. Nicht nur die chemische Bin-dung einzelner Atome auf der Sulfidober-fläche, sondern auch die Orientierung desMoleküls im Raum über der Kristallober-fläche kann man bestimmen, wenn dieOrientierungsabhängigkeit der elektroni-schen Anregung in der Polarisationsebenedes Röntgenstrahls studiert wird.Mit der spektroskopisch genutzten Rönt-gensonde des Synchrotronstrahls lassensich nicht nur dünnste Filme bis hin zueiner einzigen Atomlage, sondern auch Na-nostrukturen lateral bzw. „mikroskopisch“aufgelöst studieren und abbilden. Auchunter die Haut eines Schichtstapels vonmehreren Atomlagen kann man schauen,wenn die Röntgenfluoreszenz des Mate-rials studiert wird.

Interdisziplinäre analytische und präpara-tive Arbeiten auf dem Gebiet der physika-lischen Chemie sind erforderlich, um dasvielfältig nutzbare Potential von Grenz-flächenphänomenen z. B. für die chemi-sche Katalyse zu erschließen. Darüber hin-aus sind solche Untersuchungen Voraus-setzung für die Entwicklung neuer Mate-rialien für elektronische Bauelemente wieSolarzellen und gedruckte integrierteSchaltkreise bis hin zu Verbindungen zwi-schen Mikroelektronik und Biotechnologiein ausgedehnten neuroelektronischen Sys-temen.

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Kristallite

Das Spektrum des Minerals Arsenopyrit

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Chemische Reaktionen finden zumeist inLösung statt. Daher ist es zunächst wich-tig, die Strukturen gelöster Stoffe zu ken-nen. Die zentrale Strukturmethode derChemie für gelöste Stoffe ist die Kernreso-nanzspektroskopie (NMR), mit der manden Feinbau von Molekülen in Lösung sehrgenau untersuchen kann. Die methodischeEntwicklung auf diesem Sektor ist zwarnoch nicht zu Ende gekommen, hat aber in-zwischen einen sehr hohen technischenStand erreicht. Je nach Problemlage gibt esausgearbeitete Protokolle, nach denen einbestimmtes Strukturproblem gelöst wer-den kann.Am Institut für Analytische Chemie derUniversität Leipzig beschäftigen wir unsdaher mit einer weiterführenden Fragestel-lung. Nicht mehr nur die Struktur gelösterMoleküle, sondern ihre Interaktion mitsich selbst, mit anderen gelösten Molekü-len oder mit dem Lösungsmittel steht imMittelpunkt einer unsrer Forschungsrich-tungen. Der Grund hierfür ist einfach: Jenach Umgebung können Moleküle ihreKonformation ändern und dadurch andereEigenschaften betonen. Ein kleines Peptidzum Beispiel wird sich in wässriger Lö-sung anders verhalten als in einer Zell-membran, weil diese beiden Medien völligandere Eigenschaften zur Solvatation des„gelösten“ Peptids besitzen können.

Möglichkeiten der Spektroskopie

Die NMR-Spektroskopie bietet nun meh-rere Möglichkeiten nach solchen Interak-tionen zwischen gelöstem Stoff und seinerUmgebung, also etwa dem Lösungsmitteloder anderen chemischen Verbindungen zusuchen. Zwei dieser Methoden sollen kurzumrissen werden. Die erste nennt sich Kern-Overhauser-Spektroskopie und beruht darauf, dass ver-

schiedene Kernspins voneinander wissenkönnen, obwohl die zugehörigen Atomekeine chemische Bindung miteinander ein-gehen. Dieses gegenseitige Erkennen vonKernspins gehorcht einem r6-Gesetz, wo-bei r den Abstand zwischen zwei Kernspinsdarstellt. Dies bedeutet, dass das Verfahrenvor allem in der Nahordnung wirksam ist.Es ist für den intramolekularen Fall schonlange erprobt, für intermolekulare Verhält-nisse bedarf es noch eingehender weiterermethodischer Entwicklung, um Fehlinfor-mationen auszuschließen. Ein kleines Beispiel soll diesen Ansatz zei-gen. In der Abbildung 1 ist die chemischeStruktur von Adenosin gezeigt, einem Bau-stein des Genoms, umgeben von einigenWassermolekülen.

Abbildung 2 zeigt ein Kern-Overhauser-Spektrum dieser Verbindung in seinerWechselwirkung mit den Wassermolekü-len, und zwar nur für die beiden Wasser-stoffatome H-2 und H-8. Man erkennt so-fort, dass in Übereinstimmung mit derStruktur das Wasser einen besseren Zugriffauf H-8 hat als auf H-2.Ein zweiter Ansatz wird bei uns mit derMessung von Diffusionskonstanten ver-folgt. Moleküle bewegen sich in Lösungmit einer bestimmten mittleren Geschwin-digkeit, die nach dem Stokes-Einstein-Ge-setz von ihrer molekularen Masse, derTemperatur und der Viskosität des Lö-sungsmittels abhängt. Findet nun ein Mo-lekül in Lösung einen anderen Partner, mitdem es, wie der Chemiker sagt, komple-xiert, so vergrößert sich die Masse der sichbewegenden Einheit und damit ändert sichentsprechend die Diffusionskonstante. Mitdiesem Verfahren kann man daher auchschwachen molekukaren Assoziationennachspüren.Als Beispiel sind in Abbildung 3 die Struk-turen der drei kleinen organischen Mole-küle Phenol 1, Cyclohexanol 2 und Dime-thylsulfoxid (DM-SO) 3 gezeigt. Phenol istwesentlich saurer als Cyclohexanol, Dime-thylsulfoxid wirkt als Wasserstoffbrücken-akzeptor und bindet damit Moleküle, dieleicht Protonen abgeben.

In den beiden auf der folgenden Seite ab-gebildeten Diffussionsspektren a und b(Abb. 4) ist das Bewegungsverhalten vonPhenol und Cyclohexanol zunächst ohne

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Was fühlen Molekülein Lösung?Forschung über gelöste StoffeVon Stefan Berger, Institut für Analytische Chemie

Abbildung 1

Abbildung 2

Abbildung 3

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DMSO und dann in Gegenwart dieses Ak-zeptors gezeigt. Die Signale des Phenolsim linken Teil der Spektren sind durch dieBindung zum DMSO in ihrer Positiondeutlich verschoben worden, d. h. derNachweis einer Komplexierung in Lösungist erbracht.

Die Methode der Kernresonanz ist das we-sentliche Werkzeug am Lehrstuhl Struk-turanalytik, sie ist aufwendig und teuer. Mitkaum einer anderen Methode lässt sichjedoch so detailliert das Verhalten von Mo-lekülen betrachten, wie an diesen beidenBeispielen demonstriert. Das Foto zeigtden Magneten unseres neuen 700 MHz-NMR Spektrometers.

promovierte 1995 an der Fakultät für Chemie und Mi-neralogie in Leipzig mit einer Dissertation über Rönt-genspektroskopie mit Synchrotronstrahlung. Seit 1997ist er als Wissenschaftler am radiochemischen Mess-platz der Rossendorf Beamline (ROBL) an der Euro-pean Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Greno-ble tätig. Der Experimentierplatz ROBL wurde vomForschungszentrum Rossendorf aufgebaut. Er umfasstzwei Experimentierstationen: einen Messplatz für Rönt-genabsorptionsspektroskopie und einen Messplatz fürRöntgendiffraktion.Der Röntgenabsorptionsmessplatz ist entsprechendinternationaler Vereinbarungen als radiochemischesLabor ausgelegt. Hintergrund für den Aufbau diesesExperimentierplatzes sind Umweltprobleme mit derHinterlassenschaft des Uranerzbergbaus (1946–1989)in Sachsen und Thüringen. In dieser Zeit wurden231000 t Uran gefördert. Der Bergbau hinterließ ca.5 · 108 t Gestein auf zahlreichen Halden, ca. 1500 kmuntertägige Bergbaustollen sowie Absatzbecken derAufbereitungsanlagen. Das Institut für Radiochemie im ForschungszentrumRossendorf untersucht die Wechselwirkung von Radio-nukliden mit dem Grundwasser, mit Mikroorganismen,Böden und Pflanzen. Die Röntgenabsorptionsspektro-skopie ist eine hervorragende Methode zur element-selektiven Strukturanalyse von Radionuklidkomplex-verbindungen. Bei ROBL können Proben bis zu einerAktivität von 185 MBq untersucht werden, was diesenExperimentierplatz weltweit einmalig macht. ROBLwird zunehmend von vielen internationalen Forschungs-gruppen genutzt.

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Abbildung 4

ErfahrungenLeipziger Chemie-AbsolventenAm Experimentierplatz:Dr. Christoph Hennig

1991 begann ich mein Chemie-Studium an der Univer-sität Leipzig mit dem Schwerpunktfach Analytik. Be-geistert von der Chromatographie begann ich 1995 beiProf. Dr. W. Engewald im Arbeitskreis Chromatogra-phie meine Diplomarbeit über die chromatographischeTrennung aquatischer Huminsäuren anzufertigen. ImRahmen des Graduiertenkollegs „Physikalische Chemieder Grenzflächen“ blieb ich bis 2000 in der gleichen Ar-beitsgruppe und arbeitete an meiner Dissertation über

In der Klinik: Dr. Uta Ceglarek

Foto: Institut für Analytische Chemie

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die Spurenanalytik polarer Wasserinhaltsstoffe. Wäh-rend dieser Zeit hatte ich die Möglichkeit, mit derhochmodernen Technik der Flüssigchromatographie-Massenspektrometrie (LC-MS) zu arbeiten und wert-volle Spezialkenntnisse zu erwerben, die bei meinerjetzigen beruflichen Tätigkeit äußerst hilfreich sind. Indieser Zeit hatte ich außerdem die Möglichkeit, an derFakultät für Medizin das Postgradualstudium für Toxi-kologie und Umweltschutz zu absolvieren.2000 wurde ich wissenschaftliche Mitarbeiterin an derUniversitätsklinik und Poliklinik für Kinder und Ju-gendliche und beschäftigte mich mit der Etablierung derLC-MS für das Neugeborenenscreening. Seit 2002 binich am Institut für Laboratoriumsmedizin, KlinischeChemie und Molekulare Diagnostik am Universitätskli-nikum Leipzig für den Bereich Massenspektrometrieverantwortlich. Zusammenfassend ein großes Lob für die AnalytischeChemie an der Fakultät für Chemie in Leipzig für diesolide Grundlagenausbildung sowie die guten For-schungsbedingungen.

ZahnumZahnPaläontologenvollendenGrabungs-ProjektHunderte auf der Halbinsel Krim ausge-grabene Hai-Zähne werden derzeit in dergeologisch-paläontologischen Sammlungder Fakultät für Physik und Geowissen-schaften der Universität Leipzig unter-sucht. Die rund 45–50 Millionen Jahrealten Überbleibsel der damaligen Faunawerden Stück für Stück präpariert undfotografiert. Ziel dieser aufwändigen, baldvollendeten Arbeit ist es zunächst, die Er-gebnisse zu publizieren. Das wertvolleMaterial wird dann sowohl die Sammlungin Leipzig, als auch die der UniversitätLugansk bereichern. Prof. Dr. Arnold Müller, Kustos der Leip-ziger Sammlung, und der Urkainische Pa-läontologe Nikolaj Sergejewitch Udovi-chenko von der Universität Lugansk sinddie Betreuer dieses aus Drittmitteln finan-zierten Projektes. Udovichenko hatte mitden Grabungen bereits angefangen, bevordurch einen Doktoranden der Kontakt zwi-schen ihm und der Universität Leipzig ge-knüpft worden war. In den vergangenenzwei Jahren hat auch Müller regelmäßigmit auf der Krim gegraben. „Durch die Ver-änderung der politischen Verhältnisse inEuropa sind uns für unsere Forschungenganz neue Regionen zugänglich gewor-den“, freut sich Müller. Nach Leipzigkamen die Fundstücke, weil an der Uni-versität die optimale Ausstattung zur Do-kumentation verfügbar ist.Angelaufen sind jetzt weitere internatio-nale Grabungen, so unter anderem „Ter-tiäre Faunen aus Osteuropa“, das die Re-gion von Südrussland bis Kasachstan insAuge fasst, sowie „Tertiäre Faunen aus denUSA“. Marlis Heinz

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Die Faszination „Chemie“ entdeckte ich mit 12. Eininteressanter Unterricht, Experimente und Förderclubsweckten den Hunger nach mehr: ein Studium diesesFachs. Als ich 1990 damit in Leipzig begann, war vielesim Umbruch, doch meine Begeisterung blieb. Stoffe ge-zielt zu wandeln, so wurde mir hier vermittelt, das ist einspannender Mix aus Wissenschaft, Handwerk und Krea-tivität. Den guten Ruf der Leipziger Chemie fand ich be-stätigt: kein Massenbetrieb, sehr gute Lehrer, ein schöp-ferisches Klima. Bald fand ich mit der Koordinations-chemie bei Professor Beyer, dem ich viel verdanke, einmich interessierendes Grenzgebiet zwischen organi-scher Synthese, Anorganik und analytischer Chemie.Also Generalist statt Spezialist. Das schien mir auchsinnvoll für den Beruf. Überhaupt – der Beruf: was fürOptionen? (Groß)industrie oder Uni-Laufbahn – undsonst, dazwischen – nichts? Ich wollte Praxis und Selbst-bestimmung. Chemiker sind gute Unternehmensberater:Entscheidungen im Ungewissen, Querdenken, Aus-dauer. Unternehmen beraten? Warum nicht gründen? Zunächst die Promotion in Leipzig: Chemie des Ferro-cens, dazu etwas BWL in Hagen. 6 Monate Kapstadt:Platinchemie. 1999 war es soweit: Gemeinsam mit zweiKommilitonen, Volkmar Wendisch und Frank Leßmann,wurde die ChiroBlock GmbH/Wolfen gegründet. Mitheute 7 Mitarbeitern entwickeln wir seitdem Synthese-wege, verkaufen Spezialreagenzien und Dienstleistun-gen. Ein schwieriger Weg, aber sehr erfüllend. Die fach-liche Basis verdanken wir Leipzig. Nur etwas mehrOffenheit, auch Chemiestudenten auf die Selbständig-keit vorzubereiten, statt nur auf post-doc-Aufenthalteoder die Verfassung von Bewerbungsunterlagen, bliebevielleicht zu wünschen.

In der Selbständigkeit:Dr. Oliver Seidelmann

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„Think global, act local“ beherrscht nichtnur die Wirtschaft, sondern ist lange schonein Erfolgsrezept der Wissenschaft. Niezuvor waren Datenverbreitung und ent-sprechende Zugriffsmöglichkeiten besserund schneller zu realisieren. Dennoch sindfür nicht-virtuelles Forschen und Lehre so-wie für das Erlernen von soziokulturellerKompetenz die lokale und unmittelbareInteraktion sowie kurze Wege entschei-dend. Grundlage hierfür sind Diversifizie-rung, Wechselwirkungen, gewachsene In-frastrukturen und Vernetzungen wie auchdie Überschreitung der kritischen Masseder einzelnen Fächer. Unter dem so ver-standenen Motto „Beware history and de-velop future“ können sich Universitäten alsinnovative Kontrollinstanz mit Traditions-bewusstsein profilieren und bildungspoli-tisch agieren. Hierbei ist gerade in Mittel-europa, das nur begrenzt über Rohstoffeverfügt, Humankapital gefragt, das Aus-bildung und Bildung, Forschung undWissenschaft in Wechselwirkung mit öko-nomischen Bedürfnissen und sozialen Be-dingungen konzipiert. Dies schließt Elfen-beintürme an Universitäten ebenso aus wiebürokratische Dekretierungen oder platteKosten-Nutzen-Rechnungen.

Schieflagen derAlimentierung

Die zunehmende Mitteleinschränkung hatSchieflagen der gesellschaftlichen Alimen-tierung der Universitäten und ihrer Leis-tungsfähigkeit in Lehre und Forschung zurFolge und wirft Fragen zur Grundfinan-zierung, zum Profil und zu Standortfragenauf. Die dabei zunehmende Konkurrenzhat zwar zu einer Öffnung der Universitä-ten und damit zur Außendarstellung undVermarktung geführt, produziert aber auchdie Kehrseite der Beurteilungsverzerrungeinzelner Fächer. So gelangen z. B. Fächergeringerer Personalausstattung und weni-ger Stundenten schneller an ihre kritische

Masse als personalstarke Bereiche. Aberauch Massenfächer stoßen an ihre Gren-zen, da ihre extreme Lehrbelastung dieZeiträume für die Forschung reduziert. Hierbei laufen die Universitäten Gefahr,gespalten zu werden und den Minderhei-tenschutz sowie die Fächervielfalt aufzu-heben. Es stellen sich somit Fragen nachder zukünftigen Struktur der Universitätenoder besser Volluniversitäten, die nurmittels offener Diskussionen und rationa-ler Kriterien beantwortbar sind. Als Nagelprobe hierfür könnten „kleine“Fächer wie die Mineralogie herangezogenwerden, die, weil überlebensnotwendig, inder Forschung flexibel und interdisziplinärsind und klare Profile und Infrastrukturenzeigen sowie in der Lehre bewusste Stu-dienentscheidung, wenige Studienabbre-cher sowie sehr gute Berufschancen auf-weisen. Zudem betreuen kleine Fächer wie

die Mineralogie Sammlungen und leistendamit auch historische und öffentlicheAufgaben der Gesamtuniversität.

Probleme virulent

Allerdings sind in Leipzig trotz solcherQualitäten, die sich u.a. in der Lehrevalua-tion der Leipziger Mineralogie 2001 zeig-ten, Probleme virulent, da die Geowissen-schaften strukturell aufgespalten sind. DieZugehörigkeiten der Mineralogie zur Fa-kultät für Chemie und Mineralogie und derGeologie und Geophysik zur Fakultät fürPhysik und Geowissenschaften sind Folgevon Entscheidungen nach der Wende. Zwischen kleinen und großen Fächern be-stehen durchaus objektive Unterschiede,die die großen Fächer begünstigen: Siesind meist Schulfächer, sie befriedigen,wenn auch eher zyklisch, ökonomischeBedarfe, die ggf. durch die Industrielobby(Chemie, life sciences etc.) Nachdruck er-halten. Zudem gilt dies für leicht nachvoll-ziehbare Bedarfe wie bei Lehrern, Über-setzern, in den Medien und in der Volks-gesundheit etc. Dem Gefährdungspotential kleiner Fächerist nur dann dauerhaft entgegenzutreten,wenn diese Fächer in Infrastrukturen vonin Größe und Inhalt passfähigen Fächerneingebettet sind, eine stabile Personalaus-stattung und Methodenstärke besitzen undbeste Ausbildungsqualitäten garantieren.Gleichermaßen müssen sie ihre For-schungserfolge nicht nur in die Fachwelttragen, sondern auch aktiv der allgemeine-ren Öffentlichkeit vermitteln sowie ihrergesellschaftlich historischen Funktion undVielfalt gerecht werden.

Die eigenständigeMineralogie

Diese Forderungen erfüllt das „kleine“Fach Mineralogie in hohem Maße. IhreEigenständigkeit ist zudem eine Aus-

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Der „Hochschulkonsens“Die Diskussion über den sächsischen„Hochschulkonsens“ ist noch nicht be-endet, weder in den Gremien der Uni-versität noch in der Öffentlichkeit. Überdie Aktivitäten innerhalb der Universitätfinden Sie Informationen u. a. im Uni-Journal 2/03. Der vorliegende „Kon-sens“-Entwurf besagt unter anderem,dass die Ausbildung in den geowissen-schaftlichen Fächern Geophysik, Geolo-gie und Mineralogie grundsätzlich in derTU Bergakademie Freiberg konzentriertwerden soll. Vor diesem Hintergrund hat-ten die Professoren Franz Jacobs (Geo-physik), Werner Ehrmann (Geologie)und Klaus Bente (Mineralogie) insge-samt neun Thesen zur Weiterentwick-lung der Geowissenschaften aufgestellt,von denen einige in einer gekürzten Fas-sung im April-Journal wiedergegebenwurden. Im nebenstehenden Beitragsetzt sich Klaus Bente nun grundsätz-licher mit der Frage auseinander, was ein„kleines“ Fach leisten kann und muss.

Die NagelprobeEine Betrachtung über Standortfragen am Beispiel des „kleinen“ Fachs MineralogieVon Prof. Dr. Klaus Bente, Institut für Mineralogie, Kristallographie und Materialwissenschaft

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nahmeerscheinung der deutschsprachigenLänder Deutschland, Österreich undSchweiz. Hier hat die Mineralogie nichtnur ihre historischen Wurzeln, sondernspiegelt auch die ununterbrochene Ge-schichte deutschsprachiger Universitätenwieder. Die aktuellen Schwerpunkte der Mineralo-gie werden durch folgende Forschungs-und Lehrgebiete verdeutlicht: SpezielleMineralogie, Kristallgeometrie, Geoche-mie auch extraterrestrischer Phänomene,Petrologie, Lagerstättenkunde und ange-wandte bzw. technische Mineralogie, diedurch die Biomineralogie, Umwelt- undDeponiemineralogie komplettiert werden.Hierbei spielen natürliche und anthropo-gene Stoffkreisläufe ausgehend vom festenErdkörper bis zu Auswirkungen auf dasKlima eine wesentliche Rolle. Des weiteren bezieht sich dieses Verständ-nis auf produktionsrelevante Werkstoffeund Rohstoffverwertungen sowie auf Ma-terial und Symmetrie orientierte Bereicheder Kulturwissenschaften wie z. B. dieArchäomineralogie und Ur- und Frühge-schichte. Im Vergleich mit der Geologie,die stärker die großräumige Entwicklungder Erde bearbeitet, beschäftigt sich dieMineralogie mit kleinräumigen, sprich„dirty systems“ d. h. chemisch komplexenSystemen. Sie grenzt sich damit von derChemie ab, die eher reinere Systeme bear-beitet. Die stoffliche Komponente der Phy-sik wird über die Kristallphysik mit der Mi-neralogie verknüpft. Die Mineralogie ist weltweit in die Erd-wissenschaften eingebettet. Wo sie insbe-sondere betreffs ihres Teilbereiches Kris-tallographie in die Physik oder Chemieeingebunden wurde, folgt eine Umprofi-lierung, wobei die besondere material-orientierte Kompetenz der Mineralogie,die aus dem überreichen Fundus der Naturschöpft, verloren geht. Die Einbindung derMineralogie in die Erdwissenschaften giltauch für die deutschsprachigen Länder,wobei die Erdwissenschaften und implizitedie Mineralogie an 5 Orten in Österreichund an 6 Standorten in der Schweiz be-steht. In Deutschland existiert die Minera-logie als Teil der Geowissenschaften mitunterschiedlicher Schwerpunktsetzung anmehr als 25 Universitäten.

Die Mineralogie in Leipzig

Die Mineralogie in Leipzig besteht seit1842 und wurde nur durch eine Lehrstuhl-vakanz nach dem 2. Weltkrieg und dem

geowissenschaftlichen Kahlschlag der 3. Hochschulreform der DDR 1968 unter-brochen. Für die Leipziger Historie stehenNamen wie Naumann, Zirkel und Rinne,deren kristallgeometrische und kristall-strukturelle Exzellenz bis heute fortgesetztwird. So ist die Mineralogie in Leipzig mitder Kombination von Kristallographie undTechnischer Mineralogie in Deutschlandeinmalig. Sie widmet sich der Halbleiter-und Solarzellenforschung, Meteoritenstu-dien, experimentellen und mathematischenSimulationen von Mineralreaktionen, derEntwicklung von Baustoffen und demRecycling von Abfällen von Braunkohle-kraftwerken. Die dabei zur Anwendungkommenden Methoden wie die optischeund Elektronenmikroskopie, thermischeund hochauflösende chemische Analysensowie Röntgenbeugungsmethoden wurdenseit 1992 mit Investitionen von nahezu 4 Mio. EUR eingerichtet. Zur Entwicklung neuer Materialien und inAnalogie zur Natur werden Synthesen mitunterschiedlichsten Apparaten zur Er-zeugung von Einkristallen, Pulvern undSchichten durchgeführt. Auch wurden inLeipzig der Studiengang Mineralogie 1993und das entsprechende Institut 1994 sowieder Studiengang Geologie 1996 mit gro-ßem personellen und materiellen Aufwandneu eingerichtet und seither erfolgreich be-stritten.Der Spagat zwischen internationaler For-schung und lokaler Notwendigkeit wirdvon den Geowissenschaften erfolgreichvollführt, wobei die eher an Gesteinen undErfassungsmethoden im Gelände orientier-ten Geologen und Geophysiker mit denvorwiegend im Labor tätigen materialwis-senschaftlichen Mineralogen und denNachbarfächern Physik, Chemie und Me-teorologie vernetzt sind. In der Mineralo-

gie existieren internationale Forschungs-tätigkeiten z. B. zur Solarzellenforschungmit Minsk. Dieser Bezug zu Osteuropa giltauch für die Geologie, so dass die Geowis-senschaften insgesamt ein Aktivposten des„Kompetenzzentrums Mittel- und Ost-europa Leipzig“ sind. Die Leipziger Geo-wissenschaftler sind mit dem Umweltfor-schungszentrum Leipzig-Halle (UFZ), mitortsansässigen Unternehmen und inner-halb des Universitätsverbundes Jena-Halle-Leipzig erfolgreich vernetzt, wobeidie mineralogischen Einrichtungen inHalle und Leipzig besonders in der Lehreeng zusammenarbeiten. Die LeipzigerGeowissenschaften haben die Gründungeines „Geoparks zwischen Muldenlandund Pleisse“ initiiert, was ihre Einbindungin die Stadt und die Region ausdrückt. DieAbgrenzung zu den Geowissenschaften inFreiberg ist signifikant und wurde für dieMineralogie bereits 1998 von den Minera-logieprofessoren in Freiberg und Leipzig ineiner gemeinsamen Erklärung formuliert.Hierin werden als Schwerpunkte für Leip-zig die Kristallographie und TechnischeMineralogie und für Freiberg die Geoche-mie, Petrologie und Lagerstättenlehre her-ausgestellt.Indem die Geowissenschaftler in Leipzigmit Nachdruck vertreten, dass die geowis-senschaftlichen Teilbereiche in einer wis-senschaftlichen Einrichtung und in einemZentralstudiengang zusammengeführtwerden, schließt sich der Kreis der An-fangsbetrachtung zu Standortfragen, kriti-scher Masse und Vernetzungen. Kurz gesagt: das Profil, die Leistungs-fähigkeit und Perspektiven der LeipzigerGeowissenschaften entsprechen dem Leit-bild der Universität Leipzig: „Aus Tradi-tion Grenzen überschreiten“.

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Das Bild zeigt das Mineral Perowskit(CaTiO3) von Nasjamskaja (Russland)mit einer unteren Kantenlänge von 10 mm und entstammt der mineralo-gisch-petrographischen Sammlung.Dieses Mineral ist Grundlage für vielesynthetische und physikalisch interes-sante Materialien, denen sich Forscherweltweit widmen.

Die mikroskopische Querschnittsauf-nahme zeigt einen supraleitenden Pe-rowskit (K,Ba)BiO3 (untere Kanten-länge 1.5 mm), der am IMKM mittelsFluxzucht im Platintiegel hergestelltwurde. Dieser Kristall weist einenZonarbau auf, der seine physikali-schen Eigenschaften massiv beein-flusst.

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Der demokratische Geist der EuropäischenUnion zeigt sich bekanntlich u. a. daran,dass alle in den EU-Mitgliedsstaaten be-stehenden Amtssprachen zugleich auchEU-Amtssprachen sind. Alle EU-Doku-mente werden in alle Amtssprachen über-setzt und bei allen Besprechungen, Aus-schuss-Sitzungen und Plenardebatten dieWortmeldungen in möglichst alle Sprachengedolmetscht. Es handelt sich dabei umeinen neuen Typus internationaler Integra-tion, der grundsätzlich anders ist als etwadie UNO (die mit 5 Basissprachen aus-kommt) und vor allem aller Vielvölker-staaten und Völkervereinigungen, die sichauf eine Verkehrssprache, lingua francaeinigten: USA, aber auch etwa die ASEAN.Der mit der Einführung einer Umgangs-sprache zwangsläufig einhergehendeschrittweise Verlust eigener Sprachen undKulturen wird als zu vermeidendes Übelangesehen. Natürlich sind die Amtssprachen nicht im-mer und überall gleich: Verständlicher-weise besteht der Druck, sich in „engerenVerhandlungssituationen“ (etwa in der EU-Kommission) auf eine oder zwei Arbeits-sprachen zu einigen (meist eben auf Eng-lisch oder Französisch). Der Grundsatz„Europa spricht alle Sprachen“ jedochbleibt: Jeder EU-Bürger kann sich an jedeEU-Institution in seiner Muttersprachewenden und wird eine Antwort in dieserSprache bekommen. Denn nach der in Eu-ropa vorherrschenden Meinung würde einelingua franca die EU sprengen. Sie wärezum einen zwangsläufig elitär, ferner wärediese Lösung mit der Dominanz einer Kul-tur verbunden. Eine Kunstsprache, wieetwa Esperanto, wird schließlich insofernabgelehnt, als es sich um eine Sprache„ohne Seele und gelebte, gewachsene Kul-tur“ handele.Daher unterhält die EU vier Übersetzungs-und Dolmetscherdienste. Voraussetzungfür eine Einstellung in diesen Diensten istein entsprechender Universitätsabschluss.Diesen „Luxus“ lassen sich die EU-Bürgerauch etwas kosten. Allerdings dürfte dieserEinsatz ca. 4 Euro pro Bürger/Jahr) denimmensen kulturellen und „klimatischen“Gewinn wert sein.Nun steht die Osterweiterung der EU um

mindestens zehn Staaten an. Damit wirdsich die Zahl der Amtssprachen vergrö-ßern, zunehmen wird auch der Dolmet-scherbedarf, gerade was die neuen EU-Sprachen betrifft. Bislang lieferten dieanerkannten westeuropäischen Hochschul-einrichtungen das Gros der EU-Dolmet-scher. Nun öffnen sich bessere Perspek-tiven auch für die Universität Leipzig: DasInstitut für Angewandte Linguistik undTranslatologie hat eine lange Tradition inder Ausbildung von Dolmetschern undÜbersetzern, auch und gerade in denmittel- und osteuropäischen Sprachen – einUnikum im deutschen Sprachraum. Hier in Leipzig gab es bis 1992 eine Dol-metscherausbildung in diesen Sprachen,doch wurde diese infolge von Personalkür-zungen und Kürzungen der Finanzen ein-gestellt. Die Europäische Union braucht in-dessen dringend Dolmetscher für die neuenEU-Sprachen, die Politik wurde sich diesesneuen Bedarfs nun kurz vor Toresschlussrichtig bewusst. Bei einer Konferenz zuBeginn des letzten Jahres im AuswärtigenAmt in Berlin waren alle deutschsprachi-gen Institute, die Dolmetscher ausbilden,so auch das Leipziger, vertreten. Eine wichtige Besonderheit der Herausfor-derung, vor der die besagten Einrichtungenstehen, ist folgende: Die Beitrittsländerbilden ihre Dolmetscher für die EU bereitsaus. Der alte EU-Modus, bei dem man nurin seine Muttersprache dolmetscht, undzwar direkt, ohne Vermittlung einer Dol-metscherkabine, würde jedoch unermess-liche Sprachkombinationen entstehen las-sen. Darum will man künftig das mutter-sprachliche Prinzip bewahren, das beste-hende Modell jedoch variabler gestalten.Der Gedanke, alle Dolmetschleistungenaus den neuen EU-Sprachen über das Eng-lische vorzunehmen, wird meist abgelehnt.Die Verdolmetschung aus den Sprachensoll vielmehr über die drei Arbeitssprachenerfolgen: Deutsch, Französisch, Eng-lisch.mEben für die qualitativ angemessene Dol-metschleistung im Relaisbetrieb (über eineLeitkabine) werden nunmehr deutscheMuttersprachler mit einem entsprechendenUniversitätsdiplom benötigt. Dies wurdenicht nur auf der Konferenz im Auswärti-

gen Amt betont, das unterstrich auch derEU-Koordinator Klaus Bischoff, der MitteJanuar das Institut für Angewandte Lingu-istik und Translatologie besuchte. Er wiesdabei auf die außerordentliche Verantwor-tung und Bedeutung der Universität Leip-zig hin, die in ihrer Tradition begründetliegt. Die Universität verfügt über wichtigeVoraussetzungen: übergreifende Veranstal-tungen, technische Einrichtungen, in allenSprachen anwendbare Dolmetschdidaktik,Beziehungen mit den osteuropäischen Uni-versitäten sowie z. T. Lehrkräfte. Die Uni-versität Leipzig müsste Bischoffs Auffas-sung nach das Ausbildungsangebot zumKonferenzdolmetschen in neuen EU-Spra-chen unterbreiten, was einzigartig inDeutschland wäre. Hierzu sind jedoch Anstrengungen mehre-rer Seiten erforderlich – der EU, des Bun-des, des Landes und der Universität. DieEU-Vorstellungen sind uns verständlicher-weise nicht immer auf den Leib zuge-schnitten: Gefördert wird auf Antrag hinnur individuelles Studium als Aufbaustu-dium, das zweijährig ist und Dolmetsch-und Übersetzungs-Ausbildung umfasst.Dabei soll im ersten Jahr eher das Über-setzen und im zweiten mehr das Dolmet-schen im Vordergrund stehen, ökonomi-sche Beteiligung der Universität soll nach-gewiesen werden – dann wird nur für daszweite Jahr ein Stipendium vergeben. ZuRecht weisen die Brüsseler Kollegen aufdie Pflicht der Mitgliedsstaaten hin, für dieerforderliche fremdsprachliche Ausbil-dung selbst zu sorgen, man sei in Brüsselnur für die Förderung eines Teils des Dol-metscherstudiums als solchen zuständig.Somit steht das Institut vor dem alten Pro-blem der Finanzierung. Denn um die Aus-bildung in Estnisch, Lettisch, Litauisch,Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Unga-risch und Slowenisch überhaupt zu ermög-lichen, werden zusätzliche Lehrkräfte be-nötigt, müssen Auslandsaufenthalte für dieVertiefung der Sprachkenntnisse der Stu-denten sowie Dolmetsch-Lehrveranstal-tungen von Gastlektoren ermöglicht wer-den. Dabei ist das Institut darauf angewie-sen, dass Universität, Staatsministerium,Auswärtiges Amt und EU gemeinsame Be-mühungen unternehmen.

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Die Dolmetscherausbildung für die EU-Erweiterung

Europa spricht alle SprachenVon Dr. phil. habil. Wladimir Kutz, Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie, Leiter der Dolmetscherausbildung

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HautnaheLehre Restaurierungam Antiken-museum – mehrals nur Schutzvon KulturgutVon Dr. Hans-Peter Müller

Das Antikenmuseum der Universität zähltheute über 10 000 Originalwerke nahezualler Gattungen und Perioden griechischerund römischer Kunst, hauptsächlich Kera-miken, Terrakotten, Bronzen, Marmor-skulpturen und Glasarbeiten aus drei Jahr-tausenden. Für deren restauratorische undkonservatorische Betreuung stehen eineRestauratorin und seit 1999 eine modernausgestattete Werkstatt zur Verfügung. Restaurierungen am Antikenmuseum si-chern und bewahren nicht nur wertvollesKulturgut. Da das Museum als akademi-sche Universitätssammlung primär Lehr-und Studienzwecken dient, kommen sieauch unmittelbar der praxisnahen Ausbil-dung der Studierenden und der Forschungim Fach Klassische Archäologie zugute. Sowird die Restauratorin in Lehrveranstal-tungen einbezogen, um mit den Studieren-den unmittelbar am Original den sach- undmaterialgerechten Umgang mit antikenGegenständen, die Beurteilung ihres Er-haltungszustands sowie zeitgemäße Me-thoden, Möglichkeiten und Grenzen derRestaurierung zu erörtern.Im Verlauf einer interdisziplinären Übungzur Bestimmung altitalischer Bronzenkonnten Studierende der Klassischen Ar-chäologie und Ur- und Frühgeschichte amkonkreten Objekt erfahren, wie durch dieZusammenarbeit mit Restauratoren unterEinbeziehung naturwissenschaftlicher Un-tersuchungsmethoden die Möglichkeitender Auswertung und Interpretation archäo-logischer Objekte erweitert und darausneue Fragestellungen abgeleitet werdenkönnen (s. Journal 2/03, S. 20).

Im Bereich der Steinrestaurierung koope-riert das Antikenmuseum seit 1997 mit derDr. Pfanner GmbH als einer professionel-len Restaurierungsfirma für historischeSkulpturen und Bauten (u. a. MünchnerSiegestor 1995–2000). Die interdiszipli-näre Kooperation von Archäologen undSteinrestauratoren dient dem Ziel, behut-same Wege zur Erhaltung antiker Skulp-turen zu erproben. Im Ergebnis der Zu-sammenarbeit konnten im Jahre 2000nahezu alle Marmorfragmente des Mu-seums im Rahmen der Ausstellung „Derfalsche Augustus“ der Öffentlichkeit prä-sentiert werden. Die Restaurierung hat ge-zeigt, dass fast alle Stücke Besonderheitenaufweisen, die sie als Studienobjekte fürStudierende, Lehrende und Forscher ge-eignet machen. Eine große Überraschung brachte ein an-geblich moderner und nicht besonders guterhaltener Einsatzkopf. Durch einfacheReinigung im Wasserbad entpuppte er sichals ein Paradebeispiel für die Fälschungs-kunst des 19. Jahrhunderts: Der tatsächlichantike Bildniskopf eines unbekannten Zeit-genossen Caesars wurde um 1900 wohl imAuftrag eines Bildungsbürgers am Stirn-haar und im Gesicht neuzeitlich überarbei-tet und in das vermeintliche Porträt des rö-mischen Kaisers Augustus umgearbeitet.mDie Forschung zum römischen Porträt gehtheute davon aus, dass der dem Fälscher alsVorlage dienende Bildnistyp nicht denjugendlichen Octavian/Augustus, sondern

einen seiner Enkel, Gaius oder LuciusCaesar, darstellte. Von Archäologen undRestauratoren entlarvt, ist der „falscheAugustus“ für die Sammlung nicht minderwertvoll. Als ein Lehrstück für neuzeitlicheFälscherpraktiken und zeitgemäße Restau-rierung ist er ein Musterbeispiel für Lehreund Forschung, das zurecht seinen Platz inder Dauerausstellung der „Alten Nikolai-schule“ gefunden hat. Neben der Restaurierung aller Steinexpo-nate zielt die Zusammenarbeit auf ein be-sonderes, an der Praxis orientiertes Profilim Studiengang Klassische Archäologie.Als ein spezielles Angebot der UniversitätLeipzig finden gemeinsame Lehrveran-staltungen statt, um das Verständnis fürkünstlerische Phänomene bei Archäologenwie Restauratoren zu schärfen. Kombiniertmit mehrwöchigen Praktika bei der Dr.Pfanner GmbH werden die Studierendenmit Alltag und Praxis der Steinrestaurato-ren bekannt. Der Vorteil der engen Zu-sammenarbeit in Theorie und Praxis be-steht darin, dass die Studierenden undRestauratoren hautnah die Entwicklungwissenschaftlicher Fragestellungen undaktuelle Forschungsergebnisse wahrneh-men.

Das Antikenmuseum befindet sich amNikolaikirchhof.Öffnungszeiten: Dienstag bis Donners-tag, Samstag und Sonntag 12 bis 17Uhr, Montag und Freitag geschlossen.

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Hans-Peter Müller zeigt den „falschen Augustus“, der durch Restaurierung als einParadebeispiel für die Fälschungskunst des 19. Jahrhunderts entlarvt wurde. Dieantiken Partien sind an der Patina der verwitterten Oberfläche zu erkennen; diemodern umgearbeiteten Stellen am Stirnhaar und im Gesicht heben sich schnee-weiß ab. Foto: Carsten Heckmann

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Der Sitz des An-Instituts und sein Namens-patron verkörpern beste deutsche Land-wirtschaftsgeschichte. Es arbeitet jetzt anjenem Ort in Leipzig-Möckern, wo vormehr als 150 Jahren, exakt am 28. 12.1852, die erste agrarwissenschaftliche Ver-suchsstation in Deutschland und die zweiteim weltweiten Maßstab gegründet wurde.Namensgeber Albrecht Daniel Thaer, des-sen 250. Geburtstag im Vorjahr zu begehenwar, gilt als der Begründer der rationellenLandwirtschaft. Er kam aus der Human-medizin über die Ernährungswissenschaftzur Agrarwissenschaft und steht somit alsideale Integrationsfigur für den fachüber-greifenden Charakter des 1995 gegründe-ten Instituts. Und schließlich setzt das In-stitut ein Stück der Tradition der zweitälte-sten agrarwissenschaftlichen Fakultät aneiner deutschen Universität, nämlich der ander Universität Leipzig, die seit 1869 be-stand, aber 1996 geschlossen wurde, fort.„Ziel war es“, so der frühere Vorstandsvor-sitzende Dr. habil. Gotthard Kretzschmar,„am Standort Leipzig einen, wenn auchgeringen Teil des vorhandenen Lehr- undForschungspotentials für die Landwirt-schaft im Freistaat Sachsen zu erhalten.“Dabei sei es nicht darum gegangen, vor-handene Strukturen zu übernehmen, son-dern eine Einrichtung zu schaffen, in derWissenschaftler verschiedener Disziplinenintegrativ an der Lösung aktueller Pro-bleme arbeiten, sowohl im Rahmen ange-wandter Forschung als auch durch Bil-dungs-, insbesondere Fortbildungstätig-keit. Als Stichworte für solche aktuellen

Problemlösungen seien genannt: umwelt-gerechte Landwirtschaft, Ressourcen-schutz, Nachhaltigkeit, Landschaftspflege,artgerechte Nutztierhaltung, Tiergesund-heit, Produktqualität, Verbraucherschutzbis hin zu Regionalmarketing, Direkt-vermarktung und Agrartourismus. DasKonzept beinhaltete eine weitgehendeigenständige Mittelerwirtschaftung, denNachweis der Gemeinnützigkeit für dieTätigkeit und als Rechtsform die des ein-getragenen Vereins (e.V.). Und so wurde es auch Realität; im Herbst 2001 erfolgtedann durch Senatsbeschluss die Anerken-nung des Albrecht-Daniel-Thaer-Institutsfür Agrarwissenschaften als An-Institut ander Universität Leipzig. Nach drei Jahrensteht eine Evaluierung an.

Die 19 Mitglieder, die der Verein gegen-wärtig umfasst, von denen etwa die Hälfteständig im Institut aktiv tätig ist, finden einwichtiges Arbeitsfeld in der Aus- undWeiterbildung. Neben regelmäßigen agrar-wissenschaftlichen Lehrveranstaltungenan der Universität Leipzig und anderenHochschulen gehören auch Weiterbil-dungsprojekte für ausländische (z. B. ausVietnam und Turkmenistan) und inländi-sche Teilnehmer in Zusammenarbeit mitanderen Bildungsträgern und Verbändenzum Programm. Da geht es beispielsweiseum Überlebensstrategien für die Rinder-

und Schweineproduktion, um den ökologi-schen Landbau, um die Steigerung derMilchleistung durch ein verbessertes Her-denmanagement im sächsischen Raumoder um die Chancen und Risiken einerpfluglosen Bodenbearbeitung. Ein dritterBereich der Bildungsarbeit umfasst diearbeitsplatzbezogene Fortbildung in meh-reren Dutzend Landwirtschaftsbetrieben,vor allem, aber nicht nur im Freistaat Sach-sen. Sie betrifft insbesondere die Milch-und Schweineproduktion, die artgemäßeTierhaltung bzw. Qualitätssicherungssys-teme und Vermarktungsstrategien. In man-chen Jahren kommen da weit über 1000Stunden zusammen. Neu in das Programmaufgenommen wurden ganztägige Semi-nare für Landwirte und Tierärzte in Ko-operation mit der VeterinärmedizinischenFakultät.Die zweite Säule, auf die sich das Institutstützt, ist seine Forschungstätigkeit. Über30 Projekte wurden seit Bestehen der Ein-richtung in Angriff genommen. Nicht sel-ten in enger Kooperation mit der LeipzigerUniversität, wozu Frau Prof. Dr. MonikaKrüger, Prorektorin an der Universität undLeiterin des Instituts für Bakteriologie und

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Thaer-Denkmal in der verlängertenLiebigstraße. Foto: Armin Kühne

Von artgerecht bisumweltgerechtDas Albrecht-Daniel-Thaer-Institut für AgrarwissenschaftenVon Volker Schulte

In einer losen Reihe wird das Uni-Jour-nal die An-Institute der Universität vor-stellen. Gegenwärtig sind es derer fünf.Sie erweitern in enger Kooperation mitder Universität das Forschungsprofil derStadt Leipzig.

Thaer-Briefmarke

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Mykologie an der VeterinärmedizinischenFakultät, zur Zeit amtierende Vorstands-vorsitzende bei „Thaer“, das Ihre beiträgt. Ein Forschungsprojekt – nach der Flut-katastrophe des vergangenen Jahres be-sonders aktuell – beschäftigt sich mit Akri-bie mit der bestmöglichen Nutzung vonWeideflächen in der Elbaue durch eineMutterkuhhaltung. So wurde z. B. eineFläche von 20 ha mit 60 000 Messpunktenauf einer Karte erfasst, um den Zusam-menhang von Ort, Zeit, bevorzugter bzw.mehr oder weniger gemiedener Futter-fläche oder anderer Areale beim Ziehen derHerde über die Weide zu ermitteln. ZurProduktionsoptimierung tritt hier auch derübergreifende Gesichtspunkt des Erhaltsund Ausbaus von Kulturlandschaften. Undes soll sich ändern, so die Institutsmit-arbeiter, dass die Ökologie das Nutztier alseigenen Systembestandteil vernachlässigt.Ein anderes Projekt ist im Bereich „natür-liche Kreisläufe“ angesiedelt und unter-sucht, wie etwa aus Nebenprodukten beider Milch- oder Bierherstellung oder auchaus Lebensmittelresten Inhaltsstoffe er-regerfrei gewonnen und der Tierfütterungzugeführt werden können.Zur Forschungsarbeit gehört auch, dass diegewonnenen Ergebnisse auf wissenschaft-lichen Tagungen (bisher 4) und Kolloquien(über 40) vorgestellt und diskutiert sowiein der Schriftenreihe des Thaer-Instituts(bisher 8 Bände) veröffentlicht werden.Mit ihren Aktivitäten holen die Instituts-mitarbeiter „ihren“ Thaer gewissermaßenvom Sockel – das Denkmal steht in der ver-längerten Liebigstraße, sollte aber nachdem Willen vieler wieder seinen ursprüng-lichen Standort im Stadtzentrum in derNähe des Universitäts-Hauptgebäudes er-halten – und sorgen dafür, dass sein Nameunter Agrarwissenschaftlern und Landwir-ten lebendig bleibt. Aber unsterblich ist dergroße Thaer ohnehin – wem er das nichtdurch sein Lebenswerk ist, dem vielleichtdurch das dichterische Werk eines gewis-sen J. W. Goethe, der anlässlich des 50.Doktorjubiläums von Thaer 1824 ein Ge-dicht verfasste, das Friedrich Zelter vonihm erbeten hatte und selbst vertont hat. Esendet mit den Versen:Der Boden rührt sich ungesäumt, / imWechsel jedes Jahr, /ein Feld so nach dem andern keimt / undreift und fruchtet bar. /So fruchtet’s auch von Geist zu Geist / Undnutzt von Ort zu Ort, / gewiß Ihr fragt nicht, wie er heißt, / seinName lebe fort!

Modularisierung undPunktsystem

Seit 1998 wurden eine Reihe von nationa-len und internationalen Beschlüssen zurHochschulausbildung gefasst und hierzuStudienreformen empfohlen. Als richtung-weisender Beschluss ist die Bologna-Er-klärung „Der europäische Bildungsraum“vom 19. Juni 1999 zu nennen. Hierin ver-pflichteten sich die 29 Unterzeichnerstaa-ten (darunter alle EU-Staaten), vertretendurch die Bildungsminister, zur • Einführung vergleichbarer Abschlüsse

und des Diploma Supplement, als Zusatzzu Zeugnissen oder Urkunden über aka-demische Abschlüsse

• Einführung eines Systems, das sich imwesentlichen auf zwei Hauptzyklen (un-dergraduate, graduate) stützt. Die Regel-voraussetzung für die Zulassung zumzweiten Zyklus ist der erfolgreiche Ab-schluss des ersten Studienzyklus, dermindestens drei Jahre dauert und eine für den europäischen Arbeitsmarkt rele-vante Qualifikationsebene attestiert. Derzweite Zyklus sollte mit dem Masterund/oder der Promotion abschließen.

• Einführung eines Leistungspunktsy-stems (Credit Point System).

Diese Ziele sollen bis Ende 2010 verwirk-licht werden. Ein Meilenstein auf diesemWeg wird „Berlin 2003“ (18./19. Septem-ber), die Nachfolgekonferenz zu „Bologna1999“ sein. Seit der Erklärung von Bologna wird ver-stärkt über die Einrichtung von Studien-gängen und Studienrichtungen mit gestuf-ten Studienabschlüssen (Bachelor undMaster) und die Reformierung auf der

Grundlage von Modularisierung und Leis-tungspunktsystem diskutiert. Durch dasLeistungspunktsystem, das sich am Euro-pean Credit Transfer System (ECTS) orien-tiert, soll sowohl der Transfer als auch dieAkkumulation von Leistungspunkten mög-lich sein. Hierzu fasste die Kultusministerkonferenzam 15. September 2000 den Beschlussüber „Rahmenvorgaben für die Einführungvon Leistungspunktsystemen und die Mo-dularisierung von Studiengängen“. Durchdiese Reformen sollen Kompatibilität undTransparenz der Hochschulausbildung ver-bessert und die Mobilität der Studierendenerleichtert werden. Die gesetzliche Basis für die Einführungeines Leistungspunktsystems, studienbe-gleitender Prüfungen und Bachelor- undMasterstudiengänge bildet das Hochschul-rahmengesetz in seiner Novellierung vom16 Februar 2002. Die Bund-Länder-Kommission (BLK) fürBildungsplanung und Forschungsförde-rung begleitet und unterstützt die wesent-lichen Maßnahmen einer umfassendenStudienstrukturreform, wie sie Bund, Län-der und Hochschulrektoren fordern. Seit1999 werden im Programm „Innovationenim Bildungswesen“ Modellvorhaben zurModularisierung von Studiengängen undzur Einführung der Leistungspunktever-gabe als Verbundprojekte initiiert.

Verbund für Strategien

Das Institut für Informatik an der Fakultätfür Mathematik und Informatik der Uni-versität Leipzig bildet gemeinsam mit denPartnern Hochschule Bremen, Fachhoch-schule Giessen-Friedberg und Universität

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Fakultäten und Institute

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Die globalisierteBewertungvon LeistungÜber Module, Credit Points undStrategienVon Prof. Dr. Siegmar Gerber und Dipl.-Ing. Hans-Peter Schötz,Institut für Informatik

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Ulm einen Verbund, in dem Globalisie-rungs- und Konvertierungsstrategien fürdie Leistungspunktevergabe in Hochschul-netzwerken untersucht werden. Das Insti-tut für Informatik ist federführend indiesem Projektverbund. Die Arbeitsergeb-nisse werden im Internet präsentiert. DieAdresse lautet:http://www.informatik.uni-leipzig.de/theo/lpv

Erste Erfahrungen imVerbund

In der Verbundarbeit wurden erste Erfah-rungen zu leistungspunktbewerteten Mo-dulen, zur Einrichtung von leistungspunkt-bewerteten Studiengängen und Studien-richtungen (auch hochschulübergreifend)sowie zur Anerkennung und Konvertierungvon Studienleistungen bei Hochschul-wechseln mittels eines Leistungspunktein-dikators gewonnen:

Die Modularisierung und die Leistungs-punktevergabe sollen zur Verbesserung derQualitätssicherung und der Transparenzvon Studium und Lehre, zur Verringerungder Abbrecherquote, zur Verkürzung derStudiendauer, zur Erhöhung der nationalenund internationalen Mobilität sowie zurVereinfachung des Transfers von Studien-leistungen beitragen. Außerdem werden das lebenslange Lernenund moderne Lehr- und Lernformen wieWeb-Learning und Virtual Universityunterstützt. Die Vergabe von Leistungspunkten hat dasZiel, die Arbeitsbelastung beziehungs-weise den Lernaufwand des Studierenden(Student Workload) wiederzugeben. Durchdie Leistungspunkte wird die durchschnitt-liche Arbeitsbelastung für den erfolg-reichen Abschluss eines Studienziels, Stu-dienabschnitts beziehungsweise eines Mo-duls gemessen. Die Arbeitsbelastung wird als Lernauf-wand für die Kategorien Vorlesung, Selbst-studium, (geführte) Übung, Seminar, Prak-tikum, Labor, Studienarbeit, Beleg, Pro-jekt, Praxissemester, u.a. festgestellt. DerLernaufwand entspricht dem durchschnitt-lichen Arbeitsumfang zur Erreichung desLernziels eines Moduls, Studienabschnittsoder Studiengangs, bzw. der mit diesem zuvermittelnden Kompetenz.

Die Arbeitsbelastung der Studierendenwird auf der Grundlage der ECTS-Kon-

vention von 30 Leistungspunkten pro Se-mester und der Richtlinie der Kultusminis-terkonferenz (KMK) von 900 Arbeitsstun-den pro Semester bewertet. Bei der Be-rechnung der Leistungspunkte wird vonder durchschnittlichen, ganzheitlichen Ar-beitsbelastung des Studierenden zum Er-reichen von Studienzielen ausgegangenund nicht von der Semesterwochenstunde(SWS) als der Lehrorganisationseinheit.Im Hochschulbereich existieren teilweiseerhebliche Unterschiede in der Anzahl derSemesterwochen und damit auch in derDauer der vorlesungsfreien Zeit. Hierausergibt sich die Notwendigkeit für den Leis-tungspunkteaufwand von der tatsächlichenWochenarbeitsbelastung des Studierendenauszugehen.

Leistungspunktbewertete Module sind dieBausteine des leistungspunktbewertetenStudiums und werden in den Curricula re-flektiert. Das heißt, durch eine empfohlenebzw. inhaltlich gegebene Modul-Reihen-folge wird das Studien- oder Ausbildungs-ziel erreicht und die Arbeitsbelastung ins-gesamt als Summe der Modulleistungs-punkte bewertet. Die Module sind im Sinne der KMK-Rah-menvorgaben keine verordneten Einheits-module sondern besitzen eine Eigendyna-mik, die durch Parameter wie Lehr- undLernformen, Selbststudium, Projektarbeitgeprägt ist. Hierzu wird es notwendig, demModul eine Modulgewichtung zuzuord-nen. Mit dem Leistungspunkteaufwand unddem Modulgewicht wird der Modulleis-tungspunktefaktor gebildet, mit dem dieModulleistungspunkte ermittelt werden.Die Parameter können für verschiedeneAnwendungen, Studiengänge und Hoch-schulen unterschiedlich skaliert sein.

Das leistungspunktbewertete Studium führtzu einem berufsqualifizierenden Ab-schluss mit wohl definierten Ausbildungs-zielen und eine der Gesamtarbeitsbelas-tung entsprechenden Anzahl von erworbe-nen Leistungspunkten. Die Studiengängesind aus Studienabschnitten aufgebaut, dienicht nur modularisierte Lehrangebotesondern auch Module wie z. B. Konsul-tationen, Studienarbeiten, Praxissemester,Projekte und Abschlussarbeiten enthaltenkönnen. Das Bildungsangebot wird zunehmenddurch konsekutive Studiengänge, Aufbau-studiengänge, Fernstudiengänge, Kurseprivater Bildungsträger erweitert. Diese

Angebote sind in das System der Leis-tungspunktebewertung und Anerkennungvon Lernleistungen einzubeziehen.Schwerpunkt dieses Modellversuchs ist es,die Auswirkungen dieser Globalisierung inder Ausbildung, bei Anerkennung vonLernleistungen auch bei Zugang in einHochschulstudium zu untersuchen und zuverifizieren. Die Anerkennung von nachgewiesenenLernleistungen in Studiengängen, Studien-richtungen, in Kurssystemen an unter-schiedlichen Hochschulen oder anderenAusbildungseinrichtungen im In- und Aus-land setzt die Vergleichbarkeit der Modul-inhalte und der erworbenen Leistungs-punkte (Credit Points) voraus. Hierzu wirdals Arbeitsablauf (Workflow) der Leis-tungspunkteindikator Informatik LPP vor-geschlagen, der auch für die Leistungs-punktbewertung von spezifizierten Modu-len verwendet werden kann. Die Basis für diesen Leistungspunkteindi-kator bilden Modulkataloge, Studien-/Prü-fungsordnungen und Curricula. Die Kopplung des Leistungspunkteindika-tors an die Akademische Studien- und oderPrüfungsverwaltung der Hochschule sollinsbesondere die Verwaltung der Leis-tungspunkte, das Generieren von Curriculafür Studienrichtungen, von Kursen für dieWeiterbildung und Teilzeitstudiengängenunterstützen. An den Verbundhochschulen wurden auf-bauend auf den Erfahrungen des Modell-vorhabens „Modularisierung von Informa-tik-Studiengängen“ weitere modularisierteStudiengänge eingerichtet und die Leis-tungspunktediskussion, insbesondere aufInformatik-Studiengänge bezogen, intensi-viert. Die Verbundergebnisse zur Leistungs-punktevergabe in modularisierten Studien-gängen sollen anhand gezielter Befragun-gen von Studierenden und Dozentenevaluiert und in Zusammenarbeit mit derwissenschaftlichen Begleitgruppe und an-deren Verbünden diskutiert werden.

Fakultäten und Institute

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Wie plane ich mein Tutorium?Wie kann ich Interesse für ein Themawecken und Studenten motivieren?Wie kann ich einen Sachverhalt vermit-teln?

Das sind nur einige von vielen Fragen undProblemen, vor denen ein angehender Tu-tor stehen kann. Sie machen deutlich, dassfür die Durchführung eines erfolgreichenTutoriums nicht nur Fachwissen (des Tu-tors) wichtig ist, sondern auch methodi-sche Kenntnisse, d. h. das Wissen um das„Wie“? Doch woher diese Kenntnisse neh-men, wenn man nicht zufällig als zweitesHaupt- oder Nebenfach Pädagogik stu-diert? Genau an dieser Stelle kommt dieTUT-Initiative ins „Spiel“.Die TUT-Initiative – das sind Studierendeam Lehrstuhl für Erwachsenenpädagogikmit vielseitigen Erfahrungen und Kennt-nissen im Bereich der Seminargestaltung.Unterstützt wird die Gruppe vom Inhaberdes Lehrstuhls, Professor Dr. Jörg Knoll.mNach der Erfahrung der TUT-Initiative sindStudenten als Tutoren zwar meist mit vielEifer und Engagement bei der Sache, oft istaber die Betreuung durch verantwortlicheDozenten nicht ausreichend und es fehlendidaktische sowie methodische Grund-lagen. So kommt es manchmal vor, dassTutorien als unbefriedigend erlebt werden,sowohl für die Teilnehmer als auch für denTutor selbst.Diesem Problem möchte die TUT-Initiativemit ihrer Arbeit entgegenwirken. Sie willTutoren vor allem methodisch, im Bereichder Seminargestaltung, unterstützen. Diederzeit elf ehrenamtlich arbeitenden Stu-denten, allesamt selbst Tutoren, wollen ihreeigenen Erfahrungen und Kenntnisse anzukünftige Tutoren weitergeben.Aus diesem Grund bietet die TUT-Initiativeseit 1998 regelmäßig fakultätsübergrei-fende Weiterbildungsmöglichkeiten fürTutoren an. In einem zweitägigen Workshopsollen die angehenden Tutoren auf ihre

Rolle vorbereitet werden, indem sie sich mitFragen der Inhaltsvermittlung, der Lern-prozesse in Gruppen, methodischen Gestal-tungsmöglichkeiten und vor allem auch dereigenen Rolle als Tutor auseinandersetzen.Neben weiteren Themen wie der Planungeines Tutoriums, der Anfangssituation oderdem Umgang mit Gruppenkonflikten,spielt der Erfahrungsaustausch mit anderenTeilnehmenden eine große Rolle.Ziel des Workshops ist es, zukünftigenTutoren die Unsicherheit bezüglich ihrerneuen Aufgabe zu nehmen, sie mit Hand-lungsmöglichkeiten auszustatten undihnen Hinweise zu Planung und Durchfüh-rung ihres Tutoriums zu geben. Die TUT-Initiative möchte also ein „Handwerks-zeug“ für die Umsetzung eines Tutoriumsmit auf den Weg geben.Eine Besonderheit des Workshops ist, dass

die Teilnehmenden die Inhalte nicht nur„konsumieren“, sondern aktiv erleben. DerWorkshop findet sozusagen auf zwei Ebe-nen statt. Die Situation im Workshopgleicht der eines Tutoriums: Inhalte, Infor-mationen und deren methodische Um-setzung wird von der Workshopleitung sogehandhabt, wie es in einem Tutoriumtatsächlich möglich ist. EingeschobeneReflexionsphasen sollen den Teilnehmernermöglichen, Anregungen für die eigeneTätigkeit mitzunehmen. Neben den Work-shops werden semesterbegleitend Treffenund Beratungen angeboten, bei denen Fra-gen und Probleme des laufenden Tutoriumsbesprochen und gelöst werden können.Die studentische Arbeitsgruppe möchtemit ihren Qualifizierungsangeboten nichtnur die Qualität von Tutorien verbessern,sondern vor allem auch für deren häufige-ren Einsatz im Hochschulbetrieb plädieren.Für die TUT-Initiative sind Tutorien einesinnvolle Ergänzung des universitärenLehralltags. Daher wünscht sie sich, dassTutorien als Methode stärker in der Hoch-schuldidaktik verankert werden. So stehtdie TUT-Initiative als Ansprechpartnerauch für Lehrende zur Verfügung, die sichnoch mehr mit dem Nutzen und den Mög-lichkeiten von Tutorien vertraut machenwollen.Es sollte nicht in den Hintergrund geraten,dass Tutorien dem Tutor die Möglichkeitbieten, Schlüsselqualifikationen, wie z. B.Gesprächsleitung, Methodenkompetenzoder Präsentationstechniken, bereits wäh-rend des Studiums zu erwerben und zutrainieren.

Heft 3/2003

Studiosi

Handwerkszeug vonStudenten für StudentenInitiative schult angehende TutorenVon Anne Richter, Lehrstuhl für Erwachsenenpädagogik

In Heft 1/03 hatte das Journal ein klei-nes Schlaglicht auf die Initiativgruppezur Qualifizierung von Tutoren namensTUT geworfen, die aus Studierenden amLehrstuhl für Erwachsenenpädagogikbesteht. In dieser Ausgabe berichtet nunTUT-Mitglied Anne Richter genauerüber das, was die Gruppe mit ihrenWorkshops leisten will.

Mehr Informationen über die TUT-Initiative und ihre Workshops gibt esim Internet unter: www.tut.de.lv Anfragen bitte per E-Mail [email protected] per Tel.: 03 41/97 31 486

Gedankenaustausch bei einem TUT-Workshop. Foto: TUT

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RastloserAnwaltzwischenOst undWestHans-DietrichGenscher istEhrendoktor derUni LeipzigVon Carsten Heckmann

An Ehrendoktorwürden ist er wahrlichnicht arm. Er bekam sie verliehen von denUniversitäten Budapest (1988), Washing-ton (1990), Ottawa (1991), Kattowitz(1992), Medford (1993), Essex (1993) undder Staatlichen Hochschule für Internatio-nale Beziehungen Russlands (1993). DiePekinger Universität ernannte ihn 1999 garzum Ehrenprofessor. Aber nun erhieltHans-Dietrich Genscher erstmals einedeutsche Ehrendoktorwürde, von der Juri-stenfakultät der Universität Leipzig. Diesei „gewissermaßen ‚zuständig‘“, sagteder Dekan Prof. Dr. Martin Oldiges kürz-lich in einem Interview.In der Tat: Genscher, von 1974 an 18 Jahrelang als Außenminister der Bundesrepu-blik Deutschland der „Stabilitätsfaktor derdeutschen Diplomatie“ („Die Zeit“), hat inLeipzig studiert und hier am 5. Oktober1949 sein Referendarexamen bestanden.Entscheidend für die jetzt vorgenommeneEhrung ist laut Oldiges gewesen, dass Gen-scher „für die deutsche Wiedervereinigungeine gesicherte völkerrechtliche Grund-lage geschaffen hat. Fakultät und Univer-sität sind stolz darauf, dass einer ihrerAbsolventen eine so bedeutende Rolle inder Geschichte unseres Vaterlandes ge-spielt hat“.1933 war Genschers Familie nach Hallegezogen, geboren wurde der heute 76-Jäh-rige in Reideburg (Saalkreis). Ab 1946studierte er in Halle und Leipzig Rechts-wissenschaften. Seine zweite juristischeStaatsprüfung legte er nicht mehr in Leip-zig ab, sondern 1954, nach der Übersied-lung in den Westen, in Hamburg. Dennoch:In Halle/Leipzig liegen nicht nur Gen-schers juristische Wurzeln, auch politischengagierte er sich bereits 1946 – und zwarin der Liberaldemokratischen Partei. KeinWunder also, dass es ihn später im Westenin die FDP zog. Von seinem Einzug in denBundestag 1965 an legte er eine beispiel-lose Karriere hin, wurde 1969 Innenminis-ter in der sozialliberalen Koalition unterWilly Brandt, dann Außenminister undVizekanzler unter Helmut Schmidt. DiesePosition behielt er auch 1982, als es zurgroßen „Wende“ in der Bundesrepublikkam, zur CDU/CSU/FDP-Koalition mitHelmut Kohl als Bundeskanzler.Um es einmal flapsig zu formulieren: Dalegte Genscher erst richtig los. Allein von1983 bis 1988 unternahm er 245 Dienst-reisen. „Die Zeit“ nannte ihn später einmalden „Weltmeister der Reisediplomatie“.Die ARD gab der Fernsehgala anlässlichseines 75. Geburtstages im vergangenen

Jahr nicht umsonst den Titel „Ein Lebenwie im Flug“.Genscher war einer der ersten Politiker imWesten, der die Chancen sah, die für dieWelt im Allgemeinen und für Deutschlandim Besonderen aus der sowjetischen Re-formpolitik erwuchsen. Einer Politik, diemit den Begriffen Perestrojka und Glasnostverbunden ist – und mit einem Staatsmann:Michail Gorbatschow, der für GenschersEhrenpromotion in Leipzig als Laudatorgewonnen werden konnte.Der „Dauerläufer im Auswärtigen Amt“(wieder „Die Zeit“) warb für eine Entspan-nungspolitik des Westens als Reaktion aufdie Umbrüche im Osten, wurde zum An-walt zwischen Ost und West. Als Höhe-punkt seiner Laufbahn hat er selbst einmaleinen Tag bezeichnet, an den sich wohlauch die meisten Deutschen gern erinnern:den 30. September 1989. Vom Balkon desPalais Lobkowitz (der Botschaft der BRDin Prag) aus konnte Genscher den im Gar-ten ausharrenden DDR-Flüchtlingen dieNachricht von der Ausreisemöglichkeitüberbringen – ohrenbetäubender Jubel ver-schluckte seine letzten Worte.Anschließend musste Genscher wieder vielreisen: Er arbeitete hart daran, die Vorbe-halte gegen ein vereintes Deutschland ab-zubauen. Diese Arbeit war von Erfolg ge-krönt – im Gegensatz zu seinem Ansinnen,das deutsche Volk über eine überarbeiteteVerfassung auf der Grundlage des Grund-gesetzes entscheiden zu lassen.Genschers Erfolge als Außenpolitiker er-klärte die Süddeutsche Zeitung im März1992 mit „seiner Geschmeidigkeit, seinemBlick für das Realistische und Machbare,seinem Gespür für trittfesten Grund, seinerempfindsamen Witterung für heranzie-hende Veränderungen“. Zu diesem Zeit-punkt war in Genschers Kopf wohl schoneine ganz persönliche Veränderung heran-gezogen, die im Mai 1992 Wirklichkeitwurde: Der Diplomat übergab die Amtsge-schäfte an seinen Nachfolger Klaus Kinkel,der bis dahin Bundesjustizminister war.Bis heute geblieben ist Genscher nicht nurein Liebhaber klassischer Musik (Dvorák,Tschaikowsky) und moderner Malerei(Feininger), sondern auch so etwas wie derÜbervater der FDP. Von 1974 bis 1985 warer Vorsitzender der Liberalen, inzwischenist er ihr Ehrenvorsitzender. Beratendunterstützt er nicht nur die Partei, sondernauch Unternehmen. Und dass aus einemrastlosen Reisediplomaten nie ein Ruhe-ständler im Wortsinne wird, das stellt Gen-scher Tag für Tag unter Beweis.

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Der Redaktionsschluss dieser Uni-Jour-nal-Ausgabe war am 23. April – rundzwei Wochen vor der Zeremonie am 6. Mai, bei der Hans-Dietrich Genscherdie Ehrenpromotion der UniversitätLeipzig verliehen wurde. Beim neben-stehenden Text handelt es sich daher umeine Vorproduktion. Eindrücke vom Er-eignis selbst finden Sie im nächstenJournal.

H.-D. Genscher Foto: H. R. Schulze

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Ich muss warten, bis er sein Gespräch miteinem älteren Patienten beendet hat. Gedul-dig erklärt er ihm die Vorteile seiner neuenminimalinvasiven Operationsmethode zurBehandlung von Prostatakrebs, die wir ineinem unserer letzten Hefte bereits vorge-stellt haben. Der Patient fragt immer wie-der, er ist ängstlich und will genau wissen,was auf ihn zukommt. Oberarzt Dr. med.Jens-Uwe Stolzenburg aus der Klinik undPoliklinik für Urologie unserer Universität,lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Ersucht nach einfachen Worten für die kom-plizierte Technik. Dabei spart er die Risikennicht aus, obwohl alle bisherigen Operatio-nen mit dieser Methode, das sind inzwi-schen fast 200, ausgesprochen komplika-tionsarm verlaufen sind. Am Ende atmetder Patient erleichtert auf und verabschie-det sich sichtlich ruhiger.„Wir können mit den Ergebnissen derneuen Operationsmethode sehr zufriedensein“, erläutert Dr. Stolzenburg auch mir.„Nun wollen auch andere Urologen mehrdarüber wissen“. Das hat zur Folge, dassder Oberarzt, der dieser Tage zum zweitenMal Vater wurde, viel unterwegs ist. „Ichmuss aber auch an meine Patienten den-ken“, meint er, „und meine Familie brauchtmich jetzt auch besonders.“ Da gilt es, einefeine Balance zu halten zwischen den viel-fältigen Verpflichtungen, die das Lebeneines Wissenschaftlers mit sich bringt, undder Arbeit in der Klinik sowie der Zeit fürdie Familie. „Nahezu täglich kommen Kollegen in un-sere Klinik, die die neue OP-Technik ler-nen wollen“, meint Dr. Stolzenburg. Dassdas für ihn bedeutet, nicht „nur“ zu operie-ren, sondern nebenbei zu erklären und Fra-gen zu beantworten, lässt er unerwähnt.Nicht alle wollen und können nach Leipzigkommen, deshalb laden viele Kliniken Dr.Stolzenburg zu sich ein. Als Gastoperateurim In- und Ausland kann er seine Methodeunmittelbar in den dortigen Kliniken ein-führen. So war er allein in diesem Jahrgleich zu Beginn in Linz/Östereich; im

April 2003 weilte er an der University ofSofia/Bulgarien und im August 2003 fährter nach Bristol, Großbritannien. Außerdemhat er Termine in Freiburg, Kaiserslautern,Hamburg, München und anderen Städten.Seit 2002 leitete er zudem sechs laparo-skopische OP-Kurse an der MedizinischenHochschule Hannover; jetzt wurde ihmdort eine Gastdozentur mit monatlichenTeachings übertragen. Parallel dazu testeter gemeinsam mit den Hannoveraner Uro-logen einen neuen Operationsroboter, umihn in die klinische Praxis einzuführen. Na-türlich soll diese „Technik der Zukunft“,wie er sie nennt, auch am Universitätskli-nikum Leipzig etabliert werden.Auch auf großen internationalen Kongres-sen stellt Dr. Stolzenburg seine Methodeder Endoskopischen ExtraperitonealenRadikalen Prostatektomy, kurz EERPE ge-nannt, vor. Das sind nur in diesem Jahr vierFachkongresse: im März der III. Internatio-nal Congress of Reconstructive Surgery inUrology in Hamburg, im Juni der Kongressder Österreichischen Gesellschaft für Uro-logie in Wien, im September das Internatio-nal Symposium on Prostate Cancer in Tu-rin/Italien, und, noch einmal in Hamburg,

der Kongress der Deutschen Gesellschaftfür Urologie. Dabei ist er nicht nur mit Vor-trägen vertreten, sondern auch mit Opera-tionsvorführungen, die live in die Kon-gressräume übertragen werden sollen.mDamit sind die internationalen Aktivitätennicht erschöpft. Anfang des Jahres wurdeer nach Versailles/Frankreich eingeladen,um aktiv im Faculty Board der Europäi-schen Gesellschaft für Endourologie tätigzu sein. Das bedeutet Operationstraining,Vortrag, Moderation. Seit Anfang 2002trainierte er in dreitägigen internationalenOperationskursen am Universitätsklini-kum Leipzig in bisher sieben Kursen Gästevorrangig aus Europa, vereinzelt auch ausden USA, am Tiermodell. Dabei arbeitet ermit dem Medizinisch ExperimentellenZentrum und der Klinik für Anästhesie undIntensivmedizin zusammen. Besondersfreute er sich über die große Ehre, auf demKongress der Europäischen Gesellschaftfür Urologie in Madrid, im März, alsHauptredner zum Thema LaparoskopischeChirurgie des Prostatakarzinoms eingela-den worden zu sein und über seine Beru-fung in das Editorial Board des World Jour-nal of Urology.

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Patienten, Forschung, Lehre– und ein bisschen mehrOberarzt Uwe Stolzenburg im PortraitVon Dr. Bärbel Adams

Dr. Stolzenburg (r.) und Kollegen im OP. Foto: Urologische Klinik

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Jetzt reicht es, denke ich unwillkürlich,schließlich kümmert er sich in Leipzignoch um seine Patienten sowie um seineLehrverpflichtungen. Dazu gehören meh-rere multimediale, mehrfach mit Preisenausgezeichnete CD-ROMs zu verschiede-nen Krankheitsbildern in der Urologie,Operations-Lehrvideos, und die Konzipie-rung eines innovativen neuen Aus- undWeiterbildungskonzeptes für sein Fach.Seine Habilitation hat er auch gerade ab-geschlossen. „Bleibt da tatsächlich nochZeit für die Familie?“, frage ich. Er lächelt,nun doch ein wenig müde, und sagt zu-nächst gar nichts. „Ohne meine Familiewürde ich das alles gar nicht schaffen.“,meint er dann, „Wenn die mich nicht sounterstützen würde.…“ Bestimmt weist eraber auch darauf hin, dass er das großeGlück hat, mit engagierten Kollegen zuarbeiten, und unter einem Chef, Prof. Wolf-gang Dorschner, der seine Mitarbeiter injeder Beziehung unterstützt. Dorschner ist stolz auf seinen Schüler: „Erzeigt auf internationalem Parkett wie leis-tungsfähig unsere Klinik und unsere Uni-versität ist. Um die Zukunft unseres Fachesbraucht uns nicht bange sein.“

KommunikationswissenschaftJoan HemelsGastprofessorIn diesem Sommersemester lehrt Prof. Dr.Joan Hemels als DAAD-Gastprofessor amInstitut für Kommunikations- und Medien-wissenschaft. Hemels ist Professor fürKommunikationswissenschaft mit demSchwerpunkt Kommunikationsgeschichtean der Universität Amsterdam sowie Stif-tungsprofessor Abraham Verhoeven an derUniversität Antwerpen. Im Lehrangebotdes Leipziger Instituts bietet er ein For-schungskolloquium zur historischen Zeit-schriftenforschung sowie ein historischund ökonomisch orientiertes Hauptsemi-nar zur Leser-Blatt-Bindung an. Außerdemkönnen die Studierenden ein von JoanHemels gemeinsam mit Arnulf Kutschangekündigtes Hauptseminar zur Kom-paratistik der Mediensysteme der deutsch-sprachigen und der Benelux-Staaten be-suchen. Dies ist eine wichtige Ergänzungdes Leipziger Lehrangebotes, das traditio-nell das französische, britische und nord-amerikanische Mediensystem sowie ost-und mitteleuropäische Mediensysteme be-trachtet.

„Der Postkolonialismus versteht die Weltals Welt mit einem Himmel – aber mitunterschiedlichen Horizonten.“ Ein Satz,eine Geisteshaltung. Gesagt und verkör-pert von einem Mann: Prof. Dr. DavidSimo, Leibniz-Professor an der UniversitätLeipzig im laufenden Sommersemester,erster Germanist und erster Afrikaner indieser Rolle.Für ihn ist die Berufung nach eigenen Wor-ten „eine Ehre“. An der Universität darfman hoffen auf „eine Bereicherung fürunsere Sicht der Dinge“, wie es Prof. Dr.Monika Krüger, Prorektorin für Lehre undStudium, vor Simos AntrittsvorlesungAnfang April formulierte. Schon in ebendieser Vorlesung deutete der 52-JährigeKameruner an, wie interessant seine Lehr-veranstaltung werden dürfte. „Literaturund Kultur im Zeitalter der Globalisierung.Postkoloniale Ansätze und Versuche, vonder Peripherie aus zu sprechen“ war dieVeranstaltung im Zentrum für HöhereStudien überschrieben. Simo brachte zumAusdruck, wie wichtig es für Europäer sei,abseits vom Eurozentrismus Stimmen ausder Peripherie anzuhören, um des eigenenSelbstverständnisses willen. Er stellteseine Überlegungen dar, nach denen derPostkolonialismus auch die Philologienbeeinflusst hat.Er selbst ist das beste Beispiel dafür. Ge-boren 1951 in Baham (Kamerun) studierteer Germanistik, Anglistik, Afrikanistik undPolitikwissenschaft an den UniversitätenAbidjan (Elfenbeinküste) und Saarbrü-cken. 1979 promovierte er an der Univer-sität Metz mit einem Literaturvergleichdeutscher antifaschistischer und afrikani-scher antikolonialistischer Autoren. 1991legte er an der Universität Hannover seineHabilitation zum Werk des deutschenSchriftstellers Hubert Fichte vor, der sichselbst als Außenseiter der europäischen

Gesellschaft empfand. Seitdem verfolgtSimo einen kulturwissenschaftlichen An-satz, der die Erfahrungen eines afrikani-schen Intellektuellen in der BetrachtungEuropas und seinen Blick auf die außer-europäische Welt zu verarbeiten sucht. Ge-rade mit seinen sprachsoziologischen undkulturwissenschaftlichen Analysen zurIdentität im modernen Afrika gilt der Ka-meruner heute international als produkti-ver Publizist und gesuchter Kooperations-partner.1997 wurde Simo an die Spitze des Philo-logischen Instituts der Universität Yaoundé(Kamerun) berufen. Er bemüht sich, einepanafrikanische intellektuelle Bewegungaufzubauen, die dem verhängnisvollenWirken von Nationalismus und ethnischenSpannungen entgegentreten kann.

Carsten Heckmann/Daniela Weber

Lehrveranstaltung von Prof. Simo:„Postkolonialer Diskurs und Literatur-bzw. Kulturwissenschaft“, Vorlesung frei-tags 9:30 bis 11 Uhr, Kolleg 11:15 bis12:45 Uhr im Zentrum für Höhere Studien,Emil-Fuchs-Str. 1, Raum 3.16.

Weitere Informationen im Internet:www.uni-leipzig.de/zhs/zhs/leibniz/index.htm

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Ein Mann öffnet HorizonteDer Germanist David Simo aus Kamerun übernahm die Leibniz-Professur

David Simo Foto: Armin Kühne

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Levin L. SchückingGroßer LeipzigerAnglist wurdevor 125 Jahrengeboren

Die deutscheAnglistik konnteselten großeLichter aufwei-sen, die über ihrFach hinaus ge-wirkt haben –anders als etwadie Romanistik,die sich eines E. R. Curtiusoder eines ErichAuerbach rüh-men konnte.Eine Ausnahmeist jedoch zu nennen, und diese ist eng mitder Leipziger Universität verbunden: LevinSchücking, der am 29. 5. vor 125 Jahren immünsterländischen Burgsteinfurt geborenwurde.Noch heute ist sein Name selbst Nicht-An-glisten vage vertraut, auch wenn sie ihn oftmit seinem Großvater Levin Schückingverwechseln, dem Schriftsteller undFreund von Annette Droste-Hülshoff. Auchder Anglist hatte eine literarische Ader. Inseiner Jugend schrieb er Gedichte und inseiner Wissenschaft zeigte er ein besonde-res Gespür für die kreativen Ursprünge derTexte und ihre Autoren. Nach Dozenturenin Jena und Breslau folgte Schücking 1925einem Ruf an die Universität Leipzig. Erhatte über angelsächsische Sprache undLiteratur gearbeitet sowie über die Komö-die, doch in den zwei Jahrzehnten in Leip-zig fand er seine eigentliche Aufgabe:Literaturgeschichte als Geschmacksge-schichte zu lesen (Soziologie der literari-schen Geschmacksbildung, 1931) sowiedas Werk Shakespeares umfassend zuinterpretieren und zu edieren. So gab er diegroße Schlegel-Tieck-Ausgabe heraus undeine zweisprachige Edition von Shake-speare, die bis heute erhältlich ist. SeineStudie Der Sinn des Hamlet ist die ersteInterpretation, die das größte DramaShakespeares Szene für Szene erfasst.Seine Shakespeare-Studien, die ihm Welt-ruf einbrachten, sind immer eingebettet indie kulturellen Kontexte der Zeit. Schü-

cking legte damit auch die Grundlageneiner Literatursoziologie, die nach der Re-zeption ebenso fragt wie nach den ökono-mischen und kulturellen Bedingungenkünstlerischer Arbeit.Heute wird oft von der kulturwissenschaft-lichen Ausrichtung in den Geisteswissen-schaften geredet, als sei dies die neuesteErkenntnis. Ein Blick auf SchückingsLebenswerk dürfte uns eines Besserenbelehren. Für Schücking war die Kulturselbstverständliche Voraussetzung literari-schen Schaffens wie auch seiner Interpre-tation. Auch aus diesem Grund war derLeipziger Anglist den Nationalsozialistensuspekt. Man versuchte, ihn aus der Lehrezu entfernen, zumal er den Ruf eines libe-ralen Demokraten und Kosmopoliten hatte,man setzte Spitzel auf ihn an und übteDruck auf ihn aus. Es war unter anderemsein internationaler Ruf, der das Regimedaran hinderte, Schücking zu entlassen.Von seiner Emeritierung 1945 bis zu sei-nem Tod im Jahre 1964 lebte er in Far-chant/Oberbayern, nahm aber noch Lehr-verpflichtungen in Erlangen und Münchenwahr. Zu seinem achtzigsten Geburtstagschrieb der Anglist Wolfgang Clemen:„Schückings wissenschaftliches Werk istin seiner Thematik und Methode vielfälti-ger und umfassender als das irgendeinesanderen deutschen Anglisten der letztenJahrzehnte.“ Noch heute lesen sich seinejargonfreien und verständlich geschriebe-nen Texte zur englischen Kultur und Lite-ratur unverstaubt, frisch und lehrreich.

Elmar Schenkel, Institut für Anglistik

Kurz gefasstProf. Dr. Georg Vobruba, Institut fürSoziologie, ist seit März Mitglied des Vor-stands der Deutschen Gesellschaft fürSoziologie und Herausgeber von „Soziolo-gie. Forum der Deutschen Gesellschaft fürSoziologie“.

Auf der ANAKON 2003, dem Dreiländer-Forum Deutschland, Österreich, Schweizder Analytiker in Konstanz, erhielt Dr.Therese Koal einen der drei vom Arbeits-kreis Separation Science der GesellschaftDeutscher Chemiker (GDCh) vergebenenDoktorandenpreise. Frau Koal wurde fürihre im Institut für Analytische Chemie an-gefertigte Promotionsarbeit mit dem Titel„Untersuchungen zur Online-Kombinationvon Festphasenextraktion, Hochdruckflüs-sigchromatographie und Tandem-Massen-

spektrometrie für die schnelle und simul-tane Bestimmung von Pestiziden in Wäs-sern“ ausgezeichnet.

Neuer Präsident der Deutschen DiabetesGesellschaft (DDG) ist Prof. Dr. WielandKiess, Direktor der Klinik und Poliklinikfür Kinder und Jugendliche. Prof. Kiesswurde zudem in den Koordinierungsaus-schuss für Desease Mangement-Pro-gramme zum Thema „Diabetes“ berufen.Der Koordinierungsausschuss hat die Be-treuungskanäle chronisch Kranker inDeutschland zu definieren und zu organi-sieren.

Die Deutsche Veterinärmedizinische Ge-sellschaft vergab zwei von drei Nach-wuchswissenschaftlerpreisen an die Veteri-närmedizinische Fakultät unserer Univer-sität. Einen Preis erhielt Dr. Reinhard K.Straubinger, Leiter der BBZ- Nachwuchs-gruppe „Molekulare Infektionsmedizin“am Institut für Immunologie für seineinternational anerkannte wissenschaftlicheArbeit, insbesondere seine Arbeit zur kani-nen Lyme-Borreliose. Einen weiteren Preiserhielt Dr. Jörg R.Aschenbach vom Vete-rinärphysiologischen Institut für seine Ar-beiten über Pansenazidose und die Entgif-tung von biogenen Aminen.

Prof. Dr. Dr. Ortun Riha, Direktorin desInstitutes für Geschichte der Medizin undder Naturwissenschaften, wurde in die ma-thematisch-naturwissenschaftliche Klasseder Sächsischen Akademie der Wissen-schaften aufgenommen.

GeburtstageTheologische Fakultät60. GeburtstagProf. Dr. Dr. Günther Wartenberg, Dekan, Insti-tut für Kirchengeschichte, am 17. Mai

Medizinische Fakultät70. GeburtstagProf. Dr. med. Dieter Hörmann, ehem. Klinikund Poliklinik für Diagnostische Radiologie,am 4. MaiProf. Dr. med. Hans-Georg Schulz, ehem. Kli-nik und Poliklinik für Diagnostische Radiolo-gie, am 21. Mai

Der Rektor der Universität Leipzig und die De-kane der einzelnen Fakultäten gratulieren herz-lich.

(Die Geburtstage werden von den Fakultätengemeldet. Die Redaktion übernimmt für die An-gaben keine Gewähr. Dies gilt auch für derenVollständigkeit.)

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Levin L. SchückingFoto: Uni-Archiv

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Neuberufen:

Sebastian Lentzhat am 1. April den Lehrstuhl für RegionaleGeographie am Institut für Geographiesowie die Leitung des Leibniz-Instituts fürLänderkunde Leipzig e. V. übernommen.Der Professor schwärmt von der „Band-breite der Tätigkeiten“, die ihm diese bei-den Institutionen böten und die „als orga-nisatorische wie wissenschaftliche Heraus-forderung kaum zu überbieten“ sei. „InLeipzig und unmittelbarer Umgebung istderzeit eine in Deutschland einmaligeKompetenz in Sachen Osteuropa konzen-triert. Diese Kompetenz für die interdiszi-plinäre Forschung in Wert zu setzen, halteich für eine sehr reizvolle Aufgabe.“Sebastian Lenz wurde 1957 in Trier gebo-ren. Er studierte in den Jahren 1976 bis1984 an den Universitäten Heidelberg undMannheim Geologie, Geographie, Germa-nistik und Pädagogik. 1988 promovierte erzum Thema „Agrargeographie der bünd-nerischen Südtäler Val Müstair und ValPoschiavo. Seine Habilschrift (1999) trägtden Titel „Wohnsegregation im postsozia-listischen Moskau – Transformationsphä-nomen oder sowjetisches Erbe?“.In Moskau war Lentz von 1995 bis 1999mehrfach als Gastdozent an der Lomonos-sov-Universität tätig. Innerhalb der Sozial-geographie hat er sich zudem auf Europa,Osteuropa, das Gebiet der ehemaligenSowjetunion und Zentralasien speziali-siert. Derzeit arbeitet er u. a. an einer Pu-blikation über den Wandel der Komponen-ten natürlicher Bevölkerungsentwicklungunter dem Einfluss gesellschaftlicherTransformation in Russland.2001 vertrat Lentz erstmals die Professorfür Anthropogeographie an der UniversitätErfurt, 2002 übernahm er den Lehrstuhl.Dieses Gebiet gehört ebenso zu seinenSpezialitäten wie geographische Informa-tionssysteme. Außerhalb seines Fachs be-schäftigt sich der dreifache Vater zudemmit der Kartographie. Privat hat er Volley-ball als Leistungssport betrieben. Heutespielt er noch gerne Beachvolleyball, aberauch Tennis. C. H.

Neuberufen:

Uwe Truyenarbeitet seit 1. April als Professor für Epi-demiologie am Institut für Tierhygiene undÖffentliches Veterinärwesen. Die Veteri-närmedizinische Fakultät findet der Neu-zugang „im bundesweiten Vergleich ge-messen an den Studenten- und Professo-renzahlen klein, aber wissenschaftlich sehraktiv“. Dass sein Fach, die Epidemiologie,in Leipzig an die Tierhygiene angebundensei, schaffe u. a. die Möglichkeit, es in dietierärztliche Ausbildung zu integrieren.Truyen gibt aber auch private Gründe fürseinen Umzug an: „Leipzig ist eine außer-ordentlich attraktive Stadt mit einem hohenEntwicklungspotenzial. Wir möchten dieseEntwicklung miterleben.“„Wir“, das sind Truyen, seine Frau undzwei Töchter. Der vorherige Wohnort derFamilie lag in Bayern. Seit 2001 leitete dergebürtige Braunschweiger das Zentral-institut des Tiergesundheitsdienstes Bayerne. V. in Poing bei München. Seine Statio-nen davor: 1990 wissenschaftlicher Assis-tent am Institut für Virologie der Tierärzt-lichen Hochschule Hannover, 1991–93Postdoctoral Fellow am New York StateCollege of Veterinary Medicine, 1993–99Wissenschaftlicher Assistent am Institutfür Medizinische Mikrobiologie, 1999 bis2001 Professor für Infektiologie und Mo-lekulare Epidemiologie, jeweils an derUniversität München, wo Truyen sich auchhabilitierte. Studiert hatte er zunächstChemie in Hannover, dann Tiermedizin inGießen und wieder in Hannover.Neben der Epidemiologie zählen zu denSpezialgebieten des 42-Jährigen auch dieDiagnostik von Infektionskrankheiten, dieSeuchenhygiene und die Tierseuchenbe-kämpfung. In einer der wichtigsten Ver-öffentlichungen, an denen er mitwirkte,wird die Diagnostik des ersten BSE-Fallsin Deutschland in einem aus England im-portierten Rind beschrieben.Außerhalb seiner Arbeitszeit betätigt sichUwe Truyen gern sportlich und ist außer-dem mit dem Fotoapparat unterwegs – undnatürlich mit seiner Familie. C. H.

Neuberufen:

A. Einspanierverstärkt das Team der Wissenschaftler ander Veterinärmedizinischen Fakultät. Prof.Almuth Einspanier ist Expertin für Repro-duktionsbiologie und die damit zusam-menhängenden Erkrankungen. Die gebürtige Hannoveranerin war zuletztin Göttingen am Deutschen Primatenzen-trum tätig. Dort baute sie die Neue-Welt-Affenkolonie auf und war dann für dasManagement und die tiermedizinische Ver-sorgung zuständig. Nach zwölf Jahrenhatte sie „den dringenden Wunsch, denBlickwinkel zu ändern“, so Einspanier, undnahm „vom guten Image der Veterinärme-dizinischen Fakultät in Leipzig angezogen“den Ruf auf eine C3-Professur für Endo-krinologie an. Zudem präsentierte sich ihrLeipzig als „eine Stadt der scheinbar un-begrenzten wissenschaftlichen Möglich-keiten“. Mit ihren Max-Planck-Instituten,dem Interdisziplinären Zentrum für Klini-sche Forschung, dem Biotechnologisch-Biomedizinischen Zentrum und dem Zoofand sie ein hervorragendes wissenschaft-liches und ein entstehendes wirtschaft-liches Potential für ihre Arbeit. Für den Zoo will sie den endokrinologi-schen Service ausbauen, vor allem in Be-zug auf die Trächtigkeit von Tieren. „Gra-vidität (Schwangerschaft) und Ernährung“ist einer ihrer Forschungsschwerpunkteund „Gravidität und Stress“. Letzteresspielt in der Zucht eine beträchtliche Rolle,denn der Züchter muss alle Faktoren ken-nen, die sein Zuchtergebnis beeinflussenkönnten. Die Schwangerschaft beim Tierhat die Veterinärmedizinerin von Beginnihrer Tätigkeit her begleitet. So hat sie sichschon in ihrer Dissertation mit Regula-tionsmechanismen um den Ovulationszeit-punkt beschäftigt. Auch in ihrer Habilita-tion ging es um Reproduktionsbiologie.Außerhalb der Arbeitszeit hat bei Einspa-nier neben der Familie auch ein Tier das Sa-gen. „Ein laufbegeisterter Hund okkupiertviel Freizeit“, sagt sie. Allerdings muss erbei musikalischen und literarischen Veran-staltungen daheim bleiben. B. A.

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NOMEN

Namenforscher Prof. Jürgen Udolph zurHerkunft des Namens „Einspanier“

Der seltsam wirkende Familienname Ein-spanier ist in Deutschland gar nicht soselten. Unter 40 Millionen Telefonteilneh-mern findet er sich 60-mal. Seine Verbrei-tung ist fast ganz auf die alten Bundeslän-der beschränkt, die meisten Namen gibt esin Nordrhein-Westfalen und in Nieder-sachsen.Bei einem Vergleich mit anderen, ähn-lichen Namen wird deutlich, dass er mit„Spanien“ oder „Spanier“ nichts zu tun hat.In Deutschland gibt es folgende ganz ähn-lich klingende Familiennamen: 22-malEinspannier, 12-mal Einspänner, 23-malEinspenner. Daraus wird klar, wie derName zusammengesetzt ist; auszugehen istvon einer Kombination aus ein + spannen,und damit kommt man in den Bereich derFuhrleute. Während A. Heintze, P. Ca-scorbi, Die deutschen Familiennamen, 7.Aufl., Halle/S. 1933, S. 181 der Meinungsind, daß ein „Einspenner“ jemand sei, derein Pferd besitzt (im Bergbau gilt auch dieSpezialbedeutung: „wer eine eigene Zecheallein baut“), ist für J. K. Brechenmacher,Etymologisches Wörterbuch der deutschenFamiliennamen, Bd. 1, Limburg (Lahn)1957–1960, S. 391 ein „Einspänner“ oder„Einspenner“ ein Mann, „der mit einemZugtier fährt“. Daneben gebe es aber nochdie häufigere Bedeutung „Berittener, derangeworben kann“. Als ältesten Belegnennt er Martin Ainspenig, 1570 in Bayernerwähnt.Ein Blick in den von Jacob und WilhelmGrimm noch selbst bearbeiteten drittenBand des deutschen Wörterbuchs bietet dieBasis für die Bedeutungsnuancen: sie füh-ren Einspänner in der Bedeutung „Fuhr-knecht“ an, aber auch – da ein nur auseinem Pferd bestehendes Fuhrwerk alsminderwertig gegenüber einem Doppel-spänner galt – als „geringer Fuhrmann,Halbspänner“.Nachdem die ursprüngliche Bedeutungvon „Einspänner“ den Sprechern verlorengegangen war, kam es zu (sinnlosen) Um-deutungen: 3-mal lässt sich der Familien-name Einspinner belegen, 6-mal Einspen-der und eben 60-mal Einspanier.

HabilitationenMedizinische FakultätDr. Mario Koksch (4/03):Durchflusszytometrische Diagnostik humanerThrombozyten

Philologische FakultätDr. Roland Kühnel (4/03):Die Globalisierung und ihre sprachlichen Folgen –Französisch und Englisch in den Stadtsprachen vonBeirut und Casablanca

PromotionenFakultät für Physik und Geowissenschaftenjeweils 2/03:Jörg Roland:HR-MAS-NMR-Untersuchungen zur Strukturände-rung und Dynamik von adsorbierten Molekülen inZeolithenAleksandr Rozenberg:Otolithen mariner Teleosteer aus dem Obereozän/Unteroligozän des Ostparatethys-Nordseebecken-Raumes: Bestandsaufnahme der auf Otolithen basie-renden Fischfaunen sowie biostratigraphische undpaläobiogeographische Vergleiche und AnalyseKatrin Weih:Bewegungskorrektur in der diffusionsgewichtetenMagnetresonanzbildgebungjeweils 3/03:Uta Reibetanz:Altersabhängige Entwicklung der kollagenen Netz-werkstruktur im artikulären Knorpel verschiedenerSpezies – Untersuchungen mit NMR-Mikroskopie,Energiedispersiver Röntgenspektrometrie, Transmis-sionsmikroskopie und PolarisationsmikroskopieOliver Marcel Geier:Die Diffusion unter dem Einfluß der zeolithischenRealstrukturJan Richter:Nonlinear Dynamics of Models Describing Th1-Th2Regulation, Allergy and Venom Immunotherapy

Philologische FakultätJana Dörschmann (2/03):Das Freie Lesen. Eine handlungsorientierte Leseför-derung im Sekundarschulbereich I mit einer entspre-chenden Motivierung für leseferne Kinder und Ju-gendlicheClaudia Angehrn (2/03):Territorium Theater. Körper, Macht, Sexualität undBegehren im dramatischen Werk von Eduardo Pav-lovsky.

Fakultät für Geschichte, Kunst- undOrientwissenschaftenjeweils 12/02:Ina Pukelyte:Funktionen der Bildmedien in Theaterinszenierungender neunziger Jahre des 20. JahrhundertsGeorg Wilhelm:Evangelische Kirche in Leipzig 1933 bis 1958. Kir-chenpolitik moderner Diktaturen und ihre Auswir-kungen im regionalen KontextDr. theol. Andreas Gößner:Die Studentenschaft an der Universität Wittenberg.Studien zur Kulturgeschichte des studentischen All-tags und zum Stipendienwesen in der zweiten Hälftedes 16. Jahrhundertsjeweils 1/03:Jens-Uwe Lahrtz:Nationalsozialistische Sondergerichtsbarkeit in Sach-sen. Das Beispiel der Verfolgung der Zeugen Jehovasin den Jahren von 1933 bis 1940

Dawit Eshetu:Building a competitive manufacturing sector in Ethio-pia. Determinants, challenges and problems of com-petitiveness based on a study on the leather sectorTatjana Böhme-Mehner:Die Oper als offenes autopoietisches System im SinneNiklas Luhmanns?Aline Betta Epouma:Die Rolle der Europäischen Entwicklungszusammen-arbeit im Bereich der Friedenskonsolidierung in Post-War-Regionen Afrikas. Eine vergleichende Studie zuLiberia und Ruanda Claudia Weber (2/03):Auf der Suche nach der Nation. Erinnerungskultur inBulgarien 1878–1944

Fakultät für Mathematik und InformatikRobert Müller (12/02):Event-Oriented Dynamic Adaption of WorkflowsVladimir Stankovic (1/03):Efficient Transmission of Multimedia Data overNoisy Channels

Fakultät für Sozialwissenschaftenund PhilosophieAndreas Mai (2/03):Die Erfindung und Einrichtung der Sommerfrische.Zur Konstitutierung touristische Räume in Deutsch-land im 19. Jahrhundert

Medizinische Fakultätjeweils 4/02:Madeleine Franke:Der Einfluss einer mehrstufigen Fahrradergometer-Belastung auf die Alpha-Amplitude des menschlichenEEGElisabeth Hage:Thrombophilie in Schwangerschaft und Wochenbett.Bewertung des individuellen ThromboserisikosSven Harnack:Nephelometrische Referenzwertbestimmung des Im-munglobulin G und seiner Subklassen bei Kindernund Jugendlichen im Alter von 6 bis 18 JahrenStephanie Jüttemann:Wertigkeit der Magnetresonanztomographie in derDiagnostik von InnenohrmissbildungenThomas Michael Kapellen:Häufigeres Auftreten von Zehen- und Nagelbettent-zündungen bei Jugendlichen mit Diabetes mellitusTyp 1 im Vergleich zu gesunden JugendlichenChristian Kittel:Die Kriegsbeschädigtenfürsorge im Ersten Weltkriegunter der besonderen Berücksichtigung der Stiftung„Heimatdank“Einar Köhler:Einfluss von L-Carnitin auf klinisch-chemische Para-meter bei Patienten mit ischämischer Kardiomyopa-thieBirgit Köppe:Die Beurteilung der Stimmqualität von primär radio-therapeutisch behandelten Patienten mit Larynxkarzi-nom mittels subjektiver und objektiver MethodenAchim Lunkeit:Anwendung und Stellenwert des pEEG zur zerebro-vaskulären Ischämiedetektion in der KarotischirurgieIvonne Neumann:Die Ausdehnung des lumbalen Spinalkanals, gemes-sen anhand der postmyelographischen Computerto-mographie, unter Berücksichtigung der klinischenSymptomatikMaria Kerstin Pawelka:Die Mammaszintigraphie und ihr Stellenwert in derDiagnostik des Mammakarzinoms – eine Analyse derMammaszintigraphien der Praxis für Nuklearmedizinam Städtischen Klinikum „St. Georg“ Leipzig vonApril 1995–Juli 2000Lutz Scheibner:Die Behandlung des Ventilations-Perfusions-Missver-

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hältnisses nach schwerem Thoraxtrauma durch An-wendung des Open Lung ConceptsVolkmar Schwarz:Postoperative Frühkomplikationen in der Unfallchi-rurgie am Beispiel hüftnaher Femurfrakturen desälteren MenschenJörg Törpel:Behandlungsergebnisse des Hypopharynxkarzinomsnach primärer StrahlentherapieAndrej Udelnow:Pharmakodynamische 1H-Nuclear Magnetic Reso-nance-spektroskopische und High Pressure LiquidChromatography-Untersuchungen zur Einzel- undKombinationstherapie von humanen und murinen Tu-morzellinien mit 5-Fluorouracil und OmeprazolKai Friedrich Wolf:Relevanz klinischer, psychosozialer und soziodemo-graphischer Faktoren hinsichtlich des Resultates deroperativen Therapie degenerativer lumbaler Wirbel-säulenerkrankungenOlaf Neumann:Metaanalyse dreier Studien über den Einfluss vonLuftverunreinigungen auf den Zeitpunkt der erstenDentination im Leipziger Raumjeweils 5/02:Mathias Bebobru:Untersuchungen zur Wirksamkeit des enzymatischenReinigers ENDOZIME bei der Aufbereitung flexiblerEndoskope (Koloskope)Kerstin Dann:Beziehungen zwischen Therapieprozess und langzeit-katamnestisch gesichertem Ergebnis in der stationä-ren PsychotherapieTorsten Dietrich:Der alloarthroplastische Kniegelenksersatz mit demAGC-V2-System – perioperative Aspekte und mittel-fristige Ergebnisse bei 116 FällenSchirin Drews:Mikroskopische, biochemische und immunhistoche-mische Untersuchungen an der Niere von Ratten mitStreptotocin-induziertem Diabetes mellitus und unterGabe von Ginko biloba-Extrakt und mit HypoxieMichaela Drößler:Karyometrisch fassbare Alternsveränderungen undGeschlechtsunterschiede der menschlichen LeberUlrich Clemens Elefant:Untersuchungen zu schriftpsychologischen Erkennt-nissen über Patientinnen mit Anorexia nervosa oderBulimia nervosaNadine Fröhlich:Morphogenese der Amyloid-Plaques bei der Alz-heimerschen Erkrankung. Zusammenhang zwischenPlaqueverteilung und KortexreliefAnne Harmel:Maladaptive Beziehungsmuster von Patientinnen mitder Diagnose Persönlichkeits- bzw. Borderlinestö-rungSilvia Haselbach:Neuroprotektion durch Phophatidylcholin, Tetrahy-droaminoacridin oder 1-amino-3,5-dimethyladaman-tane an einem Tiermodell der chronisch neurotoxi-schen SchädigungKai Uwe Herenz:Über die Darstellung der intrazisternalen Hirnnervenin der CISS-3-D-Sequenz mit besonderer Berück-sichtigung von Gefäßnervenkontakten im Bereich desNervus trigeminus bei symptomatischen und asymp-tomatischen Patienten. Eine Studie über Untersu-chungen aus den Jahren 1997 bis 1999Alexander Herrmann:Untersuchungen zum Blutdruckverhalten unter Sub-stitutionstherapie bei Patienten mit angeborenemAdrenogenitalem SyndromKristin Herrmann:Untersuchungen des Codon 727-Polymorphismus desTHS-Rezeptors bei Patienten mit toxischer Schild-drüsenautonomie im Vergleich zu Patienten mit Mor-bus Basedow und Normalpersonen

Ines Körner:Serologischer Nachweis von Antikörpern gegen Chla-mydia pneumoniae-Lipopolysaccharid bei Athero-sklerosemanifestation in unterschiedlichen Gefäß-regionenEckhard Lucke:Untersuchungen zur Anwendbarkeit der modifizier-ten o-Phthaldialdeyd-Methode zur Qualitätsprüfungder Reinigungsleistung von Reinigungs-Desinfek-tionsautomatenMaren Pagel:Vergleichende Untersuchungen von Patienten mitSuizidabsichten in verschiedenen ZeiträumenKirsten Papsdorf:Therapieergebnisse der Bestrahlung maligner Gliome– Retrospektive Analyse eines Achtzehnjahreszeitrau-mesSolveig Schimmel:Der subdurale Erguss im KindesalterHenning Stenzel:Pathologisch-anatomische Befunde bei verstorbenenPatienten mit Eingriffen am Klappen- und Gefäß-apparat des HerzensPeter Stephan:Gallensteinleiden im KindesalterGertraud Claudia Wagner:Therapeutisches Reiten – eine Bestandaufnahme imFreistaat SachsenGerd Zündorff:Neuropsychologische Untersuchungen bei Patientenmit obstruktivem Schlaf-Apnoe-Syndrom vor undnach sechsmonatiger CPAP/BiPAP-TherapieJan Fischer:Ansätze zur morphometrischen Beurteilung von peri-neuronalen Netzen und Gliose im primären somato-sensorischen und motorischen Cortex alter RattenOlrik Land:Die Medizingeschichte der Stadt Grimma: Eine epo-chenübergreifende ÜbersichtClaudia Richter:Untersuchungen zur Pilzsporenkonzentration in derInnen- und Außenluft im Bereich des Bettenhausesdes Universitätsklinikums LeipzigUlrike Späte:Untersuchungen zur Aktivität des Transkriptionsfak-tors NF-kB in der Skelettmuskulatur von Patientenmit chronischer Herzinsuffizienzjeweils 6/02:David Breuer:Elektrophysiologischer und psychophysiologischerNachweis von Adaptionsvorgängen durch visuelleMuster- und BewegungsreizeChristiane Damm:Die Wirkung von Aprotinin auf Blutverlust, Trans-fusionsbedarf und auf das Hämostase-Fibrinolyse-System bei der Operation des HarnblasenkarzinomsJan Dornbusch:Untersuchungen zur räumlichen und zeitlichenVerteilung neuer Stäbchenzellen in der Netzhaut vonFischen der Spezies Haplochromis burtoni (Cich-lidae)Jan Ernstberger:Postnatale Proliferation und Gliadifferenzierung derRetina im Vergleich von homozygot belasteten undgesunden Tieren an einem Mikrophthalmusmäuse-stammClaudia Ernstberger:Postnatale Proliferation und Gliadifferenzierung derRetina im Vergleich von heterozygot belasteten undgesunden Tieren eines Mikrophthalmusmäusestam-mesAnnett Feist:Schwangerschaftskonflikte – Schwangerschaftskom-plikationen; Die Betrachtung psychosozialer Aspekteund deren Auswirkungen auf den Schwangerschafts-verlauf unter Berücksichtigung der vorzeitigen We-hentätigkeit, Frühgeburtlichkeit und intrauterinenWachstumsretardierung

Thomas Christian Fischer:Untersuchungen zur Qualitätskontrolle der Schnell-schnittdiagnostik von SchilddrüsenbiopsienAnett Große:Sind intraoperative Klappenabstriche zur Erreger-diagnostik bei infektiöser Endokarditis sinnvoll?Daniela Hieronymus:Einfluss spermatologischer Parameter auf den Erfolgverschiedener Methoden der assistierten Reproduk-tionAlexandra Kirseck:Histomorphologische Untersuchungen des unterenHarntraktes der Katze – Ist die Katze ein geeignetesTiermodell in der urologischen ForschungMichael Knoll:Die Behandlung der medialen Schenkelhalsfrakturdes alten Menschen – frühfunktionelle Ergebnissenach operativer Versorgung – eine retrospektive Stu-die im Diakonissenkrankenhaus Leipzig von 1991 bis1995Perikles Kolokythas:Experimentelle Masernenzephalitis in Inzucht-Rat-tenstämmen: Untersuchungen zur Kinetik der Inva-sion und Lokalisation von virusspezifischen Helfer T-Lymphozyten im ZNSJohannes Köster:Kognitive Störungen nach Infarkten der Arteria cere-bri media unter Berücksichtigung bestimmter Risiko-faktorenKatja Kraus:Der Partikel-vermittelte Gentransfer einer Kombina-tion der Gene für Interleukin 12, Interleukin 2, Inter-ferron gamma und B7-1 (CD80)zur Therapie solidermaligner Tumore am Modell des murinen B16-Mela-nomsIris Krautheim:Konservative Therapie und Minimalosteosynthesenbei proximalen HumerusfrakturenClemens Möhr:Erweitertes hämodynamisches Monitoring unter Ein-satz der transösophagalen Doppler-Sonographie –Möglichkeiten und GrenzenKlaus-Alexander Müller:Einfluss von Urodilatin auf die Reaktivität isoliertermenschlicher A. thoricica interna PräparateJoseph Nounla:Apophysenverletzungen des Beckens und der unterenExtremität im KindesalterAndreas Pawelka:Die Versorgung proximaler Femurfrakturen mit einemneuentwickelten langen Gammanagel (LGN 10mm) – Vergleich mit dem handelsüblichen LGN 11mmAnalyse einer prospektiven Untersuchung im Zen-trum für Traumatologie mit Brandverletztenzentrumam Städt. Klinikum „St. Georg“ Leipzig von Mai1998 bis Januar 2000Andreas Pflug:Polarisationsoptische und immunhistochemischeUntersuchungen an den kollagenen Strukturen derValva bicuspidalis – Vergleich zwischen Herzgesun-den und Hypertonikern im mittleren LebensalterMarkus Thomas Scheibel:Analyse operativer Zugangswege in der Kniegelenk-sendoprothetik unter besonderer Berücksichtigungder Subvastus- und MidvastustechnikIrina Schmidt:Hemmung von Monozyten/Makrophagen-Funktio-nen durch Dexamethason-enthaltende Phosphatidyl-cholin-Liposomen (DxM-Liposomen) in vitroJohannes Maria Paul Schneider:Transmyokordiale Revaskularisation mit dem Hol-mium: YAG-Laser bei end-stage koronarer Herzer-krankung (Drei-Jahres Ergebnisse bei Anwendungdes Verfahrens als alleinige Therapieform und inKombination mit einer aortokoronaren Bypass-operation)Jörg Schwock:Untersuchungen zur Strukturbildung heterooligome-

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rer Enzyme am Beispiel der Phosphofructokinase-1aus Saccharomyces cerevisiaeFriederike Thoss:Untersuchungen der raschen Helladaption des visuel-len Systems des Menschen durch Bestimmung dersubjektiven und der elektroretinographischenSchwelleTobias Wallmann:Zur Funktionsdiagnostik der Papilla Vateri und denAbflussstörungen des distalen Choledochus im Zei-traum der offenen Gallenwegschirurgie – Eine Aus-wertung der kombinierten per- und postoperativenRadiomanometrie und Debitmetrie im Kreiskranken-haus Schkeuditz von 1979 bis 1993Jochen Wendler:Computertomographische Strukturanalysen von Le-bermetastasen kolorektaler KarzinomeCornelia Baumhardt:Dreidimensionale Modellanalysen zur Entwicklungdes bezahnten Oberkiefers bei Patienten mit linkssei-tiger Lippen-Kiefer-GaumenspaltePhilipp-Matthias Gabriel:Experimentelle und klinische Bewertung von Kondi-tionierungsvarianten bei adhäsiven RestaurationenTorsten Grande:Zur präoperativen Größenbestimmung von Hüftendo-prothesenKarl-Friedrich Krey:Histologische, histochemische und immunhistoche-mische Charakterisierung spaltrandnaher velarerMuskulatur bei Patienten mit Lippen-Kiefer-Gau-menspalten und isolierten GaumenspaltenJulia Müller:Wirkung von Lysophospholipiden auf die oxidativeAktivität neutrophiler Granulozyten und Charakteri-sierung der sekretorischen PLA2Rosita Rausenberger:Differenzierung von Lymphozytensubpopulationenim peripheren Blut von Frauen mit normalem, ge-störtem und stimuliertem Zyklusjeweils 7/02:Aiman Attrasch:Analyse der Todesfälle einer geriatrischen Akutabtei-lung an Hand von Krankenunterlagen der Jahre 1993bis 1996Kirsten Busecke:Zur Zytoarchitektur des menschlichen ColliculussuperiorKlemens Donaubauer:Untersuchungen zum Harnstoffgehalt des Stratumcorneum der Epidermis bei dermatologischen Er-krankungen sowie unter Einfluss von aminosäurehal-tigen ExternaAntje Dube:Analyse differentiell exprimierter Proteine in der Ske-lettmuskulatur bei Patienten mit chronischer Herzin-suffizienz mittels Zweidimensionaler ElektrophoreseJulia Engler:T-Zellreaktivität gegen das Inselzellantigen IA-2 beimTyp 1 DiabetesUte Helm:Untersuchungen der rötelnspezifischen humoralenImmunantwort des Menschen gegen die Hüllproteinedes Rötelnvirus im WesternblotHolm Illig:Das Herzinfarkt- und Schlaganfallregister der StadtZwickau für die Jahre 1994 und 1995 im Rahmen desWHO-Projektes MONICAAlexander Krieghoff:Untersuchungen der postoperativen Phase nach end-oskopischen Cholezystektomien unter Berücksichti-gung des Einsatzes von Desfluran im Vergleich zu Iso-fluranMartin Krüger:Prospektiv randomisierter Vergleich von BIPAP-(Bi-phasich Positive Airway Pressure) und SIMV-(Syn-chronized Intermittend Mandatory Ventilation) Beat-mung nach herzchirurgischen Eingriffen

Thomas Kündiger:Morphometrische Untersuchungen zu den Volumen-änderungen von Nervenzellkörper und Zellkern anMotoneuronen der Ratte nach peripherer Resektionund/oder Anastomose des N. facialisDaniel Küpper:Diagnostischer Wert bilateraler Messungen der zere-brovaskulären Autoregulation nach aneurysmatischerSubarachnoidalblutung – eine prospektive StudieMatthias Meisinger:Untersuchungen zur Konformation am Bindungszen-trum der HIV-1-Protease im freien Zustand und imKomplex mit dem Inhibitor A 77003 im Rahmen einesmolekulardynamischen VersuchesHeide Müller:Die pertrochantäre Oberschenkelfraktur des altenMenschen – Gegenüberstellung der Behandlungser-gebnisse eines Krankenhauses der Regelversorgungund einer UniversitätsklinikMarion Obenaus:Intrapartales Kardiotokogramm und Zustand der Neu-geborenen bei NabelschnurumschlingungPandelis A. Papadopoulos:Phacosclerectomy in the Management of Cataract andOpen Angle GlaucomaBernd Rascher:3. Stichprobenuntersuchung im MONICA-Survey1993 in Chemnitz unter besonderer Berücksichtigungpsychosozialer Faktoren (Typ A-Verhalten, Arbeits-platzcharakteristika, soziale Beziehungen) im Ver-gleich zu den Ergebnissen der Survey‘s von 1984 und1988Anett Riegel:Untersuchungen zu den Auswirkungen von Hysterek-tomie unter Belassung beider Ovarien bei prämeno-pausalen Frauen in Abhängigkeit von BMI und Zy-klusphase auf die Sexualsteroide Estradiol, Estron,Progesteron, Testosteron, DHEAS; die hypophysärenHormone Follitropin (FHS), Lutropin (LH), Prolaktinund das sexualhormonbindende GlobulinSusanne Schmoz:CPU-Syndrom im Kopf-Hals-Bereich, Halslymph-knotenmetastasen bei unbekanntem Primärtumor.Klinik – Diagnostik – Therapie – PrognosenGabriele Juliane Schubert-Nassar:Fettsäurenzusammensetzung der Cholesterolester-,Phospholipid- und Triglyceridfraktion im hohen Le-bensalterKatrin Angelika Serien:Die Zytokinantwort bei Kindern nach Inhalationsan-ästhesie und Totaler Intravenöser AnästhesieAnne-Kathrin Sünder:Transurethrale Resektion der Prostata versus tiefeInternusinzision – zwei unterschiedliche operativeTherapiestrategien bei urodynamisch gesicherter Bla-senentleerungsstörungDörte Tillack:Funktion des Prostaglandin E2 im PankreasKatja Uhlmann:Leptin und Nebenniere: Morphologische, physiologi-sche und molekulare UntersuchungenGuido Waldmann:Kortikale Prozesse der sensomotorischen Integration– eine magnetoenzephalographische Untersuchungvon aktiven und passiven Bewegungen der oberenExtremitätKathrin Widmer:Qualitative und quantitative Veränderungen der Astro-glia bei der Alzheimerschen Demenz im Nucleus ba-salis Meynert und entsprechenden CortexzielregionenKarin Etzold:Zur Dichte von Wurzelkanalfüllungen – eine ver-gleichende Wertung von lateraler und thermoplasti-scher Guttaperchakondensation mit acht Sealer-variantenAlexander Jung:Die Keratozysten im stationären Krankengut der Kli-nik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische

Gesichtschirurgie Leipzig. Eine retrospektive Studiedes Zeitraumes 1983–1999Grit Meissner:Gerostomatologische Vergleichsstudie in Alten- undPflegeheimen der Stadt Leipzig und des sächsischenLandkreises Riesa-Großenhainjeweils 9/02:Olaf Akhtar Khawari:Bedeutung stationärer psychiatrischer Krankenhaus-aufenthalte für chronisch schizophrene Erkrankte.Eine deskriptive qualitative StudieFrank Benedix:Prospektive Studie zum Nachweis von zirkulierendenHepatozyten durch AFP und Albumin mRNA im Blutvon Patienten mit hepatozellulärem KarzinomMarco Gastmann:Einjahresergebnisse nach Primärimplantation derPress-Fit-Condylar-Sigma-Knietotalendoprothesemit rotierender Plattform an der Orthopädischen Uni-versitätsklinik und Poliklinik LeipzigKerstin Marianne Herrmann:Minimal invasive koronare Bypassoperationen. Ver-gleich dreier verschiedener OperationstechnikenEike Volker Hofmann:Die Belastung und Beanspruchung der Stahlwerkerim modernen Stahlwerk – Konsequenzen für diearbeitsmedizinische VorsorgeThomas Horbas:Lebensqualität beim AlterswohnenLars Irlenbusch:Einfluss eines mit 217 Hz gepulsten 902,4 MHzFeldes der Leistungsflussdichte 0,1 mW/cm2 auf dievisuelle Unterschiedsschwelle und den Serummelato-ninspiegel des MenschenJens Karbe:Identifizierung von Autoantigenen durch Screeningvon cDNA-Bibliotheken mit PatientenserenGerald Andreas Klein:Krankheitsverarbeitung von Patienten mit Psoriasisim Ost–West-Vergleich und im Ost–Ost-Vergleichvor und nach der politischen WendeKerstin Kletke:Untersuchungen zum prä- und postoperativen Patien-tenkomfort bei Prämedikation mit dem Alpha-2-Adrenozeptoragonisten Clonidin und dem Benzodia-zepin Midazolam – eine placebokontrollierte Dop-pelblindstudieLea Küppers:Darstellung von mit Lucifer-Yellow gefärbten Hori-zontalzellen der isolierten KaninchennetzhautHeike Liebold:Der Einfluss des Apolipoprotein E-Polymorphismusauf die Lipoproteinkonstellation und die Effizienzeiner lipidsenkenden Therapie mit dem HMG-CoA-Reduktasehemmer SimvastinThomas Jens Lincke:Untersuchungen zur automatischen Bilddatenanalysean Hirnperfusions-SPECT-Studien von Patienten mitakutem Schlaganfall unter Anwendung einer neu er-stellten Referenzdatenbank ParameternPeter Lübke:Ergebnisse nach Resektion kolorektaler Lebermetas-tasen und Wertigkeit von Einflussfaktoren auf dasLangzeitüberlebenGrit Maskow:Der Einfluss soziodemografischer Variablen und vonPersönlichkeitsmerkmalen auf die Compliance beiHämodialysepatientenCordula Meier-Hermann:Spontane intrazerebrale Hämatome in der Com-putertomographie – Häufigkeit, Verteilung, Risiko-faktoren, Genese und therapeutische Konsequen-zenSteffen Naumann:Der Proximale Femurnagel (PFN) – ein intramedul-läres Implantat zur Behandlung pertrochanterer Ober-schenkelfrakturen. Eine prospektive Studie anhand103 Patienten

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Heike Oswald:Klinische und urodynamische Ergebnisse einer In-kontinenzoperation in Form der Kolposuspensionnach BURCHStefanie Redwitz:Der Einfluss von Zahl und Größe ovarieller Follikelauf die Therapiezyklen zur In-vitro-FertilisationAntje Christine Rödiger:Spätergebnisse nach 2/3 zementierten Hüftendopro-thesenschäftenPeter Schorr:Wertigkeit von Zytokinen, Procalcitonin und Leber-funktionstests im perioperativen Verlauf von elektivenLeberresektionenHagen Schrötter:Enzym- u. immunhistochemische Studie zur qualita-tiven und quantitativen Beurteilung der sekundärenWundheilung an temporär gedeckten Weichteilläsio-nenKatrin Thrandorf:Amputation der unteren Extremitäten infolge desdiabetischen Fuß-Syndroms und der peripherenarteriellen Verschlusskrankheit – eine Untersuchungam Kreiskrankenhaus „Bergmannswohl“ Schkeuditzvon 1979 bis 1996 unter besonderer Berücksichti-gung der Verschiebung der Amputationsgrenze nachdistalAnke Tönjes:Herzfrequenzvariabilität, Blutdruckvariabilität undBaroflexsensitivität bei normotensiven Schwangerenim Vergleich zu nichtschwangeren Frauen und Präe-klampsiepatientinnenjeweils 10/02:Adrian Constantin Goldberg:Apoptose im Skelettmuskel bei Patienten mit chroni-scher HerzinsuffizienzDirk Harlos:Untersuchungen zum antitachykarden Pacing, nie-drig- und hochenergetischer Schocktherapie beiPatienten mit implantierbarem Kardioverter/Defibril-latorAlexander Hölzl:Umbau der Extrazellulären Matrix des Rattenherzensnach Noradrenalinstimulation und nach Herzinfarkt:Bedeutung der Matrix MetalloproteinasenPeter Jungberg:Eine Phase II-Studie: Topotecan in der Therapie vonPatienten mit einem metastasierenden kolorektalenKarzinom nach primärer 5-Fluorouracil (FU) Thera-pieAndre Koch:Untersuchungen zu metabolischen Veränderungen beider Porphyria cutanea tardaRonald Koschny:Expressionsanalyse apoptoserelevanter Gene aus derBcl-2-Familie in humanen Gliomen mittels quantita-tiver RT-PCRDirk Lindner:Untersuchungen zur antioxidativen Therapie mit Na-triumselenit bei akuter Pankreatitis – eine prospektiverandomisierte BlindstudieMichael Moche:Matrixmetalloproteinasen und ihre endogenen Inhibi-toren in Pleuraergüssen maligner GeneseYves Dominic Müller:Der Einfluss von Ginko biloba-Extrakt 761 auf die ultrastrukturellen Veränderungen der Kardio-myozyten von 6 und 18 Monate alten Ratten nachlachgasinduzierter experimenteller HypoxieMatthias Richter:Untersuchungen zum Einfluss von HFE-Heterozyto-gie auf den Therapieverlauf mit Chloroquin bei Pa-tienten mit Porphyria cutanea tardaGesine Sell:Untersuchungen zu serologischen und immunologi-schen Veränderungen bei Patienten mit Porphyria cut-anea tarda

Florian Sommerer:Apoptose und Proliferation bei der akuten Alkohol-hepatitisMartin Teich:Ladungsabhängige Interaktion von Lysozym mitPhospholipidliposomenGerhard Tümmers:Der Nachweis der Granzym B-Expression periphererBlut-Lymphozyten mittels Polymerase-Ketten-Reak-tion nach NierentransplantationCornelia Vera Wenzel:Die metabolischen Eigenschaften der äußeren Au-genmuskeln der RatteInga Wilhelms:Apoptose und die Expression von Apoptose-regulie-renden Faktoren und Matrixbestandteilen bei chro-nisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED)Carlotta Wirz:Wachstum und Differenzierung von Speicheldrüsen-gewebe in-vitro – Grundlagen für das Tissue Engi-neering von SpeicheldrüsenorganoidenSylke Lindenberg:Literaturstudie zu Ursachen und Wirkung verschiede-ner Einflussfaktoren auf das sogenannte Resorptions-defizit des Alkohols als eines zentralen Problems derAlkoholbegutachtungjeweils 11/02:Dagmar Altmann:Rezeption von makroskopischen Schwarz-Weiß- undFarbpräparaten im studentischen Unterricht der Pa-thologie: Eine Fragebogenstudie zur Einprägsamkeitvon frischem gegenüber fixiertem Organmaterial inSeminarveranstaltungenRonald Bauer:Untersuchungen zur Wirkung von Phosphatitylserinauf Gedächtnisfunktion und neurochemische Markerdes Cholinergen Systems an einem TiermodellAndrea Beil:Proliferation und Apoptose in nichtseminomatösenHodentumorenUlf Gemander:Prospektive Studie zur Untersuchung des Stellenwer-tes wiederholter Procalcitonin-Bestimmungen als in-flammatorisches Monitoring bei akut chirurgischkranken KindernSandra Gerstenberger:Untersuchung zur Immunogenität des Rötelnvirus –Nichtstrukturproteins P80Theresa Holzgartner:Evaluierung von Therapiestrategien bei der Muskel-dystrophie Duchenne unter besonderer Berücksichti-gung von GlucocorticoidenWolfram Illert:Vergleichende Untersuchungen zur Bewertung desErfolges der Auffrischungsimpfung gegen Diphteriemittels Diphterie-Antikörper-ELISA und Zellkultur-Neutralisationstest nach MiyamuraKonstanze Kliem:Entwicklung eines mathematischen Kompartment-modells zur Regulation der murinen Thrombopoeseauf der Basis von Störungsmustern der thrombopoe-tischen ZellreiheMichael Kohlstock:Die medizinische Versorgung in der Bergstadt Frei-berg im 19. JahrhundertFranka König:Untersuchungen von Parametern des Lipidstoffwech-sels sowie des antioxidativen Potentials bei Patientenmit chronischer Niereninsuffizienz im Stadium derkompensierten RetentionEva Löb:Einfluss der Innenraumkonzentration von Allergenenund flüchtigen organischen Verbindungen auf die Ent-wicklung einer Typ I Allergie am Beispiel LeipzigerKinderAngela Löster:Untersuchungen zum klinischen Stellenwert der aku-ten oberen gastrointestinalen Blutungen im Kranken-

haus Flemmingstraße des Klinikum ChemnitzgGmbH in den Jahren 1992–1995Stefanie Meusel:Auswertung und Validierung des umweltepidemiolo-gischen Fragebogens der LARS-Studie – Erarbeitungeines Algorithmus zur DiagnoseobjektivierungBritta Nehrhoff:Zytokinvermittelte Aktivierung der Stickstoffmono-xidsynthase in Skelettmuskelzellen: Analyse derSignaltransduktionskaskadeIlka Nußbaum:UNTERSUCHUNG ZUR ZIELGRÖSSENBE-RECHNUNG – Eine Analyse von 954 gemessenenjungen ErwachsenenAnnett Pützschel:Sensitivität und Spezifität bildgebender Verfahren imVergleich zur Histopathologie beim Mammakarzi-nom – interne QualitätskontrolleKazem Rahimi Saryazdi:Evaluierung der Expression von Leukozytenadhä-sionsmolekülen LFA-1, Mac-1, ICAM-1, HLA-DRund L-Selektin vor der KoronarangioplastieTilo Richter:Untersuchungen zur Epidemiologie und Klinik derHeliobacter-pylori-Infektionen von Leipziger Ein-schülern und FamilienangehörigenLucia Staber-Theune:Entwicklung der Resistenz gegen Antibiotika beiPseudomonas aeruginosa bei Patienten mit Mukovis-zidoseAdina Thölke:Immunologische Untersuchungen zur atopischenDiathese bei Neugeborenen aus Leipzig und Mün-chenThomas Unger:Immunologisches Monitoring beim traumatisiertenKind – Ergebnisse einer prospektiven StudieAndrea Eberhardt:Okklusion in der Statik als Risikofaktor für kraniom-andibuläre DysfunktionenEdyta Häßler:Tumoren der Pinealis-Region: eine morphologischeStudie unter Berücksichtigung des klinischen Bildesund therapeutischer AspekteBettina Heintzschel:Untersuchungen über die okklusale Funktion von Pro-thesezähnen aus KunststoffCornelia Nicklisch:Verbreitung der H. pylori-Infektion im LeipzigerStadtgebiet – dargestellt an den Schulanfängern desJahres 1998Ina Paul:Die Eignung von Modellen zu Mundhygienedemon-strationen bei jüngeren Vorschulkindern – Eine medi-zinisch-psychologische StudieSteffen Schirrmeister:Untersuchungen zum Korrosionsverhalten von EM-und NEM-Legierungen sowie Legierungskombina-tionen in Abhängigkeit von verwendeten Schmelz-und GießverfahrenSirko Schuricht:Verfahren zur Gerinnungshemmung des Blutes alsVoraussetzung zur BluttransfusionLutz Wermuth:Die alten Hospitäler Plauensjeweils 12/02:Yvonne Bauer:Vergleichende Untersuchungen Polarisationsmikro-skopie – NMR-Mikroskopie am GelenkknorpelClaudia Rosemarie Döhler:Die Behandlung der Oberarmfraktur mit dem Unge-bohrten Humerusnagel (UHN). Ergebnisse einer pro-spektiven StudieWilma Einbock:Expressionsuntersuchungen mittels Escherichia colivon scFv-Fragmenten aus dem Immunglobulinreper-toire einer Patientin im Frühstadium einer rheumato-iden Arthritis

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Dipl.-Med. Cornelia Haugke:Psychische Faktoren bei Patienten mit chronischenlumbalen SchmerzsyndromenInes Hergl:Hypoxieinduzierte Rechtsherzhypertrophie in Ratten:Einfluß von Endothelin-A-Rezeptor- und AngiotensinII-RezeptorblockadeJustina Rosika Kästner:Vergleichende Untersuchungen zur möglichen Beein-flussung humoraler Immunparameter durch eineSchwangerschaft im Neutralisationstest und imELISA zum Nachweis von Diphtherie-AntitoxinDorothea Meyer:Geno- und Phänotypische Charakterisierung desCD4/DR3-Mausestammes – ein partiell humanisier-ter Inzuchtstamm mit den humanen Molekülen CD4und HLA-DR3 (DRw17) in einem murin-cd4-defi-zienten genetischen HintergrundCorbinian Schill:Hohe bad- und bax-mRNA Expression als negativeprognostische Parameter bei der akuten myeloischenLeukämiejeweils 1/03:Andrea Hottenrott:Ergebnisse der Strahlentherapie des Endometrium-karzinoms am Klinikum Suhl in den Jahren1991–1994Johannes Geppert:Die perikardiale Bioprothese Sorin Pericarbon – kli-nische Ergebnisse nach acht Jahren Anett Drechsel:Das Gesundheitswesen der Stadt Zwickau von denAnfängen bis zum Ausgang des 17. JahrhundertsAnka Wünsche:Untersuchungen zum vaginalen und zervikalen Keim-spektrum bei Schwangeren mit drohender FrühgeburtBeatrix Schlechte:Die Wertigkeit des Multifokalen Elektroretinogrammbei der Untersuchung des MakulaödemsUlrike Burkhardt:Maschinelle Beatmung bei Patienten mit einemischämischen Hirninfarkt im Stromgebiet der Arteriacerebri media.Steffen Dietze:Beitrag zum ambulanten Operieren in der Orthopädie– eine Analyse von 11 963 Operationen aus dem Zei-traum von 1952–1998 an der Klinik und Poliklinik fürOrthopädie der Universität LeipzigAndreas Donath:Risikofaktoren für die intraoperative Clampingtole-ranz bei der Carotischirurgie. Untersuchungen an 366Carotisoperationen in Reginalanästhesie der Abtei-lung für Gefäßchirurgie am Städtischen Klinikum „St.Georg“ zu Leipzig im Zeitraum vom 01. 09. 1996 biszum 31. 12. 1999Elvira Edel:Die Bleibelastung der Leipziger Bevölkerung er-mittelt anhand eines Kollektivs von BlutspendernArne Fabricius:Die koloskopische Polypektomie: Bedeutung für Di-agnostik und Therapie kolorektaler NeoplasienAntje Haentzsch:Auswirkungen neuronaler Aktivität auf den intrazel-lulären Ca2+ -Gehalt der Bergmanngliazelle undUntersuchungen zu deren KopplungsverhaltenAngela Graupner:Erfassung der MRSA-Nachweis-Häufigkeit bei Pa-tienten einer Intensivstation: Retrospektive Datenana-lyse und UmgebungsuntersuchungenChristoph Klein:Analyse von neuropsychologischen Parametern undCoping-Strategien von Patienten nach Operation ei-nes supratentoriellen MeningeomsDaniela Krause:Instrumente und Apparate zum Aderlass und Schröp-fen aus dem Bestand der Medizinhistorischen Samm-lung des Karl-Sudhoff-Instituts

Elke Kretzschmar:Prozeßnahe Erfassung kortikaler Inhibition und Exzi-tation während physiotherapeutischer Interventionenan der HandCora Pfisterer:Klinisch-morphologische Vergleichsstudie von Feta-lobduktionen des II. Trimenons als Beitrag zur Qua-litätskontrolleHendryk Otto:Die systematische Erfassung von ausgewählten Prä-diktoren zur Vorhersage einer unerwartet schwierigenIntubation – Eine prospektive Untersuchungjeweils 02/03:Diana Müller:Gaschromatographische Bestimmung der Gesamt-fettsäuren im Kolostrum bei Müttern von Kindern mitAllergie-Risiko – Zusammenhänge mit der Entwik-klung erster klinischer Manifestationen allergischerErkrankungen und laborchemischer Parameter deratopischen Sensibilisierung im ersten LebensjahrChristina Berger:Belastende Lebensereignisse und Systemischer Lu-pus erythematodesThomas Ethofer:Selektives Screening auf angeborene Stoffwechseler-krankungen bei neurologischen und psychiatrischenPatienten des Kindes-, Jugend- und Erwachsenenal-ters – Ein Beitrag zur Erhebung von Prävalenzen neu-rometabolischer ErkrankungenVolker F. H. Brauer:Sind Beziehungsmuster in stationärer integrativerPsychotherapie veränderbar?Aris Farlopulos:Studie zur Treffsicherheit der Datenfusion von com-putertomographischen und magnetresonanztomogra-phischen Bildserien in der präoperativen Diagnostikdes ZervixkarzinomsMatthias Köhler:Das Notfallmanagement des polytraumatisierten Pa-tienten aus radiologisch-diagnostischer Sicht

Carla Lamesch:Das sexualmedizinische Wissen von Medizinstuden-ten und deren Einstellungen zur SexualmedizinDirk Lang:ERG-Ableitung von einem Kaninchenstamm mit ei-nem PigmentepitheldefektMarcus Leineweber:Einfluß iso- und kontradirektionaler Bewegungsadap-tationen auf das Bewegungs- und Muster-VEP sowiedie wahrgenommene GeschwindigkeitSascha List:Untersuchungen zur Helicobacter-pylori-Infektionbei Schülern des Geburtsjahrgangs 1991/92 im Land-kreis Leipziger Land im Vergleich mit Vorschulkin-dern desselben Jahrgangs in der Stadt LeipzigNiels Ockert:Einfluß langzeitiger intravenöser Applikation von L-Carnitin auf die Belastungstoleranz von Patienten mitrenaler Insuffizienz – Fahrradergometrieuntersuchun-gen an DialysepatientenKatrin Penka:Ultrastrukturelle morphometrische Untersuchungenan Mitochondrien des Myokards nach experimentellinduziertem Diabetes bei Ratten mit und ohne EGb761 ProtektionGert Richter:Evaluation morphologischer Befunde bei Hodentu-morenIris Schäfer:Anstieg von Endstadien der Follikelatresie und vor-zeitiger Untergang der Corpora lutea bei Insl3 defi-zienten MäusenClaudia Dannenberg:Alkohol-Instillation in einen zentralen Venenkathederbei krebskranken Kindern und Jugendlichen mit po-sitiver Blutkultur und klinischen InfektionszeichenUlrike Seemann:Lues connata – eine retrospektive Analyse der im Zeit-raum von 1986 bis 1996 an der Universitätsklinik fürKinder und Jugendliche Leipzig behandelten Patienten

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600 Jahre Universität Leipzig, das bedeu-tet auch 600 Jahre Kunst der UniversitätLeipzig. Im Interview mit dem Journalerläutern der Kustos Dr. Rudolf FreiherrHiller von Gaertringen und die Konserva-torin Dipl. phil. Cornelia Junge, wie mandie Kunstsammlung nun „neu entdecken“kann.

Die Studiensammlung der Kustodie imRektoratsgebäude wurde Anfang Märzunter dem Motto „600 Jahre Kunst derUniversität Leipzig – Die Sammlung neuentdecken“ der Öffentlichkeit präsen-tiert. Was ist neu?Der Begriff „neu“ trifft in mehrfacher Hin-sicht zu. Zunächst muss man feststellen,dass die Sammlung vielen Bürgern undStudenten völlig unbekannt ist. Was ein-fach daran lag, dass sie früher nur nach Ver-einbarung, in der letzten Zeit wenigstens an einem Tag in der Woche öffentlich zu-gänglich war. Der Grund: Es fehlte an Auf-sichtspersonal. Nun haben wir die Mög-lichkeit erhalten, sie für einen Zeitraumvon rund drei Monaten – noch bis 28. Mai– ständig zu präsentieren. Neu ist aber aucheiniges in der Ausstellung selbst. Wir ha-ben die Chronologie gestrafft, neue Werkeaufgenommen. So kann jetzt die Universi-tätsbaugeschichte besser beleuchtet wer-den, u. a. durch grafische Darstellungender Paulinerkirche, der Kollegiengebäudeund auch durch Stadtansichten. Und beiden Kunstwerken werden für das 20. Jahr-hundert eine Reihe neuer Arbeiten gezeigt.Neu ist aber auch einiges in den Präsenta-tionsformen. Die Schilder wurden mit in-formativen Untertexten versehen und so inden Raum gestellt, dass der Besucher zueiner Art Rundgang angeregt wird, der ihmdie ungeheure Spannweite der Ausstellungverdeutlichen kann.

Wenn Sie diese Spannweite in Worteoder Werke fassen sollten, was würdenSie da antworten?Die Ausstellung gliedert sich in vier „Ka-pitel“, die sich wie folgt benennen lassen:1. Aus der Frühzeit der Universität und desDominikanerklosters St. Paul, 2. ZwischenReformation und Aufklärung, 3. Die Lan-desuniversität und 4. Kunst der Gegenwart.Wenn die Spannweite in Beispielen erfasstwerden soll, dann sind zum einen aus derFrühzeit der Universität das von HerzogAlbrecht von Sachsen und Kurfürst Ernst

gestiftete Zepterpaar von 1476 und die vondem aufgelassenen Dominikanerklosterübernommenen Kunstwerke zu nennen,darunter die hochbedeutende Sitzstatueeines lehrenden Mönches, möglicherweiseThomas von Aquin darstellend, oder diesog. Böhmische Tafel, ein zweiseitig be-malter Flügel eines großen Altarwerkes.Am anderen Ende des chronologischenSpektrums stehen Werke der Gegenwarts-kunst, wie die Porträts aus der in den1970er Jahren begründeten Rektorengale-rie, die von namhaften Leipziger Künstlernwie Arno Rink, Volker Stelzmann, DorisZiegler oder Heinz Wagner gemalt wurden.Letzterer macht übrigens mit dem „aufeigene Rechnung“ verfertigten Bild vonAltmagnifizenz Georg Mayer den Anfang,das als Geschenk der Stadt schließlich andie Universität kam.Zusammenfassend kann man sagen, dassder von der Kustodie verwaltete Kunst-besitz Werke europäischer Malerei, Skulp-tur, Grafik sowie des Kunsthandwerks des14. bis 20. Jahrhunderts umfasst. SeineBesonderheit besteht darin, dass damitzugleich in vielfältiger Weise die fast 600-jährige Geschichte dieser Universität re-flektiert wird. So bedeutend er in kunst-und kulturgeschichtlicher Hinsicht ist,verkörpert er weniger eine planvoll aufge-baute Sammlung als vielmehr einen histo-

Jubiläum 2009

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„Geballte Kraft“Die Studiensammlung ist neu zu entdecken –Ein Interview in der Kustodie

Im laufenden Sommersemester stehtauch das Studium universale ganz imZeichen der Vorbereitung auf das 600-jährige Jubiläum der Universität im Jahr2009. „Highlights und dunkle Kapitelder Geschichte der Universität Leipzig“ist das Programm überschrieben. Bei denVeranstaltungen geht es nicht um eineGesamtschau. Stattdessen sollen einigeSchlaglichter geworfen werden. Thema-tisiert werden unter anderem das Kör-perschaftsvermögen, die TheologischeFakultät – und „die Geschichte der Uni-versität im Spiegel ihrer Kunst“. Dazuspricht am 14. Mai der nebenstehendinterviewte Kustos Dr. Rudolf Hiller vonGaertringen (von 18:15 Uhr bis 19:45Uhr in der Kustodie, Ritterstr. 26.)

Eine Übersicht über das gesamteProgramm finden Sie im Internet:www.uni-leipzig.de/~univers/

Kustos Dr. Rudolf Freiherr Hiller vonGaertringen. Foto: Armin Kühne

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risch gewachsenen Bestand aus Auftrags-arbeiten der Universität, säkularisiertemKlosterbesitz, Übereignungen, privatenSchenkungen, Künstlernachlässen undAnkäufen. Ein Reiz der jetzt neu zu ent-deckenden Studiensammlung im Rekto-ratsgebäude mag gerade darin liegen, dasshier zwei historische Stränge, der kunst-historische und der universitätsgeschicht-liche, in ihrer Verknüpfung veranschaulichtwerden.

Stichwort „neu entdecken“: Was beein-druckt da den neuen Kustos am meisten,wenn er durch die Ausstellung geht?Zum Beispiel die geballte Kraft der Por-trätbilder Anton Graffs, die nun auf einerWand versammelt sind. Zu der rund 40 Gemälde umfassenden sogenannten„Freundschaftsgalerie“ des Buchhändlers

und Verlegers Philipp Erasmus Reich(1717–1787) trug Graff 31 Bilder bei, dieberühmte, der Aufklärung verpflichteteZeitgenossen, insbesondere Dichter,Künstler und Wissenschaftler, zeigen. Zur400. Wiederkehr der Gründung der Uni-versität schenkte die Witwe Reichs 1809die Gemälde der Universität.Einen besonderen Stellenwert für uns ha-ben auch Ausstellungsstücke, mit denensich große künftige Vorhaben verbinden.Zu denken ist da etwa an die fragmentier-ten Stein- Epitaphien, die 1968 kurz vor derSprengung aus der Universitätskirche ge-borgen wurden und die in den nächstenJahren restauriert werden sollen. Als Teilder historischen Kirchenausstattung soll-ten sie u. E. im Neubau „Paulinum“ Platzfinden, wobei der Versuch unternommenwerden sollte, einen historischen Kontext

wiedererstehen zu lassen. Die Studien-sammlung in der heutigen Form wird esdann nicht mehr geben, aber sie ist so reich,dass sie auch nach dem Auszug der Pauli-ner-Stücke noch groß und eindrucksvollbliebe.Und dann betrachten wir unsere Objekteauch unter dem Blickwinkel neuer For-schungsansätze, wobei beispielsweise Ge-mäldeuntersuchungen mit Hilfe der Infra-rot-Reflektographie oder dendrochrono-logischer Analysen eine Vielzahl neuerBefunde versprechen. Zu denken ist hierinsbesondere an die Böhmische Tafel oderan die Bilder aus dem Cranach-Umkreis.Der Forschungsstand ist insgesamt verbes-serungsfähig, und man kann sich vorstel-len, bei einer ganzen Anzahl von Stückendurch entsprechende Studien zu interes-santen Erkenntnissen zu kommen. Und

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Das Plakat zur Aus-stellung, gestaltetvon der LeipzigerAgentur wpunktw.

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neue Ergebnisse, die zur Aufklärung desWas, Wann und Woher beitragen, sind nuneinmal der beste Weg, eine Sammlung zubeleben.

Mit der Belebung steht die Öffnung derStudiensammlung nach innen wie nachaußen in enger Beziehung. Welche Akti-vitäten sind da vorgesehen?Wir denken gegenwärtig darüber nach, inwelcher Form sich der längst fällige Be-standskatalog präsentieren könnte. Er wirdenorm viel Arbeit und einiges an Geldkosten, gleichviel stellt er für die Univer-sität die beste Möglichkeit dar, mit ihremKunstbesitz stärker in die Öffentlichkeit zutreten. Andererseits ist der Kunstbesitz,auch als er im Ganzen noch im Depotruhte, also vor 1996, in Teilen schon durcheine ganze Reihe von thematischen Aus-stellungen der Kustodie ans Licht derÖffentlichkeit gebracht worden. Erinnertsei an Ausstellungen wie die zur „Univer-sitas litterarum“, zum Augustusplatz, zurPaulinerkirche oder zu Gelehrtenpor-träts.mDie Öffnung zur Universität hin, weil hierder Nachholbedarf am größten ist, liegt unsbesonders am Herzen. Auch wenn dieSammlung nicht nach kunsthistorischenKriterien angelegt wurde, ist sie doch her-vorragend für die universitäre Lehre zunutzen. Deshalb arbeiten wir verstärkt mitdem Institut für Kunstgeschichte zusam-

men, um möglichst viele Studenten an dieoriginalen Kunstwerke heranzuführen. Ge-rade weil wir wissen, dass viele von ihnenselbst nach Jahren des Studiums noch keinGemälde in der Hand hatten, es noch nievon der Rückseite her gesehen und sichkaum mit Technik, Entstehungsprozessen,Konservierungsfragen oder Klimatisie-rung beschäftigt haben. Keine Frage, dassmit dieser Zusammenarbeit die Ausbildungvon Kunsthistorikern, die ja später oft inMuseen tätig werden, befruchtet werdenkann. Die gemeinsamen Projekte umfassenHauptseminare mit Prof. Zöllner zu Fragender Sammlung, ein Graphikseminar mit Dr.Lingohr sowie ein Ausbildungs- und Aus-stellungsprojekt mit Frau Prof. Marek überden historistischen Architekten FriedrichOhmann (1858–1927). Hierfür wurden ca.40, oftmals großformatige und sehr attrak-tive Zeichnungen von der OstdeutschenGalerie in Regensburg ausgeliehen und imSeminarzusammenhang von Studenten be-arbeitet, die dann ab Mitte Mai im Kroch-Haus öffentlich gezeigt werden sollen.Auch mit anderen Bereichen der Univer-sität verstärken sich die Verbindungen. ImHerbst 2002 wurden in Zusammenarbeitmit Prof. Streck, Ethnologe an der Univer-sität Leipzig und stellvertretender Sprecherdes SFB Differenz und Integration, Ägyp-tenfotos des Münchner Fotografen GeorgKürzinger präsentiert. Mit dem Institut fürIndologie ist eine Ausstellung indischerBilderbogen des ausgehenden 19. und be-ginnenden 20. Jahrhunderts in Vorberei-tung, mit dem Karl-Sudhoff-Institut wirdeine Ausstellung über die SammeltätigkeitKarl Sudhoffs und seine medizinhistori-schen Interessen konzipiert, mit dem Wil-helm-Ostwald-Institut für Physikalischeund Theoretische Chemie und der Gedenk-stätte in Großbothen soll der NamensgeberOstwald (1853–1932) aus Anlass seines150sten Geburtstags mit einer Ausstellungüber sein Wirken und nicht zuletzt seineBeschäftigung mit der Farbe geehrt wer-den.

Interview: Volker Schulte

ÖffnungszeitenDie Ausstellung „600 Jahre Kunst der Uni-versität Leipzig – Die Sammlung neu ent-decken“ ist zu sehen in der Studiensamm-lung, Ritterstraße 26.Öffnungszeiten: bis 28. Mai 2003Mo, Di, Do, Fr 10–12.30 Uhr / 13–17 Uhr,Mi 12–19 Uhrab Juni 2003: Montags 11–15 Uhr

Jubiläum 2009

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Abbildungen

Oben:Unbekannter Meister um 1400(Parlerschule?), Sitzfigur eines lehren-den Dominikanermönches, vermutlichThomas von Aquin, Holzplastik (Eiche)mit Resten originaler Polychromie,zuletzt in der Universitätskirche St. Pauli.

Mitte:Christoph Groß, Epitaph für ChristophZobel (1499–1560), Bronze, vergoldet,aus der Universitätskirche St. Pauli, um 1560.

Unten:Johann Jacob Löbelt (1652–1709),Fragment vom Epitaph für GottfriedWelsch (1618–1690) und seine FrauMaria, geb. Anckelmann, Alabaster,aus der Universitätskirche St. Pauli,1706.

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W. Gatter, Kleines Fürsten-kolleg am Eselsplatz imZustand bis 1817 (heutige Kleine Ritterstr.),Aquarell auf Papier.

Franz Hogenberg (vor 1540–ca. 1590), Ansicht Leipzigs von Süden und Osten, kolorierter Kupferstich, um 1572.

Unbekannter mitteldeutscherMeister aus dem Umkreis der Cranach-Schule (WilhelmGulden?), Epitaph des Magis-ters Johann Goritz († 1553), Öl auf Holz, aus der Univer-sitätskirche St. Pauli.

Alle abgebildeten Werkezählen zum Kunstbesitz derUniversität Leipzig.

Abbildungen: Kustodie

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Titel-H_04 10.06.2003 12:52 Uhr Seite 1

Probedruck

C M Y CM MY CY CMY K

Juni 2003 Heft 4/2003 ISSN 0947-1049

Theaterwissenschaftler sindeinem Spion auf der Spur

Neue Sexualitätdurch Neue Medien

Tiere im Dienste der Menschenund Menschen im Dienste der Tiere

450 Jahre Moritzbastei:Höchstes Vergnügen in tiefster Lage

Wider die Langeweile …Das DDR-Fernsehen wird erforscht

Studenten mit Hochschulkonzept:Zwischen Seminar und Salon

Nobelpreisträger Watson kam zur Einweihung

Die BIO CITY LEIPZIG lebt

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UniVersumWechsel im RektoramtAm 17. Mai: Die Uni im ViervierteltaktFußball: Der Wille war da …Ehrendoktorwürde für GenscherDie Entwicklung der UniversitätsbibliothekPersonalräte neu gewählt

GremienSenatssitzungen April/Mai

ForschungDas DDR-Fernsehen wird untersuchtZwischenbilanz im Nomaden-SFB

UniCentralBIO CITY eröffnet, Watson dabeiDer BiotechnologietagDie BBZ-MitgliederDie Entwicklung körpereigener GewebeDie Entwicklung von Biochips

Fakultäten und InstituteWirtschaftspädagogen kooperieren mit BMWMathematisch-NaturwissenschaftlicherFakultätentagTheaterwissenschaft: Einem Spion auf der SpurDas Medizinisch-Experimentelle ZentrumNeue Sexualität durch Neue MedienToxikologisches Zentrum gegründet

StudiosiTropenökologie / Stadtumbau-StudiengangStudenten bei Wettbewerb erfolgreich

PersonaliaNachruf auf Sir Bernard KatzNeu berufenNachrichtenGeburtstage

EssayViel Gesundheit für wenig Geld?

Jubiläum 2009125 Jahre Professur für ostasiatischeSprachenErwachsenenpädagogik feiert Jubiläen450 Jahre Moritzbastei

Habilitationen und PromotionenAm RandeNomenImpressum

Titelfotos: Dietmar Fischer

EDITORIAL

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Das Netzwerk BIO CITYInhalt

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Am 23. Mai 2003 wurde die BIO CITY LEIPZIG im Beisein vonNobelpreisträger James Watson feierlich eröffnet. Neben Unter-nehmen finden hier Forschungsgruppen der Universität Leipzigihren Platz. Die Dringlichkeit der damit möglich gewordenen un-mittelbaren wirtschaftlichen Umsetzung von Forschungsergeb-nissen hat gerade erst die SARS-Epidemie wieder offenbart.Leipzig hat jetzt die Chance, ein gewichtiges Wort auf dem Ge-biet der Biotechnologie und Biomedizin mitzusprechen. Aus-gangspunkt waren die bereits im In- und Ausland anerkanntenForschungsleistungen der Medizinischen Fakultät, der Veterinär-medizinischen Fakultät, der Fakultät für Chemie und Mineralo-gie, der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psycho-logie, der Fakultät für Physik und Geowissenschaften und der Fa-

kultät für Mathematik und Informatik. Diese sindfakultätsübergreifend im Biotechnologisch-Biome-dizinischen Zentrum (BBZ) der Universität Leipziggebündelt. Zum anderen baut das Konzept derBIO CITY LEIPZIG auf einer fundierten Bedarfs-analyse von Unternehmen mit biotechnologisch-biomedizinischer Ausrichtung auf. Mit ihm wirddie Möglichkeit eröffnet, dass Wissenschaftler denSchritt zum Unternehmer wagen. Anliegen derUniversität ist es, günstige Startbedingungen fürExistenzgründer auf diesem Gebiet zu schaffen.m

Im neuen Gebäude am Deutschen Platz erhält die biotechnolo-gisch-biomedizinische Forschung einen hochmodernen, funktio-nalen Komplex, der die Forschungsinfrastruktur der UniversitätLeipzig ideal ergänzt und die internationale Konkurrenzfähig-keit Leipzigs auf diesem Gebiet weiter stärkt. Zu den bisher zweiSäulen wissenschaftlicher Arbeit, der Grundlagenforschung undder klinischen Forschung, ist eine dritte, die der explizit anwen-dungsorientierten Forschung hinzugekommen. Das Spektrum dermolekularen Biotechnologie reicht dabei von der Wirkstofffor-schung bis zur Regenerativen Medizin. Darüber hinaus gibt eseine enge Forschungsvernetzung zwischen dem BBZ und demInterdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung, dem Inter-disziplinären Zentrum für Bioinformatik und dem Sonderfor-schungsbereich „Proteinzustände mit zellbiologischer und medi-zinischer Relevanz“, aber auch mit den in Leipzig ansässigenMax-Planck-Instituten, insbesondere dem Max-Planck-Institut fürEvolutionäre Anthropologie.Danken möchte ich an dieser Stelle allen, die mit vereinten Kräf-ten das Biotchnologisch-Biomedizinische Zentrum der UniversitätLeipzig in der BIO CITY LEIPZIG möglich machten, insbesondereder Arbeitsgruppe, die das wissenschaftliche Konzept entwi-ckelte, und der Universitätsverwaltung.Fragen der Gen- und Biotechnologie sind eng verbunden mit bio-ethischen, sozioökonomischen, aber auch juristischen Fragen.Wenn auch Wissenschaftler anderer als der eingangs erwähn-ten Fakultäten sich für eine Mitgliedschaft im BBZ entscheidenwürden, könnte die derzeit stark anwendungsorientierte For-schungsausrichtung des BBZ entsprechend dem Charakter un-serer Alma mater lipsiensis als Universitas litterarum um die Kom-ponente einer einzigartigen Vernetzung von Humanwissen-schaften, Naturwissenschaften und Medizin bereichert werden.

Prof. Dr. Helmut PappProrektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs

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dung, das Amt um der Stellung der Uni-versität in der Gesellschaft willen nieder-zulegen.Kanzler Peter Gutjahr-Löser bezeichneteBigls Rücktritt „als Lehrstück demokrati-scher Praxis“. Bigls Nachfolger im Amt,Prof. Dr. Franz Häuser, unterstrich, dassVolker Bigl damit „ein Zeichen gesetzt hatfür die politische Kultur in unseremLande“. Mit dem Bezug auf die dabei be-wiesene Standfestigkeit bezeichnete Ober-bürgermeister Wolfgang Tiefensee RektorBigl „als einen Mann, der Geschichte ge-schrieben hat, nicht nur für seine Univer-sität“. Prof. Dr. Klaus Steinbock sagte imNamen der Landeshochschulkonferenz,dass Volker Bigl mit Souveränität undnatürlicher Würde die Interessen allerHochschulen selbstbewusst vertreten habe.Studentenvertreter verwiesen mit Hoch-achtung auf seine Fähigkeit, am Endeschwieriger Debatten Wege vorzuzeich-nen, die von allen Mitgliedergruppen derUniversität als gangbar angesehen werdenkonnten.In seinen Schlussworten appellierte VolkerBigl an die Mitglieder der Universität, „daszu leben und vorzuleben, was uns wichtigist: die Gemeinschaft von Lehrenden undStudierenden“. Dies dürfe auch unter denBelastungen von Stellenabbau und Mittel-knappheit nicht zu kurz kommen. Und dievielen ehrenden und würdigenden Wortedieses Abends resümierend, betonte er:„Wenn Sie aus dieser mich sehr berühren-den Veranstaltung die Absicht mit nachHause nehmen, Ihre Unterstützung für dieUniversität Leipzig zu verstärken, dannwäre mir dies das schönste Geschenk mei-ner Verabschiedung“.

Volker Schulte

UniVersum

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JournalMitteilungen und Berichte für die Angehörigenund Freunde der Universität Leipzig

ImpressumHerausgeber: Der RektorRedakteur: Carsten HeckmannRitterstr. 26, 04109 Leipzig,Tel. 0341/ 9 73 01 54, Fax 0341/ 9 73 01 59,E-mail : [email protected]. i. S. d. P. : Volker SchulteNamentlich gekennzeichnete Beiträge geben dieMeinung der Autoren wieder.Satz und Lithographie: DZA Satz und BildGmbH, AltenburgDruck und Binden: Druckerei zu AltenburgGmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 AltenburgAnzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Tel. 03447/5550Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbHAugustusplatz 10/11, 04109 LeipzigTel./Fax: 0341/9900440Einzelheft : 1,50 eJahresabonnement (sieben Hefte) : 13,– e

In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Siesich bitte an die Redaktion, in Fragen, die denVertrieb betreffen, an den Verlag.Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Beleg-exemplare erbeten.Redaktionsschluss: 28. 5. 2003ISSN 0947-1049

Nachfolger bei der Lösungder bevorstehenden Aufga-ben und schwierigen Ent-scheidungen neue Ideen,Selbstvertrauen, vorbehalt-losen Rückhalt an der Uni-versität und allzeit eineglückliche Hand. Allen,die ihm in seiner Amtsfüh-rung behilflich waren, sprach er seinen tief-empfundenen Dank aus.Nach der Überreichung der Urkunde durchden Sprecher des Konzils, Prof. Dr. Ekke-hard Becker-Eberhard, ging Rektor Häuserin abschließenden Worten noch einmal aufden Ausgangspunkt des Eingriffs in dieUniversitätsautonomie zurück und betonte,dass es sich hierbei um keine Privatauto-nomie handele, sondern um die Suche nacheiner sachgerechten Wahrnehmung der derAlma mater von der Gesellschaft aufgetra-genen Aufgaben. Das Verhältnis zwischenStaatsregierung und universitärer Selbst-verwaltung sei nur als Kooperations-verhältnis und dieses wiederum nur alsVertrauensverhältnis sinnvoll zu gestalten.Diese Auffassung werde er gegenüber derStaatsregierung geltend machen. Sein Be-streben gehe wie das seines Vorgängersdahin, die Universität Leipzig als Volluni-versität mit einem breiten Fächerspektrumzu erhalten. In Zeiten knapper werdenderRessourcen, wo das Ziel nicht in der Aus-dehnung, sondern gewissermaßen im Tief-gang, in der Qualitätssteigerung, liege, seies freilich unumgänglich, dass die Univer-sität die Mittel dorthin lenkt, wo einezukunftsorientierte interdisziplinäre For-schung und eine engagierte Lehre mit gro-ßer Ausstrahlung stattfinden.

*

Drei Tage später fand im Festsaal desNeuen Rathauses die feierliche Verab-schiedung von Prof. Dr. Volker Bigl ausdem Amt des Rektors statt. Sie bot Gele-genheit, aus verschiedenen Blickwinkelnsein Wirken an der Spitze der Alma materzu würdigen. Dabei war allen Reden ge-meinsam der Respekt vor der Entschei-

Mit einem Festakt im Alten Senatssaalwurde am 13. Mai 2003 der Wechsel imRektoramt vollzogen. Als sichtbares Zei-chen dafür legte der Tradition gemäß derscheidende Rektor, Prof. Dr. Volker Bigl,dem neuen Rektor, Prof. Dr. Franz Häuser,die wertvolle Amtskette um. Zu Prorekto-ren bestellte der Jurist Häuser die Veteri-närmedizinerin Prof. Dr. Monika Krüger,den Chemiker Prof. Dr. Helmut Papp undden Mediziner Prof. Dr. Peter Wiedemann.Die Amtszeit beträgt nur etwa sieben Mo-nate bis zum 1. Dezember 2003, da nachdem vorzeitigen Rücktritt Volker Bigls nurdiese Zeitspanne bis zur nächsten turnus-mäßigen Rektorwahl verbleibt.In der Begrüßung hatte Kanzler Peter Gut-jahr-Löser diesen Rücktritt als ein Alarm-signal an die Sächsische Staatsregierunggewertet, die Selbstverwaltungsrechte derKörperschaft Universität zu respektieren.Der scheidende Rektor wünschte seinem

Feierlicher Wechsel im Rektoramt und Verabschiedung Volker Bigls

Volker Bigl legte seinem Nachfolger Franz Häuser dieAmtskette um. Foto: Armin Kühne

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Nun schon zum fünften Mal hat die Uni-versität am 17. Mai ihre Zelte in der Grim-maischen Straße aufgeschlagen und sichals „Universität zum Anfassen“ präsentiert.Das Motto des Campus-Tags lautete indiesem Jahr „Vielfalt erleben“. HunderteLeipziger ließen sich die Chance dazunicht entgehen. Aber es fand nicht nur derbeliebte Universitätsmarkt statt, sondern(erstmals zeitgleich) auch der Studien-informationstag im Hörsaalgebäude, diestudentische Veranstaltung UNI2 im Innen-hof und die Eröffnung der InternationalenStudentischen Woche. Letztere zog an denFolgetagen viele Besucher an und betriebwieder erfolgreich Werbung für Multikul-turalismus. An dieser Stelle sind Impres-sionen vom 17. Mai zusammengestellt,Zitate in Wort und Bild.

„Nehmen Sie es als Geschenk, dass Sieeinen klugen Kopf haben.“

Prof. Dr. Monika Krüger, Prorektorin fürLehre und Studium, bei der Eröffnung

des Studieninformationstages

*„Ach herrje …“

Zwei Schülerinnen vor dem überfülltenHörsaal 6, in dem es Informationen zu

den Lehramtsstudiengängen gab

*„Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen rechtherzlich für die Unterstützung und die

wache Aufmerksamkeit zu danken.“Rektor Prof. Dr. Franz Häuser bei der

Eröffnung des Campus-Tags an die Leip-ziger Bürger gewandt (in Bezug auf dieReaktionen in der Stadt auf die Debatte

um den Wiederaufbau der Paulinerkirche)

*„Journey beyond your imagination“

Aufschrift auf einem Plakat in Zelt 11,wo das Institut für Anglistik eine Harry-

Potter-Marathonlesung veranstaltete

*„Man kann Bakterien für sich arbeitenlassen. Wir bringen sie dazu, Eiweiß zu

produzieren.“Dr. Heike Betat, Institut für

Biochemie/Max-Planck-Institut fürEvolutionäre Anthropologie, Zelt 4

Heft 4/2003

UniVersum

3

Die Uni im ViervierteltaktBilder und Sätze vom 17. Mai

In Bewegung:Im Hörsaal-gebäude und imSeminargebäudesuchten und fan-den Schüler denWeg zu denStudieninforma-tionsangeboten.Es schienenjedoch wenigerSchüler als inden Vorjahrengekommen zusein.

Bullenreiten:Bei UNI2 imInnenhof konnteman zeigen, wieman sich unterschwierigenBedingungen imSattel hält.

Fotos: RandyKühn (2) undArmin Kühne

Standfest:Holz gegenBeton lautete dasDuell bei derExperimental-vorlesung derBauingenieurevor großemPublikum. AmEnde brachwider Erwartenzuerst der Beton-steg ein.

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„Wir erleben nicht nur eine Entpolitisie-rung der Universitäten. Es ist eine Entpo-litisierung der Gesellschaft. Die Univer-sitäten können sich nicht auf einer Insel

der Politisierung bewegen.“Prof. Dr. Wolfgang Fach, Institut für

Politikwissenschaft, bei der Prodiums-diskussion zum Thema „Wie politisch,

wie ökonomisch soll oder darf dieUniversität sein?“

*„Nutzt keine deutschen Internetseiten zurInformation über Deutschland. Ihr müsst

der deutschen Sprache entkommen.“Andreas Hammer in seinem Vortrag überseinen USA-Aufenthalt im Rahmen derLänderpräsentationen in Hörsaal 10, die

auch Bestandteil der InternationalenStudentischen Woche waren

*„It’s one million miles to the city.“

Nicht ganz zutreffende Titelzeile einesLiedes, das beim Bullenreiten im Innen-

hof gespielt wurde

*„Wenn man seinen eigenen Finger rein-taucht, geht’s dem wie der Bratwurst.“Prof. Dr. Stefan Berger während seinerChemie-Experimentalvorlesung, bei der

er kurz zuvor eine Bratwurst in Stickstoffgetaucht und dann auf dem Boden

zerplatzen lassen hatte

*„Kaputt kriegen wir alles.“

Prof. Dr. Stefan Winter während seinerModeration der Experimentalvorlesung

des Bauingenieurwesens

„Der Beklagte verpflichtet sich, denstreitgegenständlichen DVD-Player

zurückzugeben.“Bei der Gerichtssimulation der

Juristenfakultät aufgeschnappter Satz

*„Es geht auch im Kühlschrank – aber wir

sind schneller.“Worte eines der Jungchemiker, die mit

Hilfe von Stickstoff „Blitzeis“ herstellten

*„Und wir haben auch ne bessere Luft,

auch besseres Wasser wieder, nicht? Jetztkönnen Sie wirklich wieder durch den

Park gehen und können durchatmen, daskonnte man früher wirklich nicht.“Auf einer Schautafel dokumentierte

Aussage einer von Kulturwissenschaftlernfür das Projekt „Leben in Plagwitz“

befragten Bürgerin

*„Ich habe jetzt ein absolut dummes

Experiment gemacht.“Prof. Dr. Josef Käs bei seiner Physik-

Experimentalvorlesung. Er hatte geradeversucht, mit einem Laser-Pointer einen

Tischtennisball zu bewegen. Späterdemonstrierte er, dass Licht durchaus als„optische Pinzette“ genutzt werden kann

– für Zellen.

*„Unser Prof weiß vieles besser. Wär er

noch hier, wüssten es auch wir.“Aufschrift auf einem Plakat des

StudentInnen-Rates.

Aufgezeichnet von: Carsten Heckmann

journal

AmRande

Zehn Millionen Euro. Das muss mansich mal vorstellen. Zehn MillionenEuro kann eine Fakultät wert sein. Undmehr. Da sage noch einer, Universitä-ten nagten am Hungertuch.Nein, hier ist kein Märchen aus Tau-sendundeiner Nacht zu lesen. Unbe-kannte Freunde und Förderer der TUDresden boten die von der Schließungbedrohte Jura-Fakultät unter der Num-mer „2529797203“ einfach im Inter-net-Auktionshaus eBay an – komplett,mit Gebäude, Grünpflanzen, 1800Studenten, 70 Professoren und Mitar-beitern sowie der Bibliothek.Was wohl für die Leipziger Geowis-senschaften zu erzielen wäre? Astro-nomisch hohe Summen sind vorstell-bar. Und erst die Bauingenieure. Dum-merweise weiß man nie, an wen mansich da verscherbelt. Am Ende sind esirgendwelche Holzmänner. Dann mussman plötzlich bei Schröder statt beiMilbradt um Rettung bitten.Harte Zeiten können aber harte Ein-schnitte erfordern. Die Leipziger Uni-versität beispielsweise könnte auchüber einen Standortwechsel nachden-ken. Der Auszug aus Prag hat ja ge-zeigt, dass das erfolgreich laufenkann. Fragt sich nur: wohin jetzt? Zu-rück nach Prag, ins „neue Europa“?Nach Asien, der geringeren Personal-kosten wegen? Aber wie sähe dasaus: die Olympischen Spiele hier, dieSportfakultät auf einem anderen Kon-tinent ...Nachzudenken wäre auch über dieUmwandlung in eine AG. Zwar ist diegroße Börsenblase geplatzt, aber flüs-siges Kapital gibt es noch genug. An-dererseits sind die Risiken groß. Aufder Aktionärsversammlung könnte derRektor nicht entlastet werden und derKurs in den Keller gehen, nur weil diePolitikwissenschaftler trotz schlechterProfite nicht abgestoßen würden.Also doch die Dresdner Methode.Aber vorher sollte man mit eBay ver-handeln. Das haben die Dresdnernämlich nicht getan. Mit schwerwie-genden Folgen: Erst durften nicht mehrals zehn Millionen Euro geboten wer-den, dann ging gar nichts mehr. Einhinterwäldlerischer Auktionator hattevon hochschulreformatorischen Bemü-hungen rein gar nichts mitbekommenund die Auktion abgeblasen. EineFakultät, hieß es, sei ein „ungültigerArtikel“. Carsten Heckmann

Blitzeis: Die Jungchemiker erfreuten die Besucher mit Eis – selbst gemacht, undzwar in Sekundenschnelle, mit Hilfe von minus 197 Grad kaltem Stickstoff.

Foto: Randy Kühn

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Es hat nicht sollen sein. Auch nach demnunmehr sechsten Professoren-Fußball-Turnier im Universitätsverbund Halle-Leipzig-Jena wartet das Leipziger Teamweiter auf den ersten Punktgewinn. Dabei erwischten die Mannen um KapitänHans-Jörg Stiehler beim Heimspiel MitteMai auf dem Testfeld im Sportkomplex ander Jahnallee einen guten Start. Geradedrei Minuten waren im ersten Match derGastgeber gespielt, da hatte der Links-außen Markus Löffler das Führungstor aufdem Fuß, doch sein strammer Schuss ver-fehlte das gegnerische Gehäuse knapp.Immerhin: Der Underdog hatte ein kräfti-ges Kläffen von sich gegeben, das die Hal-lenser durchaus beeindruckte. Zwar be-stimmten die Gäste aus Sachsen-Anhaltfortan das Spielgeschehen, echte Akzentekonnten sie aber nicht setzen. Manch einerrieb sich verwundert die Augen, hatte Halledoch sein Auftaktspiel gegen Jena mit 2 :1gewonnen und somit den Grundstein zurTitelverteidigung gelegt.Die zwei Dutzend Zuschauer spürten, dasseine Überraschung zum Greifen nahe war.Erste Sprechchöre waren zu vernehmen:„Leipzig vor, noch ein Tor.“ Nicht, dass dieMannschaft schon eines geschossen gehabthätte. Wie auch immer: Die Stimmung wargut in der Fankurve. So fiel denn auch nichtweiter ins Gewicht, dass das neue Zentral-stadion nicht rechtzeitig zum Hochkaräter-Treffen fertig geworden war.Dafür gab’s neue Trikots in Leipzigs Stadt-farben gelb-blau. Und die schienen zu be-flügeln. Der äußerst starke Löffler ließnach einer Viertelstunde im wahrsten Sinnedes Wortes aufhorchen, mit einem Latten-knaller erster Güte.

„Die haben ihr Jubiläum hinter sich, dielassen nach“, tönte es nun selbstbewusstaus der versammelten Fangemeinde. Daskann den Leipzigern 2010 zumindest vonder Platzierung her wohl nicht passieren.Aber zurück zum Spiel: In der zweiten 20-Minuten-Hälfte legte Halle, am Randeeiner Blamage stehend, eine Schippe drauf.Mehrere Großchancen reihten sich anein-ander, doch Torwart Wolf-Dietrich Einickeparierte immer wieder glänzend – und dasohne Handschuhe!Der Druck wurde stärker und stärker. Bisihn Leipzigs linker Verteidiger Hans Neu-meister im direkten Körperkontakt zuspüren bekam. Neumeister beschrieb dieSituation später wie folgt: „Ich wurde vonhinten geschubst – und konnte dann nichtmehr ausweichen, keine Chance.“ Es warpassiert. Flanke von links, Kopfball Neu-meister, Tor – Eigentor.Hatten jahrelange Beobachter bis dahinklare Fortschritte gegenüber vorherigenAuftritten der Leipziger ausgemacht – jetztschien die Moral dahin. Oder die Kondi-tion. Oder beides. Jedenfalls brachte Halledas glückliche 1: 0 locker über die Zeit undstand somit als Turniersieger fest.Im bedeutungslos gewordenen zweitenSpiel gegen Jena griffen denn auch die vonden Zuschauern bereits zuvor gefordertenHerren Franz Häuser und Volker Bigl insGeschehen ein. Rektor und Alt-Rektor ge-meinsam in vorderster Front. Ein durchausgeschickter Schachzug, möchte man mei-nen – aber kein erfolgreicher. Denn JenasRektor Karl-Ulrich Meyn war an diesemTag blendend aufgelegt und erzielte gleichzwei Treffer. Bei seinem 1: 0 hatte FranzHäuser das Feld schon wieder verlassen. Er

war für seinen Kurzeinsatz extra fit ge-spritzt worden (Hexenschuss). Bei Meyns4 : 0 war das Spiel längst entschieden. „DerGeist ist willig, aber …“ sinnierte LeipzigsKapitän Stiehler an der Seitenlinie. Für dieChronisten: Das Spiel endete 5 : 1 für Jena.Der Ehrentreffer fiel in der 28. Minute,Hermann-Josef Gertz verwandelte miteinem trockenen Flachschuss aus halb-linker Position.Der Verlierer Leipzig belegte dennocheinen ersten Platz: Die Gastgeber führtendie Verletztenliste an. Blessuren hattendavon getragen: Stiehler (Leistenzerrung),Sieler (Bruch des linken Fußes) und Löff-ler (Platzwunde auf der Stirn). Den Pokalnahmen die Hallenser wieder mit. Bis zumWiedersehen 2004. Wenn immer noch dasMotto gilt, das Hans-Jörg Stiehler in seinerMedienforschung schon oft als Floskeluntergekommen ist und das er kurz vordem 2003-Anpfiff ausgegeben hatte: „DieHoffnung stirbt zuletzt.“

Carsten Heckmann

Das Team der Universität Leipzig:Prof. Wolf-Dietrich Einicke (Institut für Techni-sche Chemie), Prof. Joachim Sieler (Institut fürAnorganische Chemie), Prof. Hermann-JosefGertz (Klinik und Poliklinik für Psychiatrie),Prof. Hans Neumeister (Institut für Geogra-phie), Dr. Jörg Bär (Institut für Biochemie) Prof.Hans-Jörg Stiehler, (Empirische Kommunika-tions- und Medienforschung), Prof. MarkusLöffler (Institut für Medizinische Informatik,Statistik und Epidemiologie), Prof. DietmarSchneider (Klinik und Poliklinik für Neurolo-gie), Prof. Martin Busse (Institut für Sportme-dizin), Prof. Volker Bigl (Ehem. Rektor), Prof.Franz Häuser (Rektor), Peter Stüwe, Dekanats-rat Sportwissenschaftliche Fakultät)

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Der Wille war da …Fußball: Leipzig als ewiger Dritter

Rektor Häuser am Ball. Fotos: C. Busse

Voller Einsatz von Markus Löffler (l.).

UniVersum

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Ein Lob ist soviel wert wie der Mensch,der es ausspricht.

Miguel de Cervantes (1547–1616),span. Dichter

Die Musiker hatten es nicht leicht. Da hat-ten sich am frühen Abend des 6. Mai Dut-zende Ehrengäste im Festsaal des AltenRathauses zu Leipzig versammelt. 60 Jour-nalisten kamen hinzu. Einige von ihnentauchten die Szenerie in gleißendesScheinwerferlicht. Von Minute zu Minutestieg die Luftfeuchtigkeit an. Schweißper-len waren nicht länger als ein Zeichen vonNervosität zu werten. Vor allem aber ließdas Ganze auch die Instrumente nicht kalt:Die Mitglieder des „Ensemble Resonanza“mussten sie immer wieder aufs Neue stim-men. Um anschließend immer wiedervirtuos aufzuspielen.Der Ehrengast unter den Ehrengästenwusste das zu schätzen, bedankte sich spä-ter persönlich bei den jungen Musikern.„Ich habe es als feinfühlig und taktvollempfunden, dass der Hallenser Händelgleich zweimal zu Gehör gebracht wurde“,sagte der Hallenser Hans-Dietrich Gen-scher. Eine Stunde zuvor hatte er aus denHänden von Professor Martin Oldiges, De-kan der Juristenfakultät, die Urkunde ent-gegen genommen, die ihn als Ehrendoktoreben dieser Fakultät ausweist. Eine Aus-zeichnung, die Genscher „ehrenvoll undmich tief anrührend“ nannte. Seine Dan-kesworte gerieten zum Teil selbst zu klei-nen Lobeshymnen, vor allem auf die„Olympiastadt Leipzig“ und deren „altehr-würdige Universität“.„Leipzig hat sich immer als Stadt desRechts verstanden“, sagte der Bundes-außenminister a. D. und verwies auf dieFortführung dieser Tradition mit der An-siedlung des Bundesverwaltungsgerichtsund des 5. Strafsenats des Bundesgerichts-hofes. „Es hätte Geschichtsbewusstseinausgedrückt, wenn auch das Bundesverfas-sungsgericht seinen Sitz in Leipzig hättenehmen können“, erklärte Genscher wei-

UniVersum

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Ode an das RechtRückblick auf die Verleihung derEhrendoktorwürde an Hans-Dietrich Genscher

Prominenz in der ersten Reihe (v. r.): Dekan Oldiges, Ehrendoktor Genscher mitGattin, Festredner Gorbatschow, Rektor Bigl mit Gattin und OberbürgermeisterTiefensee. Foto: Dietmar Fischer

„Unter dem Rektorat des Professors fürNeurochemie Dr. med. Volker Bigl unddem Dekanat des Professors für Öffent-liches Recht Dr. iur. utr. Martin Oldigesverleiht die Juristenfakultät der Univer-sität Leipzig ihrem früherenStudenten Dr. h.c. mult.Hans-Dietrich Genscher,Bundesminister a. D. derBundesrepublik Deutsch-land, in Würdigung seinervielfältigen Verdienste alsMinister der Bundesrepu-blik Deutschland und in be-sonderer Anerkennung sei-ner außergewöhnlichen Lei-stungen und hervorragen-den Verdienste um dieSchaffung einer völker-rechtlichen Grundlage fürdie Wiedervereinigung

Deutschlands und für die Sicherung desFriedens in Europa den Grad und dieWürde eines Doktors der Rechte ehren-halber (Doctor iuris honoris causa – Dr.iur. h.c.).“

Der Text der Urkunde

Prof. Oldiges überreichte Hans-Dietrich Genscher dieEhrendoktor-Urkunde. Foto: Armin Kühne

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ter. Der 76-Jährige knüpfte auch an dieLaudatio von Prof. Oldiges an. Einmal,indem er über sein Erstes Staatsexamen ander Universität Leipzig sprach – abge-schlossen mit der mündlichen Prüfung am5. Oktober 1949, zwei Tage vor Gründungder DDR, was Genscher heute noch sym-bolisch wichtig ist. Zum zweiten, indem eraus dem 2+4-Vertrag zitierte, den er mitausgehandelt hat.Dieser Vertrag, der den Weg zur deutschenEinigung endgültig frei machte, sei „wiekaum ein anderer eine Meisterleistungvölkerrechtlicher Friedensbemühungen“,hatte zuvor Martin Oldiges konstatiert. Ersprach von einer „Ehrung für ein Friedens-werk“, zu der sich die Juristenfakultät ent-schlossen habe. Und er verglich Genschermit Goethe: Beide hätten sich nach demStudium zunächst „brav als Rechtsanwalt“niedergelassen, in diesem Beruf aber„keine nennenswerte Karriere“ gemachtund seien Minister geworden. RednerOldiges erntete an dieser Stelle nicht zumeinzigen Male ein Publikumsschmunzeln.Den Reaktionen der Gäste war ohnehin im-mer mal wieder zu entnehmen, dass diewürdevolle Feier durchaus Unterhaltungs-wert besaß.Genscher und Goethe also. Und noch einbedeutender Mann mit G bestimmte die„hochansehnliche Festversammlung“, dieRektor Volker Bigl begrüßt hatte: MichailGorbatschow. Keinen Besseren hätte mansich vorstellen können als Redner zumThema „Hans-Dietrich und ich …“. Gen-scher war der erste westliche Politiker, vondem Gorbatschow sich mit seiner Peres-troika-Politik verstanden fühlte. „Und erhandelte aus Verantwortungsgefühl, nichtaus Taktik“, so der ehemalige sowjetischeStaatschef in seiner Festansprache.Das genaue Gegenteil unterstellte Gorbat-schow dem derzeitigen US-PräsidentenGeorge Bush, dessen Irak-Feldzug er gei-ßelte. „Amerika braucht seine eigene Pere-stroika“, erklärte er. Frieden könne es nichtgeben, wenn jemand seinen Erfolg ineinem Triumph über andere sehe. Das seidie wichtigste Lektion Hans-Dietrich Gen-schers – eine Aussage, für die Gorbatschowviel Applaus bekam.Der Frieden, die Freiheit, das Recht. Dieswaren die bestimmenden Werte an diesemAbend. Werte, die dem Ehrendoktor Gen-scher immer am Herzen lagen und liegenwerden. Dem „deutschen Glücksfall“, wieihn Bundespräsident Johannes Rau ineinem von Martin Oldiges verlesenenGrußwort bezeichnete.

An einem von jenen Werten bestimmtenEuropa arbeitet der rastlose Diplomatweiterhin mit. Wie auch sein „Freund Gor-batschow“. Der brachte es auf den Punkt:„Richtige Rentner sind wir nicht geworden,nicht wahr, Hans-Dietrich?!“

Carsten Heckmann

NOMENNamenforscher Prof. Jürgen Udolph zurHerkunft des Namens „Genscher“

Unter 40 Millionen Telefonteilnehmern(Stand: 1998; neuere CD-ROMs sind ausDatenschutzgründen schlecht zu verarbei-ten) ist der Name Genscher 56-mal be-zeugt.Die Verbreitung des Namens zeigt, dass derName locker über Norddeutschland ver-streut ist. Leichte Konzentrationen sind beiHalle, in Sachsen und im Ruhrgebiet zubeobachten (siehe Karte rechts). Dasspricht mit einiger Wahrscheinlichkeit fürZuwanderung aus dem Osten.Nach R. Zoder, Familiennamen in Ost-falen, Bd. 1, Hildesheim 1968, S. 559 ge-hört der Familienname Genscher zuGensch, Genß, Gentsch, Jentsch, Jentzsch,einer slavischen Form für „Johannes“. Ge-legentlich wird auch eine mundartlicheobersächsische Form Gensch „Gänserich“herangezogen. In diesem Fall wird aber das

auslautende -er bei Genscher nicht unbe-dingt überzeugend erklärt.Im Deutschen ist zwar auch der Familien-name Genser „Gänserich“ bezeugt (J. K.Brechenmacher, Etymologisches Wörter-buch der deutschen Familiennamen, Bd. 1,Limburg (Lahn) 1957–1960, S. 546), aberin diesem Fall befriedigt das VerhältnisGenser – Genscher nicht restlos.Wichtig sind ältere Belege des Namens. Inder ca. 2 Milliarden Eintragungen umfas-senden Namendatei der Mormonen in SaltLake City (Internet: familysearch.org) fin-den sich drei Nachweise: Josephus Gen-scher, geboren 1777 in Niederösterreich,Caspar Genscher, geb. 1689 Rosenberg(Schlesien), Carolus Genscher, geb. 1723Rosenberg (Schlesien).Diese Namen erinnern an poln. Gąsiór„Gänserich“, das in dt. Familiennamen wieGanschur, Ganschior, Ganschier, Gonsior,Gonsier häufig bezeugt ist.Im Fall von Genscher sprechen die ältestenbisher bekannten Belege aus Schlesien füreine frühe Eindeutschung eines aus Schle-sien stammenden polnischen Namens. Eingerade erschienenes Verzeichnis (K. Ry-mut, Słownik nazwisk współcześnie wPolsce używanych, CD-ROM, Kraków2003, S. 3058) verzeichnet den Familien-namen Gęsior in Polen (vor allem im Süd-westen und in Schlesien) 214-mal. Zu-grunde liegt poln. gęsior „Gänserich“, eineVariante von gąsior (als Familienname11980-mal bezeugt), wobei die Ausspra-che eines von -i- gefolgten -s- zu einer -sch-ähnlichen Realisierung neigt. Bei frü-her Eindeutschung wird zudem das auslau-tende -or zu -er abgeschwächt.Der Name wird sich demnach wohl aufeinen Gänsehirten bezogen haben.

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Michail Gorbatschow bei seiner Fest-ansprache. Foto: Armin Kühne

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Als „Sauklaue“ wurde sowohl die Hand-schrift Hans-Dietrich Genschers als auchdie Michail Gorbatschows in der „Leipzi-ger Volkszeitung“ bezeichnet. Aus gutemGrund, denn lange musste gerätselt wer-den, was die beiden hohen Herren dennnun genau in das Goldene Buch der StadtLeipzig und in das Gästebuch der Univer-sität geschrieben hatten. Die untenstehen-den Fotos zeigen die Eintragungen in dasGästebuch.Genscher schrieb: „Hans-Dietrich Gen-scher mit bestem Dank und großem Res-pekt für die altehrwürdige UniversitätLeipzig“. Gorbatschows Eintrag lautet inder Übersetzung: „Ich grüße die berühmteLeipziger Universität, die Herausragendeszur Entwicklung des Wissens und der Kul-tur beigetragen hat.“ Wobei Dr. Hans Bach,Lehrbeauftragter am Institut für Romanis-tik, den Text anders transkribieren unddaher mit einer anderen Nuancierung über-setzen würde: „Ich grüße die berühmteLeipziger Universität, ich hebe hervorihren herausragenden Beitrag zur Entwick-lung des Wissens und der Kultur.“

UniVersum

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„Sauklaue“ gab Rätsel aufGästebucheinträge von Genscher und Gorbatschownur schwer zu entziffern

Gorbatschow und Genscher trugen sich im Alten Rathaus in das Gästebuch derUniversität und in das Goldene Buch der Stadt ein. Hinten im Bild (v. l.): Prof.Häuser, Prof. Oldiges, Prof. Bigl, Ministerpräsident Milbradt, OberbürgermeisterTiefensee. Foto: Dietmar Fischer

Gorbatschows Eintrag im Gästebuch. Genschers Eintrag im Gästebuch. Fotos: Randy Kühn

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Das Jahr 2002 war für die Universitäts-bibliothek Leipzig (UBL) alles in allem eingutes Jahr. Zwei wichtige Ereignisse stan-den im Mittelpunkt: Zum einen dieWiedereröffnung der Bibliotheca Albertinanach zehnjähriger Wiederaufbauzeit am24. Oktober 2002 – exakt 111 Jahre nachder Ersteröffnung im Jahre 1891. Damitwaren – wie in den Jahren zuvor – die um-fangreichen Bestandsverlagerungen ausder Zweigstelle am Augustusplatz und derweitere Aufbau der Freihandbereicheebenso verbunden wie die Umzüge derMitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihreendgültigen, schönen Diensträume. Zum anderen wurden alle Teile der UBLund insbesondere die Mitarbeiter vom„LIBERO-Fieber“ erfasst: Die Einführungder landesweit übernommenen integriertenlokalen Bibliothekssoftware LIBERO deraustralisch-deutschen Firma LIB-IT er-folgte am 1. 7. 2002 in der UBL mit demStart von zunächst zwei Modulen. Die Aus-leihe und die Katalogisierung wurden anjenem Tage auf die neue Software umge-stellt. Zugleich wurde in der BibliothecaAlbertina die Aufbauorganisation im Be-reich „Buchbearbeitung“ durch die Schaf-fung von Arbeitsgruppen – statt der bisherstreng arbeitsteilig arbeitenden Dienststel-len – verändert, was auch Auswirkungenauf die anderen Bereiche hatte.

Zahlen und Trends

In dem Bibliothekssystem, in dem Ende2002 neben der Bibliotheca Albertina noch40 Zweigstellen und zwei Außenmagazineorganisiert waren, gab es 4 956 655 (2001:4 895 379) Bände bzw. 5 165 199 (2001:5 101 724) Medieneinheiten und 7 762(2001: 7 809) laufend gehaltene gedrucktZeitschriften und Zeitungen. Der um dieAussonderungen bereinigte Zugang betrugim vergangenen Jahr nur noch 62 273(2001: 67 938) Bände bzw. 64 502 (2001:69 815) Medieneinheiten. Damit setzte sich als Folge der geringerenErwerbungsmittel der Abwärtstrend beimZugang fort. Waren es 2001 noch 3 621 093Euro, die insgesamt für Erwerbungs-zwecke zur Verfügung standen, so waren es2002 nur noch 3 592 622 Euro. Bedenklichist der hohe Anteil von 38% „Fremd-“Mit-teln, die 2002 zur Verfügung gestellt wur-den und somit einen Kollaps der Literatur-und Informationsversorgung der Univer-sität vermeiden half. Zugleich verbesserte sich kurzfristig dieGesamtbilanz bei den Zeitschriften, da sich

die Zahl der – neben oder parallel zu dengedruckten Zeitschriften – elektronischbereit gestellten Zeitschriften erhöhte. DieSituation auf dem Sektor der Datenbankenkonnte durch Sondermittel für alle Fach-gebiete spürbar verbessert werden. Die Angehörigen der Universität Leipzignehmen das Angebot der UBL von neuenMedien immer stärker an: Die Nutzungdieser Datenbanken nahm weiter zu: Alleindie Zahl der Volltextzugriffe über dieElektronischen Zeitschriftenbibliothek(EZB) stieg in 2002 auf 74 976 (2001:53 852), d. h. auf 205 (2001: 147) Zugriffepro Tag. Die Zahl der Recherchen, die dieWissenschaftler mit Hilfe der Informa-tionsvermittlungsstelle im Hochschulbe-reich der UBL durchführte, ging dagegendrastisch weiter zurück. Diesen Trend ha-ben die UBL durch Hilfe zur Selbsthilfeder Benutzer und die Datenbank-Anbieterdurch verbesserte Oberflächen bewusstverstärkt.Die konventionelle Benutzung der UBLnahm im Jahr 2002 ab, was weitgehend denService-Einschränkungen in der Haupt-bibliothek und der zweimonatigen Schlie-ßung der Zweigstelle am Augustusplatz(wegen der Bestandsverlagerungen) ge-schuldet war. In 2002 wurden nur 806 052Bände (2001: 920 333) im gesamten Sys-tem ausgeliehen.

Schwerpunkte der Arbeit

Die Schwerpunkte der Arbeit lagen im ver-gangenen Jahr auf baulichen und organi-satorischen Gebieten. Von der Einführungvon LIBERO waren alle Mitarbeiter in derHauptbibliothek sowie in den Zweigstellenbetroffen. Die Umzüge der Mitarbeiter nahmen einEnde. Noch keinen Abschluss fanden dieUmzüge von Büchern und Zeitschriften-Bänden in die Magazine und Freihandbe-reiche der Bibliotheca Albertina. Die um-fangreichen Bestandsverlagerungen ausder Zweigstelle am Augustusplatz und ausdem Außenmagazin in der Prager Straßegehen auch im laufenden Jahr 2003 weiter. Erfreulich war der Einzug der theolo-gischen Zweigstelle in die ehemaligenRäume der Zweigstelle Rechtswissen-schaft, so dass jetzt beide Zweigstellenadäquat untergebracht sind und ihre Be-stände in freundlichen Räumen weitest-gehend in systematischer Freihandaufstel-lung präsentieren können. Die Freihan-dumstellungen in den anderen Zweigstel-len liefen in 2002 weiter.

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Ende gut– allesgut?!Die Entwicklungder Universitäts-bibliothekVon Dr. Ekkehard Henschke, Direktor der Bibliothek

Bei nebenstehendem Text handelt essich um eine gekürzte Fassung desUBL-Jahresberichts. Den gesamtenBericht inkl. Statistiken finden Sie imInternet: www.ub.uni-leipzig.de

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UniVersum | Gremien

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Seit Anfang Mai gibt es an der UniversitätLeipzig einen zweiten örtlichen Personal-rat. Neben dem Personalrat Hochschulbe-reich wurde erstmals auch der Personalratder Medizinischen Fakultät gewählt.Der frühere „Personalrat Bereich Medizin“konnte nicht unverändert fortgeführt wer-den. Das Sächsische Hochschulmedizinge-setz schreibt wegen der unterschiedlichenRechtsform von Klinikum und Fakultät dieTrennung der Interessenvertretung vor. Da-mit entstand die Frage, ob die Angehörigender Medizinischen Fakultät mit durch denPersonalrat Hochschulbereich vertretenwerden wollen oder für ihre Einrichtungeinen eigenen Personalrat vorziehen. In derhierzu durchgeführten Abstimmung spra-chen sich die Mitarbeiter der Medizini-schen Fakultät für eine Verselbstständi-gung aus. Aus dieser Sachlage resultiertgleichzeitig die Wahl eines nun für die Uni-versität insgesamt zuständigen Personal-rats, eines Gesamtpersonalrats. Diese Wahlfindet am 1. Juli statt. Die Beschäftigtender Universität wählten bzw. wählen alsoin diesem Jahr erstmalig drei Personalräte:den jeweiligen örtlichen Personalrat(Hochschulbereich bzw. Med. Fakultät),den Gesamtpersonalrat der Universität undden Hauptpersonalrat beim SächsischenMinisterium für Wissenschaft und Kunst.Letzterer existiert auf Landesebene unver-ändert fort. C. H.

In den Personalrat Hochschulbereich wur-den gewählt:Vorsitzende:Dr. Karin Eulenberger (wiss. Mitarbeiterin,Veterinärmed. Fak.)Für die Gruppe der Beamten: Dr. Silvia Blaschzik (wiss. Mitarbeiterin,Veterinärmed. Fak.), Dr. Bernd Hoffmann(Lehrkraft für besondere Aufgaben, Sport-wiss. Fak.)Für die Gruppe der Angestellten: Dr. Bernd Bendixen (wiss. Mitarbeiter,Philologische Fak.), Wolfram Fritzsche(techn. Angestellter, Fak. f. Physik), Mar-len Balling (Innenrevisorin), WolfgangKeller (Lehrkraft für besondere Aufgaben,Studienkolleg Sachsen), Karl-FriederNetsch (Diplombibliothekar, Universitäts-bibliothek), Wolfgang Löhrmann (Techni-

ker, Inst. f. Psychologie), Martina Otto(Sachbearbeiterin, Dezernat 2), Ute Oß-wald (Verwaltungsangestellte, Herder-Ins-titut), Dr. Annemarie Heyder (wiss. Mitar-beiterin, Erziehungswiss. Fak.)Für die Gruppe der Arbeiter: Andreas Müller (Betriebshandwerker, De-zernat 4), Ralf-Peter Dobroschke (MTA,Veterinärmed. Fak.) Rene Schuhmacher(Tierpfleger, Veterinärmed. Fak.)

Erreichbar ist der Personalrat Hochschul-bereich per Tel. unter 0341 / 973 0070, perMail unter [email protected]:Universität LeipzigPersonalrat HochschulbereichAugustusplatz 10/11D-04109 LeipzigWeitere Informationen im Internet un-ter:www.uni-leipzig.de/~prhsb/

In den Personalrat der Medizinischen Fa-kultät wurden gewählt:Vorsitzender:Dr. Günther Fitzl (Institut für Anatomie)Für die Gruppe der Beamten:Dipl.-Biol. Edelgard Kolbe (Max-Bürger-Forschungszentrum)Für die Gruppe der Angestellten:Dr. Katrin Behrends (Klinik f. Anästhesieund Intensivth.), Dr. Thomas M. Goerlich(Klinik f. Anästh. und Intensivth.), Dr. Bär-bel Gläser (Verwaltungsleitung), HeidrunHolland (Inst. f. Humangenetik), SylviaJungmann (Paul-Flechsig-Institut)Petra Metz (Inst. f. Biochemie), Dipl.-Med.Heidemarie Pfeiffer (Klinik f. Urologie),Thilo Schallawitz (HNO-Klinik)Dr. Jens Teichert (Inst. f. Klin. Pharmako-logie), Dr. Bernd Vorberg (Inst. f. Klin.Chemie und Lab.-Med.)Für die Gruppe der Arbeiter:Evelin Studera (Med. Exp. Zentrum)

Erreichbar ist der Personalrat der Medizi-nischen Fakultät unter derFax-Nr. 0341/97 25 909 oder per E-Mail:[email protected]: Personalrat Medizinische FakultätLiebigstraße 27, 04103 Leipzig

DoppelterDruckSitzung desSenats am 8. April 2003

1. Der Senat befasste sich mit Berufungs-angelegenheiten; das betraf Ausschreibungund Berufungskommission für „Betriebs-wirtschaftslehre, insbesondere externeUnternehmensrechnung und Wirtschafts-prüfung“ (C4) sowie die Beendigung desBerufungsverfahrens für „Krankenhaushy-giene“ (C3), nachdem die Abarbeitung derBerufungsliste zu keinem Ergebnis geführthat. Zustimmend zur Kenntnis genommenwurde der Antrag der Medizinischen Fa-kultät, PD Dr. med. dent. Hans-LudwigGraf das Recht zur Führung der Bezeich-nung „außerplanmäßiger Professor“ zuverleihen.2. Der Senat beriet im Zusammenhang dervorgesehenen Umbenennung des Zen-trums für Medien und Kommunikation(ZMK) in Medien-Kompetenz-Zentrum,die mit einer Aufgabenerweiterung, so z. B.auf dem Gebiet Multimedia/DistanceLearning, verbunden ist, über das erforder-liche kooperative Grundkonzept und dieEinbeziehung der Fakultäten. Da von denDekanen hier noch Nachholbedarf fest-gestellt wurde, wurde die Bildung einerArbeitsgruppe zur Vorbereitung der Grün-dung eines Medien-Kompetenz-Zentrumsunter Leitung des Prorektors für Forschungund wissenschaftlichen Nachwuchs be-schlossen. Die Fakultäten werden aufge-fordert, jeweils ein Mitglied in diese Ar-beitsgruppe zu entsenden.3. Der Senat bestätigte die von der Pro-rektorin für Lehre und Studium einge-brachte Vorlage zu den Zulassungsbe-schränkungen und Zulassungszahlen fürdas Akademische Jahr 2003/2004. MitPhilosophie und Sport (Lehramt Mittel-schulen) wurden weitere Fächer mit einemuniversitätsinternen Numerus clausus be-legt.4. Der Senat stimmte über die Schließungdes Instituts für Logik und Wissenschafts-

Personalräte neu gewählt

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2. Der Senat stimmte dem Antrag derTheologischen Fakultät zu, PD Dr. theol.habil. Gerhard Graf das Recht zur Führungder Bezeichnung „außerplanmäßiger Pro-fessor“ zu verleihen.3. Der Senat nahm die Beschlüsse der Fa-kultäten für Physik und Geowisenschaftenund für Biowissenschaften, Pharmazie undPychologie zustimmend zur Kenntnis,Prof. Dr. Peter Fritz, WissenschaftlicherGeschäftsführer des Umweltforschungs-zentrums Leipzig-Halle, gemeinsam dieEhrendoktorwürde zu verleihen. Damitsollen sowohl seine besonderen Verdiensteum das von ihm vertretene Wissenschafts-gebiet Geologie/Isotopenhydrogeologie alsauch seine Leistungen als internationalherausragender und anerkannter Wissen-schaftsorganisator gewürdigt werden.4. Der Senat wiederholte nach der Klä-rung, wie bei der vorangegangenen Ab-stimmung Stimmenthaltungen zu bewertensind, die Abstimmung zur Schließung desInstituts für Logik und Wissenschaftstheo-rie und beschloss mit 18 Ja- und 12 Nein-Stimmen bei einer ungültigen Stimme dieSchließung. Eine Entscheidung über dieAufhebung des Studienganges Logik undWissenschaftstheorie wurde für dienächste Senatssitzung vereinbart, nachdemder Dekan der Fakultät für Sozialwissen-schaften und Philosophie die Ausarbeitungeiner tragfähigen Konzeption für die vor-läufige Integration des Studienganges indas Institut für Philosophie zusagte.5. Der Senat beschloss, die Entscheidungüber die Schließung der Abteilung Nieder-landistik und des entsprechenden Studien-ganges zurückzustellen, um einen in letz-ter Minute gemachten Finanzierungsvor-schlag aus dem Ausland prüfen zu können.6. Der Senat stimmte den vom Prorektorfür strukturelle Entwicklung und demDekan der WirtschaftswissenschaftlichenFakultät eingebrachten Vorlagen zu, dasInstitut für Software- und Systementwick-lung zu schließen und die Professuren demInstitut für Wirtschaftsinformatik zuzuord-nen sowie die Professuren für Wirtschafts-informatik neu zu ordnen.7. Der Senat bestätigte Frau Prof. Dr. Eva-marie Hey-Hawkins als Nachfolgerin vonProf. Welzel und Prof. Dr. Elmar Brählerals Nachfolger von Prof. Arnold in der For-schungskommission sowie Prof. Brählerauch als Nachfolger von Prof. Arnold inder Graduiertenkommission.

Prof. Dr. F. Häuser V. SchulteRektor Pressesprecher

Heft 4/2003

Gremien

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theorie ab. Dabei wurde ein Abstimmungs-ergebnis von 17 Ja-Stimmen, 8 Nein-Stim-men und 9 Stimmenthaltungen erzielt. Wiedas Ergebnis aufgrund der unterschied-lichen Auffassungen des Ministeriums fürWissenschaft und Kunst und der Univer-sität zur Bewertung von Stimmenthaltun-gen zu beurteilen ist, muss bis zur nächstenSenatssitzung geklärt werden.5. Der Senat befasste sich nach Informa-tionen von Rektor Prof. Bigl und ProrektorProf. Häuser über Gesprächskontakte inDresden mit dem Entwurf der Vereinba-rung über die Entwicklung bis 2010 zwi-schen den Hochschulen und der Sächsi-schen Staatsregierung. Deutlich wurde,dass die Universität Leipzig unter einemdoppelten Druck steht: zum einen durchden Hinweis aus dem Ministerium, dassFinanzierungszusagen, wie sie in derHochschulvereinbarung enthalten sind, nurbei einer Unterzeichnung gelten; zum an-deren durch die Sorge der anderen Univer-sitäten, eine ablehnende Leipziger Haltungkönne den „Hochschulkonsens“ insgesamtgefährden. Ungeachtet dessen wurde imSenat erheblicher Klärungsbedarf konsta-tiert, und er begrüßte die Absicht von Pro-rektor Häuser, die offenen Fragen imZusammenhang der Strukturvorgaben ineinem Brief an den Staatsminister zurSprache zu bringen.

6. Der Senat stimmte der Angliederungder Stiftungsprofessur „Stadtentwicklung“an das Institut für Baubetriebswesen undBauwirtschaft zu.7. Der Senat nahm den Bericht über dieEvaluierung des Zentrums für Kognitions-wissenschaft, das als erstes Teilzentrumdes Zentrums für Höhere Studien bewertetwurde, zur Kenntnis. In dem Bericht derexternen Arbeitsgruppe werden die Dritt-mitteleinwerbung und die Publikationsleis-tung und generell die Interdisziplinarität inForschung, Nachwuchsförderung und beider Konzipierung eines gemeinsamen Ba-chelor-Studienganges hervorgehoben. InBezug auf die Beendigung des kognitions-wissenschaftlichen Promotionskollegs er-klärte der Senat allerdings noch Informa-tionsbedarf.8. Der Senat bestätigte die Aufnahme vonSenator PD Dr. Tröger in die KommissionLehre, Studium, Prüfungen und insgesamtdie personelle Zusammensetzung dieserSenatskommission.9. Die Mitgliedergruppe AkademischeMitarbeiter im Senat wählte Frau NannetteRuß von der Juristenfakultät zum Mitglieddes Ordnungsausschusses, der damit voll-zählig ist.

Prof. Dr. V. Bigl V. SchulteRektor Pressesprecher

1. Die Sitzung des Senats, letztmalig vonRektor Volker Bigl geleitet, befasste sichmit Berufungsangelegenheiten; im Einzel-nen betraf dies Ausschreibung und Be-rufungskommission für „AnglistischeSprachwissenschaft (synchron und dia-chron)“ (C4), „Wirtschaftsinformatik, ins-besondere Softwareentwicklung für Wirt-schaft und Verwaltung“ (C4), „PublicHealth“ (C3), „Anthropogeographie“ (C4),

für die Juniorprofessuren „Entwicklungs-ökonomie unter besonderer Berücksichti-gung von Klein- und Mittelunternehmen“und „Medizinische Soziologie mit demSchwerpunkt: Soziodemographische Be-völkerungsentwicklung und medizinisch-technischer Fortschritt“ sowie den Beset-zungsvorschlag für die Juniorprofessur„Alte Geschichte unter besonderer Berück-sichtigung der Römischen Kaiserzeit“.

Beschluss überInstitutsschließungSitzung des Senatsam 13. Mai 2003

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Forschung

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Vor über einem halben Jahrhundert beganndie DDR mit der Testphase für den ersteneigenen Fernsehsender. Drei Jahre später –am 3. Januar 1956 – wurde der DeutscheFernsehfunk offiziell in Betrieb genom-men. 1969 folgte dann der zweiter Sender.Nach der Wiedervereinigung von DDR undBRD wurden diese beiden Programme imDezember 1990 zur sogenannten DFF-Länderkette zusammengefasst, bevor sieEnde des darauffolgenden Jahres endgültigeinstellt wurden.Von Anfang an war die Entwicklung diesesneuen Massenmediums eng mit politischenund kulturellen Tendenzen verbunden. Dieideologische Systemauseinandersetzungbeider deutscher Staaten war stets von zen-traler Bedeutung. Im Osten wie im Westenwurde das Fernsehen insbesondere wäh-rend des kalten Krieges genutzt, um denkontrastiven Dialog auch über die inner-deutsche Grenze hinaus zu führen. Von Be-ginn an als „Bildungsfernsehen“ genutzt,bewirkte das Klagen Erich Honeckers übereine „bestimmte Langeweile“ im DDR-Fernsehen 1972 eine umfassende Pro-grammreform und dass das Programmmehr auf Unterhaltung ausgerichtet wurde.Dies sollte verhindern, dass die Zuschauerdie Sendungen des „Klassenfeindes“ be-vorzugt sahen, denn man wollte die Mas-senwirksamkeit nutzen um die eigenenpolitischen Botschaften der Bevölkerungzu vermitteln. Im Gegensatz zum DDR-Fernsehen liegenbereits zahlreiche Untersuchungen zurProgrammgeschichte des westdeutschenFernsehens vor. Seit Juni 2001 bemühensich daher etwa 30 Wissenschaftler, Nach-wuchs-Forscher und Studenten, das Me-dium Fernsehen in der Zeit der DDR vonzahlreichen Seiten zu beleuchten. An demDFG-Projekt „Programmgeschichte desDDR-Fernsehens – komparativ“ beteiligensich die vier ostdeutschen HochschulenHumboldt Universität Berlin, Martin-Lu-ther Universität Halle, die Hochschule fürFilm und Fernsehen Potsdam und die Uni-

versität Leipzig (Institut für Kommunika-tions- und Medienwissenschaft).Ziel des Projektes, das in Kooperation mitden Deutschen Rundfunkarchiven in Pots-dam/Babelsberg und Frankfurt/Main sowiedem Bundesarchiv Berlin/Koblenz reali-siert wird, ist eine strukturierte und ver-gleichende Forschung und Erforschung derProgrammgeschichte des Fernsehens in der DDR von den Anfängen 1952 bis zum

Ende des DFF 1991. Wichtige Komponen-ten bei der Analyse sind Einzelsendungen,das Programm, der Sendeplatz, Verbrei-tungsgebiet, technische Reichweite undStellenwert des Programms in der Bevöl-kerung. Der Schwerpunkt liegt insbeson-dere auf Formaten mit unterhaltendemCharakter, doch auch die dramatischen undpublizistischen Genres werden in dieUntersuchungen mit einbezogen.

Sinnbild des DDR-Kinderfernsehens: der Sandmann. Vor 40 Jahren entstand inbeiden Teilen Deutschlands die Idee, Kinder abends mit einer Fernsehfigur insBett zu schicken. Die DDR gewann den Wettlauf: Am 22. 11. 1959 hatte derSandmann seinen ersten Auftritt. Knapp zwei Wochen später strahlte der SenderFreies Berlin sein erstes Sandmännchen aus. Heute wird der Sandmann von denRundfunkanstalten ORB, MDR, SFB und NDR produziert und ausgestrahlt. DerOst-Sandmann hat sich gegen sein West-Pendant durchgesetzt. Foto: MDR

Wider die Langeweile ...Kommunikationswissenschaftler erforschen das DDR-FernsehenVon Juliane Eichler

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Das Projekt unterteilt sich in neun For-schungsgruppen mit den Themen „HeitereDramatik“, „Große Show/Unterhaltungs-sendungen“, „Literaturverfilmungen/Fern-sehdramatik“, „Familienserien“, „Kinder-fernsehen“, „Rezeptionsgeschichte“, „Pro-grammentwicklung“, „Dokumentarfilm“und „Sportfernsehen“. Die hiesige AlmaMater ist an vier Teilprojekten beteiligt, diehier kurz vorgestellt werden.

Programmentwicklung

Der Fokus dieses Teilprojektes liegt aufFragestellungen wie: Welchen Einflusshatten politische und kulturelle Entwick-lungen innerhalb und außerhalb der DDRauf die Entstehung und Entfaltung des Pro-gramms? Welche Veränderungen lassensich in der Programmstruktur erkennen?Welchen Einfluss hatte die Konkurrenz –das West-Fernsehen? Wie wirkten perso-nelle und organisatorische Richtlinien undMaßnahmen auf das Programm als sol-ches? Bisher standen die Gewinnung einesÜberblicks und die nähere Betrachtung derJahre des Umbruchs von der Ulbricht- zurHonecker-Ära 1968 bis 1974 im Vorder-grund der Forschungen. Die erstenZwischenergebnisse stellt die Arbeits-gruppe in ihrer Publikation „Die Überwin-dung der Langenweile? Zur Programment-wicklung des DDR-Fernsehens 1968 bis1974“ (Hrsg. C. Dittmar/S. Vollberg) vor.

Rezeptionsgeschichte

Die Forschungsgruppe des zweiten Teil-projektes konzentrierte sich im ersten Ab-schnitt der Untersuchungen auf die Nut-zung des Programms des DDR-Fernsehensund dessen Bewertung. Dabei wird davonausgegangen, dass die Erwartung an dasFernsehprogramm und die Muster derFernsehnutzung von Alltagsstrukturen,sozialen Strukturen, individuellen Wün-schen und Erwartungen, aber auch vonFaktoren, wie Freizeitangebot oder Größeder Wohnortes abhängen. Fernsehnutzungwurde als Freizeitgestaltung verstanden.Basierend auf den Ergebnissen der Fern-sehzuschauerforschung und der Meinungs-forschung aus dem Zeitraum Mitte der1960er Jahre bis zum Ende der DDR undden Daten des Instituts für Meinungsfor-schung beim ZK der SED soll die Entwick-lung sichtbar gemacht werden. Auch Datenund Befunde des Instituts für Jugendfor-schung sowie Programmbesprechungen inder Tagespresse der DDR und in Zeit-

schriften, wie „FF-dabei“ und „Eulenspie-gel“ sowie Interviews von Zuschauern bil-den die Grundlage für die Analysen. Aus den ersten Ergebnissen geht dieherausragende Bedeutung der Alltags-strukturen für die Fernsehgewohnheitender DDR-Bürger und ihren Wunsch nachUnterhaltung in den 70er und 80er Jahrehervor. Das Angebot im Fernsehen liefertedie Möglichkeit, den Alltag zurückzulas-sen, gab Gesprächsstoff und entwarf Vor-bilder. Das DDR-Fernsehen verstand sichals gesellschaftliches Sprachrohr, durchwelches es mit seinen Zuschauern in Kon-takt trat. „Unterhaltung“ als Genre war zuBeginn des DDR-Fernsehens nicht vorge-sehen, sondern sollte nur als Programm-funktion berücksichtigt werden.

Dokumentarfilm

Im Zentrum der ersten anderthalb JahreForschungsarbeit standen mit Walter Hey-nowski und Gerhard Scheumann (StudioH&S) sowie der Gruppe Sabine KatinsGrenzgänger, die nach Westen blickten unddies in ihren Filmen verarbeiteten: DerSchwerpunkt lag zunächst auf der Unter-teilung einzelner Dokumentaristen/-grup-pen und deren Produktionen innerhalb desDDR-Fernsehprogramms. Beide Doku-mentaristen-Gruppen, H&S und Katins,waren Grenzgänger in vielerlei Hinsicht:Sie bewegten sich laut Prof. Rüdiger Stein-metz (Institut für Kommunikations- undMedienwissenschaft) zwischen „den Wel-ten in Ost und West, zwischen Fernsehenund Kino, zwischen Dokumentarfilm,Dokumentation, Reportage, zwischen Be-weis, Pamphlet, Manipulation und zwi-schen Anpassung und Veränderung in derDDR“. Mit den Ergebnissen der Forschun-gen konnten neue Sichtweisen auf das„Studio H&S“ und die Gruppe Katins auf-gezeigt werden. So entwickelten H&S alserste seit Mitte der 60er Jahre eine Film-ästhetik, die durch die Verwendung vonTrick- und graphischen Elementen ihreWirkung noch intensivierte. Untersuchtwurde auch der Umfang des Werkes von H&S und die Schwerpunktsetzung in denverschiedenen Schaffensphasen.Die Forschungen zur Gruppe Katins legenumfassende Befunde zur Darstellung desWestens und zur filmischen Erzählweiseder Gruppe vor und zeigen die Ursachenauf, die zur Auflösung der Gruppe Katinsim Jahr 1979 führten.Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegtauf der Untersuchung der Arbeit von Karl-

Eduard von Schnitzler Seine Dokumen-tationen und Auslandsreportagen wurdenals Propagandamittel analysiert, wobeiFälschungen des Dokumentar-Materialsnachgewiesen werden konnten.Für den gesamten Untersuchungszeitraumwird die Einbindung dokumentarischerFilme in das Abendprogramm des DDR-Fernsehens untersucht.

Sportfernsehen

Die Untersuchungen konzentrieren sichauf Herausbildung, Stabilisierung und Ver-änderungen in Programmatik und Angebo-ten des Sportfernsehens. Von besonderemInteresse ist dabei die Veränderung „vomSport im Fernsehen zum Fernsehsport“.Im Rahmen des Gesamtprojekts nimmt dasSportfernsehen eine Sonderstellung ein:Obwohl es vorwiegend zur Unterhaltunggenutzt wurde, handelt es sich um ein jour-nalistisches Genre. Außerdem entwickeltedas Sportfernsehen im Gegensatz zu denanderen Sendeformaten eine Eigendyna-mik, welche die DDR zwar zur nationalenSelbstdarstellung benutzen konnte, der sieaber auf der anderen Seite in einem erheb-lichen Maße ausgesetzt war und nur be-dingt „steuern“ konnte. Die Offenheit derWettkämpfe, Internationalität und system-übergreifende Regeln ließen eine politi-sche und ideologische Funktionalisierungnur begrenzt zu.Neben einer chronologischen Abarbeitungder Entwicklung des Sportfernsehens wer-den insbesondere problematische Höhe-punkte des Sportfernsehens wie die Frie-densfahrt oder deutsch-deutsche Sportbe-gegnungen genauer untersucht werden.

Zusammen mit den Forschern der fünf wei-teren Teilprojekte haben die Wissenschaft-ler schon jetzt Zehntausende Seiten schrift-licher Archivquellen und zeitgenössischerPublikationen ausgewertet, Hunderte Sen-dungen analysiert und in Verzeichnissenzusammengestellt sowie eine Vielzahl vonInterviews mit Zeitzeugen geführt.Die neue Publikationsreihe des Projektes„MAZ: Materialien-Analysen-Zusammen-hänge“, erschienen im Leipziger Universi-tätsverlag, stellt erste Forschungsergeb-nisse vor. Die Zeitzeugenberichte sollenneben der gedruckten Form auch als DVD-Edition der Öffentlichkeit zugänglich ge-macht werden.

Weitere Informationen finden Sie imInternet unter: www.ddr-fernsehen.de

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Der Ethnologe Bernhard Streck spricht voneinem „Bouquet von Orchideenfächern“,das die Universitäten in Halle und Leipzigmit dem Sonderforschungsbe-reich (SFB) 586 gebunden ha-ben. Im Mittelpunkt des Interes-ses stehen die Beziehungen zwi-schen Nomaden und Sesshaftenin Geschichte und Gegenwart.Der stellvertretende Sprecher desSFB betont freilich auch diehochschulpolitische Geschäfts-grundlage, die mit Floristik wenig zu tunhat. Es sei ein Gebot der Stunde, die klei-nen Fächer – hier vor allem Archäologie,Islamwissenschaft, Ethnologie, Altorienta-listik, Ägyptologie, Alte Geschichte undGeographie – auf neue Weise kooperierenzu lassen und damit ihre Potenzen undKapazitäten voll zu erschließen. Wie hattejüngst der scheidende Rektor Volker Bigl

in einem Journal-Interview gesagt: ImÜbergang vom bloßen Nebeneinander zumintensiven Miteinander der einzelnen Fä-

cher liegen noch erhebliche Re-serven für die Universität Leip-zig. Mehr noch: Das Zusammen-wirken ist eine Grundvorausset-zung dafür, dass die immerwieder beschworene Fächerviel-falt auch auf Dauer gegen alleKürzungspläne behauptet wer-den kann. – So ist der neue SFB

nicht nur um der Wissenschaft, sondernauch um der Hochschulpolitik willen zumErfolg verurteilt.Was ist der gegenwärtig Stand?In den anderthalb Jahren seines Bestehenswurden bisher vier internationale Kollo-quien durchgeführt. In der Monographien-reihe des SFB ist bereits der erste Band mitdem Titel „Stamm und Macht“ (Eva Orth-

mann) herausgekommen. Beiträge aus denKolloquien erscheinen in den „Orientwis-senschaftlichen Heften“ und Berichte ausden Arbeitsgruppen in der Reihe „Mate-rialien des SFB 586“. In die 17 Teilprojektesind insgesamt 36 Wissenschaftler undeine große Zahl studentischer Hilfskräfteaus Halle und Leipzig eingebunden. Aberwährend der laufenden Forschungsphase(die erste reicht von 2001–03, die zweitevon 2004–08 wird gerade beantragt) konn-ten auch zusätzliche Mitarbeiter in be-stimmte Projekte einbezogen werden,wenn spezielle Kompetenz an einem be-stimmten Punkt gefragt ist. So wurde z. B.zur Tierknochenanalyse eine Laborexper-tin gesucht und in der iranischen Archäo-login Marjan Mashkour gefunden. Da-durch soll eine präzise Datierung des Be-ginns der mobilen Tierhaltung (Weide-wechsel), die im Nahen Osten etwa 10 000

Nomaden im Umkreis der ErdölfelderEine Zwischenbilanz im Sonderforschungsbereich 586

Dienstleistungsnomaden inRumänien.

Foto: Fabian Jacobs

Das Logo des SFB

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Jahre v. u. Z. begann, ermöglicht werden.mAber der Reihe nach.

Alte Welt – heutige Welt

Der SFB „Differenz und Integration“untersucht die Wechselwirkungen zwi-schen nomadischen und sesshaften Le-bensformen in Zivilisationen, wie sie indem altweltlichen Trockengürtel – von Ma-rokko bis China – anzutreffen waren undsind. Handel und Austausch, Abgrenzungund Konflikt, Versuche der Beherrschungund Prozesse der Durchdringung haben dasVerhältnis von urbanen Siedlungsformenund nomadischen Lebensformen be-stimmt. Diese wechselvolle Koexistenz hatdie Menschengeschichte in weiten Teilender Erde über lange Zeiträume, ja, bis heutegeprägt. Grund genug, sie zu erforschen.Das kann auch ein Stück Zukunftsfor-schung bedeuten, sagt Prof. Streck, ge-winnt doch die mobile Weidewirtschaftdurch die Ausdehnung von Trockengebie-ten und neue Kombinationen mit Noma-dismus in Ballungsräumen zunehmend anGewicht. So gibt es in einigen Ländern derehemaligen Sowjetunion, in der Mongoleioder in Tibet Tendenzen einer Renomadi-sierung. Es zeigt sich, anders als das revo-lutionäre Umgestaltungsideologien wahr-haben woll(t)en, dass bestimmte Trocken-gebiete einfach nicht anders als durch einepastorale Lebensweise der hier lebendenMenschen genutzt werden können. Eineintensivere Nutzung und die Einwirkungmoderner Technik erhöhen nicht nur nichtdie Erträge aus solchen Gebieten, sondernerweisen sich oft genug als Raubbau an derNatur und zerstören letztlich die Lebens-grundlagen der Bewohner. Aber auch dasin großem Umfang durchgeführte Experi-ment der zwangsweisen Sesshaftmachungvon Nomaden hat oft negative Folgen ge-habt.Weiteren Aufschluss zu diesem Problem-kreis erhofft man sich von einer breit an-gelegten Feldforschung und der Erschlie-ßung zusätzlicher Forschungsfelder, zudenen auch die jahrzehntelange ArbeitProf. Sontheimers (Südostasien-Institut,Heidelberg) unter indischen Pastoralistengehört. Die Leipziger Indologin Frau Dr.Kiehnle bietet hierzu für die nächste Phaseein neues Projekt an. Vielversprechendsind auch die Untersuchungen von Prof.Schlee (Max-Planck-Institut für ethnologi-sche Forschung/Halle) in Westsibirien, woin der Umgebung von Erdgas- und Erdöl-förderzentren eine Nische für eine der ar-

lisch höher stehende Tradition verklärt, bisheute für das eigene Selbstverständnis einegroße Relevanz besitzt. Im Zuge verspäte-ter Nationenbildungen, wie sie z. B. ineinigen mittelasiatischen Ländern derehemaligen Sowjetunion zu verzeichnenwaren und sind, spielen solche Konstrukteund Ideologeme wie „Nomadenblut“ oder„Nomadische Tradition“ eine erheblicheRolle. Dabei wird gerade bei der schonlange sesshaften bäuerlichen Bevölkerungdas Bild des Nomaden oft mit Sittenrein-heit und Gottesnähe, das der Stadt dagegenmit Sittenverfall und Gottlosigkeit verbun-den. Entstehen „moderne“ Staaten, sehensie nicht selten die alten Heldenlieder ausder Nomadenzeit als ihren kostbarstenSchatz an.Da es das Geschäft der Wissenschaft ist,aufklärend, aufhellend zu wirken, verstehtes sich, dass die Forschungsarbeiten ideo-logiekritisch ausgerichtet sind. Und für alleBeteiligte, die vor Ort tätigen einheimi-schen Forscher einbezogen – gegenwärtigsind SFB-Mitstreiter u. a. in Syrien, Ma-rokko, der Türkei, Iran, Ukraine und Usbe-kistan tätig – ist es geradezu spannend, dasses weltweit in all diesen Begegnungsgebie-ten von Sesshaften und Nomaden eine sol-che Nomadismus-Verklärung gibt, die sichfreilich auch in bestimmten Wissenschafts-traditionen findet.

„In diesem SFB ist Leben“

Ein erstes Fazit von Prof. Dr. Streck beiHalbzeit der ersten Förderperiode fälltpositiv aus. Er konstatiert: „In diesemSonderforschungsbereich ist Leben. Dasspürt man schon bei den monatlichenPlenumsveranstaltungen abwechselnd inHalle und Leipzig, wenn Teilergebnissevon den unterschiedlichen Fachkollegenvorgestellt werden. Und das ist dann aucheine gute Gelegenheit, sich von den je an-deren Methoden und Perspektiven anregenzu lassen, aber auch eine Herausforderung,in Zeiten weit fortgeschrittener Speziali-sierung zu einer gemeinsamen Sprache zufinden und die eigene Stallblindheit zuüberwinden. Wenn da ‚Spatenleute‘ undLaborexperten, Hieroglyphenleser undKeilschriftenentzifferer, Philologen undEthnologen sich um einen Tisch versam-meln, einander zuhören und verstehen ler-nen und sich schließlich gegenseitig inihrer Forschungsarbeit befruchten, dannweiß man, was Interdisziplinarität undechte Kooperation in der Wissenschaft be-deuten können.“ Volker Schulte

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chaischsten Formen des Pastoralismus, denRentiernomadismus, entstanden ist. In Me-tropolen wie Kairo und Istanbul oder auchauf dem Balkan zeigt sich, dass nicht alleEinwohner in gleicher Weise sesshaft sind.Vielmehr entwickeln sich neue und oftgemischte Formen der Mobilität in be-stimmten Handwerks-, Dienstleistungs-und Versorgungsbereichen, wobei die Zie-genherde am Stadtrand nur eine Facettedarstellt.Auf diese Weise entwickelt sich ein Ver-ständnis für die Komplementarität undAsymmetrie von Lebensformen und Le-bensverhältnissen. Blickt man auf Ent-wicklungen in weiten Teilen Asiens undAfrikas, erkennt man, dass die Zeit für no-madische Lebensformen insgesamt keines-wegs abgelaufen ist, sondern stellenweisewiederkommt oder auch ungebrochen an-hält. Schon für das alte Babylon belegenKeilschriftfunde die Nutzung von Produk-ten aus nomadischer Arbeits- und Lebens-weise. Die Annahme, dass der Nomadimuseine eigenständige Kultur verkörpert, istallerdings zu korrigieren. Stattdessen be-finden sich Nomaden und sesshafte Bauernvon altersher in einem Verhältnis gegen-seitiger Abhängigkeit und Ergänzung, dasfreilich auch als ein gespanntes Verhältniszwischen Steppe und Zentrum, zwischenBarbaren und Zivilisation beschriebenwurde.

Verklärung desSteppendaseins„Unsere Forschungen ermöglichen es uns,ein differenzierendes Bild zu zeichnen“,unterstreicht Bernhard Streck. „Wir kön-nen zeigen, dass die langen Zeiten der Ver-flechtung von nomadischen und sesshaftenLebensweisen die Kultur dieser Räumemehr geprägt haben als Überfälle und Ver-nichtung.“ Interessant ist auch, dass einegewisse Nomadenideologie, oft als mora-

Prof. Bernhard Streck

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Mit der Eröffnung der BIO CITY LEIPZIGam 23. Mai erhielt der Biotechnologie-Standort Leipzig neuen Auftrieb. Der wohlerfolgreichste Biologe der Neuzeit Prof.James Watson dokumentierte mit seinerTeilnahme Bedeutung und Ausstrahlungder BIO CITY für die Entwicklung desWirtschafts- und WissenschaftsstandortesLeipzig. Vor 50 Jahren erkannte der damals gerade24 Jahre alte Watson gemeinsam mit demBriten Francis Crick die Doppelhelix alsStruktur des Erbmaterials DNA (Desoxy-ribonukleinsäure, in der alle Erbinforma-tionen eines Lebewesens enthalten sind).1962 erhielten Crick und Watson dafür denNobelpreis für Medizin. Daran erinnerte inder BIO CITY eine Ausstellung des BritishCouncil, der Watson selbstverständlichauch einen Besuch abstattete. Watson nutzte seinen Aufenthalt in Leipzignicht nur, um in der gerade eröffneten BIOCITY das wissenschaftliche Umfeld zurZeit seiner revolutionären Entdeckung mitden gegenwärtigen Bedingungen zu ver-gleichen, sondern auch zu vielen Begeg-nungen mit den in Leipzig forschenden ge-standenen und jungen Wissenschaftlern.Das Max-Bürger-Forschungs-Zentrumplatzte am 24. Mai schier aus allen Nähten,denn viele Leipziger Studenten und Nach-

wuchswissenschaftler wollten sich dieGelegenheit einer Begegnung mit demNobelpreisträger nicht entgehen lassen. Abschluss und gewissermaßen persön-licher Höhepunkt für James Watson warein Besuch im Leipziger Zoo. Begleitetvon Prof. Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologiestieß Pongoland natürlich auf sein beson-deres Interesse. Geduldig ließ er sich dieArbeit der hier tätigen Wissenschaftler er-klären und reihte sich bescheiden in denKreis der Zuschauer dort ein, wo es ge-wohntermaßen immer etwas turbulenterzugeht. Erstaunlich, wie der 75-Jährige die vielenStationen seines Aufenthaltes verkraftete,die allesamt begleitet waren von anhalten-dem Medieninteresse, das von Exklusiv-interviews bis zur Dokumentation jedesDetails seines Besuches reichte. Auchwenn er ein Interview zweimal gebenmusste, weil ein Rundfunkjournalist vorAufregung vergaß, dass Knöpfchen amAufnahmegerät zu drücken, nahm er dasgelassen und mit Humor. Der Besuch von James Watson war ohneZweifel die Perle bei der Eröffnung des„Biotech-Inkubators“, wie Oberbürger-meister Wolfgang Tiefensee die BIO CITYcharakterisierte. Dr. Bärbel Adams

BBZ-Chronikseit 1998Gemeinsame Vorbereitungen der StadtLeipzig und der Universität Leipzig07/2000Rahmenprogramm „Biotechnologie-Initia-tive Sachsen“ mit Bestätigung des Finan-zierungskonzeptes durch das SMWK2001Stellenausschreibungen05–10/2001Einrichtung der selbständigen wissen-schaftlichen Nachwuchsgruppen01. 06. 2001Einrichtung der Geschäftsstelle10/2001–03/2002Erteilung der Rufe durch das SMWK12/2001Baubeginn08. 02. 2002Grundsteinlegung01. 05. 2002Dienstantritt der Professoren f. Bioanalytikund f. Strukturanalytik von Biopolymeren22. 05. 20021. Biotechnologie-Tag in Leipzig10. 09. 2002Beschluss des Senats über die Anerkennungals zentrale Einrichtung der Universität 30. 09. 2002Richtfest01. 10. 2002Dienstantritt der Professorin für Moleku-larbiologisch-biochemische Prozesstechnik01. 01. 2003Dienstantritt des Professors für Zelltechni-ken und angewandte Stammzellbiologie07. 02. 2003Gründung des BBZ05./06. 05. 2003Bezug des 2. OG (Prof. Bader)16. 05. 2003Fertigstellung des universitären Teils derBIO CITY LEIPZIG21. 05. 20032. Biotechnologie-Tag in Leipzig23. 05. 2003Eröffnung der BIO CITY LEIPZIG

Hoher Besuch imneuen „Inkubator“Nobelpreisträger Watson kamzur Einweihung der BIO CITY

James Watson (r.) bei einem Gespräch mit Svante Pääbo (l.) im Zoo. Foto: ZFF

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Als erste wissenschaftliche Veranstaltungin der neuen BIO CITY LEIPZIG verdeut-lichte der Biotechnologietag am 21. Mai2003 in besonderem Maße die Anzie-hungskraft des Biotechnologisch-Biome-dizinischen Zentrums (BBZ) Leipzig. ImMittelpunkt standen Forschungsarbeitenauf den Gebieten „Moleküldesign“ und„Medizinische Biotechnologie“.Das Anliegen dieses wissenschaftlichenSymposiums war es einerseits, die Breiteder biotechnologisch-biomedizinischenForschung in der Region darzustellen undandererseits, über aktuelle Forschungspro-jekte zu informieren, um daraus Möglich-keiten der interdisziplinären Zusammen-arbeit abzuleiten. „Die Knüpfung vonNetzwerken ist eines der wertvollstenErgebnisse dieser Art von wissenschaft-lichen Veranstaltungen“, kommentiertProf. Anette Beck-Sickinger, Initiatorin derVeranstaltung und Direktorin des Institutsfür Biochemie. Hinzu kommt, das hatte bereits der 1. Bio-technologietag im letzten Jahr gezeigt, dasswertvolle Verbindungen zur Wirtschaft ent-stehen und ausgebaut werden können.Durch die neue BIO CITY sind dafür aus-

gezeichnete Voraussetzungen geschaffenworden. „Wir wollen damit auch für die Wirtschaft Zeichen setzen“, so Beck-Sickinger. Wissenschaftliche Netzwerke erfordernauch eine gute Kommunikation zwischenProfessoren und Nachwuchswissenschaft-lern. Eine umfangreiche, 150 Objekte um-fassende Posterausstellung vieler Arbeitenvon jungen Wissenschaftlern sollte daherauch deren Erfahrungsaustausch unterein-ander sowie mit den Seniorwissenschaft-lern fördern.Die Praxisrelevanz vieler Vorträge und derhohe Stand der interdisziplinären Zu-sammenarbeit wurde unter anderem in demBeitrag des Kindermediziners Prof. Wie-land Kiess deutlich.

Moleküle als Schnittstellezwischen Übergewicht undDiabetes

Prof. Kiess, Direktor der Klinik und Poli-klinik für Kinder und Jugendliche und De-kan der Medizinischen Fakultät der Uni-versität Leipzig, ist bestrebt, molekular-biologische Grundlagenforschung und Er-kenntnisse aus dem Labor in die klinischePraxis zu übernehmen. Übergewicht stellt mittlerweile eine derhäufigsten Krankheiten in den Industrie-nationen dar. In den letzten Jahren ist einestarke Zunahme von Übergewicht (Adipo-sitas) gerade bei Kindern und Jugendlichenfestzustellen. Adipositas geht einher mitschweren Folgeerkrankungen, die wich-tigste hiervon ist der Typ 2 Diabetes. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Er-forschung von Adipozytokinen eine beson-dere Bedeutung. Diese Signalübertra-gungsmoleküle sind vom Fettgewebeproduzierte bioaktive Substanzen, die In-formationen zu anderen Körperteilentransportieren, so genannte „adipose-deri-ved factors“. Das Fettgewebe mit einemNetzwerk von Adipozytokinen und ihrenRezeptoren fungiert hier als Schnittstellezwischen Übergewicht und der Entwick-lung des Typ 2 Diabetes. Die Adipozyten-produkte Adiponektin und Resistin sind

hierbei von besonderem Interesse, da ihreFunktion im Gegensatz zu Leptin undseinem Bindungsprotein noch weitgehendunerforscht ist. Prof. Kiess und seine Mitarbeiter beschäf-tigen sich daher mit der Rolle von Adipo-zytokinen im Krankheitsverlauf des Dia-betes bei übergewichtigen Kindern undJugendlichen. Darüber hinaus wird aneinem Modell menschlicher Zellkulturenuntersucht, wie Adipozytenvorstufen auseiner undifferenzierten stammzellähn-lichen Zelllinie unter bestimmten Kultur-bedingungen zu reifen Fettzellen differen-zieren. Diese sondern Adipozytokine, wieLeptin, Resistin und Adiponektin in denZellkulturüberstand ab. In einer klinischen Studie konnte fest-gestellt werden, dass sich Kinder undJugendliche als Studiengruppe besonderseignen, da Beginn und Verlauf der Ent-wicklung von Adipositas und Diabetesnoch frei von anderen Faktoren erfassbarsind. Der Spiegel von Leptin, Resistin undAdiponektin bei Kindern hängt direkt mit dem Übergewicht sowie Insulinresis-tenz und Insulinsekretion zusammen. Dieuntersuchten adipösen Kinder und Ju-gendliche zeigen so einen deutlich niedri-geren Adiponektinspiegel. Gleichzeitighaben 75 Prozent von ihnen Anzeicheneines Hyperinsulinismus bzw. Insulinresis-tenz.Die klinische Relevanz der gefundenen Zu-sammenhänge und die biologische Wirk-samkeit der Adipozytokin-Signalübertra-gung werden im Rahmen des Koordinie-rungszentrums für klinische Studien, demInterdisziplinären Zentrum für klinischeForschung (IZKF), des Leipziger Schul-kinderprojektes und der Adipositas-Sprechstunde der Universitätsklinik undPoliklinik für Kinder und Jugendlicheinterdisziplinär untersucht. Weitere Partnerinnerhalb der Universität Leipzig an die-sem Projekt sind das Institut für Biochemie(Prof. Beck-Sickinger), sowie weitereArbeitsgruppen an der medizinischen Fa-kultät (z. B. Medizinische Klinik und Poli-klinik III, Prof. Paschke, Dr. Faßhauer, Dr.Blüher).

Andreas Wust

Im Dienste der GesundheitDer Biotechnologietag im BBZ

Am 2. Biotechnologietag konnte mansich erstmals im BBZ-Foyer informie-ren. Foto: Matthias Frölich

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18 journal

UniCentral

� Professur für molekularbiolo-gisch-biochemische Prozesstechnik Leiterin: Prof. Dr. Andrea RobitzkiSchwerpunkt:Forschung und Entwicklung von Zell-und Gewebe-basierten Biosensoren ander Schnittstelle von Mikrosystem-/Sensor-Technologie und Tissue Engi-neering

� Professur für Strukturanalytik vonBiopolymeren Leiter:Prof. Dr. Norbert SträterSchwerpunkt:Bestimmung der Raum-struktur von Proteinenmittels Biokristallographie

� Professurfür Bioanalytik Leiter:Prof. Dr. Ralf HoffmannSchwerpunkt:Charakterisierungposttranslational modi-fizierter Proteine

� Professur für Zell-techniken und ange-wandte Stammzellbio-logie Leiter: Prof. Dr. Augustinus BaderSchwerpunkt:Tissue Engineering undRegenerative Medizin insbesondere:Bioartifizielle Leber, Gefäße und Herz-klappen, Knochen und Knorpelersatzbioartifzielle Haut, Geweberegenerationund deren Pharmakologie, Experimen-telle Chirurgie

� Professur fürMolekulare Pathogenese (noch nicht besetzt)

� Professur fürMolekulare Zelltherapie (noch nicht besetzt)

��

Die BBZ-Professuren

Die Fassade der BIO CITY zumDeutschen Platz hin.

Foto: Dietmar Fischer

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Heft 4/2003 19

Angewandte molekulare Evolutionsfor-schungLeiterin: Dr. Susanne BrakmannSchwerpunkt:Funktionale Optimierung von Nuclein-säure-Polymerasen und Exonucleasen mitHilfe evolutiver Verfahren

Protein EngineeringLeiter: Dr. Thomas Greiner-StöffeleSchwerpunkt:Anwendung und Entwicklung von Metho-den für das rationale Design und die in-vitro-Evolution von Proteinen

Molekulare InfektionsmedizinLeiter: Dr. Reinhard StraubingerSchwerpunkt:In-vitro- und in-vivo-Untersuchung vonPersistenzmechanismen des Erregers derLyme-Borreliose, Borrelia burgdorferi

Molekulare Diagnostik – Microarray-TechnikenLeiter: Dr. Peter AhnertSchwerpunkt:Erforschung der humanen genetischen Di-versität im Zusammenhang mit der Ätiolo-gie und Pathogenese von Krankheiten

Protein-Ligand-Wechselwirkung mittelsIonen-Cyclotron-Resonanz-Massen-spektrometrieLeiterin: Dr. Andrea SinzSchwerpunkt:Studium von Protein-Protein-Interaktionenmit modernen massenspektrometrischenMethoden

Strukturaufklärung membranassoziier-ter Proteine mittels Festkörper-NMRLeiter: Dr. Daniel HusterSchwerpunkt:Entwicklung und Anwendung von NMR-Methoden zur Untersuchung der Strukturund Dynamik membrangebundener Pep-tide und Proteine

UniCentral

Die BBZ-Nachwuchsgruppenleiter (v. l.): Dr. Andrea Sinz, Dr. Susanne Brakmann,Dr. Thomas Greiner-Stöffele, Dr. Reinhard Straubinger, Dr. Daniel Huster und Dr. Peter Ahnert. Foto: Armin Kühne

Die BBZ-Nachwuchsgruppen

Bislang sind folgende ArbeitsgruppenleiterGründungsmitglieder des Biotechnolo-gisch-Biomedizinischen Zentrums (an die-ser Stelle nicht aufgeführt: die BBZ-Pro-fessuren und die Leiter der Nachwuchs-gruppen):

• Prof. Dr. Gottfried Alber, Immunologie,Veterinärmedizinische Fakultät

• Prof. Dr. Klaus Arnold, Physik und Bio-physik, Medizinische Fakultät

• Prof. Dr. Annette Beck-Sickinger, Bio-chemie/Bioorganische Chemie, Fakultätfür Biowissenschaften, Pharmazie undPsychologie

• Prof. Dr. Frank Emmrich, Klinische Im-munologie, Medizinische Fakultät

• Prof. Dr. Evamarie Hey-Hawkins, Anor-ganische Chemie, Fakultät für Chemieund Mineralogie

• Prof. Dr. Markus Löffler, MedizinischeInformatik, Statistik und Epidemiologie,Medizinische Fakultät

• Prof. Dr. Helmut Papp, Technische Che-mie/Thermische Stofftrennverfahren,Fakultät für Chemie und Mineralogie

• Prof. Dr. Erhard Rahm, Informatik, Fa-kultät für Mathematik und Informatik

• Prof. Dr. Martin Schlegel, MolekulareEvolution und Systematik der Tiere mitSchwerpunkt molekulare Phylogenie,Fakultät für Biowissenschaften, Pharma-zie und Psychologie

• Prof. Dr. Peter Stadler, Bioinformatik,Fakultät für Mathematik und Informatik

Inhaltliche Verantwortung für dieseDoppelseite: Dr. Svenne Eichler,Geschäftsführerin des BBZ.

Die weiteren BBZ-Mitglieder

Informationen im Internet

BBZ allgemein

www.uni-leipzig.de/bbz/

BBZ Nachwuchsgruppen

www.uni-leipzig.de/bbz/nachwuchsgruppen.html

BIO CITY

www.bio-city-leipzig.de/

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natürlichen Zellen „gereinigt“ wird. DieseMatrix wird besiedelt mit durch Biopsienentnommenen Zellen des Patienten. Ver-wendet werden dazu Endothelzellen, diegewöhnlich Gefäße und Höhlen auskleidenund Myofibroblastenzellen, die die Mus-kelfasern bilden. Diese Re-Besiedlung mitZellen erfolgt in einem speziell dafür ent-wickelten Bioreaktor. Die Wissenschaftler bestimmten dann dieForm und Struktur des neu entwickeltenGewebes und konnten eine sogenannte „in-takte Re-Endothealisierung“, eine Neube-siedlung mit den entsprechenden Zellen,feststellen.. Bei einer Testung im lebendenOrganismus (in vivo) zeigte sich, dass dieRe-Zellularisierung weiter voranging undAbstoßungsreaktionen nicht beobachtetwurden. Eine Immunsuppression, dieAbstoßungen verhindern soll, war dahernicht erforderlich. Das bedeutet, dass eineHerz-Klappenstruktur entwickelt werdenkonnte, die der natürlichen im wesent-lichen entspricht.„Die biotechnologisch hergestellten Herz-klappen und Gefäße sollen eine Alternativezu klassischen nicht regenerationsfähigenImplantaten darstellen“, erklärt Prof. Ba-der die Zielstellung seiner Arbeit. „Wirwollen diese Implantate so schnell wiemöglich in die klinische Praxis überfüh-ren.“Bader strebt den Aufbau eines europäi-schen Netzwerkes an, an dem inzwischenmehr als 800 Wissenschaftler beteiligt seinsollen. Das soll die Zulassung von neuent-wickelten Produkten im Bereich TissueEngeneering fördern, aber auch den wis-senschaftlichen Nachwuchs zusammen-führen. „Insgesamt versprechen wir unsdavon eine Konzentration der Kräfte“, soBader, „gerade in unserem Fach ist eine ge-meinsame wissenschaftliche Stimmewichtig.“ Ein erster Schritt auf dem Wegsoll der Welt-Kongress für RegenerativeMedizin sein, der vom 22. bis 24. Oktoberauf der Neuen Messe in Leipzig stattfindensoll.Aber Bader will mehr. Seiner Meinungnach kann die Wissenschaft nicht losgelöstvon ihrem natürlichen Umfeld gedeihen.Deshalb will er die Zielgruppe seiner wis-senschaftlichen Aktivitäten mit einbezie-hen, den Patienten und diejenigen, über dieer seine wissenschaftlichen Ergebnissezum Patienten transportieren kann, die Me-dizintechnikfirmen und die Pharmaindu-strie. Als Verknüpfung von Wirtschaft,Wissenschaft und Patienten soll eine Struk-tur geschaffen werden, die sich selbst trägt.

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Von derNaturlernenBBZ-ProfessorBader arbeitet an Verfahren zur EntwicklungkörpereigenerGewebe

Von Dr. Bärbel Adams

Ihn fasziniert die Organisation und Leis-tungsfähigkeit des menschlichen Orga-nismus. „Was er vermag, merken wir im-mer dann, wenn etwas außer Kontrolle ge-rät, wenn der Mensch krank wird“, be-schreibt Augustinus Bader, Professor fürZelltechniken und angewandte Stammzell-biologie am Biotechnologisch-Biomedizi-nischen Zentrum in der BIO CITY denAusgangspunkt seiner wissenschaftlichenArbeit. „Wir wollen nun auf ganz unkon-ventionelle Art helfen, indem wir Verfah-ren entwickeln, die körpereigene Geweberegenerieren.“ Die sich hieraus entwi-ckelnde neue Disziplin der Medizin be-zeichnet er als regenerative Medizin, dieeinen umfassenden technologischen Be-reich, einschließlich der Stammzellbiolo-gie, der Medizintechnik und der medika-mentösen Therapie, integriert. Die regenerative Medizin macht sich dienatürliche Eigenschaft körperlicher Pro-zesse zunutze, Regenerationsprozesse aus-zulösen, und lässt sich ganz auf die indivi-duellen Eigenheiten des Patienten zu-schneiden. Man ist also auf dem Wege, einemaßgeschneiderte Therapie für einigewichtige Krankheitsbilder zu entwickeln.m

Das Betätigungsfeld des Teams um Prof.Bader ist dabei weit gesteckt. So ist er aufder Suche nach einem biologischen Kno-chenersatz mit körpereigenen Stammzel-len und mineralisierenden Strukturen, nachGefäßen für Dialyse-Patienten, nach Herz-klappen, die der Anatomie und Morpholo-gie des jeweiligen Patienten möglichst ge-nau entsprechen, und nach biologischen„Maschinen“, die die Leberfunktionenweitestgehend ersetzen können.„Das Beste, was wir dabei tun können, ist,von der Natur lernen“, erklärt Bader daseinfache und doch komplizierte Prinzipseiner Arbeit. „Wir versuchen, möglichstnaturidentische Strukturen zu schaffen undden Steuerungsmechanismus dafür. So wiewir wie von selbst unseren Körper kon-trollieren können, wollen wir verstehenlernen auch die Geweberegeneration zukontrollieren“, meint Bader. „D. h., die Zel-len, die wir für die Rekonstruktion einesbestimmten Gewebes brauchen, wollen wirin einen normalen Wachstumsprozessüberführen, damit wir z. B. benötigte Im-plantate bereitstellen können.“ Baders be-sonderes Anliegen dabei ist, gleichzeitigweg von der „Laborentwicklung“ hin zurAutomatisierung und Standardisierung derProzesse zu kommen, um den Weg für dieklinische Therapie und damit für die An-wendung der Forschungsergebnisse zuebnen. Eine besondere Schwierigkeit bestehtdarin, die Zellkulturen vom statischen Zu-stand in ein mechanisch belastbares Sys-tem zu überführen. Nur dann sind dieregenerierten Gewebe den Anforderungen,die ein Einsatz innerhalb des menschlichenOrganismus mit sich bringt, wirklich ge-wachsen.Die „Züchtung“ von künstlichen Herz-klappen, die dennoch nahezu identisch mitden natürlichen sind, soll das verdeut-lichen. Bisher gibt es zwei Arten von künst-lichen Herzklappen: die mechanischen unddie Bioprothesen tierischen Ursprungs.Die mechanischen erfordern vom Patien-ten eine andauernde Einnahme von gerin-nungshemmenden Medikamenten, um dieBlutgerinnung an der Prothese zu vermei-den. Die tierischen Bioprothesen werdengezielt gegerbt und sind deshalb nicht re-generationsfähig. Die neue Herzklappen-generation auf der Grundlage körpereige-ner Gewebe soll das verhindern.Die Forschergruppe von Prof. Bader ver-wendet dazu eine Art Gerüst künstlichenoder tierischen Ursprungs, eine sogenannteMatrix, die durch Enzymabbau von ihren

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Heft 4/2003

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Das Ziel ist klar: Für krebskranke Patien-ten soll es möglichst eine individuelleTherapie und eine Möglichkeit zur ultra-schnellen Kontrolle geben. Die Wege dahinsind kompliziert. So auch der, den Prof.Andrea Robitzki und ihr siebenköpfigesTeam im Biotechnologisch-Biomedizini-schen Zentrum (BBZ) gehen. Zumindestals Laie hat man es nicht leicht, Prof. Ro-bitzki auf ihrem Weg zu folgen. Es gibt eine Abkürzung. Deren Beschrei-bung könnte wie folgt lauten: Man verteileKrebszellmodelle auf einem Schachbrett.Anschließend stelle man diese Schach-figuren auf, blockiere deren gefährlichstenGene und schlage dann den Tumor ver-nichtend.Alles unklar? Dann also doch der langeWeg, mit der Möglichkeit der Verständnis-pausen. Allerdings immer noch ebensoschwer wie Schachregeln. Das „Schachbrett“ ist in diesem Fall einBiochip. „Es handelt sich um einen Trägermit elektronischen Kontaktstellen, auf demich einzelne Tumorzellen aber auch Ge-webe positionieren kann – und sie dann

leicht wiederfinde bzw. adressieren kann“,erläutert Andrea Robitzki. Im Prinzip funk-tioniere das wie bei einem Koordinaten-system. Der Vorteil gegenüber einer klassi-schen „Zellkulturschale“ liege darin, dassman dann über jede einzelne Zelle Aus-sagen machen könne, z. B. welche Gene sieproduziert oder ob und wann sie sich teilt. Bis zu einer Million Zellen können z. B. aufeinen 3-cm2-Chip aufgebracht werden.Über die Elektroden können die Zellen an-gesteuert und, da sie selbst eine Ladung be-sitzen, auch vermessen oder manipuliertwerden. Wobei letzteres nicht das Ziel seinmuss. Schon die Betrachtung an sich kannlohnend sein. Prof. Robitzki kann zu die-sem ihrem Fachgebiet namens Zell- undGewebemodellentwicklung einiges erzäh-len. Wie auch zu ihrem zweiten Gebiet, derBioprozesstechnik.Aber zurück zum „Schachbrett“. Und hinzu den „Figuren“. Robitzki und ihre Mitar-beiter haben bereits am Fraunhofer-Institutfür Biomedizinische Technik einen Tumor-biosensor entwickelt. Brustkrebszellenwurden in eine Zellkulturschale gegebenund unter Rotation aggregiert. Es entstan-den „Kugeln“, dreidimensionale Tumorzel-lenmodelle, 3-D-Tumoren sozusagen. Die„Schachfiguren“!Diese Brustkrebstumormodelle haben dieWissenschaftler auf einen Chip aufge-bracht, nicht irgendeinen allerdings. Einen,den sie selbst entworfen und auch paten-tiert haben. Produziert wurde er von einemindustriellen Partner, kostengünstig inSpritzgusstechnik.Die kugelförmigen „Figuren“ fanden sichalso parallel positioniert wieder, stets um-geben von Elektroden, über die ein Wech-selspannungsfeld in der Umgebung derMikrotumoren erzeugt wurde. „Mit ver-schiedenen Frequenzen können Sie so ganzunterschiedliche Zell- und Gewebeberei-che anschauen“, sagt Andrea Robitzki.„Sie können das Eigenleben des Tumorssehen, und zwar in Echtzeit, live. Das kön-nen Sie mit klassischen Methoden nicht“,

sprudelt es aus der Pharmazeutin und Bio-login heraus.Das „Spiel“ konnte beginnen. Allerdingsnur, weil Robitzki und Kollegen noch et-was Entscheidendes über ihre „Figuren“wussten: Jede der Krebszellen enthältGene, die verantwortlich für ihre Vermeh-rung sind. Eines dieser Gene galt es aus-zuschalten. Wie gute Schachspieler hattendie Experten dafür eine erfolgverspre-chende Strategie. In ihrem Fall war das die„Antisense-Strategie“, eine Methode dieEntstehung von Proteinen auf der Gen-ebene zu blockieren. „Das müssen Sie sich vorstellen wie einenReißverschluss“, erklärt Robitzki. „Sienehmen ein Stück der Gensequenz, ausdenen die Zelle ihre Informationen abruft,die Blaupausen für das Protein. Auf dereinen Seite haben Sie die Information überdiese Blaupause, auf der anderen Seitemanipulieren Sie die Zelle via Gentransferso, dass sie selbst eine identische Gen-abfolge nur in umgekehrter Reihenfolgereproduziert. Zwischen diesen beidenHälften ist eine Verzahnung möglich.“ So-weit, so schlecht für die Zelle. Denn:Dieser „molekulare Reißverschluss“, eineDoppelhelixstruktur ist ein Unsinnkon-strukt. Die enge Verzahnung führt dazu,dass der Informationsfluss unterbrochenwird, dass die Produktionsstätte für ein be-stimmtes Protein nicht mehr realisierbar

Elektronische DetektiveBBZ-Professorin Robitzki entwickelt Zell- undGewebemodelle für BiochipsVon Carsten Heckmann

Das „elektronische Schachbrett“: Mikro-kapillarchip-Prototyp in Spritzgusstech-nik, unter Verwendung eines biokom-patiblen, UV-resistenten Kunststoffs,gefertigt; mit implementierten Platin-elektroden (Negativ-Darstellung).

Schema eines Mikrokapillararrays miteinem positionierten 3D-Tumorgewebe(Querschnitt durch den Chip). Über dieintegrierten Elektroden wird ein elektri-sches Feld angelegt; die in der Medium-säule positionierten 3D-Tumormodellewerden so bioelektronisch analysiert.

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ist. Es entsteht kein Protein mehr. Somitteilen sich die Krebszellen nicht mehr.“Doch das ist nicht alles. Wie sich zeigte,wurden diese Tumorzellen in den program-mierten Zelltod getrieben und begingenSelbstmord. Noch bedeutet das nicht, dassman den Krebs leicht schachmatt setzenkann. „Wir können nun durch den Einsatzeines Biochips Effekte gentherapeutischerAnsätze an sehr vielen Tumormodellengleichzeitig und sehr viel schneller fest-stellen“, so Andrea Robitzki. Gentherapeu-tische Ansätze könnten so „innerhalb vonSekunden bis Minuten“ auf einem Chipgetestet werden. Denn den Therapieansatzgebe es nicht. „Von Brustkrebstumor zuBrustkrebstumor bestehen erheblicheUnterschiede.“Ein zweites „noch nicht“ kommt hinzu:Selbst die Hilfestellung, der Biochip, istnoch nicht „serienreif“. Laut TeamleiterinRobitzki handelt es sich um eine „frühePrototypenphase“. Jetzt werde für poten-tielle Kunden „Richtung Produktentwick-lung“ gearbeitet.Die „Kunden“, das sind Firmen der phar-mazeutischen Chemie, der Stammzellfor-schung, der regenerativen Medizin. Es wer-den weitere Diagnostikmodule entstehen,so Robitzki. Die Prototypen dafür könne esvielleicht schon 2004 geben, erste Feldstu-dien 2005.Der Weg, auf dem z. B. der Krebstherapie-Diagnostik-Chip entwickelt wurde undweiterentwickelt wird, ist einer, den dieFraunhofer-erprobte Fachfrau Robitzki gutkennt und der auch für das BBZ typischsein soll: Die Anwendung wird gleich mit-gedacht. Bis hin zu Marktrecherche undMachbarkeitsstudie. Erst dann wird ein er-stes Modell entwickelt, ein Patent ange-meldet. Am Ende stehen diverse Mög-lichkeiten, so die Lizenznahme durch dieIndustrie oder auch die Gründung einesUnternehmens aus dem BBZ heraus. An-drea Robitzki weiß: „Wir sind die Schnitt-stelle.“Und der Beobachter ahnt: Im Robitzki-Team arbeiten Biologen, Biochemiker,Pharmazeuten und Ingenieure konstruktivgemeinsam an neuen biotechnologischenEntwicklungen. Tatsächlich handelt es sich um Kasparovs der Wissenschaft miteinem Zusatz-Gen für marktwirtschaft-liches Denken.

Weitere Informationen im Internet(englisch):www.biochemie.uni-leipzig.de/agrobitzki/

werke AG, Werk Leipzig, untersuchtwird.mDas Projekt zum betrieblichen Wissens-management ist darauf gerichtet, wissen-schaftliche Erkenntnisse mit unterneh-mensspezifischen Bedingungen und Ziel-stellungen zu verbinden, um nachhaltigeLösungen für effektive Wissensmanage-mentprozesse im neuen BMW-Werk Leip-zig zu erarbeiten. Aus universitärer Sichtwird das Wissensmanagement unter be-triebswirtschaftlicher, organisationstheo-retischer und wirtschaftspädagogischerPerspektive reflektiert. Die theoretischenAnsätze und Praxiserfahrungen werdendabei wechselseitig aufeinander bezogen.Das Ziel der Lehrveranstaltung ist es,Gestaltungskriterien für Wissensmanage-mentprozesse zu entwickeln und Realisie-rungsformen zu erarbeiten, die ein flexi-bles und nachhaltiges Wissensmanagementunter den spezifischen Bedingungen undAnforderungen im BMW-Werk Leipziggewährleisten.Im Rahmen einer Auftaktveranstaltung ander Universität Leipzig wurden die Studie-renden der Wirtschaftspädagogik aus Leip-zig und Dresden von Vertretern der BMWAG in die Ausgangsbedingungen für dasWissensmanagementprojekt eingeführt.Anschließend erfolgte die Besichtung desim Bau befindlichen Werkes in Leipzig.Um einen intensiven Praxisbezug zugewährleisten, werden die StudierendenAnfang Juli die Gelegenheit haben, denBMW-Standort in Regensburg zu besichti-gen und mit Mitarbeitern zu sprechen, diedort auf ihre künftige Tätigkeit im BMW-Werk Leipzig vorbereitet werden.Die Zusammenarbeit der Studierenden ausLeipzig und Dresden sowie die Kommuni-kation mit der BMW AG wird vor allemüber das Internet realisiert. In netzbasier-ten Lehrveranstaltungen werden die Ar-beitsergebnisse über eine Lernplattformbearbeitet, vorgestellt und diskutiert. Imelaborierten Umgang mit diesen Kommu-nikationswerkzeugen und in der Umset-zung effektiver Kommunikations- und Ko-operationsstrategien über Datennetze ler-nen und arbeiten die Studierenden in einemSpannungsfeld zwischen technischer, pä-dagogischer und betriebswirtschaftlicherRationalität, das gleichzeitig auch das dy-namische Feld des betrieblichen Wissens-managements charakterisiert. Die Studie-renden können so ihre theoriegeleitetenKenntnisse zum Wissensmanagement überDatennetze selbst anwenden und erpro-ben.

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WissennutzbarmachenWirtschafts-pädagogenkooperieren mitder BMW AGVon Volker Born, Lehrstuhl für Berufs-und Wirtschaftspädagogik

Bevor ein neues Produkt von der Entwick-lung in die Fertigung geht, haben schonviele Ingenieure und Konstrukteure einegroße Anzahl an technischen Zeichnungen,Dokumentationen und Notizen angefertigt.Längst nicht alles davon wird für das neueProdukt benötigt. Viele wertvolle Ideen,die in einem anderen Projekt von hohemWert wären, werden nicht explizit doku-mentiert und gesammelt. Lösungsansätzefür verschiedene Probleme bleiben häufigsogar „unausgesprochen“ in den Köpfender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.Scheidet ein Mitarbeiter oder eine Füh-rungskraft aus dem Unternehmen aus,kann ein über viele Jahrzehnte angesam-meltes Fach- und Erfahrungswissen un-widerruflich für das Unternehmen verlorengehen. Das geschilderte Problem trifft auchauf eine solche komplexe Entwicklungs-und Konstruktionsaufgabe wie den Bauund die Inbetriebnahme der neuen Produk-tionsstätte der Bayerischen Motorenwerke(BMW) AG in Leipzig zu.Wie das implizite Wissen einzelner Mitar-beiter sowie der Führungskräfte der ge-samten Organisation zur Verfügung ge-stellt werden kann, ist eine Frage die imRahmen eines Projektseminars an der Pro-fessur für Berufs- und Wirtschaftspädago-gik der Universität Leipzig (Leitung: Prof.Dr. Fritz Klauser) und an der Professur fürWirtschaftspädagogik der TU Dresden(Leitung: Prof. Dr. Bärbel Fürstenau) inKooperation mit der Bayerischen Motoren-

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Fakultäten und Institute

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Am 13. und 14. Juni tagte der Mathema-tisch-Naturwissenschaftliche Fakultäten-tag Deutschlands in Leipzig. Im Vorhineinsprach Dr. Bärbel Adams mit dem Vorsit-zenden des Fakultätentages, Prof. Dr. FranzJacobs, Direktor des Instituts für Geophy-sik und Geologie über die aktuellen The-men, über die das Gremium beraten wollte.

Herr Prof. Jacobs, womit beschäftigtsich die Interessenvertretung der mathe-matisch-naturwissenschaftlichen Fä-cher in einer Zeit, in der an den Univer-sitäten vieles im Umbruch ist?Wir beraten traditionell aktuelle Fragenund zukünftige Entwicklungen in Lehreund Forschung, insbesondere Studien-inhalte, Studienpläne und Organisations-formen der mathematisch-na-turwissenschaftlichen Fächer.Natürlich stehen auch diesesMal Fragen auf der Tagesord-nung, die uns zur Zeit be-sonders unter den Nägelnbrennen.

Das wären?Zum einen die Änderung desHochschulrahmengesetzes.Mit der Einführung der Ju-niorprofessuren soll jungenWissenschaftlern der Weg zur frühzeitigenÜbernahme von Verantwortung durch eineProfessur ermöglicht werden. Das grund-legende Problem der deutschen Wissen-schaftler, Planungssicherheit für hervor-ragende Diplomanden und Doktoranden zugewährleisten, ist damit allein nicht er-reicht. Der Fakultätentag fordert dritt-mittelfinanzierte Projektforschung als eine wichtige Entwicklungsperspektive fürWissenschaftler über Befristungsgrenzenhinaus. Zum anderen will die Bundesregierung mitdem Gesetz zur Professorenbesoldung dieleistungsabhängige Bezahlung der Hoch-schullehrer gewährleisten. Wie soll die

Leistungsbeurteilung erreicht werden undwelche Gremien entscheiden letztendlich?Es droht die nachlassende Attraktivität desHochschullehrerberufes infolge weitererBürokratisierung und schließlich auch in-folge der Absenkung der Grundgehälter.Ein weiterer Tagesordnungspunkt ergibtsich aus der Pisa-Studie, die auch ein drin-gendes Bedürfnis nach Hilfe durch dieUniversitäten signalisiert. Außerdem be-schäftigen wir uns mit Fragen des gren-zenlosen europäischen Hochschulraumesund der zunehmenden Internationalisie-rung der Hochschulen wie der Akkreditie-rung von Bachelor- und Masterstudien-gängen sowie mit Fragen der Hochschul-autonomie.

Stichwort Pisa-Studie. Wowill die Universität ansetzen,um die Bildungsmisere anden deutschen Schulen zuverbessern?Wir zielen auf zweierlei: Ein-mal wollen wir bei der Ausbil-dung der Lehrer für Mathema-tik und Naturwissenschaftenansetzen. Dazu muss zuerstdie Reputation der Lehreraus-bildung verändert werden. Siespielt an den universitären Ein-

richtungen leider oft eine Nebenrolle.Wenn wir aber unsere zukünftigen Lehrermit dem neuesten wissenschaftlichenKnow How versehen wollen, muss die Leh-rerausbildung an allen mathematisch-na-turwissenschaftlichen Fakultäten einenneuen Stellenwert bekommen. Zum zweiten muss die Fort- und Weiterbil-dung der Lehrer aktiver gestaltet werden.Wie ich das meine, verdeutlicht ein Spruchdes Konfuzius: „Erzähle mir und ich ver-gesse, zeige mir und ich erinnere, lass esmich tun und ich verstehe.“ Wie wollen wirdas Lernen an den Schulen verbessern,wenn wir den Lehrern immer noch die sel-ben passiven Grundmuster anbieten und

überdies die universitäre Lehrerfortbildungim wesentlichen von der Initiative Einzel-ner lebt? Wir müssen die Fähigkeit zumlebenslangen innovativen Lernen mög-lichst durch Beteiligung an der Forschungfördern. Aber geht das noch angesichtsweiterer Stellenstreichungen?

Der Fakultätentag scheint ja mehrereheiße Eisen anzufassen, z. B auch dasThema „Autonomie“ – Wieviel Freiheitbraucht die Universität? Welcher Aspektist für Ihr Gremium von besonderemInteresse?Wieviel bleibt an Spielraum für Freiheitund Autonomie angesichts unumstößlicherfinanzieller Zwänge? Und was bleibt anSouveränität, wenn Landesregierungenihre Unterstützung an Vorgaben koppeln –direkt oder indirekt – die nicht dem Wollender betroffenen Universitäten entsprechen.Auch müssen wir an der Akkreditierungneuer Studiengänge maßgeblich mitwirkenkönnen. Eine Vergleichbarkeit der Ab-schlüsse ist die Grundlage für die Aner-kennung der Abschlüsse im internationalenMaßstab. Wir selbst müssen die Qualitäts-kriterien formulieren und nicht allein halbstaatliche / halb private Kommissionen vonMinisterien und Agenturen. Und Wettbe-werb sollte über die zukünftigen Studien-formen entscheiden.

Kann der Fakultätentag seine Ideen undVorschläge auch durchsetzen? Wir haben natürlich keine gesetzgebendeVollmacht. Wir können Empfehlungen ge-ben und sind eher in der Rolle eines kriti-schen Begleiters, der auf Selbstmotivationsetzt. Wir verbreiten unsere Ideen, weisenauf gute Beispiele hin, mahnen, wo not-wendig, und setzen eher auf die Vernunftaller am Prozess Beteiligten. Jeder von unssollte selbst überprüfen, was er an seinerFakultät tun kann. Wir suchen uns aberauch Verbündete, wenn sie in den Sach-themen mit uns übereinstimmen.

Wie viel Freiheit braucht die Universität?Mathematiker und Naturwissenschaftler suchen nach Lösungen

Prof. Franz Jacobs

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ten Vorhabens wurden bereits fertigge-stellt. Dank des finanziellen Engagementsder Mitteldeutschen MedienförderungGmbH ist auch in Leipzig gedreht worden.Der erste Teil der Spielfilm-Trilogie „TheTulse Luper Suitcases“ wurde im Aprildiesen Jahres als offizieller Beitrag für dasFilmfestival in Cannes nominiert. Greenaways Filme, die von einer kühlen,analytischen Intellektualität geprägt sind,haben ihre Wurzeln im experimentellenFilm und in der Bildenden Kunst. Mankann diese Filme als Rätselspiele auffas-sen, als Irrgärten. Mit barock anmutendemFuror wird hier Architektur, Mathematik,Musik und Theater zu raffinierten undästhetisch brillant in Szene gesetzten Sinn-geflechten verbunden. Leben und Tod, Sexund Gewalt – das ist der Kosmos, um densich Greenaways künstlerisches Schaffenbewegt. Intermediale Bezüge sind ein zen-trales Kennzeichen seiner Filme: „DerBauch des Architekten“, „Der Koch, derDieb, seine Frau und ihr Liebhaber“, „Pro-speros Bücher“, „Das Wunder von Macon“sind prägnante Beispiele dafür. In dieser Tradition steht auch das neue Pro-jekt „The Tulse Luper Suitcases“, in dasnun auch die neuen Medien konsequent in-tegriert werden. Der Plot der Film-Trilogiescheint auf den ersten Blick vor allemkurios: die wechselvolle, aber dennochimmerwährende Gefangenschaft einesenglischen Künstlers und Spions, TulseLuper, in verschiedenartigen Gefängnissender Welt. Tiefergehend ist die Trilogiejedoch eine schmerzvolle Auseinanderset-zung mit der Kunst, den Kriegen und denGräueln des 20. Jahrhunderts. Die studentischen Arbeitsgruppen des In-stituts für Theaterwissenschaft haben imletzten Semester – parallel zu der im Se-minar durchgeführten theoretischen Aus-einandersetzung über intermediale, trans-mediale und intramediale Phänomene inder Kunst – einen eigenen, aus zehn Ein-zelarbeiten bestehenden Internet-Auftrittzum „Tulse Luper“-Projekt erarbeitet. Sieenthalten Analysen, essayistische Beiträge,Dokumente, Fotos, eigene kleinere Filmeund Musikeinspielungen. Im Juni 2003werden diese Arbeiten durch einen Linkmit der offiziellen Homepage des Projektsvon Peter Greenaway verbunden sein. Ge-zeigt wurde dieser Internet-Auftritt – mitden Beiträgen der Studenten – aber bereitsauf dem Filmfestival 2003 in Cannes. Zum ersten Mal wurden diese Arbeitenjedoch öffentlich im Februar 2003 auf deminternationalen Medienfestival „Transme-

diale“ im Haus der Kulturen der Welt inBerlin vorgestellt. Diese von der Leiterindes Seminars konzipierte und mit den Stu-denten realisierte „theatrale“ Präsentationim „Tulse Luper-Office des Instituts fürTheaterwissenschaft der Universität Leip-zig“ wurde ermöglicht durch die finan-zielle Unterstützung der MitteldeutschenMedienförderung GmbH und die techni-sche Unterstützung der Kasander FilmCompany in Rotterdam sowie der Produk-tionsfirma Net Entertainment AG in Ber-lin. Die Präsentation war ein Erfolg, mitder Folge, dass Peter Greenaway den Or-ganisatoren des Festivals und dem Institutfür Theaterwissenschaft der UniversitätLeipzig für die kommende „Transmediale“2005 feierlich eine neue Aufgabe überant-wortete: Die Konzeption und multimedialeRealisierung eines „Tulse Luper-Koffers“,ein weiteres Projekt, das direkt auf dieFilm-Trilogie Bezug nehmen soll.Und jetzt, was folgt jetzt? Im April diesenJahres wurde in Leipzig die konkreteWeiterführung der Zusammenarbeit zwi-schen dem Institut für Theaterwissenschaftund Peter Greenaway sowie den mit seinerArbeit an dem „Tulse Luper-Projekt“ ver-bundenen Produktionsfirmen vereinbart.Das bisherige Konzept, in der Lehre denSchwerpunkt „Intermedialität“ stärker zuverankern und durch projektbezogeneThemen zu vertiefen, wird also weiterge-führt. In diesem Semester beschäftigen wir unsmit dem komplexen Thema „Interaktivität“in den neuen Medien. Ein weiterer Schwer-punkt ist dem Film im Dritten Reich ge-widmet. Dabei gilt unser Interesse einmalder Herausarbeitung und Analyse der inden NS-Propagandafilmen enthaltenenIdeologeme und der damit einher gehendenästhetischen Darstellungsweisen. Zum an-deren untersuchen wir jene gesellschaft-lichen Normen, die die im Dritten Reichproduzierten Lustspiele in der deutschenBevölkerung zu verankern suchten. BeideSeminarthemen stehen in engem Zu-sammenhang mit der studentischen Pro-jektarbeit an „Gold“. „Gold“ geht zurückauf eine Sammlung von Erzählungen vonPeter Greenaway (publiziert 2003 in Groß-britannien). Bereits 2001 wurde eine Thea-terfassung erstellt, die im selben Jahr amSchauspielhaus Frankfurt am Main urauf-geführt worden ist. Die zu erstellende DVDzu diesem Thema ist Teil des konzipiertenGesamtprojekts „The Tulse Luper Suit-cases“ und soll Ende 2003 fertiggestelltwerden.

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EinemSpion aufder Spur Arbeiten miteinem eigenwilli-gen RegisseurVon Dr. Barbara Panse, Institut für Theater-wissenschaft, Leiterin der im folgenden be-schriebenen Seminare und Projektgruppen

Die erste Begegnung Ende November 2002war sehr offiziell, fast steif, aber es war einermutigendes Treffen. „Ladies and Gentle-men, Mr. Greenaway“, rief der deutscheProduzent in den Vorlesungssaal des Insti-tuts für Theaterwissenschaft. Kamerassurrten, der Regisseur kam herein, setztesich auf einen der reservierten Stühle undlächelte ernst. Nach Begrüßung und Ein-führung durch die Leiterin des Seminarsbegann sofort und konzentriert die Arbeit:Studenten des Instituts, die sich in zwölfGruppen mit dem „The Tulse Luper Suit-cases“-Projekt von Peter Greenaway be-schäftigten, referierten die Vorgehensweiseund erste Ergebnisse ihrer Recherchen.Dann diskutierten sie mit dem Gast, einemder profiliertesten und eigenwilligstenRegisseure des europäischen Kinos, denweiteren Verlauf und die Ziele ihrerProjektarbeit. Verabredet wurde, dass wei-tere Treffen folgen sollten.Im Wintersemester 2002/03 begann amInstitut für Theaterwissenschaft eine Semi-narreihe im Rahmen des Schwerpunkts„Intermedialität“. Das Besondere an dieserReihe ist die Verschränkung von Lehre undstudentischer Projektarbeit, die auf die spä-tere Berufspraxis der Studenten bezogenist. Ermöglicht wurde das durch eine ge-lungene Anbindung an das Multimediapro-jekt „The Tulse Luper Suitcases“ von PeterGreenaway, das aus einem dreiteiligenSpielfilm, einer mehrteiligen Fernsehserie,mehreren Buch- und DVD-Publikationensowie einem aufwendigen Internet-Auftrittbestehen wird. Teile dieses, in ästhetischerund technischer Hinsicht sehr ambitionier-

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Das Medizinisch-Experimentelle Zentrumist eine zentrale Einrichtung der Medizini-schen Fakultät Leipzig und besteht in dergegenwärtigen Struktur seit 1999. Es bie-tet modernste Voraussetzungen für dieHaltung von Versuchstieren und verfügtüber gut ausgestattete Experimental-flächen. Das Zentrum wird von einer Fach-tierärztin für Versuchstierkunde geleitet.Sie steht einem spezialisierten Team vonVeterinäringenieuren und Tierpflegern vor,das sich den Bedürfnissen und dem Schutzder Versuchstiere angenommen hat. DieTiere, vornehmlich gentechnisch verän-derte Mausstämme und natürliche Maus-mutanten, sind in verschiedengradigenhygienischen Barrieren untergebracht. Siesind zumeist äußerst wertvoll und in dergenetischen Kostellation einzigartig. Dadie Mäuse hochempfindlich auf Infektio-nen und schon geringgradige Veränderun-gen der Umwelt reagieren, werden sie un-ter kontrollierten Klimabedingungen undin speziellen Isolatorsystemen nahezu ste-ril gehalten.Der Zugang zu den Tieren und den Expe-rimentalflächen ist nur mit einem behörd-lich genehmigten Tierversuchsantrag undnach einer Abstimmung mit der Fakultäts-leitung möglich. Die Tierschutzbeauf-tragte der Fakultät erstellt zu jedem Ver-suchsantrag ein ausführliches fachlichesGutachten. Die Einschätzung der Notwen-digkeit eines Tierexperimentes und dieethische Beurteilung der Relation vonmöglicher Leidzufügung für das Tier und dem zu erwartenden wissenschaft-lichen Erkenntnisgewinn obliegt derTierschutzkommission im Regierungs-präsidium Leipzig. Dieser Kommissiongehören neben Fachwissenschaftlern auchVertreter von Tierschutzorganisationen an.

Kurs für Versuchstierkunde

Ein weiterer Schwerpunkt in den Aufga-benbereich des Medizinisch-Experimen-tellen Zentrums ist die Aus-, Fort-, undWeiterbildung auf dem Gebiet der Ver-suchstierkunde. Der Personenkreis, derausbildungsbedingt aktiv an tierexperi-mentellen Projekten teilnehmen darf, istvom Gesetzgeber stark reglementiert undzusätzlich von nachweisbaren Erfahrungenund Weiterbildungen auf dem Gebiet derVersuchstierkunde abhängig. Ausnahme-genehmigungen zum Beispiel für Natur-wissenschaftler, Doktoranden und Medizi-nisch-Technisches Personal können nur mitdem Nachweis einer Zusatzqualifikationauf dem Gebiet der Versuchstierkunde be-antragt werden. Aus diesem Grund bietetdas Zentrum in Zusammenarbeit mit der

Tierschutzbeauftragten zweimal jährlicheinen Fortbildungs- und Trainingskurs fürVersuchstierkunde an. Neben tierschutz-rechtlichen Grundlagen, werden biologi-sche Grundkenntnisse zu den einzelnenLabortierarten vermittelt, Verhaltensmus-ter erklärt, artgerechter Umgang mit denTieren sowie Applikationstechniken, Anäs-thesiemethoden und Kennzeichnungsfor-men demonstriert und nachfolgend geübt.Hauptanliegen der Kurse ist es, durch dieVerdeutlichung arteigener Besonderheitenund Bedürfnisse, einen respektvollen undschonenden Umgang mit den Labortierenzu ermöglichen. Die Teilnahmebestätigun-gen werden von der Tierschutzbehörde alsQualifikationsnachweis im Rahmen derBeantragung von Ausnahmegenehmigun-gen im Sinne des Tierschutzgesetzes aner-kannt.

Tiere im Dienste derMenschen und Menschen im Dienste der TiereDas Medizinisch-Experimentelle ZentrumVon Prof. Dr. Barbara Pustowoit, Tierschutzbeauftragte der Medizinischen Fakultätund Dr. Petra Madaj-Sterba, Leiterin des Medizinisch-Experimentellen Zentrums

Barbara Pustowoit (l.) und Petra Madaj-Sterba bei der Gesundheitskontrolle vonMäusen im Experiment. Fotos: ZFF

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Im Jahre 2002 wurde das Medizinisch-Ex-perimentelle Zentrum von der Landestie-rärztekammer als eine der ersten Weiter-bildungsstätten für Versuchstierkunde inden neuen Bundesländern bestätigt. Aufdieser Grundlage werden unter anderemauch Kurse für Mikrochirurgie am Ratten-modell, Endoskopiekurse am Hausschweinund Weiterbildungskurse für Sonderausbil-dungs- und studiengänge angeboten unddurchgeführt.

Verringerung von Versuchen

Darüber hinaus wird in dem Zentrum auchan der Etablierung von effizienten Ersatz-und Ergänzungsmethoden zum Tierver-such gearbeitet. Die Untersuchungen zurHerstellung monoklonaler Antikörper ausB-Zellen peripherer Lymphknoten vonBalb/c-Mäusen wird mit Geldern derErnst-von-Weber-Stiftung zur Vermeidungund Verringerung von Tierversuchen unter-stützt. Diese neuartige und bereits in An-wendung befindliche Methode verringertdie Anzahl der notwendigen Spendertieredeutlich. Ein weiteres Beispiel zur Reduktion derSpendertierzahl kommt aus dem Carl-Lud-wig-Institut für Physiologie (Direktor Prof.Zimmer). Hier werden aus RattenherzenHerzmuskel- und Bindegewebszellen iso-liert. An diesen führen die Wissenschaftlerpharmakologische Studien durch, in denenmolekularbiologische Parameter wie z. B.Zytokine und Komponenten der extrazel-lulären Matrix gemessen werden.

Beispiel Parkinson

An den folgenden Beispielen soll exem-plarisch gezeigt werden, wie die in den ver-gangenen Jahren mit Hilfe unterschied-licher Tiermodelle durchgeführten wissen-schaftlichen Studien weiterführend zumVerständnis und zur Therapie von ver-schiedenen Erkrankungen des Menschenbeigetragen haben:Der Morbus Parkinson ist eine der häufig-sten neurologischen Erkrankungen undführt trotz effektiver symptomatischer The-rapie nach einigen Jahren zu schwerenBeeinträchtigungen der Beweglichkeit. Beidieser Erkrankung sterben eine relativ ge-ringe Anzahl dopaminerger Neurone.Diese dopaminergen Neurone wurden beica. 350 Patienten durch Implantate embry-onalen Mittelhirngewebes ersetzt, was zueiner deutlichen Besserung der Parkinson-Symptome führte. Leider steht diese The-

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rapie wegen logistischer und ethischerProbleme nur wenigen Patienten zur Ver-fügung. Als Alternative kommen insbeson-dere neurale Stammzellen in Betracht.In der Arbeitsgruppe von ProfessorSchwarz (Klinik für Neurologie) gelang eserstmals, humane neurale Stammzellen ausMittelhirngewebe zu isolieren und überviele Monate zu expandieren und in vivozu testen. Dabei ist das unilaterale 6-Hydroxydopa-min (6-OHDA) Modell der Ratte ein her-vorragend etabliertes Modell zur Überprü-fung restaurativer Therapiestrategien desMorbus Parkinson. Die Ergebnisse ermuti-gen dazu, eine Anwendung bei Patientenmit Morbus Parkinson zu planen.

Beispiel Immunologie

Beträchtliche Expertise wurde in den letz-ten Jahren durch tierexperimentelle Mo-delle für rheumatische Erkrankungen,Tumore und immunologisch bedingteKrankheiten gesammelt. Dabei ist es ge-lungen, die Toleranzinduktion mit mono-klonalen Antikörpern gegen menschlicheZelloberflächenmoleküle in ein Tiermodellzu übertragen. Dies ist ein erheblicher Fort-schritt, da immunologische Therapieprin-zipien nicht nur im Reagenzglas geprüftwerden können. Als nächster Schritt sollein komplettes menschliches Immunsys-tem in eine Maus übertragen und dort zurFunktion gebracht werden.Ab 2003 steht das durch das Institut fürKlinische Immunologie und Transplanta-tionsmedizin (Direktor Prof. Emmrich)und die Chirurgische Klinik und Poliklinikfür Abdominal-, Transplantations-und Ge-fäßchirurgie (Direktor Prof. Hauss) ent-wickelte Verfahren zur Induktion immuno-logischer Toleranz für den klinischen Ein-satz bei Organtrans-plantationen zurVerfügung. Für Pa-tienten kann dies be-deuten, dass nach derOrgantransplantationkeine lebenslange Im-munsuppression mehrerforderlich ist.

BeispielAlzheimer Die AlzheimerscheErkrankung ist heuteeines der vorrangig-sten gesundheitspoli-

tischen Probleme moderner Industriestaa-ten. Die Erkrankung ist trotz weltweit gro-ßer Bemühungen in der Forschung nachwie vor unheilbar. Der Beitrag des Paul-Flechsig-Institutes besteht u. a. in der Ent-wicklung von transgenen Tiermodellen mitinduzierbarer Expression erkrankungsrele-vanter Gene. Es wurden in Leipzig trans-gene Mäuse entwickelt, die selektiv inNervenzellen TGF-β induzierbar exprimie-ren, d. h. durch den Einbau eines „moleku-laren“ Schalters kann in diesen Tieren dieExpression des erkrankungsrelevantenGens nach Bedarf angeschaltet oder auchwieder abgeschaltet werden. Diese relativneue Technik hat gegenüber konventionel-len transgenen Tieren den großen Vorteil,dass sich das Tier zunächst völlig normalentwickeln kann, und man, ähnlich wie beider Manifestation bzw. dem Ausbruch derErkrankung beim Menschen, zu einembestimmten Zeitpunkt das Gen aktivierenkann. Die derzeitigen Untersuchungen ha-ben zum Ziel, zunächst im Tiermodell eintherapeutisches Prinzip zu entwickeln, dasspäter auf den Menschen übertragen wer-den kann.Das Tier ist, wie die wenigen Beispiele zei-gen, ein äußerst wertvoller und wichtigerPartner des Menschen im Kampf gegenKrankheiten und dem damit verbundenenLeiden. Die Verpflichtung, die wir demTier auferlegen, ist gleichfalls Verpflich-tung für uns, es respektvoll und artgerechtzu behandeln sowie versuchsbedingte Be-lastungen mit allen zur Verfügung stehen-den Mitteln zu minimieren. Dieser Auf-gabe haben wir uns gemeinsam mit denWissenschaftlern, die in dem Zentrum ar-beiten, gewidmet.

Die Injektion in den Bauchraum isteine schonende Applikationsart beiMäusen.

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Das Thema Sexualität gewinnt in denNeuen Medien an zunehmender Bedeu-tung. So steigt z. B. im Internet die Anzahlder Seiten zu diesem Thema rasant an. Un-ter der Suchmaschine google.de und demStichwort „Sex“ wurden am 10. 10. 2001408 000, am 13. 10. 2002 1170 000 und am08. 05. 2003 bereits 2150000 deutscheInternetseiten gefunden. Beim Stichwort „Fetischismus“ ist es nichtanders. Zu den gleichen Zeitpunkten wur-den 3960, dann ein Jahr später bereits31800 und im Mai diesen Jahres schon61100 Seiten registriert. Offenbar schaffen die Neuen Medien dieMöglichkeit, eigenen sehr individuellensexuellen Interessen mehr nachgehen zukönnen wie vorher. So wird der Computerzu einem Freund, der als vermittelnderSexualpartner fungiert. Über ihn erhältman Einblick in neue sexuelle Bezie-hungswelten, die vorher nur in der Phanta-sie existierten – und die nun materialisiertbetrachtet werden können. Doch in dereigenen Partnerbeziehung kann es dadurchzu Konflikten kommen. In unserer Beratungsstelle haben wir zu-nehmend mit derartigen Konflikten zu tun.– Wenn der Computer wichtiger wird alsdie eigene Ehefrau und vielleicht dannauch noch im Schlafzimmer steht, sind wirmit einer neuen Form der Eifersucht kon-frontiert (der Computer in der Dreiecks-beziehung), die „Maschinenstürmeraus-maße“ annehmen kann, indem die elektri-schen Leitungen zerschnitten werden oderheimlich Email- und Chatadressen desPartner oder der Partnerin, heruntergela-dene pornographische Bilder bzw. Filmegelöscht werden.

Aber auch neue Formen der Kommunika-tion werden vielfältig genutzt: SMS alsKurzmitteilungen per Handy sind aus demAlltagsleben vor allem jüngerer Personenkaum noch wegzudenken. Da trauen sichviele dem anderen mal schnell zu schrei-ben, dass sie ihn lieben, was sie sich vonAngesicht zu Angesicht oder per Stimmeam Telefon vorher nicht trauten. Allerdingssind dadurch längere romantische Liebes-briefe, die man sich früher schrieb, jetzteher out. In sexueller Hinsicht sind natür-lich auch die MMS-Möglichkeiten interes-sant, wo per Handy auch gerade digital ge-schossene Bilder verschickt werden kön-nen. Das eröffnet auch neue Möglichkeitenfür Voyeure. So kann man einer Frau dasHandy unter den Rock halten, schnell einBild schießen und es dem Kumpel über-mitteln. Auch existieren schon Ferngläsermit eingebauter Digitalkamera – Geheim-dienstmöglichkeiten für jedermann.

Das Internet wurde mittlerweile auch zumTummelplatz für ungewöhnliches Sexual-verhalten, dass früher als „pervers“ be-trachtet wurde: Fetischisten, Voyeure, Pä-dophile, Nekrophile u. a. tauschen Bilderaus, diskutieren über ihre Vorlieben inChats. Man kann dort mittlerweile allesbekommen, was man sich vorstellen kann– bis an den Rand der Kriminalität.Auch existieren für sexuelle Minderheitenvirtuelle Selbsthilfegruppen, wo sich Per-sonen untereinander verständigen, wie siebesser mit ihrer Veranlagung zurechtkom-men können, wie sie für sich einen diesbe-züglichen Leidendruck reduzieren können.Das ist neu und würde in realen Selbst-hilfegruppen nicht funktionieren, da mansich kaum öffentlich zeigen würde.Aber auch neue Krankheitsbilder sind dieFolge. So haben wir seit etwa zwei Jahrenmit dem Krankheitsbild der Kinderporno-graphieinternetsucht zu tun. Dabei handeltes sich nicht nur um Pädophile, die derSucht erlegen sind, sondern auch um Per-sonen, die diese Seiten anklicken und dasGefühl haben, dass das etwas mit ihnenselbst zu tun hat – und dann im Verlauf derZeit plötzlich ein verdrängter sexuellerMissbrauch in der Kindheit wachgerütteltwird, durch den sie in der Folge depressivdekompensieren.Es ist eher verfrüht, die vielen neuensexuellen Beziehungswelten zu bewerten.Aus meiner Sicht zeigt sich aber, dass dieschon immer existierende phantasierteSexualität durch die Neuen Medien zuneh-mend mehr an Bedeutung gewinnt undneben der Hetero-, Homo-, Bi- und Auto-sexualität als eigenständige Form derSexualität aufzufassen ist.

Mitte Mai fand an der Universität Leip-zig die 3. Fachtagung der Gesellschaftfür Sexualwissenschaft in Zusammen-arbeit mit der Klinik und Poliklinik fürHautkrankheiten der Universität statt.Die Tagung widmete sich dem Thema„Sexualität und Neue Medien“. Dr. Kurt Seikowski, Autor des nebenste-henden Textes, hielt bei dieser Gelegen-heit nicht nur einen Vortrag, sondernwurde auch für die nächsten drei Jahreals Vorsitzender der Gesellschaft fürSexualwissenschaft wiedergewählt.Die Gesellschaft im Internet:www.sexualwissenschaft.org

Neue Sexualitätdurch Neue MedienVon der Computerliebe bis zur SuchtVon Dr. Kurt Seikowski,Andrologische Abteilung der Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten

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ToxikologischesZentrumgegründetDas kürzlich an der Universität Leipzigetablierte Toxikologische Zentrum willdurch interdisziplinäre Zusammenarbeitdie auf Giftstoffe bezogene Forschung undAusbildung auf eine neue Stufe heben.Schwerpunkte der wissenschaftlichen Ar-beit werden toxische Umweltfaktoren undGesundheit sowie toxikologische Aspekteder Lebensweise sein. Direktor des Zen-trums ist Prof. Dr. Werner Johann Klee-mann, Direktor des Instituts für Rechtsme-dizin der Medizinischen Fakultät. Das Zentrum ist eine zentrale Einrichtungder Universität. Mitglied können Einrich-tungen und Angehörige der Universitätwerden, die ein begründetes wissenschaft-liches Interesse an grundlagenorientierteroder angewandter Toxikologie haben. DasZentrum vereint bereits die entsprechen-den Bereiche der Fakultäten für Medi-zin, Veterinärmedizin, Biowissenschaften,Pharmazie und Psychologie, sowie Chemieund Mineralogie. „All diese Einrichtungenzusammengenommen, kann Leipzig miteiner enormen Kompetenz in Sachen Toxi-kologie aufwarten“, so Kleemann. Forschungsschwerpunkte werden toxischeUmweltfaktoren und Gesundheit sowietoxikologische Aspekte der Lebensweisesein. Das Spektrum reicht vom Umgangmit Medikamenten und Drogen in der Hu-manmedizin, über Umweltfragen bei denBiowissenschaftlern bis zu Aspekten desTierfutters bei den Veterinärmedizinern.„Unter einem Dach vereint, erhoffen wiruns, komplexere Fragen stellen zu könnenund diese aus der Verschiedenartigkeit derWissenschaftsbereiche umfassender zu be-antworten“, so Kleemann. Das Zentrum, dessen Mitglieder personellund räumlich in ihren bisherigen Arbeits-bereichen verbleiben, wird auf Wunsch sei-ner Mitglieder auch die Einwerbung undVerwaltung von Drittmitteln für gemein-same Projekte übernehmen.Neben einer Forschungsplattform will dasZentrum auch Ausbildungs-Koordinatorsein. Die Ausbildung findet als Graduier-tenkolleg „Molekulare und zelluläre Toxi-kologie“ und als Postgradualstudium „To-xikologie und Umweltschutz“ statt. Letz-teres wird in Form eines Master-Studien-ganges an der Medizinischen Fakultätangesiedelt. Marlis Heinz

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Vom 28. März bis 15. April 2003 fand imRahmen der Tropenökologieausbildung inZusammenarbeit mit dem Lateinamerika-zentrum (LAZ) eine Brasilienexkursionstatt, an der 16 Studenten und 2 Lehrkräfteteilnahmen. Ziel der Reise war es die wich-tigsten Lebensräume der Mata Atlantica,dem brasilianischen Küstenregenwald undder offenen Campos-region zu zeigen, woForschungsprojekte der Univ. Leipzig lau-fen. Gleichzeitig wurde die Gruppe voneiner Gastprofessorin aus Recife (Prof. Dr.A. Benko-Isppon) begleitet. Enge Kon-takte fanden auch mit der Universidade

Estadual do Rio de Janeiro (UERJ) statt,mit der die Universität Leipzig vor einigenJahren ein Kooperationsabkommen abge-schlossen hat und deren Studenten an denKursen und der Feldarbeit teilnahmen.Das Abkommen wurde bei dieser Gele-genheit weiter verhandelt und den aktuel-len Gegebenheiten angepasst. Es wurdendabei weitere Forschungskooperationenund Austauschprogramme vereinbart. Dieexzellente Forschungsstation auf der IlhaGrande stand der Leipziger Gruppe zurVerfügung, wo sie vom Chef Prof. Dr. JoséMarques empfangen wurde.

Kleine Bucht der Ihla Grande. Zwei hochkomplexe Ökosysteme stoßen hier auf-einander: Artenreicher Küstenregenwald und tropisches Korallenriff.

Foto: Dr. Dietmar Sattler

TropenökologieStudenten in Brasilien

Ab kommendem Oktober (WS 2003/2004)bietet die Wirtschaftswissenschaftliche Fa-kultät den zweijährigen postgradualenVollzeitstudiengang Master of Science in‚urban management‘ an. (s. a. Uni-Journal2/03). Ziel des Studienganges ist die syste-matische Einführung in die Grundlagenzeitgemäßer Stadtentwicklung und dasAufgabenfeld des Stadtumbaus. Dabeiwerden Kompetenzen und Fertigkeiten fürden Umgang mit modernen Planungsin-strumenten und -techniken vermittelt, umden wirtschaftlichen und demografischenStrukturwandel zu erfassen und in der Pla-nung und Projektierung berücksichtigen zukönnen. Vor diesem Hintergrund ergibtsich die Intention des Master of Science in‚urban management’: Interdisziplinarität,Internationalität und Praxisbezug.Das Studienangebot ist gemäß des europa-weiten Leistungspunktesystems ECTS auf-gebaut und soll durch eine entsprechendeAgentur akkreditiert werden. Dies impli-ziert auch die Möglichkeit für Studienteil-nehmer, angloamerikanische Abschlüssezu erlangen und nach einer Konsolidie-rungsphase des Programms eine zweispra-chige Ausbildung wahrzunehmen. Eine

Besonderheit stellt die angestrebte Akkre-ditierung durch die Royal Institution ofChartered Surveyors (RICS) Deutschlanddar. Das Studium wird in didaktischer Hinsichtdurch eine Kombination aus systemati-scher Wissensvermittlung und Projektbe-arbeitung bestimmt. Weiterhin sollen durchinternationale Kooperationen, z. B. mit denUniversitäten Warschau und Tirana, neu-artige Lösungsansätze generiert werden.Der Aufbau des Studiengangs ist modular.Er setzt sich aus sieben Modulen zusam-men, die die übergeordneten Themenge-biete Urbanistik und Baukultur, Gesell-schaft, Wirtschaft, Infrastruktur und Um-welt, Planen und Bauen, Verfahren undInstrumente sowie Recht beleuchten. ProSemester werden jeweils zwei Module an-geboten. Des weiteren stellt die Master-arbeit einen wesentlichen Bestandteil desStudiengangs dar.

Weitere Informationen finden Sie unterwww.uni-leipzig.de/ibbs/.Weitere Anfragen können Sie [email protected] richten.

Der neue Stadtumbau-Studiengang

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ZwischenSeminarundSalonLeipzigerStudenten beiHochschul-wettbewerb in Finalrunde„Der Ausgangspunkt allen erfolgreichenArbeitens ist das persönliche Gespräch. Dawird etwas losgetreten“, sagt BertramHaude voller Überzeugung. „Daher mussman die Menschen zusammenführen“, er-gänzt Kathrin Franke. Die beiden Leipzi-ger Studenten haben sich ein Konzept über-legt, ein Konzept für neue Denkräume, einKonzept mit dem Titel „o. T.“ – ohne Titel.Das mutet fast künstlerisch an, was sich er-

klärt, wenn man mehr über die Idee erfährt.Und nicht umsonst ist der 30-jährige Ber-tram Haude inzwischen Student an derHochschule für Grafik und Buchkunst,nachdem er bis zum ersten Staatsexamenan der Universität Leipzig Sonderpädago-gik und Kunstpädagogik studiert hatte. Die26-jährige Kathrin Franke belegt an derUni die Fächer Politikwissenschaft, Sozio-logie sowie Ost- und Südosteuropawissen-schaften.Den Grundstein zum aktuellen Erfolg,beim Wettbewerb „Küss die Uni wach“ mitihrem Konzept in die Endrunde gekommenzu sein, haben Franke und Haude vor dreiJahren zusammen mit zwei Kommilitonengelegt. Damals veranstalteten sie eine Wo-che lang draußen vor dem Hörsaalgebäudedie „Aktion Spielplatz“. Sie luden Wissen-schaftler, Studenten und Künstler ein, aufSofas und Sesseln Platz zu nehmen undüber Grenzbereiche zwischen Wissen-schaft und Kunst zu sprechen. In die Mittestellten sie eine mit Papier bespannte Platt-form in Tischhöhe, auf der Zuhörer undReferenten ihre Ansichten niederschreibenkonnten. „Es hat funktioniert. Es wurdeeifrig diskutiert und Passanten blieben ste-hen und beteiligten sich. Ob das auch beider Umsetzung der Weiterentwicklung derIdee klappen würde, ist schwer zu sagen“,meint Kathrin Franke.Der Vorschlag der Studenten lautet: In Se-minar- oder Hörsaalgebäuden sollte esRäume geben, die zum Dialog einladen.Konzentrationsräume, wo Leerstellen sind.Bestehend aus gemütlichen Sitzgruppen,aber auch dem Tischelement mit Papier,Präsentationsmöglichkeiten, einem klei-nen Regal. Eine Mischung aus Seminar-raum und Salon schwebt den Studentenvor. „Wir wollen eine Arbeitsatmosphäreschaffen, aber nicht Arbeit im Sinne vonMalochen“, beschreibt Kathrin Franke dasZiel. Dort könnten Gedanken aus Semina-ren weitergesponnen werden und vor allem

Menschen ganz verschiedener Disziplinenzusammenkommen. Ohne Zwänge, ohneHierarchien, ohne frontale Ansprachen.So etwas müsse eine Hochschule bieten,aber „das Wagnis von Rede und Gegenredefindet kaum Entfaltung“, meinen die bei-den Denker. Den Einwand, der Austauschfinde bereits in unzähligen Seminaren undwissenschaftlichen Foren statt, nehmen dieStudenten in ihrem Konzeptpapier vorweg.Diesen „Netzwerken“ unterstellen sie „fixeHorizonte“ und einen wenig stimulie-renden „Frage-Antwort-Konnex“. Ihnenschwebt etwas vor, das offen ist, fast pri-vaten Charakter hat, aber dennoch im öf-fentlichen Raum Universität stattfindet.„Wir sind da recht idealistisch range-gangen“, konstatiert Kathrin Franke. „Da-her haben wir auch nicht damit gerechnet,bei dem Wettbewerb ausgewählt zu werdenmit einem Konzept, das mit Kosten-Nut-zen-Denken nichts zu tun hat“ sagt Ber-tram Haude. Der Erfolg beim Wettbewerbmacht ihnen aber Mut: „Vielleicht werdenwir ja nun eingeladen, das irgendwo zurealisieren.“

Carsten Heckmann

Studiosi

„Küss die Uni wach“

Unter dem Slogan „Küss die Uni wach –Ideen für die Hochschule von morgen“hatte das Centrum für Hochschulent-wicklung (CHE) im Oktober 2002 Stu-dierende aufgefordert, innovative Kon-zepte zur Hochschulreform zu entwi-ckeln. Mehr als 100 Einsendungen vonüber 200 Autoren trafen daraufhin beimCHE ein. Eine Jury hat sechs Beiträgefür die Endrunde ausgewählt – darunterden nebenstehend beschriebenen zweierLeipziger Studenten. Zum Zeitpunkt desRedaktionsschlusses dieses Uni-Jour-nals stand leider noch nicht fest, welcheKonzepte die Plätze eins bis drei belegenund somit mit Geldprämien bedacht wer-den. Informationen über den Ausgangdes Wettbewerbs und über die sechsFinal-Konzepte stehen im Internet unter www.kuess-die-uni-wach.de

Diskussionsforum auf offener Straße: Vor drei Jahren fand am Hörsaalgebäudedie „Aktion Spielplatz“ statt. Foto: Matthias Schumann

Kathrin Franke und Bertram Haude.Foto: Randy Kühn

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Personalia

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Es mussten 54 Jahre vergehen, ehe derfrühere Medizinstudent Bernard Katz* und Schüler des Physiologen Martin Gilde-meister (1876–1943) an die Universitätseiner Heimatstadt Leipzig zurückkehrte.Im dicht gefüllten Hörsaal 18 hielt er aufEinladung des Internationalen Neurowis-senschaftlichen Zentrums der Universitätim April 1989 einen Fachvortrag. Manhatte ihn nicht vergessen. Es ist das Ver-dienst von Dietmar Biesold (1925–1991)und des damaligen Rektors Horst Hennig,die Ehrenpromotion des Nobelpreisträgesvon 1970 Sir Bernard Katz vorbereitet zuhaben. Am 26. Juli 1990 verleiht der wis-senschaftliche Rat der Karl-Marx-Univer-sität Leipzig Sir Bernard Katz die Würdeeines Ehrendoktors der Medizin. Unter denzahlreichen Auszeichnungen werden demLaureaten, emeritierter Professor für Bio-physik des University College der Univer-sität London und Fellow of the RoyalSociety, vom Rektor a. I. Gerald Leutertund dem Dekan der Medizinischen Fakul-tät Gottfried Geiler hervorragende „wis-senschaftliche Leistungen in der Biophysikund Neurobiologie, insbesondere bei derErforschung grundlegender Prinzipien dersynaptischen Transmission“, sowie derAnerkennung „großer Verdienste bei derFörderung der internationalen Zusammen-arbeit der Wissenschaftler verschiedenerLänder in der Neurobiologie“ beschei-nigt.mBernard Katz wird am 26. März 1911 alsSohn der russisch-jüdischen Eltern Maxund Eugenie Katz, geb. Rabinowitz, inLeipzig geboren. Sein Vater behält für sichund die Familie die russische Staatsan-gehörigkeit bei. „Nach dem ersten Welt-krieg“, schreibt Katz, „galten wir als,feindliche Ausländer‘, nach der Oktober-revolution waren wir plötzlich staatenlos.“Das erleichterte später die Ausreise ausNazideutschland und die Einreise nachEngland, weil er nicht als feindlicher Aus-länder galt.Am König-Albert-Gymnasium legt Katzdas Abitur ab und studiert ab 1929 in Leip-zig Medizin. Auch als Student wohnt er beiden Eltern in der König-Johann-Str. 13, derheutigen Tschaikowskistraße. Das Pelz-

handelsgeschäft des Vaters befand sich inder Nikolaistraße 31.Unter der Fürsorge und dem besonderenSchutz von Martin Gildemeister konnteKatz, trotz des um sich greifenden NS-Un-geistes, am 22. Nov. 1934 mit der Arbeit„Der Einfluss der Dehnung und Span-nungsänderung des Muskels auf seine Per-meabilität“ zum Dr. med. promovieren.Das zweite Gutachten erstellte der Phar-makologe Oskar Gros. Die mündlichen

Prüfungen bestand Katz mit „gut“. DasDiplom, so der universitäre Nachweis vom8. Jan. 1935, „wurde ausgehändigt.“ DieArbeit selbst ist von der MedizinischenFakultät mit dem Siegfried-Garten-Erinne-rungspreis ausgezeichnet worden. An einefeste Anstellung von Katz am Physiologi-schen Institut ist nicht mehr zu denken.Sein Lehrer Gildemeister wird zunehmendvon NS-Studenten angegriffen, weil er denJuden Katz in seiner Vorlesung dulde. Be-reits am 4. August 1933 hatte BernhardKatz den Vorsitz in der Verbindung jüdi-scher Studenten „Hatikwah“ nach massi-ven Druck der Universitätsleitung aufge-ben und die Organisation im Kartell jüdi-scher Verbindungen auflösen müssen. Ergehörte ihr seit 1929 an. Auf persönliche Empfehlung von Gilde-meister und durch Vermittlung von ChaimWeizmann, dem späteren ersten Präsiden-ten des Staates Israel, emigriert BernardKatz im Februar 1935 nach England. 1938konnten seine Eltern nachfolgen. Bei demPhysiologen und Nobelpreisträger Archi-bald Vivian Hill (1886–1977) findet der24-jährige Katz eine Anstellung am Uni-versity College der Universität London, dasnach einer längeren Tätigkeit in Australien1946 wieder seine Wirkungsstätte wird.1952 tritt er die Nachfolge seines FörderersHill als Professor für Biophysik an.1969, ein Jahr vor der Verleihung des No-belpreises, den er gemeinsam mit JuliusAxelrod und Ulf Svante von Euler(1905–1983) erhielt, erhebt Königin Elisa-beth II. von England den herausragendenPhysiologen in den Adelsstand. Noch zuLebzeiten im Jahre 2000 ehren seine Ge-burtsstadt Leipzig, die Medizinische Fa-kultät der Universität und der Bund derAlbertiner den großen Gelehrten mit einerbronzenen Tafel auf Stein in der Parkanlageder Medizinischen Fakultät in der Liebig-straße. Sir Bernard Katz ist am 23. April2003 in London gestorben. Die Universitätwird ihren Studenten, Promovenden undGelehrten von Weltruf stets in dankbarerErinnerung behalten. Gerald Wiemers

* Solange Katz in Deutschland lebte, schrieb erseinen Vornamen mit „h“, nach der Emigra-tion dann ohne „h“.

Ein Leipziger von WeltrufNachruf auf Ehrendoktor Sir Bernard Katz

Bernard KatzFoto: © The Nobel Foundation

Gedenktafel für Bernard Katz im Parkdes Universitätsklinikums.

Foto: Carsten Heckmann

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Heft 4/2003

Personalia

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Neuberufen:

Jens-Karl Eilersmöchte an die neurophysiologische For-schung anknüpfen, die in Leipzig einelange und fruchtbare Tradition hat. Der ausCuxhaven stammende Eilers wurde jetztals C4-Professor an das Carl-Ludwig-Ins-titut für Physiologie an der MedizinischenFakultät berufen. Zuletzt hatte er als Hei-senberg-Stipendiat am Max-Planck-Insti-tut für Hirnforschung in Frankfurt/Maingearbeitet. Zuvor war er ebenfalls als Hei-senberg-Stipendiat an der Duke Universityin Durham/USA.Eilers interessieren vor allem die Prozessedes Lernens und der Gedächtnisbildung. Eruntersucht die „Berührungsorte“ der Zellennach den Stellen, an denen die Zellenmiteinander kommunizieren. Er verwendetdazu Versuchstiere, in deren Hirngewebefluoreszierende Proteine eingebracht wur-den, die einzelne Nervenzellen grün auf-leuchten lassen. Mithilfe hochauflösenderFluoreszenzmikroskopie erforscht er dieSchaltmechanismen der Nervenzellen undfolgert daraus auf die Mechanismen, dieneuronalen Lernvorgängen zu Grunde lie-gen. „Fest steht, dass es bei Patienten,denen ein Arm amputiert werden musste,zu Veränderungen in der Großhirnrindekommt“, erläutert Eilers. „Ähnliche Verän-derungen untersucht meine Arbeitsgruppean Mäusen, denen die sensorisch wichtigenTasthaare an der Schnauze rasiert wurden.“Seine mikroskopischen Methoden hält Ei-lers auch in anderen Bereichen für anwend-bar. Er will einen Schwerpunkt für optischeVerfahren der Grundlagenforschung bil-den. Ziel des Physiologen ist auch, Schülerfür die Hirnforschung zu begeistern. Soplant er, Schulvorträge einzuführen.Wie viele andere Wissenschaftler reizenEilers insbesondere die vielfältigen Inter-aktionsmöglichkeiten innerhalb der Fakul-tät und der Universität, aber auch mit denhiesigen Max-Planck-Instituten. Im Moment widmet sich Prof. Eilers ver-stärkt der Wohnungssuche, weil seine Frauund sein 15-jähriger Sohn möglichst schnellin Leipzig heimisch werden wollen. B.A.

Neuberufen:

Matthias Müllerbesetzt seit 1. April den Lehrstuhl für All-gemeine Psychologie und Methodenlehre.Dessen Attraktivität ergab sich für Prof.Müller „auch durch die Nähe zum Max-Planck-Institut für Kognitive Neurowissen-schaften“. Der Psychologe möchte inLeipzig Fächergrenzen und die damitverbundenen Barrieren überwinden. „For-schungsvorhaben müssen nicht an Fä-chern, sondern an Problemen definiertwerden“, sagt der 42-Jährige. Und: „DieZusammenführung herkömmlicher Fächerin den Neurowissenschaften scheint mireine einmalige Möglichkeit zu sein, dieBarrieren aufzuweichen.“Er will dazu die modernen KognitivenNeurowissenschaften in den Ausbildungs-plan der Allgemeinen Psychologie inte-grieren, in Kooperation mit anderen Fach-bereichen ein fächerübergreifendes Gradu-iertenkolleg aufbauen sowie bei der Bean-tragung eines Sonderforschungsbereichesmitwirken. Matthias M. Müller hat in Tübingen undStony Brook (USA) Psychologie studiert.Er promovierte zum Thema „Emotion undHerz-Kreislauferkrankungen. Psycho-physiologische Determinanten von Ärger-und Ärgerverarbeitung und deren Beitragzur Pathogenese von essentieller Hyperto-nie“ und habilitierte sich mit einer Venialegendi für das Fach Psychologie. Seineerste wissenschaftliche Tätigkeit nahm eran der Universität Tübingen auf, bevor er1990 an die Universität Konstanz wech-selte. Dort wurde er 1994 wissenschaft-licher Assistent und blieb es fünf Jahre.Von Januar 2000 bis März 2003 hatte er denLehrstuhl für Kognitive Neurowissenschaf-ten an der Universität Liverpool inne. SeitOktober 2001 fungierte er dort auch alsDirektor des multidisziplinären Zentrumsfür Kognitive Neurowissenschaften.Müllers private Interessen erstrecken sichauf viele Bereiche. Eine Auswahl: Kochen,Wein, Single Malt Whiskys, Langstrecken-laufen, Gleitschirmfliegen, Skifahren.

C. H.

Neuberufen:

Th. Mellewigtist seit April Inhaber der Professur für Be-triebswirtschaftslehre, insbesondere Orga-nisation. Eben dieses Fach hat der heute40-Jährige von 1985 bis 1990 an den Uni-versitäten von Paderborn und Illinois (Ur-bana-Champaign) studiert. Für seine 1995abgeschlossene Promotion zum Thema„Konzernorganisation und Konzernfüh-rung – eine empirische Untersuchung bör-sennotierter Konzerne“ wurde ThomasMellewigt 1998 mit dem Förderpreis derStinnes-Stiftung ausgezeichnet. Seine Ha-bil-Schrift aus dem Jahre 2002 trägt denTitel „Management und Erfolg von Strate-gischen Kooperationen in der Telekommu-nikationsbranche: Eine empirische Unter-suchung auf der Basis des ressourcen-orientierten Ansatzes“. Prof. Mellewigts Werdegang ist verbundenmit dem von Prof. Rolf Bronner. An des-sen Paderborner Lehrstuhl für Organisa-tion und Entscheidung war Mellewigt von1988 bis 1990 studentischer Mitarbeiter.1991 wurde er wissenschaftlicher Mitar-beiter, später wissenschaftlicher Assistentan Bronners Lehrstuhl für AllgemeineBetriebswirtschaftslehre und Organisa-tion der Johannes-Gutenberg-UniversitätMainz.Kein Wunder, dass der 40-Jährige als einenGrund für seinen Wechsel nach Leipzig die„passende Widmung der Professur“ angibt.An der Uni Leipzig könne er das Lehran-gebot um ein grundlegendes Fach in derBetriebswirtschaftslehre bereichern, „wel-ches hier lange nicht besetzt war“. Er wolle„einen kleinen Beitrag leisten, damit es ander Universität Leipzig die beste betriebs-wirtschaftliche Ausbildung in Sachsengibt“ und „empirische Organisations- undManagementforschung auf internationa-lem Niveau“ betreiben. Wenn der gebürtige Nordrhein-Westfalenicht forscht oder lehrt, dann läuft er gern– und lang. Als Hobby gibt er schlicht „Ma-rathon“ an. Seine Bestzeit: 3 Stunden und56 Minuten, aufgestellt in Köln 2001.

C. H.

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ZentralasienwissenschaftenGastdozent ausder MongoleiWie schon in vergangenen Semestern kanndas Institut für Indologie und Zentral-asienwissenschaften die Qualität des Stu-diums durch einen Gastdozenten aus derMongolei steigern. Institutsdirektor Prof.Dr. Per K. Sørensen und der Fachvertreterfür Mongolistik Dr. Klaus Koppe begrüß-ten Anfang April Prof. Jantsan Bat-Ireedui.Der 40-jährige Wissenschaftler war bis De-zember 2002 Dekan der Fakultät für Mon-golische Sprachen und Kulturen der Mon-golischen Staatsuniversität in Ulaanbaatarund zeichnet sich neben seinen wissen-schaftlichen Leistungen durch Lehrtätig-keiten an internationalen Universitäten,u. a. in Cambridge und Leads, aus. Prof.Jantsan Bat-Ireedui war bereits im Winter-semester 01/02 als Gastdozent für drei Mo-nate an der Universität Leipzig tätig. Jetztsetzten Prof. Dr. Per K. Sørensen und Dr.Klaus Koppe das scheinbar Unmöglichedurch und erreichten – trotz Haushalts-sperre – mit Hilfe des Deutschen Akade-mischen Austausch Dienstes (DAAD)einen einjährigen Aufenthalt des mongoli-schen Wissenschaftlers. Der wiederholte Aufenthalt von Prof. Bat-Ireedui als Gastdozent ist auch Ausdruckder guten Zusammenarbeit der Fakultät fürMongolische Sprachen und Kulturen derStaatsuniversität mit der hiesigen Fakultätfür Geschichte, Kunst- und Orientwissen-schaft. Anita Faltermann

ErziehungswissenschaftenHonorarprofes-sor ernanntDie Erziehungswis-senschaftliche Fa-kultät der Univer-sität Leipzig begingdie Ernennung deslangjährigen Direk-tors der DeutschenVolkshochschul-Verbandes Dr. Vol-ker Otto zum Hono-rarprofessor für Er-wachsenenpädago-gik am 14. 5. 2003 mit einem akademischenFestakt im Festsaal des Alten Rathauses.

Seine Antrittsvorlesung hielt er zumThema „Bindung und Freiheit – Struktur-probleme der Erwachseneneinbildung un-ter dem Gebot der Öffentlichkeit“. Otto hatte seine Geburtsstadt Leipzig 1953verlassen und war 2002 an die Pleiße zu-rückgekehrt. 1968 gründete der gelernteSchriftsetzer in seinem Wohnort Raunheim(Hessen) eine Volkshochschule und begann1970 als frischgebackender Dr. phil. imFach Politische Wissenschaft sein zweitesund eigentliches Arbeitsleben im Deut-schen Volkshochschul-Verband, dem er biszu seiner Pensionierung 2002 in verschie-denen Ämtern diente. Nachdem er bereits im Sommersemester1996 einen Lehrauftrag an der UniversitätLeipzig wahrgenommen hat, wird er nunals Honorarprofessor der universitären Er-wachsenenbildung in Leipzig noch engerverbunden sein.

AusländerbeauftragterWolfram Heroldmacht weiterDr. Wolfram Herold bleibt bis JahresendeAusländerbeauftragter der UniversitätLeipzig. Herold feierte zwar am 10. Juniseinen 65. Geburtstag und scheidet somitaus dem Institut für Medizinische Physikund Biophysik aus, traf aber eine Verein-barung über die Fortführung seiner Auf-gabe als Interessenvertreter der ausländi-schen Universitätsangehörigen. DieseFunktion übt Herold seit 1991 aus. Schonseit 40 Jahren kümmert er sich um Auslän-der an der Universität: 1963 wurde er Be-treuer der ausländischen Medizinstuden-ten.

Kurz gefasstProf. Dr. Gisela Mohr, Institut für Ange-wandte Psychologie, hat von der DFG eineWeiterbewilligung für das Forschungspro-jekt „Befindensbeeinträchtigung: Irrita-tion“ erhalten. Dipl.-Psychologe AndreasMüller wird das Projekt führen, bei demein Messverfahren für die psychischenFolgen von Stress am Arbeitsplatz für deninternationalen Einsatz weiterentwickeltwird. Das Verfahren kann somit eingesetztwerden z. B. in der vergleichenden be-trieblichen Gesundheitsforschung und Ge-sundheitsförderung.

Dr. Petrik Galvosas, Institut für Experi-mentelle Physik I, der zurzeit zu einemPost-Doc-Aufenthalt an der Victoria-Uni-versität im neuseeländischen Wellingtonweilt, hat für seine Dissertation den „För-derpreis 2003 für allgemeine Ingenieur-und Naturwissenschaft“ des Vereins Deut-scher Ingenieure, Bezirk Leipzig, erhalten.Seine Dissertation trägt den Titel „PFGNMR-Diffusionsuntersuchungen mit ultra-hohen gepulsten magnetischen Feldgra-dienten an mikroporösen Materialien“.

Prof. Dr. Wolfgang F. Schwarz, Institutfür Slavistik, Fachrichtung Westslavistik,wurde auf der konstituierenden Sitzung derGesellschaft für Bohemistik e.V., Mün-chen, am 27. 02. 2003 zum Stellvertreten-den Vorsitzenden gewählt. Zweck der Ge-sellschaft ist die Förderung der Wissen-schaft von tschechischer Sprache, Literaturund Kultur in der Bundesrepublik Deutsch-land, anderen deutschsprachigen Ländernund in der Tschechischen Republik.

Dr. Peter Müller, Klinik und Poliklinik fürKinder und Jugendliche, erhielt den Artur-Schlossmann-Preis der Sächsisch-Thürin-gischen Gesellschaft für Kinderheilkundeund Jugendmedizin für seine Habilita-tionsarbeit zum Thema „Quantitative Mul-tiparameteranalysen des Intermediärstoff-wechsels mit massenspektrometrischenMethoden bei Früh- und Neugeborenen inAbhängigkeit vom Reifegrad und von pe-rinatologischen Komplikationen“.

Dr. Jan Vosahlo aus Prag ist zur Zeit Gastan der Klinik und Poliklinik für Kinder undJugendliche. Er erlernt bei Prof. RolandPfäffle die wissenschaftlichen Methodenzur Bestimmung der genetischen Ursacheneines isolierten Wachstumshormonman-gels und eines kombinierten Hypophysen-vorderlappendefektes und untersucht dabeibesonders Proben seiner Prager Patienten.Der isolierte Wachstumshormonmangeläußert sich in Kleinwuchs; der kombinierteHypophysenvorderlappendefekt geht ein-her mit Kleinwuchs und weiteren hormo-nellen Störungen.

Prof. Dr. Hans-W. Fischer-Elfert (Ägyp-tologisches Institut /Ägyptisches Museum)unterrichtet im Winter 2003/4 im Rahmenseines Forschungsfreisemesters als visitingprofessor an der Yale University.

Personalia

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Volker Otto

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GeburtstageTheologische Fakultät60. GeburtstagPD Dr. Gerhard Graf, Institut für Kirchen-geschichte, am 25. Juni

Juristenakultät60. GeburtstagProf. Dr. Helmut Goerlich, Lehrstuhl fürLehrstuhl für Staats- und Verwaltungs-recht, Verfassungsgeschichte und Staats-kirchenrecht, am 27. Juli

Philologische Fakultät60. GeburtstagProf. Dr. Irmhild Barz, Institut für Germa-nistik, am 26. Juli

Medizinische Fakultät60. GeburtstagProf. Dr. med. Fritjoff König, Klinik undPoliklinik für Anästhesiologie und Inten-sivtherapie, am 18. Juli65. GeburtstagProf. Dr. med. Peter Emmrich, Institut fürPathologie, am 25. JuniProf. Dr. med. Wolfgang Prager, Klinik undPoliklinik für Strahlentherapie und Ra-dioonkologie, am 30. JuniProf. Dr. med. Peter Matzen, Orthopädi-sche Klinik und Poliklinik, am 29. Juli70. GeburtstagProf. Dr. med. Hannelore Schwartze,ehem. Institut für Pathologische Physiolo-gie, am 3. AugustProf. Dr. med. Gerhard Gehre, ehem.Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, am13. August75. GeburtstagProf. Dr. med. Martin Müller, ehem. Insti-tut für Pharmakologie u. Toxikologie), am5. August

Fakultät für Mathematik undInformatik65. GeburtstagProfessor Dr. Hans-Joachim Girlich, Ma-thematisches Institut, am 10. Juni

Der Rektor der Universität Leipzig und dieDekane der einzelnen Fakultäten gratulie-ren herzlich.

(Die Geburtstage werden von den Fakultä-ten gemeldet. Die Redaktion übernimmtfür die Angaben keine Gewähr. Dies giltauch für deren Vollständigkeit.)

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Personalia

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Am 17. Mai feierte Prof. Dr. Dr. GüntherWartenberg, Dekan der Theologischen Fa-kultät und langjähriger Prorektor für Lehreund Studium der Universität Leipzig nachdem politischen Umbruch, im Kreise einergroßen Gratulantenschar in der Villa Till-manns seinen 60. Geburtstag. Standesge-mäß oder besser fachgerecht ging Prof. Dr.Martin Petzoldt in seinen Gratulations-worten von einer Bibelstelle aus, von derLosung des Tages, wie sie die Herrnhuterfür den 17. Mai 2003 ausgelost haben: Ihrsolltet doch in der Furcht unseres Gotteswandeln, um den Lästerungen unsererheidnischen Feinde zu begegnen. (Nehe-mia 5,9)mDiese Losung stellt also die Persönlichkeitdes Nehemia in die Mitte, der sich um 445v. Chr., 150 Jahre nach der Zerstörung Je-rusalems, als der Wiederaufbau des Tem-pels bereits erfolgt war, um die städtischeKonsolidierung nach außen und innenkümmerte. Vor allem der Wiederaufbau derStadtmauer, damals ein unbedingtes Erfor-dernis, war sein Verdienst. Im Alten Testa-ment steht er vergleichsweise am Rande,aber „gerade dadurch ist er sympathischund erreicht uns in einer Zeit, die vor allemdie Bewältigung der Mühen der Ebene vonuns abverlangt ...“ Ihm ging es, so Prof.

Petzoldt, um die Errichtung der äußerenBedingungen des Gemeinwesens, aberauch um die Initiative eines inneren Wil-lens zur Gemeinschaft, die in der tagtäg-lichen Kärrnerarbeit besonders vonnötenist. Er nennt es „in der Furcht Gottes le-ben“.Martin Petzoldt ließ zur Feier des Tagesnicht unerwähnt, dass er zunächst der ge-gebenen Losung ausweichen wollte. „Aberje mehr ich darüber nachdachte, das bishe-rige Lebenswerk des Jubilars bedachte, umso deutlicher wurde mir diese Losung fürdiese Gelegenheit.“ Der Erste Universi-tätsprediger verband mit der Forderung Ihrsolltet doch in der Furcht unseres Gotteswandeln die Feststellung, dass es bei allerFreude über die wieder sich einstellendeSelbständigkeit doch auch Einbußen gibt,das Gefühl, es könnte wirklich besser sein,es könnte die tägliche Arbeit noch mehr zurBildung des Gemeinwesens, zur Bildungdes Gemeinsinns in diesem Gemeinwesenbeitragen. Kann aber wirklich erwartetwerden, dass sich unser Gemeinwesenunter die Furcht unseres Gottes stellt?Petzoldts Fazit: „In einem werden wir ver-mutlich einig sein: dass uns so etwas wieder innere Wille zur Gemeinschaft außer-ordentlich schmerzlich fehlt. Und deshalbfrage ich ganz eindringlich: Könnte dasnicht die Besinnung auf unser aller Wur-zeln sein, Furcht vor Gott? Und wer denGlauben an Gott nicht teilt, der mag esumsetzen in ein höheres Maß an Respektvoreinander. Mit dem Ziel, wieder näherzueinander zu rücken und wieder mehrVerantwortung füreinander zu überneh-men.“Anspruchsvolle Gedanken anlässlich einerGeburtstagsfeier, die in dem anspruchsvol-len Wirken Günther Wartenbergs für dieAlma mater Lipsiensis einen ihn ehrendenBezug fanden. V. S.

Prof. Günther Wartenberg

Nehemia auf derGeburtstagsfeierGünther Wartenberg 60

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sorgungsgeschehen zu optimieren – es also(nach einer gängigen Formel) so anzule-gen, dass mit knappen Mitteln möglichstviel Gesundheit erzeugt wird. Diese Forderung ist so, wie sie dasteht,freilich alles andere als trivial. Sie enthältein über Personengrenzen hinweg aggre-gierendes Maximierungsgebot. Was dasbedeutet, lässt sich an einem einfachenBeispiel demonstrieren: Wenn Transplan-tationsmediziner nach der Regel „mitknappen Mitteln möglichst viel Gesund-heit erzeugen“ verfahren wollten, danndürften sie einen Patienten, der zu seinemÜberleben ein Herz und eine Leber benö-tigt, von vornherein nicht berücksichtigen.Denn mit den Ressourcen, die man für dieRettung eines solchen Patienten braucht,kann man zwei anderen Patienten helfen.Ceteris paribus (das heißt vor allem: beiähnlichem Alter und ähnlich guter Pro-

Essay

34 journal

In den letzten Jahren hat der Druck, sich alsArzt nicht nur am Ziel der Gesundung derPatienten, sondern auch am Ziel der Kos-tenbegrenzung zu orientieren, gewaltig zu-genommen. In diesem Prozess verschiebensich die Kommunikations- und dann auchdie Machtverhältnisse, es gibt Mahnungen,Vorwürfe und Gegenvorwürfe, Verhand-lungen, Neuerungen, Widerstände gegendiese Neuerungen und so weiter. Bei die-sem Wandel muss man als Arzt irgendwiein Übereinstimmung mit sich selber blei-ben, und das heißt auch: in Übereinstim-mung mit dem eigenen Berufsethos. Nicht,dass sich am ärztlichen Ethos niemals et-was ändern könnte oder sollte. Aber manmöchte dann doch mindestens, dass es sichnicht unter der Hand ändert: Die gesell-schaftliche, auch gesellschaftlich akzep-tierte Außendarstellung des Arztberufs unddie tatsächlichen Verhältnisse dürfen nichtzu weit auseinanderfallen. Es lässt sich rasch einsehen, dass es unterBedingungen des Kostendrucks nichtzweckmäßig sein kann, die medizinischeAufgabenerfüllung und die Sorge um ihreFinanzierbarkeit personell gänzlich zutrennen. Zahlreiche in der Art und Organi-sation des Leistungsgeschehens liegendeSparpotentiale können nur von Personenerkannt und verantwortet werden, die mitden medizinischen Abläufen im Detail ver-traut sind. Deswegen kommt der Kosten-druck bei den Ärzten, jedenfalls bislang,nur in wenigen Fällen in Form von geziel-ten Finanzierungsausschlüssen für kon-krete Maßnahmen an. Es herrscht vielmehrein pauschaler Spardruck, wie ihn zumBeispiel eine Budgetdeckelung oder einePauschalisierung von Entgelten erzeugt.Das Bemühen des Arztes um die Gesund-heit seiner Patienten kann und muss sichunter solchen Verhältnissen ganz unmittel-bar auch in dem Bemühen äußern, das Ver-

gnose) resultiert dann „mehr Gesundheit“.Was nun in der Transplantationsmedizinder Patient mit dem doppelten Organbedarfist, das ist in der sonstigen Medizin der„teure Patient“ – der, dessen Heilung be-sonders viele finanzielle Ressourcen ver-schlingt. Die Regel, es sei mit knappenMitteln möglichst viel Gesundheit zu er-zeugen, diskriminiert also, beim Wort ge-nommen, systematisch die Gruppe der„teuren“ Patienten.

Rationalisierung stattRationierung

Auf diese Klarstellung hin gibt es zwei ver-schiedene Reaktionen. Die eine lautet: „Inder Tat, so ist es. Wir würden ja gerne allenalles medizinisch Sinnvolle zukommen las-sen. Aber wenn Knappheit unvermeidlichist, dann sollte in der Tat bei den teuerstenMaßnahmen gespart werden. Denn zweiMenschenleben sind nun einmal mehr wertals eines.“ Die andere Reaktion kommt beiÄrzten sehr viel häufiger vor; es ist diese:„Wenn wir von der Optimierung des Ver-sorgungsgeschehens sprechen, dann mei-nen wir nicht die Vernachlässigung teurerPatienten. Das wäre ja Rationierung. Wirmeinen aber Rationalisierung: den Abbauvon Verschwendung, von gedankenlosemMaterialverbrauch, von überflüssigenDoppel- und Dreifachuntersuchungen. Wirmeinen auch die Verbesserung der kommu-nikativen Abläufe und der Dokumentation,die dichtere Vernetzung von Versorgungs-einheiten, einschließlich der dadurch mög-lichen Personaleinsparungen, und so wei-ter. Gewiss, in der Transplantationsmedizinist Knappheit unausweichlich, aber bei unsdoch nicht – jedenfalls noch nicht.“Die so verstandene Bedeutung der Formel„Optimierung des Versorgungsgesche-hens“ enthält keine Aufforderung zur Ma-ximierung des Gutes Gesundheit unter Be-dingungen der Knappheit. Sie enthält viel-mehr die Aufforderung, zum Zweck derVermeidung von Knappheit dort zu sparen,wo ohne jeden medizinischen Schaden ge-spart werden kann, nämlich beim medizi-nisch Überflüssigen. Das klingt sehr vielberuhigender. Beunruhigend ist dabei nurdie Unterstellung, dass das medizinischeLeistungsgeschehen so dicht von Über-flüssigem durchsetzt sein soll, dass der ausdemographischen und medizinisch-techni-schen Gründen wachsende Kostendrucksich allein durch solche Sparmaßnahmenabsorbieren lassen soll. Gebot denn nicht

Viel Gesundheitfür wenig Geld?Patientenorientierung undKostenorientierungVon Prof. Dr. Weyma Lübbe, Institut für Philosophie

Im März 2003 fand unter dem Titel „Hu-man Resource Management in der Aka-demischen Medizin“ eine von Prof. Dr.Dr. Michael Höckel (Universitätsfrauen-klinik Leipzig) organisierte Tagung derdeutschen Ordinarien für Gynäkologiestatt. Der Beitrag von Prof. Dr. WeymaLübbe enthält einige Überlegungen ausihrem bei dieser Gelegenheit gehaltenenVortrag.

Prof.WeymaLübbe

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das medizinische Ethos schon immer,Maßnahmen wie etwa Operationen oderRöntgenaufnahmen auf das medizinischSinnvolle zu beschränken? Und galt dieVerschwendung der Gelder anderer nichtseit jeher als etwas, was sich nicht gehört?Und wenn solche ethischen Gemeinplätzein der Vergangenheit nicht bewirkt haben,dass sparsam gewirtschaftet wird, wie willman dann den Effekt, dass das nunmehrendlich konsequent geschieht, eigentlicherzeugen? Wie dem auch sei – von Inter-esse ist jedenfalls, wie sich der Kosten-druck in der Praxis de facto auswirkt. Diefolgenden beiden Interview-Zitate stam-men aus einer Studie, in deren RahmenÄrzte und Pflegepersonal zu diesemThema befragt wurden: „Dann merkt man nur eines Tages, dass diePflaster irgendwie billiger geworden sindund nicht mehr kleben. Dann geht manwieder hin und sagt: ‚Diese Pflaster klebennicht, können wir nicht wieder die anderenhaben?‘ Dann heißt es: ‚Nein, die anderengibt’s nicht mehr, weil zu teuer‘. Dann hatman nichtklebende Pflaster.“„Wir haben hier ernsthaft diskutiert – auchmit dem Pflegepersonal: ‚Wir können dieHandschuhe auf hohem Niveau nicht hal-ten, als Schutz des Personals. Wir müsseneinsparen‘. Wir forsten genau durch: ‚Werbenutzt die Handschuhe hier großzügig?Wer wechselt die Handschuhe bei derUntersuchung großzügig?‘ So weit sindwir schon! Das ist, meine ich, eine solcheEinschränkung der Tätigkeit in einem sol-chen neuralgischen Bereich, gerade wo esum hohe Infektiosität geht in der Endos-kopie – das schlägt in diesem Bereich wirk-lich besonders durch. Aber ich muss ja im-mer erst mal sehen, diese Materialien fürdie Patienten zu sichern, die ja im Vorder-grund stehen. Ich habe ja einen Behand-lungsauftrag.“1

Was ist das „medizinischNotwendige“?

Beschreibt dergleichen die Einsparung vonmedizinisch Sinnvollem? Diese Frage wirdman wohl bejahen müssen. Aber so richtigskandalträchtig ist im Blick auf diese Bei-spiele die Feststellung, dass offenbar docham medizinisch Sinnvollen gespart wird,nicht. Das liegt daran, dass schlecht kle-bende Pflaster zwar lästig, optimal kle-bende Pflaster aber auch nicht geradezudas sind, was man als „medizinisch not-wendig“ bezeichnet. In der Tat ist es dieser

Begriff, der Begriff des medizinisch Not-wendigen, der sich gewöhnlich dazwischenschiebt, wenn jemand vermeiden möchte,dass im mit Blick auf die zitierten Verhält-nisse von Rationierung gesprochen wird.Wenn aber das medizinisch Notwendigeweniger als das medizinisch Sinnvolle ist –was ist es dann? Das ist wenig deutlich.Deutlich ist immerhin dieses: Die Abgren-zung zwischen dem medizinisch Notwen-digen und dem medizinisch Sinnvollen istkeine medizinische Abgrenzung. Es gehtnämlich nicht um das Ob von Gesund-heitseffekten, sondern um ihren relativenWert. Es geht um die Frage, welche Ge-sundheitseffekte uns so wichtig sind, dasswir sie im herrschenden System der Lei-stungserbringung weiterhin finanzierenmöchten. Wer an Hygienemaßnahmen spart, also dasInfektionsrisiko erhöht, der gefährdetimmerhin auch Leben – sogenannte „statis-tische Leben“. Wenn dagegen eine akut-medizinische Maßnahme eingespart wird,zum Beispiel eine teure Operation, danngefährdet man ein konkret bekanntes „in-dividuelles Leben“. Wenn es ans Sterbengeht, stirbt freilich nie eine statistischeGröße, sondern stets ein Individuum. Wiekommt es also, dass man lieber „statisti-sche Leben“ aufgibt als „individuelle“?Der entscheidende Unterschied zwischenbeidem – dem Sparen an Präventionsmaß-nahmen und dem Sparen an teurer Akut-medizin – ist offenbar dieser: Wenn jemandbeispielsweise aufgrund eingesparter Vor-sorgeuntersuchungen an einem zu spät di-agnostizierten Krebsleiden stirbt, dannkann zum Zeitpunkt des Offensichtlich-werdens der Erkrankung nichts Lebensret-tendes mehr für ihn getan werden. Zwarstirbt er, aber man lässt ihn nicht sterben:Sein Sterben hängt nun, da es zu spät ist,von niemandes Entscheidung mehr ab. Bei der Verweigerung einer möglicher-weise lebensrettenden Operation ist dasanders. Diese Person stirbt, obgleich mansich noch entscheiden könnte, ihr zu hel-fen. Solche Konsequenz im Angesicht des To-des trauen wir uns offenbar nicht zu – undzwar weder als potentiell Betroffene nochals Agenten gesellschaftlicher Rationie-rungsinstanzen. Offenbar wollen wir nicht,dass in der Todesnot gespart wird. DieserAspekt scheint so wichtig, dass die medi-zinisch-technisch hochentwickelten Ge-sellschaften selbst dann lieber am „statisti-schen Leben“ sparen, wenn sich zeigenlässt, dass das im Vergleich mit alternati-

ven Sparmaßnahmen per saldo Leben undGesundheit kostet – also ineffizient ist.Man sollte sich jedoch hüten, die in sol-chen Präferenzen erkennbar werdende Hal-tung wegen der Effizienzverluste, die siemit sich bringt, als irrational zu bezeich-nen. Warum sollte es irrational sein, einemaximale erwartbare Anzahl gesunder Le-bensjahre nicht für das höchste aller Güterzu halten? Wir handeln bekanntlich auchsonst nicht so, dass wir das gute Leben demgesunden Leben bedingungslos unterord-nen. Und offenbar ist es, jedenfalls fürviele Menschen, ein Aspekt des guten Le-bens, dass im Angesicht des Todes nichtdas Sparen und die Effizienz regieren, son-dern die Hilfsbereitschaft und das Gleich-heitsgebot. Die Art und Weise, wie die öffentliche Mei-nung in anderen Ländern bislang auf effi-zienzorientierte Rationierungsprogrammereagiert hat, scheint zu zeigen, dass manfür diesen Aspekt des guten Lebens einenPreis zu zahlen bereit ist. Es ist jedochnicht anzunehmen, dass der Preis beliebighoch werden kann. Wenn eine immer teu-rer werdende Akutmedizin zur Folge hätte,dass im Bereich der sonstigen Maßnahmen– bei der Hygiene, bei Vorsorgeunter-suchungen, beim Pflegepersonal, bei derRehabilitation und so fort – so sehr gespartwerden müsste, dass am Ende überhauptnur noch etwas geschieht, wenn man schonschwerstkrank ist, dann werden sich (wiedas im Hinblick auf die sogenannte Ster-bensverlängerung am Lebensende ja auchlängst im Gange ist) die Wertigkeiten ver-schieben.Und irgendwann werden dann wohl auchdie Ärzte, ohne in Konflikt mit ihrem Be-rufsbild, mit der herrschenden Auslegungdes Grundgesetzes und mit dem Haftungs-recht zu kommen, offen sagen dürfen, dasses nicht mehr ihre Aufgabe ist, jedes akutbedrohte Leben anhand des jeweils aller-neuesten Stands der medizinischen Kunstund ohne jede Ansehung der Kosten zu ver-längern. Genauer, jedes akut bedrohte in-ländische Leben. Denn in anderen Ländernsterben die Menschen ja dahin, weil es amElementarsten fehlt.

1 Beide Zitate aus: Ellen Kuhlmann, „Zwischenzwei Mahlsteinen“ – Ergebnisse einer empi-rischen Studie zur Verteilung knapper medi-zinischer Ressourcen in ausgewählten klini-schen Settings, in: Günter Feuerstein/Ellen Kuhlmann (Hg.), Rationierung im Ge-sundheitswesen, Wiesbaden: Ullstein Medi-cal 1998, S. 18, S. 19.

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Essay

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HabilitationenFakultät für Physik und GeowissenschaftenDr. Manfred Wendisch (5/03):Absorption of Solar Radiation in the Cloudless andCloudy Atmosphere

PromotionenTheologische FakultätChristoph Ilgner (3/02):Die neutestamentliche Auslegungslehre des Jo-hann August Ernesti (1707–1781). Ein Beitrag zurErforschung der AufklärungshermeneutikChristian Mai (6/02):Ikonographische Konzeptionen in der kirchlichenKunst Sachsens zwischen 1919 und 1945Thomas A. Seidel (7/02):Kirchliche Neuordnung in Thüringen Studien zueiner mitteldeutschen Landeskirche im Übergangder Diktaturen 1945 bis 1951Ralf Günther (7/02):Knastsprache und Knastgespräche. Eine linguisti-sche Analyse zu Seelsorgegesprächen im Gefäng-nis – Seelsorge auf der SchwelleCarsten Rentzing (1/03):Die Rede vom Bösen bei Karl Barth und MartinLuther. Ein systematisch-historischer Vergleichunter Berücksichtigung von Karl Barths Kirch-licher Dogmatik III,3 und Martin Luthers Gene-sisvorlesungen von 1535–1545Heide Ludwig (4/03):Berufliches Selbstverständnis und berufsbiografi-sche Orientierungsmuster ostdeutscher Religions-und Ethiklehrkräfte. Eine empirische Untersu-chung zu den Fächern Ev. Religion und Ethik ausder Sicht der Unterrichtenden.Jens Bulisch (4/03):Evangelische Presse in der SBZ/DDR. „Die Zei-chen der Zeit“ (1947–1990)

Fakultät für Sozialwissenschaften und PhilosophiePeter Grönert (4/03):Normativität, Intentionalität und PraktischeSchlüsseArmin Berger (5/03):Unterlassungen. Eine philosophische Unter-suchungBirgit Förg (5/03):Moral und Ethik der Public Relations. Grundlagen– theoretische und empirische Analysen – Per-spektiven

Fakultät für Chemie Mohammed S. A. Daghish (1/03):Moenomycin A als Werkzeug für die Identifizie-rung der Transglycosylase-Domäne auf dem Peni-cillin-bindenden Protein 1b durch Photoaffinitäts-markierungTherese Koal (1/03):Untersuchungen zur on-line Kombination vonFestphasenextraktion, Hochdruckflüssigchroma-tographie und Tandem-Massenspektrometrie fürdie schnelle und simultane Bestimmung von Pe-stiziden in WasserThomas Köhler (1/03):Untersuchungen zur Stofftrennung durch Pervapo-ration an ZeolithmembranenDietmar Knoll (2/03):Synthese von Werkzeugen für die Erzeugung undReinigung von anti-Moenomycin-Antikörpern,zur Selektion Moenomycin-spezifischer Aptamereund zur Reinigung des Enzyms PBP 1b

Am 26. Juni 2003 begeht das OstasiatischeInstitut mit einem Symposium den125. Jahrestag der Berufung von HansGeorg Conon von der Gabelentz(1840–1893) zum außerordentlichen Pro-fessor der ostasiatischen Sprachen an derUniversität Leipzig. Die Errichtung dieserProfessur an der Philosophischen Fakultätam 1. Juli 1878 war nicht nur die Geburts-stunde der ostasiatischen Wissenschaftenan der Universität Leipzig. Mit der Beru-fung wurde zugleich die erste sinologischeProfessur an einer deutschen Universitätbegründet. Zwar gab es schon früher ver-einzelt Professoren, die sich mit der chine-sischen Sprache beschäftigten, doch warensie entweder nicht an eine Universität be-rufen worden oder lehrten neben ihremeigentlichen Berufungsauftrag Chinesischwie der Indologe und Orientalist HermannBrockhaus (1806–1877) in Leipzig oderWilhelm Schott (1802–1889) in Berlin. Georg von der Gabelentz entstammt einerkulturell und intellektuell vielseitig inter-essierten Familie. Bereits sein Vater HansConon von der Gabelentz (1807–1874) warneben seiner Tätigkeit als hoher Beamterdes Herzogtums Sachsen-Altenburg einbekannter Linguist und Sprachforscher. Erbegründete u. a. zusammen mit LeipzigerProfessoren der Orientalistik 1845 dieDeutsche Morgenländische Gesellschaftund verfasste eine Mandschurische Gram-matik bzw. übersetzte die gotische Ulfila-Bibel. So hatte Gabelentz bereits als Ju-gendlicher sachkundige Anleitung und Zu-griff auf die polyglotte Bibliothek seinesVaters auf Schloss Poschwitz. Bereits mit17 begann er das Studium des Chinesi-schen und veröffentlichte ab 1860 Arbeitenauf dem ostasiatischen Gebiet. 1860 bis

1864 studierte er in Jena Rechts- und Ka-meralwissenschaften, um dann als Jurist inden sächsischen Verwaltungsdienst einzu-treten. Parallel erarbeitete er seine 1876 inLeipzig erfolgte Promotion, eine Über-setzung des Werkes Taijitushuo deschinesischen Philosophen Zhou Dunyi(1017–1073). Im selben Jahr schickte er seine Initiativ-bewerbung an das Dresdner Ministerium,die Eingabe, eine „Professur der chinesi-schen, japanischen und mandschuischenSprachen an der Universität Leipzig“ zu er-richten und mit ihm zu besetzen. Nacheinem positiven Gutachten der Philoso-phischen Fakultät unter der Leitung desArabisten Heinrich Leberecht Fleischer(1801–1888) dauerte es jedoch noch bis

Promotionen und Habilitationen | Jubiläum 2009

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„Sprachen lassensich nichtplatonisch lieben“125 Jahre Professur für ostasiatische SprachenVon Christina Leibfried, Historisches Seminar

Georg von der Gabelentz (1841–1893)nach einem Ölgemälde von E. Winter-stein (1883).

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zum 21. Juni 1878, bis das Ministerium perDekret erklärte: „Mit Allerhöchster Ge-nehmigung hat das Ministerium des Cultusund öffentlichen Unterrichts … den Be-zirksgerichtsassessor Dr. phil. Hans GeorgConon von der Gabelentz … zum außeror-dentlichen Professor der ostasiatischenSprachen … vom 1. Juli 1878 an ernannt“. Neben Chinesisch und Japanisch sollte deram 16. März 1840 auf Poschwitz beiAltenburg geborene Georg von der Gabe-lentz Mandschurisch, Malaiisch, tibetischeund mongolische Grammatik sowie allge-meine und vergleichende Linguistik leh-ren. Kennzeichnend für seine weltoffeneErziehung und Einstellung war seineHochschätzung und Achtung der chinesi-schen Kultur in einer Zeit, in der sie in derlandläufigen Meinung oft als stagnierendund unterlegen bewertet wurde.Sein wichtigstes und für lange Zeit weg-weisendes sinologisches Werk ist die „Chi-nesische Grammatik mit Ausschluß desniederen Stiles und der heutigen Um-gangssprache“, welche 1881 in Leipzig er-schien und als erste Grammatik überhauptdie chinesische Sprache unabhängig vonden grammatikalischen Mustern des Latei-nischen darstellte. Doch auch in der allge-meinen und vergleichenden Sprachwissen-schaft leistete Gabelentz Hervorragendes:So erschien 1889 seine Arbeit „Die Sprach-wissenschaft, ihre Aufgaben, Methodenund bisherigen Ergebnisse“. Der Einflussder „Sprachwissenschaft“ auf Ferdinand deSaussures „Cours de linguistique générale“bleibt unter Linguisten umstritten, dochunabhängig von dieser spezifischen Dis-kussion erlebte die „Sprachwissenschaft“1995 ihren bisher letzten Reprint.Auf linguistischem Gebiet beschränktesich Gabelentz keineswegs auf die ostasia-tischen Sprachen. Aufgrund seiner vielfäl-tigen Sprachkenntnisse verschiedenster,u. a. indogermanischer, finno-ugrischer,sino-tibetischer, malaiisch-polynesischerSprachen konnte er sich den Verwandt-schaftsverhältnissen der Sprachen und derSyntaxforschung widmen, und damit überdie Erkenntnisse der damals vorherrschen-den Indogermanistik und ihrer Fixierungauf die flektierenden indogermanischenSprachen hinausgreifen und agglutinie-rende Sprachen oder isolierende Sprachenwie z. B. die Chinesische und ihre Syntaxerforschen. Dabei stand für ihn fest: „Sprachen lassensich nicht platonisch lieben, man muß mitund in ihnen gelebt haben, ehe man wagendarf sie zu beurteilen.“ Trotz eventueller

Gegensätze zur Leipziger Schule der„Junggrammatiker“ um Karl Brugmann(1849–1919) setzte die Philosophische Fa-kultät 1882 „in Anerkennung seiner wis-senschaftlichen Verdienste“ die ErnennungGabelentz’ zum ordentlichen Honorarpro-fessor durch. Doch erst nach seiner Beru-fung nach Berlin zum Wintersemester1889/1890 sollte er zum Ordinarius er-nannt werden. Die Berufung auf den neu-errichteten Lehrstuhl der OstasiatischenSprachen und der allgemeinen Sprachwis-senschaft erfolgte auf Betreiben des füh-renden preußischen Beamten für akademi-sche Angelegenheiten, Friedrich TheodorAlthoff (1839–1908), und war mit derfinanziellen Förderung durch und der Auf-nahme von Gabelentz in die PreußischeAkademie der Wissenschaften am 27. Juni1889 verbunden.In Berlin wandte er sich vermehrt der Lin-guistik zu, doch blieben ihm dort nurwenige Jahre der Forschung und Lehre.Erst 53-jährig verstarb Gabelentz am11. Dezember 1893. Zwar bildete er trotzgroßer Rezeption seiner sinologischen wiesprachwissenschaftlichen Werke vermut-lich aufgrund seines frühen Todes keineeigene Schule aus, doch promovierte oderhabilitierte er allein in seiner Leipziger Zeitviele bedeutende Ostasienforscher wie diespäteren Professoren der Sinologie Wil-helm Grube (1855–1908), J. J. M. DeGroot (1854–1921), Arthur von Rosthorn(1862–1945), den ersten deutschen Profes-sor der Japanologie, Karl Florenz(1865–1939), aber auch den ArchäologenMax Uhle (1856–1944), den TibetologenHeinrich Wenzel und den Kunstwissen-schaftler F. W. K. Müller (1863–1930). Nach seinem Weggang blieb die Professurder ostasiatischen Sprachen zunächst ausMangel an geeignetem Nachwuchs vakant.Seit 1892 lehrte August Conrady(1864–1925) in Leipzig als Privatdozentindische Sprachen und Tibetisch, ab 1895indische und ostasiatische Sprachen. 1897wurde er zum außerordentlichen Professorernannt. Conrady führte das Erbe Georgvon der Gabelentz’, das Beharren aufstreng wissenschaftlicher Methodik wieseine liberal-weltoffene Einstellung, fort.Schließlich wurde 1914 durch Unterstüt-zung Karl Lamprechts (1856–1915) eineigenständiges Ostasiatisches Seminar ge-schaffen und 1922 ein Leipziger Ordinariatfür ostasiatische Sprachen unter Conradyals dritter sinologischer Lehrstuhl inDeutschland nach Hamburg (1909) undBerlin (1912) errichtet. In der Leipziger

Sinologie kam es in den folgenden Jahr-zehnten zu einer inneren Differenzierungdes Fachs bis hin zur Schwerpunktverlage-rung auf Kulturgeschichte und modernechinesische Gesellschaft, womit der Bogenzur Gegenwart gespannt ist.

Dieser Überblick geht auf eine von Prof. v.Hehl und Prof. Moritz betreute Magister-arbeit zurück.

Zu Leben und Werk von Georg von derGabelentz siehe auch:AUGUST CONRADY: Georg von der Gabe-lentz. In: Beilage zur Allgemeinen Zeitung.Nr. 361. Beilage Nr. 303. München 30. 12.1893. S. 1–5.THEODOR DOBRUCKY: 550 Jahre von derGabelentz im Altenburger Land. 1388 bis1938. In: Altenburger Heimatblätter. Bei-lage der Altenburger Zeitung. 7. Jg. Nr. 11.15. 11. 1938. S. 89–91.EDUARD ERKES: Georg von der Gabelentz.In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität. Gesellschafts- undsprachwissenschaftliche Reihe. 3. Jg.1953/54. Heft 4. S. 385–392.EDUARD ERKES: Georg von der Gabelentzund August Conrady. In: Ernst Engelberg(Hrsg.): Karl-Marx-Universität Leipzig1409–1959. Beiträge zur Universitäts-geschichte. Bd. 1. Leipzig 1959. S. 439bis464.KLAUS KADEN: Die Berufung Georg vonder Gabelentz’ an die Berliner Universität.In: Ralf Moritz (Hrsg.): Sinologische Tra-ditionen im Spiegel neuer Forschung. Leip-zig 1993. S. 57–90.CHRISTINA LEIBFRIED: Sinologie an derUniversität Leipzig. Entstehung und Wir-ken des Ostasiatischen Seminars 1878 bis1947. Leipzig 2003. (Beiträge zur Leip-ziger Universitäts- und Wissenschaftsge-schichte. Reihe B. Bd. 1).EBERHARDT RICHTER/MANFRED REICHARDT

(Hrsg.): Hans Georg Conon von der Gabe-lentz – Erbe und Verpflichtung. Linguisti-sche Studien. Reihe A. Arbeitsberichte 53.Berlin 1979.MANFRED TAUBE: Georg von der Gabelentzund seine Zeit. In: Jahrbuch des Museumsfür Völkerkunde zu Leipzig. Bd. 34. Ber-lin 1982. S. 16–36.

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Gleich zwei Jubiläen stehen für den Lehr-stuhl für Erwachsenenpädagogik der Uni-versität Leipzig in diesem Sommer aufdem Programm. Am 11. und 12. Juli feiertder Lehrstuhl nämlich nicht nur zehn JahreTätigkeit, sondern auch die erste universi-täre Einrichtung für Erwachsenenbildnervor 80 Jahren. 1923 riefen Prof. Dr. Theo-dor Litt, Dr. Herrmann Heller und GertrudHermes in Leipzig das „Seminar für freiesVolksbildungswesen“ ins Leben und schu-fen so erstmals einen Ort an einer deut-schen Universität, der sich ausschließlichmit Erwachsenenbildung und mit derWeiterbildung für dieses Tätigkeitsfeld be-schäftigte. Unter der Überschrift „Erinnern, feiernund gestalten“ haben die Mitarbeiter vonProf. Dr. Jörg Knoll, der 1993 am Lehr-stuhl für Erwachsenenpädagogik seine Ar-beit aufgenommen hat, durch einige Fest-veranstaltungen Geschichte und Zukunfteng miteinander verwoben. Denn bei ei-nem Blick in die Vergangenheit wird gleichmehrfach deutlich, dass Leipzig in SachenErwachsenenpädagogik eine Sonderstel-lung einnimmt. Vor 80 Jahren, im November 1923, began-nen die ersten Veranstaltungen des Semi-

nars für freies Volksbildungswesen. Eshatte „die Aufgabe, die pädagogischen undsoziologischen Probleme der freien Volks-bildungsarbeit in Übungen und Kursenwissenschaftlich zu behandeln“. Insbeson-dere hat es der Vorbildung und Schulunghaupt- und nebenberuflicher Lehrkräfte inder Erwachsenenbildung gedient. Nebenden Studenten saßen also auch Volkshoch-schullehrer, Oberlehrer sowie begabte Ar-beiter in den Veranstaltungen und setztensich mit Theorie und Praxis der Erwachse-nenbildung auseinander. Mit der Machtergreifung der Nazis 1933wurde das „Institut für Erziehung, Unter-richt und Jugendkunde“, an welches dasSeminar für freies Volksbildungswesenformal angekoppeltwar, aufgelöst. Da-mit war auch dieletzte Einrichtungder so genannten„Leipziger Rich-tung“ in der Er-wachsenenbildunggeschlossen. Erst 1949 hauchteProf. Herbert Schal-ler (ein ehemaliger

Teilnehmer des Volksbildungs-Seminars)der Leipziger Erwachsenenbildung an derUniversität neues Leben ein und bekam dieerste deutsche Professur für Theorie der Er-wachsenenbildung – ein Meilenstein fürdie deutsche Bildungslandschaft. Im Zuge der politischen Wende in der DDRwurden auch im Feld der Leipziger Er-wachsenenbildner Veränderungen notwen-dig. Doch erst 1993 fand die Umbruch-phase ihr Ende. Mit der Berufung von Prof.Dr. Jörg Knoll setzte die Universität einZeichen und installierte an einem ge-schichtsträchtigen Ort erneut einen Lehr-stuhl für Erwachsenenbildung. Zwei Beweggründe waren es, die Prof. JörgKnoll den Weg nach Leipzig antreten lie-ßen. Zum einen schien Knoll die Zeit reif,nach 15 Jahren praktischer Arbeit in derErwachsenenbildung wieder an eine Uni-versität zurückzugehen und zum anderenwar er sich der Leipziger Historie sehrwohl bewusst. „Leipzig hat für mich vonder Geschichte der Erwachsenenbildungher einen sehr guten Klang, weil hier ganzgrundlegende Dinge passiert sind, und eswar schon sehr verlockend, an so einemPlatz zu arbeiten“, so der Professor. Seit 1993 ist eine Reihe grundlegenderAktivitäten dazu gekommen. Ob es dieTutoreninitiative (TUT) ist, die es sich zurAufgabe gemacht hat, Studenten als Semi-narleiter auszubilden und zu schulen (sieheJournal 3/03), oder das Qualitätsmanage-ment, das die Prozesse am Lehrstuhl fort-während begleitet, so dass er eine Zerti-fizierung nach der Deutschen Industrie-Norm (DIN) EN ISO 9001:2000 vorweisenkann, oder der Gesellschaftsbezug desLeipziger Lehrstuhls – es ist die Nähe zumLeben und zu den Studenten, die das be-sondere Profil dieser Professur auch überLeipzig hinaus ausmachen.

Weitere Informationen, auch über das Fest-programm finden Sie im Internet:www.erwachsenen-paedagogik.de

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Erinnern, feiern, gestaltenErwachsenenpädagogik:80 Jahre Lehre, 10 Jahre LehrstuhlVon Jarno Wittig

Herbert Schaller

Das Gelände der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät in der Karl-Heine-Straße.Leider ist nicht bekannt, wann diese Aufnahme entstanden ist. Foto: Fakultät

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450 Jahre: Das GemäuerDiese Mauern gehören zum Ältesten, wasLeipzig zu bieten hat. 450 Jahre haben sieauf dem Buckel. Bastei – das heißt, siewaren ein Stück Stadtbefestigung. Siewurden unter Moritz von Sachsen anstelledes stark zerstörten Henkersturms errich-tet. Die Bauarbeiten von 1551 bis 1553 lei-tete Hieronymus Lotter, der übrigens von1555 bis 1573 Leipzigs Bürgermeisteramtinne hatte. Auf der Liste von Lotters Wer-ken stehen noch einige andere architekto-nische Leistungen: die Alte Waage, die Er-höhung des Mittelturmes der Nikolaikir-che, die Pleißenburg, die Thomasschuleund vor allem das Alte Rathaus. Rund 200 Jahre später, im SiebenjährigenKrieg, erwies sich die Stadtmauer jedochals insgesamt zu schwach. Die Basteiwurde zum Warenlager umfunktioniert undzur Werkstatt für Glockengießer, Schwe-felzieher, Buchdrucker und Hutmacher.1796 begann auf den Mauern der Moritz-bastei der Bau der ersten deutschen Bür-gerschule. Nachdem die 1943 bei einemBombenangriff zerstört wurde, wurde derSchutt in die Keller-Gewölbe gefüllt. Wasblieb, waren ein paar kaum sichtbare Hü-gel. Man hatte oberirdischere Sorgen undließ Gras über die Sache wachsen.

30 Jahre: Der Club

Abends in der Leipziger Moritzbastei. Ker-zenlicht. Gläserklirren. Stimmengewirr.Um die Tresen sammeln sich die letztenFeierabend-Bummler und die erstenNacht-Schwärmer. Ein Trüppchen Studen-ten hängt einem Dozierenden an den Lip-pen. Ein Pärchen kuschelt auf dem großenSofa. Kommen und Gehen. Begrüßen undVerabschieden. Sitzen und Quatschen. UndKultur auch. Rund 600 Veranstaltungen imJahr.

Eigentlich duzt der Kellner im „Fuchsbau“all seine Gäste. Nur bei denen, die dem Stu-denten-Dasein eindeutig entwachsen sind,umgeht er die Anrede. Zum eindeutigen„Sie“ greift er jedoch auch nicht, wohlahnend, dass wer hier sitzt, ganz gern anseine Studienzeit denkt. Beispielsweise derGrauhaarige mit Bart und Pferdeschwanz,der ins „Schwalbennest“ eingeflogen ist.mEs ist Peter Kunz, Kulturwissenschaftler,Denkmalpfleger – und dereinst Klubleiter,ab 1979 der erste hauptamtliche Direktordes Studentenclubs. Bis es eines Direktorsbedurfte, schippte und karrte und organi-

sierte auch er. „Am Anfang haben wir unsmit den Studentenclubs von Halle oderWeimar verglichen. Aber mit jedem Raum,den wie freigelegt haben, wurde das Pro-jekt größer. Da genügte es nicht mehr, fürdie Gastronomie gelegentlich ein Bierfassreinzurollen. Letztlich brauchten wir Tank-wagen. Das waren bis dahin unbekannteDimensionen.“Das zweite Leben der Moritzbastei ist of-fenbar mit mehr Legenden umwoben alsdas erste. Man erzählt sich von jenem Leip-ziger Medizinstudenten, der als Kind in derverbotenen Tiefe gespielt hatte und anno

Jubiläum 2009

Höchstes Vergnügen in tiefster LageAn Jubiläen mangelt es der Moritzbastei dieses Jahr nicht Von Marlis Heinz

Tanzvergnügen im Oberkeller. Foto: Volkmar Heinz

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sozusagen dazugehören.“ Einmal im Jahrgibt es ein „Veteranentreffen“ in der Mo-ritzbastei. Da kommen die Ehemaligen,nicht nur die Erbauer sondern auch jene,die sich später kellnernd, schauspielernd,planend und sonst wie nützlich machten.Sie kommen aus aller Herren (Bundes-)Länder und atmen mb.

10 Jahre: Das Unternehmen

Nach der Wende löste natürlich auch dasrustikale historische Gemäuer Begehrlich-keiten diverser Investoren aus. Hinzu kam,dass die Uni, bislang Träger der Moritz-bastei, nach dem Hochschulgesetz keinekulturellen Einrichtungen mehr finanzie-ren durfte. Ein Geniestreich rettete denClub: Die Universität stellte aus eigenenGeldern 50000 Mark für eine Stiftung zurVerfügung. Diese wiederum schuf eineGmbH, die nun seit 1993 das Zepterschwingt. Deren Geschäftsführer ist seitAnfang 2003 Mario Wolf, 37, Historikerund schon im Studium als Kellner im mb-Team. Seine Ambitionen: „Wir müssenbeides sein – ein eiskalt durchkalkuliertesUnternehmen und ein Stück wärmendesZuhause für alle, die hier arbeiten und ein-kehren. Und wir müssen Denkmalpflegersein; jeder Cent Gewinn fließt sofort in dieErhaltung des Gebäudes.“ Ein Blick an dieGewölbedecke illustriert, was er meint:feuchte Muster „zieren“ den Stein. Dass esihn reizt, hier und da mal nachzugraben, obsich hinter dieser oder jener Mauer nichtdoch noch ein Raum versteckt, ist ver-ständlich. Aber den Luxus weiterer Gra-bungen, die Teile der Gastronomie lahmlegen würden, kann er sich jetzt nicht gön-nen.Ist es nun wirklich der größte Studenten-club Europas, wie gelegentlich geworbenwurde? „Man kann das zumindest nichtwiederlegen“, gibt sich der Chef diploma-tisch. „Nimmt man das Fassungsvermögenals Kriterium – wir bekommen 1000 Men-schen unter – findet sich so leicht nichtsVergleichbares. Und die jährlichen Gäste-zahlen – 2002 waren es über 300 000, etwadie Hälfte als Veranstaltungsbesucher –muss uns auch erst mal jemand nachma-chen.“ Aber ganz offiziell ist man ja keinreiner Studentenklub mehr, sondern Kul-turstätte. Kabarett, Konzerte, Ausstellun-gen, Theateraufführungen, Lesungen undDisco – alles findet seine Bühne. Im CaféBarbakane ist Deutschlands dienstältesteständige Comic- und Karikaturausstellungansässig.

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1973 seinen ratlosen Kommilitonen denentscheidenden Tipp für die Suche nachRäumlichkeiten für einem Studenten-Clubgegeben habe. Und andere meinen genauzu wissen, dass die Gewölbe den Stadtpla-nern wohl bekannt und längst als Gaststätteverbucht waren. Jeder interpretiert dieWiedergeburt, wie es ihm in die Perspek-tive passt: Trotz oder wegen der Weltfest-spiele, des internationalen Jungendtref-fens, in Berlin; gegen oder für das Wohl-wollen der Parteioberen; geduldeter, halb-legaler Schwarzbau oder gehätscheltesJugendobjekt. Vermutlich lag die Wahrheitwie immer irgendwo in der unbeleuchtetenMitte, eben dort, wo die Legenden gedei-hen. Es weiß auch keiner so ganz genau,wie viele Kubikmeter Schutt wirklich ausden Gewölben geholt wurde, wie viel Gelddas Ganze gekostet hat, und auch nicht, objede eingesetzte Maschine und jeder ver-baute Sack Zement ursprünglich tatsäch-lich für die Moritzbastei gedacht war. Esgab Material-Engpässe; aber es gab auchNachbarbaustellen und wortgewandte Stu-dentinnen. Fest steht: 1973 begannen die Planungen,1974 die ersten Bauarbeiten, 1979 war derOberkeller fertig, 1982 die gesamte Anlage.Das Ganze lief zwar nicht ohne die üblichenoffiziellen Rituale, aber mit einer durchausunüblichen Begeisterung. Rund 50 000 Stu-denten packten zu, manche wegen der „Er-bauerkarte“, die freien Einlass zu Veranstal-tungen gewährte, manche aus Pflichtbe-wusstsein und weil es die Mehrheit tat, undnicht wenige, weil sie das Projekt schlicht-weg toll fanden. Da das Endziel beim Frei-legen einer jahrhundertealten Befesti-gungsanlage eher unscharf auszumachenwar, schien die etappenweise Bewegungumso wichtiger. Jedes freigelegte Gewölbe

wurde gründlich eingeweiht. Dann wühlteman sich in das nächste. Kunz erinnert sich: „Als wir die erstenRäume im Oberkeller fertig hatten, kammal der Minister für Hoch- und Fachschul-wesen, war begeistert, ‚spendierte‘ 400000Mark und sagte, damit müssten wir dasDing nun aber richtig fertig bauen. Aber jeweiter wir uns vorkämpften, desto mehrArbeit tat sich auf. Es bedurfte dann nocheiniger Millionen.“Die, die wirklich mitgezogen haben, weh-ren sich noch heute dagegen, dass dieErschließung „ihrer“ mb mitunter als FDJ-Zwangsarbeit in die Chronik geschriebenwird. „Wer jetzt nur mal ein Bierchen trin-ken kommt, kann sich überhaupt nicht vor-stellen, was damals hier los war“, erinnernsich Bärbel und Wolfgang Gühne. „Plötz-lich ist beim Graben einer in die Tiefe ge-rutscht. Damit wusste jeder, dass es denUnterkeller wirklich gibt. Den auch freizu-legen war ursprünglich nicht geplant, aberwir haben uns nicht davon abhalten las-sen.“ Und nicht ohne Stolz packen sie ihre„Erbauerkarte“ auf den Tisch, die nochheute gilt. „Neue am Einlass guckenmanchmal etwas verdutzt, aber ein paarWorte genügen, und sie wissen, dass wir

Das zweite Leben der Moritzbastei beginnt: Bauarbeiten in den 1970er Jahren.Foto: Universitätsarchiv Leipzig

Moritzbastei-Geschäftsführer MarioWolf. Foto: Volkmar Heinz

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Längst haben auch Leipziger Unternehmendas alte Gemäuer als durchaus repräsenta-tive Location für außergewöhnliche Veran-staltungen entdeckt. Manchmal mieten siegleich das ganze Objekt. Dass an solchenAbenden die Studenten anderswo ihr Biertrinken müssen, mag die Abgewiesenen amEinlass vielleicht zum Knurren bringen –doch ansonsten würden die Preise fürKüche und Kultur hier unten wohl andersaussehen. Aber die geschlossenen Veranstaltungen inallen Räumen bleiben die absolute Aus-nahme. Eigentlich findet sich immer einPlätzchen in der mb. Lange her die Zeiten,in denen ein Platz in der Tiefe einem Lotto-gewinn gleichkam. Und man muss auchkeinen mehr kennen, der jemanden kennt.Und Student muss man auch nicht mehrsein, um in Leipzigs Unterwelt ein Bier zuStudentenpreisen zu genießen.

Geöffnet: täglich ab 10 Uhr bis open endInfos: Universitätsstraße 9, 04109 LeipzigTel.: 0341/702590, Fax: 0341/7025959www.moritzbastei.de

Festwoche 450 Jahre Moritzbasteivom 16. bis 22. Juni 2003 Veranstaltungs-Highlights:Montag, 16. 06.: „Abend der Alten Musik mitdem MDR Klangkörper“, davor großesMittelalterspektakel Do., 19. 06.: „Künstlerball“ (Große Geburts-tagsparty gemeinsam mit Künstlern, Freunden,Partnern und Kritikern der mb, zu der jeder-mann eingeladen ist)

Oben:Ein Geist im „Oberkeller“? Wohl eher ein Beweisfoto für die Atmosphäre, die in derMoritzbastei herrscht.

Mitte:Das „Café Barbakane“ ist einer der beliebtesten Treffpunkte der Leipziger Studiosi.

Unten:Die „Veranstaltungstonne“ – in Erwartung eines Konzerts. Fotos: Detlev Endruhn

Liebe Leser,das nächste Uni-Journalerscheint Mitte Oktober.

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Titel-H_05 15.10.2003 7:53 Uhr Seite 1

Probedruck

C M Y CM MY CY CMY K

Oktober 2003 Heft 5/2003 ISSN 0947-1049

Selbst ist die Fotografin:Studentin gewinnt Wettbewerb

Historiker rezensiert neues Buch„Alma mater Lipsiensis“

Juniorprofessor – und dann?Versuch einer Zustandsanalyse

Zwischen Bologna und Lissabon:Die Internationalisierung der Forschung

Vom Landarzt zur Leitfigur:Karl Sudhoffs 150. Geburtstag steht bevor

Interview mit Kanzler Peter Gutjahr-Löser:„Eine der reichsten Universitäten“

Olympiabewerbung

Die Universität sprintet mit

journal

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UniVersum„Das Sonntagsgespräch“

Neues interdisziplinäres Forum /Studium universaleDrei Kandidaten bei RektorwahlEin Stein für JapanJuniorprofessoren: Gegenwart und Zukunft

GremienSenatssitzungen Juni bis September

ForschungDie Uni zwischen Bologna und LissabonZentrum für klinische Forschung erfolgreich

UniCentralInterview mit dem OlympiabeauftragtenBereit für die ParalympicsSport im Uni-VereinZehn Jahre Zentrum für HochschulsportDer sportliche Weg zum Sportstudium: Interview zu Eignungsprüfungen„Hart, aber fair“ – ein Erfahrungsbericht

Fakultäten und InstituteNachrichtenVeterinär-Physiologisches Institut renoviert

StudiosiNeue Medizin-StudienordnungNeues bei schulpraktischen StudienLeipzigerin gewinnt Foto-WettbewerbNeues StuRa-Triumvirat

PersonaliaNeu berufen„Beton-Papst“ König ist EhrenbürgerDrei 65. GeburtstageWie der Vater so der Sohn: F. W. Oeken 80Geburtstage / Kurz gefasstZum 150. Geburtstag von Karl SudhoffZum 150. Geburtstag von Wilhelm OstwaldNachrufe

Jubiläum 2009Neuerscheinungen: „Alma mater Lipsiensis“/„Moritzbastei Leipzig“ / „De artes chemiae“Interview mit Kanzler Peter Gutjahr-Löserzum Körperschaftsvermögen

Habilitationen und PromotionenAm RandeNomenImpressum

Titelbild: Oliver Weiss

EDITORIAL

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Daumendrückenfür Olympia

Inhalt

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Der Sport lebt von Überraschungen, und jetzt hoffen wir, dassdies auch für die Bewerbung um die Austragung des größ-ten sportlichen Ereignisses, die Olympischen Spiele, gilt.Nachdem Leipzig überraschend deutsche Metropolen wieHamburg, Frankfurt, Düsseldorf oder Stuttgart hinter sich ge-lassen hat, müssen jetzt Weltstädte wie New York, Paris oderMoskau bezwungen werden. Für die Universität Leipzig kannich sagen: Sie wird es nicht nur beim Daumendrücken be-lassen.Der erste Gesichtspunkt dabei ist, dass die Universität durchihre Sportwissenschaftliche Fakultät gewissermaßen fachlichangesprochen ist. Und da die Fakultät in der Nachfolge der

Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK)steht, gehört auch die bedeutende Geschichtedieser 1950 gegründeten Kaderschmiede desDDR-Sports zum von uns zu verwaltenden Erbe.Welches Potential darin steckt, zeigte jüngst einAbsolvententreffen aus Anlass des vor 50 Jah-ren gegründeten Fernstudiums an der DHfK. Zuden über 4000 Absolventen dieser Einrichtungzählten sportliche Berühmtheiten wie der Seg-ler Jochen Schümann, die EiskunstlauftrainerinJutta Müller, der Marathon-Olympiasieger Wal-

demar Cierpinski, Box-Weltmeister Henry Maske oder Ski-sprungtrainer Reinhard Heß. Olympiabewerber Leipzig alsStudienort dieser weltbekannten Sportler und Trainer kann mitihnen sicher punkten.Und es freut mich, feststellen zu können, dass ein Studium derSportwissenschaft in Leipzig auch heute hoch im Kurs steht.Allein in diesem Sommer haben sich rund 800 Interessentenan der Fakultät um einen Studienplatz beworben. Fortgeführtwird auch die Tradition der internationalen Trainerausbil-dung, bei der pro Jahr etwa 100 Studenten, vornehmlich aus Ländern der Dritten Welt, mit neuesten Erkenntnissen derSportwissenschaft auf die Aufgaben in ihren Ländern vor-bereitet werden. Und in einem weiteren Punkt ist das DHfK-Erbe auch Verpflichtung für die heutigen Sportwissenschaft-ler. Ich meine jene Reihe von Lehrbüchern mit Klassikerstatusvon Autoren wie Tittel, Meinel, Schnabel, Hochmuth oderHarre, die den Weltruf ganz wesentlich mit begründet ha-ben.Um den Stellenwert deutlich zu machen, den die Universitätdieser wohlverstandenen Traditionspflege beimisst, habe ichden langjährigen Dekan der Sportwissenschaftlichen Fakul-tät und letzten Rektor der DHfK, der also in seiner Person Kon-tinuität, Aufarbeitung und Neuanfang verkörpert, zum Olym-piabeauftragten der Universität bestellt. Wenn sich die Sport-wissenschaftliche Fakultät in ihrer Größe freilich nicht mit deralten Sporthochschule vergleichen kann, so wird dies dochkompensiert durch die Einbettung in eine leistungsfähige, mitgroßer Fächervielfalt ausgestattete Universität, die den sport-wissenschaftlichen Fächern zahlreiche Anknüpfungspunkteund Kooperationsmöglichkeiten eröffnet. �

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Eröffnungsveranstaltung

Das erste „Sonntagsgespräch“ findet am19. Oktober von 11 bis 12:45 Uhr im Hör-saal 19 am Augustusplatz statt. Die Ge-samtleitung hat Philosophie-ProfessorGeorg Meggle übernommen, der auch mo-derieren wird. Die Universität Leipzig hatden britisch-kanadischen Philosophen TedHonderich eingeladen, seine Thesen ausdem Buch „Nach dem Terror. Ein Traktat“öffentlich gegen seine Kritiker zu verteidi-gen – mit einem Kurzvortrag und in einersich anschließenden längeren Diskussion.Ted Honderich hat diese Herausforderungangenommen. Zur Teilnahme an der glei-chen Veranstaltung waren eingeladen:Micha Brumlik und Jürgen Habermas.Beide haben das Diskussionsangebot ab-gelehnt. Die Fragestellung der Veranstal-tung lautet: „Gibt es ein Recht auf Terro-rismus?“ G. M./r.

„Das Sonntagsgespräch“ im Internet:www.uni-leipzig.de/~sonntag/

UniVersum

2 journal

JournalMitteilungen und Berichte für die Angehörigenund Freunde der Universität Leipzig

ImpressumHerausgeber: Der RektorRedakteur: Carsten HeckmannRitterstr. 26, 04109 Leipzig,Tel. 0341/ 9 73 50 24, Fax 0341/ 9 73 50 29,E-mail : [email protected]. i. S. d. P. : Volker SchulteNamentlich gekennzeichnete Beiträge geben dieMeinung der Autoren wieder.Satz und Lithographie: DZA Satz und BildGmbH, AltenburgDruck und Binden: Druckerei zu AltenburgGmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 AltenburgAnzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Tel. 03447/5550Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbHAugustusplatz 10/11, 04109 LeipzigTel./Fax: 0341/9900440Einzelheft : 1,50 eJahresabonnement (sieben Hefte) : 13,– e

In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Siesich bitte an die Redaktion, in Fragen, die denVertrieb betreffen, an den Verlag.Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Beleg-exemplare erbeten.Redaktionsschluss: 30. 9. 2003ISSN 0947-1049

Wozu sind Universitäten überhaupt da? ZurOptimierung von Forschung und wissen-schaftlicher Lehre – und je stärker beideverbunden sind, desto besser. Diese Auffas-sung ist richtig. Aber das ist nicht alles. Min-destens ebenso wichtig ist: Universitätensind kein Ort für Denkverbote, weder für ex-plizite noch für die durch die Schere im ei-genen Kopf. Im Gegenteil: Sie sind der Ort,für den – im jeweiligen Rationalitätsrahmender verschiedenen Disziplinen – das offene,meinungsfreiheitliche und furchtlose soli-täre und gemeinsame Nachdenken grund-rechtlich zugesichert ist. Die Universitätbildet nicht nur Fach-Experten aus; sie er-zieht auch zum öffentlichen Gebrauch vonVernunft. Das ist keine freiwillige Luxus-leistung von Seiten der Universität; es istnach dem Gesetz deren Pflicht.Dieser zweite Gesetzes-Auftrag kommt anden meisten Universitäten zu kurz. Ihmnachzukommen, erfordert bei den gegen-wartsbezogenen und zukunftsrelevantenProblemen, je größer diese werden, ent-sprechend zunehmend Mut. Die Univer-sität Leipzig nimmt diese Herausforderungan. Sie erweitert ihr bisheriges Veranstal-tungs-Repertoire um „Das Sonntagsge-spräch“, ein Gespräch mit der Universität.Auf die Fragen und Beiträge von Nicht-Wissenschaftlern antwortet die Universitätmit der ihr eigenen Stimme. Die Wissen-schaftler werden sich um größtmöglicheEinfachheit und Klarheit bemühen; aberihre Stimme werden sie nicht verstellen.Die neue Veranstaltungsform wendet sichan alle, die Lust auf anspruchsvolle intel-lektuelle Auseinandersetzungen haben,Freude am sachlichen Streit. Es soll einGespräch mit Gelassenheit, Ruhe und Zeitsein, geführt zwischen wenigen Sprechernund nie aus dem Stand heraus, sondern ein-geleitet durch Referate bzw. kurze State-ments. „Das Sonntagsgespräch“ soll inmöglichst enger Kooperation mit anderenTrägern organisiert werden. Ein entspre-chender Beirat wird im Laufe des Winter-semesters gebildet. Die Runde wird pro Se-mester während der Vorlesungszeit minde-stens dreimal stattfinden. Verantwortlichfür „Das Sonntagsgespräch“ ist das Pro-rektorat für Lehre und Studium der Uni-versität Leipzig.

Ein zweiter Punkt liegt in der Natur derSache selbst. Wie Olympia die Sport-jugend der Welt ruft, ihre Kräfte zu mes-sen, so ist die Wissenschaft und die Uni-versität von ihrem Grundverständnis hergrenzüberschreitend und internationalausgerichtet. Wenn die Universität Leip-zig gegenwärtig rund 2800 ausländi-sche Studierende aus über 130 Ländernbeherbergt, so ist das – in aller Be-scheidenheit – eine kleine Olympiade inPermanenz.An dieser Stelle möchte ich daran erin-nern, dass der olympische Gedankesich ja nicht allein in sportlicher Höchst-leistung erschöpft. Es ist auch eineFrage des Aufgehens des Einzelnen inder Gemeinschaft. An der Universität istdas die akademische Gemeinschaft derLehrenden und Lernenden, und die Ein-übung darin verlangt Tugenden, die je-nen in der olympischen Arena gefor-derten nicht unähnlich sind: Fairness,Chancengleichheit, Teamgeist, Willens-stärke. Wenn man ein Forschungslabor,einen Seminar- oder Prüfungsraum be-tritt, kann man spüren, dass das olym-pische Schneller-Höher-Weiter und derwissenschaftliche Ehrgeiz Brüder imGeiste sind.Ein Drittes bezieht sich auf den Ort.Dass die Stadt Leipzig durch ihre Olym-piabewerbung in ihrem internationalenBekanntheitsgrad wächst, ist eine er-freuliche Tatsache, die auch der Uni-versität zugute kommt. Wir wissen heuteschon, dass die Anziehungskraft derUniversität auf Studierwillige – immer-hin hat sich die Studentenzahl in denletzten zehn Jahren mehr als verdoppelt– auch der Attraktivität der Stadt ge-schuldet ist.Andererseits nutzt auch die Universitätihre internationalen Kontakte, um dasInteresse im Ausland an der LeipzigerBewerbung zu mehren. So bestätigt sichganz aktuell unter dem Zeichen der fünfolympischen Ringe, was vor fast 100Jahren der Leipziger Oberbürgermeis-ter Rudolf Dittrich zum Fest des 500-jäh-rigen Bestehens der Alma mater Lip-siensis zum Ausdruck gebracht hat, alser sagte: Die Universität fühlt sich wohlin ihrem Leipzig, und Leipzig ist stolzauf seine Universität, beide erkennenund genießen dankbar die Förderung,die sie einander gewähren.

Prof. Dr. Franz HäuserRektor

Einladung zum„Sonntagsgespräch“

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Die Frage nach Gott ist eines der großenProbleme des Denkens und Glaubens. DerBegriff ist theologisch, aber er hat aucheine philosophische und letztlich auch na-turwissenschaftliche Dimension. Entspre-chend sind die Vorstellungen in der Ver-gangenheit gewesen, und sie erscheinen soin der Gegenwart. Die griechische Antike wies Gott als demersten Beweger, der als erste Ursache selbstunbewegt bleiben musste, einen Ort amRandes des Kosmos zu, der – ähnlich wiedas Begriffspaar „bewegt-unbewegt“ – insich paradox war: nämlich außerhalb derhimmlischen Sphären des Universums,aber doch mit Einfluss auf die Bewegungder Sterne. Diesem Gott „in der Höhe“ derHimmelsphären stellte Descartes die un-körperliche Seele des Menschen gegen-über, und dort, wo der Mensch organischunpaarig ist, nämlich in der Zirbeldrüse desHirns, wirkte nun ein „Gott in der Tiefe“ –eine Vorstellung, die für den modernenTheologen Tillich ein überzeugenderesBild als das der Höhe bereitstellte. Leibnizwiederum sah alles durch den Schöpfervorherbestimmt, eine prästabilierte Har-monie ließ die Welt in geplanter Weise wieein aufgezogenes Uhrwerk ablaufen, undder Uhrmacher selbst brauchte in seinemWerk nicht mehr zu erscheinen. Pascalandererseits machte das philosophischeElend des Menschen in dessen Unvermö-gen aus, keinen der beiden möglichen OrteGottes erfassen zu können: weder die un-endliche Weite des Alls (Makrokosmos)noch die beständig zurückweichende Tiefedes Mikrokosmos; sondern er müsse in Ver-zweiflung zwischen beiden verharren.mIst vielleicht die Gottesfrage nur eine Illu-sion, die durch unser Denken unterstelltwird? Gibt es einen Gott außerhalb unsererVorstellungen, oder ist alles nur eine Leis-tung unseres Gehirns? Für den Mathemati-ker Leonhard Euler war es im 18. Jahrhun-dert ein „großes Mysterium“, wie Körperund Seele verbunden sind. AmerikanischeHirnforscher, Neurologen und Radiologenwie Newberg, D’Aquili, Ramachandranu.a. geben neuerdings an, eine neuronaleBasis für religiöse Erfahrungen lokalisiert

zu haben. Sie glauben, mit neuronalen Ver-schaltungen und biochemischen Prozessendas erklären zu können, was Gläubige alstranszendente Realität oder als WirkenGottes beschreiben. Ihre Untersuchungenhaben inzwischen unter dem Schlagwort„Neurotheologie“ internationale Aufmerk-samkeit erlangt. Dieser Problematik gehtdie neue Ringvorlesung „Gott im Gehirn“nach, in der die Fragen aus verschiedenenGesichtspunkten der Naturwissenschaften,der Philosophie und der Theologie erörtertund beleuchtet werden. Die Ringvorlesung ist die erste öffentlicheAktivität des neu gegründeten „LeipzigerForums Naturwissenschaft-Philosophie-Theologie“. Ziel dieses Forums ist die För-derung eines interdisziplinären Dialogszwischen Geistes- und Naturwissenschaf-ten über Religion und die Erscheinungs-weisen und Begründungsformen religiösenGlaubens. Leitgedanke des Leipziger Fo-rums ist, dass erst ein erweiterter Blickeinzelwissenschaftlicher Forschungen aufErgebnisse und Paradigmen unterschied-licher empirischer und nichtempirischerWissenschaften ein tieferes Verständnisvon Religion ermöglicht.Die Gründungsmitglieder des Forums sindDr. Matthias Albani (Institut für Alttesta-mentliche Wissenschaft), Prof. Dr. AnnetteG. Beck-Sickinger (Direktorin des Institutsfür Biochemie), Christoph Jäger (Institutfür Philosophie), Prof. Dr. Konrad Kreher(Prof. em. für Physik), Prof. Dr. DietmarMathias (Institut für AlttestamentlicheTheologie), Prof. Dr. Martin Petzoldt(Institut für Systematische Theologie) undDr. Rüdiger Thiele (Sudhoff-Institut fürGeschichte der Medizin und Naturwissen-schaften). R. T.

Den ersten Vortrag im Rahmen der Ring-vorlesung hält Dr. Dr. Nina Azari vomHeyendaal Institute, Nijmegen, zum Thema„God in Brain? Neurotheology and thePhenomenology of Religious Experience“.Die Veranstaltung findet am 23. 10. um18:30 Uhr im Neuen Senatssaal, Ritter-str. 26, statt. Die weiteren Veranstaltungenfolgen im vierzehntägigen Rhythmus.

Studium universale

Mit Mannund MausIm Wintersemester 2003/2004 widmet sichdas Studium universale den Menschen undden Tieren unter verschiedensten Blick-winkeln. Im Laufe der Anthropogenese,der Abtrennung des Menschen vom Natur-und insbesondere Tierreich, hat das Tierimmer eine besondere Bedeutung für dieSelbstdefinition des Menschen gehabt. Re-ligionen und Mythologien, aber auch dieWissenschaften beschäftigen sich mit demTier als einer zentralen Antwort auf dieFrage nach der Stellung des Menschen aufder Erde. Im Studium universale erwartenden interessierten Zuhörer unter anderemAusführungen zu den Lebensgemeinschaf-ten von Mensch und Tier und zu imaginä-ren Tierwelten sowie eine literarische Ka-rawane von Kamelen, Pferden, Straußenund Elefanten. In der ersten Veranstaltungspricht Prof. Dr. Ortrun Riha am 5. No-vember um 18:45 Uhr im Hörsaal 22 amAugustusplatz über „Tiere als Heilmittel“.

Nähere Informationen im Internetunter: www.uni-leipzig.de/~univers/

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UniVersum

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Gott im Gehirn?Neues interdisziplinäres Forumstartet mit Ringvorlesung

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Der Senat der Universität Leipzig hat auf seiner Sitzung am 9. September die beim Wahl-leiter eingegangenen drei Kandidatenvorschläge für die Wahl des Rektors für die nächste Amtszeit (2. 12. 2003 bis 1. 12. 2006) bestätigt. Die Wahl des Rektors undder von ihm vorgeschlagenen Prorektoren durch das Konzil findet am 5. November 2003statt; auf einer Sondersitzung des Konzils am 22. Oktober 2003 werden sich die Kandi-daten vorstellen. Es handelt sich um:

Prof. Dr. Franz Häuser,Professor für Bürgerliches Recht, ist gegenwärtig Rektor der Uni-versität Leipzig. Er war nach dem Rücktritt von Prof. Dr. VolkerBigl am 23. April 2003 vom Konzil für den verbleibenden Zei-traum bis 1. Dezember 2003 zum Rektor gewählt worden. Vorherhat er als Prorektor für strukturelle Entwicklung (2002/2003), alsProdekan (1997/2000) und als Dekan (2000/2002) der Juristen-fakultät gewirkt. Seit Beginn des Wintersemesters 1992 ist er alsUniversitätsprofessor an der Juristenfakultät der Universität Leip-zig tätig. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen auf dem Bank- undKapitalmarktrecht. Geboren wurde Franz Häuser am 14. 8. 1945in Limburg an der Lahn.

Prof. Dr. Erwin Tschirner,Professor für Deutsch als Fremdsprache, ist gegenwärtig Prode-kan der Philologischen Fakultät. Er wurde 1998 an die UniversitätLeipzig berufen und ist am Herder-Institut als Professor fürDeutsch als Fremdsprache mit Schwerpunkt Grammatik und An-gewandte Linguistik tätig. Er studierte Romanistik und Anglistikan der Universität Regensburg, anschließend Germanistik an derUniversity of Colorado, Boulder, USA. Es folgte ein Promotions-studium Germanistische Sprachwissenschaft an der University ofCalifornia, Berkeley, wo er auch 1988 promovierte. 1990–98 warer Assistant und Associate Professor of German an der Universityof Iowa, USA, sowie Vertretungsprofessor und Gastprofessor aneiner Reihe deutscher Universitäten. Seine Arbeitsschwerpunktesind Zweitsprachenerwerb, Leistungsmessung und -evaluationsowie Neue Medien. Erwin Tschirner wurde am 24. 10. 1956 inRegensburg geboren.

Prof. Dr. Dr. Günther Wartenberg,Professor für Kirchengeschichte, ist gegenwärtig (seit dem Jahr2000) Dekan der Theologischen Fakultät. Von 1990 bis 1997 hater als Prorektor für Lehre und Studium gewirkt. Als erster freige-wählter Dekan der Theologischen Fakultät nach dem politischenUmbruch (1989) war er 1990 vom Minister für Bildung mit denMedizinern G. Geiler und G. Leutert als Mitglied eines Rektoratsad interim eingesetzt worden. Seine Hauptforschungsgebiete be-treffen die deutsche und sächsische Reformationsgeschichtesowie die Geschichte der Universität Leipzig und die sächsischeKirchen- und Landesgeschichte. Günther Wartenberg wurde am17. 5. 1943 in Nordhausen geboren.

Ein Steinfür JapanMuseum erhält„Souvenir“ ausKlinikwand

Der Rentaro-Taki-Verein in Leipzigwandte sich mit einer außerordentlichenBitte an die Universität Leipzig: Für dasRentaro-Taki-Museum in Japan wollteman einen Stein aus einem Gebäude desUniversitätsklinikums, das zuletzt für dieNeurochirurgie genutzt wurde und in demRentaro Taki während seines Musik-Stu-diums in Leipzig seinerzeit behandeltwurde.Rentaro Taki gilt als einer der bekanntestenKomponisten Japans, der am Konservato-rium 1901/02 in Leipzig studierte und 1903– kurz nach seiner Rückkehr nach Japan –im Alter von nur 24 Jahren an Tuberkuloseverstarb. Trotz seiner kurzen Schaffenszeitstammen zahlreiche Lieder von ihm, die inJapan in aller Munde sind. Der RentakoTaki e.V. in Leipzig hat es sich zum Ziel ge-setzt, eine Oper über das Leben des wohlbekanntesten japanischen Komponisten inLeipzig zur Aufführung zu bringen und einRentaro-Taki-Denkmal in Leipzig zu er-richten, was kürzlich erfolgt ist.

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Wer wird der nächste Rektor?

Drei Kandidatenstehen zur Wahl

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Anlässlich der Denkmalsenthüllung warFrau Prof. Kocho, Operndirektorin ausOita, anwesend, die sich der Pflege desErbes von Rentaro Taki angenommen hat.Sie bat zuvor den Vereinsvorsitzenden Dr.Hans-Albrecht Gitt um die Beschaffungeines Steines aus dem Gebäude der ehe-maligen Neurochirurgie in der Johannis-allee 34, ein Anliegen, das für die europä-ische Denkweise etwas ungewöhnlich ist.Der Wunsch wurde über den Rektor Prof.Franz Häuser an den Dekan der Medizini-schen Fakultät, Prof. Wieland Kiess, her-angetragen und durch den Verwaltungs-leiter der Medizinischen Fakultät, Prof. Dr.Wulfdieter Schöpp, in die Tat umgesetzt.Der aus dem Gebäude entnommene Steinwurde an den Vereinsvorsitzenden und vonihm an Prof. Kocho übergeben. r.

Das Gebäude der ehemaligen Neuro-chirurgie (unten), dem jetzt ein Steinfehlt (siehe Pfeil).

Fotos: ZFF

Am Donnerstag, 3. Juli, um 9:23 Uhr über-querte sie den nördlichen Polarkreis – dieJuni-Ausgabe des Uni-Journals ist weit ge-reist. Rudolf Scheffler nahm sie mit auf dieMS Finnmarken. Der Diplom-Philosophund seine Frau Doris machten nach eige-nen Worten „die Reise unseres Lebens“:Kiel, Oslo, Bergen, von dort mit demSchiff bis Kirkenes (Barentsee) und wiederzurück, insgesamt über 7000 Kilometer.„Die Eindrücke gingen unter die Haut“, be-richtete Scheffler. Sie sind festgehalten auf

275 Bildern, zwei davon sind hier zu sehen.Auf dem großen Foto erkennt man die In-sel Vikingen, auf die ein Globus als Polar-kreis-Monument gesetzt wurde, im Vorder-grund das Journal. Das kleine Foto zeigtRudolf Scheffler selbst. „Ich lese das Jour-nal immer, ohne die Zeitschrift würde miretwas fehlen“, sagt der 68-Jährige, der von1984 bis 1989 an der Universität Leipziggearbeitet hat, beim Kreisvorstand der Ge-werkschaft Wissenschaft und in einer For-schergruppe für philosophische Fragen.

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UniVersum

Der Polarkreis also. Wer hätte ge-dacht, dass es das Journal einmal soweit bringt. Nun gut, auch Garten-zwerge haben schon Weltreisen unter-nommen und sich vor der Towerbridgeoder der Akropolis fotografieren las-sen (dokumentiert im Kinofilm „Die fa-belhafte Welt der Amélie“). Aber derPolarkreis! Und das Nordkap! (Leidernicht im Bild festgehalten.)Das ist schwer zu toppen. Auch vomJournal selbst. Allenfalls ReinholdMessner könnte ein noch ruhmreiche-res Zeichen setzen, mit einer Ausgabein der Hand auf dem Nanga Parbat.Oder Michael Schumacher, Journal-lesend bei voller Fahrt in seinem Fer-rari.Aber halt: Die haben ja weder an derUni Leipzig studiert noch gearbeitet

Das Journalam Polarkreis

oder sind wenigstens von ihr geehrtworden. Es müsste also in eine ganzandere Richtung gedacht werden ... Da-mit kein Missverständnis aufkommt: Hiersoll nicht Prof. Morawetz aufgefordertwerden, sich mit dem Journal in einerbrasilianischen Baumkrone fotografie-ren zu lassen. Auch macht es wenigSinn, Hans-Dietrich Genscher mit Eh-rendoktorurkunde in der einen und Uni-Zeitschrift in der anderen Hand vor diedeutsche Botschaft in Prag stellen zuwollen. Jedoch sind Höchstleistungen ebendazu angetan, überboten zu werden.Irgendwann. Wenn erst mal ein jedervon uns sein Journal mit in den Urlaubnimmt... Und wenn dann der Weltraum-Tourismus seine Blütezeit erlebt...

Carsten Heckmann

Am Rande

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Das BMBF hat im Juli 2003 eine sehr er-freuliche Bilanz über die Einführung derersten Juniorprofessuren gezogen. So äu-ßerte Bundesministerin Bulmahn, dass bis-lang rund 800 Stellen für Nachwuchswis-senschaftler an insgesamt 54 Hochschulenbewilligt worden seien. Im Rahmen desFörderprogramms stellt das BMBF biszum Jahr 2006 insgesamt 180 MillionenEuro für die Erstausstattung von bis zu3000 Juniorprofessuren zur Verfügung.Ministerin Bulmahn: „Die Hochschulen inDeutschland stehen in einem harten Wett-bewerb um junge Spitzenkräfte. Deshalbkann es sich keine Hochschule auf Dauererlauben, den Wunsch des wissenschaft-lichen Nachwuchses nach früherer Eigen-verantwortung zu ignorieren.“ Angelegtsind die Juniorprofessuren auf sechs Jahre,vorbehaltlich einer positiven Zwischeneva-luation nach den ersten drei Jahren. Auch die Universität Leipzig hat sich er-folgreich am Programm des BMBF zurVorgriffsförderung von Juniorprofessurenbeteiligt. Bisher wurden acht dieser künfti-gen Juniorprofessuren seit Dezember 2002eingestellt, weitere sechs Stellen sollennoch 2003 besetzt werden. Für das Jahr2004 sind schon jetzt zwei künftige Ju-niorprofessuren geplant, weitere werdenim Augenblick von den Fakultäten vorbe-reitet. Neue Stellen konnten dafür nicht geschaf-fen werden. Geeignete vorhandene Stellenstammen in der Regel entweder aus Beru-fungszusagen von Hochschullehrern, diedamit darauf verzichten, oder sie werdenvon außeruniversitären Forschungseinrich-tungen, mit denen dann gemeinsameBesetzungs-/Berufungsverfahren durchge-führt werden, eingebracht (Institut für Tro-posphärenforschung, Institut für Länder-kunde, Umweltforschungszentrum Leip-zig-Halle GmbH, Gesellschaft für Mate-rialforschung und Prüfungsanstalt für dasBauwesen Leipzig mbH, Herzzentrum).Ursprünglich waren von der UniversitätLeipzig mehr Juniorprofessuren geplant.Während es in einigen Disziplinen, be-sonders in der Mathematik und Informatik,

eine Vielzahl von Bewerbungen gab, man-gelte es allerdings in einigen wenigen Fäl-len an geeigneten Kandidaten.Die Juniorprofessuren sind nicht unum-stritten. Die Freistaaten Sachsen, Thürin-gen und Bayern haben beim Bundesver-fassungsgericht Klage gegen die Novelledes Hochschulrahmengesetzes eingereicht.Dessen Umsetzung in Landesrecht steht inden meisten Bundesländern, so auch inSachsen, noch aus. Folglich dürfen sich diepotentiellen Juniorprofessoren hier nochnicht so nennen. Sie heißen wissenschaft-liche Mitarbeiter und werden auch entspre-chend den derzeit geltenden gesetzlichenRegelungen so behandelt. Wenn zum Bei-spiel einem wissenschaftlichen Mitarbeiternach Sächsischem Hochschulgesetz undden einschlägigen Promotions- und Prü-fungsordnungen ein entsprechendes Prü-fungsrecht und ein Recht zur Betreuungvon Dissertationen nicht zusteht, kanndaran auch die Einstellung als „Vorgriffs-Juniorprofessor“ nichts ändern. Hier gibtes im Augenblick nur eine Einzelfall-Lösung nach Paragraph 2, Absatz 6 derSächsischen Dienstaufgabenverordnung anHochschulen vom 25. 02. 2003 (DA-VOHS):„In begründeten Fällen kann einem wis-senschaftlichen oder künstlerischen Mitar-beiter auch die selbständige Wahrnehmungvon Aufgaben in Forschung und Lehreübertragen werden (§ 50 Abs. 1 Satz 3SächsHG). Voraussetzung hierfür ist, dassder Mitarbeiter habilitiert ist, überdurch-schnittlich promoviert hat oder über be-sondere Fachkenntnisse verfügt und nachdem Urteil des Fakultätsrates oder desFachbereichsrates ein Bedarf besteht. Die-ser Bedarf ist jeweils für einen bestimmtenZeitraum festzustellen.“Wenn die Promotionsordnung ausführt,dass der Betreuer Hochschullehrer der Fa-kultät sein muss, kann der „Vorgriffs-Ju-niorprofessor“ nicht als Betreuer einge-setzt werden. Abhilfe könnte hier nur eineÄnderung der jeweiligen Prüfungsordnungund Promotionsordnung im Rahmen derVorgaben des Sächsischen Hochschulge-

setzes schaffen, das aber selbst auf Ände-rung harrt. Völlig ungeklärt ist im Augenblick dasProzedere der Evaluation nach drei undsechs Jahren. Hier ist die Erarbeitung einergemeinsamen Strategie der Fakultätendringend geboten, auch um den jungenWissenschaftlern das für das erfolgreicheAbsolvieren der Juniorprofessur notwen-dige Maß an Konzentration auf ihre wis-senschaftliche Arbeit zu gewähren. Sie ris-kieren ohnehin, falls die Evaluation nachden ersten drei Jahren nicht positiv ver-läuft, sich dann etwas anderes suchen zumüssen. Und selbst wenn die sechsjährigePhase der Juniorprofessur erfolgreich be-endet wird und sie ausreichend qualifiziertsind, um sich auf eine Professur bewerbenzu können, gibt es keine Garantie, dass ge-nau zu diesem Zeitpunkt hier oder an-derswo eine entsprechende Ausschreibungerfolgt. Idealerweise kann eine Juniorpro-fessur die Möglichkeit bieten, einen jungenWissenschaftler für eine in absehbarer Zeitfreie Professur zu qualifizieren, auf die ersich dann bewerben könnte. Dieser Sprungvon der Juniorprofessur zur Professursollte im Tenure-Track-Verfahren möglichsein, ist es aber im Augenblick kaum, ganzabgesehen vom dem latent anhaftendenVorwurf der „Sippenwirtschaft“.Ernüchternd ist die Bilanzierung der Ju-niorprofessuren durch die „Junge Akade-mie“. So sei eine Vielzahl der ausgeschrie-benen Stellen mangels geeigneter Kandi-daten deutschlandweit nicht besetzt. Auchsei die Möglichkeit zu unabhängiger wis-senschaftlicher Arbeit eher doch begrenzt,vor allem weil die Juniorprofessuren zu-meist an einen Lehrstuhl angebunden seien(was anhand der Stellengenese an der Uni-versität Leipzig nachvollziehbar ist). DerAufbau eigener Arbeitsgruppen gestaltetsich schwierig, weil die Juniorprofessurenüber kein eigenes Personal verfügen. Dievom BMBF bewilligte Anschubfinanzie-rung beinhaltet lediglich Sach- und Inves-titionsmittel, die zudem gleich zu Beginnausgegeben werden müssen. Auch die an-gestrebte Verringerung des Karriereweges

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Juniorprofessor – und dann?Versuch einer ZustandsanalyseVon Prof. Dr. Helmut Papp, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs

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zu einer Professur scheint kaum erreicht,beträgt doch das Anfangs-Durchschnitts-alter derzeitiger Juniorprofessuren 34Jahre. Über Alternativen zum Sprung aufeine Professur nach positiv evaluierten 6Jahren Juniorprofessur wurde bisher kaumnachgedacht. Es ist dringend erforderlich, innerhalb derUniversität Leipzig ein einheitliches, trans-parentes Evaluationsverfahren mit leis-tungsorientierten Kriterien zu entwickeln.Die Zwischenevaluation der ersten, nochim Dezember 2002 eingestellten Junior-professuren müsste Mitte 2005 beginnen.Es ist unsere Pflicht, denjenigen, die sorisikobereit waren, einen neuen Weg ein-zuschlagen, in absehbarer Zeit eine eini-germaßen verlässliche Perspektive für diedrei bzw. sechs Jahre ihrer Juniorprofessurzu bieten.

Vorgriffs-Juniorprofessoren an derUniversität Leipzig(Stand: 15. September 2003):Stellenbesetzungen 2002/2003:1. Geometrische Analysis

(Dr. Judith Brinkschulte)2. Funktionelle Neuroanatomie

(Dr. Tobias Stahl)3. Molekulare Virologie

(Dr. Reimar Johne)4. Werkstoffe im Bauwesen

(Dr. Frank Dehn), mit MFPA5. Numerik partieller Differentialgleichun-

gen (Dr. Mario Bebendorf)6. Strategische Versicherungsnetzwerke

(Dr. Thomas Köhne)7. Verkehrsgeographie

(Dr. Mario Lanzendorf), mit UFZ8. Alte Geschichte (Dr. Alexander Weiß)

Laufende Ausschreibungs- undBesetzungsverfahren:9. Entwicklungsökonomie unter besonde-

rer Berücksichtigung von Klein- undMittelunternehmen

10. Finanzmathematik und angrenzendeGebiete

11. Psychosoziale Versorgungsforschung12. Medizinische Soziologie mit dem

Schwerpunkt SoziodemographischeBevölkerungsentwicklung und Medi-zinisch-technischer Fortschritt

13. Molekulare Grundlagen der chroni-schen Herzinsuffizienz (mit Herz-zentrum)

14. Meteorologie Fernerkundungsverfahren

Bereits für 2004 geplante Juniorprofessuren:15. Nichtinvasive Bildgebung in der Kardio-

logie mit der Magnetresonanztomogra-phie (mit Herzzentrum)

16. Computational Algebra und Anwendun-gen

Die Universität Leipzig hat sich im Früh-jahr des Jahres 2002 dazu entschlossen, amFörderprogramm des BMBF für Juniorpro-fessuren (im folgenden: JP) teilzunehmenund damit neue Möglichkeiten zur Qualifi-kation für das Amt eines Universitätspro-fessors zu eröffnen. Diesen Kurs hat dieUniversitätsleitung auch gegen mancheWiderstände durchgehalten. Bis heute wur-den acht JP im Vorgriff auf neues Landes-recht berufen, verteilt auf fünf Fakultäten(siehe links). Damit ist Leipzig landesweitführend. Die Nachwuchswissenschaftlerhaben ein Berufungsverfahren mit öffent-licher Ausschreibung und externen Gutach-ten durchlaufen. Juniorprofessor nennendürfen sie sich indessen noch nicht, da sieaufgrund der fehlenden Umsetzung desHochschulrahmengesetzes (HRG) in Lan-desrecht nur als wissenschaftliche Mitar-beiter angestellt wurden.mAuf die Umsetzung in Landesrecht wirdman vermutlich bis zum Ende der gesetz-lich vorgegebenen Frist im Januar 2005warten müssen. In Dresden scheint sich imMoment jedenfalls nichts zu bewegen. Dasist teilweise durch die noch anhängigeKlage des Freistaates vor dem Bundesver-fassungsgericht begründet. Die rechtlichderzeit völlig unklare Situation ist für unsals Betroffene jedenfalls höchst unbefriedi-gend. Doch eines scheint jenseits politi-scher Kalküle und bundesgerichtlicher Ent-scheide fest zu stehen: Die Juniorprofessurwird in Zukunft bundesweit eine Möglich-keit zur Qualifikation für das Amt einesUniversitätsprofessors darstellen, unab-hängig von der noch offenen Frage, ob dieHabilitation abgeschafft wird, modifiziertwird oder erhalten bleibt. Vor diesemHintergrund ist auch die Uni Leipzig aufge-rufen, für die von ihr eingerichteten JP ver-bindliche Regelungen hinsichtlich Dienst-aufgaben, Evaluation und der Langfristig-keit der Nachwuchsförderung zu treffen.Das dringlichste Anliegen ist sicher dieRegelung der vom HRG vorgesehenenZwischenevaluation, mit der die wissen-schaftliche Arbeit der JP in Lehre und For-schung nach den ersten drei Jahren begut-achtet und über ihre Weiterbeschäftigung

entschieden werden soll. Dies gilt auch,wenn sie im Falle der landesrechtlichenUmsetzung des HRG zum Januar 2005 erstim dritten Jahr ihrer Beschäftigung offi-ziell JP sind. Die Definition von Evalua-tionskriterien liegt nach gängiger Praxis inden Händen der Universitäten. Aufgrundder knappen Zeit bis zur Zwischenevalua-tion werden die Nachwuchswissenschaft-ler nicht um Schwerpunktbildungen undPriorisierung ihrer Aktivitäten herum kom-men. Da an der Uni Leipzig die ersten Stel-len bereits Ende 2002 besetzt wurden, sinddie Betroffenen auf eine baldige Klärungder genannten Punkte angewiesen. Des weiteren eröffnet sich die Frage, wasmit den JP nach Ablauf ihrer sechsjährigenAmtszeit geschieht. Einerseits steht esihnen natürlich offen – auch bereits vor Ab-lauf –, sich an anderen Universitäten imgängigen Verfahren zu bewerben. Anderer-seits ist auch die Frage einer möglichenÜbernahme der JP zu klären. Aufgrund derSpezialisierung der JP, die schon durch dieDenominationen der jeweiligen Stellen er-sichtlich ist, wird sowohl das Profil derStelleninhaber als auch der Universitätschärfer. Die Übernahme nach Einzelfall-prüfung könnte letztlich auch aus Univer-sitätssicht attraktiv sein.Die eigentliche Nagelprobe für die Akzep-tanz der JP steht noch aus. Dies wird derFall sein, wenn die JP auch formalrechtlichin ihre Ämter eingesetzt und dem unglück-lichen Status als „Vorgriffs-JP“ entronnensind. Dann wird sich endgültig entschei-den, wie die Fakultäten und die Universi-tätsleitung der neuen Institution begegnen.Dann wird man auch die Akzeptanz vonaußen messen können. Bis dahin scheintvor allem der Kontakt mit den direktenFachvertretern am besten zu funktionieren.Abgesehen davon haben sich die JP ange-sichts einer fehlenden Interessensvertre-tung zusammengefunden, um gemeinsammit der Universitätsleitung und den Fakul-täten im Interesse aller die Klärung der ge-nannten offenen Fragen herbeizuführen.Dankenswerterweise hat die Universitäts-leitung diesbezüglich ein offenes Ohr ge-zeigt.

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Eine erste Bestandsaufnahme aus Sicht der Betroffenen

Vor der NagelprobeVon Dr. Thomas Köhne, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultätund Dr. Alexander Weiß, Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften

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1. Der Senat – erstmals unter der Leitungvon Rektor Prof. Häuser – befasste sichzunächst mit Berufungsangelegenheiten;das betraf Ausschreibung und Berufungs-kommission für „Kirchengeschichte mitSchwerpunkt Neuere und Neueste Kirchen-geschichte“ (Nachfolge Prof. Nowak) (C4),„Alttestamentliche Wissenschaft: Schwer-punkt Geschichte und ReligionsgeschichteIsraels und seine Umwelt“ (C4), „Mittel-alterliche Geschichte“ (Nachfolge Prof.Erkens) (C4), „Neuere deutsche Literaturund Literaturtheorie“ (C4), „AllgemeineSprachwissenschaft“ (Nachfolge Frau Prof.Steube) (C4), „Entwicklungspsychologie“(Nachfolge Prof. Ettrich) (C4). Weiter be-handelte der Senat den Berufungsvorschlagfür die C3-Professur „Stadtökologie“ (ge-meinsame Berufung mit dem Umweltfor-schungszentrum Leipzig-Halle). Der Senatnahm zustimmend Kenntnis von dem An-trag der Fakultät für Sozialwissenschaftenund Philosophie, PD Dr. habil. Ingolf Maxdas Recht zur Führung der Bezeichnung„außerplanmäßiger Professor“ zu verleihen.2. Der Senat beriet über einen Beschluss-vorschlag des Rektoratskollegiums zurVereinbarung über die Entwicklung bis2010 zwischen den Staatlichen Hochschu-len in Sachsen und der Sächsischen Staats-regierung. Der Rektor zog aus Gesprächenmit dem Ministerpräsidenten und einemBriefwechsel mit dem Wissenschafts-ministerium das Fazit, dass es hinsichtlichdes Stellenkürzungsanteils und der Struk-turvorgaben keinen Verhandlungsspiel-raum gibt. Nachdem die anderen sächsi-schen Hochschulen signalisiert haben, dieHochschulvereinbarung zu unterzeichnen,sollte es vermieden werden, dass Leipzigin eine Außenseiterrolle gerät. Es gehe umSchadensbegrenzung, aber auch um denErhalt der Arbeits- und Entwicklungs-fähigkeit der Universität. Es gelte dieChancen zu nutzen, die sich mit den Ver-besserungen im Haushalt und mit der Zu-sicherung ergeben, dass die UniversitätLeipzig als Volluniversität erhalten bleibtund ihr auf anwendungsorientiertem na-turwissenschaftlich-technischem Gebietweitere Entwicklungschancen eingeräumt

werden. Der Beschlussvorschlag des Rek-torats sieht daher, nachdem sich auch dasKuratorium einstimmig für eine Annahmeausgesprochen hatte, eine Zustimmung zurHochschulvereinbarung im allgemeinenund zu den strukturellen Vorgaben derStaatsregierung vor, möchte aber in einerProtokollerklärung eine Reihe von Punk-ten wie den Bestandsschutz für die Studie-renden in den bestehenden Studiengängenim Bauingenieurwesen, Wirtschaftsinge-nieurwesen, in der Geophysik, Geologieund Mineralogie oder die Möglichkeit derWeiterentwicklung auf naturwissenschaft-lich-technischem Gebiet festhalten. Damitsoll der Kontext verdeutlicht werden, indem die Universität allenfalls zustimmenkann. Nach einer lebhaften Aussprachewurde festgelegt, dass eine Arbeitsgruppedes Senats im Lichte der Diskussion denBeschlussvorschlag inhaltlich wie stilis-tisch prüfen soll. Die studentischen Sena-toren erklärten, sich daran nicht zu beteili-gen. Eine Weiterführung der Debatte aufeiner Sondersitzung des Senats am 5. Juni2003 wurde vereinbart.3. Der Ausländerbeauftragte der Univer-sität Leipzig, PD Dr. Wolfram Herold, be-richtete vor dem Senat über seine Tätigkeitund die Situation der Ausländer an der Uni-versität. Dabei kam zum Ausdruck, dassdie Universität bei ausländischen Studie-renden einen sehr guten Ruf genießt. Das

gelte für Ausbildung und Betreuung, aberauch für das ausländerfreundliche Klimainsgesamt. Steigende Bewerberzahlen be-stätigten das. Die gegenwärtig einge-schriebenen 2 459 ausländischen Studie-renden aus 127 Ländern entsprächen 9 Pro-zent der Gesamtstudierendenzahl.4. In Ergänzung des im April gefasstenBeschlusses über die Zulassungsbeschrän-kungen und Zulassungszahlen für das Aka-demische Jahr 2003/04 bestätigte der Senatdie Festsetzung von 300 Vollstudienplätzenund 35 Teilstudienplätzen in der Human-medizin, von 51 Vollstudienplätzen und 10Teilstudienplätzen in der Zahnmedizin undvon 375 Studienplätzen in der Rechtswis-senschaft.5. Der Senat nahm die Eingliederung derbereits zuvor aus dem Institut für Germa-nistik ausgegliederten Allgemeinen undVergleichenden Literaturwissenschaft indas Institut für Klassische Philologie unddie Umbenennung dieses Instituts in Insti-tut für Klassische Philologie und Kompa-ratistik zustimmend zur Kenntnis.6. Der Senat stimmte einer Veränderungdes Zeitplanes für die Wahl des Rektorsund der Prorektoren im Wintersemester2003/04 zu. Danach sind die Wahlvor-schläge beim Kanzler bis zum 29. 8. 2003einzureichen und entscheidet der Senat aufseiner Sitzung am 9. 9. 2003 über die Kan-didatenvorschläge.

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„Schadensbegrenzung“Sitzung des Senats am 3. Juni

Pakt besiegeltSondersitzungen des Senats

5. JuniDer Senat befasste sich in 2. Lesung mitder Hochschulvereinbarung. Am Endeeiner langen Debatte stimmte der Senat ab-schnittsweise der vom Rektoratskollegiumunterbreiteten Beschlussvorlage zu, wobeijeweils das von den studentischen Senato-ren beantragte Gruppenveto von RektorProf. Häuser u. a. mit dem Verweis auf die

wiederholte Befassung des Senats mit demThema Hochschulvereinbarung zurückge-wiesen wurde. Die erste Abstimmung – esvotierten alle Hochschullehrer dafür – be-traf die generelle Zustimmung zur Hoch-schulvereinbarung bei gleichzeitiger Miss-billigung der Entscheidungen der Sächsi-schen Staatsregierung zum kontinuier-lichen Abbau von Personalstellen und zur

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Aufhebung von Studiengängen an der Uni-versität Leipzig. So hat die Universität –dies ist Bestandteil der Hochschulverein-barung – im Zeitraum 2005 bis 2008 wei-tere 78 Stellen abzubauen.Der Senat beschloss weiter, die strukturel-len Vorgaben der Staatsregierung umzuset-zen und die Studiengänge Bauingenieur-wesen, Wirtschaftsingenieurwesen, Geo-physik, Geologie und Mineralogie in ihrerbisherigen Form aufzuheben. Eine letzt-malige Immatrikulation in diesen Studien-gängen erfolgt im Wintersemester 2003/2004.Die dritte Abstimmung bezog sich auf eineProtokollerklärung zur Hochschulverein-barung, in der unterstrichen wird, dass mitdem Rückbau in den genannten Fächerndas Profil der Universität Leipzig als Voll-universität nicht beschädigt werden darf.Vielmehr sollen die Rahmenbedingungenfür eine Weiterentwicklung innovativertechnisch-naturwissenschaftlicher und an-wendungsorientierter Forschungsfelderund Ausbildungsrichtungen weiter gege-ben sein. Ein weiterer Punkt ist im Sinnedes Bestandsschutzes die Gewährleistungdes ordnungsgemäßen Studienabschlussesin der Regelstudienzeit für die Studieren-den der aufzuhebenden Studiengänge. Dassetzt voraus, dass die Staatsregierung diedafür notwendigen Rahmenbedingungenaufrecht erhält. Weiter mahnt die Univer-sität in der Protokollerklärung haushalts-seitige Präzisierungen in Bezug auf denVerteilungsmechanismus im sächsischenHochschulwesen an. Dies vor dem Hinter-

grund, dass sich die Universität Leipzig beider Mittelvergabe benachteiligt sieht.

27. JuniNachdem auf Antrag der studentischenSenatoren das Verwaltungsgericht Leipzigin einer Eilentscheidung vom 19. Juni 2003das Veto der Gruppe der studentischen Se-natoren gegen die Beschlussfassung desSenats in seiner Sitzung am 5. Juni 2003 alswirksam angesehen hat, musste der Ab-stimmungsgegenstand, die Hochschulver-einbarung, erneut im Senat verhandelt wer-den. Auf die Anfrage von studentischerSeite, ob sich denn nicht die massivenStudentenproteste gegen die sächsischeBildungspolitik in der Bewertung derHochschulvereinbarung durch den Senatniederschlagen müssten, antwortete Pro-rektor Prof. Papp, der den erkrankten Rek-tor vertrat, dass die Zustimmung zur Hoch-schulvereinbarung ja nur schweren Her-zens und in nüchterner Abwägung in derErwartung erfolge, dass damit die weitereArbeits- und Wettbewerbsfähigkeit derUniversität Leipzig eher gesichert werdenkann als bei einer Nichtunterzeichnung desVertrags. Der Senat folgte mehrheitlichdieser Betrachtungsweise und stimmtenach Diskussion analog zur Sondersitzungam 5. Juni 2003 der Beschlussvorlage desRektors und damit der Hochschulverein-barung mit der Sächsischen Staatsregie-rung zu. Rektor Häuser wurde ermächtigt,die Vereinbarung zu unterzeichnen, was am10. Juli 2003 in Dresden auch geschehenist.

DreineueEhren-doktorenSitzung desSenats am15. Juli1. Der Senat befasste sich mit Berufungs-angelegenheiten; das betraf im einzelnen:Ausschreibung und Berufungskommissionfür „Französische/frankophone und italie-nische Literaturwissenschaft“ (C4), „Fran-zösische/frankophone und italienischeSprachwissenschaft“ (C4), „Soziologie mitSchwerpunkt Vergleich moderner Gegen-wartsgesellschaften“ (C3), „Zellbiologie(Schwerpunkt Zelldifferenzierung, Zell-zyklusregulation)“ (C4), „Kinder- und Ju-gendpsychiatrie“ (C4), „Technische Che-mie der Polymere“ (gemeinsame Berufungmit dem Institut für Oberflächenmodifizie-rung) (C4); Juniorprofessur „Meteorologie– Fernerkundungsverfahren“.Der Senat behandelte Berufungsvor-schläge für „Soziologie“ (C4), „InnereMedizin/Schwerpunkt Endokrinologie“(C4), „Tierernährung und Ernährungs-schäden“ (C4). Der Senat stimmte dem Antrag der Medi-zinischen Fakultät, PD Dr. med. Hans Kott-kamp (Herzzentrum) das Recht zur Füh-rung der Bezeichnung „AußerplanmäßigerProfessor“ zu verleihen, ebenso zu wie denAnträgen der Fakultät für Geschichte,Kunst- und Orientwissenschaften und derFakultät für Mathematik und Informatik,apl. Prof. Dr. Reinhold Scholl und apl.Prof. Dr. Ralf Der die mitgliedschafts-rechtliche Stellung eines Hochschullehrerszu übertragen.2. Der Senat nahm von dem Beschluss derPhilologischen Fakultät, dem Sprachwis-senschaftler Prof. Dr. Peter von Polenz(Trier) die Ehrendoktorwürde zu verleihen,zustimmend Kenntnis. Peter von Polenzgilt international als einer der bedeutends-

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Gremien

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Die Tinte ist trocken: Ministerpräsident Georg Milbradt und die Rektoren derHochschulen unterzeichneten am 10. Juli den Hochschulpakt. Foto: SMWK

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ten Sprachhistoriker, seine dreibändige„Deutsche Sprachgeschichte“ hat den Sta-tus eines Standardwerkes. Er hat in Leip-zig Germanistik, Geschichte und Anglistikstudiert und hier seine ersten Assistenten-jahre (bei Ludwig Erich Schmitt) ver-bracht, die durch Entlassung aus politi-schen Gründen beendet wurden; 1953 ver-ließ er die DDR.Gleichzeitig nahm der Senat von demBeschluss der Philologischen Fakultät zu-stimmend Kenntnis, dem renommiertenLiteratur- und Kulturtheoretiker Prof. Dr.Carlos Rincón, emeritierter Professor desLateinamerika-Instituts der Freien Univer-sität Berlin, die Ehrendoktorwürde zu ver-leihen. Gewürdigt werden sollen damitseine international anerkannten hervorra-genden Leistungen in Lehre und Forschungsowie sein Engagement am Ibero-Ameri-kanischen Forschungsseminar im Institutfür Romanistik der Universität Leipzig.Carlos Rincón hatte in den 60er Jahren beiWerner Bahner und Werner Kraus über dasTheater von Federico Garcia Lorca promo-viert.Des weiteren nahm der Senat zustimmendKenntnis von der Einleitung des Verfahrenszur Verleihung des Doktors der Rechteehrenhalber an Prof. Dr. Georg Sandbergerdurch die Juristenfakultät. Seit 1979 Kanz-ler der Eberhard-Karls-Universität Tübin-gen kann er gleichwohl auf ein umfangrei-ches wissenschaftliches Werk und eine um-fangreiche Beratertätigkeit auf dem Gebietdes Hochschulrechts und der Hochschul-struktur für mehrere deutsche Universitä-ten zurückblicken. Dabei hat er sich auchgroße Verdienste um die Universität Leip-zig erworben.3. Der Senat stimmte der Einrichtung einesInstituts für Grundlagen des Rechts an derJuristenfakultät zu. Die Zusammenführungaller Grundlagenfächer zugunsten einesfachübergreifenden Austauschs – sie erfas-sen sowohl die sozialen als auch die philo-sophischen, historischen und methodi-schen Grundlagen des gegenwärtigenRechts – in einem solchen Institut bedeu-tet ein Novum an den deutschen Univer-sitäten.4. Der Senat beschloss die Einrichtung desAufbaustudienganges „Master of Sciencein urban management“ an der Wirtschafts-wissenschaftlichen Fakultät. Prof. Ringelhatte zuvor erläutert, dass mit diesem kos-tenpflichtigen Weiterbildungsstudiengangder Leipziger Kompetenzvorsprung bei derinterdisziplinären Erforschung des in ganzEuropa drängenden Problems des Stadt-

umbaus erhalten und ausgebaut werdenkann. Insbesondere studentische Beden-ken, dass damit der Einstieg in eine flä-chendeckende Studiengebührenerhebungvollzogen werde, wurden mit dem Hinweisentkräftet, dass es sich hier um keinengrundständigen, sondern einen Weiterbil-dungs-Studiengang handelt. 5. Der Senat stimmte der Angliederung derStiftungsprofessur „Technisches und infra-strukturelles Management baulicher Anla-gen“ an das Institut für Baubetriebswesenund Bauwirtschaft an der Wirtschaftswis-senschaftlichen Fakultät zu.6. Prorektor Prof. Papp wurde vom Senatals Mitglied des Beirats der Universitäts-stiftung gewählt. In der im Jahr 2000 er-richteten Stiftung sind diejenigen nicht un-mittelbar universitären Aufgaben dienen-den Immobilien zusammengefasst, die mitHilfe eines Rechtsstreits zurückgewonnenworden waren. Der Beirat berät den Vor-stand der Universitätsstiftung und mussallen wesentlichen Rechtsgeschäften zu-stimmen.7. Der Senat beschloss die geänderte Fas-sung der Studienordnung für den Studien-gang Humanmedizin an der UniversitätLeipzig, eingeschlossen die Ordnung zumErwerb der Leistungsnachweise, sowieweitere Studiendokumente in den FächernEthnologie, Westslavistik, Japanologie,Wirtschaftsingenieurwesen, Bauingenieur-wesen sowie für eine Reihe von weiterbil-denden Studiengängen.8. Der Senat bestätigte den Lehrbericht fürdas Akademische Jahr 2001/02. Er ist imIntranet und in der Universitätsbibliothekzugänglich. Der Lehrbericht besteht ausden statistischen Kerndaten zum Studien-und Prüfungsverlauf der letzten drei Jahre,den Berichten der einzelnen Fakultäteneinschließlich einer Stellungnahme desjeweiligen Fachschaftsrates und einer zu-sammenfassenden Stellungnahme desRektoratskollegiums.Des weiteren beschloss der Senat, dass dieFächer Soziologie und Zahnmedizin diegroßen Lehrberichte für das AkademischeJahr 2003/04 erstellen werden. Diese Lehr-berichte stellen einen Teil des Selbstreportsder Fächer innerhalb des Evaluationsver-fahrens in der Universitätspartnerschaftdar.9. Der Senat nahm zustimmend Kenntnisvon Veränderungen in drei Kommissionen.In der Forschungskommission wird Prof.Dr. Hermann Müller Nachfolger von Prof.Dr. Gotthold Gäbel (beide Veterinärmedi-zin), in der Bibliothekskommission arbei-

ten künftig die Fachschaftsvertreter/innenNicole Bornschein (Jura) und Stefan Ros-mer (Musikwissenschaft) mit, und imSYLFF-Komitee (Sasakawa Young Lea-ders Fellowship Fonds) tritt Prof. Dr. Ar-nulf Kutsch an die Stelle von Prof. Dr. Dr.Dietrich Kerlen (beide Kommunikations-und Medienwissenschaft).10. Der Senat stimmte einer Veränderungim Zeitplan für die Rektorwahl zu. Danachwird die Sondersitzung des Konzils zurVorstellung der Kandidaten/innen für dieRektorwahl vom 29. Oktober auf den22. Oktober 2003, 16 Uhr, vorverlegt. DasWahlkonzil findet dann am 5. 11. 2003statt.11. Auf Anfrage informierte Rektor Prof.Häuser über den Stand beim Campus-Bau-vorhaben am Augustusplatz. Nach monate-langen Gesprächen mit den beiden zustän-digen Ministerien und unter Beihilfe desOBM habe man ein einvernehmliches Vor-gehen vereinbart. Als nächster Schritt stehefür das „Paulinum“ die Ausschreibung ei-nes Teilwettbewerbs mit den fünf Erstpla-zierten des bisherigen Architektenwettbe-werbs und mit sechs zugeladenen Archi-tektenbüros (je zwei werden von Univer-sität, Stadt und Land benannt) an.

Neuordnungin Wirtschafts-informatik

Das Uni-Journal berichtete in Heft 4/2003über die vom Senat beschlossene Neuord-nung der Lehrstühle für Wirtschaftsinfor-matik an der Wirtschaftswissenschaft-lichen Fakultät (Senatsbericht auf S. 11,Punkt 6). Leider ist es dabei zu Unklarhei-ten gekommen, die mit einer Präzisierungbeseitigt werden sollen. Die Neuordnungsieht vor, dass die drei Professuren fürWirtschaftsinformatik im Institut für Wirt-schaftsinformatik zusammengefasst wer-den. Das Institut für Software- und System-entwicklung wird mit der Neuorientierungder Professur „Wirtschaftsinformatik, ins-besondere Softwareentwicklung für Wirt-schaft und Verwaltung“ aufgelöst. r.

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1. Der Senat befasste sich eingangs mit Be-rufungsangelegenheiten; das betraf Aus-schreibung und Berufungskommission für„Systematische Musikwissenschaft“ (C3)(Nachfolge von Prof. Mehner), „Geistig-behindertenpädagogik“ (C4), „Kinderkar-diologie“ (C4) (Nachfolge von Prof.Schneider), „Biologie-Didaktik“ (C3),„Theoretische Physik – Physik kondensier-ter Materie“ (C3) (bisher „TheoretischePhysik - Relativistische Quantenfeldtheo-rie“), Juniorprofessur „Psychosoziale Ver-sorgungsforschung“; Ausschreibung fürStatistik“ (C3) (bisher „Methodenlehre derStatistik“). Der Senat behandelte den Be-rufungsvorschlag für „Sprachbehinderten-pädagogik“ (C4).Der Senat stimmte dem Antrag der Medizi-nischen Fakultät zu, PD Dr. med. UlrichStölzel, Chefarzt am Klinikum Chemnitz,das Recht zur Führung der Bezeichnung„außerplanmäßiger Professor“ zu verlei-hen. Zustimmung fand ebenfalls der Antragder Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultätauf Übertragung der mitgliedschaftsrecht-lichen Stellung eines Hochschullehrers anapl. Prof. Dr.-Ing. Werner Schneider.2. Der Rektor informierte den Senat überden Abschluss der Verhandlungen zwi-schen dem Freistaat, der Stadt und der Uni-versität Leipzig über den Fortgang desBauvorhabens am Augustusplatz. Die dreiBeteiligten einigten sich auf die Aus-schreibung eines zusätzlichen Qualifizie-rungsverfahrens für den Standort der ehe-maligen Paulinerkirche, wofür sie je zweiTeilnehmer unter den sich bewerbendenArchitektenbüros nominieren können.Grundlage für die Gesamtbebauung bleibtder Entwurf von Behet und Bondzio.3. Der Senat bestätigte den Forschungsbe-richt 2002 der Universität Leipzig mitkleinen redaktionellen Änderungen undbeschloss dessen Drucklegung. Alle überdie zusammenfassende Darstellung derForschungsaktivitäten hinausgehenden In-formationen der Institute, Kliniken undEinrichtungen (Kurzdarstellung von For-schungsprojekten, Publikationen, Mitar-beit in Gremien) sind über das Internet zu-gänglich:http://www.uni-leipzig.de/forschb/.

4. Der Senat stimmte mit knappster Mehr-heit einer geänderten Vorlage der Gruppeder studentischen Senatoren zum ThemaStudiengebühren zu. Danach soll die Uni-versität Leipzig erstens keine Studienge-bühren für grundständige und konsekutiveStudiengänge erheben, die zum erstmali-gen Erwerb akademischer Grade führen.Zweitens sollen etwaige Überschüsse ausanderweitigen Bildungsangeboten auch fürStipendien in dem jeweiligen Studiengangzur Verfügung gestellt werden. Drittenssoll das Rektorat überprüfen, dass die Ein-richtung von gebührenfinanzierten Stu-diengängen nicht zu Lasten der Lehr- undBetreuungskapazitäten in grundständigenund konsekutiven Studiengängen geht.5. Der Senat stimmte dem Antrag der bei-den Gruppen der akademischen Mitarbei-ter und der sonstigen Mitarbeiter zur Bil-dung und Besetzungvon Integrationskom-missionen im Zu-sammenhang der Um-setzung der in derHochschulvereinba-rung festgelegtenKonzentration vonFächern und Studien-gängen im sächsi-schen Hochschulwe-sen zu. Danach müs-sen diesen Integra-tionskommissionenVertreter aller Mit-gliedergruppen ange-hören.6. Der Senat bestä-tigte in geheimer Ab-stimmung die Perso-nalvorschläge für dieWahl des Rektorsdurch das Konzil am5. 11. 2003. Danachkandidieren Prof. Dr.Franz Häuser, Prof.Dr. Erwin Tschirnerund Prof. Dr. Dr.Günther Wartenberg.7. Der Senat be-schloss, dass derGroße Lehrbericht für

das Akademische Jahr 2003/2004 für dieAltertumswissenschaften durch die Insti-tute für Klassische Archäologie (und Anti-kenmuseum), Altorientalistik, Ägyptologie(und Ägyptisches Museum), KlassischePhilologie und Komparatistik sowie dieProfessur für Ur- und Frühgeschichte zu er-stellen ist.8. Der Senat beschloss Prüfungs- und Stu-dienordnungen in den Fächern Betriebs-wirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre,Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftspäda-gogik und Veterinärmedizin.

Prof. Dr. F. Häuser V. SchulteRektor Pressesprecher

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Zusatz-Verfahren für CampusSitzung des Senats am 9. September

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Am 6. August 2003 hat Bundesbildungs-ministerin Edelgard Bulmahn auf einer ge-meinsamen Pressekonferenz des Bundes-ministeriums für Bildung und Forschung,des Deutschen Akademischen Austausch-dienstes, der Hochschulrektorenkonferenzund der Alexander von Humboldt-Stiftungdie Internationalisierung der deutschenHochschulen zu einem der wichtigstenZiele auch im Jahr 2004 erklärt. Insgesamt14 Millionen Euro werden für Studien-gänge deutscher Hochschulen „weltweitvor Ort“, für den von der Alexander vonHumboldt-Stiftung vergebenen Sofja Ko-valevskaja-Preis1), für internationale Spit-zenwissenschaftler sowie für professionel-les Hochschulmarketing bereitgestellt. Bereits am 19. Juni 1999 hatte sich der Ratder EU-Bildungsminister in der Erklärungvon Bologna verpflichtet, bis zum Jahr2010 den europäischen Hochschulraumzu verwirklichen, mit dem Ziel der Ver-stärkung der Integration der Absolventenauf dem Arbeitsmarkt, der Steigerung derMobilität, der Verbesserung der Wettbe-werbsfähigkeit der europäischen Hoch-schulen im internationalen Vergleich. Indiesem sogenannten Bologna-Prozessnimmt die Universität Leipzig als eine deram stärksten vom DAAD gefördertenHochschulen einen der vordersten Plätzeein. Komplementär zum Streben nach einemeuropäischen Hochschulraum wurde am18. Januar 2000 von Philippe Busquin,dem Kommissar der Generaldirektion For-schung der Europäischen Kommission, dieInitiative „Hin zu einem europäischenForschungsraum“ gestartet. Kurz daraufbeschloss der Europäische Rat in Lissabon,dass die EU innerhalb von zehn Jahren zum dynamischsten wissensbasiertenWirtschaftsraum weltweit entwickelt wer-den soll, der sogenannte Lissabon-Prozessbegann.In diesem Zusammenhang wurde am27. Juni 2002 vom Rat der Europäischen

Union und dem Europäischen Parlamentfür den Zeitraum 2002 bis 2006 das 6. For-schungsrahmenprogramm2) verabschiedet,das folgende thematische Prioritäten setzt:

1. Biowissenschaften, Genomik und Bio-technologie im Dienste der Gesundheit;

2. Technologien für die Informationsge-sellschaft;

3. Nanotechnologien und -wissenschaf-ten, wissensbasierte multifunktionaleWerkstoffe und neue Produktionsver-fahren und -anlagen;

4. Luft- und Raumfahrt;5. Lebensmittelqualität und -sicherheit;6. Nachhaltige Entwicklung, globale Ver-

änderungen und Ökosysteme;7. Bürger und Staat in der Wissensgesell-

schaft.

Insgesamt hat die Projektgröße im Ver-gleich zu früheren Forschungsrahmenpro-grammen in Volumen und Anzahl derPartner (Hochschulen, Forschungsorgani-sationen und Industrie aus mehreren euro-päischen Ländern) zugenommen. Die Pro-jektverwaltung erfolgt durch die Kon-sortien selbst. Damit kommen auf dieteilnehmenden Einrichtungen erhöhte An-forderungen an das Projektmanagementzu. Auch die Vorbereitungs- und Antrags-phase für Projekte ist erheblich aufwendi-ger geworden. Bisher haben die meistendeutschen Hochschulen dafür keine adä-quaten Instrumente. Die Beteiligung vonWissenschaftlern der Universität Leipzigam 6. Europäischen Forschungsrahmen-programm kann deshalb nicht hoch genuggewürdigt werden.Für alle Wissenschaftsdisziplinen offensind die Marie-Curie-Maßnahmen fürgrenzüberschreitende Mobilität, Ausbil-dung, Wissenstransfer und die Anerken-nung von Spitzenleistungen im 6. For-schungsrahmenprogramm. Gefördert wer-den hier europaweit sowohl Nachwuchs-wissenschaftler als auch Spitzenforscher,

wissenschaftliche Tagungen und Konfe-renzen, es gibt Marie-Curie-Preise, Marie-Curie-Lehrstühle und vieles mehr. ErsteAnlaufstelle für Interessenten am Marie-Curie-Programm ist seit letztem Jahr dieAlexander von Humboldt-Stiftung3).Die Forschungsrahmenprogramme derEuropäischen Union zielen vorrangig aufdie Wettbewerbsfähigkeit der europäischenIndustrie. Um aber in allen Wissenschafts-disziplinen, und insbesondere auch in derGrundlagenforschung, gemeinsam aktivwerden zu können, ist es notwendig, die inden EU-Mitgliedsstaaten völlig unter-schiedlich konstruierten Wissenschafts-landschaften und Förderstrukturen an-zupassen. Angestrebt wird eine stärkereZusammenarbeit von europäischen Spit-zenforschungszentren und eine Zusam-menführung der nationalen Forschungsak-tivitäten innerhalb Europas. Nicht zuletztdeshalb wird gegenwärtig sehr intensiv ander Gründung eines European ResearchCouncils (ERC) gearbeitet, der von dennationalen Förderorganisationen getragenwerden soll.

Die neue dritte Stufe

Am 18. und 19. September 2003 hat inBerlin inzwischen die nach Bologna(1999) und Prag (2001) dritte Konferenzder Europäischen Bildungsminister zurVerwirklichung eines Europäischen Hoch-schulraumes stattgefunden. Hier stand dieDebatte um die Vernetzung von Bologna-und Lissabon-Prozess im Mittelpunkt. Dasbisher zweistufige Reformmodell des Bo-logna-Prozesses mit einem ersten berufs-qualifzierendem Abschluss, dem Bachelor,und dem zweiten Zyklus, der mit der Er-langung des Master abschließt, soll nun umeine dritte Stufe erweitert werden, ein län-derübergreifendes strukturiertes Promo-tionsstudium mit dem Ziel, einen europäi-schen Doktorgrad zu erreichen. Auf deminternationalen Bildungsmarkt sind attrak-

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Die Uni Leipzig zwischenBologna und LissabonGedanken zur Internationalisierung der ForschungVon Prof. Dr. Helmut Papp, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs

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tive Promotionsmöglichkeiten ein wich-tiger Wettbewerbsfaktor. Damit wird dieBrücke geschlagen zwischen dem 1999eingeläuteten europäischen Hochschul-und dem gewünschten gemeinsamen For-schungsraum.Eine Vorreiterrolle auf diesem Weg spielenunter anderem internationale Graduierten-kollegs, die internationalen Max-Planck-Research-Schools, binationale Promotio-nen (Cotutelles), die Marie-Curie-Maß-nahmen der Europäischen Union und dasseit 2001 gemeinsam von der DFG unddem DAAD getragene Förderprogramm„Promotion an Hochschulen in Deutsch-land“ (PHD). Letzteres dient dem Aufbaueines strukturierten, international ausge-richteten Graduiertenstudiums mit verbes-serter Promotionsbetreuung und einer vor-hersehbaren Promotionsdauer. Zwei dieserinternationalen Promotionsstudiengänge,„Transnationalisierung und Regionalisie-rung“ und „Forschung in Grenzgebietender Chemie“ mit einem erheblichen An-teil ausländischer Doktoranden konnten ander Universität Leipzig eingerichtet wer-den. In diesem Jahr hat die Deutsche For-schungsgemeinschaft das bisherige be-währte Programm der Graduiertenkollegsneu ausgerichtet, mit einer stärkeren Ak-zentsetzung auf Internationalisierung derDoktorandenausbildung. Darüber hinausbesteht die Möglichkeit, von vornhereinländergrenzenübergreifend konzipierte In-ternationale Graduiertenkollegs zu bean-tragen. Zur Unterstützung der Kooperationund der Antragstellung hat die DeutscheForschungsgemeinschaft begonnen, mitPartnerorganisationen entsprechende Ver-einbarungen zu schließen (Niederlande,Ungarn, Polen, China, die USA). Am 16. September 2003 wurden erstmalsdie European Young Investigator (EURYI)Awards4) zur Förderung des exzellentenNachwuchses aus aller Welt ausgeschrie-ben. Dieses neue Nachwuchsprogramm fürEuropa wird gemeinsam getragen von denForschungsförderern und Wissenschaftsor-ganisationen unter dem Dach von EURO-HORCs (European Heads of ResearchCouncils). Damit wird es jungen Wissen-schaftlern ermöglicht, an einem ausgewie-senen Institut in Europa eine eigene Nach-wuchsgruppe aufzubauen und zu leiten.Dieses neue, für alle Wissenschaftsdiszi-plinen offene Exzellenz-Programm, für dasin Deutschland die DFG zuständig ist, fußtauf dem „Memorandum of Understan-ding“, das 18 Wissenschaftsorganisationen

aus 14 europäischen Ländern im Mai 2003unterzeichnet haben. Auch die Hochschulverwaltungsstrukturenmüssen diesem Prozess der Bildung eineseuropäischen Hochschul- und Forschungs-raumes Rechnung tragen, von der notwen-digen Sprachkompetenz über Fragen desManagements internationaler Projekte bishin zur Lösung grenzüberschreitenderRechtsfragen. Als Forum zum gegenseitigen Informa-tions-, Meinungs- und Erfahrungsaus-tausch zur europäischen Forschungsförde-rung haben sich die von der Koordinie-rungsstelle der Wissenschaftsorganisatio-nen5) in Brüssel und Bonn durchgeführtenBundestagungen zur EU-Forschungsförde-rung, die seit Jahren in der deutschen For-schungslandschaft zu einer festen Größegeworden sind, bewährt. Die 16. Bundesta-gung wird vom 2. bis 4. Juni 2004 an derUniversität Leipzig stattfinden. Repräsen-tanten aus der Europäischen Kommission,aus dem Bundesministerium für Bildungund Forschung, aus Länderministerien,Wissenschaftsorganisationen und weiterenEinrichtungen werden als Referenten undDiskussionspartner erwartet. InhaltlicheSchwerpunkte sind unter anderem Bio-technologie/Biomedizin, die Wissen-schaftskooperation mit den neuen EU-Bei-trittskandidatenländern aus Mittel- undOsteuropa sowie die Vielfalt der Mobili-tätsmaßnahmen. Damit werden unmittel-bar Forschungsschwerpunkte der Univer-sität Leipzig tangiert, so dass ich auch des-halb neue Anregungen für die weitereInternationalisierung der Forschung an un-serer Alma mater Lipsiensis erwarte.

Weitere Informationen im Internet:1) www.humboldt-foundation.de/de/

programme/preise/kova.htm2) www.rp6.de3) www.humboldt-foundation.de/

marie-curie4) www.dfg.de/internationales/5) www.kowi.de

SehrgutesProgrammattestiertZentrumfür klinischeForschungerfolgreichDas Interdisziplinäre Zentrum für klini-sche Forschung (IZKF) hat für die nächstenJahre ein exzellentes Forschungsprogrammvorgelegt. Dies bescheinigte dem Zentrumjetzt der externe Beirat. 32 Antragstellerüberzeugten die Gutachter mit ihren Pro-jekten aus den Forschungsfeldern Immu-nologie, Endokrinologie, Neurowissen-schaften und molekulare Onkologie. Siehatten sich unter 77 eingereichten Bewer-bungen in einem mehrstufigen Auswahl-verfahren durchgesetzt.Die Weichen für eine IZKF-Fortführungwaren bereits vor der Visite des Beirats ge-stellt worden. „Die Fakultät steht zu ihremWort, das Zentrum ab 2004 voll aus eige-nen Mitteln zu finanzieren“, versicherteDekan Prof. Wieland Kiess. Die achtjäh-rige finanzielle Förderung des Zentrumsdurch das Bundesministerium für Bildungund Forschung mit einem Anteil vondurchschnittlich 45 Prozent am Gesamt-budget läuft Ende des Jahres aus. Mit ihrer Entscheidung will die Medizini-sche Fakultät auch weiterhin ihr eigenstän-diges Forschungsprofil stärken. Schließ-lich sind vier ihrer fünf Forschungsschwer-punkte im IZKF vertreten. „In Zeiten knap-per Mittel“, so der Sprecher des IZKFLeipzig, Prof. Frank Emmrich, war dieserSchritt für die Fakultät nicht einfach. „Wirsind stolz auf dieses durch und durch posi-tive Begutachtungsergebnis. Der Blick vonaußen auf unsere Arbeit im Zentrum ist unssehr wichtig. Wir haben viele nützliche An-regungen von unseren Gutachtern für dienächsten Jahre erhalten.“ IZKF

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Die Universität Leipzig ist nun auch offi-ziell im Olympia-Rennen: Im Sommer be-rief der Rektor Professor Franz Häusereinen Olympiabeauftragten. Die Aufgabehat der Sportwissenschaftler ProfessorHelmut Kirchgässner übernommen. DerLeiter des Instituts für Bewegungs- undTrainingswissenschaften der Sportartenwar 1990 für ein gutes halbes Jahr letzterRektor der Deutschen Hochschule für Kör-perkultur (DHfK), im Anschluss daranGründungsdekan der am 8. Dezember1993 gegründeten Sportwissenschaft-lichen Fakultät. Carsten Heckmann sprachmit Kirchgässner, der am 8. Oktober seinen65. Geburtstag feierte.

Professor Kirchgässner, worin sehen SieIhre Aufgaben als Olympiabeauftrag-ter?Kirchgässner: Es gibt natürlich kein be-stimmtes Anforderungsprofil, es handeltsich ja um etwas Neues. Wichtig ist ersteinmal, dass die Universität sich zur Olym-pia-Bewerbung bekannt hat. Es ist gut, mitim Boot zu sein. Die Universität hat nunjemanden, der sie in diesem Bereich nachaußen vertreten kann. Ich führe also Ge-spräche mit anderen beteiligten Institutio-

nen, nehme an entsprechenden Gesprächs-runden teil. Dort kann ich noch einmalbekräftigen, dass wir bereit sind mitzuge-stalten. Zudem bin ich erster Ansprech-partner zum Thema für die Angehörigender Universität, also intern. Je weiter dieBewerbung voranschreitet, desto mehrwird es dann auch konkrete Aufgaben füreinzelne Disziplinen geben.

Welcher Art könnten diese Aufgabensein?Kirchgässner: Im Zusammenhang mitOlympischen Spielen finden auch immerwissenschaftliche Kongresse statt. Da wer-den verschiedene Disziplinen zu Wortkommen, die dazu einen Beitrag leistenkönnten. Die Medizinische Fakultät kanneingebunden werden, wenn es um Kon-zepte zur medizinischen Betreuung wäh-rend der Olympischen Spiele geht. Weite-res Fachwissen aus verschiedenen Be-reichen dürfte gefragt sein, wenn es umBaumaßnahmen geht oder die Land-schaftsgestaltung. Die Institute der Philo-logischen Fakultät könnten sich in Über-legungen zur internationalen Gästebetreu-ung einbringen. Die Wirtschaftswissen-schaftler könnten gebeten werden, be-stimmte Vorschläge zur Organisation zu

machen. Das sind einigeBeispiele dessen, was vor-stellbar ist. Allerdings vor-rangig in Abhängigkeit vonkonkreten Anforderungender Organisatoren. Aberauch Eigeninitiativen sindgefragt. So bereitet bei-spielsweise des Institut Me-dien- und Kommunikations-

wissenschaften ein Internationales For-schungsprojekt „Mass Media and OlympicCities“ unter Leitung von Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler vor, um ein prognoseorien-tiertes Medienkonzept für die Olympi-schen Spiele 2012 mitzugestalten.

Gibt es besondere universitäre Pfundefür die Bewerbung?Kirchgässner: Natürlich. Leipzig kannselbstverständlich auch mit dem Bekannt-heitsgrad seiner fast 600-jährigen Univer-sität wuchern. In unserer Fakultät habendie Vertreter der unterschiedlichen sport-wissenschaftlichen Disziplinen wie Trai-ningswissenschaft, Sportmedizin, Sport-psychologie u. a. m. vielfältige Verbindun-gen zu nationalen und internationalenSportorganisationen. So haben wir z. B.das Institut für Rehabilitationssport, Sport-therapie und Behindertensport, wo Erfah-rungen vorhanden sind, um fachkundigeUnterstützung bei der Vorbereitung derauch anstehenden Paralympischen Spielevorzubereiten (siehe Beitrag auf S. 15, d.Red.). Zudem haben wir hier über vieleJahre hinweg internationale Trainerkurseangeboten, in die Teilnehmer aus über 100Ländern einbezogen waren.

... ein Thema, das auch in den Medien be-reits vielfach aufgegriffen wurde. Man-cher Journalist beschwor regelrecht das„Erbe“ der Deutschen Hochschule fürKörperkultur. Was kann das ausma-chen?Kirchgässner: Wir haben seit den 70erJahren viele Trainer, Sportler und Funktio-näre aus aller Herren Länder in Leipzigausgebildet, gerade auch aus Entwick-lungsländern. Da gibt es viele Ehemalige,die nun in nationalen Verbänden tätig sind– und sich bestimmt gern an Leipzig undihre gute Ausbildung erinnern. Beispiels-weise der Präsident des südafrikanischenNationalen Olympischen Komitees, Sam

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„Wir sind bereitmitzugestalten“Interview mit Helmut Kirchgässner, Olympiabeauftragter der Universität

Mehr als 65 000 Men-schen feierten am 12. Aprilauf dem Leipziger Markt-platz die NOK-Entschei-dung aus München.

Foto: Agentur Westend

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Ramsamy, oder der Präsident des Welt-handballverbandes, der Ägypter HassanMoustafa. Wieweit das gravierende Aus-wirkungen haben kann, ist schwer einzu-schätzen. Die direkten Entscheidungsträ-ger sind diese Absolventen (mit Ausnahmevon Herrn Ramsamy) nicht, meines Wis-sens sitzt keiner von ihnen im Internatio-nalen Olympischen Komitee (IOC). Aberich nehme an, dass Leipzig durch die Be-ziehungen der Verbandsvertreter zu denIOC-Mitgliedern profitieren kann.

Glühen also jetzt die Drähte in alle Rich-tungen?Kirchgässner: Ganz so leicht ist es nicht.Früher gab es eine Stelle, die nur für diePflege der Nachkontakte der DHfK zu-ständig war. Heute ist das nicht mehr so in-stitutionalisiert. Aber meine Kollegen sindschon sehr aktiv, Kontakte wieder aufzu-nehmen. Wir haben auch schon mal darü-ber nachgedacht, die Leute noch mal zu-sammenzunehmen, in Leipzig Weiterbil-dungs-, Auffrischungsveranstaltungen zumachen.

Die Leipziger Volkszeitung schrieb fastwehmütig, „welch ein Trumpf“ docheine DHfK heute wäre. Die PDS brachteeine Neugründung ins Spiel. Wie ist IhreMeinung dazu?Kirchgässner: Wir als Fakultät haben unsdazu eindeutig positioniert: Die DHfK warim Rahmen des damaligen DDR-Sportsys-tems zu verstehen und wäre in die heutigeHochschulstruktur nicht einordbar. Ichsage immer, eine Neugründung wäre so,als würden wir die Industriekombinatewieder haben wollen. Die Forderung da-nach ist unrealistisch und wohl als popu-listisch einzustufen.Die Leipziger Sportwissenschaft hat durchihre Einbindung in eine fast 600-jährigeUniversität auch nicht eingebüßt, was ihrenRuf angeht. Natürlich gab es einen großenpersonellen Aderlass. Die DHfK hatte1300 Mitarbeiter, darunter 70 Hochschul-lehrer. Jetzt sind es insgesamt 86 Wissen-schaftliche Mitarbeiter und Angestellte,davon 12 Hochschullehrer. Daher hoffenwir auch, dass uns die Olympia-Vorberei-tung eher wieder Auftrieb gibt und vorweiteren Kürzungen bewahrt. Wobei mannicht vergessen darf: Wir haben das inhalt-liche Spektrum trotz der immensen Ver-kleinerung sogar erweitert. Allerdingsmussten wir wegen der starken Nachfragenach Studienplätzen alle Studienrichtun-gen mit dem NCU ausschreiben.

Immer wieder wird die DHfK von Kri-tikern mit dem Thema Doping in Ver-bindung gebracht …Kirchgässner: Diese Verbindung ist un-realistisch und falsch. Sie kann nur vonjemandem hergestellt werden, der dieunterschiedlichen Institutionen des ehema-ligen Sportsystems der DDR nicht kennt:den Sportmedizinischen Dienst, das For-schungsinstitut Körper und Sport (FKS)und den SC DHfK, in dem die Spitzen-sportler trainierten, die möglicherweise inbestimmten Sportverbänden mit Doping inBerührung gekommen waren. Die DHfKwar eine „normale“ Hochschule, in derAbiturienten in einem vierjährigen Stu-dium zu Diplomsportlehrern ausgebildetwurden. Das Thema Doping war schon ausGeheimhaltungsgründen absolut tabu.

Was würde ein Zuschlag für Leipzig fürdie Sportwissenschaft in Leipzig bedeu-ten?Kirchgässner: Dadurch gäbe es erst ein-mal eine ideelle Aufwertung für die Sport-wissenschaft. Das geschieht aber im Prin-zip auch schon jetzt, wenn Minister Rößlerdie Hochschulen auffordert, sich zum Lei-stungssport zu bekennen – und der Rektorder Universität Leipzig einen Olympiabe-auftragten bestellt. Dann kommt hinzu, dass das Areal unsererSportwissenschaftlichen Fakultät imOlympia-Konzept als Trainingsstätte vor-gesehen ist. Daher werden vielleicht Re-konstruktionsmaßnahmen forciert, dieohnehin nötig sind.

Wie lange werden Sie den Prozess alsOlympiabeauftragter begleiten? Bis2012? Anders gefragt: Wie sehen SieLeipzigs Chancen?Kirchgässner: Sagen wir es mal so: Ichhoffe, Leipzig wird die erste Auswahlhürde2004 problemlos schaffen. Wie die Chan-cen dann anschließend stehen, hängt mei-ner Ansicht nach nicht zuletzt von der po-litischen Großwetterlage ab. Leipzig istsicher nicht einer der Hauptfavoriten, hatauf Grund seines spezifischen Konzeptes – weg vom Gigantismus, nachnutzbareSportstätten auf engstem Raum – mehr alsAußenseiterchancen. Sollte es nicht klap-pen, wäre es eine Überlegung wert, eineerneute Bewerbung für 2016 anzustreben.Da hätte ich bzw. mein Nachfolger nocheine lange Aufgabe.

Bereit fürdie Para-lympicsBehindertensportan der UniVon Sabine Görtz

Leipzig hat es geschafft. Leipzig ist deut-scher Bewerber für die Olympischen Spiele2012. Und natürlich ist Leipzig auch in derLage, die Paralympics in besonders guterWeise zu organisieren. Diese OlympischenSpiele der Behinderten schließen sich stetsan die der Nicht-Gehandicapten an.Der Leistungssport der Behinderten, denman heute ab einer bestimmten Leistungs-ebene und wegen des hohen Trainingsauf-wandes als paralympischen Sport bezeich-net, zählt zu den Aufgaben des „Institutsfür Rehabilitationssport, Sporttherapie undBehindertensport“ an der Sportwissen-schaftlichen Fakultät. Vor zehn Jahren, alsdie Sportwissenschaftliche Fakultät aus derDeutschen Hochschule für Körperkulturhervorging, wurde Prof. Dr. Jürgen Innen-moser an die Fakultät berufen, und er er-reichte, dass seine C4-Stelle und der Beru-fungsbereich für Forschung und Lehre„Rehabilitations- und Behindertensport“um den Zusatz „Sporttherapie“ ergänztwurde. Das kleine Institut, das mit Dr.Hans-Dieter Jahn einen Fachmann für denSport bei Inneren Erkrankungen und mitdem wissenschaftlichen Assistenten Dr.Lutz Schega einen Fachmann für paralym-pischen Schwimmsport und für leistungs-diagnostische Verfahren bei koronarerHerzkrankheit aufweisen kann, betreut re-gelmäßig 35 bis 45 Studierende im gleich-namigen Studienschwerpunkt des Diplom-Sportlehrerstudiums.Den Sport als Rehabilitation gibt es schonviele Jahre. Der Rehabilitationssport in derTrägerschaft spezieller Vereine, wie demVerein REHASPORT Leipzig e.V., ist inDeutschland weit verbreitet und wird imRahmen des Rehabilitationsangleichungs-gesetzes von den Krankenkassen mit Zu-schüssen zu den realen Kosten gefördert.

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Vom oben genannten Verein profitiert auchdie Sportwissenschaftliche Fakultät, weilder Verein garantiert, dass die Studieren-den ihre Lehrübungen und Praktika in denGruppen absolvieren und so die erlernteTheorie in die Praxis umsetzen können.Die Patienten, die an den Kursen des Insti-tuts teilnehmen, zum Beispiel bei der „ak-tiven Wassertherapie für Rheumatiker“oder dem „Integrativen Aquajogging“, ka-men hauptsächlich über Mundpropagandaoder durch Vermittlung von Fachleuten indiese Gruppen.Die Sporttherapie stammt eher aus den kli-nischen Bereichen der stationären Rehabi-litation und muss – will sie sich „Therapie“nennen – spezifische Bedingungen erfül-len. Im Unterschied zur Physiotherapie be-vorzugen Sporttherapeuten die pädagogi-sche Vorgehensweise, d. h. sie stellen indi-kationsspezifische Aufgaben und versu-chen mit Hilfe von Kommentar undKorrektur und durch den Aufbau von Be-ziehungen Wirkungen zu erzielen.Der Behindertensport ging aus dem(Kriegs-) Versehrtensport hervor und fin-det hauptsächlich in Vereinen und Selbst-hilfegruppen statt, wodurch z. B. die Ini-tiative „Bewegungsaktive Rehabilitationmit krebskranken Kindern“ in der gemein-samen Trägerschaft mit der Elternhilfe fürkrebskranke Kinder und der Abteilung On-kologie der Universitätsklinik und Polikli-nik für Kinder und Jugendliche entstand.Eine weitere Besonderheit im Fach Behin-dertensport ist, dass es dazu einen Interna-tionalen Trainerkurs gibt, zu dem Anfangsdieses Monats eine Internationale Konfe-renz stattfand. Der Internationale Trainer-kurs ist eine Ausbildung für Sportlehreraus Entwicklungsländern, die mit Mittelndes Außenministeriums finanziert wird.Die Sportlehrer können sich in ihrem Landüber die deutsche Botschaft bewerben.Hier in Leipzig erhalten sie dann eine halb-jährige Fortbildung im Behindertensport.Ihren Wünschen nach Berücksichtigungdes paralympischen Wettkampfsports wirddabei angemessen Rechnung getragen.Die Absolventen und Fachleute des Behin-dertensports aus den Entwicklungsländernhaben auf der erwähnten Tagung unter demTitel „Konzepte des Behindertensports imnationalen und internationalen Vergleich“eine erste Zwischenbilanz gezogen. DieTeilnehmer der vierten Auflage des Kursesnutzten die Tagung zur Fortbildung undzum Dialog mit weiteren Fachleuten, umLeipzig unter den paralympischen Fach-leuten bekannt und anerkannt zu machen.

Im Vorlesungsverzeichnis der UniversitätLeipzig wird jeweils zu Semesterbeginnunter „Organe der Universität“ der Univer-sitätssportclub e. V. (USC) aufgeführt. DerUntertitel „Zentrale Einrichtungen undEinrichtungen, die nicht zu Fakultäten ge-hören, Museen und Sammlungen“ verrät,dass der USC nicht nur durch den Namenmit der Universität verbunden ist. AlsSportverein bietet er den Studierenden undMitarbeitern sowie allen Bürgern vielfäl-tige Möglichkeiten, Sport zu betreiben.In 16 Abteilungen kann man sich, densportlichen Ambitionen folgend, körper-lich betätigen, vom Breiten- über den Ge-sundheitssport bis hin zum Spitzensport.Der Verein hat zur Zeit mehr als 600 Mit-glieder und zählt somit zu einem der gro-ßen in Leipzig. Die einzelnen Abteilungensind: Allgemeine Sportgruppe, Badmin-ton, Basketball, Bergsteigen, Gerätturnen,Handball, Judo, Kanu, Kegeln, Leicht-athletik, Orientierungslauf (OL), Schwim-men, Tennis, Wandern, Versehrten- undBehindertensport sowie Volleyball. DieMehrheit der Abteilungen befindet sich inregelmäßigem Wettkampfbetrieb. Aus derAbteilung OL sind Angehörige des USCauch am internationalen Wettkampfge-schehen beteiligt.Am 6. Mai 1949 wurde die Hochschul-sportgemeinschaft als Verein der LeipzigerHoch- und Fachschulen gegründet. Grün-dungsmitglieder waren Studenten undAssistenten des damaligen Instituts fürLeibeserziehung der Universität. Die un-genügende Zusammenarbeit aller Hoch-und Fachschulen in Leipzig führte bereits1950 zur Gründung der Hochschulsport-gemeinschaft Universität Leipzig (HSG)später systembedingt HSG Karl-Marx-Universität. Im Gründungsjahr hatte derVerein bereits 1200 Mitglieder in 19 Sek-tionen. So nahmen an den ersten Studen-tenmeisterschaften 1950 in Jena Athletin-nen und Athleten in den Sportarten Gerät-turnen, Leichtathletik, Schwimmen und

Boxen erfolgreich teil. 1953 stieg die Mit-gliederzahl auf 3000 an und in 21 Sektio-nen konnte Sport betrieben werden. Einengravierenden Einschnitt in diese Entwick-lung erlebte die damalige HSG durch dieAuflösung des Instituts (nunmehr) für Kör-pererziehung mit seiner Sportlehrerausbil-dung und Angliederung von Assistentenund besten Wettkämpfern an die DeutscheHochschule für Körperkultur (DHfK). Da-mit war die HSG wieder auf 1200 Mitglie-der geschrumpft.1990 verlor die HSG nahezu alle Mitglie-der aus der Studentenschaft und den Assis-tenten der Universität. Am 6. Juni 1990wurde durch die Initiative von HeinrichHagenloch (heute noch Leitungsmitgliedund zugleich Ehrenmitglied) und RainerBecker der Universitätssportclub Leipzige. V. als Nachfolgeverein der HSG gegrün-det und als gemeinnütziger Verein unter derNummer 560 ins Vereinsregister der StadtLeipzig eingetragen. Dem Verein gehörtenzur Gründung noch 22 Abteilungen an.Dem ersten arbeitsfähigen Vorstand, der1992 gewählt wurde, gehörten an: HeinrichHagenloch, Vorsitzender; Klaus Büchler,stellvertretender Vorsitzender; Ruth Pah-litzsch, Schatzmeister; Dr. Jürgen Brandt,Mitglied; Theo Neumann, Mitglied. Seit2002 wird der USC durch den Vorsitzen-den Dr. Klaus Arnold vertreten.Nach dieser wechselvollen Geschichte istder USC heute dank der tatkräftigen Unter-stützung von ehemaligen und aktuellenUniversitätsangehörigen zu jenem Vereinangewachsen, der ein überaus breitesAngebot sportlicher Aktivitäten anbietenkann.

Dr. Klaus Arnold, USC-Vorsitzender undHeinrich Hagenloch, Ehrenvorsitzender

Geschäftszeiten des Vereinsbüros,Schwimmhalle Mainzer Straße, Z. 250:montags und mittwochs 13–16 Uhr. E-Mail: [email protected]: www.usc-leipzig.de

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16mal Sport im Uni-VereinEntwicklung und Angebot desUniversitätssportclubs Leipzig

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Hochschulsport an der Uni Leipzig – viel-fältig und attraktiv, modern und traditions-bewusst zugleich, nachgefragt bei Studie-renden und Mitarbeitern gleichermaßen –steht für eine über zehnjährige erfolgreicheEntwicklung. Als das Zentrum für Hochschulsport (ZfH)am 2. Dezember 1993 unter dem Rektoratvon Professor C. Weiss als Nachfolgeein-richtung des Instituts für Körpererziehunggegründet wurde, lag bereits ein tiefgrei-fender Umstrukturierungsprozess in denJahren 1989 bis 1993 hinter dem Hoch-schulsport. Die Studentensportabteilungender Handels- und Pädagogischen Hoch-schule waren in die Universität integriertworden, eine Reduzierung des Personalsvon über 80 Personalstellen auf zehn Stel-len, der Einsatz erster Übungsleiter, Verän-derungen in der materiellen Basis warenbereits vollzogen worden. Auf den erstenBlick gegenläufig erscheinend: die Ent-wicklung hinsichtlich der Vielfalt derSportarten und der Attraktivität des Ange-botes, so dass bereits im Wintersemester1993/94 festgestellt werden konnte, dassdas Tief der „Wendezeit“ überwunden war. Die Gründung des ZfH 1993 als ZentraleEinrichtung der Universität markiertenichtsdestotrotz einen Eckpunkt in der Ent-wicklung, denn nach den Turbulenzen derersten Jahre konnte jetzt eine kontinuier-liche Arbeit einsetzen, die eine stete in-haltliche Ausgestaltung und stabile organi-satorische und finanzielle Absicherung ge-währleistete. Ein weiterer Meilensteindann 1996, als basierend auf dem Sächsi-schen Hochschulgesetz das ZfH als Zen-trale Einrichtung auch in der Grundord-nung der Universität vom 1. November1996 verankert wurde.Dreh- und Angelpunkt der erfolgreichenUmstrukturierung des Hochschulsportsnach dem drastischen Abbau hauptamt-licher Stellen in den Jahren 1991/92 wardie Gewinnung kompetenter Kursleiterin-nen und -leiter. 1993 konnten 100 Übungs-

leiter, meist Studierende, die in ihrer Frei-zeit bereits in Vereinen aktiv waren, aberauch bereits längere Zeit am Hochschul-sport teilnahmen, gewonnen werden; imjetzigen Wintersemester werden fast 200eingesetzt sein.1993 wurden 200 Sportkurse in mehr als45 Sportarten und Bewegungsformen an-geboten. In diesem Wintersemester um-fasst das Programm ca. 320 in der Regelwöchentlich stattfindende Kurse undSport- und Spieltreffs in fast 100 verschie-denen Angeboten. Traditionelle wie neueSportarten, alternative Bewegungsmög-lichkeiten wie Angebote zum Ausgleichund zur Entspannung werden darin berück-sichtigt. Aktiver Ausgleich und Erholung,Spaß und Geselligkeit, Fitness und Ge-sundheit aber auch das Kennenlernenneuer Sportarten und die Verbesserung derLeistungsfähigkeit werden im Hochschul-sport angestrebt. Dazu bietet der Hochschulsport heute einsehr differenziertes Programm, das denpotentiellen Teilnehmern unterschiedlicherInteressenlage und Motivation entgegenkommt. Das Urteil der Studierenden zumHochschulsport in Leipzig, das im Rahmeneiner Untersuchung des Centrums fürHochschulentwicklung (CHE) zum Hoch-schulranking 2003 erfasst wurde, erbrachtebzgl. der Qualität einen Platz in der Spit-zengruppe der untersuchten Hochschulen.mDas Ergebnis deckt sich auch mit einereigenen Untersuchung im Rahmen einerMagisterarbeit, wonach die Teilnehmervollkommen oder überwiegend zufriedenmit dem Angebot, den Kursleitern und denzu entrichtenden Beiträgen sind.Die Teilnehmerzahlen am Hochschulsportstiegen kontinuierlich. Es konnte jedochauf Grund der enormen Steigerung der Stu-dierendenzahlen keine Erhöhung der pro-zentualen Beteiligung am Hochschulsporterreicht und damit der ständig wachsendeBedarf nicht besser gedeckt werden. Etwa2500 Studierende und Mitarbeiter nutzten

1993 die Möglichkeiten, im Rahmen desHochschulsports regelmäßig Sport zu trei-ben. Heute – das aktuelle Programm desWintersemesters hat gerade begonnen –bietet das Hochschulsportprogramm über8000 Interessenten einen Platz.Neben der Organisation und Entwicklungdes wöchentlich stattfindenden Hoch-schulsportangebotes und der Durchfüh-rung inneruniversitärer Sport- und sport-lich-kultureller Veranstaltungen engagiertesich das ZfH von Anbeginn im studen-tischen Wettkampfsport durch die Aus-richtung von Sächsischen und DeutschenHochschulmeisterschaften. Ob im Judo,Gerätturnen, Orientierungslauf oder Kanu-polo, die Uni Leipzig hat sich bundesweiteinen Namen gemacht, hervorragendeMeisterschaften ausrichten zu können. Wersich im Wintersemester davon selbst über-zeugen will, der sollte sich die Endrundezur Deutschen Hochschulmeisterschaft imKanupolo in der Schwimmhalle MainzerStraße am 13./14. Dezember ansehen. Die Entwicklung, Organisation und Durch-führung des Breitensportangebotes istunbestritten die Hauptaufgabe des Hoch-schulsports. Ungeachtet dessen galt imZfH auch den Studierenden die Aufmerk-samkeit, die neben ihrem Studium als Leis-tungssportler aktiv blieben. Sie vertraten inunterschiedlichen Sportarten wie Schwim-men, Gerätturnen, Rudern, Leichtathletik,Judo etc. die Universität bei nationalen undinternationalen Wettkämpfen. Als eine derersten Universitäten griff die Uni Leipzigdann auch die Initiative des AllgemeinenDeutschen Hochschulsportverbandes, indem sie seit 1990 Mitglied ist, zur Förde-rung studentischer Spitzensportler auf undverabschiedete im April 2000 eine entspre-chende Vereinbarung.

Weitere Informationen im Internet: www.uni-leipzig.de/sport

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Sport an der Uni:Vielfältig und attraktivZehn Jahre Zentrum für HochschulsportVon Dr. Dorothea Scheel, Leiterin des ZfH

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Klarer Ablauf, großer Andrang – zum dies-jährigen Bewerbungsverfahren äußern sichPetra Nedeltschewa, Beauftragte für Eig-nungsfeststellung im Prüfungsamt derSportwissenschaftlichen Fakultät, und Dr.Hartwig Schicke, Leiter des Prüfungsam-tes (Foto oben). Im Juni mussten die Stu-dienwilligen auf dem Sportgelände an derJahnallee ran, in diesen Tagen nehmen 200junge Menschen ihr Sportstudium an derUniversität Leipzig auf.

Wie sieht die Eignungsfeststellung aus?Schicke: Diejenigen, die auf Diplom oderLehramt studieren wollen, müssen in fünfSportarten etwas demonstrieren bzw. Leis-tungen nachweisen, die angehenden Ma-gister-Hauptfächler in zwei Sportarten, dieNebenfächler in einer Sportart. Das gehtdann über einen ganzen Tag, von morgens7:30 Uhr bis nachmittags 16:30 Uhr. EineSportart nach der anderen muss absolviertwerden, am Ende steht der 3000-Meter-Lauf.

Wie übersteht man am besten diesenschweren Test-Tag?Schicke: So schlimm ist das gar nicht. Der-jenige, der sich sportlich betätigt und auchganz ernsthaft die Absicht hat, bei uns zustudieren, der muss sich eigentlich nicht sosehr vorbereiten. Der ist ja Belastungen ge-wöhnt. Und die Belastungen sind ja weni-ger hart an sich. Es ist einfach nur einezeitliche Frage: das Ziehen von Station zuStation, das Warten auf die anderen Be-werber in der eignen Gruppe. Was natür-lich eine große Hürde ist, ist der Ausdauer-lauf am Schluss. Das ist ohne Zweifel einehohe körperliche Belastung.Nedeltschewa: Das Problem sind glaubeich wirklich nicht die Anforderungen. Diesind nicht zu hoch gesteckt. Aber Man-chen, die sich seit Jahren nur noch mit Fuß-ball beschäftigen, fällt es nun schwer, einePrüfung im Geräteturnen zu machen oderim Rückschlagspiel. Und in den Schulenist es ja nun leider so, dass Sport nichtüberall bis zum Abitur streng nach Lehr-plan durchgezogen wird.

Bereiten sich die Bewerber denn im All-gemeinen nicht noch extra vor?Schicke: Die Masse bereitet sich gut vor.Aber es sind natürlich auch welche dabei,die das eher gelassen angehen. Das siehtman dann auch an den Ergebnissen. Aberspätestens beim Nachtermin, an dem zumBeispiel die Diplom-Anwärter zwei voninsgesamt 17 auf die Sportarten verteiltenTeildisziplinen wiederholen können, beidenen sie zunächst durchgefallen sind,sieht man: Zwischendrin haben die Leutetrainiert.

Provokativ formuliert: Angenommen,ich möchte Sportmanager werden, wiesomuss ich dann als Aktiver so gut sein?Nedeltschewa: Auf dem Diplom stehtnicht Sportmanager, sondern Diplom-Sportlehrer, Studienschwerpunkt Sport-management. Es ist ja auch nicht gesagt,dass der Bewerber später in seiner Traum-richtung eine Anstellung findet.Schicke: Und im Verlauf des Studiums hatja zunächst jeder erst mal das Grundstu-dium zu absolvieren. Die Entscheidung füreinen der vier Schwerpunkte Rehabilita-tions- und Behindertensport, Sportma-nagement, Fitness- und Freizeitsport sowieLeistungssport erfolgt erst während desGrundstudiums.

Wer denkt sich eigentlich die Anforde-rungen an die Bewerber aus?

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Am Anfang stehtder FünfkampfDer sportliche Wegzum Sportstudium

Wer Sport studieren möchte, kommtnicht drumherum. Egal, ob Diplom,Magister oder Lehramt erstrebenswertscheinen. Eine Eignungsprüfung mussabsolviert werden. Das Uni-Journalfragte im Prüfungsamt der Sportwis-senschaftlichen Fakultät nach, was da-

bei zu leisten ist, wie viele Bewerber esgab – und wie viele es geschafft haben. Zudem beschreibt eine junge Frau, diedas Ziel, sich fürs Diplomstudium zuqualifizieren, knapp verfehlt hat, ineinem Selbsterfahrungsbericht ihreTest-Tage.

„So schlimm ist dasgar nicht“

Foto: Carsten Heckmann

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Schicke: Das kommt aus den einzelnenFachgebieten. Die kennen ja die Ziele, diesie später in ihrer Ausbildung erreichenwollen und wissen, welche Voraussetzun-gen schon da sein sollten, damit das über-haupt realistisch ist.

Wie geht es weiter, wenn der Eignungs-test bestanden ist?Schicke: Sie können an jeder deutschenHochschule mit entsprechendem Angebotstudieren. Mit dem Test-Nachweis bewer-ben Sie sich bei der Hochschule Ihrer Wahl.

Wie sah es in diesem Jahr zahlenmäßigin Leipzig aus?Nedeltschewa: Die Nachfrage war weitgrößer als erwartet. Ob die Entscheidung,dass Leipzig der deutsche Olympia-Kandi-dat ist, eine Rolle gespielt hat, können wirnicht genau sagen. Es ist aber denkbar.2001 hatten wir 450 Testteilnehmer, 2002waren es 545, in diesem Jahr fast 800.

Und wie viele haben bestanden?Nedeltschewa: Im ersten Versuch 213, imzweiten noch mal 107. Dazu kommen etwa100 Studienanwärter, die einen Ersatz-nachweis vorgelegt haben. Das ist zumgrößten Teil das Sportabitur.

Bei 200 Studienplätzen wird’s somit na-türlich automatisch heikel …Nedeltschewa: Ja, vor allem, da noch eineTatsache zusätzlich ins Gewicht fällt: DieZahl externer Bewerber, die also ihrenNachweis an einer anderen Hochschulemachen und sich dann in Leipzig bewer-ben, ist größer als die Zahl derjenigen, diein Leipzig den Test machen und dann spä-ter woanders studieren wollen. Sodass wirviel mehr Bewerber haben als Plätze.

Wonach erfolgt dann die Auswahl?Schicke: In erster Linie nach dem Abitur-ergebnis. Keine Rolle spielt, wie der Eig-nungstest bestanden wurde.

Was glauben Sie: Hatten Sie zum Test an-gehende Olympiasieger von 2012 hier?Schicke: Mit Sicherheit nicht. Der Olym-piasieger von 2012 ist heute noch zu jung,um bei uns studieren zu können. Außerdemwird hier Sport studiert, nicht Sport getrie-ben. Über die Hälfte des Lehrangebots be-steht denn auch aus Theorie. Diejenigen,die 2012 Olympiasieger werden sollen, diebefinden sich in den Vereinen.

Interview: C. Heckmann und A. Wust

Hart,aber fairErfahrungen bei derEignungsprüfung

Von Janny Conrad

Heutzutage ist es schwierig, das „Richtige“zu studieren. Nach einem vergeblichenVersuch mit Jura soll es bei mir nun Sportsein. Doch vor den Studienbeginn habendie Götter, nein: hat das Prüfungsamt denEignungstest gestellt. Gerüchte ranken sichum diesen Test (selbst Leistungssportlerseien schon durchgefallen) und natürlichhat die Sportwissenschaftliche Fakultäteinen sehr guten Ruf zu verteidigen. Unddoch traute ich mich in die Höhle des Lö-wen. Am 31. Mai um 7:30 Uhr fanden sichdie Bewerber zum ersten Termin ein. DerHörsaal der Sportfakultät in der Jahnalleefüllte sich. So viele sportlich Menschen …Mir kamen langsam Zweifel, zumal im An-schreiben ausdrücklich stand, dass mansich mit Hilfe eines Sportlehrers auf diePrüfung gut vorbereiten soll. Doch wer hatschon einen Sportlehrer zur Hand, wennman nicht gerade noch im Abitur steht? Ichnicht …Kurz brachte man uns die Formalien nocheinmal nahe: Zwei Teilleistungen in fünfSportgebieten dürfen die Diplomanwärter(also auch ich) nicht bestehen. Diese müs-sen dann aber in vier Wochen bei einemNachprüfungstermin erbracht werden.

Es gab Tränen

Wir wurden in fünf Gruppen zu 60 Perso-nen eingeteilt. Ich war in Gruppe 1, die mitder Mannschaftssportart begann. Fußball,Handball, Basketball und Volleyball stan-den zur Auswahl. Da ich weder Fußballnoch Handball in der Schule gespielt hatteund Volleyball mir immer größere Schmer-zen an Fingern und Unterarmen ein-brachte, „wollte“ ich Basketball spielen.Viele hatten sich nicht dazu entschlossen.So stand ich etwas unsicher herum und

kam ins Gespräch mit zwei Mädchen. Siefragten mich, wann ich denn mein Abi ge-macht hätte. „Vor einem Jahr?“ Ich nicktevorsichtig. Mir wurde bewusst, dass ichwohl mit die Älteste im Teilnehmerfeld war… (Übrigens: Seit acht Jahren habe ich be-reits mein Abitur). Die Zwei wollten Sport nur als Nebenfachzu BWL studieren. Sport alleine erbringekeine Berufschance. Aber gerade im Frei-zeit-, Reha- und Kurbetrieb sehe ich großeMöglichkeiten. Und außerdem muss manstudieren, was einem Spaß macht. Dashabe ich gelernt! Endlich. Der Prüfer winkte uns zu sich.Und wider Erwarten schien er ganzmenschlich. Er nahm mir die erste Auf-regung und ließ am Ende alle bestehen,wenn er auch meinte, dass ich mit dem„Ball technisch besser umgehen“ könnte.Als nächstes kam das Rückschlagspiel. Bisvor zwei Jahren habe ich regelmäßig Bad-minton gespielt. Deshalb sah ich da meinegrößten Chancen. Ich spielte mich ein undversuchte, bei der Prüfung möglichst agilzu wirken. Ein bisschen hin und her hüp-fen … ausholen … durchziehen … – derSchmetterschlag hatte gesessen. Und auchdie Angaben und das hohe Zuspielen derBälle klappten halbwegs. So hatte schonden zweiten Komplex geschafft. Doch esgab auch Tränen. Manche fühlten sich un-gerecht behandelt, einige waren über sichselbst enttäuscht. Die Gruppen wurdenkleiner …

Der Kampf mit der Kugel

Ich befürchtete, nach der nächsten Sportartauch nicht mehr dazu zu gehören: Geräte-turnen! Zuerst Boden: Sprungrolle, Rück-wärtsrolle, Handstand, Rad. Dann kamenStufenbarren und Bocksprung. An dieserStelle möchte ich mich bei den Prüfern be-danken und kann nur sagen, dass sie sehrgroßherzig sind! Es werden wirklich nurGrundlagen verlangt und keine große gra-zile Ausstrahlung. Kaum zu fassen. Ichhatte bereits drei Komplexe hinter mir undalles bestanden. Wahnsinn! Zum erstenMal dachte ich: Das könnte was werden.Nun kam die Leichtathletik und damit dasKugelstoßen. Die Vier-Kilo-Kugeln fühl-ten sich wie zehn Kilogramm an. Und ähn-lich stieß ich auch. Kurzum: Es reichtenicht. Und beim 100-m-Sprint sah es nichtanders aus. Meine fünf Mitläuferinnen hat-ten schnell ein paar Meter Vorsprung undich das Nachsehen. Okay. Noch war nichtsverloren. In zwei Teildisziplinen durfte ich

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„versagen“. Doch jetzt war der Weitsprungan der Reihe. Beim Einspringen schaffteich die Weite nicht. Dann der erste Versuch.Ich lief an, traf den Balken, bekam meineBeine vor und „flog“ über das Gummiband,welches die Mindestanforderung anzeigte. Doch so richtig konnte ich mich nichtfreuen. Ich war mir ziemlich sicher, dassich beim Schwimmen wenigstens einenTeilbereich nicht bestehen würde (werkann schon 20 Meter tauchen und 100 Me-ter in 2:07 Minuten schwimmen?!). Lohn-ten sich überhaupt noch die Mühen desUmziehens und Springens ins kalte Was-ser? Aber es war die letzte Disziplin vordem abschließenden 3000-m-Lauf, der mirüberhaupt keine Angst machte. So kurzvorm Ziel gibt man nicht auf! Und sosprang ich ins Wasser der sehr schönenSchwimmhalle. Sofort hatte ich das Ge-fühl, viel schneller zu sein als im heimi-schen „Aquarium“, wo ich seit über dreiMonaten einmal wöchentlich für diesenMoment trainierte. Dort hatte ich nichteinmal 15 Meter beim Tauchen geschafft.Aber hier in Leipzig durfte man mit einemSprung vom Startblock beginnen. Und sowar es auch mir möglich, die 20 Meter zutauchen. Nun also noch die 100 Meter in

gut zwei Minuten. Die Schwimmart konnteman selbst wählen und nach beliebenwechseln. Mit einem Mix aus Kraulen undBrustschwimmen schaffte ich die Streckein 1:57 Minuten. Die dritte Teilübung, das Zeigen von zwei unterschiedlichenSchwimmstilen, war jetzt ein leichtes.Hurra!Nur noch raus aus der Halle zum 3000-m-Lauf. Doch Viele hatten davor am meistenRespekt. Es wurden Startnummern ausge-teilt. 15 Minuten hatte man Zeit, um dieStrecke hinter sich zu bringen. Beim Startsprinteten alle gleich los und ich musstemich zurück halten. Von Einigen liefen so-gar Freunde mit, damit „ihre Schützlinge“den Weg schafften. Aber auch ich wurdevon den Umstehenden angefeuert. Und soschafften es die Meisten! Völlig erschöpft,aber glücklich wurden die zukünftigenSportstudenten von Freunden und Familiein Empfang genommen. Ein anstrengender Tag war zu Ende. Man-che haben den Eignungstest bestanden. Fürdiese ist alles vorbei. Für Manche fing esaber jetzt erst an, wie auch für mich. Jetzthieß es trainieren vier Wochen später dieKugel weiter zu werfen und die 100 Meterschneller zu absolvieren.

Ich gab alles ...

Also organisierte ich eine Kugel und ließmir die Technik von einem Trainer erklären.Manchmal schaffte ich die 6,50 m. Meistensjedoch nicht. Und so kam der 28. 6. und da-mit der Nachprüfungstermin. Ich war in derLeichtathletikgruppe. Hier hatten die mei-sten Teilnehmer nicht bestanden. Für michging es zuerst zum Kugelstoßen. MeineMitstreiter und ich warfen uns ein. Ich ver-suchte es zusätzlich mit Liegestützen. Unddann ging es los. Ich musste als erste in denRing und gab alles. Eine Studentin warSchiedsrichterin. Und sie war sehr streng.Jeden Wurf schaute sie sich ganz genau an.Meine Weite wurde extra nachgemessen:6,30 m! Ein junger Mann stieß und kratztedie Linie an. Aber es reichte nicht. Und dannkam ein Mädchen, stieß die geforderteWeite und ging in ihrer Begeisterung nichtvorschriftsmäßig aus dem Ring. Und dieStudentin sagte: „Nicht bestanden“. Ichkonnte es nicht fassen. Sie hat doch gezeigt,dass sie Schnelligkeit, Kraft und Technikverbinden kann. Und muss man nicht das inder Eignungsprüfung zeigen? Das Mäd-chen weinte, hatte aber zum Glück ihreMutter und Schwester dabei. Konnte mannicht etwas großzügig sein? Immerhin gehtes hier um eine berufliche Zukunft. So musssie es nun nächstes Jahr wieder probieren.Hoffentlich sind dann verständnisvollerePrüfer zuständig … Aus meiner siebenköpfigen Gruppe hatteeine Frau bestanden. Ich war enttäuschtvon mir! Wahrscheinlich hatte ich nichtgenügend trainiert. Zum 100-m-Sprintmusste ich nun nicht noch antreten. Dafürging ich mit zwei Jungs aus meiner Gruppeins Studentensekretariat. Auf dem Wegdorthin diskutierten wir noch über die Ent-scheidungen der Studentin und die Anfor-derungen der Uni. Aber die Uni muss nichtgroßzügig sein. Es gibt genug Bewerber,mehr als genug! Wir erkundigten uns, wiees denn nun weiter geht. Am selben Tagstellte ich per E-Mail einen Antrag auf Um-schreibung der Zulassung. So kann ichwenigstens den Magisterstudiengang be-ginnen … und zwar in Halle!Meine anfängliche Sorge, dass zu viel vor-ausgesetzt wird, hat sich nicht bestätigt.Die Anforderungen sind hoch, die meistenPrüfer aber fair. Wenn dieser Artikel er-scheint, haben viele bereits ihr Sportstu-dium aufgenommen. Alle anderen solltenes einfach noch mal probieren. Vielleichtsieht man sich mal auf dem Campus …Sport frei!

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Janny Conradstammt ausGotha. Die 26-Jährige hat bisvor Kurzem inLeipzig Jura stu-diert. Jetzt aberbrechen ihresportlichen Inter-essen und Ta-lente durch. Am31. Mai nahmsie am Eignung-stest der Sport-wissenschaft-lichen Fakultätteil, am 28. Junimusste sie zurNachprüfung.NebenstehendesFoto zeigt siebeim erneutenVersuch, dieKugel weit ge-nug zu stoßen …

Foto:Christoph Busse

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ComputergestützteChirurgie Konzept fürKompetenz-zentrumAls einer der führenden Standorte auf demGebiet Computer- und RobotergestützteChirurgie in Deutschland bekam die Medi-zinische Fakultät der Universität Leipzigvom BMBF und Freistaat Sachsen den Auf-trag, ein Konzept für den Aufbau einesKompetenzzentrums Computer- und Ro-botergestützte Chirurgie zu erstellen. Aufden Erfahrungen der seit einigen Jahren inLeipzig ansässigen Interdisziplinären Ar-beitsgruppe Bildgestützte ChirurgischeNavigation (ISGN) aufbauend, die sichdurch fundierte wissenschaftliche und kli-nische Arbeit international einen Namenmachte, wurden unter der Leitung von Prof.Dr. Jürgen Meixensberger, Direktor derKlinik und Poliklinik für Neurochirurgie,die Eckpunkte des Kompetenzzentrums ab-gesteckt und im Juli auf einem öffentlichenForum vorgestellt. Ausgeführt wurde dasbreite Spektrum der Einsatzmöglichkeitenvon PC und Robotik, das von dreidimensio-nalen Darstellungen der Computer- undMagnetresonanztomografie-Daten als „glä-serner Patient“ über Navigationssystemefür eine verbesserte minimal-invasive chir-urgische Orientierung bis hin zu roboti-schen Assistenzsystemen reicht. Als Prinzip der Arbeit des Kompetenzzen-trums wurde seine Interdisziplinaritäthervorgehoben: Nur in der gemeinsamenArbeit von Chirurgen, Ingenieuren, Radio-logen, Physikern, Informatikern, Mathe-matikern sowie Wirtschaftswissenschaft-lern aus Theorie und Praxis können alleAspekte des Einsatzes von Informations-und Kommunikations-Technologie, Me-chatronik und Robotik im Operationssaalgeklärt werden. Die Computer- und Robotergestützte Chi-rurgie stellt einen der revolutionären Ent-wicklungstrends in der Medizin dar. IhreBedeutung für den Patienten erklärt Prof.Meixensberger: „Mit Hilfe der Computer-navigation können wir uns z. B. in Berei-che vorwagen, die bisher unantastbar wa-ren, weil das Risiko für den Patienten vielzu hoch war.“ Dr. Bärbel Adams

Weitere Informationen im Internet:www.uni-leipzig.de/~nchi/indexd.htm

Auf dem ersten Treffen des Kuratoriumsdes Ibero-Amerikanischen Forschungs-seminars (IAFSL) der Universität Leipzigkündigte sein Direktor Prof. Dr. Alfonso deToro den Umbau des IAFSL von einer rei-nen Forschungseinrichtung zu einer öffent-lichen Institution an, die sich immer stär-ker als Partner und Berater von Politik,Bildung und Kultur in Sachsen und inDeutschland sowie von auswärtigen Bot-schaften versteht. Das jetzt erweiterte Ku-ratorium könne auf diesem Wege Unter-stützung geben, unterstrich de Toro. AlsBeispiele dafür, wo sie ansetzen könnte,nannte er die öffentliche Ringvorlesung,den Forschungstag in Leipzig als Forumfür junge Lateinamerika-Forscher, die Pu-blizierung von Forschungsergebnissen so-wie die Durchführung von Kulturveran-staltungen und Ausstellungen. Das Kuratorium besteht aus Persönlichkei-ten des öffentlichen Lebens, der Wirt-

schaft, Kunst und Wissenschaft; sie kom-men aus Europa und Übersee. An der er-sten Sitzung nahmen u. a. der namhafteLateinamerikanist Prof. Dr. Rincón, „Prin-zen“-Sänger Sebastian Krumbiegel, die fürdas Auslandsgeschäft zuständige Direkto-rin der Sparkasse Frau Petra Stein, Buch-messe-Projektleiter Oliver Zille und derlangjährige Vorsitzende des DeutschenHispanistenverbandes Prof. Dr. Ingenschay(Berlin) teil. Letzterer bescheinigte demLeipziger Ibero-Amerikanischen For-schungsseminar Qualität, Originalität, In-novationsfähigkeit und großen Elan. „Esgibt keine zweite Universität in Deutsch-land, die so viel leistet und so viel Echo er-reicht“, sagte er. Das belege die LeipzigerBorges-Forschung, die zu einer Instanz inEuropa geworden ist, die Vielzahl wissen-schaftlicher Tagungen oder die vielbändi-gen Publikationsreihen zu Theater, Lin-guistik, Kultur und Literatur. V. S.

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Ibero-Amerikanisches ForschungsseminarProfil wird erweitert

Die im Sommersemester erstmals angebo-tene Ringvorlesung des Ibero-Amerikani-schen Forschungsseminars zum Thema„Andersheit. Das Eigene und das Fremde“wird im Sommer 2004 fortgesetzt. Daskündigte ihr Initiator Prof. Dr. Alfonso deToro an. Die von der Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützte Reihe habe einengroßen Zuspruch erfahren und einen wis-senschaftlichen Ertrag gebracht. Es werdeauch eine Buchpublikation dazu geben.Im Zentrum der Ringvorlesung standen –so der Fachbegriff – Hybriditätsstrategien

in Lateinamerika, die freilich angesichtszunehmender Globalisierung und unauf-haltsamer Migration weltweit Beachtungund Geltung erlangen. Mit dem BegriffHybriditätsstrategien wird eine Anerken-nung und Praktizierung der kulturellen, re-ligiösen, politisch-weltanschaulichen usw.Differenz verbunden. Dieses Konzept ei-nes Auslebens und Aushandelns verschie-dener Interessen in einem Raum steht demKonzept der Anpassung und Assimilationgegenüber, das, wie die Geschichte zeigt,vielfach zu Konflikten geführt hat. V. S.

Die Erziehungswissenschaftliche Fakultätder Universität Leipzig hat mit der Erzie-hungswissenschaftlichen Abteilung (De-partment of Education) der Mokpo Natio-nal University (Republik Korea) eineVereinbarung über die akademische Zu-sammenarbeit abgeschlossen. Die Koope-ration umfasst den Austausch von Studen-ten, Wissenschaftlern und Angestellten, diePlanung und Ausführung von gemeinsa-

men Forschungsprojekten, die Organisa-tion von gemeinsamen Lehrveranstaltun-gen und die Erstellung und den Austauschvon Publikationen.Der Vertrag wurde am 1. Juli 2003 vomRektor der Universität Leipzig, Prof. Dr.Franz Häuser, und vom Rektor der MokpoNational University, Prof. Dr. Woong-BaeKim, unterzeichnet. r.

Ringvorlesung wird fortgesetzt

ErziehungswissenschaftenKooperation mit Korea

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Hinter dem Leiter des Veterinär-Physiolo-gischen Instituts, Prof. Dr. Gotthold Gäbel,seinen Mitarbeitern und natürlich auch denStudenten der Veterinärmedizin liegenJahre der Unzufriedenheit wegen zuneh-mender Baufälligkeit ihres Institutsgebäu-des sowie weitere zwei Jahre Flexibilitäts-training während der zwei Bauphasen.Aber jetzt ist es vollbracht, die Bauarbei-ten sind beendet (Das Foto entstand wäh-

rend der letzten Bauphase). Das Institut hatdie langwierige (Anfang 2000 ging es los)Renovierung hinter sich. Alle Mitarbeitersind froh, dass nun die Zeit des Vagabun-dierens ein Ende hat und ihnen wieder festeArbeitsplätze zur Verfügung stehen. Prof.Gäbel ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden.Es sei ein gelungenes Beispiel entstanden,wie funktionelle Ansprüche auch in einemälteren Bau erfüllt werden können.

ErziehungswissenschaftenNeues beischulpraktischenStudienSchulpraktische Studien sind Bestandteiledes Lehramtsstudiums, die theoretischeStudien und unmittelbare Praxiserfahrungmiteinander verbinden und so im Zentrumvon Reformen der Lehrerbildung stehen(vgl. Uni-Journal Juli 2002). Neu in Leipzig sind semesterbegleitendeschulpraktische Studien. Sie bieten Studie-renden die Möglichkeit, über einen länge-ren Zeitraum mit einzelnen Schülern, einerKlasse, einer Schule, einer Lehrerin inten-siv zusammenzuarbeiten. Sie können je-weils für ein Schuljahr (auf Wunsch länger)Aufgaben übernehmen, die Schulen hel-fen: Hausaufgabenhilfe, Einzelbetreuung,Mitarbeit bei Projekten, Angebot von eige-nen Projekten und Arbeitsgemeinschaften,Teilnahme an Klassenfahrten u. a. FürLehrkräfte bedeutet das Entlastung undUnterstützung in der Alltagsarbeit. Studie-rende haben so frühzeitige Kontakte mitKindern/Jugendlichen, können Berufseig-nung und -motivation überprüfen.Ein Beispiel für erfolgreiche semesterbe-gleitende schulpraktische Studien ist dasModellprojekt „Abenteuer Natur“, das eineStudentin im April 2002 an der 9. Grund-schule der Stadt Leipzig ins Leben gerufenhat und das seither durch ideenreiche undengagierte Kommilitonen umgesetzt wird.Ziel dieses Projekts ist die Sensibilisierungder Kinder für die Natur, den Arten- undUmweltschutz. Neben der Planung undDurchführung dieser Arbeitsgemeinschaftkönnen die zehn bis zwölf Praktikantinnenwährend des Unterrichts hospitieren undauch einmal eine Unterrichtsstunde halten.So baut sich eine längerfristige Beziehungzwischen Studierenden, Kindern und Leh-rerinnen auf. Die Schule hat von den inno-vativen Ideen der Studenten profitiert: Je-der vierte Schüler nutzt seit über einem Jahrkontinuierlich diese Arbeitsgemeinschaf-ten. Durch Teilnahme am Wettbewerb„Grün macht Schule“ entstanden ein „Klas-senzimmer im Grünen“ sowie ein Feucht-biotop. Aufgrund der Schulgeländegestal-tung und des Modellprojektes erhielt dieSchule den Titel „Umweltschule in Eu-ropa“ sowie den 1. Preis des Umweltwett-bewerbes der Schulen der Stadt Leipzig.Dr. Doris Flagmeyer und Cornelia Werndl

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Veterinär-Physiologisches Institut:Renovierung ist abgeschlossen

Foto: Mathias Frölich

Medizinstudenten des 1. und 5. Semesterswerden an der Universität Leipzig in die-sem Jahr erstmals nach einer neuen Stu-dienordnung ausgebildet, die den Intentio-nen der neuen Approbationsordnung ent-spricht und von der Medizinischen Fakul-tät unter Mitwirkung der Studentenerarbeitet wurde. Kernpunkte der neuenStudienordnung sind das problemorien-tierte Lernen nach den Konzepten einesintegrativen Blockstudiums und der Klein-gruppenunterricht am Krankenbett.Die neue Approbationsordnung für Ärztevom 3. Juli 2002 fordert eine Ausbildungunserer zukünftigen Mediziner, die fächer-übergreifendes Denken fördert und pro-blemorientiert am Lehrgegenstand ausge-richtet sein soll. Außerdem wird auf Unter-richt in kleinen Gruppen orientiert, insbe-sondere die Ausbildung am Krankenbett.Prof. Dr. Wieland Kiess, Dekan der Medi-zinischen Fakultät der Universität Leipzig,betont besonders die konstruktive Zu-sammenarbeit bei der Erarbeitung der Stu-

dienordnung zwischen Studierenden undMitgliedern des Dekanatskollegiums.Ausgehend von einem konkreten Fall erar-beiten sich die Studierenden im Gruppen-unterricht das für die Lösung des Fallesnotwendige Wissen. Jede Gruppe wird voneinem Tutor betreut. Auch am Krankenbettist die Anzahl der Studenten eingeschränkt.Maximal vier zukünftige Ärzte werden dieHochschullehrer zum Patienten begleiten.Die Wissensvermittlung wird dadurch in-tensiviert und ist für den Patienten wenigerbelastend. „Wir sind uns sicher, dass wir mit unseremAngebot die Attraktivität des Medizinstu-diums in Leipzig weiter verbessern kön-nen“, kommentiert der Studiendekan Hu-manmedizin der Leipziger MedizinischenFakultät, Prof. Jan F. Gummert. „Aber vorallem können wir mit der Gewissheit an dieweitere Arbeit gehen, dass die von uns aus-gebildeten zukünftigen Ärzte, für ihre ver-antwortungsvolle Arbeit bestens gewapp-net sind.“ B. A.

Medizin: Neue Studienordnung

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Selbst ist dieFotografinLeipzigeringewinntWettbewerb

Die Leipziger Studentin Annika Michalskiist die Hauptgewinnerin beim 7. Fotowett-bewerb der Partneruniversitäten Leipzig,Halle und Jena. Mit ihrer Portraitserie„Selbst zu dritt“ (im Bild oben: die darausentstandene „city card“) setzte sie sichgegen 139 Mitbewerber durch. „Ich bin im-mer noch sprachlos“, sagte die 22-Jährige,die Kunstgeschichte, Alte Geschichte sowieMittlere und Neuere Geschichte studiert.Sie konnte sich über 250 e Preisgeld freuen– und eben über die entstandene Postkarte,die in einer Auflage von 10 000 Stück in denTeilnehmer-Städten verteilt wurde. 1000Exemplare gab es zusätzlich für den „Ei-genbedarf“ der Siegerin, die damit „in den

nächsten Jahren Freunde und Verwandte“beglücken möchte. Annika Michalski foto-grafiert, weil es ihr schlicht Spaß macht. Sielichtet vor allem „das facettenreiche undüppige Leipzig und Umland ab“ – aber ebenauch gern sich selbst.Daher konnte sie problemlos am diesjähri-gen Wettbewerb teilnehmen, der in denKategorien „Selbstportrait“, „Naturwel-ten“ und „Party Animals“ ausgetragenwurde. Auch die Einzelsieger in diesenKategorien studieren übrigens allesamt inLeipzig. So gewann Rita Barwitzki mitihrem Beitrag „moi-même I“ in der Kate-gorie „Selbstportrait“, Christiane Mossnermit ihrer „zweihöckrigen Insel“ bei den

„Naturwelten“ und Anja Keßler mit „TheGroovy Bunch“ bei den „Party Animals“.mOrganisiert wird der Fotowettbewerb jähr-lich vom „Studentischen Photoclub Con-spectus“ in Halle. Dessen künstlerischerLeiter, Diplom-Fotograf Kai-Uwe Dietrich,saß zusammen mit zwei weiteren Fotogra-fen (einer davon Dietmar Fischer, Leiterdes Leipziger Fotoclubs), einer Vertreterindes Studentenwerks Halle und einemSponsorenvertreter in der Jury. Die Sieger-bilder sind noch bis Anfang November inder Hallenser Harz-Mensa während der re-gulären Öffnungszeiten zu sehen. Die Aus-stellung soll anschließend nach Leipzigund dann nach Jena kommen. C. H.

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Seit dem 1. Oktober vertreten zwei neu ge-wählte Sprecher den StudentInnenRat derUniversität Leipzig. Derzeit gibt es, nacheiner grundlegenden Strukturänderung imletzten Jahr, insgesamt drei Sprecher. Diesearbeiten „hauptberuflich“ im und für denStuRa. Sie haben nun zusätzlich als großenZuständigkeitsbereich das weite Feld derHochschulpolitik. Darüber hinaus versu-chen sie durch den ständigen Kontakt zuVerwaltung, Rektorat und natürlich auchden studentischen Vertretern andererHochschulen sachsen- und bundesweit,immer auf dem aktuellsten Stand der Bil-dungspolitik zu bleiben. Denn nur so kön-nen sie das Geschehen in der Universitätebenso wie das politische Geschehen aufLandes- und Bundesebene kritisch beäu-gen und mitgestalten. Kurz: Sie geben demStuRa ein Gesicht nach außen und sindsomit erste Ansprechpartner.

Innerhalb des StuRa unterstützen sie dieReferate und koordinieren diese sowie dieeinzelnen Fachschaftsräte so gut wie mög-lich.Sie sind jederzeit, oder zumindest täglichzwischen 11 und 16 Uhr, erreichbar.

Kontakt:HG 2. Etage, Raum 2–27Tel.: 03 41 -973 78 50/973 78 71eMail: [email protected].

Jenny GullnickStudentin der Medizin;Sprecherin seit Mai 2003;Spezielle Aufgabenge-biete: Evaluation, Univer-bund Halle-Jena-Leipzig

Tim TepperStudent der Kunstge-schichte, Kulturwissen-schaften, Westslavistik,Historischen Hilfswissen-schaften sowie Ost- und

Südosteuropäischen Geschichte; Sprecherseit Oktober 2003; Spezielle Aufgaben-gebiete: Uni- Um- und Neubau, Studien-finanzierung

Benjamin SchulzStudent der Soziologie,Philosophie und Logik/Wissenschaftstheorie;Sprecher seit Oktober2003; Spezielle Aufgaben-

gebiete: Internationalisierung von Stu-diengängen, Vertretung auf Landes- undBundesebene

Neues Triumvirat beim StudentInnenRat

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M. BlessingDer studierte Biologe hat schon früh dieRichtung seiner wissenschaftlichen Arbeitangezeigt – die Krebsforschung –, indemer gleich nach seinem Studium 1985 ansKrebsforschungszentrum Heidelberg ging.Sein Forschungsobjekt, die Welt der Zelleund ihre Rolle bei der Krebsentstehung, hater während seiner gesamten beruflichenLaufbahn verfolgt, sei es in Nashville,USA, an der Mainzer Universität oder jetztin Leipzig. Hier ist er C4-Professor für Mo-lekulare Pathogenese an der Veterinärme-dizinischen Fakultät und einer der sechsProfessoren am Biotechnologisch-Biome-dizinischen Zentrum (BBZ).Manfred Blessing untersucht u. a. die Bo-tenstoffe, die für die Kommunikation zwi-schen den Zellen sorgen. Das sind be-stimmte Proteine, deren Herstellung vonGenen gesteuert wird. Ihn interessiert da-bei besonders, warum es zu „Fehlsteuerun-gen“ kommt, die zur Krebsentstehung füh-ren. Dabei beschäftigt ihn auch das Versa-gen des Immunsystems. „Damit die entar-teten Zellen im Körper Fuß fassen können,muss immer auch die körpereigene Im-munabwehr unterdrückt werden“, erklärtProf. Blessing. „Außerdem muss gewähr-leistet sein, dass der Tumor ausreichend mitBlutgefäßen versorgt wird“. Das quasi Pa-rasit-Wirt-Verhältnis setzt eine „Kommu-nikation zwischen den beiden Parteien“voraus, die über spezifische Botenstoffe,ermöglicht wird. Blessing versucht nunherauszufinden, welche Botenstoffe wel-che Funktionen haben. Dazu verändert erdie Aktivitäten einzelner Botenstoffe bzw.die Empfindlichkeit einzelner Zelltypengegenüber den Botenstoffen.Für Blessing liegt ein besonderer Reizdarin, seine Arbeit in einem Zentrum ver-richten zu können, in dem so gute Mög-lichkeiten des Transfers von Erkenntnissender Grundlagenforschung in die Anwen-dung bestehen wie im BBZ. Jetzt will ermöglichst schnell mit seiner Frau und sei-nen zwei Töchtern in Leipzig Fuß fassen.

B. A.

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T. Schönebergversucht die Sprache der Zelle zu verstehen– so könnte man grob die wissenschaft-liche Arbeit des Facharztes für Pharmako-logie/Toxikologie umschreiben. Den Berli-ner Prof. Dr. med. Torsten Schöneberg hates von der FU Berlin an das Institut für Bio-chemie der Medizinischen Fakultät gezo-gen. Hier ist er einer der zwei C4-Profes-soren; sein Arbeitsgebiet ist die Mole-kulare Biochemie mit dem SchwerpunktEndokrinologie. Der 36-Jährige beschäftigt sich mit derVermittlung von Signalen in der Zelle, be-sonders mit Fehlfunktionen von Rezepto-ren, die zu bestimmten, oft erblichen,Krankheitsbildern führen können. Dabeimöchte er klären, warum eine bestimmteMutation zu bestimmten Krankheiten füh-ren kann. Im Moment steht der renaleDiabetes insipidus, eine Fehlfunktion derNiere, im Mittelpunkt seiner Arbeit. DieUrsache ist oft ein Gen-Defekt, der dieSignal-Vermittlung in die Zellen stört. Dasführt bei dieser relativ seltenen Krankheitdazu, dass die Kinder bis zu zehn LiternUrin pro Tag ausscheiden. Für sie ist dasnicht nur belastend, sondern auch mit Ein-schränkungen und sogar lebensbedroh-lichen Komplikationen verbunden. Mit derKlärung der diesem Gen-Defekt zugrunde-liegenden Mechanismen will Schönebergden Schlüssel zur Therapie finden.Sein vorübergehendes Domizil hat Schö-neberg im neuen Max-Planck-Institut fürEvolutionäre Anthropologie gefunden. Daskommt ihm sehr entgegen, findet er dochhier Partner für seine zweite wissenschaft-liche Leidenschaft: die Suche nach funk-tionell-relevanten Protein-Strukturverän-derungen.Wenn ihn seine Arbeit an der Schnittstellezwischen Grundlagen- und klinischer For-schung nicht in Anspruch nimmt, genießter das Familienleben mit seiner Frau undseinen zwei Kindern. Im Herbst ist er auchdann auf der Suche: Er sammelt Pilze undkann als Toxikologe sicher sein, dass ihmkein giftiger in den Kochtopf kommt. B. A.

Neuberufen:

Günther Heegist seit dem Sommersemester neuer Pro-fessor am Institut für Theaterwissenschaft.Das Profil der Professur sieht vor, die Kul-turgeschichte des Theaters mit den Schwer-punkten Intermedialität und Ästhetik desGegenwartstheaters zu verbinden. Prof.Heeg will seinen Beitrag dazu leisten, „dieAttraktivität der Leipziger Theaterwissen-schaft als eines der bedeutendsten Instituteim deutschsprachigen Raum zu festigenund auszubauen“. Der 55-Jährige hat eine lange Liste mit denProjekten zusammengestellt, die er initiie-ren bzw. an deren Erfolg er mitarbeiten will.Dazu zählen zwei drittmittelfinanzierteForschungsprojekte zu den Themen „Dar-gestellte Gewalt und die Gewalt der Dar-stellung in Musik, Theater und BildenderKunst“ und „Die Theatralisierung des Todesin den Kunst-Medien“. Heeg möchte zudemeine internationale Konferenz zum 75. Ge-burtstag des 1995 verstorbenen Dramati-kers Heiner Müllers im Herbst 2004 vorbe-reiten. Zu Müller will Heeg auch eine insti-tutsinterne Forschungsstelle einrichten.Des weiteren liegt Günther Heeg viel aneinem kontinuierlichen Austausch zwi-schen Theater und Wissenschaft, den derSchwerpunkt Ästhetik des Gegenwarts-theaters „unabdingbar“ voraussetze. Dahersoll es Kooperationen mit Künstlern undInstitutionen geben und eine institutsin-terne Probebühne.Heeg hat Germanistik, Geschichte, Philo-sophie und Sozialwissenschaften an denUniversitäten Stuttgart, Würzburg, Berlinund Frankfurt/Main studiert. Er promo-vierte 1977 zu Konstitutionsbedingungenantifaschistischer Literatur im Exil, arbei-tete anschließend als Lehrer an einemGymnasium. Zugleich nahm er Lehrauf-träge in Gießen und Frankfurt wahr undleitete sechs Jahre lang eine Theater-gruppe. 1993 machte er sich an seine Ha-bilitation im Fach Theaterwissenschaft, ar-beitete dann an einem DFG-Projekt mitund war von 1999 an als Dozent an der UniMainz tätig. C. H.

Personalia

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Neuberufen:

Christian JassoyDer Facharzt für Mikrobiologie und Infek-tionsepidemiologie arbeitet auf dem Gebietdes Virus, das als Auslöser von AIDS wohleiner der gefürchtetsten Krankheitserregerist: Das Human Immunodeficiency Virus,kurz HIV genannt, birgt noch viele Ge-heimnisse, von denen Prof. Jassoy einigelüften will. U. a. ist er auf der Suche nacheinem Impfstoff auf der Basis eines neuenKonzeptes und kann auf erste Teilerfolge inTierversuchen verweisen. Die Motivationfür seine Arbeit zieht er u. a. aus dem Elendin vielen afrikanischen Ländern, wo z. B. inBotswana mehr als 40 Prozent der erwach-senen Bevölkerung mit HIV infiziert sind.Aktuell sucht er auch nach diagnostischenTestsystemen für das SARS-Virus, das bisvor kurzen die Welt in Atem hielt. Der in Heidelberg geborene Virologe warzuletzt an der Universität Würzburg tätig,davor forschte er zwei Jahre als ResearchFellow of Medicine an der Harvard Medi-cal School in Boston/USA. Dabei war erkeineswegs immer auf seine jetzige For-schungsstrecke festgelegt. „Das hat sich soergeben“, meint er, „aber wenn einen dieVirologie erst einmal gepackt hat …“ Spä-testens mit seiner Habilitation „Eigen-schaften der HIV-spezifischen zytotoxi-schen T-Lymphozytenantwort“ waren danndie Weichen endgültig gestellt.An Leipzig reizen ihn besonders die her-vorragenden Arbeitsmöglichkeiten amMax-Bürger-Forschungs-Zentrum und diewissenschaftlichen Kontakte innerhalb derMedizinischen Fakultät, aber auch zur Ve-terinärmedizin und zur Fakultät für Bio-wissenschaften, Pharmazie und Psycho-logie. In der Lehre hat er es nicht nur mitMedizinstudenten zu tun, sondern auch mitBiologiestudenten.Aber auch die Stadt hat es Jassoy angetan:„Leipzig bietet viel Kultur und Freizeit-möglichkeiten für jeden Geschmack.“ Dasbedeutet viel Abwechslung für ihn, seineFrau und seine drei Kinder, denen er seineFreizeit widmet, denn: „mein Hobby istmeine Familie“, scherzt er. B. A.

NOMENNamenforscher Prof. Jürgen Udolph zurHerkunft des Namens „Jassoy“

Eine Telefon-CD von Deutschland, die ca.35 Millionen Teilnehmer, enthält, kennt 20Namenträger. Die Verbreitung zeigt, dassder Name vor allem im deutschen Süd-westen häufig ist (Wiesbaden, Heidelberg,Freiburg). Er ist aber nicht auf Deutschlandbeschränkt, wie die umfangreiche Dateider Mormonen (Internet: www.family-search.org) in Salt Lake City deutlichmacht. Danach erscheint er in den USA vorallem in Minnesota, wichtiger für die Fragenach Herkunft und Ursprung sind aber fol-gende Angaben aus Europa: in England ist1715 Jeremiah Jassoy nachgewiesen, inFrankreich 1623–1685 Abraham Jassoy,David Jassoy, Pierre Jassoy in Metz und inDeutschland vor allem in Frankfurt/Mainund Hanau. Dabei kann der Lebensweg vonEdward Ehrentien Jassoy verfolgt werden:er wird in Hessen-Nassau geboren undstirbt 1900 in den USA.Die Vornamen der europäischen Jassoyweisen auf jüdische Herkunft: Jeremiah,Abraham, David. Ein Schwerpunkt scheintin Metz gewesen zu sein. In Frankreich istder Name allerdings nicht mehr nachweis-bar (Internet: www.notrefamille.com).Es besteht offenbar ein Zusammenhangmit deutschen Familiennamen wie Jaß,Jas, Jasse, die aus franz. Josse (zu Jodo-cus) stammen. Das französische Jos „färbtsich stellenweise in deutschem Munde zuJas ab“ (J. K. Brechenmacher, Etymologi-sches Wörterbuch der deutschen Familien-namen, Bd. 1, Limburg (Lahn) 1957–1960,S. 766).Vor hieraus gelangt man dann endlich zuder französischen Sippe um Josse, Joss,Jos, Joisse, Jousse, flämisch Joos, dazuAbleitungen wie Josset, Jossat, Jossot,Josseau, Joseau (M. Morlet, Dictionnaireétymologique des noms de famille, Paris1997, S. 543). Diesen Namen zugrundeliegt Judocus, eigentlich ein keltischerName mit der Bedeutung „Kämpfer“, der658 starb und als Heiliger vor allem inElsaß-Lothringen und der Bretagne verehrtwurde.

GeologieNeuer DAAD-Gastdozent

Seit 1. Juli arbeitet Prof.Dr. Ian Lerche am Insti-tut für Geophysik undGeologie der UniversitätLeipzig. Er wird sich einJahr lang in die Lehreund Forschung im Stu-

diengang Geologie einbringen. Seine Tä-tigkeit wird im Rahmen des Gastdozenten-programms des Deutschen AkademischenAustauschdienstes (DAAD) zur Förderungausländischer Gastdozenten zu Lehrtätig-keiten an deutschen Hochschulen unter-stützt.Lerches Karriere begann in den frühen1960er Jahren als Astrophysiker in Man-chester, England, und als solcher arbeiteteer bis 1980 an der Universität Chicago undin Australien. Ab 1981 war er für den Erd-ölkonzern Gulf Oil in Pittsburgh undHouston tätig und entwickelte Computer-programme zur Entdeckung neuer Erdöl-vorräte. 1984 wechselte er an die Univer-sität Columbia, South Carolina, USA. Dortarbeitete er weiterhin über die Ausbeutungvon Erdöllagerstätten, aber auch über dieRisiken bei der Kohlenwasserstoffgewin-nung, über die Dynamik von Salz und Salz-lagerstätten, über Beckenanalyse undBeckenmodellierung, über Isotope sowieüber zahlreiche weitere aktuelle Themender Geowissenschaften.Prof. Lerche wurde mit zahlreichen Eh-rungen ausgezeichnet (u. a. US-Sonder-preisträger der Alexander-von-Humboldt-Stiftung). Der renommierte Wissenschaft-ler wird seine langjährige Erfahrung in denStudiengang Geologie einbringen und da-mit wesentlich zur Internationalisierungder Lehre beitragen. Er deckt Felder ab, fürdie es an der Universität Leipzig und auchinnerhalb des Universitätsverbundes Leip-zig-Jena-Halle bisher keine Expertise gibt.Seine Lehrveranstaltungen werden dieAusbildung unserer Studenten wesentlichinternationaler und anwendungsbezogenermachen. Im WS 2003/04 werden angebo-ten: Basin Analysis, Geological and Eco-nomic Risking Methods (Part 1: EconomicAspects), Salt and Sediments. Die Lehr-veranstaltungen werden terminlich so an-gesetzt, dass auch Studenten der Univer-sitäten Freiberg, Jena und Halle teilnehmenkönnen. Prof. Dr. Werner Ehrmann

Heft 5/2003

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Aus der Hand von Rektor Franz Häuser hatder frühere Direktor des Instituts für Mas-sivbau und Baustofftechnologie der Uni-versität Leipzig, Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. e. h.Gert König, in Fachkreisen respektvoll„Beton-Papst“ genannt, am 10. Juli Ur-kunde und Medaille zur Ehrenbürgerschaftder Universität empfangen. Gewürdigtwerden damit – wie auf der Urkunde ver-merkt ist – seine „besonderen Verdiensteum die Förderung der Interdisziplinarität inForschung und Lehre an der UniversitätLeipzig“. Gert König ist nach der ehema-ligen Leiterin des Universitätsarchivs Re-nate Drucker und der georgischen CellistinTamara Gabaraschwili, die 1998 eine seitdem I. Weltkrieg verschollene wertvolleViola d’amore dem Musikinstrumenten-museum der Universität übergab, erst diedritte Persönlichkeit, der die Würde einesEhrenbürgers der Universität verliehenwurde.In der kleinen Feierstunde im Kreise vonAltmagnifizenz Bigl, Dekan Hasse undKollegen aus dem Bauingenieurwesenwürdigte Rektor Häuser das große Enga-gement von Gert König bei der Integrationdes Bauingenieurwesens in die Wirt-schaftswissenschaftliche Fakultät, für dieKonzipierung neuer Studiengänge und dieZusammenarbeit mit außeruniversitärenEinrichtungen. Diese Verflechtung von In-genieurwesen und Wirtschaft, so der über-einstimmende Tenor, sei nach wie vor

außerordentlich zukunftsträchtig. Der Rek-tor versicherte, dass ungeachtet des vorge-gebenen Rückbaus des Bauingenieurwe-sens die Hände nicht in den Schoß gelegtwürden, sondern vielmehr Anstrengungendarauf gerichtet sind, mit neuen innova-tiven Studiengängen technisch-anwen-dungsorientierte Kompetenz für das Auf-greifen moderner Entwicklungen an derUniversität zu erhalten.Prof. König, 1995 aus Darmstadt an dieUniversität Leipzig gekommen und hiernoch mit 68 Jahren als Hochschullehrertätig gewesen, sagte, dass er die LeipzigerZeit nie vergessen werde, auch wegen derfruchtbaren Arbeitsatmosphäre, die ebengerade nicht, wie sonst üblich, vom Kampfder Architekten und Bauingenieure gegen-einander geprägt werde. Auf sein Aufbau-werk angesprochen, unterstrich er: „OhneLiebe und Leidenschaft kann man nichtserreichen; wir haben versucht, das an dieStudenten weiterzugeben. Schließlich sinddie Studenten das Benzin, ohne das unserMotor nicht läuft.“ Und er berichtete da-von, dass er bei seinen Vorträgen querdurch Deutschland nicht selten von jungenLeuten angesprochen wurde, ob sie nichtein Studium in Leipzig absolvieren könn-ten. Denen habe er geantwortet: „PackenSie Ihren Koffer und kommen Sie gleichmit nach Leipzig.“ Und tatsächlich seienauf diese Weise eine ganze Reihe Studie-render an der Pleiße gelandet. V. Schulte

Byzanti-nistengeehrt65. Geburtstagder ProfessorenMatschke undHenrich

Der Leipziger Mediävist und ByzantinistKlaus-Peter Matschke, seit 1986 Professoram Historischen Seminar (zunächst fürallgemeine Geschichte des Mittelalters, ab1992 für mittelalterliche und byzantinischeGeschichte), hat durch seine Arbeiten nichtunwesentlich dazu beigetragen, unser Wis-sen über die spätbyzantinische Gesell-schaft weiterzuentwickeln. Byzanz warauch unter seiner letzten Dynastie und un-ter den Bedingungen extremer politischerund militärischer Defensive gegen die vor-rückenden Osmanen gleichwohl kein ster-bendes und in Resignation versinkendesGemeinwesen. Vielmehr hatte es an einerEpoche der Dynamisierung, des überregio-nalen Ausbaus personaler Netzwerke, so-wie geistiger und ökonomischer Horizont-erweiterungen aktiven Anteil. Diese Pro-zesse untersuchte Klaus-Peter Matschke inzahlreichen Monographien und Aufsätzenmit sozial- und wirtschaftsgeschichtlichemSchwerpunkt.Die Studien seines Kollegen Günther Stef-fen Henrich, seit 1994 Professor für by-zantinische und neugriechische Philologieam Institut für Klassische Philologie, ha-ben sich hingegen besonders auf die Ent-wicklung und Transformation der griechi-schen Volkssprache in byzantinischer undnachbyzantinischer Zeit konzentriert, aufsprachliche Phänomene, die immer auchReflexe geistigen und gesellschaftlichenWandels sind.Als Ehrung für die beiden Fachvertreter,die in diesem Jahr ihren 65. Geburtstagfeierten (Matschke am 14. Mai, Henricham 15. August), fand am 11. und 12. Juli

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journal

Ehrung im Rekto-ratsgebäude:Rektor Prof.Franz Häuser,EhrenbürgerProf. Gert König,Dekan Prof. RolfHasse, ehem.Rektor Prof.Volker Bigl (v. l.)

Foto:Armin Kühne

„Beton-Papst“ist EhrenbürgerGert KönigsVerdienste gewürdigt

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in der Universitätsbibliothek und demGästehaus Villa Tillmanns eine Tagung un-ter dem Titel „Geschehenes und Geschrie-benes – Chancen und Perspektiven in derGesellschaft des späten Byzanz und ihresprachlichen Ausdrucksformen“ statt.Diese hatte sich zum Ziel gesetzt, an diewissenschaftlichen Interessen und Kon-zeptionen der Jubilare anknüpfend, ver-schiedene Methoden der Erkenntnisgewin-nung fruchtbar miteinander zu verknüpfen,um weitere Aspekte eines dynamischerenBildes des späten Byzanz und der griechi-schen Bevölkerung auch nach dem Unter-gang des Reiches vor 550 Jahren heraus-zuarbeiten.Dazu kamen 17 Byzantinisten und Philo-logen aus Deutschland, Österreich, Tsche-chien und Luxemburg nach Leipzig, prä-sentierten zusammen mit drei Kollegenhiesiger Institute neue wissenschaftlicheForschungen und diskutierten diese miteinem zumeist jüngeren Fachpublikum.Alle Teilnehmer äußerten wiederholt ihreHoffnung, dass die Byzantinistik auch zu-künftig an der Universität Leipzig vertre-ten sein werde.Um die Erträge der Veranstaltung einemweiteren Interessentenkreis bekannt zu ma-chen, erscheinen sie in einem Tagungsbandzu Ehren der beiden Emeriti.

Text: Sebastian Kolditz/Ralf C. MüllerFotos: Armin Kühne

Am 16. August 2003 beging Prof. Dr. Jür-gen Guthke (Professur für DifferentiellePsychologie und Psychodiagnostik) seinen65. Geburtstag. Jürgen Guthke ist mehr als45 Jahre mit der Universität Leipzig ver-bunden. So studierte er hier von 1956 bis1961 Klinische Psychologie. 1964 promo-vierte sich Guthke mit einer Arbeit zurPsychodiagnostik von Schulanfängern.1971 erfolgte die Habilitation mit einerSchrift zur Psychodiagnostik der intellek-tuellen Lernfähigkeit, welche 1972 alsBuch beim Deutschen Verlag der Wissen-schaften und 1977 auch in der BRD verlegtwurde. Zunächst arbeitete Guthke ab 1975als Hochschuldozent. 1978 wurde er alsProfessor für Klinische Psychologie beru-fen. Nach der Wiedervereinigung wurde JürgenGuthke als erster aus dem Kreis der DDR-Professoren im Bereich Psychologie an derUniversität Leipzig als Professor NeuenRechts auf die C4-Professur für Differen-tielle Psychologie und Psychodiagnostikberufen und leistete in zahlreichen Beru-fungskommissionen an der UniversitätLeipzig, aber auch an der TU Dresden undder TU Magdeburg wertvolle administra-tive Arbeit. Als Leiter des FachbereichsPsychologie leistete er bei der Neustruktu-rierung der Psychologischen Institute eineverantwortungsvolle Arbeit und hat somitdazu beigetragen, das neue Gesicht derUniversität zu formen. Während seiner langen Dienstzeit warGuthke Mitglied der Fakultätsräte für Me-dizin, Naturwissenschaften und Mathema-tik, Kultur-, Sprach- und Erziehungswis-senschaften und schließlich der Fakultätfür Biowissenschaften, Pharmazie undPsychologie. Hier wurde er 1996 zum Pro-dekan gewählt. Nicht zuletzt aufgrund sei-nes nicht nur national hohen wissenschaft-lichen Renommees wurde Guthke bereits1991 in den Kreis der Fachgutachter derDeutschen Forschungsgemeinschaft ge-wählt. 2001 wurde er durch die DeutscheGesellschaft für Psychologie mit demAlfred-Binet-Preis und durch den Berufs-

verband deutscherPsychologen mitder Hugo-Münster-berg-Medaille aus-gezeichnet. Seine Forschungs-arbeiten sind the-matisch weit gefä-chert. So findensich zahlreiche Ar-beiten zur Psycho-diagnostik bei Hirnschädigungen und De-menz bzw. von psychosozialen Risiko-faktoren für Erkrankungen, darüber hinausArbeiten zu kritischen Lebensereignis-sen und zur Diagnostik der Fremd-sprachenlernfähigkeit. Vor allem seine in-novativen Forschungen auf dem Gebiet derIntelligenz- und Lernfähigkeitsdiagnostikgenießen sowohl national als auch interna-tional als „Leipziger Schule“ höchstes Re-nommee. Jürgen Guthke hatte Gastprofessuren anden Universitäten in Bern, Mexiko Cityund Osnabrück inne, war Mitherausgeberder Psychologischen Rundschau und istheute noch Mitglied des Wissenschaft-lichen Beirates zahlreicher Fachzeitschrif-ten. Seine umfangreiche Bibliographie um-fasst 17 Bücher, 6 psychologische Testver-fahren, über 120 Zeitschriftenartikel undBeiträge in Sammelwerken. Er betreute un-gezählte Diplomarbeiten, mehr als 35 Dis-sertationen und 6 Habilitationen. Für seineQualität als hervorragender Hochschulleh-rer spricht unter vielen anderen, dass ihm– noch bevor Lehrevaluation zum universi-tären Standard zählte – als Auszeichnungfür gute Lehre das „Goldene Ohr“ durchdie Studentenschaft verliehen wurde. Alseine weitere Wertschätzung in diesemSinne wurde er 2003 von der Bundesver-einigung der Psychologiestudenten zumSchirmherrn des 8. Bundestreffens derPsychologiestudierenden gewählt, welchesan der Leipziger Universität – und somiterstmals an einer Universität in den neuenBundesländern – stattfand.

Jens F. Beckmann

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Personalia

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Klaus-PeterMatschke

Günther SteffenHenrich

Der Mann mit dem„Goldenen Ohr“Jürgen Guthke wurde 65

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Wie derVater soder SohnHNO-Expertenin drei Genera-tionen – Zum 80. Geburtstagvon FriedrichWilhelm OekenVon Dr. Bärbel Adams

Die Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde scheintin seiner Familie fest verankert. Bereits Va-ter Wilhelm Oeken praktizierte als Fach-arzt für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde bisin die 50er Jahre in eigener Praxis in derLeipziger Kohlgartenstraße. Der Sohn,Friedrich Wilhelm Oeken, hatte anfangsdie Praxis noch ein-, zweimal wöchentlichweitergeführt, bevor er endgültig die wis-

senschaftliche Laufbahn einschlug, die mit der Übernahme einer Universitäts-klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheitenerst in Magdeburg, schließlich in Leipzigihren krönenden Abschluss fand. Den Stabübernahm dann der Sohn, PD Dr. JensOeken, der bis vor kurzem selbst an derLeipziger Universitätsklinik tätig war undjetzt Chefarzt der Chemnitzer Hals-, Na-sen-, Ohrenklinik ist.Das Grundsätzliche des Fachgebietes hatsich während dieser familiären Ära nichtgeändert: Patienten mit Erkrankungen imHals-, Nasen- Ohrenbereich wurden undwerden mit den jeweils modernsten Me-thoden behandelt. Nur: Die jetzigen Me-thoden sind mit denen der vergangenenJahrzehnte nicht mehr zu vergleichen. Derjunge Dr. Jens Oeken erlebt gerade eine derrevolutionären Entwicklungen in der Me-dizin mit: Den Einzug der computer- undrobotergestützten Chirurgie in den OP-Saal. Operationen werden sicherer oderüberhaupt erst möglich. Damals, zu Zeiten von Friedrich WilhelmOeken, trat die Endoskopie, die Ausleuch-tung des Untersuchungsgebietes und dieWiedergabe des entsprechenden Bildes anden Arzt, ihren Siegeszug an. Die techni-sche Entwicklung der Endoskopie begannmit dem Einsatz optischer Hilfsmittel, vorallem mit der Entwicklung kalten Lichts.Unter Prof. Oekens Ägide wurden in Leip-zig die ersten Otorosklerose-OPs miteinem Mikroskop durchgeführt. Die Oto-rosklerose, eine Verknöcherung des soge-nannten Steigbügels, eines kleinen Kno-chens im Mittelohr, das dazu beiträgt,Schallschwingungen an das Innenohr zuübertragen, konnte so komplikationsärmerzum gewünschten Ergebnis führen, derVerbesserung des Hörvermögens. Heutesind Operationsmikroskope aus dem sen-siblen Kopfbereich nicht mehr wegzuden-ken.Auch die Zugangswege zum Operations-feld haben sich verändert. Prof. FriedrichWilhelm Oeken näherte sich den Nasen-nebenhöhlen z. B. ausschließlich von au-ßen mit einem Hautschnitt oder über denMundvorhof. Erst Ende der 80er Jahre gingman dazu über, die Nasennebenhöhlenüber die Nasenhaupthöhle zu operieren.Und dafür waren die Endoskope eine Vor-aussetzung. F. W. Oeken selber hat dieseOperationen nicht mehr durchgeführt, aberer förderte und ermutigte hier wie stets denNachwuchs. Die Endoskopie ist heute auchaus der Diagnostik nicht mehr wegzuden-ken, z. B. für Untersuchungen der Luft-

röhre und des Kehlkopfes. Friedrich Wil-helm Oeken arbeitete anfangs noch wiesein Vater mit Stirnreflektoren, um an dienicht einsehbaren Bereiche zu kommen. Andere Methoden kannte Prof. Oeken nuraus der Literatur, z. B. die Laserchirurgie.Für den jungen Oeken ist sie eine Stan-dardprozedur, die über das Endoskop sogarminimalinvasive Operationen von Tumo-ren des Kehlkopfes zulässt. Auch Kehl-kopfoperationen kannte Friedrich WilhelmOeken nur von außen, die Infektionsgefahrwar dadurch höher, die Heilung dauertelänger, und es blieben Narben zurück.Als HNO-Ärzte haben die drei Oekensselbstverständlich auch Hörprüfungendurchführen müssen. Der Großvaterkannte dazu nur die Stimmgabel. SohnFriedrich Wilhelm war schon an der Ent-wicklung der Audiometrie beteiligt. Dassind Hörmessungen mit apparativen Maß-nahmen, die den subjektiven Eindruck desArztes objektivieren sollen. Sein Sohn Jenswiederum hatte damit nur in der Facharzt-ausbildung zu tun, die Differenzierung desFachgebietes war bereits so weit fortge-schritten, dass er nicht mehr vermag, wassein Vater noch konnte: das gesamte Fach-gebiet von der Funktionsdiagnostik überdie operative Theorie bis hin zur Phoniatrieüberblicken.Also: Wie der Vater, so der Sohn? Ja unddennoch nein. Alles andere wäre auch ver-wunderlich gewesen. Ob die Familientradi-tion fortgeführt wird, steht auch noch nichtfest. Aber vielleicht übernimmt ja eine derdrei Töchter von Dr. Jens Oeken dieseRolle.

Personalia

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Friedrich Wilhelm Oekenwurde am 28. 09. 1923 in Leipzig gebo-ren. Er studierte hier nach dem KriegMedizin, promovierte sich 1951 und er-langte im gleichen Jahr seine Approba-tion. Nach seiner Pflichtassistenzzeitging er 1953 an die Hals-, Nasen-, Oh-renklinik der Universität Leipzig, erwarb1956 den Facharzt für Hals-, Nasen-Oh-renheilkunde, wurde 1958 Oberarzt, ha-bilitierte sich 1962 und wurde 1963 Do-zent. Von 1966 bis 1975 wurde er als Pro-fessor an die HNO-Klinik der Medizini-schen Akademie Magdeburg berufen,bevor er von 1975 bis 1989 die Leitungder Leipziger HNO-Uni-Klinik über-nahm. In 14 Jahren schrieb er 16 Lehr-bücher und Monographien, von denender sogenannte „Kleine Oeken“, einLehrbuch der HNO-Kunde, neun Auf-lagen erlebte und noch heute von Stu-denten genutzt wird.

Prof. Friedrich Wilhelm Oeken (links)und sein Vater Wilhelm im Jahre1940. Foto: privat

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GeburtstageJuristenfakultät65. GeburtstagProf. Dr. Manfred Seebode, Lehrstuhl für Straf-recht, Strafprozessrecht, Kriminologie undStrafvollzugsrecht, am 15. September

Philologische Fakultät65. GeburtstagProf. Dr. Günther Steffen Henrich, Institut fürKlassische Philologie, am 15. August

Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät65. GeburtstagProf. Dr. em. Inge Sachse, Professur für Rech-nungswesen, am 25. August

Sportwissenschaftliche Fakultät65. GeburtstagProf. Dr. Helmut Kirchgässner, Institut für Be-wegungs- und Trainingswissenschaft der Sport-arten, am 8. Oktober75. GeburtstagProf. em. Dr. Dr. Siegfried Israel, ehem. Institutfür Sportmedizin, am 22. September

Medizinische Fakultät60. GeburtstagProf. Dr. med. Günter Plöttner, Klinik und Po-liklinik für Psychotherapie und Psychosomati-sche Medizin, am 19. SeptemberProf. Dr. med. Frank Schmidt, Klinik und Poli-klinik für Diagnostische Radiologie, am 20.SeptemberProf. Dr. med. Armin Wagner, Klinik und Poli-klinik für Neurologie, am 26. OktoberProf. Dr. med. Dietmar Schneider, Klinik undPoliklinik für Neurologie, am 28. OktoberProf. Dr. med. Katharina Spanel-Borowski, Kli-nik und Poliklinik für Psychotherapie undPsychosomatische Medizin, am 31. Oktober65. GeburtstagProf. Dr. med. Lina Wild, Klinik und Poliklinikfür Anästhesiologie und Intensivtherapie, am 7. Oktober70. Geburtstag,Prof. Dr. med. Wolfgang Raue, ehem. Universi-tätsklinik und Poliklinik für Kinder und Ju-gendliche, am 27. September80. GeburtstagProf. Dr. med. Friedrich-Wilhelm Oeken, ehem.Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohren-krankheiten, am 28. SeptemberProf. Dr. med. Reinhard Ludewig, ehem. Insti-tut für Klinische Pharmakologie, am 4. Oktober

Fakultät für Mathematik und Informatik65. GeburtstagProfessor Dr. Klaus Irmscher, Institut für Infor-matik, am 16. Oktober

Fakultät für Physik und Geowissenschaften60. GeburtstagProf. Dr. Jörg Kärger, Institut für Experimen-telle Physik I, am 3. Oktober

Der Rektor der Universität Leipzig und die De-kane der einzelnen Fakultäten gratulieren herz-lich.

(Die Geburtstage werden der Redaktion direktvon den Fakultäten gemeldet. Die Redaktionübernimmt für die Angaben keine Gewähr. Dasgilt auch für deren Vollständigkeit.)

Kurz gefasstProf. Dr. Dr. Andreas Hensel, vormalsLeiter des Instituts für Tierhygiene und Öf-fentliches Veterinärwesen der UniversitätLeipzig, wurde inzwischen von RenateKünast, Bundesministerin für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft, insein neues Amt als Präsident des Bundes-instituts für Risikobewertung eingeführt.

Die Mitgliederversammlung 2003 desDeutschen Akademischen Austausch-dienstes e. V. (DAAD) wählte am 13. Juni2003 Prof. Dr. Dr. h. c. Volker Bigl in denVorstand des DAAD. Die 231 Mitglieds-hochschulen und 125 Studierendenschaf-ten des DAAD hatten aus 33 Kandidaten 9 Vorstandsmitglieder auszuwählen. DerPräsident der Universität Würzburg, HerrProfessor Dr. Theodor Berchem, wurdeebenso in seinem Amt als DAAD-Präsidentbestätigt wie Vizepräsident Professor Dr.Max Huber (Bonn).

Den diesjährigen Ackerknechtpreis erhieltProf. Karsten Fehlhaber vom Institut fürLebensmittelhygiene. Er ist der dritte Trä-ger des Preises, der jährlich von den Stu-denten der Veterinärmedizinischen Fakul-tät der Uni Leipzig als Anerkennung fürausgezeichnete Lehre vergeben wird. AmGebäude „An den Tierkliniken 1“ wurdeinzwischen eine Tafel zu Ehren der Acker-knecht-Preisträger angebracht. Die Benen-nung des Preises erfolgt zum Gedenken anEberhard Ackerknecht, welcher von 1933bis 1945 Professor mit Lehrstuhl für Vete-rinäranatomie und Direktor des Veterinär-Anatomischen Instituts sowie erster Dekander Veterinärmedizinischen Fakultät nachKriegsende war. Ackerknecht besaß eineaußergewöhnliche Lehrbegabung.

Für sein ehrzählerisches, lyrisches und es-sayistisches Werk erhält der Schriftstellerund Professor für Deutsche LiteraturHans-Ulrich Treichel in diesem Jahr denmit 12 500 Euro dotierten Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis des Landschaftsver-bandes Westfalen-Lippe. Dieser „Westfäli-sche Literaturpreis“ wird Ende des Jahresin Münster verliehen. Der 1952 in Ost-westfalen geborene Autor („Der Verlo-rene“, „Tristanakkord“, „Der irdischeAmor“) lehrt am Deutschen Literaturinsti-tut Leipzig. Treichel war in diesem Jahrbereits mit dem Paderborner Margarete-Schrader-Preis ausgezeichnet worden.

Der Sächsische Innenminister hat Prof.Dr. Manfred Rudersdorf vom Histori-schen Seminar im Juni als Stellvertreten-den Bundesvertreter in den Sachverständi-genausschuss für Archivgut des FreistaatesSachsen berufen.

Dr. Jörg Rössel vom Institut für Kultur-wissenschaften hat für den Zeitraum vom1. 9. 2003 bis zum 30. 6. 2004 ein John F.Kennedy Memorial Fellowship für dasMinda de Gunzburg Center for EuropeanStudies an der Harvard University erhalten.Zuvor hatte er im Sommer als Mitglied derJungen Akademie an der Berlin-Branden-burgischen Akademie der Wissenschaftenvon sich reden gemacht. Er war einer derAutoren einer bundesweit beachteten Stu-die zur Umsetzung der Juniorprofessur inden ersten anderthalb Jahren.

Die Generaldirektion „Informationsgesell-schaft“ der Europäischen Kommission hatProf. Dr. Marcel Machill vom Institut fürJournalistik als Sachverständigen zur Eva-luierung von Internet- und Medienprojek-ten berufen. Er wird im Rahmen des Inter-net Action Plans von der EU geförderteProjekte begutachten.

Im Rahmen der 12. Jahrestagung der Ge-sellschaft für Geowissenschaften wurdeProf. Dr. Lothar Eißmann (ehem. Fakul-tät für Physik und Geowissenschaften) am11. September mit der Serge-von-Bubnoff-Medaille ausgezeichnet. Damit wurdediese höchste Auszeichnung der Gesell-schaft einem der bedeutendsten Forscherder mitteleuropäischen Quartärgeologieund dem wohl profundesten Kenner der Re-gionalgeologie Mitteldeutschlands zuteil.

Prof. Dr. Arne C. Rodloff, Direktor desInstitutes für Medizinische Mikrobiologieund Infektionsepidemiologie wurde aufdem letzten Plenartreffen zum Vorsitzen-den der Arbeitsgruppe CEN/TC 140 desEuropäischen Komitees für Standardisie-rung gewählt. Die Arbeitsgruppe von Prof.Rodloff beschäftigt sich mit Standards fürdie Routinetestung von Antibiotikaresis-tenzen, die sowohl einheitliche Untersu-chungsmethoden als auch Laborstandardsdafür umfassen. Ziel sind europaweit ver-gleichbare Daten, die im Zeitalter der zu-nehmenden Internationalisierung sowohlfür die Patientenbetreuung als auch für dieForschung unabdingbar sind. Gleichzeitighaben sie auch Konsequenzen für dieLaborgerätehersteller.

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Dr. med. Andreas O. H. Gerstner, Klinikfür Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde/Plasti-sche Operationen, und PD Dr. rer. nat.Attila Tárnok, Herzzentrum Leipzig, er-hielten den Förderpreis 2003 der Deut-schen Gesellschaft für Zytologie für ihreArbeit zum Thema: „Laser Scanning Zyto-metrie – Ihr klinischer Einsatz im Bereichder HNO-Heilkunde“.

Prof. Dr. Franz Jacobs, Direktor des Ins-titutes für Geophysik und Geologie, ist er-neut für eine Amtsperiode als Vorsitzen-der des Mathematisch-Naturwissenschaft-lichen Fakultätentags gewählt worden.

Im Rahmen des Kooperationsvertrageszwischen dem Gondar College of MedicalSciences und der Medizinischen Fakultätweilte Dr. Henry Merxbauer, Klinik undPoliklinik für Anästhesiologie und Inten-sivtherapie, in Gondar. Er analysierte dievorhandenen technischen, materiellen undpersonellen Bedingungen der Anästhesiein Gondar, um Möglichkeiten zu finden,mit den vorhandenen Ressourcen die Qua-lität der Arbeit zu verbessern und dieGrundlagen für eine weitere Zusammenar-beit zu schaffen. Dr. Merxbauer hielt auchVorlesungen innerhalb der theoretischenAusbildung der bachelors for anesthesia.

Dr. Dr. med. Thomas Hierl, Klinik undPoliklinik für Mund-, Kiefer- und Plasti-sche Gesichtschirurgie, erhielt den AO-Wissenschaftspreis 2002 von der deut-schen Sektion der internationalen Arbeits-gemeinschaft für Osteosynthesefragen(DAOI) für seine Arbeit „Untersuchungenzur Distraktionsosteogenese des Mittelge-sichts – Ausgleich von Fehlbildungen imKiefer-Gesichtsbereich mit nachfolgendenWachstumsstörungen im Mittelgesichtsbe-reich und Auswirkungen auf Kaufunktion,

Atmung und Ästhetik“. Die DAOI vergibtden Preis alle zwei Jahre für besonderewissenschaftliche Leistungen auf dem Ge-biet der Traumatologie.

Prof. Dr. Christoph Baerwald, Medizini-sche Klinik und Poliklinik IV, erhält vomBMBF Fördermittel für ein Verbundpro-jekt mit der Charité und der Universität Re-gensburg zur Untersuchung der Rolle desNervensystems bei der rheumatoiden Ar-thritis. Das Hauptaugenmerk liegt dabeiauf dem Zusammenspiel der Botenstoffedes Nervensystems und des Immunsys-tems. Die Aufgabenstellung ordnet sich ein das Gesamtprojekt KompetenznetzRheuma, das an der Klinik durch Prof.Holm Häntzschel und Dr. Ulf Wagnervertreten wird.

Prof. Dr. Evamarie Hey-Hawkins, Direk-torin des Instituts für Anorganische Che-mie, hatte anlässlich eines Workshops zumINTAS-Projekt renommierte Gäste: Prof.Dr. Moris S. Eisen, Technion – Institute ofTechnology, Haifa, Israel; Dr. Andrey A.Karasik, Russian Academy of Sciences,Kazan, Prof. Dr. Gennadiy P. Belov, Rus-sian Academy of Sciences, Chernogolovka,Prof. Dr. G. A. Abakumov und Prof. Dr.Vladimir K. Cherkasov, Russian Aca-demy of Sciences, Nizhny Novgorod, Prof.Dr. Bruce S. Wild, Australian NationalUniversity, Canberra, Prof. Dr. Klaus The-opold, University of Delaware, Newark,USA, Prof. Dr. Michel Mégnamisi Bé-lombé, University of Yaoundé, Cameroon,Afrika.

Prof. Dr. Klaus Müller, Hochschullehreram Institut für Rechtsmedizin, ist dasBundesverdienstkreuz verliehen worden.Der Leiter des Instituts für Dopinganalytikin Kreischa (bei Dresden) ist auch Bundes-beauftragte für Dopinganalytik sowie Mit-glied der Kommission für die Dopinglisteder WADA. Er erhielt den Orden für seineverdienstvollen Aktivitäten im Kampf ge-gen Doping sowie seinen Beitrag zur öf-fentlichen Meinungsbildung.

Prof. Dr. med. Hans Kottkamp, LeitenderArzt der Abteilung für Rhythmologie imHerzzentrum der Universität Leipzig undFacharzt für Innere Medizin/Kardiologie,ist zum außerordentlichen Professor an derUniversität Leipzig ernannt worden.

Prof. Dr. Klaus Bente, Direktor des Insti-tuts für Mineralogie, Kristallographie und

Materialwissenschaft, ist vom Österreichi-schen Ministerium für Bildung, Wissen-schaft und Kultur zum „head of peers“ derBegutachtung der geowissenschaftlichenInstitute österreichischer Universitäten be-rufen worden. Prof. Bente wird über eineLaufzeit von zwölf Monaten geowissen-schaftliche Einrichtungen an acht Univer-sitäten in Wien, Salzburg, Innsbruck, Leo-ben und Graz beurteilen.

Privatdozent Dr. Gerald Münch, Leiterder Nachwuchsgruppe Neuroimmunologi-sche Zellbiologie am InterdisziplinärenZentrum für klinische Forschung Leipzig(IZKF), ist der diesjährige „René Schu-bert-Preis“ der Deutschen Gesellschaft fürAlternsforschung verliehen worden. Dermit 5000 Euro dotierte Preis wird nur allezwei Jahre vergeben und fördert For-schungsarbeiten aus dem Bereich der ex-perimentellen biologischen und klinischenAlternsforschung. Dr. Münch erhielt denPreis für seine Forschungsarbeit auf demGebiet entzündlicher Prozesse bei der Alz-heimer Demenz.

Philosophie-Preis fürHabilitandinHandlungen, die in Richtung des Besserenüber das Gebotene hinausgehen, heißensupererogatorisch. Das biblische Muster-beispiel kennen wir alle: Der gute Samari-ter liest einen Mann, der Räubern zum Op-fer gefallen ist, von der Straße auf, bringtihn in ein Gasthaus und trägt dort Sorge für ihn. So einfach dieses Beispiel ist, soschwer ist es, supererogatorische Handlun-gen in der Theorie der Moral, der Ethik, zuerfassen. Präzise erfasst hat sie die Leip-ziger Philosophin Ulla Wessels in ihrerHabilitationsschrift „Die gute Samariterin.Zur Struktur der Supererogation“ (Ber-lin/New York, 2002). In Anerkennung die-ser Leistung hat ihr die Gesellschaft fürAnalytische Philosophie einen Preis zu-gesprochen, mit dem sie alle drei Jahreherausragende Arbeiten zur AnalytischenPhilosophie auszeichnet: den Wolfgang-Stegmüller-Preis. Verliehen wurde UllaWessels der Preis Ende September auf dem5. Internationalen Kongress der Gesell-schaft, die heute eine der größten philoso-phischen Gesellschaften Europas ist.

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OlympischProf. Dr. Christoph Josten, Direktorder Klinik für Unfall-, Wiederherstel-lungs- und plastische Chirurgie, wurdezum Olympiabeauftragten der Medizini-schen Fakultät ernannt.

Annett Böhm, Studentin der Sportwis-senschaftlichen Fakultät, hat bei denJudo-Weltmeisterschaften in Osaka (Ja-pan) die Bronzemedaille erkämpft undsich damit gleichzeitig für die Olympi-schen Spiele 2004 in Athen qualifiziert.

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Am 26. November 1853 wurde Karl Fried-rich Jakob Sudhoff als Sohn eines refor-mierten Pastors in Frankfurt a. M. geboren.Er studierte in Erlangen, Tübingen und Ber-lin Medizin, arbeitete danach bis 1883 alsAssistenzarzt und Armenarzt in Berlin,Augsburg, Wien und Frankfurt und ließsich dann in Hochdahl bei Düsseldorf nie-der, wo er eine große Land- und Hüttenarzt-praxis führte. Bereits während seines Stu-diums hatte sich Sudhoff mit Medizinge-schichte beschäftigt, weil er seine philolo-gische Neigung und Begabung nicht brachliegen lassen wollte. Trotz der zeitlichenBelastung schaffte er sich auch währendseiner ärztlichen Tätigkeit in den frühenMorgenstunden Freiraum für medizinhi-storische Studien, die nicht unbeachtet blie-ben. Insbesondere Paracelsus hatte es Sud-hoff angetan, wobei seine wirtschaftlicheSituation es ihm erlaubte, nach und nacheine wertvolle Spezialbibliothek anzule-gen. 1899 organisierte er die RheinischeGoethe-Ausstellung, 1901 gründete er alsweltweit erste wissenschaftshistorischeVereinigung die Deutsche Gesellschaft fürGeschichte der Medizin und der Naturwis-senschaften, deren Vorsitz er 31 Jahre langinnehatte und deren Jahrestagungen er biskurz vor seinem Tod unwidersprochen do-minierte; auch das Publikationsorgan derGesellschaft gab er heraus.

Als 1905 aufgrund einer großzügig be-messenen und zweckgebundenen Erb-schaft in Leipzig Mittel für die Gründungeines universitären Instituts für Geschichteder Medizin zur Verfügung standen, warSudhoff – obwohl „Quereinsteiger“ – mitweitem Abstand der renommierteste Kan-didat und erhielt daher konkurrenzlos denRuf. Mit der Einrichtung des Instituts 1906(auch dies eine Weltpremiere) begann dieInstitutionalisierung des Faches Medizin-geschichte als neuer Disziplin, die Sudhoffauch durch die Gründung einer Fachzeit-schrift („Archiv für Geschichte der Medi-zin“, heute „Sudhoffs Archiv“) vorantrieb.Öffentlichkeitswirksam war sein Engage-ment bei der Internationalen Hygieneaus-stellung 1911 in Dresden, wo er die großehistorische Abteilung verantwortete. Dennoch blieb die Fakultät dem Fachgegenüber skeptisch, was sich insbesonderedarin zeigte, dass Sudhoff entgegen seinenErwartungen – und wohl auch früheren Zu-sagen – erst 1919 zum Ordinarius ernanntwurde. 1922/23 hatte er dann sogar das Amtdes Dekans inne. Von seiner Emeritierungzum 1. April 1925 sowie vom Amtsantrittseines Nachfolgers Henry Ernest Sigerist(1891–1957) zeigte er sich wenig beein-druckt, war täglich im Institut präsent undarbeitete unermüdlich weiter. Am 8. Okt-ober 1938 verstarb Sudhoff nach kurzerKrankheit bei einem seiner Söhne in Salz-wedel. Sein Grab liegt in den Universitäts-rabatten auf dem Leipziger Südfriedhof. Sudhoffs Zugang zur Medizingeschichtewar quellenorientiert, er zog medizinischeTexte ebenso heran wie Bildmaterial undhistorische Geräte. Auf diese Weise legte erden Grundstock für die große Bibliothekmit heute über 70000 Titeln sowie für diemedizinhistorische Sammlung. Wegen derVielzahl seiner Editionen, unter denen dieumfassende und bisher einzige Ausgabeder medizinischen Paracelsus-Schriften diebedeutendste ist, stellt sein Oeuvre jenseitsaller Moden der Wissenschaftsgeschichte

nach wie vor eine Fundgrube dar. Vor allemzur mittelalterlichen Heilkunde hat Sud-hoff Bahnbrechendes geleistet, indem erdie Medizin einer vermeintlich fort-schrittslosen Epoche in die abendländischeGeistes- und Ideengeschichte einordnete.

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Vom Landarzt zur LeitfigurDer 150. Geburtstag von Karl Sudhoff,Nestor der Medizingeschichte, steht bevorVon Prof. Dr. Dr. Ortrun Riha, Direktorin des Karl-Sudhoff-Instituts für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften

Sudhoff-Ausstellung

Anlässlich des 150. Geburtstags vonKarl Sudhoff findet bis zum 15. Novem-ber in der Galerie im Hörsaalbau eineAusstellung der Kustodie und des Karl-Sudhoff-Instituts für Geschichte der Me-dizin und der Naturwissenschaften statt.Die Schau ist montags von 12 bis 17 Uhr,dienstags bis freitags von 9 bis 17 Uhrund samstags von 9 bis 12 Uhr geöffnet.Thema sind die Anfänge sowie die wei-tere Entwicklung der Leipziger Medizin-geschichte. Die Universität würdigt da-mit das Wirken des Nestors der Medi-zingeschichte, der als erster Direktor desältesten medizinhistorischen Instituts derWelt entscheidend zur Etablierung desFaches an medizinischen Fakultäten bei-getragen hat. Begleitend zur Ausstellung finden öf-fentliche Abendvorträge über die Haupt-arbeitsgebiete Karl Sudhoffs mit an-schließender Führung statt und zwar im-mer dienstags um 18 Uhr im Hörsaalge-bäude am Augustusplatz, Hörsaal 6: 28. 10. Seuchen in der Geschichte (Prof.Riha)04. 11. Zahnbehandlung in der frühenNeuzeit (Dr. Fahrenbach)11. 11. Aberglaube und Volksfrömmig-keit (Dr. Fahrenbach)Am Dies academicus wird Frau Prof.Riha außerdem in einem universitätsge-schichtlichen Abendvortrag Leben undWerk von Karl Sudhoff vorstellen (2. 12.,18 Uhr, Alter Senatssaal). Weitere Informationen im Internet:www.uni-leipzig.de/~kustodie/

Sudhoff beim Handschriftenstudium,1913. Foto: Karl-Sudhoff-Institut

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Es war im Jahre 1887, als die UniversitätLeipzig den 34-jährigen Rigaer ProfessorWilhelm Ostwald auf den soeben vonGustav Wiedemann aufgegebenen einzi-gen deutschen Lehrstuhl für physikalischeChemie berief. Keiner ahnte zu diesemZeitpunkt, dass mit diesem Mann ein Na-turforscher in das Professorenkollegium

der Alma Mater aufgenommen wurde, des-sen Persönlichkeit Leipzig für nahezu zweiJahrzehnte zu einem geistigen Zentrumeines jungen, heranwachsenden Wissen-schaftszweiges machen sollte.Wilhelm Ostwald wurde am 2. September1853 in Riga in einer deutschen Handwer-kerfamilie geboren. Von 1872 bis 1875 stu-

dierte er die Fächer Chemie und Physik ander Universität Dorpat. Richtungsweisendfür seine späteren Forschungen sollten dieals Assistent bei Arthur von Oettingen amPhysikalischen Kabinett angefertigte Ma-gisterarbeit „Volumchemische Studien derAffinität“ (1877) und die Promotionsarbeit„Volumchemische und optisch-chemische

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Schaffenskräftig als Forscher,Schriftsteller und MalerAm 2. September vor 150 Jahren wurdeNobelpreisträger Wilhelm Ostwald geborenVon Prof. Dr. Ulf Messow, Prof. Dr. Konrad Quitzschund Prof. Dr. Rüdiger Szargan, Wilhelm-Ostwald-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie

Wilhelm Ostwald spricht am3. Januar 1898 zur Einweihungdes Instituts für PhysikalischeChemie der Universität Leipzig.

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Studien“ (1878) sein. Bereits 1882 wurdeer Professor für Chemie am Polytechnikumzu Riga. In den folgenden fünf Jahren ent-standen etwa 30 Experimentalarbeiten, diesich vorwiegend mit dem Problem derAffinät einer Reaktion beschäftigten. 1887nahm Ostwald den Ruf an die UniversitätLeipzig an.Es folgten nahezu 20 Jahre einer überausfruchtbaren Tätigkeit. Wilhelm Ostwalderfüllte ein gewaltiges Pensum an wissen-schaftlicher und wissenschaftsorganisato-rischer Arbeit. Oft geriet er dabei an dieGrenzen seiner Leistungsfähigkeit. Nebenden unmittelbar an sein Ordinariat gebun-denen Aufgaben, wie Vorlesungen, Übun-gen, Prüfungen, Betreuungen von Prakti-kanten und Doktoranden, schrieb er zehnLehrbücher (die meisten davon erschienenin mehreren Auflagen), gab mit kontinu-ierlichen Editionen die Schriftenreihe„Ostwald’s Klassiker der exakten Wissen-schaften“ heraus und brachte die von ihmgemeinsam mit J. H. van’t Hoff gegründete„Zeitschrift für physikalische Chemie,Stöchiometrie und Verwandtschaftslehre“(etwa 6000 Referate über Originalarbeitendarin stammen aus seiner Feder) zu hoheminternationalen Ansehen. Auch war er alsMitbegründer der „Deutschen Elektroche-mischen Gesellschaft“ (später auf seinenVorschlag in „Deutsche Bunsen-Gesell-schaft für Physikalische Chemie“ umbe-

nannt) sehr aktiv für diese tätig und zudemeinige Jahre deren Erster Vorsitzender. Alsungewöhnlich vielseitig und tiefgründigzugleich erweist sich schließlich die wis-senschaftliche Korrespondenz mit zahlrei-chen Partnern aus dem In- und Ausland.Nach mehr als zehnjähriger Tätigkeit imchemischen Labor in der Brüderstraße wares ihm am 3. Januar 1898 vergönnt, dieEinweihung seines neu erbauten Institutsfür Physikalische Chemie in der Linné-straße 2 mit einem Festvortrag zu eröffnen.Er sprach „Zum Problem der Zeit“ undentwarf neue, aussichtsreiche Forschungs-vorhaben, die letztlich zur Verleihung desNobelpreises für Chemie im Jahre 1909 fürseine grundlegenden Arbeiten über chemi-sche Gleichgewichtsverhältnisse und Re-aktionsgeschwindigkeiten führten. Auf Grund ständig steigender Belastungenbesonders durch Lehrverpflichtungen, sahsich Ostwald zur Jahrhundertwende genö-tigt, das Königlich Sächsische Ministeriumdes Kultus und öffentlichen Unterrichts inDresden zu ersuchen, ihn „von den ihmobliegenden Pflichten zu entbinden“ sowieseine Professur anderweitig zu besetzen.mDas Ersuchen wurde abschlägig beschie-den. Man bewilligte ihm aber für die Lei-tung des Instituts die Stelle eines Sub-direktors, welche ab April 1900 Robert Lu-ther übernahm. Für die „große Vorlesung“im Hauptfach Physikalische Chemie sollteOstwald zuständig bleiben. Weiterhin zu-nehmende Verpflichtungen überstiegenletztlich seine Kräfte. Am 1. Oktober 1906wird er schließlich auf eigenen Antrag vor-zeitig mit Pension in den Ruhestand ver-setzt.Wilhelm Ostwald war eine Persönlichkeitmit einer unglaublichen Schaffenskraft.Sein Gelehrtenleben brachte über 45 Bü-cher, etwa 500 Abhandlungen, die Grün-dung von 6 Zeitschriften sowie 4000 Re-ferate und Rezensionen hervor. Die Gründefür sein frühes Ausscheiden aus dem Lehr-betrieb sind sicher nicht zuletzt darin zu su-chen, dass er sich außer Stande sah, wie erspäter in seiner Autobiografie gestehenwird, die ihm zustehende kreative Füh-rungsrolle auf diesem stürmisch vorange-triebenen Gebiet der physikalischen Che-mie (mehr als 70 seiner ehemaligen Schü-ler waren inzwischen weltweit als Profes-soren tätig) im Universitätsdienst weiterhinwahrzunehmen. Er zog sich mit seiner Fa-milie auf den 1901 erworbenen Landsitz inGroßbothen zurück und verbrachte dortnoch 26 glückliche Jahre des Schaffens alsfreier Forscher, Schriftsteller und Maler.

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HochkarätigesFestkolloquiumDer 150. Geburtstag des Nobelpreisträ-gers Wilhelm Ostwald war auch Anlassfür ein Festkolloquium, das im vergan-genen Monat von der Universität Leipzigzusammen mit der Sächsischen Akade-mie der Wissenschaften und der Deut-schen Bunsengesellschaft für Physika-lische Chemie veranstaltet wurde. InGrußworten würdigten Rektor FranzHäuser und die Repräsentanten der wis-senschaftlichen Gesellschaften, KlausFunke (DBG), Heiner Kaden (SAW) undWolfram Koch (GDCh) Ostwald als Be-gründer und Wegbereiter der Physikali-schen Chemie.Festvorträge von Janis Stradins, Präsi-dent der Lettischen Akademie der Wis-senschaften, Riga, Gerhard Ertl, Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesell-schaft, Berlin, Ortrun Riha, Karl-Sud-hoff-Institut Leipzig, Waldfried Plieth,Institut für Physikalische Chemie undElektrochemie der Universität Dresdenund Harald Morgner, Wilhelm-Ostwald-Institut Leipzig, waren dem Leben undSchaffen des Gelehrten und dem gegen-wärtigen Forschungsprofil des von ihmgegründeten Instituts gewidmet.

Prof. Dr. Janis Stradins, Präsident der Lettischen Akademie der Wissen-schaften, bei seinem Festvortrag.

Fotos: Ostwald-Institut

Ostwald-Ausstellung

Aus Anlass seines 150. Geburtstags ehrtdie Universität Leipzig den Naturwis-senschaftler und Philosophen WilhelmOstwald mit einer Ausstellung. ImGegensatz zu seinen Verdiensten aufdem Gebiet der physikalischen Chemieist Ostwalds Beschäftigung mit derKunst, v. a. aber seine Farbwissenschaft,bislang nicht entsprechend gewürdigtworden: Sie bildet einen wesentlichenAspekt der Ausstellung.Die Schau mit dem Titel „Schönheit istGesetz. Wilhelm Ostwald (1853–1932)zwischen Naturwissenschaft und Kunst“läuft bis zum 30. Oktober im Ausstel-lungszentrum Kroch-Haus, Goethe-straße 2. Öffnungszeiten:Die., Do., Fr.: 10 bis 17 UhrMi.: 12 bis 17 UhrSa.: 10 bis 13 Uhr

Weitere Informationen im Internet:www.uni-leipzig.de/~kustodie/

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Georg Henrik von Wright, geb. 1916,Schüler, Freund, Lehrstuhl-Nachfolger undVerwalter des akademischen Nachlassesvon Ludwig Wittgenstein, langjährigerPräsident der finnischen Akademie derWissenschaften, ausgezeichnet mit vielenakademischen Ehren, erster Inhaber der1994 eingerichteten Leibniz-Professur ander Universität Leipzig und seit 1996 auchEhrendoktor dieser Universität war einerder bedeutendsten Philosophen der zweitenHälfte des 20. Jahrhunderts. Er starb am16. Juni dieses Jahres in Helsinki.Für Skandinavien war von Wright in dengroßen Fragen unserer Zeit die Stimme mitdem größten Gewicht. In Deutschland hin-gegen ist er fast nur als Philosoph im en-geren Sinne bekannt. Seine kultur- undzeitkritischen Arbeiten harren bei uns nochder Entdeckung. Von Wrights Verdiensteum die Philosophie haben einige durchstarke Vergleiche zu fassen versucht: Erwurde u. a. als der „Euklid der Ethik“ be-zeichnet. Dieser Vergleich ist berechtigt:G. H. von Wright hatte die von Leibniz vor-weggenommenen Regeln für Sollenssätzewiederentdeckt und erstmals zu einer Lo-gik (zur so genannten deontischen Logik)ausgebaut. Die deontische Logik setzt eineHandlungslogik voraus. Das war Leibniz

nicht klar; von Wright schnell. Von Wrightszweiter Schwerpunkt also: die philosophi-sche Handlungstheorie – und zwar in ei-nem die Handlungslogik einschließenden,sich aber nicht in ihr erschöpfenden Sinne.Wenn Handlungen (mitunter auch erfolg-reiche) Versuche des Bewirkens bzw. Ver-hinderns von Weltzuständen sind, inwie-fern unterscheidet sich dann ihr Verstehenvom bloßen Erklären des Eintretens bzw.Nicht-Eintretens solcher Zustände? Das istdie zentrale Frage der berühmten Erklärenvs. Verstehen-Kontroverse. Mit seinerdeontischen Logik ist von Wright weltbe-rühmt geworden; speziell die deutschePhilosophie hat er aber am stärksten durchsein Buch „Explanation and Understan-ding“ beeinflusst. Kein Wunder: Seit Dil-they war das Verstehen in Abgrenzung zumErklären einer der Intellektuellen-Rennerin Deutschland. Gegenüber diesem‚Deutsch-Denk‘ hatte von Wrights Theorieeinen großen Vorteil: Das Verstehen bekammit der Theorie genau das, was in der gan-zen philosophischen Verstehens-Debattebis dahin gefehlt hatte: eine logische Struk-tur. Seitdem sieht der Verstehens-Diskursauch in Deutschland völlig anders aus. Alsich 1968 zu studieren anfing, galt, wer sichfür das Verstehen auch nur interessierte,

unter analytischen Philoso-phen bereits als leicht ver-dächtig. Heute hingegen gibtes präzise Verstehensdefini-tionen; aber was ein natur-wissenschaftliches Erklärensein soll, das scheint immernoch nicht so recht klar. Sind Handlungsgründe spe-

zielle Fälle von Handlungsursachen? Dasist eine der Zentralfragen des drittenSchwerpunkts der von Wrightschen Philo-sophie, der Philosophie des Geistes. Die-sen Schwerpunkt hatte von Wright 1994zur Zeit seines Leipziger Aufenthalts pri-mär im Blick; die große Frage, wie sichMentales und Körperliches zueinanderverhalten, glaubt er, am besten im Rahmendes Epiphänomenalismus beantworten zukönnen. Am 21. Mai 1996 hat er diesen An-satz anlässlich seiner Ehrenpromotion indem Vortrag „Die Stellung der Psychologieunter den Wissenschaften“ vorgestellt, ei-ner Hommage auch an die Lipsianer We-ber, Fechner und Wundt. Auf Wunsch vonG. H. von Wright war Jürgen Habermas derLaudator bei der Ehrenpromotion. DasTreffen war nicht nur von verschiedenenDenk-Stilen geprägt. Hier trafen zweiunterschiedliche Welt-Einstellungen auf-einander. Beide, Habermas und vonWright, sind bzw. waren, wenn es so etwasheutzutage überhaupt noch gibt, durch unddurch Humanisten. Der erstere als Opti-mist, der letztere zunehmend als Pessimist.Wer der realistischere ist bzw. war? Dasist, wie der Analytiker sagen würde, eineempirische Frage. Für G. H. von Wrightwar der Test das Frühjahr 1999, der Ko-sovo-Krieg: die, wie es immer noch heißt,„Humanitäre Intervention“ par excellence.Habermas hatte den Krieg, kontrafaktischauf die sich dann angeblich als notwendigerweisenden Revisionen des Völkerrechtshoffend, nach vielen Wenn-und-Abers alsOptimist letztlich legitimiert. Von Wrighthingegen: „Wenn das eine HumanitäreIntervention ist, so möchte ich nicht längerals ‚Humanist‘ bezeichnet werden.“ Habermas hatte in seiner Laudatio der vonWrightschen Ethik zu Recht einen Mangelan Kognitivismus à la Kant vorgeworfen. Esist schade, dass aus dem Plan beider, ihrenDissens weiter auszutragen, nichts mehr ge-worden ist; erst recht schade aber ist, dassdieser Plan nicht mehr am eben erwähntenTestfall konkretisiert werden kann.G. H. von Wright – der „Euklid der Ethik“.Dieser Vergleich wäre selbst dann zu eng,wenn er der „Euklid der Philosophie“ wäre.Warum? Ganz einfach: G. H. von Wrightarbeitete, lehrte und lebte so, dass jedem,der das Glück hatte, ihn kennen zu lernen,eines evident wurde: Ein bedeutender Wis-senschaftler und Philosoph – Das ist viel.Die Größe G. H. von Wrights jedoch ist,dass er mehr war als einer der bedeutends-ten Wissenschaftler und Philosophen des20. Jahrhunderts.

Personalia

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1996 kam es zum Auf-einandertreffen zweiergroßer Philosophen an derUniversität Leipzig. ZurEhrenpromotion von GeorgHenrik von Wright (r.) hieltJürgen Habermas dieLaudatio.

Foto: Universität Leipzig(Armin Kühne)

Durch deontischeLogik zu WeltruhmNachruf auf G. H. von WrightVon Prof. Dr. Georg Meggle, Institut für Philosophie

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SeineKritik„war sosanft“…WalfriedHartinger ist totEr war ein „kritischer Kopf und streitbarerKritiker, ob Kenntnisreichtums und Sach-kunde geschätzt“, schrieb die LeipzigerVolkszeitung. „Kein Dissident. Aber einehrlicher und offener Wissenschaftler“,heiß es weiter. „Dennoch musste der Pro-fessor nach der Wende die Leipziger Uni-versität verlassen.“ Walfried Hartinger, einMann der Literatur – Wissenschaftler, Es-sayist und Herausgeber – ist tot. Er erlag,wie erst Tage später bekannt wurde, am27. Mai 2003 seinem Krebsleiden.

Am 27. Oktober 1938 war er in Oelsnitz(Erzgebirge) geboren worden, hatte 1956sein Studium der Germanistik und derGeschichte an der Karl-Marx-UniversitätLeipzig begonnen und 1961 abgeschlossen.Es folgten die Tätigkeit als wissenschaft-licher Mitarbeiter, die Promotionen A undB, die Dozentur, die Professur (1985). Har-tinger wurde Leiter des Lehrstuhls DDR-Literatur. Nach der Wende nahm er mehr-fach Lehraufträge an der Universität Leip-zig wahr und vertrat ein Semester lang dieProfessur für Neuere deutsche Literatur ander Universität Rostock.An dieser Stelle soll ein Mann zu Wortkommen, der sich selbst als „Schüler“Hartingers sieht – und ihn nicht nur alsLehrer, sondern vor allem als „väterlichenFreund“. Der Schriftsteller Josef Haslin-ger, geschäftsführender Direktor des Deut-schen Literaturinstituts Leipzig, hielt eineTrauerrede, die hier in zwei kurzen Auszü-gen dokumentiert wird.„Hartingers Literaturtheorie war immerauch eine sanfte Literaturkritik. Sie warparteiisch. Nicht indem sie schroff zurück-wies, sondern indem sie favorisierte. Unddas Große an Hartinger war, dass die Kri-tik auch seinen Freunden galt. Also auchmir. Aber die Art, wie er mich kritisierte,war so sanft und so sehr von meiner eige-

nen Seite her vorgetragen, dass ich zu kei-nerlei Widerstand in der Lage war, sonderneinfach dachte: Der Mann hat nicht nurrecht, es ist wahrscheinlich sogar noch vielschlimmer. (…) Dass Hartinger in seiner Universitätskar-riere Unrecht geschehen ist, habe ich nichtvon alten Parteikadern erfahren, sondernvon Professoren aus dem Westen, die mitden Berufungsverfahren nach der Wendezu tun hatten. Als Hartinger schließlichbescheinigt wurde, dass seiner weiterenTätigkeit als Universitätsprofessor nichtsmehr im Wege stünde, waren die Professu-ren schon vergeben.“ r.

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Am 17. Juni starb inCincinnati (Ohio)der Germanist FelixMerkel. Geborenwurde er am 16. Ja-nuar 1905 in Dres-den als Sohn einesjüdischen Kauf-manns, der eineSchuhfabrik besaß.

Aufgewachsen ist er nach dem frühen Toddes Vaters seit 1908 in Hainichen (Sach-sen). Im Anschluss an den Besuch der Bür-gerschule trat er 1919 in das Lehrersemi-nar in Annaberg (Erzgebirge) ein und legteim Frühjahr 1926 das Abitur ab. Seit demSommersemester 1926 studierte Merkel ander Universität Leipzig Germanistik, Ge-schichte und Anglistik. Verschiedene Sti-pendien zwischen 1927 und 1931 schufendafür die finanzielle Voraussetzungen. Soerhielt Merkel Beihilfen aus Knaups-Sti-

pendienfonds und aus der Holstein-Stif-tung.Zu seinen herausragenden akademischenLehrern gehörten die Historiker WalterGoetz, Erich Brandenburg, SiegmundHellmann, die Germanisten TheodorFrings und Hermann August Korff, derPhilosoph Hans Driesch und der AnglistLevin Ludwig Schücking. Mit der Disser-tation „Das Aufkommen der deutschenSprache in den städtischen Kanzleien desausgehenden Mittelalters“ promovierteMerkel 1930 bei Walter Goetz und Theo-dor Frings. Die Arbeit ist 1973 noch ein-mal nachgedruckt worden. Sie schließt andie Untersuchung von Max Vancsa ausdem Jahre 1895 an (über das erste Auftre-ten der deutschen Sprache in den Urkun-den) und geht darüber hinaus, weil Merkeldie „allgemeinen kulturellen Voraussetzun-gen“ (Goetz) mit einbezieht. Die heraus-ragende Arbeit wird durch sehr gute münd-

liche Prüfungen begleitet: Theodor Fringsstellt das Nibelungenlied in den Mittel-punkt und bescheinigt den Kandidaten„sichere Kenntnisse, gutes Verständnis fürZusammenhänge“. Felix Krüger prüft imFach Philosophie Platon und Aristotelesund kommt zu einem ähnlichen Urteil.Walter Goetz, der Erstgutachter der Dis-sertation, fragt nach der Geldwirtschaft inder Antike und im Mittelalter. „Der Kandi-dat“, so Goetz, „antwortet in sehr lebhafterRede, aber auch mit wirklich sehr gutemWissen.“ Neben dem eigentlichen Fachwissen erhältder musikalisch hochbegabte StudentViolinenunterricht bei dem Konzertmeis-ter des Gewandhausorchesters CharlesMuench, der später das Boston SymphonieOrchestra leitet. Seit 1928 war Merkel be-freundet mit dem Physiker Werner Heisen-berg. Beide verband eine besondere Liebezur Musik. Es ist nicht ausgeschlossen,

Gottfried Felix Merkel verstorbenHochbegabt in Germanistik und Musik

WalfriedHartinger1997 beieiner Veran-staltung inder Leipzi-ger Stadt-bibliothek.Foto: privat

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dass sie zu gemeinsamer Hausmusik zu-sammentrafen. Einmal in der Woche be-suchten sie gemeinsam die Motette in derThomaskirche. Kaum zehn Jahre danach,in der Emigration, 1940/41, spielte Profes-sor Merkel auf der Viola im New JerseySymphony Orchestra und später im JewishSymphony Orchestra in Cincinnati. Regel-mäßige Kammermusikabende und Haus-konzerte fanden zwischen 1946 und 1986im Hause Merkel statt. Bereits ein Jahr nach seiner Promotionfolgte Felix Merkel einen Ruf für Germa-nistik an die Universität Athen. Hier lehrteer bis 1939. Noch einmal kehrte er 1935nach Deutschland zurück, um in Hainichendie Amerikanerin Winifred Louise Ruter(1905–1991) zu heiraten, die er in Athenkenngelernt hat. Aus der Ehe sind sechsKinder hervorgegangen. Bei Kriegsaus-bruch emigrierte die Familie in die Verei-nigten Staaten. Bald darauf erkannten dieNS-Behörden Felix Merkel die deutscheStaatsbürgerschaft ab und verfügten 1941,nach den „Nürnberger Rassegesetzen“,den Entzug des Doktorgrades. Nach einem Beschluss des Senates derUniversität Leipzig von 1948, der alleinpolitische Gründe für ein Rehabilitierungaberkannter akademischer Grade währendder NS-Diktatur anführt, stellte der Senatim Juli 2001 ausdrücklich fest, „dass dieWillkürakte, insbesondere die Aberken-nung von Doktorgraden und anderen aka-demischen Graden, die ausschließlich derVerfolgung aus politischen, rasseideologi-schen und Glaubensgründen dienten, mitgrundlegenden Prinzipien eines Rechts-staates nicht vereinbar [sind] und deshalbvon Anfang an nichtig waren.“Von 1940 bis 1943 leitete Professor Mer-kel die Germanistikabteilung im UppsallaCollege in East Orange New Jersey. In denbeiden folgenden Kriegsjahren dient er deramerikanischen Regierung als Offizier imOSS, einer Vorgängerorganisation desCIA. Seit 1946 lehrte er erneut als Professor fürDeutsche Sprache an der Universität Cin-cinnati. Hier gründete er zusammen mitProf. Guy Stern die Lessing-Gesellschaft.Merkel hinterlässt ein umfangreichesWerk, darunter eine Biographie über denbekannten jüdischen Philologen MosesMielziner (1828–1903). Die Universität Leipzig wird ihrem ehe-maligen Studenten und Promovenden FelixMerkel stets ein ehrendes Andenken be-wahren.

Gerald Wiemers

Zu den bedeutendenden Physikern des20. Jahrhunderts zählen auch die drei Un-garn Leo Szilárd, Edward Teller und Eu-gene Wigner, die aus der begüterten jüdi-schen Mittelschicht der Hauptstadt Buda-pest kamen und alle schließlich berühmteamerikanische Staatsbürger wurden. Derjüngste unter ihnen, der am 15. Januar 1908geborene Teller, erhielt im Juni dieses Jah-res die höchste Auszeichnung der USA, dieFreiheitsmedaille. Er starb am 9. Septem-ber 2003 in seinem Haus in Stanford, Ka-lifornien. Prof. Franz Häuser, Rektor derUniversität Leipzig, sandte ein Kondolenz-schreiben an Tellers Kinder.Der Sohn eines Rechtsanwalts wuchs zwei-sprachig auf, ungarisch und deutsch, undgalt im Gymnasium als mathematisch sehrbegabt. Trotzdem bestand der Vater aufeiner praktischen Karriere als Chemie-ingenieur und schickte den Sohn 1925 zumentsprechenden Studium nach Deutsch-land an die dafür berühmte TH Karlsruhe.Dort empfahl ihm ein Professor, anschlie-ßend theoretische Physik bei WernerHeisenberg zu lernen. So gelangte EduardTeller im Herbst 1928 an die UniversitätLeipzig.Die Leipziger Studienzeit behielt Tellerstets als eine besonders glückliche Periodeseines Lebens in Erinnerung. Es waren dieJahre, in der der junge Ordinarius Heisen-berg noch jüngere hochbegabte Studentenum sich versammelte, bei deren Ausbil-dung ihn bald der etwas ältere befreundeteKollege Friedrich Hund unterstützte. IhreStudenten und Gäste bildeten eine interna-tionale Mischung wissenschaftlicher Ta-lente, zu der besonders der Schweizer Fe-lix Bloch, der JapanerYoshio Fujioka, derAmerianer Robert Mulliken und der Deut-sche Carl Friedrich von Weizäcker gehör-

ten. Teller war der einzige Ungar unterihnen. Sie diskutierten im berühmten Insti-tutsseminar über die „Struktur der Mate-rie“ jeden Dienstagnachmittag über physi-kalische Fragen und duellierten sich an-schließend im Tischtennis. Es herrschteinsgesamt eine ebenso großartig anregendewie familiäre Atmosphäre im LeipzigerInstitut für Theoretische Physik, eines derdamaligen Zentren der Atomphysik, dieTeller sehr genoss.Als Thema zur Promotion stellte ihm Hei-senberg das Problem der Energiezuständedes Wasserstoffmolekülions, für das be-reits eine Teillösung (für den Grundzu-stand) vorlag, die allerdings von mathema-tischer Seite angegriffen wurde. Bereits am6. Februar 1930 reichte der gerade einmal22-jährige Student seine fertige Disser-tation bei der Leipziger Fakultät ein. Dieselbständig gefundenen Ergebnisse wur-den vom Erstgutachter Hund, einem Pio-nier der quantenmechanischen Molekül-theorie, mit „Sehr gut“ beurteilt, und Hei-senberg schloss sich Hund an. Die dreiPrüfer – Hund in der Physik, Paul Koebe inder Mathematik und Max Le Blanc in derChemie – vergaben als Endnote ein „Aus-gezeichnet“, und Eduard Teller hielt am19. Mai 1930 sein Doktordiplom in derHand.Schon im Frühjahr 1930 nahm Heisenbergseinen neuen zweiten Assistenten mit zuNiels Bohr nach Kopenhagen. Er bewährtesich dort wie in Leipzig im lebendigenAustausch über physikalische Problemeund diskutierte über philosophischen Fra-gen vor allem mit dem jüngeren Kollegenvon Weizsäcker, mit dem ihn eine lebens-lange Freundschaft verband – trotz man-cher gegensätzlicher Ansichten etwa in derPolitik. 1931 ging Teller an die Universität

Personalia

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Der Vater derWasserstoffbombeist totEdward Teller war trotz allemein bedeutender PhysikerVon Helmut Rechenberg und Gerald Wiemers

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Göttingen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verließ erDeutschland. Mit einem Rockefeller Sti-pendium verbrachte er ein Jahr in Kopen-hagen und emigrierte schließlich, nacheinem weiteren Jahr am University Collegein London, in die Vereinigten Staaten, woer Ende 1935 eine Professur an der GeorgeWashington University in Washington er-hielt. Bereits 1941 wurde er amerikani-scher Staatsbürger. In den USA beschäftigte sich Teller, wieschon in Kopenhagen und England, miteinem breiten Spektrum physikalischerund chemischer Themen, etwa der Kata-lyse des Ortho-para-Überganges in para-magnetischen Gasen, den Zeiteffekten beider paramagnetischen Kühlung, und er for-mulierte mit Herbert Jahn den nach beidenbenannten Effekt in der Stabilität der Mo-leküle. Schließlich wandte er sich einge-hender der Theorie der Atomkerne zu. Als im Jahr 1942 das geheime amerika-nisch-britische „Manhattan District Pro-ject“ zur militärischen Verwendung derKernenergie begann, folgte Teller mit vie-len Emigranten aus Europa dem Ruf von J. Robert Oppenheimer nach Los Alamos.Gemeinsam entwickelten sie die erstenUran- und Plutoniumbomben, die im Au-gust 1945 zum Einsatz in Japan kamen.Anders als viele Kollegen gehörte Tellernicht zu den Befürwortern des Abwurfs aufmenschliche Ziele. Allerdings drängte ervier Jahre später, als die auch die Sowjet-union im Besitz von Atombomben war, aufdie Konstruktion einer „Superbombe“, inder die Energie aus der Fusion von Was-serstoff in Helium benutzt wurde. Nach

dem gemeinsamen Sieg über den europäi-schen Faschismus war er in der Zeit desKalten Krieges mit der Sowjetunion davonüberzeugt, dass nur der amerikanischeBesitz dieser neuen Waffe den westlichenDemokratien Sicherheit gegen die Expan-sion der Kommunisten in Europa undAsien geben könnte. Trotz seines bis insAlter energischen Eintretens für die Hoch-rüstung der Vereinigten Staaten – er regtein den 80er Jahren unter Präsident RonaldReagan das sogenannte SDI-Programm anund arbeitete Details aus – sollte man nichtan Tellers Aufrichtigkeit zweifeln, denWeltfrieden zu erhalten. Der „Vater der

Wasserstoffbombe“ war nicht nur fähig,seine großen physikalischen Kenntnisse,seinen Arbeitseifer und alle verfügbarenMittel seines Faches für die von ihm alsvordringlich erkannten Ziele einzusetzen,er war auch bei allem Eifer eine im Um-gang mit Menschen durchaus gewinnendePersönlichkeit und ein treuer und verständ-nisvoller Freund, der etwa seinen LehrerHeisenberg unerschütterlich gegen alleunbilligen Angriffe verteidigte. Wir soll-ten ihn trotz scheinbar widersprechenderZüge nicht nur als einen bedeutenden Phy-siker des 20. Jahrhunderts in Erinnerunghalten.

Heft 5/2003

Personalia

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Edward Teller, wahrscheinlichAnfang der 60er Jahre beieinem Besuch im Werner-Hei-senberg-Institut in Müchen.

Foto:Max-Planck-Institut für Physik

(Werner-Heisenberg-Institut)

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HabilitationenFakultät für Physikund GeowissenschaftenDr. Uwe Schlink (6/03):Longitudinal Models in Biometeorology: Effect As-sessment and Forecasting of Ground-level OzoneDr. Serguei Vasenkov (8/03):Struktur-Beweglichkeits-Beziehungen bei der ano-malen Diffusion in nanoporösen Materialien

Medizinische Fakultätjeweils 6/03:Dr. Ulrike Diez:Einfluss ausgewählter Schadstoffbelastungen auf kar-diopulmonale Entwicklung bis zum Ende des erstenLebensjahres – ein Beitrag zur pädiatrischen Um-weltmedizinDr. Grit Ackermann:Charakterisierung von Resistenzmechanismen undVirulenzfaktoren des obligat anaeroben Gram-positi-ven Sporenbildners Clostridium difficileDr. Aike Hessel:Somatoforme und psychische Beschwerden sowiesubjektive Morbidität in der Bevölkerung Deutsch-lands – Krankheits- und InanspruchnahmeverhaltenDr. Hergo Schmidt:Vergleichende Bewertung des Knochendefektaufbausnach Infektionen mit autogener Spongiosa bzw. Seg-menttransport bei Stabilisation in zwei unterschied-lichen äußeren Fixationssystemenjeweils 7/03:Dr. Wolfgang Härtig:Histochemische Typisierung von Neuronen im basa-len Vorderhirn und im Kortex der Ratte mit Biotin-,Digoxigenin- und Fluorochrom-markierten Antikör-pern und LektinenDr. Christine Mauz-Körholz:Molekulare Wirkungsmechanismen der Thermo-Che-motherapie. Experimentelle Untersuchungen am Bei-spiel des Zytostatikums 4-Hydroperoxy-Ifosfamid beiakuten lymphoblastischen LeukämienDr. Henrik Rüffert:Molekulargenetische Untersuchungen zum Auftretenvon Maligne Hyperthermie (MH)-assoziierten Muta-tionen unter Berücksichtigung ihres möglichen Stel-lenwertes in der klinischen MH-Diagnostik

Fakultät für Mathematik und InformatikDr. Anita Kripfganz (6/03):Hemmi-Polyeder

Fakultät für Sozialwissenschaften und PhilosophieDr. Andreas Anter (6/03):Politik und Ordnung. Anatomie und Semantik einerGrundkategorie des PolitischenDr. Sebastian Rödl (7/03):Kategorien des Zeitlichen. Eine Untersuchung derFormen des endlichen Verstandes

Theologische FakultätDr. Karl-Heinrich Ostmeyer (7/03):Kommunikation mit Gott und Christus. Gebetstermi-nologien und Gebetstheologien der Autoren desNeuen Testaments

Wirtschaftswissenschaftliche FakultätDr. Karin Brinner (6/03):Genauigkeit von MortalitätsmessungenDr. Dirk Bültel (7/03):Stetiger affiner Nutzen

Dr. Stefan Dierkes (7/03):Steuerung von Profit Centern unter besonderer Be-rücksichtigung des Absatz- und des Kapitalmarktes

Sportwissenschaftliche FakultätDr. Karin Knoll (7/03):Komplexe prozessbegleitende Trainings- und Wett-kampfforschung in den technisch-kompositorischenSportarten unter besonderer Berücksichtigung desEiskunstlaufens

Fakultät für Geschichte, Kunst-und OrientwissenschaftenDr. Hans-Christian von Herrmann (4/03):Die Virtualität des Szenischen. Zur Genealogie nicht-literarischen TheatersDr. Barbara Büscher (6/03):Live Electronic Arts and Intermedia: die sechzigerJahre. Über den Zusammenhang von Performanceund zeitgenössischen Technologien, kybernetischenModellen und minimalistischen Kunst-Strategien

PromotionenFakultät für Chemie und MineralogieLars Leidolph (2/03):Immobilisierung von toxischen Komponenten überEttringitbildung unter Verwendung von kalkreichenBraunkohlenfilteraschen und ZusatzstoffenDoreen Döbber (3/03):Untersuchungen an MnOx-CeO2-ZrO2- und CuO-CeO2-ZrO2-Katalysatoren für die Totaloxidation vonMethan und ChlorkohlenwasserstoffenSilke Matysik (4/03):Anwendung von Zeolith-Polydimethylsiloxan-Mem-branen zur potentiometrischen Bestimmung kationi-scher SpeziesOlaf Hempel (4/03):Untersuchungen zur adsorptiven Feinreinigung ge-ring beladener Biofilterabluft und Regeneration derAdsorbentien durch Mikrowellenengergiejeweils 5/03:Ines Neundorf:Untersuchungen zur Biosynthese der MoenomycineAnke Sterzik:Darstellung, Charakterisierung und Ligandeneigen-schaften von P-H-funktionalisierten Phosphanylalko-holenJohannes Hesper:Spektroskopische und kinetische Untersuchungenvon Reaktionen der Radikale O2- und OH in wässri-ger PhaseJens Dittmar:Quantenchemische Untersuchungen auf ab-initio-und dichtefunktional-theoretischem Niveau zur Ad-sorption schwefelhaltiger Spezies auf der Indium-phosphid-(001)-Oberflächejeweils 6/03:Axel Huwe:Analoga der Naturstoffe Fumagillin und Ovalicin alsInhibitoren der AngiogeneseAlexander Schulze:Untersuchungen zur enzymatischen BAEYER-VIL-LIGER-Oxidation an SyntheseharzenVolker Speer:Selektive Katalytische Reduktion von Stickoxiden mitKohlenwasserstoffen an supersauren KatalysatorenAlexander Herbst:Exzessadsorption reiner Gase im Druckbereich bis 50 MPa

Wirtschaftswissenschaftliche FakultätStefan Röder (2/03):Eine Architektur für individualisierte computerge-stützte Lernumgebungen – Grundlagen, Modularisie-rung und prototypische RealisierungLeonid Korezkij (2/03):Doppelbelastung gewerblicher Einkünfte und derenKorrektur nach § 35 EStG – Eine systematischeUntersuchungHolger Basche (4/03):Betonstäbe in Biegebauteilen – Querkrafttragverhal-ten und zeitabhängige VerformungenReinhard Kübler (4/03):Analyse und Beurteilung des Einflusses von Electro-nic Business im Lebenszyklus betrieblicher Immobi-lienPetra Schmidt (4/03):Die Verbesserung kundenorientierten Verhaltens alswesentlicher Erfolgsfaktor für Anbieter von Dienst-leistungenCarsten Krauß (5/03):Chancen und Risiken möglicher Veränderungspro-zesse im Firmenkundengeschäft ostdeutscher Kredit-genossenschaften – theoretische Grundlagen und em-pirische ErgebnisseJörg Assmann (5/03):Der Einfluss computeranimierter Produktpräsentatio-nen auf die Validität von Konzepttests – ein informa-tionsökonomischer Erklärungsansatz für die Entste-hung und Höhe dieses EinflussesRalph Altenburger (06/03):Electronic Business im Erstversicherungsunterneh-men unter besonderer Berücksichtigung des Marke-tingjeweils 7/03:Jens Beyer:Leistungsabhängige Entgeltformen bei kooperativenArbeitsstrukturen – Ein agencytheoretischer Analyse-ansatz –Yunfeng Liu:Kulturelle Besonderheiten bei deutsch-chinesischenVerhandlungen von UnternehmenTorsten Plewka:Derivative Instrumente für den Immobilienanlage-markt – Eine Analyse der Funktionsfähigkeit von Im-mobilienderivaten und synthetischen Immobilienan-lageproduktenJörg Röhner:Die einkommensteuerliche Behandlung der Übertra-gung von Wirtschaftsgütern bei Mitunternehmer-schaften – Theoretische und rechtliche Grundlagensowie ökonomische Analyse ausgewählter Problem-felder –Jörg Schmidt:Holz/Calciumsulfatfließestrich-VerbunddeckenRonald Schrank:Die Leipziger Bundwand – Berechnung und Bemes-sung einer historischen VerbundkonstruktionAxel Sitt:Entwicklung eines „Dynamischen Risiko-Manage-ments“ unter Berücksichtigung von „Nicht-Markt Ri-siken“ Unternehmen(s) Risiko im Informations-Zeit-alterMichael Thiemann:Chaos auf Kapitalmärkten: Untersuchung des DAX,DOW und FTSE anhand moderner Verfahren aufdeterministisches Chaos

Habilitationen und Promotionen

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Die Geschichte einer Universität kann man aus unterschiedlichen Blickwinkelnschreiben: als Institutionen- oder Perso-nengeschichte, als Wissenschafts- oderIdeengeschichte, als Wirtschafts-, Rechts-oder Sozialgeschichte, als integrale Ge-samt- oder additive Fakultäts- und Insti-tutshistorie, um nur die wesentlichen Per-spektiven zu nennen. All dies jedoch kannangesichts der fortgeschrittenen Differen-zierung der Disziplinen, Methoden undFragestellungen, vor allem wenn es sichum eine alte und renommierte Hochschulewie die Leipziger handelt, kaum noch voneinem Autor allein angemessen gewürdigtwerden – weswegen Universitätsgeschich-ten, die häufig mit Blick auf nahende Jubi-läen entstehen, heute zumeist Gemein-schaftswerke verschiedener Verfasser sind.Mut und Selbstvertrauen bekundet es da-her, wenn (wie im vorliegenden Falle) einAutor allein es unternimmt, ein solchesWerk zu schreiben – und dies besondersdann, wenn dieser selbst von Beruf keinHistoriker oder Geisteswissenschaftler,sondern ausgebildeter Chemiker, Biologeund Pädagoge ist. Die Feder geführt hatdabei ein unverkennbarer Dilettantismusim positiven Sinne des Wortes: eine wohl-wollende Neigung zum Gegenstand derDarstellung, der Universität Leipzig, an derder Autor über Jahrzehnte hinweg tätig warund als Zeitzeuge wichtige Phasen der wis-senschaftlichen und politischen Entwick-lungen selbst miterlebte. Dieser ‚Liebha-berei‘ verdankt das Buch seine Stärken undnatürlich auch seine Schwächen. Seinem Gegenstand versucht der Verfasserauf zwei verschiedene Weisen gerecht zu

werden: durch eine historische Darstellungvon der Gründung der Universität im frü-hen 15. bis zu den großen Umwälzungenim späten 20. Jahrhundert („Teil I. Zeitab-schnitte zur Geschichte der UniversitätLeipzig“, S. 19–444) und durch eher er-gänzende Überblicke über berühmte Stu-denten und Gelehrte sowie über Wissen-schaftsentwicklungen und besondere Insti-tutionen der Universität wie etwa die zahl-reichen ihr angegliederten Museen („TeilII. Akademische Lehre, Forschung undStudium – Personen und Institutionen“,S. 447–541) und über chronologisch-sta-tistisch Erwähnenswertes („Teil III. Ausder Chronik der Universität von 1409 bis2002“, S. 543–629). Abgerundet und er-gänzt werden die schriftlichen Ausführun-gen durch zahlreiche Abbildungen, vondenen viele sehr betrachtenswert sind. Die bald 600-jährige Geschichte der Uni-versität Leipzig lässt sich ganz grob in zweiAbschnitte untergliedern: in eine rein his-torisch gewordene erste, von der Gründungbis zur Universitätsreform von 1830 rei-chende Phase und in eine zweite, 1830 ein-setzende und bis heute (noch?) andauerndePhase der modernen Universität, die ihreGlanzzeit um 1900 hatte, aber auch ver-strickt war in die unseligen Netzwerke derbeiden deutschen Diktaturen des 20. Jahr-hunderts und schließlich teilhatte an dergroßen Wende von 1989/90. Besonders diezweite Hälfte dieser Phase ist vielen nochsehr bewusst und kann daher noch nichtvöllig mit abgeklärt-historischer Distanzbetrachtet werden. Gerade das Interesse anihr hat offenbar auch den eigentlichen An-stoß für das vorliegende Werk gegeben.

Die erste Phase mutiert daher in der vor-liegenden Darstellung zur reinen Vorge-schichte, die, geschöpft aus älteren Werkenund zwangsläufig ohne eigenen For-schungshintergrund, aber unter Berück-sichtigung der allgemeinen Universitäts-,Landes- und Reichsgeschichte gleichsamplaudernd dargeboten wird; hier wird vie-les erklärt und – manchmal sogar wieder-holt – angesprochen, gelegentlich auchdurch die Zeiten gesprungen. Aber insge-samt erhält, wenn auch wenig Strukturdeutlich wird, der an der Universitätsge-schichte interessierte, doch unkundige Le-ser eine rasche Information über wesent-liche Ereignisse. In der Schilderung derUniversitätsgeschicke von 1830 an findenbis in die Weimarer Republik hinein dannauch die Fakultäten eine stärkere Berück-sichtigung, wobei, obwohl nun auch statis-tische Aussagen möglich sind und ausge-breitet werden, Personen und Persönlich-keiten weiterhin im Vordergrund stehen.Eigentümlich knapp wird die Zeit des Na-tionalsozialismus, aber auch die der Wen-dejahre abgehandelt, während die Jahre derSED-Herrschaft ausführlich, gerade auchfür den Nicht-Miterlebenden informativund vor allem in ihren strukturellen Kon-sequenzen geschildert werden (wobei diebislang vorwaltende Ausrichtung der Aus-führungen an Personen stärker zurücktritt).Natürlich durfte in diesem Zusammenhangdie Erinnerung an die Sprengung der Uni-versitätskirche im Jahre 1968 nicht fehlen,an die seit 1993 eine am Hauptgebäude derUniversität angebrachte Tafel gemahnt.Über den Text dieses Denkmals („Siewiderstanden nicht dem Druck eines dikta-

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Jubiläum 2009

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Ein erster,lesenswerterÜberblickZur Neuerscheinung„Alma mater Lipsiensis“von Konrad KrauseEin Gastbeitrag von Prof. Dr. Franz-Reiner Erkens

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torischen Regimes“) ist freilich das Urteildes Zeitzeugen bemerkenswert, das in derFrage anklingt (S. 387): „Sie, also die, diedie Entscheidung [scil.: zur Sprengung]vorbereiteten und trafen, und die, die ihnenan der Universität – wir lesen ‚freudig‘ –zustimmten, standen sie wirklich unterDruck? Und man fragt sich: Bereiteteihnen das, was sie entschieden, wirklichGewissensbisse, oder entsprach es mög-licherweise nicht auch ihren Vorstellungen,daß eine Kirche und eine sozialistischeUniversität nicht zusammenpassen? Werstand hier wirklich unter Druck?“ Solche Reflexionen (es gibt auch andereüber die Nachwendezeit) geben dem Bucheine persönliche Note und machen es le-senswert. Sie zeigen zudem, wie wohl inbester Absicht vorgenommene Erinne-rungsarbeit zur ungewollten Exkulpation(möglicher) Täter führen kann. Natürlich kommen manchmal auch klei-nere Versehen vor. Von ihnen sollte bei wei-teren Auflagen auf der Übersichtskarte imrückwärtigen Einband das Gründungs-datum der Universität zu Köln korrigiertwerden (1388 statt 1389); und der auf S. 38als Verfasser eines spätmittelalterlichenGelehrtenlexikons erwähnte „Trithemus“ist wohl niemand geringerer als der Trit-tenheimer Frühhumanist und SponheimerBenediktinerabt Johannes Trithemius. Ge-radezu amüsant (weil zur Betonung der Be-deutung der Hochschule letztlich gar nichtnotwendig) ist darüber hinaus das Bemü-hen, zur höheren Ehre Leipzigs möglichstviele berühmte Persönlichkeiten mit derUniversität in Verbindung zu bringen, auch wenn das Band dabei öfters nur sehrlocker geknüpft werden kann (vgl. etwaS. 492–500: „Beziehungen von Nobel-

preisträgern zu Universität und Stadt Leip-zig“). Aber ungeachtet dessen gilt: Das Buch ist insgesamt, wiewohl gelegent-lich etwas umständlich und (wie schon er-wähnt) keinesfalls frei von Wiederholun-gen, gut lesbar; es ist im Überblick infor-mativ und deshalb auch beachtenswert.Schon in seinem Geleitwort hat der gewe-sene Rektor Volker Bigl daher zutreffendbemerkt (S. 10): Mit diesem Werk „liegt inverständlicher Form eine reich bebilderteGesamtdarstellung der Geschichte derUniversität Leipzig vor, die als Orientie-rungshilfe für Studenten, aber auch zumNachschlagen für wissenschaftshistorischinteressierte Leser und Bürger der StadtLeipzig gedacht ist, die sich ein Bild vonihrer Universität machen wollen“. Es ist je-doch nicht die eigener Forschungsleistungentsprungene und modernen Wissen-schaftsentwicklungen verpflichtete Uni-versitätsgeschichte, die der Leipziger almamater angesichts des näher rückenden Ter-mins der 600-Jahr-Feier gebührte, will diesnach eigenem Verständnis aber auch nichtsein. Diese Darstellung vorzulegen bleibtAufgabe und Pflicht des dazu vom Rekto-rat eingesetzten Arbeitskreises, der nun-mehr aber einen zusätzlichen Ansporn ver-spüren mag.

Prof. Dr. Franz-Reiner Erkens war bis vorkurzem Profesor für Mittelalterliche Ge-schichte an der Universität Leipzig. Inzwi-schen ist er an die Universität Passau ge-wechselt.

Konrad Krause: Alma mater Lipsiensis. Ge-schichte der Universität Leipzig von 1409 biszur Gegenwart. Leipziger Universitätsverlag2003. 647 Seiten. 39 e. ISBN: 3-936522-65-0.

„MalwiederzurSchippe“Buch zur Bau-geschichte derMoritzbasteierschienen

Es war eine verrückte Idee, aus dem Schutteiner Stadtbefestigungsanlage, aus einemeinzigen großen Trümmerhaufen, einenStudentenclub zu machen. Die Planungensind 30 Jahre alt – und ihre Verwirklichungwissen heute nicht nur Studenten zu schät-zen. Die Mauern, die heute die Moritz-bastei beherbergen, haben immerhin 450Jahre auf dem Buckel. Dem Jubiläum wid-mete sich das Uni-Journal bereits in seinerJuni-Ausgabe. Für alle, die noch mehr überdas „zweite Leben“ des Gemäuers erfahrenmöchten, gibt es nun das Buch über „dasplanvolle Chaos einer Baugeschichte1974–1979“ – so der Untertitel von „Mo-ritzbastei Leipzig“, verfasst von der Ber-liner Historikerin Ulrike Schuster. Die Autorin widmet sich aber nicht nurdem Baugeschehen, sondern auch demKonzept, den kulturellen Veranstaltungenauf der Baustelle, der Studentenclub-Pra-xis der ersten Jahre. Sie beschreibt das allesrecht nüchtern, aber die Spannung jenerTage ist trotzdem nachzuvollziehen, vorallem, wenn es um die Hindernisse geht,mit denen die Baubegeisterten immerwieder konfrontiert waren. Zudem hatSchuster Zeitzeugen befragt, die die Ge-schichte(n) lebendig werden lassen. Inter-essante Einblicke gewähren auch DutzendeFotos und Dokumente, darunter Faksimilesaus der Uni-Journal-Vorgängerin, derLeipziger Universitätszeitung. Die unter-stützte das Vorhaben regelmäßig: „Malwieder zur Schippe, Kommilitone“ war imApril 1976 ein Artikel überschrieben.

Jubiläum 2009

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Rektor FranzHäuser über-reichte Alt-Mini-sterpräsident KurtBiedenkopf einExemplar von„Alma materLipsiensis“. Bie-denkopf war am1. 9. zu einemGedankenaus-tausch nach Leip-zig gekommen.

Foto:Armin Kühne

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Es bleibt nicht aus, dass das Unternehmen„mb“ im Buch in einer Weise dargestelltwird, die zum Teil reichlich glorifizierendwirkt. Die von Zeitzeugen beschworene„Räuberhöhlen-Atmosphäre“ wirkt ebenansteckend. Dennoch: Der Autorin gebührtein Lob für ihr Schlusskapitel „ ‚Eigen-Sinn‘ gegen ‚System-Sinn‘?“. Darin kons-tatiert sie, dass die „Arbeitsgruppe Moritz-bastei“ bei aller Schwarzbau-Mentalitätletztlich die Vereinnahmung durch das Sys-tem hinnahm, als das Objekt kurz vor derendgültigen Fertigstellung in ein „Jugend-und Studentenzentrum“ umgewidmet unddamit die kommerzielle Nutzung ermög-licht wurde. Auch erwähnt Schuster, dassdie Motive der Aktiven zum Teil sehr unter-schiedlich waren. So bleibt am Ende wenig zu kritisieren.Abgesehen von der dummen Idee (desVerlags?), das Inhaltsverzeichnis an denSchluss zu stellen. Ulrike Schuster betontin ihrem Vorwort, dass das Buch nicht nurfür Leipziger geschrieben sei, sondern sich„ganz allgemein an den für DDR-Ge-schichte interessierten und sensibilisiertenLeser richtet“. Recht hat sie. Das Lesenlohnt sich. C. H.

Ulrike Schuster:Moritzbastei Leipzig. Das planvolle Chaoseiner Baugeschichte 1974–1979.Nora Verlagsgesellschaft Dyck & Wester-heide 2003. 225 Seiten broschiert19,90 e

ISBN 3-936735-33-6

Chemie,Chemikerund dieKunstEin Buch, das anEntdeckerfreudeteilhaben lässtDie Naturwissenschaften und die Kunststehen enger beisammen, als es uns dieSchulweisheit mit ihrem Schubfachdenkenglauben machen möchte. Davon legt auchder jetzt im Passage-Verlag erschienene,von Prof. Dr. Lothar Beyer und RainerBehrends vorgelegte Band „DE ARTESCHEMIAE“ Zeugnis ab. Dabei geht esnicht allein um Doppelbegabungen wieWilhelm Ostwald, der Chemiker undKünstler in einer Person war, sondern umein vielfältiges Beziehungs- und Kommu-nikationsgeflecht, komme es nun in künst-lerischen Abbildungen von Wissenschaft-lern, ihren Labors und Wirkungsstätten, inkunstvoll gestalteten Buchbeständen ausdem Bereich der Chemie oder einfach inder Ästhetik der Chemie als der Lehre vonden Veränderungen der Stoffe, in derSchönheit der „Schöpfungen“ von Chemi-kern, z. B. farbigen Kristallen, zum Aus-druck. Die „Chemie“ stellt aber auch dieMaterialien bereit – man denke an Mine-ral-, Ölfarben, Ton, Gips, farbiges Glas,Metalle, Legierungen und Edelsteine –, dieder Künstler für sein Schaffen benötigt.Die Leipziger Rektorkette von 1855 ausGold, Smaragden und Rubinen ist ein er-giebiges Beispiel, um diesen Zusammen-hang zu verdeutlichen.Einen Sonderfall der weitgefassten Bezie-hungen stellt zweifellos Johannes Wislice-nus dar, dem nicht nur eine Porträtbüste(von Carl Seffner) gewidmet wurde, son-dern der auch ob seiner imposanten äuße-ren Erscheinung und wohl auch ob seinerpatriotisch-deutschen Gesinnung Modellstand für das 1883 eingeweihte Nieder-walddenkmal zur Erinnerung an die

Reichsgründung von 1871 und auf einemSeitenrelief eine lebensgroße Abbildungals Vater, der seinen in den Krieg ziehen-den Sohn segnet, erfuhr. Die Bekanntschaftmit dem Schöpfer des Denkmals, demBildhauer Johannes Schilling, wird für dieModellwahl ein Übriges getan haben.Da diese Zusammenschau von Chemie undChemikern, so sie mit der Alma mater Lip-siensis verbunden waren, und ihrem künst-lerischen Widerhall in Stein, auf Papieroder Leinwand über die phänomenologi-sche hinaus eine fundierte historische Dar-stellung bietet, hält man mit diesem Bandauch ein Geschichtswerk spezieller Art,eine ganz eigene Geschichte der Chemie inLeipzig, in den Händen.Dazu werden überwiegend Kunstschätzeder Universität Leipzig, ferner des Mu-seums der bildenden Künste Leipzig, desCarl Bosch Museums Heidelberg, demauch für die großzügige finanzielle Unter-stützung zu danken ist, der Wilhelm-Ost-wald-Gedenkstätte Großbothen und ande-rer Sammlungen herangezogen. Und ganznebenbei ist es ein schönes, zur Nach-ahmung empfohlenes Beispiel dafür, wasman als Ruheständler der Universität, dereine Professor für Anorganische Chemie,der andere Kunstwissenschaftler und lang-jähriger Kustos, mit der neu gewonnenenFreiheit und Freizeit anzufangen vermag.Die Autoren haben ihren Lohn schon wäh-rend der Arbeit an diesem Band gefunden,wie sie selbst bekunden, „durch das Auf-spüren bisher nicht bzw. nicht in diesemZusammenhang bekannter Kunstwerke,Schriftzeugnisse und Querbeziehungen“.Der Leser hat nunmehr das Vergnügen, andieser Entdeckerfreude teilzuhaben. V. S.

Lothar Beyer, Rainer Behrends: DE ARTESCHEMIAE. Chemiker und Chemie an der Almamater Lipsiensis. Kunstschätze, Buchbeständeund Archivdokumente der Universität Leipzigund anderer Sammlungen. Passage-VerlagLeipzig 2003. 224 Seiten. 23 e.ISBN 3-932900-75-8.

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Das Körperschaftsvermögen der Univer-sität Leipzig besteht vor allem aus wert-vollen Handschriften und Büchern. Außer-dem zählen dazu die Sammlungen, die von Hochschullehrern in den vergangenenJahrhunderten zu Lehr- und Forschungs-zwecken zusammengetragen wurden undu. a. in drei Museen der Universität zu se-hen sind. Nicht zu vergessen die Kunst-sammlung, die derzeit über 5 500 Werkeder bildenden Kunst umfasst. Zu nennensind auch Wertpapiere und Immobilien.Letztere konnten nach der Wiedervereini-gung Deutschlands zu großen Teilen für die Universität zurückgewonnen werden.Maßgeblichen Anteil daran hatte der JuristPeter Gutjahr-Löser, der seit März 1991Kanzler der Alma mater Lipsiensis und da-mit für ihr Körperschaftsvermögen verant-wortlich ist. Im Sommersemester hielt erim Rahmen des Studium universale zumThema „Geschichte der Universität Leip-zig“ einen Vortrag zu diesem Vermögen.Im Interview mit dem Uni-Journal erzählter von Kämpfen und Kuriositäten, Ein-schnitten und Ausblicken.

Herr Gutjahr-Löser, ist die UniversitätLeipzig reich?Ja, sie ist sehr reich. Nur kann sie mit ihremVermögen keine wirtschaftlichen Effekteerzielen, weil es vor allem aus Kunst- undSammlungsbesitz besteht. Auf diesem Ge-biet gehört die Universität Leipzig mitSicherheit zu den reichsten der Welt. Dashängt mit ihrer Geschichte zusammen. Inder Reformationszeit hat sie sehr wertvolleSchätze aus den aufgelösten Klöstern er-halten. Das ist der Grundbestand. Dann hatdie Universität im 19. Jahrhundert durchihre Wissenschaftler eine sehr rege Samm-lungstätigkeit begonnen. Das reicht vonwertvollen Handschriften bis zu kultur-historisch wichtigen Sammlungsstücken.

Ebenfalls im 19. Jahrhundert bis zum Endeder Weimarer Republik im 20. Jahrhundertnahm der Sammlungsschatz durch das Mä-zenatentum der Leipziger Bürgerschaft er-heblich zu.Zum Beispiel ermöglichte eine großeSpende des Musikverlegers Henry Hin-richsen den Kauf der Musikinstrumenten-sammlung. Eine Orgel aus dem Besitz derFamilie Herford konnte Mitte der 90erJahre durch einen der großen Mäzene die-ses Landes, nämlich Arend Oetker, wiederdem Eigentum der Universität hinzugefügtwerden. Die Familie Herford hatte dieOrgel zuvor im Rahmen der Restitutionwiderrechtlich enteigneter Vermögens-werte zugesprochen bekommen. Auch dieWilhelm-Wundt-Büste von Max Klingerist durch einen Mäzen für die Universitätersteigert worden.

Ihre Ausführungen deuten an, dass Sieschon einige eindringliche Erlebnisse

mit dem Körperschaftsvermögen gehabthaben. Was war das aufregendste?Eine der dramatischsten Situationen wargleich 1991. Und zwar bekam ich von derStadt Leipzig eine Mitteilung, dass geplantsei, das Grundstück Petersstraße/Schloss-gasse einer Tochtergesellschaft der Deut-schen Bank im Wege eines Investitionsvor-rangbescheides zu übertragen. Das Grund-stück hatte der Universität gehört und warzu DDR-Zeiten in Volkseigentum umge-wandelt worden. Nach dem Gesetz hattenwir vier Wochen Zeit, zu dieser AbsichtStellung zu nehmen. Da habe ich damalsüberlegt: Was tun? Du kennst dich auf die-sem Gebiet nicht aus. Es darf eigentlichnicht passieren. Wenige Wochen zuvorhatte ich zufällig einen alten Schulfreundgetroffen. Der hatte erzählt, dass er sich mitGrundstücks- und Immobiliengeschäftenbefasst. Das fiel mir damals wieder ein,und ich rief ihn an – was zu der Zeit nochgar nicht so einfach war. Er kam dann vor-bei, gleich mit einem Architekten bewaff-net. Die haben sich das Grundstück ange-schaut und gesagt: eine 1-A-Lage, da ma-chen wir etwas draus. Dann haben sie sichhingesetzt und binnen drei Wochen eineneigenen Antrag ausgearbeitet. Einen Tagvor Ablauf der Frist sind wir dann ins Rat-haus marschiert und haben unseren eige-nen Investitionsvorrangantrag gestellt.

Damit dürfte wohl niemand gerechnethaben?In der Tat. Deshalb ging es eine Zeitlanghin und her. Dann lud der damalige Stadt-planungschef Nils Gormsen alle Beteilig-ten zu einer Besprechung ins Turmzimmerdes Neuen Rathauses. Die fand am Nach-mittag statt, so gegen halb zwei. In der Frührief mich der Leiter des Staatlichen Lie-genschaftsamtes an und sagte: „VerzichtenSie auf das Eigentum an dem Grundstück,

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„Eine der reichstenUniversitäten der Welt“Uni-Kanzler Peter Gutjahr-Löser berichtet überErlebnisse und Entwicklungen rund um dasKörperschaftsvermögen

Peter Gutjahr-Löser

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dann wird noch heute Mittag der FreistaatSachsen als Eigentümer ins Grundbucheingetragen.“ Da sagte ich: „Das kann ichgar nicht.“ Also sagte er: „Gut, dann geht’seben nicht.“ Fünf Minuten später rief ernoch einmal an und informierte mich, dassdie Universität als Eigentümerin eingetra-gen werde. – Während der nachmittäg-lichen Veranstaltung redete dann erst HerrGormsen. Der Leiter des Liegenschafts-amtes meldete sich die ganze Zeit, bekamaber nicht das Wort. Als Gormsen ihn nichtmehr übersehen konnte und ihn reden las-sen musste, erklärte er und schaute dabeibedeutungsvoll auf seine Armbanduhr:„Wir können die Veranstaltung beenden,die Universität Leipzig ist vor fünf Minu-ten als Eigentümerin ins Grundbuch einge-tragen worden.“ Da war was los! Das mussauf höchster Ebene entschieden wordensein. In jedem Fall ist die Universität wie-der in Besitz dieses so wichtigen Grund-stücks gekommen. Nach längerem Suchenfand sich die britische Gesellschaft AMECals Investor für ein Erbbaurecht. So konnteder Petersbogen entstehen, und es sprangenimmerhin 5000 Quadratmeter Nutzflächefür die Juristenfakultät heraus – ohne dassdies den Staat einen Pfennig gekostet hat.Und das Grundstück ist nach wie vor imEigentum der Universität.

„Damals machte der ehema-lige WissenschaftsministerProf. Hans-Joachim Meyerauch deutlich, dass an einenWiederaufbau der Pauliner-kirche nicht zu denken sei.“

Stichwort Volkseigentum: Wann fanddenn die Enteignung statt?Den ersten Einschnitt gab es 1952. Da istdas Vermögen der Universität enteignetworden, das nicht universitären Aufgabendiente. Die Universität hatte im Laufe ihrerGeschichte eine ganze Reihe von Liegen-schaften bekommen oder erworben, mitdenen sie durch Vermietung Einnahmen er-zielt hat. Unter anderem gehört dazu einGeschäftshaus in der Hainstraße, das Hausin der Otto-Schill-Straße 1, die drei soge-nannten Beamtenhäuser in der Linnéstraßeund Wohnbebauung in Stötteritz. Sie sindalle in eine Stiftung überführt worden. Denzweiten Einschnitt gab es dann 1955, alsalle Grundstücke, die universitär genutztwurden, in Volkseigentum übergingen.

Nach der Wende wollte die Universität dasEigentum an beiden Gruppen von Immo-bilien zurückbekommen. Über die erste Gruppe stand nichts im Eini-gungsvertrag. Daher haben wir prozessiertund letztlich beim Bundesverwaltungs-gericht gewonnen, diese Grundstücke alsozurückbekommen. Um die zweite Gruppegab es einen großen Streit mit der Staats-regierung, die aufgrund des Einigungsver-trages die Zuordnung zum Vermögen desFreistaates Sachsen beantragt hatte. Wirbestanden auf der Rückgabe. Konkret wurde die Lage beim Uni-Hoch-haus kritisch, weil der Freistaat es für sichbeanspruchte und es im Tausch gegen eineandere Immobilie an die Depfa veräußernwollte. Wir haben zunächst versucht, eineeinstweilige Verfügung dagegen zu erwir-ken. Aber wir kamen zu spät, weil das Hausüberraschenderweise innerhalb eines ein-zigen Tages, nämlich am 19. Dezember1996, dem Freistaat zugeschrieben, an dieDepfa verkauft und die Depfa ins Grund-buch eingetragen wurde. Natürlich habenwir dagegen geklagt, den Prozess aber inerster Instanz verloren. Wir haben darauf-hin das Bundesverwaltungsgericht angeru-fen. Die Angelegenheit endete mit einemVergleich: Alle Grundstücke innerhalb des

Ringes gingen wieder an die Universität,alle außerhalb an den Freistaat. Die Ver-handlungen führte der damalige RektorProf. Volker Bigl. Er machte die Zustim-mung der Universität von der Zusicherungeiner Neubebauung am Augustusplatz ab-hängig. Damals machte der ehemaligeWissenschaftsminister Prof. Hans-JoachimMeyer auch deutlich, dass an einenWiederaufbau der Paulinerkirche nicht zudenken sei. Das erklärt den Rücktritt vonProfessor Bigl: Er musste in der plötz-lichen Kehrtwendung der Regierung indieser Sache einen klaren Wortbruch er-blicken.Aber daraus ergibt sich auch, dass am Au-gustusplatz nichts gebaut werden kann,was die Universität nicht will. Umgekehrthaben wir nicht das Geld, um einfach zubauen, was wir möchten. Wir müssen unsalso mit der Staatsregierung verständigen.

Sie haben die Gebäude erwähnt, die nunwieder zum Körperschaftsvermögen derUniversität gehören, aber nicht universi-tär genutzt werden. Kann die Univer-sität damit nicht Geld verdienen?Das ist im Moment nicht so. Vor allemdeshalb nicht, weil in 40 Jahren DDR dieGebäude, die den Krieg unbeschädigt

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Die Gebäude der Universität Leipzig inden Jahren 1409 bis 1648. (Der Plan istdem Buch „Leipziger Universitätsbau-ten“ entnommen, herausgegeben vonDr. Heinz Füßler, erschienen 1961 imVEB Bibliographisches Institut Leipzig.)

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überstanden haben, ziemlich herunterge-kommen sind. Von den Dächern über dieSanitärtechnik bis zu den Fußböden mussim Grunde genommen alles erneuert wer-den. In vielen Häusern steckt schon vielGeld, zum Beispiel in dem in der Otto-Schill-Straße 1. Und da die Mieten, dieman derzeit erzielen kann, außerordent-lich niedrig sind, rechnet sich das nichtrichtig.

Und was passiert mit den Gebäuden?Erst einmal haben wir sie nicht im Eigen-tum der Universität behalten. Sondern wirhaben eine Universitätsstiftung gegründetund in diese die Immobilien eingebracht,die aus dem Prozess zurückgekommensind. Diese Stiftung hat einen dreiköpfigenVorstand, dem ich vorsitze. Außerdem ge-hören ihm der Rektor Professor Dr. FranzHäuser und der Vorsitzende der SparkasseLeipzig Peter Krakow an. Die Stiftung ver-waltet die Gebäude und sucht nach Wegen,wie man sie so sanieren kann, dass sie Er-träge abwerfen.Dann muss man auch wissen, wie teuerheutzutage Wissenschaft ist. Mit einer hal-ben Million Euro können sie zehn Assis-tenten ein Jahr lang bezahlen. Die Unibraucht aber rund 800 Assistenten. Und bis

man die halbe Million eingenommen hat,das kann dauern. Man hat ja nicht nur Miet-einnahmen – wenn man sie überhaupt hat– sondern auch Kosten, die davon abgehen.Selbst wenn wir einen zehnmal so großenGrundbesitz hätten, würden wir darausalso nur marginale Beiträge zum Universi-tätshaushalt leisten können.

Warum wurde überhaupt die Stiftungins Leben gerufen?Die Stiftung hat erst einmal einen Wert,den man gar nicht hoch genug schätzenkann: Jede Stiftung im Rechtssinne ist aufewige Zeiten angelegt. Sie hat ein Vermö-gen. Und dieses Vermögen darf aus derStiftung nicht mehr entfernt werden. Na-türlich kann es durch Misswirtschaft ge-schehen, dass es am Ende nichts mehr wertist. Aber unabhängig davon ist die Stiftungunantastbar.

So wie es einige Gebäude gibt, die nichtmehr zum Körperschaftsvermögen ge-hören, gibt es ja noch ganz andere Be-sitztümer, die einmal der Universitätgehörten. Darunter sind interessanter-weise ganze Dörfer und ein Wald. Washat es damit auf sich?Die Universitätsdörfer waren ursprünglich

Klosterdörfer. Sie gehör-ten hier zum Minoriten-Kloster „St. Pauli“ amheutigen Augustusplatz.Als das Kloster der Uni-versität geschenkt wurde,waren auch fünf Dörferdabei: Holzhausen, Zu-ckelhausen, Kleinpösna,Wolfshain und Zween-furth. Das bedeutete damalsnichts anderes als eineEinnahmequelle. DieDörfer waren Produk-tionsbetriebe, die Ge-winne daraus standen der Universität zu. DieBauern mussten auchHand- und Spanndienstefür die Universität leisten.Das alles ging 1830 mitder Aufhebung der Leib-eigenschaft der Bauern zu Ende. Und 1830 hat ja auch das KönigreichSachsen, also der Staat,die Finanzierung der Uni-versität direkt übernom-men.

„Den Universitätsdörfern ginges besser als den städtischen.“

Das hört sich so an, als wäre es für dieDorfbewohner nicht gerade erfreulichgewesen, zu einem Universitätsdorf zugehören …Keineswegs. Den Universitätsdörfern ginges besser als den städtischen. In alten Dar-stellungen kann man das immer wiedernachlesen. Die städtischen Güter, die es jagenauso gab, gerieten häufig in den Macht-kampf zwischen den verschiedenen Par-teien, die in der Stadt regieren wollten. Da-bei ist sehr viel zerrieben worden, das gingoft zu Lasten der Dörfer. Die Universitätwusste ganz genau: Wir sind auf die Ein-künfte aus den Dörfern angewiesen. Des-halb ging es den Bauern in den Univer-sitätsdörfern prinzipiell besser. Der Rektorkam einmal im Jahr und sprach in Be-gleitung eines rechtskundigen AssessorsRecht. Dafür gab’s ein Festessen. In einesder Dörfer wurde Rektor Cornelius Weissnach der Wende zur 750-Jahr-Feier einge-laden. Da sagte er vorher noch: „Na, langewerd’ ich nicht bleiben, ich habe keineZeit.“ Am nächsten Tag berichtete er, es seizwei Uhr früh geworden, so schön sei’s ge-wesen. Die Leute hätten noch immer davongeschwärmt, wie gut es dem Dorf unterdem Rektor der Universität bis 1830 ge-gangen sei!

Und der Universitätswald?Das 200 Hektar umfassende Oberholz beiLiebertwolkwitz ist der Universität zusam-men mit dem Kloster geschenkt worden.Dort steht eine Säule mit der Aufschrift„aus Anlass des 350sten Jahrestages derSchenkung an die Universität errichtetvon …“. Das war im Jahr 1893 gewesen.Als es dann 450 Jahre her war, 1993, ha-ben wir dort ein kleines Fest gemacht. Dakam ein reitender Bote wie dazumal vomHerzog und überbrachte die Schenkungs-urkunde und verlas sie dann. Ich hatte dieUrsprungsurkunde ins Hochdeutsche über-setzt, damit der Text auch zu verstehen war.

Wozu hatte die Universität denn denWald?Das Holz aus dem Wald diente als Heiz-material für unsere Professoren. Aber dajeder sein Holz holen konnte wie er wollte,wurde in dem Wald schließlich furchtbargehaust, so dass er in Gefahr geriet. Im19. Jahrhundert hat dann das universitäre

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Festakt 1993 im Oberholz: Ein reitender Bote verliestden Text der Schenkungsurkunde, in der 450 Jahre zu-vor der Wald der Universität Leipzig übertragen wor-den war. Foto: Dr. Bärbel Adams

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Rentamt gesagt: Das verwalten wir jetztselbst, und die Professoren bekommen denErlös aus dem Verkauf des Holzes. Bis1945 stand auf den Gehaltsabrechnungs-zetteln der Professoren immer eine Spalte„Holzgeld“. Mancher Neuberufene hattekeine Ahnung, was das soll, freute sichaber über die paar Mark.

Jetzt gehört der Wald dem Freistaat. Eingroßer Verlust?Man muss sagen: Wir können froh sein,dass wir den Wald los sind. Was meinenSie, was es kostet, den zu bewirtschaftenund wie wenig man da derzeit erlösenkann. Dieser Wald wäre ein Fass ohne Bo-den.

Zum Schluss noch zwei persönliche Fra-gen: Haben Sie so etwas wie ein Lieb-lingseigentum im Körperschaftsvermö-gen?Was mich in jedem Fall immer fasziniert,das sind die gewaltigen Bücherschätze.Welche Universität der Welt kann von sichsagen, dass sie einen Teil der ältesten Bi-belhandschrift – den Codes sinaiticus – hat.So etwas hat nicht einmal die vatikanischeBibliothek. Und in der Tat: Solche Verglei-che gibt es, und sie stammen nicht von uns.Diesen Rang hat 1993 der Vorsitzende desVerbandes aller deutschen Bibliotheks-vereinigungen, Professor Elmar Mittler ausGöttingen, der Leipziger Universitäts-bibliothek zugesprochen. Da hat man inmeinem Amt natürlich eine gewaltige Ver-antwortung, die Schätze der Universität zubewahren. Und man wird ehrfürchtig,wenn man sieht: Hier ist in den Akten einHandzettel von Bach, eine Rechnung fürdas Stimmen der Universitätsorgel.

Nach diesem Bekenntnis zur Verantwor-tung würden wir Ihnen gern noch einVersprechen entlocken. Zum Körper-schaftsvermögen gibt es noch keineÜbersichtsdarstellung. Dürfen wir da-mit rechnen, dass Sie sie schreiben?Zunächst muss ich sagen: Nach meinemVortrag zum Körperschaftsvermögen imStudium universale sind zwei junge Nach-wuchswissenschaftler zu mir gekommenund haben mir dazu sehr konkrete Fragengestellt. Ich gehe also davon aus, dass zünf-tige Historiker inzwischen an der Arbeitsind. Das weiß ich aber nicht genau. Ichkönnte mir schon vorstellen, dass ich michin zwei Jahren, wenn ich in den Ruhestandgehe, mit solchen Fragen etwas intensiverbeschäftige.

Das Interview führtenDr. Bärbel Adamsund Carsten Heckmann.

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Drei sehr unterschiedliche Bei-spiele für das Körperschaftsver-mögen der Universität Leipzig:

Oben:Lucas Cranach d. Ä. : Christusund die Kinder. 1545, Öl aufHolz.Das heute in der Studiensamm-lung ausgestellte Gemälde ge-hört zum ältesten Besitz derUniversität. Seine Entstehungwird mit der im selben Jahr er-folgten Weihe der zur Aula undprotestantischem Predigtraumumgebauten einstigen Domini-kanerkirche St. Paul in Verbin-dung gebracht.

Foto: Kustodie

Mitte:Bücher im Ostflügel der Univer-sitätsbibliothek „BibliothecaAlbertina“

Foto: Universität Leipzig(Armin Kühne)

Unten:Votiv-Gebiss aus Terrakotta,Etrurien, um 700 v. Chr., derzeitzu sehen in der Sudhoff-Aus-stellung (siehe Beitrag auf S. 31)

Foto: Karl-Sudhoff-Institut

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Titel-H_06 12.11.2003 11:04 Uhr Seite 1

Probedruck

C M Y CM MY CY CMY K

November 2003 Heft 6/2003 ISSN 0947-1049

Borreliose-Forschung:Bakterien als Überlebenskünstler

Klimaextreme:65 Millionen Jahre unter dem Meer

Kooperation mit Uni in Shanghai:„Wir sitzen alle in einem Boot“

Klares Votum:Franz Häuser bleibt Rektor

Erfolg mit V:Das Institut für Versicherungswissenschaften

Ehrenpromotion von Krzysztof Penderecki:Der aber die Herzen forschet

Im Zeichen des Q

Qualität entwickeln und sichern

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GremienWahlkonzil: Franz Häuser bleibt RektorSenatssitzung am 14. Oktober

UniVersumSexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

ForschungBorreliose: Bakterien als ÜberlebenskünstlerGeologe erforscht KlimaextremeMeteorite – Boten aus dem WeltallNachrichtenKatalysatoren in der chemischen IndustrieInformatik: „Zelluläre Automaten“

Fakultäten und InstitutePädagogische Berufspraxis: Drei-Länder-Projekt schreitet voranWachsen mit „acatech“Kooperation mit Universität in ShanghaiDas Institut für VersicherungswissenschaftenChemiker braucht das Land

UniCentralDer große Wert kleiner Erfolge – die Geschäftsstelle EvaluationDer Weg zum LehrberichtDie Lehrevaluation im UniversitätsverbundArbeiten nach Deutscher Industrie Norm

StudiosiImmatrikulation: Große Feier, große EhrenNachrichten

PersonaliaEhrenpromotion von Krzysztof PendereckiNachruf auf Siegfried SchmutzlerNeu berufenDistinguished Chair für LeipzigMathematiker ist Doktor der Medizin100. Geburtstag von Guido Beck100. Geburtstag von B. L. van der WaerdenGeburtstage / Kurz gefasstBundesverdienstkreuz für Uni-Professoren

Jubiläum 2009Die Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät

Habilitationen und PromotionenAm RandeNomenImpressum

EDITORIAL

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„Quality is in the eyeof the beholder“

Inhalt

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Die Beurteilung der Qualität der Hochschullehre beruht nichtnur auf einer Vielzahl organisatorischer und fachlicher Rah-menbedingungen, sondern auch auf dem Urteil derer, die siein den Blick nehmen: Studenten, Absolventen, Hochschul-dozenten, Fachkollegen, Hochschulleitungen, Ministerienund Arbeitgeber.Dass sich ein Urteil über die Qualität der universitären Aus-bildung auch drastisch verschieben kann, wird deutlich,wenn ein Absolvent nach einigen Jahren praktischer Ar-beitserfahrung auf den theoretischen Teil seines Studiums zu-rückblickt: Im Studium erschien die Beschäftigung als praxis-fern und mühsam. Im Berufsleben wird dann oftmals erfah-ren, dass fundierte Theoriekenntnisse Sicherheit und grund-legende Orientierung in den flüchtigen und wechselndenAnforderung der Berufswelt bieten.

Die Relativität der Beurteilung der Qualität vonHochschullehre macht eine sorgfältige Evalua-tion und Bewertung nicht überflüssig, im Gegen-teil: Die Erfahrung zeigt, dass verschiedenePerspektiven und Aspekte einander eher ergän-zen als einander widersprechen. Darum ist eswichtig, möglichst pluriforme Perspektiven in dieBeurteilung der Qualität der Ausbildung einzu-beziehen. Aus genau diesem Grunde wurde an der Uni-versität Leipzig das gesetzlich vorgeschriebeneinterne Lehrberichtsverfahren durch ein interna-

tional etabliertes, externes Verfahren ergänzt. Seit 1999 wirdes im Rahmen eines Evaluationsverbundes der UniversitätLeipzig mit den Partneruniversitäten Halle-Wittenberg undJena angewendet (LEU). Externe Gutachterkommissionen hel-fen dabei, eine differenziertere Analyse der Stärken undSchwächen eines Fachbereiches zu erstellen. Aufgrund desStudiums des Lehrberichtes und einer Visitation vor Ort berätdie Kommission das Fach und die Universitätsleitung hin-sichtlich einzuleitender Maßnahmen zur Entwicklung derQualität der Hochschullehre.So ist die Evaluation von Hochschullehre weit mehr als nurein Rechenschaftsbericht für das Ministerium geworden. Esist eine Chance, sich mit Hilfe externer Gutachter über dieEntwicklungspotentiale eines Fachbereiches zu verständigenund geeignete Maßnahmen einzuleiten. Ein Versuch, die Qualität der Lehre durch Audits und Zertifi-zierung zu entwickeln, stellt die Zertifizierung nach DIN ENISO 9001: 2000 der Erwachsenenpädagogik an der Uni-versität Leipzig dar. Die dort gemachten Erfahrungen könnenetwa für zukünftige Aktivitäten der Universitäten auf demWeiterbildungsmarkt fruchtbar gemacht werden.Die Entwicklung der Evaluation an den Universitäten ist nochnicht abgeschlossen. Es ist aber abzusehen, dass sie inZukunft noch konsequenter mit den Einsichten der Or-ganisationsentwicklung verbunden wird. Am Ende diesesWeges könnte eine Universität stehen, die sich ihre Quali-tätsziele selbst steckt und ihre eigene Entwicklung mit Hilfeder Evaluation von Lehre und Forschung steuert.

Prof. Dr. Monika Krüger, Prorektorin für Lehre und StudiumDr. Martin Sander-Gaiser, Koordinierungsstelle Lehrevaluation

Das Titelfoto von Christoph Busse zeigtProfessor Jörg Knoll (s. a. Beitrag auf S. 22).

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Personalstellen undStudierendenzahlenaus dem Ruderläuft. Es sind Wegezu finden, wie dieAnzahl der Studie-renden den Kapa-zitäten angepasstwerden können.Des weiterenkommt es in dernächsten Zeit dar-auf an, die Bo-logna-Beschlüsseumzusetzen und dieEinführung gestuf-ter Studiengängezielstrebig voranzu-

treiben. Dabei besteht eine große Gefahr:Es droht ein Niveauverlust. Die Univer-sitäten müssen aufpassen, dass sie sichnicht mit den Fachhochschulen, dem Lie-blingskind der Politik, auf dieselbe Stufestellen und den Bachelor unter Umständendann später ganz abgeben müssen. Beiunseren 200 Studiengängen ist die Einfüh-rung der gestuften Studiengänge ein Rie-senprojekt. Frau Schubert wird diesen Pro-zess als Prorektorin forcieren und zugleichmit Sorgfalt voranbringen.Ein dritter Punkt ist das Einwerben vonDrittmitteln. Hier wollen wir in Zukunftbesser werden. Die entsprechenden Ak-teure, zum Beispiel die Forschungskon-taktstelle und die Forschungskommission,müssen aktiver werden.

Titelthema dieses Journals ist die Quali-tätsentwicklung und -sicherung. Wiesteht die Uni in diesem Bereich da?Die Evaluation im Universitätsverbund istein Weg, den wir weiter gehen sollten. Erist organisatorisch und finanziell machbar.Ich war früher skeptischer, aber die Um-setzung auch in meiner eigenen Fakultäthat mich überzeugt. Nur: Ohne Konse-quenzen, ohne Zielvereinbarungen machenEvaluationen keinen Sinn. Da haben wirNachholbedarf, es gibt erst eine Ziel-vereinbarung mit den Sportwissenschaf-ten. Die Fakultäten haben oft noch nichterkannt, welche Chance für sie hier be-steht.

Interview: Carsten Heckmann

Gremien

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Qualitäterhalten undmehr erreichenProf. Franz Häuser im Kurzinterview

Herr Professor Häuser, wie interpretie-ren Sie das klare Votum des Konzils?Ich habe zwar vorher nicht gewusst, wie dieWahl ausgeht, aber ich habe gehofft, dasssich das Konzil von einem attraktiven Teamüberzeugen lassen wird.Dann muss man auch wissen: Nur realisti-sche Vorstellungen führen zum Ziel. Recht-liche und tatsächliche Hindernisse mussman benennen. Das habe ich getan. Gegendie Taktik des Wachrüttelns habe ich prin-zipiell nichts einzuwenden. Aber man mussaufpassen: Man hat es mit Menschen zutun, und man spricht die Menschen in die-ser Universität an. Und es ist auch unge-recht zu sagen, alles sei schlecht. Es gibtungünstige Bereiche, aber auch viele gute,und gerade die Internationalität der Uni-versität gehört entgegen anderen Aussagenzu den guten.

Und wo sind die Baustellen?Wir müssen die Qualität der Ausbildungaufrechterhalten. Dabei haben wir das mas-sive Problem, dass die Relation zwischen

Das Ergebnis war deutlich: 179 Mitgliederdes Konzils stimmten am Abend des 5. No-vember für den 58-jährigen Juristen Prof.Dr. Franz Häuser – und kürten somit denalten Rektor gleich im ersten Wahlgangauch zum neuen. Der Theologe Prof. Dr.Dr. Günther Wartenberg erhielt 67 Stim-men, der Philologe Prof. Dr. Erwin Tschir-ner 33 Stimmen. 11 der 290 abgegebenenStimmen waren ungültig.

Zu Prorektoren, dievom Rektor vorge-schlagen werden,wählte das Konzil dieHistorikerin Prof. Dr.Charlotte Schubert(Lehre und Studium),den Biologen Prof. Dr.Martin Schlegel (For-schung und wissen-schaftlicher Nach-wuchs) und den Medi-ziner Prof. Dr. PeterWiedemann (struktu-relle Entwicklung).Wiedemann gehört be-reits seit April demRektoratskollegium an,Schubert und Schlegelkommen neu hinzu.Rektor Häuser be-dankte sich bei den aus-scheidenden Prorekto-ren Prof. Dr. MonikaKrüger und Prof. Dr.Helmut Papp für dieZusammenarbeit in denvergangenen Monaten.In weiteren Tagesord-nungspunkten bestä-tigte das Konzil die

Arbeitsberichte des alten Rektoratskolle-giums sowie den Forschungs- und denLehrbericht der Universität und nahm diein einigen Punkten überarbeitete Grund-ordnung der Universität mit Zwei-Drittel-Mehrheit an. Auf seiner Sondersitzung am22. Oktober hatte das Konzil eine Reihevon Änderungen erörtert, auf die das Säch-sische Ministerium für Wissenschaft undKunst gedrungen hatte. Die ursprünglicheFassung war vom Konzil im Juni 2001 be-schlossen, vom SMWK aber nicht als ge-nehmigungsfähig erklärt worden. V. S.

Nach Redaktionsschluss: Wahlkonzil am 5. November

Franz Häuser bleibt Rektor

CharlotteSchubert

MartinSchlegel

PeterWiedemann

Der unterlegene Mitbewerber Prof. Wartenberg (r.) gratuliertdem Wahlsieger Prof. Häuser. Fotos: Armin Kühne

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1. Zu Beginn der Sitzung verteilten stu-dentische Senatoren eine Protokollnotizzum Beschlussantrag über Studiengebüh-ren, der in der September-Sitzung des Se-nats eine knappe Mehrheit fand. In derErklärung erkennen die studentischen Se-natoren an, dass im Segment der Aufbau-studiengänge, also außerhalb des grund-ständigen Bereichs, bestimmte Angebotenur durch die Erhebung von Studien-gebühren eingerichtet werden können.Gleichzeitig wird auf die Vergabe von Sti-pendien orientiert, weil finanziell schlech-ter gestellten Studierenden erst dadurch einAufbaustudium ermöglicht wird. „Dahersoll ein wesentlicher Teil eines etwaigenGewinns“ aus einem Aufbaustudiengang„für Stipendien in diesem Studiengang ver-wendet werden“.2. Der Senat behandelte Berufungsangele-genheiten; im einzelnen betraf es Aus-schreibung und Berufungskommission für„Physiologie“ (C3) und für die Juniorpro-fessur „Molekulare Kardiologie“ sowie dieBerufungsvorschläge für „Hals-, Nasen-,Ohrenheilkunde“ (C4) und „Orthopädiemit den Schwerpunkten Kinderorthopädieund Wirbelsäulenchirurgie“ (C3). Der Senat stimmte Anträgen aus den Fa-kultäten zu, dem Mathematiker PD Dr.Hans-Gert Gräbe, dem Biophysiker PD Dr.Jürgen Arnhold und dem Physiker PD Dr.Andreas Pöppl das Recht zur Führung derBezeichnung „außerplanmäßiger Profes-sor“ zu verleihen. Weiter stimmte der Senatzu, Prof. Dr. Jürgen Borlak zum Honorar-professor für Molekulare Anatomie zu be-stellen.3. Der Senat stimmte der Anerkennungdes Geisteswissenschaftlichen ZentrumsGeschichte und Kultur Ostmitteleuropase. V. (GWZO) als An-Institut an der Uni-versität Leipzig zu. Direktor Prof. Eber-hard hatte zuvor über die Kooperation inForschung und Lehre mit der Universität

Leipzig berichtet und darauf verwiesen,dass sich das Zentrum zu zwei Drittelnüber eingeworbene Drittmittel finanziert,ein Drittel wird vom Freistaat Sachsen auf-gebracht.4. Der Senat stimmte dem Antrag an dieDFG auf Einrichtung des Internationa-len Graduiertenkollegs „Brückenschläge:Translation und interkulturelle Fachkom-munikation im Zeitalter der Globalisie-rung“ zu. Sprecher Prof. Wotjak unterstrichvor dem Senat, dass der Antrag unter Fe-derführung der Philologischen Fakultät ge-meinsam mit der Universität Granada undder Universität Innsbruck konzipiertwurde. Ebenso stimmte der Senat demAntrag auf Weiterförderung des 1998 ander Universität Leipzig eingerichteten Gra-duiertenkollegs „Wissensrepräsentation“zu.5. Der Senat stimmte der Schließung desInstituts für Hygiene zum 1. Januar 2004zu. Begründet wurde dies mit der Profil-gebung der Medizinischen Fakultät, derNotwendigkeit, zu kleineren Strukturen zukommen, und der Tatsache, dass die neueApprobationsordnung ein eigenständigesInstitut für Hygiene nicht mehr erforder-lich macht. Die der Hygiene zukommen-den Aufgaben werden künftig im ökologi-schen Kurs durch die Mikrobiologie, dieKrankenhaushygiene sowie die Arbeits-und Sozialmedizin abgedeckt. Die bishervom Institut für Hygiene wahrgenomme-nen Aufgaben in Lehre und Krankenver-sorgung werden dem Institut für Medizini-sche Mikrobiologie und Infektionsepide-miologie zugeordnet.6. Der Rektor informierte, dass keine Vor-schläge für die Verleihung der LeipzigerUniversitätsmedaille in diesem Jahr ein-gegangen sind, und bat um rechtzeitigeVorschläge für das nächste Jahr.7. Der Senat nahm die Anregung des Rek-tors zur Kenntnis, dass bei der Vergabe des

Theodor-Litt-Preises als Auszeichnung fürbesonderes Engagement in der Lehre ne-ben den Hochschullehrern künftig auchVertreter des Mittelbaus berücksichtigtwerden sollten.8. Der Senat verständigte sich auf fol-gende Sitzungstermine 2004: 13. Januar, 3. Februar, 9. März, 6. April, 11. Mai, 15. Juni, 13. Juli, 14. September, 12. Ok-tober, 16. November, 14. Dezember.

Prof. Dr. F. Häuser V. SchulteRektor Pressesprecher

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JournalMitteilungen und Berichte für die Angehörigenund Freunde der Universität Leipzig

ImpressumHerausgeber: Der RektorRedakteur: Carsten HeckmannRitterstr. 26, 04109 Leipzig,Tel. 0341/ 9 73 50 24, Fax 0341/ 9 73 50 29,E-mail : [email protected]. i. S. d. P. : Volker SchulteNamentlich gekennzeichnete Beiträge geben dieMeinung der Autoren wieder.Satz und Lithographie: DZA Satz und BildGmbH, AltenburgDruck und Binden: Druckerei zu AltenburgGmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 AltenburgAnzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Tel. 03447/5550Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbHAugustusplatz 10/11, 04109 LeipzigTel./Fax: 0341/9900440Einzelheft : 1,50 eJahresabonnement (sieben Hefte) : 13,– e

In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Siesich bitte an die Redaktion, in Fragen, die denVertrieb betreffen, an den Verlag.Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Beleg-exemplare erbeten.Redaktionsschluss: 30. 10. 2003ISSN 0947-1049

Neues Graduiertenkollegwird beantragt, An-Institut anerkanntSitzung des Senats am 14. Oktober

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Sexuelle Belästigung an der Universität,einer Stätte der Bildung und des zivili-sierten Umganges miteinander, für vielescheint dies kein Thema zu sein. Zahlrei-che Statistiken belegen jedoch, dass es sichhierbei um eine bedauerliche Fehleinschät-zung handelt. Ob Institution, Betrieb oderHochschule – sexuelle Übergriffe, von de-nen vor allem Frauen betroffen sind, sindüberall anzutreffen. Die Universität alsArbeitsplatz stellt hier keine Ausnahmedar. Die Gleichstellungsbeauftragten derUniversität haben sich damit schon viel-fach befassen müssen. Sie haben es deshalb dankbar aufgegriffen,in einer Weiterbildungsveranstaltung mitder Vizepräsidentin des Bundesverwal-tungsgerichtes in Leipzig Marion Eckertz-Höfer neben anderen Fragen auch über diemit dem Thema „Sexuelle Belästigung amArbeitsplatz“ zusammenhängenden Fra-gen sprechen zu können. Hierbei ging esvor allem um gesetzliche Grundlagen und die Besonderheiten des Hochschul-betriebs. Gerade die geschlechtshierarchischenStrukturen im universitären Bereich kön-nen einen „idealen Nährboden“ für se-xuelle Belästigung bieten. Auf Grund derPeinlichkeit dieser Problematik kommt esjedoch im Allgemeinen oft dazu, dass Vor-fälle verharmlost oder verdrängt werden.Für die Täter bedeutet dies, dass sie nichtzur Rechenschaft herangezogen werdenkönnen.Eine der wichtigsten Maßnahmen gegensexuelle Belästigung am Arbeitsplatz istdaher, offen über dieses Thema zu infor-mieren. Als Präventivmaßnahme verstan-den stellt Information einen Beitrag zurEnttabuisierung der Thematik dar mit demZiel, möglicht viele Frauen und Männer fürverschiedenste Formen sexueller Über-

griffe zu sensibilisieren. Zum anderen kannInformation für Betroffene und Ange-hörige eine Hilfestellung sein, um Hilfs-angebote insbesondere in der Form vonBeratung zu kennen und zu nutzen. DieBotschaft lautet: Ignorieren beendet dieSituation nicht. Ich muss mich aktiv weh-ren.

Was ist sexuelle Belästigung?

Sexuelle Diskriminierung, Belästigungund Gewalt äußern sich in vielfältigen ver-balen und nonverbalen Formen. Hierunterfallen alle Handlungs- und Verhaltenswei-sen, die nach allgemeinem Verständnisdazu geeignet sind, eine Person sexuellherabzuwürdigen, zu beleidigen oder zunötigen. Darüber hinaus fallen aber auchsolche Handlungs- und Verhaltensweisendarunter, die von der Betroffenen als ent-würdigend, verletzend oder unerwünschtwahrgenommen werden und deshalb vonihr zurückgewiesen wurden. Dazu gehörenbeispielsweise:

• Bemerkungen und Witze mit sexuellemBezug (sexuell herabwürdigenderSprachgebrauch)

• Anzügliche, entwürdigende Bemerkun-gen oder Witze über das Intimleben oderüber körperliche Vorzüge und Schwä-chen von anderen

• Gesten und nonverbale Kommentare mitsexuellem Bezug,

• verbale, bildliche oder elektronische Prä-sentation pornographischer oder sexisti-scher Darstellungen,

• das Kopieren, Anwenden oder Nutzenvon entsprechenden Computerprogram-men auf universitären EDV-Anlagen,

• unerwünschte Berührungen oder körper-liche Übergriffe,

• unerwünschte Aufforderung oder Nöti-gung zu sexuellem Verhalten,

• Verfolgung und Nötigung mit sexuellemHintergrund.

Gesetzliche Regelungen und Empfeh-lungen zum Schutz der Beschäftigten vorsexuellen Belästigungen existieren auf EU-Ebene, Bundesebene (Beschäftigten-schutzgesetz vom 24. 06. 1994); Landes-ebene (Sächsisches Frauenförderungsge-setz vom 31. 03. 1994) und Universitäts-ebene (Gleichstellungsprogramm der Uni-versität vom 13. 12. 1994). Dieser Schutzumfasst auch vorbeugende Maßnahmen.Marion Eckertz-Höfer, die selbst vieleJahre Gleichstellungsbeauftragte desBundesverwaltungsgerichts war, bot denGleichstellungsbeauftragten an, zu diesenund zu anderen die Gleichstellungsarbeitbetreffenden Fragen im Gespräch zu blei-ben.

Universitätsangehörige, die von sexuel-ler Belästigung betroffen sind, haben die Möglichkeit (auch unter Wahrungder Anonymität), die Gleichstellungs-beauftragte der Universität Dr. MonikaBenedix (www.uni-leipzig.de/gleich/benedix.htm) bzw. die Gleichstellungs-beauftragten der Fakultäten und Sons-tigen Bereiche (www.uni-leipzig.de/gleich.htm) zu informieren.

UniVersum

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Informieren,nicht ignorierenSexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – (k)ein Thema an der Universität?Von Dr. Monika Benedix, Gleichstellungsbeauftragte der Universität Leipzig

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Eine Krankheit, die Mensch und Tier be-fällt, scheint auf dem Vormarsch zu sein:die Lyme Borreliose. Sie wird durch Ze-cken übertragen und kann viele Krank-heitsbilder zur Folge haben, darunter Rö-tung der Haut um die Zeckenbissstelle, Ge-lenkschmerzen, Herzmuskelerkrankungen,Entzündung der Nerven und der Hirnhaut.Ursache dafür ist ein Bakterium namensBorrelia burgdorferi, dessen gewöhnlichspiralige Form durch sogenannte Endofla-gellen, die sich zwischen ihrer äußeren undinneren Membran befinden und dem Bak-terium eine besondere Beweglichkeit ver-leihen, hervorgerufen wird. Wegen ihrerBeweglichkeit können sie fast alle Organeund Gewebe erreichen, was ihr vielgestal-tiges Krankheitsbild erklärt. Mit Antibio-tika kann man die Borrelien nach allenbisherigen Erfahrungen zwar eindämmen,aber nicht besiegen. Sie können immerwieder in Erscheinung treten, ein Phäno-men dass der Veterinärmediziner PD Dr.Reinhard K. Straubinger und seine Nach-wuchsgruppe des Biotechnologisch-Bio-medizinischen Zentrums (BBZ), die amInstitut für Immunologie der Veterinärme-dizinischen Fakultät angesiedelt ist, unter-suchen. Anhand eines besonderen Mäuse-typus, der aufgrund seiner Genetik für Bor-reliose besonders anfällig ist, sollen dieMechanismen, mit denen die Borreliensich im Körper des Wirtes festsetzen, auf-geklärt werden. Dazu ist es notwendig, dieBorrelien und ihre Eigenschaften insge-samt besser kennen zu lernen.Höhere Lebewesen können auf eingedrun-gene Mikroorganismen ganz unterschied-lich reagieren. Zum Beispiel könnenKrankheitserreger durch Moleküle (Anti-körper) erkannt und vernichtet werden.Aber auch bestimmte Zellen (Leukozyten)können diese Funktion übernehmen. DieWissenschaftler sprechen im letzteren Fallvon einer zellulären Antwort. Bei Mäusen

vom sogenannten C3H-Stamm, die dieForscher für ihre Untersuchungen verwen-den, kommt es verstärkt zu einer spezifi-schen zellulären Antwort auf Borrelien undderen Proteine: zu einer Entzündungsreak-tion, eben zur Borreliose. An diesen Mäu-sen können die Wissenschaftler besondersgut den Lebenszyklus der Borrelien erfor-schen und durch spezielle ExperimenteMoleküle und Mechanismen identifizie-ren, die maßgeblich für den Verlauf derbakteriellen Infektion mit Borrelien sind.Wie ist es z. B. möglich, dass Borrelien dieAntikörper des Wirtes an ihre Oberflächebinden und dennoch verhindern, dass derKörper sie als feindliche Eindringlinge er-kennt? Dies könnte dabei eine der Fragensein, deren Beantwortung die Forscherihrem Ziel, neue Therapieansätze für dieBehandlung der Borreliose zu entwickeln,ein Stückchen näher bringt.Inzwischen ist auch bekannt, dass die Bor-relien unter bestimmten Bedingungen ihreForm ändern können. Dr. Straubinger undsein Team gehen davon aus, dass die Erre-ger von der Spiralform in eine kugelför-mige, stoffwechsel-inaktive Überlebens-form wechseln können, wenn die Bakterienungünstigen Umweltbedingungen ausge-setzt sind. Diese Metamorphose könnte ein

Grund dafür sein, dass die Borrelien letzt-endlich jedem Einsatz von Antibiotikawiderstehen und nach Ende der Therapieerneut jene Entzündungsreaktionen her-vorrufen, die sie so gefährlich machen. Bekannt ist, dass die Spiralform zu dengenannten Entzündungsreaktionen führt,wenn der Erreger in spezifische Gewebeeingedrungen ist und mit den dortigenZellen intensiven Kontakt aufnimmt. Jetztwollen die Wissenschaftler klären, welcheProteine in der Kugelform ausgeschaltetsind und welche Rolle diese für das Immun-system spielen. Darüber hinaus stellt sichihnen die Frage, welche besonderen Bedin-gungen die Borrelien in den spezifischenGeweben, die eine solche intensive Reak-tion der Wirtszellen zur Folge hat, finden.mEine ebenso wichtige Problemstellung fürdie Gruppe ist die Frage nach dem Ver-breitungsweg der Borrelien im mensch-lichen und tierischen Organismus. „Wirwollen beweisen, dass die Borrelien im Ge-webe durch aktive Fortbewegung und nichtdurch passiven Transport durch den Blut-kreislauf an den Ort ihrer Wirkungsentfal-tung kommen.“ Dafür sprächen bereits dieklinischen Merkmale: beim Menschen dieRötung der Haut um die Bissstelle nachdem Zeckenbiss; die ersten Beschwerdenin den Gelenken, die der Einbissstelle amnächsten liegen, und kein einziger bekanntgewordener Fall, dass Borrelien durchBluttransfusionen übertragen wurden.Auch im Tierversuch konnte bisher keineBorreliose durch eine Injektion mit konta-miniertem Blut ausgelöst werden.In der Nachwuchsgruppe Dr. Straubingersarbeiten zwei Doktoranden, eine Post-Dok-torandin und bei Bedarf eine technischeHilfskraft. Die Finanzierung erfolgt überdas BBZ und über Mittel, die durch Ser-viceleistungen erworben werden. Außer-dem hat Dr. Straubinger einen Antrag inVorbereitung, um das Borreliose-Projektauszubauen. Man darf auf die Ergebnisseder Nachwuchsgruppe gespannt sein. ErsteMeriten wurden bereits erworben: DieDeutsche Veterinärmedizinische Gesell-schaft vergab einen von drei Nachwuchs-wissenschaftler-Preisen an Straubinger.

Weitere Informationen: www.uni-leipzig.de/bbz

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Bakterien alsÜberlebenskünstlerBBZ-Nachwuchsgruppeforscht zur Borreliose Von Dr. Bärbel Adams

Dr. Straubinger will nachweisen, dasssich die Borreliose nicht über das Blut,sondern über das Gewebe ausbreitet.Dazu muss er zunächst die DNA isolie-ren. Auf dem Bild zeigt er ein Röhrchen,in dem nach Zentrifugation die DNAisoliert wurde. Foto: Dr. B. Adams

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Zwei Monate Südsee, kaum Wolken amHimmel, blaues Meer weit und breit – werdenkt da nicht an eine herrliche Kreuz-fahrt? Doch die an Bord des Forschungs-schiffes „JOIDES Resolution“ befind-lichen Wissenschaftler hatten kaum Gele-genheit, die Schönheit der Natur zu be-wundern und die Seele einfach baumeln zulassen. Sie nahmen vom 6. März bis 6. Maian einer Forschungsexpedition im Rahmendes geowissenschaftlichen „Ocean DrillingProgram“ (ODP) teil. An diesem Bohrpro-gramm sind Forschungsinstitute aus 21Ländern beteiligt. Die Expeditionsteilneh-mer, darunter auch Dr. Dirk Leuschner,Geologe an der Universität Leipzig, warenKlimaextremen der Vergangenheit auf derSpur. Klimaforschung in den Tiefen des Ozeans?Dies erscheint nur auf den ersten Blickparadox. Sedimentgesteine aus der Tiefseebestehen zu einem Großteil aus Verwitte-rungsmaterial sowie Schalen- und Skelett-resten. Die Geologen können daraus Rück-schlüsse auf die Klima- und Umweltver-

hältnisse der Erdgeschichte ziehen. Solassen beispielsweise Messungen von Iso-topenverhältnissen des Sauerstoffs undKohlenstoffs an Karbonatschalen im Meerlebender Einzeller Aussagen über die Tem-peratur und den Gehalt von Treibhausgasenin der Atmosphäre zu.Die ODP-Ausfahrt 208 führte Dr. Leusch-ner zum Walfischrücken, einem Tiefsee-gebirge vor der Küste Namibias. Die Wis-senschaftler interessierte vor allem, welcheProzesse sich bei kurzfristig und abruptauftretenden Klimaextremen in den letzten65 Millionen Jahren (Känozoikum) imOzean-Atmosphären-System abgespielthaben und wie sich das globale Klimasys-tem danach wieder erholen konnte. „Für die heutige Klimadiskussion ist es nö-tig, exaktere Kenntnisse über die natürlicheKlimaentwicklung der Vergangenheit zuhaben“, erläutert Dr. Leuschner den For-schungshintergrund. Besonders das Zu-sammenspiel verschiedener Klimakompo-nenten, wie zum Beispiel der Einfluss vonTreibhausgasen und des ozeanischen und

atmosphärischen Wärmetransports, müsseweiter untersucht werden. Erkenntnisseüber das Vorhandensein von Schwellen-werten, die in der Erdgeschichte drastischeKlimasprünge ausgelöst haben, aber auch„selbstregulierende Mechanismen“, diedas Ökosystem wieder in „normale“ Ver-hältnisse zurückbringen, seien für das Ver-ständnis der heute ablaufenden Klima-veränderungen wichtig. „Erst wenn darü-ber Klarheit herrscht, lassen sich exaktereModellvorstellungen und Prognosen fürdie Zukunft, auch unter Berücksichtigungder menschlichen Einwirkungen, entwi-ckeln.“ Thema seiner eigenen Forschungsarbeit istunter anderem die Bestimmung der Ton-mineralogie vom späten Paläozän bis insfrühe Eozän (vor etwa 55 Millionen Jah-ren), um Veränderungen in der Tiefenwas-serzirkulation und der klimatisch beding-ten Verwitterung an Land zu verfolgen.Die Wissenschaftler benötigen für ihre For-schungen möglichst komplette Bohrprofilevon Sedimentgesteinen. An Bord der

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65 Millionen Jahreunter dem Meer Leipziger Geologe erforschtKlimaextreme

Von Andreas Wust

Das Forschungsschiff „JOIDES Resolution“. Foto: Leuschner

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„JOIDES Resolution“ erhielten die Geolo-gen durch die Anwendung neuer Bohrme-thoden Probenmaterial in einer bisher nichtda gewesenen Vollständigkeit und Qualität.Das bislang wichtigste wissenschaftlicheErgebnis ist dabei die Erkenntnis, dass dieozeanographischen Umwälzungen zurPaläozän-Eozän-Grenze möglicherweisenoch drastischer waren als bisher ange-nommen. Zu dieser Zeit kam es zu einerrelativ abrupten Klimaerwärmung, die ingemäßigten Breiten eine Zunahme derDurchschnittstemperatur um ca. 8 °C zurFolge hatte. Dies wird auf die plötzlicheEntgasung von Methan zurückgeführt. DasTreibhausgas Methan liegt in großen Men-gen, als stabiles Methanhydrat in eisähn-lichen Strukturen gebunden, in Sedimen-ten der Kontinentalhänge vor. Sinkt derDruck oder erhöht sich die umgebendeTemperatur, ist diese Stabilität nicht mehrgegeben und gasförmiges Methan ent-weicht. Dies kann zu einer weiteren Tem-peraturerhöhung und somit zu einemRückkopplungseffekt führen.Zur Fortführung der Forschungsarbeit wer-den Gesteinsproben auch nach Leipzig ge-bracht. In einem Teilprojekt werden amInstitut für Geophysik und Geologie inZusammenarbeit mit dem Umweltfor-schungszentrum (UFZ) und dem Institutfür Interdisziplinäre Isotopenforschung(IIF) weitere geochemische Analysendurchgeführt. Einen Hauch von Kreuzfahrt erlebte Dr.Leuschner nach fast zwei Monaten ange-strengter Arbeit übrigens doch noch. Aufeinem kleinen Schlauchboot konnte er dasForschungsschiff umrunden und das Meerhautnah spüren. Die Fahrt dauerte zwar nuretwa 20 Minuten, doch empfand Dr.Leuschner „eine neue geistige Frische, wassehr gut getan hat“.

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Forschung

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Oben:Der Bohrturm aufdem Forschungs-schiff.

Foto: Leuschner

Unten:Dr. Leuschner(vorn) und Kolle-gen bei der Ana-lyse im Labor.

Foto: ODP

Die „JOIDES Resolution“ hat eine statt-liche Länge von 144 Metern, sie ist 21Meter breit und der Bohrturm ragt 64 Me-ter über der Wasserlinie empor. Das ODP-Bohrschiff ist für die Forschungsarbeitbestens ausgerüstet. Es verfügt über La-bors für Bohrlochmessungen, Kernaufbe-reitung und -beprobung. Für die Lagerungder Bohrkerne bis zum nächsten Hafenstehen Kühlräume zur Verfügung. Wäh-rend der Expedition wurden an sechsOrten in Wassertiefen von 2500 bis

4750 Meter Bohrungen vorgenommen.Die Bohrkerne wurden in 1,5 Meter langeTeile geschnitten, um im Labor weiter ver-arbeitet zu werden. Schon an Bord wurdenu. a. Dichte, magnetische und andere phy-sikalische Eigenschaften des Sedimentge-steins gemessen.An der Expedition waren 27 Wissenschaft-ler aus 10 Ländern beteiligt, die Schiffs-besatzung bestand insgesamt aus mehr als100 Personen. An Bord waren ca. 20 Na-tionalitäten vertreten, während für das Es-

sen vor allem Portugiesen zuständig wa-ren, stammten die Bohrtechniker von denPhilippinen. Der Zwölf-Stunden-Rhythmus verlangtevon allen viel Selbstdisziplin. Dennochschätzt Dr. Leuschner diese Form des wis-senschaftlichen Austausches. Nur seltenkämen Wissenschaftler aus so zahlreichenLändern zusammen, um intensiv an einemgemeinsamen Projekt zu arbeiten. DieAtmosphäre im jungen Wissenschaftler-team sei entspannt und locker gewesen.

Arbeiten an Bord

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Unsere Erde ist ständig einem kosmischenBombardement unterschiedlichster Teil-chen und Strahlungen ausgesetzt. EinenTeil davon verschluckt die uns schützendeAtmosphäre. Auf die Erdoberfläche gelan-gen unter anderem auch die Meteorite.Grobe Abschätzungen ergeben, dass jähr-lich etwa 500 Meteorite mit einer Massegrößer als 200 Gramm uns erreichen. DieMehrzahl fällt ins Meer, lediglich etwa 150treffen das Festland. Davon werden in derRegel nur 10% tatsächlich gefunden. Abund zu kommen auch große Exemplare vor,so rechnet man z. B. aller 1000 Jahre miteinem Meteoriten vom Durchmesser100–200 Meter. Von solchen Brockenzeugt z. B. der große Canyon Diablo-Kra-ter in Arizona. Zu dieser sogenannten kos-mischen Gefahr gibt es mehr oder wenigergute Filme, auch SDI sollte hier helfen.Die „Himmelsboten“ werden entsprechendihrer Zusammensetzung in Stein- undEisenmeteorite eingeteilt. Es existierenauch Mischformen – die sogenanntenStein-Eisenmeteorite. Die Steinmeteoritebestehen im wesentlichen aus silikatischenMineralen, wie Feldspat, Olivin und Pyro-xen.Der Ursprung dieser Körper liegt im Son-nensystem – meist sind es Bruchstücke aus

dem zwischen Jupiter und Mars befind-lichen Asteroidengürtel. Aber auch derMond, der Mars und Kometenreste könnenMeteorite „liefern“. Speziell die Eisenme-teorite (genauer Eisen-Nickel-Meteorite)zeigen eine Zusammensetzung wie sie ty-pisch für die metallischen Kerne differen-zierter Asteroiden sind. Auch unsere Erdebesitzt bekanntlich einen derartigen Fe-Ni-Kern. Bei der Evolution des Weltalls ge-hörten Eisen und Nickel zu den letzten Ele-menten deren Entstehung durch Kernver-schmelzung energetisch noch möglich war.(Die Herkunft schwererer Elemente wirdim allgemeinen mit der Existenz der Super-novae verknüpft).Die Abkühlung der Mutterkörper der Me-teoriten (Asteroide) geschah unvorstellbarlangsam – einige Grad pro eine MillionJahre. Daraus resultierte ein spezielles ein-kristallines Gefüge der Hauptphasen (diesogenannten Widmanstätten’schen Figu-ren). Dieses besteht aus nickelreichen(Taenit) und nickelarmen (Kamazit) Eisen.Außerdem treten bestimmte Ausscheidun-gen kristalliner Nebenphasen, wie z. B. Fe-Ni-Phosphide, auf.Man unterscheidet bei der Entwicklung derMeteoriten drei Zeiten: Die Existenzzeitder Asteroide T1, die Flugzeit der aus den

Asteroiden hervorgegangenen MeteoriteT2 und die Zeit T3, die vom Auftreffen desMeteoriten auf der Erde bis zu seiner Ent-deckung durch die Menschen verstrich. Imallgemeinen gilt: T1 >> T2 >>T3.Die konkrete kristalline Struktur der auf-gefundenen metallischen Meteoriten spie-gelt einmal die durch sanftes Abkühlen ent-standene „ideale“ und für den jeweiligenAsteroiden mehr oder weniger typischeStruktur wieder. Dieser Struktur ist eineStörung überlagert, die durch die Art undWeise der konkreten „Formierung“ desMeteoriten (z. B. Zerstörung des ganzenAsteroiden, Absplittern bestimmter Teile…), durch die Einflüsse während seinesFluges durch das Planetensystem unddurch die „Landung“ auf der Erde be-stimmt wird.Die Untersuchung dieser Wechselbezie-hung am Beispiel der Verwachsungsbezie-hungen zwischen den beiden HauptphasenKamazit und Taenit und der Struktur be-stimmter Nebenphasen erfolgt an unsererEinrichtung im Rahmen eines gemeinsa-men DFG-Projektes mit der TechnischenUniversität Clausthal. Dafür werden nebenden traditionellen optischen Verfahrenauch moderne Methoden der Röntgen-(Strukturbestimmung) und Elektronenbeu-gung (Verwachsungsbeziehungen) sowiedie Synchrotronstrahlung zur Untersu-chung der Fe-Ni-Verteilung in den Phos-phiden eingesetzt. Die bisher erhaltenenErgebnisse lassen z. B. den Schluss zu,dass auch bei relativ stark gestörten Meteo-riten die ursprünglichen Orientierungsbe-ziehungen sich zumindest im statistischenMittel erhalten haben. Weiterhin scheintdie Verteilung der Metallatome in denPhosphiden bestimmte Ordnungen aufzu-weisen, die möglicherweise mit der Ent-wicklungsgeschichte der Meteoriten zu-sammenhängen.

Forschung

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Meteorite – Botenaus dem WeltallUntersuchungen in DFG-ProjektVon Dr. Volker Geist, Institut für Mineralogie,Kristallographie und Materialwissenschaft

Links: Polierte und geätzte Oberfläche eines Stückes vom Fe-Ni-Meteoriten „To-luca“. Deutlich erkennt man die Widmanstätten’sche Struktur. Die seitliche Ausdeh-nung der Probe beträgt 6 cm

Oben: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme der Verwachsung von Kamazit-blöcken (hell) und Taenitlamellen (dunkel) des Meteoriten „Watson“ (l.) und der ge-ätzten Oberfläche des Meteoriten „Toluca“ mit gut erkennbaren Kristallen derNebenphase „Eisen-Nickel-Phosphid“ (r.)

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Journalistik

Alles

oder was?

Ob sie nun „das Googlepol“ anprangerten(Süddeutsche Zeitung) oder von der „Ver-googelung des Webs“ (Spiegel Online)sprachen: Deutschlands Medienjournalis-ten stürzten sich im Sommer wahrlich aufdie ersten veröffentlichten Ergebnisseeiner Studie, die nun erschienen ist. Sieträgt den Namen „Wegweiser im Netz.Qualität und Nutzung von Suchmaschi-nen“ und wurde im Auftrag der Bertels-mann-Stiftung vom Leipziger Journalistik-Professor Marcel Machill konzipiert unddurchgeführt.Ein Resultat der Untersuchung: Google,der Marktführer unter den Internet-Such-maschinen, wird inzwischen von 69 Pro-zent der Nutzer bevorzugt verwendet. Dazukommen zahlreiche Kooperationen mitanderen Suchmaschinen, zum Beispiel mitAOL und Yahoo, die die Treffer von Googleübernehmen. Lediglich 39 Prozent derNutzer verwenden eine zweite Suchma-schine, fast niemand greift auf drei odermehr Dienste zurück. „Hier tauchen be-kannte medienpolitische Fragestellungenwie Konzentrationsbegrenzung und publi-zistische Macht in neuem Gewand auf. FürInternet-Suchmaschinen benötigen wir je-doch neue Regulierungsansätze“, kom-mentiert Professor Machill die Ergebnisse.„Hier über Regulierungen nachzudenken,erscheint völlig wirklichkeitsfremd“,meint hingen Frank Patalong von SpiegelOnline. „Der Nutzer sucht nun mal dort,wo er am meisten findet.“ Bei Googleeben. Aber: „Konkurrenz tut Not. Denkbarwäre die bewusste Stützung, Promotionoder gar Förderung potenter Alternativen.“Löblich sei die Absicht schon, die mit derStudie verfolgt werde: die User für Pro-bleme zu sensibilisieren.Und Probleme scheint es zu Genüge zu ge-ben. Stichwort „Spamming“ bei Suchma-schinen: Die Rankings spiegeln nicht nurdie Relevanz der gesuchten Websites wi-der, sondern enthalten zunehmend Sucher-gebnisse, die nicht mit der Suchanfrage zu

tun haben. 75 Prozent der deutschen Such-maschinen-Betreiber registrierten im ver-gangenen Jahr eine starke Zunahme dermanipulierten Angaben, mit denen Web-site-Anbieter Top-Platzierungen in den Er-gebnislisten erzielen wollen. 25 Prozentder Betreiber verzeichneten immerhin eineleichte Steigerung des „Spamming“.Laut Studie wissen nur wenige Nutzerüberhaupt, wie die Rankings innerhalb derSuchergebnisse zustande kommen oderwie sich Suchmaschinen finanzieren. 55Prozent der befragten Anwender glaubenfälschlicherweise, dass Suchmaschinenihre Erlöse mit dem Verkauf von Nutzer-daten erzielen. Richtig ist, dass Werbeein-nahmen und der Verkauf von Suchtechno-logie zu den Haupterlösquellen zählen.Für die Untersuchung wurden eine Nutzer-befragung durchgeführt sowie Bediener-freundlichkeit und inhaltliche Qualität dermeistgenutzten deutschen Suchmaschinenanalysiert. Außerdem wurde in einem La-borexperiment das tatsächliche Verhaltenvon Suchmaschinen-Nutzern erforscht.Die Studie ist Teil des Projektes „Transpa-renz im Netz“. C. H.

Marcel Machill, Carsten Welp (Hrsg.)Wegweiser im NetzQualität und Nutzung von Suchmaschinenf 19,–, ISBN 3-89204-714-6

Research FestivalArbeitenprämiert

Am 24. Oktober fand das 2. LeipzigerResearch Festival statt, die Leistungsschaujunger Wissenschaftler verschiedenerFachrichtungen der Medizin und Lebens-wissenschaften. Rund 200 Arbeiten wur-den eingereicht – und einige davon prä-miert. Die Preisträger sind: HolgerScheidt, BBZ-Nachwuchsgruppe „Struk-turaufklärung membranassoziierter Pro-teine mittels Festkörper-NMR“, DanielaSchulz, BBZ-Nachwuchsgruppe „Protein-Ligand-Wechselwirkung mittels Ionen-Cy-clotron-Resonanz-Massenspektrometrie“,Prof. Dr. Claus Zimmer, Klinik undPoliklinik für Diagnostische Radiologie,Abt. Neuroradiologie, Yousef Yasai, Klinikund Poliklinik für Augenheilkunde, Mar-kus Morawski, Paul, Flechsig-Institut fürHirnforschung, Dr. Uta Ceglarek, Institut

für Laboratoriumsmedizin, Klinische Che-mie und Molekulare Diagnostik, JohannesBoltze, Institut für Klinische Immunologieund Transfusionsmedizin, Dr. Ute Görke,Max-Planck-Institut für neuropsychologi-sche Forschung, Vuk Savkovic, Medizini-sche Klinik und Poliklinik II, WinnieWeigel, BBZ-Arbeitsgruppe „Molekular-biologisch-biochemische Prozesstechnik“,Daniel Kretzschmar, Institut für Labora-toriumsmedizin, Klinische Chemie undMolekulare Diagnostik, Holger Kristen,BBZ-Nachwuchsgruppe „Molekulare Diag-nostik – Microarray-Techniken“, SandraHentschel, Institut für Pharmazie.

BioinformatikInitiative erneuterfolgreich

Die Leipziger Bioinformatikinitiative wirdnach positiver Begutachtung für weiteredrei Jahre durch die Deutsche Forschungs-gemeinschaft gefördert. Das Interdiszipli-näre Zentrum für Bioinformatik (IZBI)und der Lehrstuhl für Bioinformatik erhal-ten trotz schwieriger Finanzlage insgesamt2,1 Millionen Euro. Diese Entscheidungwürdigt die erfolgreiche Aufbauarbeit seitdem Beginn der Förderung im September2000.Die Bioinformatikinitiative ist eingebettetin das Leipziger Konzept für Biotechnolo-gie und Biomedizin durch Kooperationenmit dem Biotechnologisch-Biomedizini-schen Zentrum (BBZ /BioCity) und denLeipziger Max-Planck-Instituten für Evo-lutionäre Anthropologie und für Mathema-tik in den Naturwissenschaften.Die Forschungsschwerpunkte des Zen-trums liegen auf zwei Gebieten:1. Im Schwerpunktthema „Genetische

Evolution“ wird die Vielfalt der Le-bensformen im Hinblick auf die evolu-tionären Beziehungen zwischen denArten analysiert (Stammbaumrekon-struktion).

2. Im Schwerpunktthema „Gewebsorgani-sation und Signaltransduktion“ geht esum die Aufklärung der Beziehung zwi-schen Genotyp und Phänotyp bei derGewebsbildung und -funktion.

B. A.

Weitere Informationen im Internet:www.izbi.uni-leipzig.de

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Forschung

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KleineUrsache –großeWirkungKatalysatoren inder chemischenIndustrieVon Prof. Wolf-Dietrich Einicke,Prof. Helmut Papp und Prof. GerhardWendt, Institut für Technische Chemie

Die Herstellung chemischer Produkte be-ruht auf Verfahren der stofflichen Um-wandlung. Aus Rohstoffen werden unterbestimmten Bedingungen Reaktionspro-dukte hergestellt, wobei Energie freigesetztoder verbraucht wird. Durch Zusatz einergeringen Menge eines Stoffes – eines Ka-talysators – gelingt es, die Geschwindig-keit einer Reaktion und auch die Selekti-vität (Reaktionsrichtung) zu beeinflussen.Unter Verwendung geeigneter Katalysato-ren und unter bestimmten Reaktionsbedin-gungen können damit aus den gleichenRohstoffen unterschiedliche Reaktionspro-dukte gewonnen werden.In der chemischen Industrie werden gegen-wärtig mehr als 70% der Produkte unterAnwendung von Katalysatoren hergestellt;auf die Menge bezogen sind es sogar mehrals 90%. Unter Berücksichtigung der Tat-sache, dass die bisher nutzbaren Rohstoff-und Energieressourcen endlich sind,kommt damit der Entwicklung von Verfah-ren mit einer besseren Rohstoffausnutzungund mit geringerem Energieverbrauch einegroße Bedeutung zu. Aber auch Verfahrenzur Verwertung von nachwachsenden Roh-stoffen, zur Herstellung biologisch abbau-barer Produkte sowie zur Verminderungvon Schadstoffen oder besser noch zurVermeidung von Schadstoffen sind vonaktuellem Interesse. Die Katalysatoren werden in Bezug aufihre Anwendung wie folgt eingeteilt. In derhomogenen Katalyse befinden sich der

Katalysator und die Reaktionspartner ineiner Phase (Flüssigphase oder Gasphase).Die technisch eingesetzten Katalysator-systeme enthalten zumeist metallorgani-sche Verbindungen. Bei der enzymati-schen Katalyse werden Enzyme als Kata-lysatoren eingesetzt, in denen die Zentren,an denen die katalytische Reaktion abläuft(Metallionen), in eine makromolekulareStruktur eingebaut sind. Diese „Biokataly-satoren“ werden zunehmend technisch her-gestellt und angewandt. Wenn der Kataly-sator und die Reaktionspartner in unter-schiedlichen Phasen vorliegen, handelt essich um die heterogene Katalyse. Als Ka-talysatoren werden zumeist feste Katalysa-toren (z. B. Metalle und Oxide) eingesetzt,an deren Oberfläche Stoffe in der Gas- undFlüssigphase umgesetzt werden. Diese Ka-talysatoren finden häufig Anwendung, dasich die Reaktionspartner und der Kataly-sator leicht voneinander trennen lassen.Am Institut für Technische Chemie derUniversität Leipzig werden Untersuchun-gen zur heterogenen Katalyse an festenKatalysatoren für verschiedene technischwichtige Reaktionen durchgeführt.

Heterogene Katalyse

Bei der Durchführung der heterogen kata-lysierter Reaktionen unter technischen Be-dingungen werden die Katalysatoren imeinfachsten Fall als Katalysatorkörner (Pel-lets) in einem Rohrreaktor fest angeordnet(Abbildung 1). Die Größen und Formender Pellets (z. B. Kugeln oder Zylinder miteinem Durchmesser von 2–5 mm) nehmenEinfluss auf den Stofftransport der Edukt-und Reaktionsproduktmoleküle. Die ei-gentliche katalytische Umsetzung derEduktmoleküle A erfolgt an den kataly-tisch aktiven Zentren im Inneren des Kata-lysatorkornes. Um dahin zu gelangen,müssen die Eduktmoleküle aus der strö-menden Phase in mehreren Schritten an dieZentren transportiert werden. Dabei erfolgtder Stofftransport zunächst von der Gas-phase zur Kornoberfläche und nachfolgenddurch Diffusion in den Poren bis zu den ka-talytisch aktiven Zentren, an denen nachAdsorption die eigentliche chemische Um-wandlung erfolgt. Die ReaktionsprodukteB und C durchlaufen die gleichen Schrittein umgekehrter Richtung. Da chemischeReaktionen immer von einem Energieum-satz begleitet werden, nehmen auch nochWärmetransportprozesse Einfluss auf diekatalytische Umsetzung und auch auf dasVerhalten der Reaktoren.

Eine wesentliche Größe für die katalyti-sche Aktivität und Selektivität ist die spe-zifische Oberfläche und damit zusammen-hängend die Porengrößenverteilung. Eswerden in Abhängigkeit von der katalyti-schen Reaktion hochporöse Stoffe mit spe-zifischen Oberflächen bis zu 1500 m2/gangewandt. Die katalytische Reaktion läuftaber nicht an allen Atomen an der Ober-fläche, sondern nur an bestimmten kataly-tisch aktiven Zentren ab. Die katalytischaktiven Zentren können isolierte Atomeoder Ionen aber auch bestimmte Gruppie-rungen von Atomen oder Ionen (Ensem-bles, Cluster) an Festkörperoberflächensein.

Die Elementarschritte einer katalytischenReaktion auf Festkörperoberflächen ver-laufen auf einem sehr kleinen Raum (imPikometer-Bereich) und auch in sehr kur-zen Zeiten (im Piko- bis Femtosekunden-Bereich) ab. Eine Aufklärung der einzelnenElementarschritte einer katalytischen Re-aktion einschließlich der Natur der kataly-tisch aktiven Zentren – des Reaktionsme-chanismus – ist damit sehr schwierig. Bis-her ist es nur an wenigen katalytischenSystemen gelungen, über alle Schritte desReaktionsmechanismus zuverlässige In-formationen zu erhalten.Die Untersuchung fester Katalysatoren er-fordert die Anwendung einer Vielzahl vonMethoden zur Beschreibung der katalyti-schen und physikalisch-chemischen Eigen-schaften. In der Grundlagenforschung wer-den an Modellsystemen unter idealisiertenBedingungen (z. B. Ultrahochvakuum) Un-tersuchungen vorgenommen, die grund-sätzliche Aussagen zur Struktur der Kata-lysatoroberfläche und zu bestimmten

Forschung

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Abbildung 1: Rohrreaktor

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Aspekten des Reaktionsmechanismus er-möglichen. Für eine technische Anwen-dung von Katalysatoren ist es aber not-wendig, die Katalysatoren unter praktischrealen Bedingungen zu untersuchen. Dazuwerden eine Reihe von in-situ-Methodeneingesetzt, die zunehmend eine realistischeBeurteilung von Katalysatoren ermög-lichen. Die Entwicklung und Realisierungheterogen katalysierter Verfahren erfordertdas Zusammenwirken verschiedener Teil-disziplinen. Neben der Heterogenen Kata-lyse sind dies hauptsächlich die Material-wissenschaften, die Chemische Reaktions-technik und die Verfahrenstechnik.An drei Beispielen, die auch Gegenstandvon Untersuchungen im Institut für Tech-nische Chemie sind, werden einige Pro-bleme der Untersuchung von Festkörper-Katalysatoren dargestellt.

Der „siedende Stein“

Zeolithe bezeichnen eine große Gruppevon kristallinen Alumosilikaten mit defi-nierten Kanal- und Hohlraumstrukturen.Der Name Zeolith kommt aus dem Grie-chischen und bedeutet „siedender Stein“,da in der Natur vorkommende Zeolithebeim Erhitzen in den Hohlräumen adsor-biertes Wasser als Dampf abgeben, ohneihre Struktur zu verändern. Die Kanäle undHohlräume der Zeolithe liegen in der Grö-ßenordnung von Moleküldimensionen,d. h. von wenigen Angström bis zu wenigenNanometern, weshalb die Zeolithe auch alsMolekularsiebe bezeichnet werden. Dieser Siebeffekt macht aus den Zeolithenwertvolle Katalysatoren für eine Vielzahlvon Reaktionen, besonders aber für dieUmwandlung von Kohlenwasserstoffen.Gleiches gilt für die Säurezentren, diedurch unterschiedliche Ladungen in denZeolithen entstehen können.Der Molsiebeffekt bedingt die sogenannteformselektive Katalyse, d. h. auf Grund der„eingeschränkten Geometrie“ im Innerndes Zeolithgerüsts können nur Reaktandenbzw. Produkte in die Kanäle hinein- oderaus ihnen herausdiffundieren bzw. Reak-tionen in ihnen ablaufen, die mit dem„Platzangebot“ im Innern der Zeolithe „zu-rechtkommen“. Bei einer Vielzahl von pe-trochemischen Prozessen, z. B. der Spal-tung von Kohlenwasserstoffen, werdenZeolithe als Katalysatoren eingesetzt. Kleine Unterschiede in der Größe der Ka-nal- und Hohlraumstruktur können dabeischon zu starken Veränderungen der Pro-duktzusammensetzung führen. So ist zum

Beispiel bei der Isomerisierung von n-Bu-ten zu iso-Buten (einem Vorprodukt vonMethyltertiärbutylether, dem im Millio-nen-Tonnen-Maßstab erzeugten Antiklopf-mittelzusatz im Kfz-Benzin) die Produkt-zusammensetzung stark von der Kanal-struktur der eingesetzten Zeolithe abhän-gig. An H-Ferrierit, einem Zeolith mit sichkreuzenden sog. „10-Ring- und 8-Ring-kanälen“ (Abbildung 2 unten), entsteht mitsehr guter Ausbeute nahezu ausschließlichiso-Buten, während an H-ZSM-5, einemZeolith mit zwei sich kreuzenden „10-Ringkanälen“ (Abbildung 2 oben), iso-Bu-ten nur als Nebenprodukt in geringen Men-gen beobachtet werden.

Chemische Chamäleons

Perowskite gehören zu einer großen Ver-bindungsklasse , die sich von dem MineralPerowskit (CaTiO3) ableitet. Für die Kata-lyse finden z. B. Perowskite (Abbildung 3)der allgemeinen Zusammensetzung ABO3

(A = Selten Erdmetallion, z. B. Lanthan; B= Übergangsmetallion, z. B. Mangan undCobalt) Anwendung. Durch partielle Sub-stitution der Kationen auf der A- und B-Po-sition durch andere Kationen unter Aus-bildung von Mischkristallen können dieEigenschaften von Perowskiten in weitenGrenzen variiert werden. Perowskite wer-den aus diesen Gründen auch als chemi-sche Chamäleons bezeichnet. Durch diebei der Substitution entstehenden Kat-ionen- und Anionen-Vakanzen wird die

katalytische Aktivität beträchtlich erhöht.Darüber hinaus kann die katalytische Akti-vität auch durch das Aufbringen derPerowskite auf poröse Trägermaterialienbzw. durch die Fixierung auf keramischeMonolithe beeinflusst werden.Technische Anwendung finden bestimmtePerowskite u. a. in der katalytischen Ab-luftreinigung. So können z. B. Kohlenwas-serstoffe oder Chlorkohlenwasserstoffedurch Totaloxidation in ökologisch unbe-denkliche Stoffe (H2O, CO2) bzw. in Stoffe(HCl), die durch Absorptionsverfahrenleicht aus Abluftströmen entfernt werdenkönnen, umgewandelt werden.

Wärme durch Mikrowellen

Chemische Umsetzungen an Katalysatorenbenötigen eine Zuführung von Energie, umgestartet werden zu können. Im Gegensatzzur konventionellen Erwärmung eines Ka-talysatorbettes durch Wärmeleitung, -kon-vektion und -übergang kann der Energie-transport durch Mikrowellen materielosund direkt in das Katalysatorkorn erfolgen.An Katalysatoren, die über Festkörperdi-pole oder frei bewegliche Ionen verfügen(z. B. Perowskite), wird die Mikrowellen-energie direkt in Wärme umgewandelt. Da-bei lassen sich in Abhängigkeit von derMikrowellenleistung schnell und gleich-mäßig Temperaturen bis 800 °C erzeugen.Fehlen im Katalysator diese polaren An-teile, müssen dem Katalysator mikrowel-lenabsorbierende Materialien beigemischtwerden. Derartige Mischkatalysatorenwurden für die Totaloxidation von Schad-stoffen und Lösemitteln aus Abluft getes-tet.

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Abbildung 2: Zeolithe

Abbildung 3: Perowskit

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Wissen Sie, was ein Teraflop ist? Nun,schämen Sie sich nicht, schließlich wirdIhr PC wohl kaum eine Billion Berechnun-gen pro Sekunde ausführen und damit eineLeistung von einem Teraflop erreichen.Aber selbst eine solche Top-Leistung ga-rantiert nicht unbedingt eine Problem-lösung. Allerdings nicht, weil man derungeheuren Schnelligkeit nicht mehr fol-gen könnte. „Es geht um etwas anderes als das sequentielle Arbeiten der Compu-ter“, erklärt Dr. Wolfgang Eisen-berg von der Arnold-Som-merfeld-Gesellschaft e. V.(ASG). „In der Physik, derChemie, der Biologie,aber auch in der Medizinkommen komplexe Zu-sammenhänge vor. Diesemüssen in ihrer zeitlichen undräumlichen Entwicklung unter-sucht werden.“ In der Natur laufen ebenviele Prozesse nicht nacheinander, sonderngleichzeitig ab. Natürlich kann man analog dazu Rechen-operationen zur gleichen Zeit an verschie-

denen Standorten durchführen, Computerparallel schalten. Zunehmende Bedeutungerlangen aber laut Eisenberg und seinerASG-Kollegen Dr. Uwe Renner und Dr.Clemens Kiefer „Zelluläre Automaten“. In ihrer Patentvorstellung sind die „Auto-maten“ ein Verbund von Prozessorelemen-ten mit Register, arithmetisch-logischerEinheit und Schnittstellen zu den Nachbar-elementen. Es geht weiter darum, dass dieEigenschaften der Teilsysteme (Zellen) als

Zustände formuliert und für ihrezeitliche Entwicklung Regeln

aufgestellt werden, mit de-ren Hilfe diese Zustände inandere umgewandelt wer-den. Die Regeln werdenaus bekannten Gesetzen

abgeleitet oder als Erfah-rungsregeln formuliert. Die

ASG-Fachleute führen dazu aus:„Die Regeln sind nicht vordergründig alsnumerische Rechenvorschriften, sondernvielmehr als Abbildungen zu verstehen.“Bei der Formulierung der Regeln werdenstets die Zustände benachbarter Teilsys-teme berücksichtigt. Das heißt, beim „zel-lulären Automaten“ läuft das Ganze räum-lich parallel und zeitlich synchron ab. Mannutzt ihn zur Simulation, wenn man nochnicht alle Eigenschaften eines zu unter-suchenden Systems kennt.Strukturell ähneln die „zellulären Automa-ten“ biologischen Organismen, die ebenauch aus einer Vielzahl von Zellen aufge-baut sind. Eine jede biologische Zelle, soerläutert Uwe Renner, „erfüllt bestimmteFunktionen und trägt so zur Gesamtfunk-tion des Systems bei. Auch scheint in derNatur die parallele Arbeitsteilung in denZellen ein wesentliches Prinzip zu sein,was auch ein Grund für die Entwicklungeines ,zellulären Automaten‘ als ein Mo-dell für den Parallelcomputer ist.“Ein Anwendungsbeispiel haben die Exper-ten auch parat: die Modellierung der Clu-sterbildung in einer biologischen Mem-bran. Diese Modellbildung werde durch

die Verwendung von „zellulären Automa-ten“ radikal vereinfacht. Energetische undmathematische Modellierungen seien da-bei möglich, die den Biologen das Arbei-ten mit dem Biosystem erleichtern.Noch gibt es keine einheitliche Beschrei-bungssprache zur Programmierung von„zellulären Automaten“. Sie wäre ein ersterSchritt auf dem Weg zu einer rekonfigu-rierbaren Hardware passend zu dieser„Software“. Denn: „Auch wenn sich ‚zel-luläre Automaten‘ auf herkömmlichenRechnern simulieren lassen und auf Paral-lelrechner portierbar sind, lassen sich dieVorzüge der massiven Parallelität dort ent-weder gar nicht oder nur mit hohem finan-ziellen Aufwand nutzen“, so Uwe Renner.Ein zusätzliches Hemmnis sei, dass selbstmit Parallelrechnern die eigentliche Re-chenleistung gar nicht mehr proportionalzur Prozessorzahl steige. Konzepte gebe esderzeit einige, auch welche, die die bis-herige strikte Trennung von Hard- undSoftware zunehmend aufheben.

Carsten Heckmann

Fakultäten und Institute

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Höhere Informatik machtBiologen die Arbeit leichter„Zelluläre Automaten“ auf dem Vormarsch

Die Arnold-Sommerfeld-Gesellschaftist ein Verbund von Wissenschaftlernverschiedener Disziplinen, die in einemgemeinnützigen Verein Forschung imSinne des Namensgebers betreiben.Viele Mitglieder haben an der Univer-sität Leipzig studiert. Arnold Sommer-feld arbeitete als Mathematiker, Techni-ker und theoretischer Physiker und trugdamit wesentlich zur Integration ver-schiedener Wissenschaftsdisziplinen bei,was auch erklärtes Ziel der Gesellschaftist. Weltbekannt wurde die Sommerfeld-schule, die in Leipzig durch die Nobel-preisträger Werner Heisenberg, PeterDebye und auch Gregor Wentzel vertre-ten war.

Die Sommerfeld-Gesellschaft imInternet: www.asg-ev.de

SymposiumDie nebenstehend beschriebenen „zellu-lären Automaten“ waren zusammen mit„mikrozellulären Automaten“ auch einesder Themen beim Symposium „Model-lierung in Physik- und Informationssy-stemen und in der Informationstechnik“,das am 6. und 7. November im NeuenSenatssaal der Universität Leipzig stattfand. Veranstaltet wurde es von der Arnold-Sommerfeld-Gesellschaft,der Fachgruppe „Physik-Informatik-Informationstechnik“, der DeutschenPhysikalischen Gesellschaft, der Gesell-schaft für Informatik und der Informa-tionstechnischen Gesellschaft. Von Sei-ten der Universität wirkten das Institutfür Informatik und das Institut für Logikund Wissenschaftstheorie mit.

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Pädagogische BerufspraxisDrei-Länder-Projektschreitet voranDas Zentrum zur Erforschung und Ent-wicklung pädagogischer Berufspraxis(ZpB) der Universität Leipzig (Leitung:Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Schulz) hat jetztdas Projekt „Heimat im Europa der Re-gionen“ weiter vorangebracht. Das Projektdient vorrangig dem Zusammenwachsenvon deutschen, polnischen und tschechi-schen Jugendlichen kurz vor der EU-Oster-weiterung. Bei einem trinationalen Works-hop entwickelten denn auch Jugendlicheaus den drei Ländern unter fachmännischerAnleitung deutscher und tschechischerInformatiker eine dreisprachige Online-Schülerzeitung mit dem Titel „Trina“(www.euro.schulen.goerlitz.de). 15 Gym-nasien kommen in Zukunft mit ihren Bei-trägen zu Wort und wollen für interkultu-relle Schulprojekte motivieren, die ge-meinsame Region einander näher bringenund ein Gemeinschaftsgefühl entstehenlassen. Sammelpunkt der Artikel und Ortder „Hauptredaktion“ ist das bilingualeGymnasium Annenschule in Görlitz. Finanziert wird das Projekt hauptsächlichvon der EU, was wohl gleichzeitig die über-regionale Bedeutung widerspiegelt. Wersonst als die Jugend als zukünftige „Ma-cher“ in der Region muss für multikultu-relle Zusammenarbeit interessiert werden,auch, um eine fast unbeherrschbar gewor-dene Fluktuation in die alten Bundesländerauf deutscher Seite zu minimieren und dasGefühl der Heimat für die Jugend neu zudefinieren. Während die Jugendlichen beim Workshopdas Projekt von der praktischen Seite auserleben durften, schufen die Lehrer derSchulen und Dozenten der Universitäten(darunter der Universität Leipzig, allenvoran Projektleiterin Dr. Kirsti Dubeck)über eine Ideenbörse hinaus wichtigeGrundlagen für die weiteren Vorhaben inden trinationalen Arbeitsgruppen. So gabes Vereinbarungen von gegenseitigen Be-suchen von Schulklassen, erste Gedankenzur inhaltlichen Ausgestaltung von Schü-leraustauschprogrammen und von gemein-samen Unterrichtsprojekten. Außerdemerarbeiteten Arbeitsgruppen regionaleLehrmaterialien, die 2006 an Schulen ge-nutzt werden sollen. Andreas Kämpe/r.

Seit der Gründung von „acatech – Konventfür Technikwissenschaften der Union derdeutschen Akademien e. V.“ im Februar2002 sind die technikwissenschaftlichenKompetenzen der sieben Akademien derWissenschaften in Deutschland (mit je-weils territorial begrenzten Wirkungsberei-chen – die Sächsische Akademie der Wis-senschaften zu Leipzig z. B. umfasst tradi-tionell die Länder Sachsen, Thüringen,Sachsen-Anhalt) unter einem nationalenDach vereint. „acatech“ versteht sich alsForum für die kritische Bewertung tech-nikwissenschaftlicher Fragen und das aus-drücklich auch vor dem gesellschaftspoli-tischen Hintergrund, um die Relevanz derTechnikwissenschaften für Innovation undnachhaltiges Wachstum in Deutschland be-wusst werden zu lassen.Zu den etwa 200 Mitgliedern des Konventszählen nicht nur Angehörige der genanntensieben Akademien, sondern gezielt auchPersönlichkeiten aus Wissenschaft undWirtschaft, z. B. aus bedeutenden Indus-trieunternehmen und Forschungseinrich-tungen. Dies ist u. a. eine der Vorausset-zungen, die Verknüpfung von Grundlagen-und Anwendungsforschung nicht erst aufder Basis von Teilergebnissen zu erreichen,sondern Forschungsprozess und -aufwandmit mehr Effektivität zu steuern. Die Mit-gliederversammlung wählte den Vorstand,der Prof. Dr.-Ing. Joachim Milberg zumPräsidenten bestimmt hat. Die inhaltlicheAusrichtung wird von einem Beirat beglei-tet, dessen Vorsitz Bundespräsident a. D.Prof. Dr. Roman Herzog übernommen hat. „acatech“ wird den Dialog zu technischenInnovationen als Basis für ein nachhaltigesWachstum forcieren, sowohl im wissen-schaftlichen als auch im gesellschafts-politischen Kontext. Das 1. Symposium im Mai 2003, mit dem „acatech“ an dieÖffentlichkeit trat, hatte „NachhaltigesWachstum durch Innovation“ zum Thema.

Wachstum, vielfach allein mit Ressourcen-verbrauch und Aushöhlung der Lebens-grundlagen negativ belegt, bleibt einevolkswirtschaftliche Notwendigkeit. DieFrage nach der Qualität des Wachstumshaben sich Wirtschaft und Wissenschaft zu stellen. Die Antworten sollen austechnischen Innovationen bestehen, dieWachstum, Lebensqualität und Umwelt-schonung garantieren. Dies ist ein ausge-wiesenes Feld für „acatech“, gesellschafts-politische Verantwortung zu übernehmen,zunächst mit diesen Schwerpunkten:– die politisch unabhängige wissenschaft-

liche Beratung in Zukunftsfragen,– die Vertretung der in Deutschland täti-

gen Wissenschaftler in internationalenGremien,

– die Organisation fundierter Wissen-schaftsbeobachtung und Stellungnah-men zu kritischen Fragen sowie

– der Dialog zwischen Wissenschaft undGesellschaft.

Die Effektivität der Analyse und darausabgeleiteter Empfehlungen wird durchinterdisziplinär besetzte Arbeitskreise be-stimmt. Dies befördert z. B. die Modifizie-rung von Studienprogrammen im Hinblickauf den steigenden Grad des vernetztentechnischen Wissens der Absolventen tech-nischer Disziplinen. Die derzeit sieben Ar-beitkreise setzen sich aus Wissenschaftlerndes jeweiligen Fachgebiets und namhaftenIndustrievertretern zusammen: Technik-wissenschaften, Ingenieurausbildung, For-schung, Mobilität, Energie und Umwelt,Gesundheitstechnik, Kommunikations-technik und Wissensmanagement. Die Er-gebnisse der Kreise werden in Form vonEmpfehlungen, Studien, Vorträgen, Ta-gungsbänden und Foren der Öffentlichkeit,der Politik und der Wirtschaft präsentiert.

Der Autor ist das erste „acatech“-Mitgliedaus der Universität Leipzig.

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Wachsen mit„acatech“Die Symbiose von Akademieund TechnikVon Prof. Dr.-Ing. Rolf Thiele, Institut für Statik und Dynamik der Tragstrukturen

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Imposant erhebt sich der weiße Klinkerbauder Medizinischen Fakultät der Tongji-Universität Shanghai: Hinter der modernenArchitektur aus Glas, Betonstelen undMetall verbergen sich auf 20 000 Quadrat-metern Sicherheitslabore für gentech-nische Arbeiten, molekularbiologischeÜbungsräume und Vorlesungssäle mit dermodernsten Technik. „Das sind Bedingun-gen, von denen wir in Leipzig nur träu-men“, sagt Wieland Kiess, Dekan der Me-dizinischen Fakultät, beim Rundgang überden Campus der Tongji-Universität. Die44 000 Studenten zählende Hochschule ge-hört zu den ersten Adressen des Landes. Was den chinesischen Wissenschaftlernbislang jedoch fehle, sei der richtige Um-gang mit den neuen Errungenschaften.

„Wir wurden immer wieder gebeten, denKollegen zu zeigen, wie man forscht, rich-tig wissenschaftlich arbeitet. Doch daskönnen wir nicht bieten“, sagt Kiess. Statt-dessen wollen Deutsche und Chinesenkünftig verstärkt in der Forschung koope-rieren. „Die Probleme sind nahezu überalldie gleichen: Krebs, die Folgen der immerälter werdenden Gesellschaft oder Alz-heimer.“Prof. Li Xue Li, eine Gastforscherin,knüpft während ihres mindestens sechs-monatigen Aufenthaltes in Leipzig an Er-fahrungen aus der Heimat an. Unter derLeitung von Prof. Dr. Thomas Arendt vomPaul-Flechsig-Institut für Hirnforschungarbeitet sie an der Identifizierung so ge-nannter Kandidaten-Gene, die am Zustan-dekommen der Alzheimerschen Erkran-kung beteiligt sind. Der Aufenthalt inDeutschland ist für sie auch die Chance zurPromotion. In China war es bislang mög-lich, auch ohne Promotion einen Professo-rentitel zu führen.Ihre Kollegin Prof. Li Yong Yu beschäftigtsich unterdessen mit der Zellzyklusregula-tion. „Im Mittelpunkt der Untersuchungenstehen Faktoren, die das Zustandekommenvon Krebs fördern oder hemmen“, erklärtder Direktor der Medizinischen Klinik undPoliklinik II, Prof. Dr. Joachim Mössner.Der Gastroentrologe plant, im kommendenFrühjahr eine Woche in Shanghai über Ma-gen-Darm-Krankheiten zu dozieren. AuchProf. Peter Illes, Leiter des Rudolf-Boehm-Institutes für Pharmakologie und Toxikolo-gie, zeigt an dem Austausch Interesse. Gleichzeitig soll ein Mediziner aus Shang-hai in Leipzig über die traditionelle chine-sische Medizin dozieren. „Auf diesem Ge-biet haben wir noch Nachholbedarf, dennimmer mehr Patienten fragen nach alterna-tiven Heilmethoden“, sagt Wieland Kiess.Auch vom Forscherdrang der Partner

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Tongji: „Wir sitzen alle in einem Boot“Die Universitäten in Leipzig und Shanghai gehen inForschung, Lehre und Studium gemeinsame WegeTexte und Fotos von Tobias D. Höhn

Prof. Wieland Kiess blickt vom Dongfang-Universitätsklinikum aus auf einen dermodernsten Stadtteile Shanghais.

Seit diesem Herbst arbeitet die Medizi-nische Fakultät der Universität Leipzigeng mit der Tongji-Universität in Shang-hai zusammen. „Wir verfügen über dasKnow-how, und die Chinesen haben denIdeenreichtum und den Willen, an dieSpitze zu kommen“, sagt der Dekan derMedizinischen Fakultät Prof. Dr. Wie-land Kiess. Beispielhaft dafür seien dieMagnetschwebebahn Transrapid oderdie Raumfahrt des ersten chinesischenTaikonauten. Die ersten drei chinesi-schen Wissenschaftler wirken bereits inLeipzig. Im Frühjahr 2004 werden dieLeipziger Professoren zu Gastvorle-sungen in die Millionenmetropole ge-hen.

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könnte Leipzig profitieren. Zum Beispielbeim Thema Adipositas (Übergewicht):Bis vor wenigen Jahren habe es in China sogut wie keine fettleibigen Menschen gege-ben. „Chinesen waren durchweg schlank,manche hatten Pausbacken, aber mehrnicht“, sagt Kiess. In den vergangenen Jah-ren allerdings habe es auch in China einengroßen Anstieg adipöser Erkrankungen ge-geben.„Immer mehr können sich durch den wirt-schaftlichen Aufschwung ein Auto leistenund verzichten auf das Rad oder den Wegzu Fuß. An jeder Ecke findet sich ein Fast-Food-Stand. Der Westen hat Einzug gehal-ten“, sagt Kiess. Als Präsident der Deut-schen Diabetes-Gesellschaft weiß er umdie Gefahren von Übergewicht. In denIndustrienationen sei die Zuckerkrankheitnoch heute die häufigste Ursache für Er-blindungen, Amputationen und dialyse-pflichtige Nierenerkrankungen. NachSchätzungen der Weltgesundheitsorganisa-tion WHO leiden in Deutschland rund achtMillionen Menschen an Diabetes. Eine Veranlagung der Erbfaktoren, vermu-tet Kiess, beschleunigt diese Entwicklung.„Wenn ein Chinese ein Kilo Fett zu viel hat,steigt das Risiko von Folgeerkrankungendramatisch an. Bei einem Deutschen ist eszwar auch schädlich, aber nicht so extrem.“Eine gemeinsame Studie in der deutschemit chinesischen Patientendaten ver-glichen werden, soll Aufschluss liefern. „Wir haben viel aufzuholen und hoffen aufdie Unterstützung durch Leipzig. Wirwollen den Austausch schnell mit Lebenerfüllen“, sagt der geschäftsführende Vize-Präsident der Tongji-Universität, Prof. WanGang. Der 51-jährige Maschinenbau-Pro-fessor arbeitete jahrelang als Produktions-manager beim Automobilhersteller Audi inIngolstadt. Der Vertrag symbolisiert fürWan Gang auch die Bedeutung des Na-mens „Tongji“, der wörtlich übersetzt be-deutet: „Wir sitzen alle in einem Boot undmüssen zusammenhalten.“

„Mangelhafte Versorgung –engagierte Forschung“

Dennoch sind die Unterschiede zwischenbeiden Kulturen und Ländern unüberseh-bar. am deutlichsten wird dies in dermedizinischen Versorgung. In einer der

Shanghaier Universitätskliniken quälensich Kinder in durchgerosteten Betten, aufder Intensivstation liegt der Fußbodenoffen, in der Luft hängt der penetrante Ge-ruch von Urin. „Das sind Verhältnisse wiees sie hierzulande zum Glück seit den 20erJahren des vorigen Jahrhunderts nichtmehr gibt“, urteilt Kiess. Weil auch in denBallungszentren Hausärzte selten sind,konsultieren viele Patienten bei Beschwer-den sofort die Ambulanz. Die Aufnahmegleicht daher einer Schalterhalle, einenSaal weiter erhalten Hunderte eine Infu-sion. „Die Diskrepanz zwischen der mangelhaf-ten klinischen Versorgung und der enga-gierten Forschung ist riesig“, sagt Kiess.„Ich bin mir sicher, in fünf bis zehn Jahrenhaben uns chinesische Wissenschaftlerüberholt und gehören weltweit zu den be-sten ihres Fachs.“ Verschärft werde dieSituation durch den rigiden Sparkurs imdeutschen Hochschulwesen. „Wir sparenuns kaputt, dabei ist Bildung das einzigeKapital, das wir haben.“ Allein an der Alma

mater Lipsiensis sollen bis 2008 78 Stellengestrichen werden. Forschung und Lehreauf Weltniveau seien somit unmöglich.„Forschung darf kein Hobby sein, das manso nebenher macht, wenn nicht viel zu tunist“, sagt er. Somit könnten Deutsche auchetwas von den asiatischen Partnern lernen.Für die Tongji-Universität, die 1907 vondem deutschen Arzt Erich Paulun als„Deutsche Medizin- und Ingenieurschulefür Chinesen“ gegründet worden war, istdie Kooperation mit der Messestadt einwichtiger Schritt. „Wir haben lange nacheinem geeigneten Partner in Deutschlandgesucht. In Leipzig sind wir fündig gewor-den“, meint Vize-Präsident Wan Gang.Mehr als an jeder anderen Universität desLandes stünden Forschung, Lehre undUnterricht an der Tongji im Zeichendeutsch-chinesischer Zusammenarbeit. Bald sollen daher auch die ersten LeipzigerStudenten für ein Auslandssemester nachChina und umgekehrt. „Die chinesischenStudenten, die wir bei unserem Besuchkennen gelernt haben, sind sehr wissbegie-rig und aufmerksam“, sagt Mössner. Ge-meinsam mit dem damaligen Rektor Prof.Dr. Volker Bigl knüpfte er vor rund zweiJahren die ersten Beziehungen nach China.

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Vertrag unterzeichnet

Der Vertrag zur wissenschaftlichen Zu-sammenarbeit zwischen der Medizini-schen Fakultät der Universität Leipzig undder Tongji-Universität wurde am 14. Okt-ober in Shanghai von Prof. Dr. WielandKiess und dem Tongji-Vize-PräsidentenProf. Wan Gang unterzeichnet. Darin ver-pflichten sich beide Hochschulen zumAustausch von Wissenschaftlern, Ange-stellten und Studenten, zur Ausführunggemeinsamer Forschungsprojekte, zur

Organisation gemeinsamer Lehrveran-staltungen sowie zur Erstellung und zumAustausch von Publikationen. Währenddes fünftägigen Besuchs in Shanghai be-suchte die Leipziger Delegation auch dreiUniversitätskliniken und Forschungsein-richtungen. Nach 37 Verträgen mit auslän-dischen Hochschulen und zahlreichen Ab-kommen mit Fakultäten auf allen Konti-nenten baut die Universität damit ihr En-gagement im Ausland weiter aus.

Die UniversitätenLeipzig undShanghai gehenfortan gemein-same Wege inForschung undLehre. Von links:Tongji-Vize-Präsi-dent Wan Gang,GastprofessorinLi Yong Yu, Prof.Thomas Arendt,Dekan WielandKiess und Prof.Joachim Möss-ner.

Wollen in Leipzig forschen und promo-vieren: Li Xue Li (l.) und Li Yong Yu vonder Tongji-Universität.

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Erfolgmit VDas Institut fürVersicherungs-wissenschaftenmacht von sichreden

Von Carsten Heckmann

Wenn Leipzigs Studenten sich in der Gott-schedstraße treffen, dann meist in einer vonunzähligen Kneipen. Unbemerkt betretenaber manche von ihnen das unauffälligeHaus mit der Nr. 12 und damit, wer hättees gedacht, quasi universitäres Terrain.„Wir befinden uns ungefähr in der Mittezwischen Augustusplatz und Jahnallee,konstatiert Dr. Thomas Köhne, Geschäfts-führer des dort ansässigen Instituts für Ver-sicherungswissenschaften. Er betont dieMitte, um eine Schnittmenge herauszustel-len: Hier arbeiten der Versicherungsinfor-matiker Prof. Dr. Gottfried Koch von derFakultät für Mathematik und Informatikund sein wirtschaftswissenschaftlicherKollege von der Versicherungsbetriebs-lehre, Prof. Dr. Fred Wagner. „Die beidenhaben sich über ihre gemeinsame versi-cherungswissenschaftliche Arbeit kennengelernt, viele Forschungsprojekte zusam-men durchgeführt und das Institut gegrün-

det, um eine institutionelle Klammer überihre fakultätsübergreifende Arbeit zu bil-den. Auch durch das räumliche Zu-sammenkommen im Institut sollte die ge-meinsame Arbeit gefördert werden – wasauch gut gelungen ist“, erzählt Köhne.Prof. Wagner, Prof. Koch und Dr. Köhnebilden den Institutsvorstand.Im Juni 2000 hat sich das Institut in derGottschedstraße in komplett durch Dritt-mittel finanzierten Räumen niedergelas-sen, seit dem 10. September vergangenenJahres zählt es zu den An-Instituten derUniversität. Es hat sich die Verknüpfungvon Forschung, Lehre und Praxis auf dieFahnen geschrieben. „Damit finden wirviel Unterstützung durch die Versiche-rungswirtschaft“, sagt Dr. Köhne, der imVorgriff auf eine Juniorprofessur bei Prof.Wagner berufen wurde. „Umgekehrt unter-stützt das Institut die Versicherungspraxismit anwendungsbezogenen Forschungser-gebnissen“. Zudem wird die Interdiszipli-narität des Instituts geschätzt, das sich inenger Zusammenarbeit der Professoren auf das Wissen und die Methoden aus derBWL und der Informatik stützen kann.Außerdem seien die Unternehmen auf guteNachwuchskräfte aus. Und: „Die Versiche-rungsinformatik gibt es im deutschsprachi-gen Raum nur an der Universität Leipzig“.An diesem Institut wird deutlich: Es wirdauch über Fakultätsgrenzen hinweg gear-beitet. „Juristen, Mediziner, Mathematiker– wir sind grundsätzlich offen für weitereKooperationen“, erklärt denn auch der 34-jährige Köhne. „Branchenforschung“ ist soetwas wie das Leitsubstantiv des Instituts.„Wir sehen unsere Forschung anwen-dungsorientiert“, sagt Köhne. Wobei es fürdie marktnahen Projekte die beiden Spin-off-Unternehmen gebe, die inzwischen ausdem Institut hervorgegangen sind. „Diearbeiten zusammen mit Partnern aus derVersicherungspraxis an aktuellen Frage-stellungen der Branche“. Vieles entsteheausgehend von der Frage: Was könnten diegroßen Themen der Zukunft sein? Aktuellläuft ein Projekt zu Strategien der Koope-ration zwischen Versicherungsunterneh-men. Fallstudien und theoretische Über-

legungen stehen auf dem Plan. Ein zweitesProjekt ist der „wertorientierten Steuerungvon Versicherungsunternehmen“ gewid-met. Die Arbeit des Instituts manifestiertsich zudem in zwei Schriftenreihen, einerVeranstaltungsreihe, Weiterbildungssemi-naren und internationalen Kooperationen.Hinzu kommen die universitären Lehrver-anstaltungen, die im Seminarraum des Ins-tituts stattfinden. Versicherungsbetriebs-lehre haben rund 70 Studenten belegt, vorallem Wirtschaftswissenschaftler. Die Ein-führungsvorlesung in die Versicherungs-informatik im Studiengang Wirtschaftsin-formatik besuchen ebenfalls 70 Studenten,für das Wahlpflichtfach Versicherungsin-formatik haben sich 20 entschieden.Leipzig ist seit jeher ein wichtiger Stand-ort von Versicherungswirtschaft und -wis-senschaft. Die moderne Lebensversiche-rung setzte 1830 ein mit der Gründung derLebensversicherungsgesellschaft zu Leip-zig (heute: Alte Leipziger). Hier entstandauch das erste auf mathematischer Grund-lage arbeitende Krankenversicherungs-unternehmen. Ende des 19. und Anfang des20. Jahrhunderts etablierte sich die Ver-sicherungswissenschaft an den LeipzigerHochschulen. In der Zeitschrift „Versiche-rungswirtschaft“ schrieb Prof. Peter Kocheinmal vom „Kristallisationszentrum Leip-zig“.Inzwischen ist die Messestadt wiederwichtiger Versicherungs-, wenn auch vorallem Filialstandort. Und sie hat einenKristallisationspunkt in versicherungswis-senschaftlicher Hinsicht: die Gottsched-straße 12.

Fakultäten und Institute

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In einer losen Reihe stellt das Uni-Jour-nal die sechs An-Institute der UniversitätLeipzig vor. Sie erweitern in enger Ko-operation mit der Universität das For-schungsprofil der Stadt Leipzig. DenAnfang machte das Albrecht-Daniel-Thaer-Institut für Agrarwissenschaftenin Heft 3/2003. An dieser Stelle folgt nundas Institut für Versicherungswissen-schaften. Weitere Informationen zu die-sem Institut finden Sie im Internet unterwww.ifvw.de.

Bilden das Kern-Trio des Institutsfür Versicherungswissenschaften:Gottfried Koch, Fred Wagner undThomas Köhne (v. l.).

Unten: Das Domizil des Instituts inder Gottschedstraße 12.

Fotos: IfVW

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Der Ruf „Informatiker braucht das Land“war noch nicht verhallt, da meldete sich diedeutsche Wirtschaft erneut: Es fehlt auchan Nachwuchs in den Natur- und Technik-wissenschaften! Also ausgerechnet in denWissenschaftszweigen, die für die wirt-schaftliche, industrielle und technologi-sche Zukunftssicherung der Bundesrepu-blik vorrangig verantwortlich sind. Dermehr oder weniger gescheiterte Weg dergreen card macht deutlich, dass den Uni-versitäten und Hochschulen im Lande dieAufgabe zufällt, in diesen Fächern eine er-höhte Zahl qualifizierter Absolventen aus-zubilden – trotz der zugegebenermaßen ho-hen Kosten für diese Ausbildung.Allein die chemische Industrie als dritt-größter Wirtschaftsfaktor benötigt jährlichca. 500 exzellente, forschungsorientiertepromovierte Chemiker. Ausbildungs-, For-schungs- und Dienstleistungseinrichtun-gen brauchen gleichfalls junge Wissen-schaftler. Die Fakultät für Chemie undMineralogie der Universität Leipzig hatsich dieser Aufgabe gestellt und in engerZusammenarbeit mit den Schulen in denletzten Jahren eine deutliche Steigerungder Immatrikulationszahlen im Fach Che-mie nachzuweisen.Waren es 1995 noch 24 junge Menschen,die in Leipzig ein Chemie-Studium began-nen, so stieg diese Zahl kontinuierlich bisauf 150 in diesem Jahr, dazu kommen 25Lehramtskandidaten. Dabei ist der Neubauin der Johannisallee auf 100Erstsemester (Chemie undLehramt Chemie) und 360Nebenfach-Studierende aus-gerichtet. Die Ausstrahlung der neuen La-borgebäude ist aber immens, und die aktiveInformationspolitik der Fakultät trägt ihrenTeil zur Anziehungskraft bei. Geworbenwird über Chemielehrer der regionalenGymnasien und durch Veranstaltungen wieden Tag der offenen Tür, zu dem am 20.September 500 Interessierte kamen, vielmehr als erwartet.Ziel der Fakultät ist es, nur die wirklichInteressierten für ein Chemiestudium zu

gewinnen. Schülerpraktika, Laborbesichti-gungen und Schnuppervorlesungen ver-mitteln ein Bild der exzellenten Studien-möglichkeiten. Jedoch soll auch die Härtedieses Studiums nicht verborgen bleiben –nach Vorlesungen und Seminaren sind um-fangreiche Praktika zu absolvieren, einechter Vollzeitjob mit hohem Anspruch.Diesem Anspruch stellen sich die Studen-ten vorbildlich. Im Schnitt benötigen Leip-ziger Chemie-Studenten zehn Semester bis

zum Diplom und 17,5 Se-mester bis zur Promotion(90 Prozent der Absolventenschließen die Doktorarbeit

unmittelbar an). Mit der Diplom-Zeit liegtdie Leipziger Chemie bundesweit in derSpitzengruppe. Und Zielstrebigkeit zahlt sich aus: Die Ein-stellungschancen für promovierte Chemi-ker in der Industrie haben sich in den letz-ten Jahren deutlich verbessert. Hintergrundist die oben beschriebene Situation: DieLeute werden gebraucht. Bei gleich blei-bender Nachfrage aus der Industrie könntees in den kommenden Jahren sogar zu

einem Mangel an qualifizierten diplomier-ten und promovierten Absolventen kom-men. Alternativen? Wer gern weiter for-schen und selbst lehren will, kann eineHochschullaufbahn einschlagen.Prof. Dr. Horst Wilde und Prof. Dr. DieterSicker, Institut für Organische Chemie

Weitere Informationen:• Der nächste Tag der offenen Tür an der

Fakultät für Chemie und Mineralogie miteiner Experimentalvorlesung findet am15. Januar 2004 ab 9 Uhr statt. EineAnmeldung von Gymnasien und Mittel-schulen ist erwünscht unter Tel. 0341/9736002.

• In der Mai-Ausgabe des Uni-Journalsberichteten Leipziger Chemie-Absol-venten über ihre Erfahrungen. Auf derInternetseite des Journals (www.uni-leipzig.de/journal) finden Sie die Aus-gabe über den Unterpunkt „Archiv“.

• Die Fakultät für Chemie und Mineralo-gie ist selbstredend auch im Internet prä-sent. Die Adresse:www.uni-leipzig.de/chemie/

Heft 6/2003

Fakultäten und Institute

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Chemiker braucht das LandSteigender Bedarf, gestiegene Attraktivität des Studiums, steigende Studenten-Zahlen

Experimentalvorlesung zum Tag der Chemie: Flüssiger Sauerstoff (rechts in Was-ser gegossen) sinkt unter, da seine Dichte größer als die von Wasser ist, flüssigerStickstoff (links) schwimmt auf dem Wasser, da seine Dichte kleiner als die vonWasser ist. In Aktion zu sehen sind: Prof. Dieter Sicker, Dipl.-Ing Elke Altmannund Dr. Frank Dietze (v. l.). Foto: Fakultät für Chemie und Mineralogie

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Evaluationen, Lehrberichte, Zielvereinba-rungen – an der Universität Leipzig sinddiese Themen stets mit einer Institutionverbunden: der Geschäftsstelle Evaluation,angesiedelt im Dezernat 2 der Zentralver-waltung. Die Geschäftsstelle versteht sichals Service bietendes „Bindeglied“ zwi-schen Uni-Leitung und Fakultäten. Wie gutdie Bindung klappt und wohin der Serviceführt, darüber berichten im Interview Dr.Solvejg Rhinow, Leiterin der Geschäfts-stelle von August 1997 bis Anfang diesesJahres (jetzt Leiterin der Zentralen Stu-dienberatung) und Dr. Christoph Markert,der zusammen mit Sylvia Kaap das Ge-schäftsstellen-Team bildet.

„Das Ziel der Evaluation ist die Verbes-serung der Studienqualität“, heißt es imKonzept der „Lehrevaluation im Uni-versitätsverbund“. Was bedeutet für SieQualität?Markert: Ich mache Qualität an zwei

Punkten fest. Zum einen steht eine Output-Orientierung im Zentrum. Da bedeutetQualität, dass die Studierenden optimaleChancen haben, hier einen Bildungsab-schluss zu erwerben, der eine gewisseMarktfähigkeit besitzt. Zum anderen ist dieUniversität auch verpflichtet, die gesamt-gesellschaftliche Perspektive im Auge zubehalten.Rhinow: Auf die Arbeit der Geschäfts-stelle bezogen geht es um die Qualität vonLehre und die Qualität des Studiums. Dasheißt u. a. Qualität der Abschlüsse, aberauch Qualität der Studienbedingungen. DieQualität von Lehre bezieht sich für unsnicht nur auf die Inhalte von Lehrveran-staltungen, sondern auch auf die hoch-schuldidaktische Qualität. In diesem Zu-sammenhang ist auch die Einführung desLehrpreises, also des Theodor-Litt-Preisesfür besonderes Engagement auf dem Ge-biet der Lehre, an der Universität zu sehen.Darüber hinaus haben wir Ansätze mit in

unser Konzept eingearbeitet, die auf Er-fahrungen mit dem Projekt Qualitätsent-wicklung an der Erziehungswissenschaft-lichen Fakultät beruhen (siehe hierzu Bei-trag auf S. 22, Red.).

Welche Rolle spielt die GeschäftsstelleEvaluation bei der Qualitätssicherung?Rhinow: Wir sind ein Bindeglied zwischender Universitätsleitung und den Fakultäten.Dabei geht es uns darum, die Fakultäten fürbestimmte Dinge zu sensibilisieren undihnen bei der Umsetzung von Konzeptio-nen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.Markert: Es handelt sich um eine Ser-vicestelle. Wir machen das Verfahrenhandhabbar und halten den Aufwand fürdie Fächer so gering wie möglich. Mit demErgebnis, dass wir im vergangenen akade-mischen Jahr rund 14 000 Fragebögen aus-werten konnten (vgl. Grafik auf S. 19). DieZusammenarbeit läuft mit den meistenFächern gut, dafür sind wir sehr dankbar.

Einer der Schwerpunkte Ihrer Arbeit istdas Lehrberichtsverfahren. Wie hat sichdas entwickelt?Rhinow: Das Lehrberichtsverfahren gabes schon, bevor die Geschäftsstelle ge-gründet wurde. Aber es war kompliziert.Unsere erste Aufgabe war daher, ein Ver-fahren speziell für die Universität Leipzigzu erstellen. Das haben wir getan und esanschließend weiterentwickelt, den Erfah-rungen und Rückmeldungen der Fakultätenentsprechend.Markert: Ich ergänze mal noch ein Bei-spiel: In einem Lehrbericht soll auch diestudentische Perspektive zum Tragen kom-men. Im Laufe der Jahre hat sich das so ent-wickelt, dass von den Fachschaften zumeinen eine Stellungnahme ausgearbeitetwird, die Bestandteil des Lehrberichtes istund vom Fakultätsrat als solche zur Kennt-nis genommen wird, als auch ein Abstractdieser Stellungnahme, welches dann unge-kürzt im Originalwortlaut bis in die Kon-zilsfassung vordringt. Diese studentischePerspektive ist jetzt also in einem Maßevertreten, das es eigentlich als traurig er-scheinen lässt, dass viele Studierende die-sen Weg noch nicht in ausreichendemMaße zur Kenntnis nehmen und nutzen.

Läuft denn das Verfahren ansonsten zu-friedenstellend?Markert: Die technische Seite haben wirin den letzten Jahren sehr gut voran-gebracht. Die inhaltliche Ebene ist ständigim Fluss. Die hochschulpolitische Gesamt-

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Der große Wert kleiner ErfolgeDie Geschäftsstelle Evaluation bietet Serviceleistungen zurQualitätsverbesserung

Engagieren sich für die Evaluation: Solvejg Rhinow, Christoph Markert und SylviaKaap (v. l.). Foto: Geschäftsstelle Evaluation

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situation schlägt sich natürlich auch aufdie Brisanz der Lehrberichte nieder.Rhinow: Die inhaltliche Seite ist nieabgeschlossen. Mit jeder neuen Ver-fahrensrunde werden neue Erfahrun-gen und Gesichtpunkte gesammelt, zu-mal im „Leipziger Modell“ Lehrbe-richts- und Evaluationsverfahren ge-koppelt sind. Für die weitereEntwicklung des Verfahrens istsicherlich auch über eine Verbindungmit den anstehenden Akkreditierungs-verfahren nachzudenken.

In Bezug auf die Lehrberichte wirdimmer mal wieder die Kritik laut,dass in ihnen nicht mit offenen Kar-ten gespielt werde. Die Verfasser hät-ten Angst vor unbeabsichtigten Kon-sequenzen …Rhinow: Das ist schon ein Problem.Aber wir haben immer versucht, dieFakultäten davon zu überzeugen, dieOffenlegung von Problemen alsChance zu betrachten. Sie haben dieProbleme nicht alle selbst verschuldet.Ergebnis des Verfahrens soll ja amEnde eine Vereinbarung zwischen Fa-kultät und Universitätsleitung sein, inder gemeinsam Lösungen vereinbartwerden. Aus gegebenem hochschulpoliti-schem Anlass konnten die zahlreichen, sichin Vorbereitung befindenden Zielvereinba-rungen nicht abgeschlossen werden, sodass die Gefahr besteht, dass dieses Argu-ment nicht mehr angenommen wird.Markert: Paradoxerweise findet man dieMeinung, man schreibe nicht alles in die

Berichte hinein, oft gepaart mit einer an-deren Meinung, die da lautet: Es ist egal,was drin steht, es geschieht ja sowiesonichts. Ich kann nur sagen: Mir ist kein ein-ziger Fall bekannt, wo durch die Offen-legung von bestimmten Problemen nega-tive Konsequenzen für das Fach entstandensind.

In der Tat lautet die StandardkritikNummer zwei: „Es passiert nix.“ Derwissenschaftliche Leiter des Nord-verbunds hat mal gesagt: Die ganzeEvaluation mache nur Sinn, wenn siemit „spürbaren Konsequenzen“ ver-bunden sei. Gibt es die?Rhinow: Inneruniversitär ist ein posi-tives Ergebnis, dass die Kommunika-tion über die Qualität von Lehre undStudium zwischen Lehrenden sowieLehrenden und Studierenden verstärktworden ist. Dies zeigt sich auch an derÜberarbeitung zahlreicher Prüfungs-und Studienordnungen. Positiv istauch, dass sich die Evaluations-geschäftsstelle als eine feste Größe inder Qualitätsentwicklung etabliert hat,was die zahlreichen Nachfragen bele-gen.Markert: Was die Konsequenzen an-geht: Ich habe den Eindruck, dass dieSichtweise dort zum Teil sehr eng ist.Man trifft immer wieder auf die Mei-nung, eine Konsequenz müsse sein,dass am Ende eine Mittelzuweisungüber einige tausend Euro erfolgt, damitdie Missstände behoben werden kön-nen. Das ist doch eine sehr einseitigeErwartungshaltung. Es sind doch sehr

wertvolle Erkenntnisse, wenn sich zumBeispiel herausstellt, dass für die Studen-ten ganz wesentlich ist, dass in allenInstituten, die zu einem Fach gehören, dieBedingungen zum Erwerb von Leistungs-nachweisen homogenisiert werden. Solchekleinen Erfolge machen das Verfahrenwertvoll. Interview: C. Heckmann

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Lehrende: 155 Fragebögen

2963 Fragebögen zuStudienbedingungen

11173 Fragebögen zu337 Lehrveranstaltungen

Studierende:

Unterstützung der Evaluation von Studium und Lehre

Akademisches Jahr 2002/03

Auswertung von 14291 Fragebögen

Zusammenarbeit mit 7 Fakultäten

Akademisches Jahr 2001/02

Zusammenarbeit mit5 Fakultäten

Auswertung von5600Fragebögen

Stichwort LehrberichteSächsische Hochschulen sind laut § 12des Sächsischen Hochschulgesetzes zurjährlichen Erstellung eines Lehrberichtsverpflichtet. Dieser wird in verschiede-nen umfangreichen Versionen öffentlichzugänglich gemacht, z. B. enthält dieKonzilsfassung die Zusammenfassun-gen der Berichte der Fakultäten und de-ren Fachschaften.Der Lehrbericht stellt den Selbstreportder Fächer als Grundlage des dreistufi-gen Evaluationsprozesses dar. Nach derzweiten Stufe (externe Beurteilung) wirdder Abschluss von Zielvereinbarungenzwischen Fakultät und Universitätslei-tung als Maßnahme zur Qualitätssiche-rung und -entwicklung angestrebt (siehehierzu Beiträge auf S. 20 und 21).

Weitere InformationenWer mehr zum UniCentral-Komplexdieser Ausgabe erfahren möchte, kannsich auf folgenden Internetseiten infor-mieren:www.uni-leipzig.de/~eval/www.uni-leipzig.de/leu/www.erwachsenenpaedagogik.de

Zum Download bereit steht ein 67 Seitenstarker Überblick zu „Qualitätsentwick-lung und Qualitätssicherung an der Uni-versität.“ Beschrieben wird darin „DasLeipziger Modell“, inkl. Lehrberichts-verfahren, Qualitätsmanagement undTutorenqualifizierung.Die Adresse:www.uni-leipzig.de/~erwbild/flash/das_leipziger_modell.pdf

Kontakt zur GeschäftsstelleDie Geschäftsstelle Evaluation wurde1997 gegründet. Sie versteht sich als Ma-nagement- und Servicestelle zu Fragendas Lehrberichtsverfahren, die Evaluie-rung und Befragungen betreffend.

Dezernat Akademische VerwaltungGeschäftsstelle EvaluationSylvia Kaapund Dr. Christoph MarkertGoethestrasse 604109 Leipzig(Zimmer 406 bzw. 518)Telefon: 0341/9732006 bzw. 9732050

Internet: www.uni-leipzig.de/~eval/E-Mail: [email protected]; [email protected]

Grafik: Geschäftsstelle Evaluation

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Der WegzumLehrbericht

Seit der Einführung des Lehrberichtsver-fahrens scheiden sich die Geister an derFrage nach dem Sinn und Nutzen diesesaufwändigen Prozesses. In den gesetz-lichen Grundlagen (SächsHG und Sächs-LehrbVO) ist festgelegt, dass Lehrveran-staltungen regelmäßig zu evaluieren sindund wenigstens alle sechs Jahre im Rah-men des großen Lehrberichts auch dieEntwicklung der Lehr- und Studienbedin-gungen dokumentiert werden muss. Aus-schnitte des Verfahrens sind hier skizziert.

In jedem Akademischen Jahr sind drei Fä-cher verpflichtet, einen großen Lehrberichtzu erstellen. Für das laufende Jahr 2003/04sind dies die Altertumswissenschaften, dieSoziologie und die Zahnmedizin. Jedesdieser Fächer bildet im Herbst 2003 eineArbeitsgruppe aus Studierenden und Leh-renden (AG Studentenbefragung, vgl. Gra-fik), die die Verantwortung für die Befra-gung der Studierenden und Lehrendenträgt. Deren erste Aufgabe ist es, die Eck-punkte der notwendigen Befragung festzu-legen. Natürlich ist es wünschenswert,wenn neben einer Befragung der Lehren-den und der Befragung der Studierenden zuden Studienbedingungen auch möglichstviele Lehrveranstaltungen evaluiert wer-den. Zusätzliche Informationen zu Stärkenund Schwächen des jeweiligen Studien-ganges können oft aus einer Befragung derAbsolventen gewonnen werden, aber kei-nesfalls sinnvoll ist es, „Datenfriedhöfe“zu schaffen. Deshalb muss sorgfältig über-legt werden, welche Fragen gestellt, ausge-wertet und interpretiert werden können.Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt,dass einige Fragen – unabhängig vom Fach– in jedem Fall wichtige Informationsquel-len sind. Deshalb wurde ein Baukasten-system entwickelt, das derzeit aus dreiFragebögen besteht: a) Einschätzung derLehr- und Studienbedingungen durch Leh-rende, b) Einschätzung der Lehr- und Stu-dienbedingungen durch Studierende und c) Einschätzung einer Lehrveranstaltungdurch Studierende. Diese Fragebogenvor-lagen sind modularisiert. Neben einemobligatorischen Grundmodul gibt es optio-nale Komponenten, die je nach Besonder-heit und Interessenlage des Fachs verwen-det oder weggelassen werden können. DerRückgriff auf bewährte Komponenten re-duziert ganz erheblich den Aufwand derFragebogenentwicklung – lässt aber auchgenügend Freiraum für eine gezielte An-passung. Der Pool der Fragen wird bei Be-darf immer wieder neu überarbeitet und dieMenge der optionalen Fragen kann wennnötig auch erweitert werden.Während die Durchführung der Befragun-gen in Verantwortung des jeweiligen Fachssteht, werden die Daten im Regelfall vonder Geschäftsstelle Evaluation maschinellerfasst und ausgewertet. Mit Duplexscan-ner und Spezialsoftware ist es möglich, dieFragebögen rationell einzulesen und dieDaten tabellarisch aufzubereiten. Gemäßdem Wunsch des einzelnen Fachs werdenanschließend differenzierte statistischeAnalysen durchgeführt und die Ergebnisse

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Vorbereitung

Fragebögen

Datenerfassungund statistische

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Befragung

Diskussion undInterpretationder Ergebnisse

Lehrberichtder Universität

Lehrberichtdes Fachs

Jahresbericht derStudienkommission

Fakultätsrat

Akademischer Senat

Konzil

Intranet Universitäts-bibliothek

HRK SMWKKuratorium

Befra

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prozes

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Fach GS Evaluation

Information

Stellungnahme zum Lehrbericht§ 97 Abs. 3 Nr. 5 SächsHG

Erörterung des Lehrberichts§ 91 Abs. 5 Nr. 4 SächsHG

Beschluss des Lehrberichts§ 3 Abs. 3 LehrbVO;§ 93 Nr. 4 SächsHG

Vorbereitung des Lehrberichts

und Stellungnahme zum Lehrbericht§ 2 LehrbVO Abs. 2

§ 3 LehrbVO Abs. 3

große undkleine

LehrberichteBeschluss der Lehrberichteder Fächer§ 85 SächsHG Abs. 1 Nr. 5

statistischeDaten zu

Personal undStudierenden

Erarbeitung großer und kleinerJahresberichte§ 88 SächsHG Abs. 2;§ 2 LehrbVO Abs. 3

Stellungnahmedes Rektorats

Statistische Kennziffern§ 12 SächsHG Abs. 1

Befragung§ 88 SächsHG

Ablauf des LehrberichtsverfahrensGrafik: Geschäftsstelle Evaluation

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im HTML-Format auf eine CD gebrannt.Während geschlossene (Ankreuz-) Fragenproblemlos mit der aktuellen Technik aus-gewertet werden können, stellten offeneAntworten (Kommentare und Anregungen)früher ein ungelöstes Problem dar. Inzwi-schen ist es aber möglich, diese beim Ein-lesevorgang selektiv zu kopieren. Der Auf-traggeber findet dann auf seinem Daten-träger zu jeder im Fragebogen verwendetenoffenen Frage ein Verzeichnis, in dem diehandschriftlichen Notizen als Bilddateiengespeichert sind, der Reihe nach angezeigtoder auch ausgedruckt werden können.Gerade diese individuellen schriftlichenAnregungen, beispielweise auf den Bögender Lehrveranstaltungsevaluationen, kön-nen häufig direkt genutzt werden, um ausden Klagen über Defizite Wege zu Verbes-serungen zu entwickeln. In dem geschilderten Prozess der Daten-erfassung und -auswertung versteht sichdie Geschäftsstelle Evaluation als eineServicestelle. Die gewonnenen Informatio-nen gehen ausschließlich an das auftrag-gebende Fach zurück. Nur dort wird ent-schieden, in welchen Gremien und mitwelchen Medien (z. B. in Gesprächen oderper Aushang) diese dann weitergegeben,diskutiert und interpretiert werden.Gelegentlich findet man die Meinung, dassder hohe Aufwand der Befragungen unddes darauf aufbauenden Erstellens derLehrberichte in ungünstigem Verhältnis zuden Resultaten der Berichte stehen würde.Diese Bedenken sind sicher nicht unbe-gründet. Deshalb haben wir einerseits ein„Handbuch zum Lehrberichtsverfahren“zusammengestellt (siehe www.uni-leipzig.de/~eval/), welches helfen soll, mit über-schaubarem Aufwand und in kurzer Zeitausreichend ausführliche und dennoch dengesetzlichen Vorgaben genügende Berichtezu erstellen. Andererseits sollte nicht ver-gessen werden, dass völlig unabhängigvom Berichtswesen das regelmäßige „da-tengestützte“ Nachdenken über die Stu-dienbedingungen und über die Qualität vonLehrveranstaltungen in jedem Falle sinn-voll ist. Manchmal zeigt sich dann, dassmangelhaftes „studentisches Interesse“ aneinem Seminar letztlich gar kein Indikatorfür die von den Studierenden eingeschätzteRelevanz der Inhalte oder Qualität derDidaktik der betreffenden Veranstaltungist, sondern nur die Folge von Terminpro-blemen, die durch sorgfältige Abstimmungder relevanten Veranstaltungen lösbar sind.

Sylvia Kaap und Dr. Christoph Markert

Das Wort „Evaluation“ kommt aus demLateinischen und bedeutet Bewertung, Be-urteilung. Der Begriff steht heute in derHochschulpolitik für eine Vielzahl von me-thodischen Möglichkeiten zur Erfassungder Qualität von Lehre und Forschung. Diedrei mitteldeutschen Universitäten Halle-Wittenberg, Jena und Leipzig haben sich1998 zum Universitätsverbund zusammen-geschlossen und evaluieren auch gemein-sam. Im Rahmen der Lehrevaluation imUniversitätsverbund (LEU) werden jähr-lich jeweils ein geistes-, ein gesellschafts-und ein naturwissenschaftliches Fach auchvon externen Gutachtern beurteilt. Damitbleibt es nicht an diesen Universitäten nichtbeim Selbstreport. Das auf den vorange-gangenen Seiten beschriebene Lehrbe-

richtsverfahren ist vielmehr die erste vondrei Stufen im Evaluationsprozess. Dieses dreistufige Verfahren ist an dasEvaluationskonzept des Verbunds dernorddeutschen Universitäten angelehnt –sowohl was den Ansatz und die Methodikder Evaluation als auch die Zusammenar-beit der Hochschulen betrifft. Dessen Leit-bild ist wiederum das seit Mitte der 1980erJahre erprobte und bewährte niederländi-sche Modell (siehe: www.vsnu.nl). DiesesKonzept ist mittlerweile an vielen bundes-deutschen Universitäten Standard, es wirdauch von der Hochschulrektorenkonferenz(HRK), dem Wissenschaftsrat, dem Hoch-schulinformationssystem GmbH (HIS)und dem Centrum für Hochschulentwick-lung (CHE) empfohlen. In einem Grund-

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Drei Stufen fürmehr QualitätDie Lehrevaluation imUniversitätsverbund

Gutachter im anregenden Pausengespräch bei der Begehung der Anglistik/Amerikanistik an der Universität Leipzig im Dezember 2002.(Zu sehen sind v. l.: Prof. Dr. Horst Methner, Organisationsfachmann; Prof. Dr.Günther H. Lenz, Humboldt Universität Berlin; Dr. Martin Sander-Gaiser, Koordi-nator LEU; Prof. Wolfram Bublitz, Universität Augsburg; Prof. Dr. Paul Goetsch,Universität Freiburg; Prof. Dr. Hans-George Ruprecht, Carleton University,Ottawa School of Linguistics and Applied Language Studies).

Foto: Koordinierungsstelle Lehrevaluation

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satzpapier zur Evaluation von Studium undLehre vom 21./22. Februar 2000 hat dieHRK hat die Schaffung von hochschul-übergreifenden Evaluationsagenturen ge-fordert und dabei lobend u. a. die Zu-sammenarbeit zwischen Leipzig, Jena undHalle herausgestellt.Auf Stufe eins, das interne Qualitätsma-nagement, folgt also Stufe zwei, eine ex-terne Begutachtung. Die Gutachtergruppeumfasst Fachvertreter, Organisationsfach-leute, Vertreter des Mittelbaus und Studie-rende. Ihre Mitglieder gehören weder denUniversitäten des Verbundes an, nochstammen sie aus den entsprechendenBundesländern. Die Gutachter besprechendie Selbstreporte und „begehen“ anschlie-ßend die Fachbereiche an den drei Univer-sitäten, d. h. sie führen Gespräche mit Stu-dierenden, Lehrenden, Mitarbeiten undschauen sich Räumlichkeiten an. Im Anschluss gibt es verschiedene Aus-wertungsschritte: eine fachöffentliche Ab-schlusspräsentation, Protokolle, Digitalbil-der und Audiomitschnitte der Begehungfür die Mitglieder der Kommission. Diesereagieren wiederum mit einem sog. vor-läufigen Gutachten, das eine fachöffent-liche Diskussion nach sich zieht. Als Er-gebnis dieses Prozesses verfassen die Fä-cher eine schriftliche Stellungnahme zumvorläufigen Gutachten, die zur Vorberei-tung einer auswertenden Konferenz an dieGutachter und die Hochschulleitungen ver-schickt wird. All dies geschieht im Som-mersemester, das auf das Lehrberichts-Wintersemester folgt. Die auswertendeKonferenz findet wiederum im folgendenWintersemester statt. Hieran nehmen Ver-treter des evaluierten Fachs (Studierendeund Lehrende), die Gutachter und die dreiProrektoren teil. In einem Tag werden Pro-bleme und Problemlösungen sowie künf-tige Kooperationsmöglichkeiten zwischenden drei Standorten erörtert. Nach der Ta-gung werden die Gutachten noch einmalvon den jeweiligen Gutachtern überarbei-tet. Die Neufassungen gehen dann als sog.endgültige Gutachten den Fächern und denHochschulleitungen zu.Womit die dritte Stufe eingeleitet wäre. DieStufe, die einem oft beklagten Mangel desfür sich allein stehenden Lehrberichtsver-fahrens entgegenwirken soll: dem Fehlenvon Konsequenzen (siehe dazu auch dasInterview auf S. 18). In dieser Phase füh-ren die Vertreter der evaluierten Fächer unddie jeweiligen Universitätsleitungen Ge-spräche über Maßnahmen zur Sicherungund Verbesserung der Qualität von Stu-

dium und Lehre. Die bisherigen Erfahrun-gen im Verbund haben gezeigt, dass dieexternen Gutachter in der Regel hierzu ein-sichtige und gern gesehene Anstöße gege-ben haben. Nicht umsonst heißt es in einerersten Zwischenbilanz zum Projektzeit-raum 2000–2003: „Das Echo nach der Be-gehung vom Fach ist nach anfänglicherSkepsis durchweg positiv.“Aber ein großes Problem bleibt: Die ein-greifenden Strukturveränderungen durchdie abnehmenden Länderhaushalte ma-chen es schwierig, die Entwicklung einesFaches über mehrere Jahre hinaus verbind-lich zu planen. Die Zielvereinbarungsver-handlungen des Rektorates mit dem evalu-ierten Fach können hierdurch verzögertund erschwert werden. Unter diesen Um-ständen stellt es eine besondere Herausfor-derung dar, Zielvereinbarungen auszuhan-deln. An der Universität Leipzig gibt esbislang eine solche Vereinbarung des Rek-torats mit der Sportwissenschaftlichen Fa-kultät. Weitere Vereinbarungen stehen kurzvor dem Abschluss.Eine heikle Frage ist auch die nach derVeröffentlichung von Informationen undErgebnissen. Welche davon sind extern,welche intern zu handhaben? Erst im Früh-jahr dieses Jahres fassten die Prorektorenden Beschluss, dass alle von 2000 bis 2003evaluierten Fächer einen Abschlussberichtverfassen sollen. Die Berichte werden mo-mentan zusammengestellt und von derLEU-Koordinationsstelle redaktionell auf-bereitet. Sie sollen im laufenden Winterse-mester erscheinen. Ziel der Publikation istes, den Verlauf der Evaluation und die Be-mühung zur Weiterentwicklung der Qua-lität von Lehre zu dokumentieren.

Carsten Heckmannund Dr. Martin Sander-Gaiser

KoordinierungsstelleLehrevaluation PD Dr. habil M. Sander-GaiserDittrichring 1504109 LeipzigTel.: 03 41/1260733

Internet: www.uni-leipzig.de/leu/E-mail: [email protected]

QualitätmachtSchuleDie LeipzigerErwachsenen-pädagogikarbeitet nachDeutscherIndustrie Norm

Von Jarno Wittig und Carsten Heckmann

Qualität hat ihren Preis! Was auf das all-tägliche Einkaufen zutrifft und hier denEuro-Betrag am Ende der Shopping-Tourmeint, hat sich für die Mitarbeiter desLehrstuhls für Erwachsenenpädagogik ander Universität Leipzig ganz anders er-schlossen. Wenn sie von Qualität in Lehreund Forschung reden, zahlen sie den Preisumfänglicher Planung, der Durchführungund Auswertung, des Dokumentierens, so-wie der Konsequenzen. Im Klartext heißtdas: Nichts geschieht am Lehrstuhl vonProfessor Jörg Knoll, ohne dass es vorhergeplant wurde und anschließend auch aus-gewertet wird. Das Resultat kann sich se-hen lassen. Hinter dem Kürzel DIN EN ISO9001:2000 verbirgt sich nämlich das Er-gebnis einer Prüfung durch einen unab-hängigen Auditor. Geschickt von der Bon-ner Gesellschaft „Certqua“, überprüft er,ob die Zertifizierung aufrechterhalten wer-den kann. Jedes Jahr aufs Neue. Seit 1998läuft die Qualitätssicherung und Überprü-fung am Leipziger Lehrstuhl. Prof. JörgKnoll ist damit nicht nur der erste, sondernsoweit bekannt auch noch immer der ein-zige Geisteswissenschaftler mit der DIN-Zertifizierung. Geboren wurde die Idee der Zertifizierung,als vermehrt Bildungsträger an den Lehr-

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stuhl herangetreten waren. „Unsere Zerti-fizierung ist erwachsen aus den Bedürfnis-sen der Praxis in der Erwachsenenbildunghier in Leipzig und in Sachsen. Es gabMitte der 90er Jahre eine ganze Reihe vonEinrichtungen, die ein Qualitätsmanage-mentsystem einrichten wollten, weil siesich erwarteten, dass dann ihre Chancen imBildungsbereich besser sind. Wir wurdenum Beratung gebeten und ich hatte denEindruck, wir können besser beraten, wennwir am eigenen Leibe erfahren haben, wasdas eigentlich heißt“, erinnert sich JörgKnoll. Die Norm, der der Lehrstuhl ent-spricht, ist in weit mehr als hundert Län-dern gängig – in hunderttausenden Unter-nehmen. Auch in den Bildungsbereich hatsie längst Einzug gehalten. Die Hartz-Kommission hat für den Weiterbildungs-markt sogar eine flächendeckende Zertifi-zierung empfohlen. Aber in der Hoch-schullandschaft sind normierte Institutio-nen rar gesät. Die aktuellsten Zahlen sinddrei Jahre alt: ein Dutzend Lehrstühle, zweiprivate Fachhochschulen, vor allem ausdem technischen oder dem wirtschaftswis-senschaftlichen Bereich. Die Verbreitunghabe nicht wesentlich zugenommen, heißtes bei der Hochschulrektorenkonferenz(HRK).Im Ausland findet der Ansatz mittlerweiledeutliches Interesse. Ab sofort gestaltetProf. Knoll gemeinsam mit der UniversitätKassel, dem Deutschen AkademischenAustauschdienst (DAAD) und der Gesell-schaft für Technische Zusammenarbeit(GTZ) ein Qualitätsentwicklungsprojektfür südamerikanische Universitäten: UNI-

CAMBIO XXI. In diesemRahmen kommen im Juli2004 rund 20 südamerika-nische Universitätsvertre-ter nach Leipzig, um hierdas Thema „Qualität“ zuvertiefen.So sollte der Weg, den dieLeipziger Erwachsenen-pädagogen mit ihrem Qua-litätsmanagement-Systemeingeschlagen haben, ge-rade im Hochschulbereichweiter Schule machen. DieUnis – immer neuen Sparzwängen ausge-setzt – stehen mittlerweile längst im Kon-kurrenzkampf. Werden Leipziger Wegekonsequent eingeschlagen, Studenten alsKunden zu verstehen, das Bildungsangebotals Dienstleistung zu begreifen, haben diepraktizierenden Qualitätsmanagement-Universitäten bessere Chancen, im Ver-gleich mit anderen Hochschulen zu beste-hen.Dennoch ist gerade der Begriff Kunde nochimmer ein Reizwort der DIN-Zertifizie-rung. Jörg Knoll kennt die Bedenken, teiltsie im Ansatz und entgegnet ihnen miteiner Begriffsschöpfung: „Für mich sindStudierende mitproduzierende Kunden.“Von deren Engagement hänge das ProduktLehre natürlich auch ab. Nicht umsonst er-folgt bei dem beliebten Professor die Ein-schreibung in Seminare über Anmelde-bögen, in denen die Studierenden ihre Mo-tivation zum Besuch der jeweiligen Veran-staltung darstellen. In Folge müssen dieStudierenden dann die Veranstaltungen re-

flektieren. „Lernerfahrungsbericht“ heißtdas Zauberwort, und die Arbeit mit diesemInstrument geht über die bekannte undpraktizierte Veranstaltungs-Evaluation ananderen Uni-Bereichen hinaus. Selbst diePrüfung wird an der Erwachsenenpädago-gik als Lernprozess verstanden. Die Prü-fung wird im Gespräch vorbereitet, dasGeschehen nachher reflektiert. Verbesse-rungsvorschläge sind erwünscht. Das Pro-dukt will schließlich „gewartet“ werden.Die Wartung wird dokumentiert. Das giltfür Prüfungen wie für Seminare, für diewöchentliche Dienstbesprechung wie fürdie jährliche Ideenbörse.Dass sich dabei manchmal scheinbar eini-ges im Kreis dreht, ist erwünscht. Immer-hin handelt es sich um den Qualitätsent-wicklungskreis. Planen, realisieren, aus-werten und Konsequenzen ziehen – so wirdan Knolls Lehrstuhl gearbeitet.

Weitere Informationen im Internet:www.erwachsenenpaedagogik.de

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UniCentral

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Professor Knoll mit Yvonne Rietz, derQualitätsmanagement-Beauftragten

des Lehrstuhls, …

… und mit Studenten bei einer Lehr-stuhlklausur in der SächsischenSchweiz.

Fotos: Marko Wittig, Lars Ihring

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Immatrikulation

GroßeFeier,großeEhrenDie Universität Leipzig hat ihren neuenStudentenjahrgang wie gewohnt feierlichwillkommen geheißen. Das festliche Er-eignis fand am 16. Oktober im Gewand-haus statt. Zum Wintersemester 2003/04sind 6000 Studienanfänger zu verzeich-nen, die Gesamtzahl der Studierenden hatmit 29 960 einen neuen Rekord erreicht. Bei der feierlichen Immatrikulation wur-den traditionsgemäß eine Reihe von Prei-sen überreicht. Den DAAD-Preis für her-vorragende Leistungen ausländischer Stu-dierender erhielt Axel Ngonga aus Kame-run, der 1999 im Alter von 16 Jahren an derUniversität Leipzig sein Informatikstu-dium begann. Innerhalb von vier Seme-stern legte er als einer der Besten seinesJahrgangs mit der Note 1,9 sein Vordiplomab. Das neue Studienjahr hat der mit 20Jahren jüngste Absolvent der Fakultät fürMathematik und Informatik als Promo-tionsstudent im Graduiertenstudium be-gonnen.Der Theodor-Litt-Preis als Auszeichnungfür besonderes Engagement in der Lehre,der von der Vereinigung von Förderern undFreunden der Universität Leipzig e. V. jähr-lich vergeben wird, ging diesmal an dieProfessoren Hannes Siegrist (Institut fürKulturwissenschaften) und Manfred Ru-

dersdorf (Historisches Seminar). HannesSiegrist lehrt an einem Institut, an dem einstarker Studentenzustrom zu verzeichnenist und dadurch vier Professuren über tau-send Studierende gegenüber stehen. Ihmwird, durch ausgezeichnete Evaluations-ergebnisse bestätigt, ein hohes Engage-ment in der Lehre bescheinigt. Entgegender allgemeinen Klage über das Problem„Masse“ und „Klasse“ in der Ausbildungbelegt die Lehrpraxis von Prof. Siegrist dieMöglichkeit der Herstellung eines Gleich-gewichts. Manfred Rudersdorf zeichnet sich, wieschon in früherer Zeit, als er zweimal in derbundesweiten Aktion „Prüf’ den Prof!“ un-ter den mehr als 500 evaluierten Hoch-schullehrern Platz 2 erreichte, in der Lehreund in der Betreuung der Studierenden amHistorischen Seminar der Universität Leip-zig durch ein besonderes Engagement aus.Für seine Hauptvorlesung in der Ge-schichte der Frühen Neuzeit, an der rund

300 Hörer teilnehmen, erhält er durchwegnur sehr gute bzw. ausgezeichnete Beurtei-lungen. Außergewöhnlich hoch ist auch dieZahl der schriftlichen und mündlichen Prü-fungen – 895 –, die er in den letzten fünfJahren abgenommen hat. Der Wolfgang-Natonek-Preis, ebenfallsvon der Vereinigung von Förderern undFreunden der Universität Leipzig e. V. ge-stiftet und in diesem Jahr zum 8. Mal ver-geben, ging an die Studierenden AntjeJanina Gornig (Fakultät für Geschichte,Kunst- und Orientwissenschaften), JulianeDrews (Fakultät für Sozialwissenschaftenund Philosophie) und Tobias Otto (Fakul-tät für Biowissenschaften, Pharmazie undPsychologie). Der Preis, der an den erstenfrei gewählten Studentenratsvorsitzendenan der Universität nach Ende des zweitenWeltkrieges erinnert, wird gleichermaßenfür hervorragende Leistungen im Studiumund gesellschaftliches Engagement verge-ben. r.

Studiosi

Rektor Prof. Franz Häuser mit den Wolfgang-Natonek-Preisträgern Antje JaninaGornig (und deren Tochter Wanda Salomé), Tobias Otto und Juliane Drews (v. l.).

Fotos: Armin Kühne

Die Theodor-Litt-Preisträger Manfred Rudersdorf (links) und Hannes Siegrist mitProrektorin Prof. Monika Krüger. Der DAAD-Preisträger Axel Ngonga.

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Toxikologie undUmweltschutzPostgradualesAufbaustudiumab Herbst 2004An der Universität Leipzig beginnt imHerbst 2004 die neunte Matrikel des Post-gradualstudiums Toxikologie und Umwelt-schutz, das als Aufbaustudium mit Fern-studiencharakter Akademikern (Pharma-zeuten, Chemikern, Biochemikern, Biolo-gen, Landwirtschaftlern und Absolventenadäquater Ingenieurfächer) in fünf Semes-tern ein breites Spektrum toxikologischerund ökologischer Kenntnisse vermittelt.Das ministeriell bestätigte Studienpro-gramm bestand bisher aus 12 einwöchigenIntensivlehrgängen, zwischen denen zu-sätzlich Selbststudium mit empfohlenerLiteratur und ausgehändigten Lehrmateria-lien erfolgt. Darüber hinaus wird erstmalsdie Möglichkeit eines die Präsenzkurse er-gänzenden virtuellen Studiums angeboten.Dies bietet den Kursteilnehmern die Mög-lichkeit, sich im Selbststudium anhand vonLernsoftware toxikologische Inhalte zu er-

arbeiten. Das Gesamtprogramm ist berufs-begleitend konzipiert. Am Ende erhaltendie Teilnehmer nach einer Abschlussarbeitund dem mündlichen Examen ein Zeugnisüber die erfolgreiche Teilnahme und eineUrkunde. Koordination und Durchführung des Pro-gramms liegen bei Prof. Dr. Jan G. Hengst-ler, Prof. Dr. R. Klaus Müller und Adel-gunde Graefe, Institut für Rechtsmedizinder Universität Leipzig,Tel. 03 41/9715-132, -100,E-mail: [email protected],Internet: www.uni-leipzig.de/fernstud/aufbautox.htmlAnträge auf Teilnahme sind zu richten andiese Adresse oder an den Bereich Wis-senschaftliche Weiterbildung und Fernstu-dium der Universität Leipzig, Augustus-platz 10/11, 04109 Leipzig,Tel. 0341/9 73 00 52.

Zentrum für Höhere StudienPromotions-studiengang auf gutem WegDer Internationale Promotionsstudiengang„Transnationalisierung und Regionalisie-rung vom 18. Jahrhundert bis zur Gegen-wart“ geht gestärkt in sein drittes, ent-scheidendes Jahr. 47 Doktoranden nehmenderzeit daran teil, davon 25 aus dem Aus-land. Zu Beginn vor zwei Jahren waren es21 Doktoranden, darunter 11 Ausländer.Mit dem erreichten Internationalisierungs-grad befinde man sich „bundesweit in derSpitzengruppe“, sagte Stefan Troebst, Pro-fessor für Kulturstudien Ostmitteleuropasund Sprecher des Vorstandes des Promo-tionsstudiengangs, zur Semestereröffnung.Der Studiengang war vor zwei Jahren imRahmen des Programms „Promotion anHochschulen in Deutschland“ (PHD) desDeutschen Akademischen Austauschdien-stes (DAAD) am Zentrum für Höhere Stu-dien der Universität eingerichtet worden.Im Herbst 2004 werden die ersten Teilneh-mer den Dreijahreszyklus durchlaufenhaben – „und hoffentlich zahlreich ihremöglichst erstklassigen Dissertationenvorlegen“, hofft Prof. Troebst, der dann„die eigentliche Stunde der Wahrheit“kommen sieht. Derzeit läuft eineZwischenevaluierung des DAAD, der dieVeranstalter des Studienganges zuversicht-lich entgegensehen. r.

Ab insAuslandUnterstützungbei PraktikaSächsische Studierende, die ein Praktikumim europäischen Ausland absolvierenmöchten, können sich bei der Vorbereitungund in Fragen der Finanzierung an einehochschulübergreifende Service-Einrich-tung wenden: das „Leonardo-Büro PartSachsen“, das seinen Sitz an der TU Dres-den hat und vom Sächsischen Staatsminis-terium für Wissenschaft und Kunst unter-stützt wird. Wie aus einer Mitteilung desBüros hervorgeht, können Leonardo-Prak-tika inzwischen in 31 europäischen Län-dern durchgeführt werden. Damit gehe imZuge der EU-Osterweiterung auch eine be-sondere Förderung osteuropäischer Ländereinher. Bei der Förderung von Praktikagehe es jedoch nicht nur darum, organisa-torische und finanzielle Unterstützung fürdie Studierenden zu gewährleisten, son-dern vor allem auch die Inhalte und diestrukturelle Anbindung der Praktika so zugestalten, dass ein Mehrwert für alle betei-ligten Partner – für die Studenten selbst, fürdie Unternehmen und auch für die betei-ligten Universitäten und Hochschulen –entstehe.„Auslandspraktika sind eine hervorra-gende Chance, sich diese zusätzlichenQualifikationen anzueignen. Sie geben denStudierenden frühzeitig die Möglichkeit,ein eigenes Profil herauszubilden, dasStudium motivierter und zielorientierterweiterzuführen und bereits Vorstellungenzum Berufseinstieg nach dem Studium zuentwickeln“, heißt es in der Mitteilung.Studenten der Universität Leipzig hättendie sich bietenden Möglichkeiten bislangnur in geringem Maße für sich genutzt. Imaktuellen Projekt würden derzeit fünf Stu-denten und vier Absolventen der Univer-sität gefördert. Die nächste Leonardo-Informationsveran-staltung findet am 26. 11. um 14:30 Uhr imRahmen des „Tages der Sprachen“ an derHTWK Leipzig im Hochschulsprachen-zentrum im Lipsiusbau (Karl-Liebknecht-Str. 145, 4. OG) statt. r.Weitere Informationen im Internet: www.tu-dresden.de/leonardo

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Studiosi

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AmRande

Nein, an schlechten Vorträgen kann’snicht gelegen haben. Die warenschließlich voller StuRa-Dynamik undSaur-Polemik. Und einen Rektor mitKette und Kind bekommt man auchnicht alle Tage zu sehen. Die Zukunftdes (Telefon-)Buchs stand zudem zurDebatte. Von der Zukunft der 29 –pardon, ein Tschensescher Fehler –der 29000 Studierenden ganz zuschweigen. Noch dazu die Aussichtauf Freibier … Ein hochkarätiges Programm also,das da im Gewandhaus zu Leipzigzur feierlichen Immatrikulation ge-boten wurde. Und dennoch verließenimmer wieder ganze Grüppchen diediesjährige Immatrikulationsfeier vordem offiziellen Ende. Langeweile?Protest? Weit gefehlt. Sie hattenschlicht gut zugehört. Das Halali er-hört. Sie hatten verstanden. Das„Jagdlied“ war ertönt, meisterlichvorgetragen vom Leipziger Universi-tätschor. Jagd? Studium? Na klar:Die Seminarplätze sind knapp, dieZeit ist es auch. Los geht’s.

Carsten Heckmann

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Wenn auch nicht als erste, aber mit erst-rangigen Gründen hat die Universität Leip-zig dem großen polnischen KomponistenKrzysztof Penderecki am 17. Oktober 2003im Festsaal des Alten Rathauses die Eh-rendoktorwürde verliehen. Wie die Deka-nin Prof. Dr. Charlotte Schubert sagte, willdie Fakultät für Geschichte, Kunst- undOrientwissenschaften damit den mit Lebenund Werk Pendereckis verbundenen Zu-sammenklang von herausragendem musi-kalischem Schaffen und gesellschaftspoli-tischem Engagement, die Entwicklung derdeutsch-polnischen Beziehungen einge-schlossen, würdigen.Staatsminister Prof. Dr. Karl Mannsfeldund Rektor Prof. Dr. Franz Häuser verwie-sen in ihren Grußworten darauf, dass dieUniversität Leipzig für diese Ehrung einvorzüglich geeigneter Ort sei. Denn hiererfolge eine intensive wissenschaftlicheAuseinandersetzung mit der Geschichteund Kultur Mittel- und Osteuropas, darun-ter auch speziell auf dem Gebiet der Mu-sikgeschichte. So wird z. B. Ende diesesJahres das Projekt „Musikerbriefe als Spie-gel überregionaler Kulturbeziehungen inMittel- und Osteuropa“ abgeschlossen, undzeitgleich mit der Ehrenpromotion wurdevom Institut für Musikwissenschaft in en-ger Zusammenarbeit mit polnischen Kolle-gen die dreitägige Konferenz „KrzysztofPenderecki. Musik im Kontext“ veranstal-tet. Der Rektor äußerte die Hoffnung, dassdiese Verbindungen auch mit Hilfe desnunmehrigen Leipziger Ehrendoktors nochenger geknüpft werden können. Und war esein Zufall, dass er in Gegenwart Pender-eckis von der Vision der Universität sprach,dass bis zum Jubiläum 2009 bedeutendeKomponisten der Gegenwart zu den achtverschollenen Universitätsmusiken Bachs,von denen sich in sieben Fällen der Texterhalten hat, die Musik schreiben?In seiner Laudatio skizzierte Prof. Dr. Hel-mut Loos, Direktor des Instituts für Mu-sikwissenschaft, Pendereckis Aufstieg alsKomponist, der sich vor allem im Westenvollzog. Im Osten, auch wenn es gerade zuLeipzig seit den 1970er Jahren gute Bezie-

hungen gegeben habe, sei die Situationschwieriger gewesen, weil er aus seinerAblehnung des Kommunismus nie einHehl gemacht habe. „Umso erstaunlichererscheint aus der Rückschau, was Sie sichan Freiheiten erkämpft haben. Damit habenSie eine Brücke geschlagen zwischen Ostund West, dadurch haben Sie die kulturelleTeilung Europas durchbrochen und ganzwichtige Traditionen der europäischenKultur zur Geltung gebracht.“ Bei allem Erfolg in Deutschland sei aberKritik nicht ausgeblieben, als „Häretikerder Avantgarde“ wurde er beschimpft, der„sich dem Musikbetrieb angeschmiegt“habe wie kein anderer. Allerdings, Pender-ecki verkörpere nicht den abgehobenenKomponistentypus, sondern besitze einensehr realistischen Gegenwartsbezug, aufdessen Basis er sehr viele Menschen mitihren realen Sehnsüchten und emotionalenBedürfnissen erreiche. An Penderecki ge-wandt unterstrich Loos: „Wenn dieseFunktion der Musik, ihre uralte, mit unse-rer europäischen Kultur so eng verwobe-nen Aufgabe, heute noch nicht ganz vonder zeitgenössischen sogenannten ErnstenMusik an die Pop-, Rock- und Unterhal-tungsmusik verloren gegangen ist, so sindSie Repräsentant für die Fortführung eineranspruchsvollen Kunstmusik, die den gan-zen Menschen, ratio et sensus, ergreift, diedas alte Prinzip der Musik, docere, movereet delectare in seiner Gesamtheit künstle-risch umsetzt.“

In seinen Dankesworten nannte KrzysztofPenderecki die Namen zweier Leipziger,die ihm sehr viel bedeuteten: Johann Se-bastian Bach und Hugo Riemann. Dererste, der Komponist, weil er in gewisserWeise auf seinen Schultern stehe, derzweite, der Musikwissenschaftler, weil erMusik als Ausdruck der Innerlichkeit alsHommage auf die Wahrheit begriff. Bachund Riemann, indem sie das historischeGedächtnis lehrten, seien für die Gegen-wart, in der nur der Fortschritt, nicht aberdie Tradition zähle, in der die alten Sym-bole degradiert und die Werte relativiertwürden, von besonderer Bedeutung.Der von beglückenden Erfahrungen ge-meinsamer Arbeit geprägte Festvortrag„Capriccio per Krzysztof Penderecki. ÜberPhantasie, Freiheit und Freundschaft“ vonProf. Franz Xaver Ohnesorg, Gründungsin-tendant der Kölner Philharmonie, mündetein das Fazit, dass die Textzeile „Der aber dieHerzen forschet, der weiß, was des GeistesSinn sei“ aus der Bach-Motette „Der Geisthilft unser Schwachheit auf“ die Persönlich-keit Pendereckis am besten zum Ausdruckbringe. Es war wohl mehr als ein Zufall,dass am Ende der Veranstaltung und des be-eindruckenden musikalischen Programmsder Universitätschor unter Leitung von Uni-versitätsmusikdirektor Prof. WolfgangUnger aus eben dieser Motette die Doppel-fuge und den Choral zu Gehör brachte. DasWort und die Musik – hier fanden sie inseltener Entsprechung zusammen.

Personalia

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Der aber die Herzen forschetEhrenpromotion von Krzysztof PendereckiVon Volker Schulte

Rektor Häuser(l.) überreichtKrzysztofPendereckidie Urkundezur Ehrenpro-motion. ImHintergrundCharlotteSchubert,Dekanin derFakultät fürGeschichte,Kunst- undOrientwissen-schaften.

Foto: Kühne

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„Wenn der Herr die Gefangenen Zions er-lösen wird, so werden wir sein wie dieTräumenden.“ Dieses Wort aus dem126. Psalm zitiert der kürzlich in Berlin 88-jährig verstorbene Georg-SiegfriedSchmutzler am Ende seiner autobiographi-schen Aufzeichnungen; sie sind unter demTitel „Gegen den Strom“ 1992 bei Van-denhoeck & Ruprecht erschienen. Sieg-fried Schmutzler ist mit der UniversitätLeipzig zuletzt und vor allem durch seineZeit als evangelischer Studentenpfarrer inden Jahren ab 1954 verbunden. Er war inseinem Dienst ein besonders scharfsichti-ger und intellektuell souveräner und klarerKritiker der SED-Herrschaft. Die Studentengemeinde zog damals vielebegabte und eigenständig denkende Studie-rende aller Fakultäten an, weil sie hier einForum wirklicher geistiger Auseinander-setzung, zugleich aber die Ermutigung zuaufrichtiger Existenz aus christlichemGlauben heraus fanden. In den zum Teil vonHunderten besuchten Bibelstunden undGottesdiensten wurden von SchmutzlerFragen angesprochen, die die Studenten be-sonders bedrückten, z. B. die Unzufrieden-heit mit den Pflichtvorlesungen über Mar-xismus-Leninismus, das Problem der ent-sprechenden Gesamtausrichtung des Stu-diums an einer staatlichen Universität, oderauch die Frage der erwarteten bzw. erzwun-genen Mitgliedschaft in kommunistischenOrganisationen wie der FDJ. Dies alles führte schließlich zur VerhaftungSchmutzlers am 5. 4. 1957, zu einemSchauprozess gegen ihn am 28. 11. 1957und zur Verurteilung zu fünf Jahren Zucht-

haus durch das Bezirksgericht Leipzigwegen „Boykotthetze“ gegen die DDR.Umittelbarer Anlass waren Vorträge gewe-sen, die Schmutzler mit einer Gruppe vonStudenten in der evangelischen Kirchge-meinde Böhlen gehalten hatte und gegendie die örtlichen Parteiorgane mobil mach-ten. Ein Vorwurf der Anklage betraf auchdie Kontakte, die Schmutzler zu westdeut-schen evangelischen Studentengemeindenund Akademien hatte. Schmutzler ist dannnach knapp vier Jahren am 18. 2. 1961 ausder Haft entlassen worden und war an-schließend bis zu seiner Emeritierung inder kirchlichen Pädagogik beratend undlehrend tätig. Mit Beschluss vom 9. 7. 1991ist er durch das Oberlandesgericht Stuttgartrehabilitiert worden, was später auch dieTheologische Fakultät Leipzig in einerEhrung Schmutzlers unterstrichen hat.Siegfried Schmutzler, 1915 geboren, hatteab 1933 zunächst Pädagogik und Philoso-phie studiert, unter anderem bei TheodorLitt, den er in besonderem Maße verehrte.Durch seine Begegnung mit der „Beken-nenden Kirche“ wurde seine kritische Hal-tung zum NS-Regime gestärkt, und er fandhierdurch den Weg zum christlichen Glau-ben. Nach Kriegsende und Gefangenschafthat er von 1946 bis 1951 in Leipzig evan-gelische Theologie studiert und war wäh-renddessen auch als Hilfsassistent im Ins-titut für Systematische Theologie tätig.Dann war er kurzzeitig Leiter der Presse-stelle der Sächsischen Landeskirche inDresden, anschließend Pfarrer in Panitzschb. Leipzig und danach (bis 1954) Studien-inspektor in Lückendorf.

Die Art und Prägnanz, in der Schmutzlersich auch öffentlich mit der herrschendenIdeologie und der entsprechenden staat-lichen Praxis auseinander setzte, war da-mals ungewöhnlich. Rückblickend hat erseinen von ihm durchaus verehrten theolo-gischen Lehrern vorgeworfen, dass sie dieHerausforderung einer Auseinanderset-zung mit dem Marxismus-Leninismusnicht oder kaum annahmen. Auch bei derLandeskirche stieß er auf Zurückhaltung,und selbst seine Kollegen in den Studen-tenpfarrämtern anderer Städte zeigten nachSchmutzlers eigenem Eindruck wenig Ver-ständnis für seine Haltung. Dies zeigt aufseine Weise das Besondere seiner damali-gen Aktivität, und es deutet auf eine inner-kirchliche Auseinandersetzung über densachgemäßen Weg in der DDR hin, – eineAuseinandersetzung, die im Grunde in dengesamten 40 Jahren nicht zur Ruhe kam.mViele von uns an der Theologischen Fakul-tät und natürlich in der Studentengemeindehaben die Auseinandersetzungen mit hei-ßem Herzen verfolgt und so gut es gingmitgetragen. Wir haben in SiegfriedSchmutzler ein Symbol für eine Haltunggesehen, wie sie uns – gerade auch an derUniversität – nötig schien, freilich nur vonwenigen gewagt wurde. Sein Tod erinnertan einen standhaften Zeugen, dessen Glau-bensmut und Zivilcourage über die kon-kreten Umstände hinaus wegweisend sind.

Der Autor war bis zu seiner Emeritierung1997 Inhaber des Lehrstuhls für Systema-tische Theologie (Dogmatik) an der Uni-versität Leipzig.

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Personalia

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Glaubensmutund Zivilcourageführtenins GefängnisDer ehemalige Studentenpfarrer Siegfried Schmutzler ist totEin Nachruf von Prof. Dr. Ulrich Kühn Siegfried Schmutzler.

Foto: Armin Kühne

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H.-H. KönigEr verstand es bestens, seine verschiedenenProfessionen unter einen Hut zu bringen:Prof. Hans-Helmut König, seit August In-haber der C3-Stiftungsprofessur für Ge-sundheitsökonomie an der MedizinischenFakultät, die an der Klinik und Poliklinikfür Psychiatrie angesiedelt ist. Nach zweiSemestern Volkswirtschaftslehre erschienihm dieses Fach bald zu abstrakt, und erentschied sich für die konkretere Medizin,die er in Tübingen, London und Oxfordstudierte. Aber die volkswirtschaftlichenDimensionen ließen ihn nicht los, so dasser ein Postgraduiertenstudium in Yale ab-solvierte, nachdem er 1993 mit seiner Dis-sertation bereits ein gesundheitsökonomi-sches Problem aufgegriffen hatte. Mitseiner Habilitationsschrift „ÖkonomischeEvaluation der Früherkennung visuellerEntwicklungsstörungen: ModellgestützteAnalyse des Screenings im Kindergarten“war er diesen Weg weitergegangen. Die ökonomische Evaluation von Gesund-heitsleistungen ist der Schwerpunkt derArbeiten Königs geblieben. Er untersuchtalternative Behandlungsstrategien unterdem Aspekt ihrer Wirtschaftlichkeit, wobeies ihm nicht darauf ankommt, die billigsteTherapie zu favorisieren, sondern die The-rapiekosten im Komplex mit den gesund-heitlichen Effekten zu betrachten. Dazu istein Indexmaß für Gesundheit erforderlich,das erarbeitet werden kann auf der Grund-lage von klinischen Outcome-Parametern,der präferenzbasierten Bewertung von Le-bensqualität oder der Bewertung gesund-heitlicher Effekte in Geldeinheiten. Damitbetritt der Gesundheitsökonom Neuland:Ein in Deutschland noch junges Fachgebietals studierter Mediziner vertretend, willKönig Patientenpräferenzen gleichberech-tigt in seine Berechnungen einbeziehen. In der Einbindung seiner Arbeit in denForschungsschwerpunkt der Fakultät zumpsychosozialen Versorgungsbereich undder Kooperation mit anderen Forschungs-einrichtungen sieht er die besten Vorausset-zungen für den Erfolg seiner Arbeit. B. A.

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H. U. Schmidhat seit 1. Oktober auch offiziell die Pro-fessur für Historische Deutsche Sprach-wissenschaft inne, die er im Sommerseme-ster bereits vertreten hat. „Ein traditions-reicher deutscher Lehrstuhl“, weiß Prof.Hans Ulrich Schmid und freut sich, „nachvielen Jahren in einem eher monotonenLangzeitprojekt Umgang mit überwiegendjungen Menschen“ zu haben.Von 1988 bis 2003 war Schmid wissen-schaftlicher Angestellter bei der Kommis-sion für Mundartforschung der bayrischenAkademie der Wissenschaften, die sich miteinem Bayrischen Wörterbuch beschäftigt.Zuvor arbeitete er seit 1979 als wissen-schaftlicher Mitarbeiter bzw. Akademi-scher Rat auf Zeit am Lehrstuhl für Deut-sche Sprachwissenschaft an der Uni Re-gensburg. Dort hatte er von 1974 bis 1978Germanistik und Katholische Theologiestudiert, nach einem Semester Philosophiein Passau. Seine Promotion folgte 1984 miteiner Arbeit über Althochdeutsche undFrühmittelhochdeutsche Predigten. 1995habilitierte er sich mit einer Arbeit überAdjektiv- und Adverbialbindungen in denaltgermanischen Sprachen.In Leipzig will Schmid nun die Traditionder sprachhistorischen Regionalforschungfortsetzen. „Gerade das Ostmitteldeutschewar in der frühen Neuzeit für die Heraus-bildung der heutigen Schrift- und Stan-dardsprache von größter Bedeutung“, führtSchmid aus. „Insofern ist die Erforschungder Entwicklungsvorgänge im Raum Mei-ßen, Leipzig, Halle, Dresden gleichbedeu-tend mit der Erforschung der Geschichteder deutschen Allgemeinsprache.“ Als wei-teren Schwerpunkt könne er sich den Be-reich der historischen Syntax vorstellen.Natürlich soll auch noch Zeit bleiben fürseine Frau und seine vier Kinder – sowiefür „Zeitenspiel“. So nennt sich eine Re-gensburger Musikgruppe, in der SchmidGitarre, Drehleier und Akkordeon spielt.Die Musik bewege sich in einer „Grauzonezwischen Folk und Klassik, mit einem klei-nen skandinavischen Schwerpunkt.“ C.H.

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M. P. Streckleitet das Altorientalische Institut. DessenMitarbeitern attestiert er ein „hohes Enga-gement“ – für ihn ein Anreiz, seine Auf-gabe in Leipzig wahrzunehmen. Nicht dereinzige: Der 38-Jährige nennt auch die„trotz knapper Mittel durch Schenkungenrelativ gut ausgestattete Bibliothek“ sowiedie „Möglichkeit der engen Kooperationmit den Universitäten Halle und Jena“.Professor Michael P. Streck möchte sichmit einem eigenen Projekt am Sonderfor-schungsbereich „Differenz und Integra-tion“ beteiligen, zudem eine altbabyloni-sche Grammatik schreiben. Die babylo-nisch-assyrische Grammatik und Literatur-wissenschaft sowie die altorientalischeOnomastik sind Strecks Spezialgebiete.Mit entsprechenden Themen hat er sich inseiner Promotion und in seiner Habilitationauseinandergesetzt. Daraus sind zwei sei-ner wichtigsten Publikationen erwachsen:„Zahl und Zeit. Grammatik der Numeraliaund des Verbalsystems im Spätbabyloni-schen“ und „Das amurritische Onomasti-kon der altbabylonischen Zeit“.Vor seiner Berufung auf den LeipzigerLehrstuhl hatten Streck Lehraufträge nachPrag, Bern, Jena und zuletzt Budapest ge-führt. Auch hatte er im Wintersemester2000/2001 den Lehrstuhl für Altorienta-listik an der Uni Marburg vertreten. Von1993 bis 1999 war er wissenschaftlicherAssistent am Institut für Assyriologie undHethitologie der Universität München, von1999 bis 2003 Heisenberg-Stipendiat derDeutschen Forschungsgemeinschaft.Marburg und München, das waren auchStrecks Studienorte. Seine Studienfächer:Altorientalistik, Semitistik, Religionswis-senschaft und Vorderasiatische Archäolo-gie. Sein Abitur hatte er zuvor in Wissen inRheinland-Pfalz gemacht. Geboren wurdeer allerdings in Vevey in der Schweiz.Michael P. Streck ist verheiratet und Vatervon drei Kindern. Zu seinen privaten Inter-essen zählt er „die Entdeckungsgeschichte,die Leben-Jesu-Forschung und Römer inDeutschland“. C. H.

Personalia

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Jens SchröterEinen persönlichen Hintergrund gebennicht wenige Professoren als Motiv für eineRufannahme in Leipzig an. ProfessorSchröter kann auf besondere familiäre Ver-bindungen zu Leipziger Wissenschaftlernverweisen: Johann Goldfriedrich, der Ver-fasser der Geschichte des Deutschen Buch-handels, war sein Urgroßvater, der Histori-ker Karl Lamprecht, 1910/11 Rektor derUniversität Leipzig, war der Onkel seinerUrgroßmutter. „Mit Karl Lamprechts ge-schichtstheoretischen Ausführungen habeich mich naturgemäß bereits wissenschaft-lich beschäftigt“, sagt Schröter. Die Ge-schichtstheorie zählt der 42-Jährige zuseinen Spezialgebieten außerhalb seinesFachs, wie auch die antike Philosophie undGeschichte und die Altphilologie. Kontaktezu den entsprechenden Disziplinen will erin Leipzig knüpfen.Jens Schröter ist von Haus aus Theologeund nunmehr Professor für Neues Testa-ment an der Theologischen Fakultät derUniversität Leipzig, deren „angenehmesKlima“ er schätzt. Er ist von der Elbe(Hamburg) an die Pleiße gekommen, hattedort seit 1998 eine Professur innegehabt.Zuvor war er in Erfurt und Berlin tätig.Theologie studiert hat der gebürtige Ber-liner in Jena, Hamburg und Heidelberg. Erwar dabei drei Jahre lang Stipendiat derStudienstiftung des Deutschen Volkes.Später förderte ihn das Land Baden-Würt-temberg bei seiner Promotion. Schröters Forschungsschwerpunkte liegenin den Bereichen Jesusüberlieferung,Apostelgeschichte, Geschichte des Ur-christentums sowie methodische und her-meneutische Fragen der neutestament-lichen Wissenschaft. Er ist Mitherausgeberu. a. der „Berliner Theologischen Zeit-schrift“. Gegenwärtig arbeitet er u. a. amBand „Jesus“ für die Reihe „Biblische Ge-stalten“ (lesen Sie dazu mehr in derDezember-Ausgabe des Journals).Professor Schröter ist verheiratet und hatzwei Kinder. Er interessiert sich für alteMusik und modernes Theater. C. H.

sagt, er sei „glücklich in Leipzig zu sein“und am intellektuellen Leben einer so dy-namischen Universität in einem vitalengroßstädtischen Kontext teilzuhaben. Erwird hier zwei Semester verbringen kön-nen, weil die Universität Leipzig im ver-gangenen Jahr bei einem harten nationalenWettbewerb einen so guten Eindruckmachte, dass die Fulbright Kommission inBerlin speziell für Leipzig einen neuen Di-stinguished Chair in American Studies fürdie nächsten fünf Jahre schuf. Auch dankguter Zusammenarbeit und großzügigerUnterstützung durch das Rektorat sowiedank der Rückendeckung des Amerikani-schen Generalkonsulats in Leipzig wurdeder Universität diese Auszeichnung zuer-kannt. Professor Hartmut Keil vom Institutfür Amerikanistik wertet diesen Schrittauch „als Zeichen für Kollegen in Deutsch-land und in anderen Ländern, dass Leipzigin unserem Fach ein bemerkenswertes Aus-bildungs- und Forschungsprogramm ent-wickelt hat, das in Zukunft noch an Staturgewinnen wird.“Professor Garrett will dabei helfen, dieAmerikanistik in Leipzig positiv weiterzu-entwickeln. Die große Herausforderung

für ihn ist es, „die Amerikanistik in einenglobalen Kontext einzubinden.“ Garrettkommt von der University of Wisconsin-Madison, wo er eine Professur für Interna-tionale und Europäische Studien innehältund Geschäftsführer des European andInternational Studies Program ist. Er istauch Berater des Dekans für InternationaleStudien an seiner Universität. Weiterhin ister führendes Mitglied und Berichterstatterder Transatlantischen Arbeitsgruppe zuInternationaler Bildung. Professor GarrettsSpezialgebiet ist die internationale Politikmit besonderer Berücksichtigung dertransatlantischen Beziehungen im globalenKontext. Derzeit untersucht er mit einemTeam europäischer und amerikanischerWissenschaftler die Beziehung von Zivil-gesellschaft, Traditionen wirtschaftlichenAustauschs und Handels und Fragen nachbürgerlichen Identitäten in multiethnischenGesellschaften.Seine Antrittsvorlesung hält Garrett am11. Dezember um 18 Uhr im Geschwister-Scholl-Haus zum Thema „Toward a NewCulture of Communication: ConstructingTransatlantic Relations for the Twenty-First Century.“ H. K.

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Distinguished Chair in American StudiesCrister Garrett

Mathematiker ist Doktor der Medizinischen WissenschaftenIngo RöderAls erster Leipziger promovierte Dr. IngoRöder vom Institut für Medizinische In-formatik, Statistik und Epidemiologie(IMISE) nicht in dem Fach, das er studierthat, der Mathematik, sondern auf dem Ge-biet der Medizin. Dr. Röder fand ein Mo-dell der Stammzellkommunikation, das dieerst kürzlich entdeckte Plastizität derStammzellen berücksichtigt.„Wir wollen mit dem neuen Angebot errei-chen, dass die jungen Wissenschaftler ver-tiefende Studien auf ihrem künftigen For-schungsgebiet betreiben können“, so Prof.Markus Löffler, Direktor des IMISE undDoktorvater des jungen Wissenschaftlers.„Die Nachwuchsforscher sollen sich andem orientieren, wo sie hinwollen, undnicht an dem, woher sie kommen.“ Dr. Rö-der konnte so den Titel Dr. rer. med. er-werben, der ihn für Forschungen auf demGebiet der Medizin qualifiziert, aber nichtdie Approbation als Arzt einschließt. DieMedizinische Fakultät bietet diese Qualifi-

kation Absolventen der Informatik undMedizininformatik, der Bioinformatik, derMathematik und Bio-Mathematik sowieder Medizinischen Psychologie und Medi-zinischen Soziologie, der Gesundheitsöko-nomie und Public Health. Voraussetzungist ein klarer Bezug zum Anwendungsge-biet.So arbeitete der Diplom-Mathematiker Dr.Röder als Bio-Statisker am IMISE und solldort die Arbeitsgruppe „Dynamische Mo-dellierung regenerativer Gewebe“ mit auf-bauen. Das spezielle Thema seiner Dok-torarbeit beinhaltet eine neue Theorie überdie Selbstorganisation von Gewebsstamm-zellen in der Blutbildung. Motiv der Unter-suchung ist die Modellierung von größerenZusammenhängen, die einen vollständige-ren Einblick in die Regenerationsprozessevon Stammzellen geben. Dabei handelt essich um eine Computersimulation, derenErgebnisse mit dem experimentellen Er-gebnis verglichen werden. B. A.

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Als Ende 1927 der 26-jährige Werner Hei-senberg, frisch berufener Ordinarius fürtheoretische Physik in Leipzig, dem zweiJahre jüngeren Guido Beck aus Wien aufder Volta-Konferenz in Como eine Assis-tenz in Leipzig anbietet, scheint sich einelangjährige und fruchtbare Zusammen-arbeit anzubahnen. Beck, in Reichenberg/Nordböhmen am 29. August 1903 in einerjüdischen Kaufmannsfamilie geboren undaufgewachsen in Zürich und Wien, hatte1925 an der Universität Wien nach einemPhysik- und Mathematikstudium bei HansThirring und Stephan Meyer mit der Arbeit„Zur Theorie binärer Gravitationsfelder“promoviert. Im Wiener Physikalischen In-stitut bei Felix Ehrenhaft und später beiHeisenberg in Leipzig arbeitete er über dieTheorie der Atomkerne noch vor der Ent-deckung des Neutrons im Jahre 1932durch James Chadwick. Vier Jahre blieb Beck in Leipzig, nurunterbrochen durch einen längeren Stu-dienaufenthalt 1930/1931 als Rockefeller-Stipendiat in Cambridge bei Ernest Ru-therford. Dann, so sah es das sächsischeHochschulrecht vor, musste er die Uni-versität verlassen und Heisenberg konnteeinen neuen Assistenten, in diesem Falleseinen ersten Schüler Felix Bloch, der ihnbereits vertreten hatte, erneut für vier Jahreeinstellen. Beck ging zuerst an das Bohr-Institut nach Kopenhagen und wechseltedann an die Universität Prag; seine tsche-chische Muttersprache kam ihm dabei sehrzu statten. Obgleich seine physikalischenForschungen in eine andere Richtung alsdie von Heisenberg gingen blieben beidefreundschaftlich verbunden. So hat Hei-senberg veranlasst, dass Beck bis zumEnde des Jahres 1932 zusätzlich ein For-schungsstipendium durch die Österrei-chisch-Deutsche Wissenschaftshilfe erhieltfür Untersuchungen über die „Theoreti-

sche Behandlung der Kern-Gamma-Strah-lung“.Fast 30 Jahre danach beteiligt sich auchBeck mit dem Beitrag „Beugungstheorieund n-Körperproblem“ an der Festschriftzum 60. Geburtstag von Werner Heisen-berg. Am 10. September 1973 schreibt errückblickend an seinen Mentor: „Damals,in Leipzig, war ich noch sehr unfertig undunreif. Ich habe bei Ihnen sehr viel gelernt,wofür ich Ihnen dankbar war und bin. Aberich hätte damals noch viel mehr lernen kön-nen und sollen. Es hat mir immer leid getan,dass es mir nicht möglich war, einen we-sentlichen Beitrag zu Ihrer Physik beizu-steuern. Aber bei meiner Veranlagung unddem aus ihr folgenden Drang zu Anschau-lichkeit konnte das nicht gelingen.“Für Beck beginnt bald eine Odyssee durchOsteuropa, die USA und Westeuropa. Einunstetes Gelehrtenleben führt ihn in dieUSA an die Universität Kansas, dann fürzwei Jahre nach Odessa in die Sowjet-union, wo die Physiker-Freunde GeorgePlaczek und Fritz Houtermans den rotenTerror unmittelbar zu spüren bekommen,schließlich wird er 1938 nach der Beset-zung Österreichs staatenlos. Er geht nachKopenhagen zurück, nach Lyon, ihm ge-lingt die Flucht aus einem französischenInternierungslager nach Portugal. Das Jahr1943 wird in doppelter Hinsicht zumSchicksalsjahr. Mit einem der letzen Pas-sagierschiffe gelingt Guido Beck dieFlucht nach Argentinien, wo er endlicheine Anstellung als Physiker am NationalObservatorium in Córdoba bekommt. Für seine jüdische Mutter Lucy, geb. Som-mernitz (1880–1943) erwirkt er für dasneue Gastland eine Aufenthaltsgenehmi-gung, zu spät, wie sich bald herausstellt. InKönigsgrätz (Hradec Kralove) wurde siebereits im Dezember 1942 von dem NS-Rassenwahn eingeholt, verhaftet und in das

KZ Theresienstadt verschleppt. Am 6. Sep-tember 1943 erfolgte dann die Deportationin das berüchtigte Tötungslager Auschwitz. Beck beginnt in Argentinien, die Physikaufzubauen und Schüler um sich zu scha-ren. Von 1951 bis 1962 lehrt er als Titular-professor in Brasilien am Centro Brasileirodes Pesquisas Fisicas (CBPF) in Rio deJaneiro, um anschließend wieder nachArgentinien zurückzukehren. Von 1977 anarbeitet er wieder am CBPF und leitet biszu seinem Tode das Kolloquium für theo-retische Physik. Guido Beck ist am 21. Ok-tober 1988 nach einem Verkehrsunfall un-mittelbar vor seinem Institut gestorben. Becks Biographen Peter Havas (Philadel-phia) für die ersten 40 Jahre, die „europäi-schen“, und Antonio Augusto P. Videira(Rio de Janeiro) für die „südamerikani-schen“, haben den Freund und Lehrer tref-fend beschrieben, der gleichermaßen alsein Opfer von Hitler und Stalin geltenkann, vertrieben und heimatlos. Bis zuletzthat er stolz an seiner österreichischenStaatsbürgerschaft festgehalten. Auchbrach er die alten Verbindungen nie ganzab. So versucht er 1946, Werner Heisen-berg für Vorlesungen in Buenos Aires zugewinnen. Beck kannte die großen Physiker seinerZeit wie Bethe, Bohr, Einstein, Pauli, Tel-ler und viele andere persönlich. Besondersin Argentinien und Brasilien hat er Spurenhinterlassen, die ihm einen Platz in der Ge-schichte der Physik sichern. Havas nenntihn den „Vater der modernen theoretischenPhysik in Südamerika.“ Gerald Wiemers

Personalia

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„In Leipzig war ichnoch sehr unreif“Guido Beck, einst AssistentHeisenbergs, wurde vor 100 Jahren geboren

Guido Beck

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Zum 100. Geburtstag von B. L. van der WaerdenEin Meister der AlgebraEine der vielseitigsten Persönlichkeiten,die das wissenschaftliche Leben am Leip-ziger Mathematischen Institut maßgeblichgeprägt haben, war Bartel Leendert van derWaerden, geboren am 2. 2. 1903 in Ams-terdam, der nach Hamburg, Göttingen,Rostock und Groningen 1931 als Nachfol-ger von O. Hölder hierher berufen wurde.1927 war er bereits durch den Beweis derihm durch Baudet bekannten Vermutung I. Schurs hervorgetreten, dass bei einerZerlegung der Menge der natürlichen Zah-len in zwei Klassen eine davon arithmeti-sche Progressionen beliebiger Länge ent-hält. Durch Emmy Noether algebraischgeschult, hat er mit seinen Arbeiten zurAlgebra und algebraischen Geometrie, vondenen viele aus seiner Leipziger Zeit stam-men, entscheidende Ergebnisse erzielt undzahlreiche Begriffsbildungen erst auf einesolide mathematische Basis gestellt. DieMöglichkeit und Eindeutigkeit der Zerle-gung einer algebraischen Mannigfaltigkeitin irreduzible ergibt sich bei ihm aus derZerlegung eines Ideals in Primideale. Ähn-lich gelangt er zu einer sauberen Fassungdes Begriffs allgemeiner Punkt einer Man-nigfaltigkeit und der Vielfachheit (Multi-plizität). Damit lässt sich Bézouts Satzüber die Multiplizitäten der Schnittpunktealgebraischer Mannigfaltigkeiten klar fas-sen.Mit seinen Arbeiten „Zur algebraischenGeometrie“ nimmt er eine systematischeNeubegründung der algebraischen Geome-trie vor und wendet sie auf konkrete Pro-bleme an. Vieles ist in seine in der GelbenSammlung erschienene „Einführung in diealgebraische Geometrie“ eingeflossen, dieneben seinen berühmten Bänden „AlgebraI, II“ grundlegend für die Algebraausbil-dung wurde.In Algebra und Zahlentheorie befasst ersich u. a. mit Häufigkeitseigenschaftenhinsichtlich der Galoisgruppe algebrai-scher Gleichungen, der Zerlegungs- undTrägheitsgruppe von Primidealen, demEinheitensatz der algebraischen Zahlen-theorie auf bewertungstheoretischerGrundlage, der Äquivalenz von Idealen,dem Satz von Kronecker und Fragen derKlassenkörpertheorie. Hervorzuheben sindsein Ergebnisbericht „Gruppen von linea-

ren Transformationen“ und seine „Studienzur Theorie quadratischer Formen“ (mit H. Gross).Neben Lieschen Gruppen untersucht erinvariantentheoretische Fragen, auch in derDifferentialgeometrie, sowie Probleme ausGeometrie, Topologie und Analysis. Aner-kennenswert sind seine Arbeiten zur Wahr-scheinlichkeitsrechnung und Statistik, be-sonders zum χ2-Test, geht es doch hierinnicht nur um theoretische Fragen, sondernauch um Anwendungen in Biologie undMedizin. Vorbildlich ist seine in der Gel-ben Sammlung erschienene „Mathemati-sche Statistik“, die auch den Nichtspezia-listen ohne übertriebenen maßtheore-tischen Ballast an die wichtigsten Pro-bleme heranführt. Physikalische Fragen,vornehmlich zur Quantentheorie undRelativitätstheorie einschließlich Theorieder Spinoren interessieren ihn gleichfalls;hierzu schreibt er sein lesenswertes Buch„Die gruppentheoretische Methode in derQuantenmechanik“.Fundamentale Arbeiten sind der Ge-schichte der Mathematik und Astronomiegewidmet. Wie O.-H. Keller in seiner Lau-datio zur Verleihung der Goldenen Cothe-niusmedaille der Deutschen Akademie derNaturforscher Leopoldina 1969 hervor-hebt, hat er in ungewöhnlichem Maße dieFähigkeit, das neuzeitliche Denken bei-seite zu schieben und so zu denken, wie esdie Alten taten, wodurch er viele Begriffezurechtrücken und Textstellen neu undüberraschend einfach deuten konnte. Hin-gewiesen sei dazu auf seine auch für Laieninteressanten Bände „Erwachende Wissen-schaft I, II“ sowie „Sources of QuantumMechanics“. Trotz Anfeindungen durch das Naziregimehat van der Waerden bis Kriegsende Leip-zig die Treue gehalten und war danach inBaltimore, Amsterdam und seit 1951 inZürich, wo er am 12. 1. 1996 verstorben ist.Er war Mitglied zahlreicher wissenschaft-licher Gesellschaften, Mitherausgeber der„Grundlehren der Mathematischen Wis-senschaften in Einzeldarstellungen“ (derberühmten „Gelben Sammlung“), des„Archive for History of Exact Sciences“und der „Mathematischen Annalen“.

Prof. Dr. Günther Eisenreich

GeburtstageWirtschaftswissenschaftliche Fakultät60. GeburtstagProf. Dr. Hans Günter Rautenberg, Institutfür Unternehmensrechnung und Betriebs-wirtschaftliche Steuerlehre, Dekan vonOkt. 1999 bis Okt. 2002, am 08. Dezember

Medizinische Fakultät65. GeburtstagDoz. Dr. rer. nat. Friedrich Keller, Institutfür Anatomie, am 1. Dezember75. GeburtstagProf. Dr. med. Ferdinand Dieterich, ehem.Klinik und Poliklinik für Urologie, am8. November

Der Rektor der Universität Leipzig und dieDekane der einzelnen Fakultäten gratulie-ren herzlich.(Die Geburtstage werden der Redaktion direktvon den Fakultäten gemeldet. Die Redaktionübernimmt für die Angaben keine Gewähr. Dasgilt auch für deren Vollständigkeit.)

Kurz gefasstProf. Dr. Volker Bigl, biszu seinem Rücktritt im Fe-bruar Rektor der Univer-sität Leipzig, wurde zumPräsidenten der Sächsi-schen Akademie der Wis-senschaften gewählt. DerProfessor für Neurochemiewird der Organisation ab 2004 für vierJahre vorstehen. Er löst damit Prof. Dr.Gotthard Lerchner ab, der das Amt aus ge-sundheitlichen Gründen vorzeitig aufgibt.Ins Präsidium der Akademie wurden nochzwei weitere Angehörige der UniversitätLeipzig gewählt: der Mediziner Prof. Dr.Uwe-Frithjof Haustein (Sekretar der ma-thematisch-naturwissenschaftlichenKlasse) und der Historiker Prof. Dr. Man-fred Rudersdorf (stellvertretender Sekre-tar der philologisch-historischen Klasse).Die offizielle Amtseinführung des neuenPräsidiums erfolgt am 23. April 2004.

Der Mediziner Prof. Dr. Gottfried Geilerwurde für seine besonderen Verdienste umdie Akademie Leopoldina zu deren Ehren-mitglied ernannt. Geiler war von 1990 bis1995 Dekan der Medizinischen Fakultätder Universität Leipzig. 1993 wurde ergleichzeitig bis zum Ende seiner Dienstzeit1996 zum Direktor des Instituts für Patho-logie bestellt.

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Bartel Leendertvan der Waerden

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Dr. Kristin Wellner erhielt anlässlich der Mitgliederversammlung der Gesell-schaft für Immobilienwirtschaftliche For-schung e. V. am 27. September 2003 den1. Preis des Immobilien-Forschungspreises2003 für ihre Dissertation „Entwicklungeines Immobilien-Portfolio-Management-Systems – Zur Optimierung von Rendite-Risiko-Profilen diversifizierter Immobi-lien-Portfolios“. Einen Sonderpreis erhieltaußerdem Dr. Susanne Ertle-Straub fürIhre Dissertation „Standortanalyse fürBüroimmobilien“. Beide Doktorandinnenhaben am Institut für Immobilienmanage-ment an der WirtschaftswissenschaftlichenFakultät promoviert. Weiterhin wurde Dr.Leonid Korezkij (Institut für Unterneh-mensrechnung und betriebswirtschaftlicheSteuerlehre) am 14. Oktober 2003 für seineDissertation „Doppelbelastung gewerb-licher Einkünfte und deren Korrektur nach§ 35 EStG – Eine systematische Untersu-chung“ mit dem Förderpreis der Nürnber-ger Steuergespräche e. V. ausgezeichnet.

Die Theologie-Studentin Dorit Felsch isteine von zwei Stipendiatinnen der Studien-stiftung des Deutschen Volkes, die in die-sem Jahr den Fontane-Preis der Stiftung er-halten haben. Der Preis wird für Initiativenzur Integration und Versöhnung und zurÜberbrückung nationaler Grenzen verlie-hen. Dorit Felsch erhielt den Preis für ihren kontinuierlichen Einsatz für diedeutsch-israelische Verständigung. Sie en-gagiert sich unter anderem in einem deut-schen Förderverein für israelische Kinder-heime.

Die Gesellschaft für Geowissenschaftene. V. verlieh Prof. Dr. em. Lothar Eiß-mann, ehemals Institut für Geophysik undGeologie, in Anerkennung seines wissen-schaftlichen Lebenswerkes die Serge vonBubnoff-Medaille, die höchste Auszeich-nung der Gesellschaft für Geowissenschaf-ten e. V. Damit würdigte die Gesellschaftfür Geowissenschaften nicht nur die Ver-dienste eines international bedeuten-denGeowissenschaftlers ostdeutscher Prä-gung, sondern sie zollt auch dem heute am internationalen Maßstab gemessenenhohen Erkenntnisstand der von Mittel-deutschland ausgehenden Eiszeitfor-schung, an dem Prof. Dr. Lothar Eißmanneinen nicht unerheblichen Anteil hat, ihreAnerkennung.

Die Musikakademie Mykola Lysenko inLemberg/Lviv (Ukraine) hat Prof. Dr. Hel-

mut Loos (Institut für Musikwissenschaft)zum Professor ehrenhalber ernannt.

Prof. Dr. Matthias C. Angermeyer, Di-rektor der Klinik und Poliklinik für Psy-chiatrie, wurde zum Stellvertretenden Vor-sitzenden des neu gegründeten Pflegefor-schungsverbundes Mitte-Süd gewählt.

Dr. rer. nat. Jeanett Edelmann, Institutfür Rechtsmedizin erhielt den jährlich ver-liehenen Wissenschaftspreis der DeutschenGesellschaft für Rechtsmedizin für ihre Ar-beit zu X-chromosomalen DNA-Systemenfür forensische Zwecke. Diese Systemesind für Abstammungsuntersuchungen vonhöchstem Interesse. Mit ihrer Hilfe kannman die Abstammung weiblicher Nach-kommen über mehrere Generationen hin-weg sicher verfolgen. Dies ist besondersdann von Bedeutung, wenn unmittelbareElternteile zum Zeitpunkt der Untersu-chung bereits verstorben sind und auf an-dere Verwandte, wie Großeltern oder Ge-schwister des Verstorbenen zurückgegrif-fen werden muss. Dabei sind sogenannteKopplungsgruppen bedeutsam, da diese,wie der Name sagt, gekoppelt vererbt wer-den und vergleichbar mit Y-chromosoma-len DNA-Systemen als Haplotypen an dieweiblichen Nachkommen weitergegebenwerden.

Dr. Matthias Blüher, Nachwuchsgrup-penleiter im Interdisziplinären Zentrum fürKlinische Forschung (IZKF), erhielt jetztden Deutschen Adipositas-Forschungs-preis 2003. Den Preis erhielt Dr. Blüher aufder Jahrestagung der Deutschen Adiposi-tas-Gesellschaft in Salzburg. Der mit3000 e dotierte Preis wurde für Blüherswissenschaftlichen Arbeiten zur Rolle desFettgewebes bei der Ausprägung des In-sulinresistenz-Syndroms vergeben. DieDeutsche Adipositas Gesellschaft verstehtsich als eine Vereinigung von Wissen-schaftlern und therapeutisch tätigen Exper-ten, die sich dem Krankheitsbild Adiposi-tas (Fettsucht, Übergewicht) in besondererWeise widmet.

Dr. rer. nat. Wolfram Eichler, Klinik undPoliklinik für Augenheilkunde, erhielteinen Preis für „Innovative wissenschaft-liche Projekte in der Augenheilkunde“, mitdem die Deutsche Ophtalmologische Ge-sellschaft (DOG) die Grundlagenfor-schung in der Augenheilkunde fördernwill. Der mit 20 000 e dotierte Preis sollzur Finanzierung einer Stelle für einen

Augenarzt aus Russland verwendet wer-den, der eine Thematik bearbeiten soll, dievon der DOG als förderungswürdig einge-schätzt wird.

Dr. Reinhard K. Straubinger, Institut fürImmunologie an der Veterinärmedizini-schen Fakultät und Nachwuchsgruppenlei-ter im Biotechnologisch-BiomedizinischenZentrum, erhielt vom Arbeitskreis für ve-terinärmedizinische Infektionsdiagnostik(AVID) den Ernst-Forschner-Preis für diebeste praxisbezogene Präsentation. DieseAuszeichnung wird im Gedenken an diePersönlichkeit und die Verdienste des Ini-tiators und Gründungsvorsitzenden desAVID, Dr. Ernst Forschner, auf Votum derAnwesenden der Jahrestagung seit 1997vergeben. Der Preis verbindet die EhrungForschners mit der Auszeichnung jenerjungen Kollegen, die es verstehen, den wis-senschaftlichen Wert einer Arbeit mit demNutzen in der praktischen Anwendung zuverbinden, also ganz im ForschnerschenSinne zu denken und zu handeln.

Prof. Dr. Joachim Mössner, Direktor derMedizinischen Klinik und Poliklinik II,wurde von der Polnischen Gesellschaft fürGastroenterologie zum Ehrenmitglied er-nannt. Prof. Mössner hat sich verdient ge-macht um die aktive Förderung der Zu-sammenarbeit zwischen polnischen unddeutschen Gastroenterologen, vor allemmit Wissenschaftlern aus Bialystok, Poz-nan und Katowice. Eine besonders engeZusammenarbeit verbindet Prof. Mössnermit Prof. Antonii Gabrielewicz von derUniversität Bialystok.

Prof. Dr. Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns, Direktorin der Poliklinik fürVögel und Reptilien, war im Oktobereinige Tage in Dubai, Vereinigte ArabischeEmirate, um dort das Dubai Falcon Hospi-tal zu besuchen und die dort arbeitendenTierärzte v. a. hinsichtlich bildgebenderVerfahren bei Falken zu beraten. In denEmiraten gibt es verschiedene Falkenhos-pitals, in denen vorwiegend deutsche undenglische Tierärzte – bezahlt von den je-weiligen Scheichs – arbeiten. Bereits imVorfeld waren zwei ehemalige Doktoran-den in den Emiraten um dort ihre Disser-tationsarbeit anzufertigen. Außerdem kom-men arabische Tierärzte nach Leipzig, umsich fortzubilden.

Personalia

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Unter den 14 Sachsen, die zum Tag derDeutschen Einheit das „Verdienstkreuz amBande der Bundesrepublik Deutschland“erhielten, sind zwei an der UniversitätLeipzig tätige Professoren und ein Emeri-tus. Die Auszeichnung wird offiziell vonBundespräsident Johannes Rau verliehen,überreicht wurden die Ordenskreuze undUrkunden aber in Dresden von SachsensMinisterpräsident Georg Milbradt.

Professor Dieter Körholz, Leiter der Kin-derkrebsstation in der Uni-Kinderklinik,wurde für seine medizinischen Verdienstegeehrt, besonders für seinen ganzheit-lichen Behandlungsansatz. In seine Thera-pien bezieht er die Familie des Patientenmit ein. Mit der SportwissenschaftlichenFakultät entwickelte er das Konzept desErlebnisturnens.

Professor Alois Mayr hat sich in den letz-ten acht Jahren um das Institut für Länder-kunde verdient gemacht, das er bis zu sei-nem im März begonnenen Ruhestand lei-tete und nach einem innovativen Konzeptumbaute. Er stieß das Projekt „DeutscherNationalatlas“ an, das zwölf Bände um-fassen soll. Ein solches Standardwerk exis-tierte für Deutschland noch nicht.

Professor Gerald Wiemers bekam dasVerdienstkreuz erstens für sein berufsstän-disches Engagement: Er leitete im Verbanddeutscher Archivare zehn Jahre lang die159 Institutionen umfassende Fachgruppeder Archive an Hochschulen und Akade-mien. Zudem wurden Wiemers’ Forschun-gen zur Geschichte der Universität gewür-digt, vor allem zu Widerstand und Verfol-gung von Studenten in der sowjetischenBesatzungszone und in der DDR.

NOMENNamenforscher Prof. Jürgen Udolph zurHerkunft des Namens „Wiemers“

Der Familienname Wiemers ist häufig inDeutschland: eine Telefon-CD von 1998verzeichnet 998 Teilnehmer. In der Verbrei-tung der Namen ist eine deutliche Häufungin Westdeutschland (Nordrhein-Westfalen,Oldenburg, Ostfriesland) festzustellen.Die Forschung ist sich über die Herkunftim wesentlichen einig, allerdings stehenzwei Varianten zur Auswahl. Klar ist, dassdas auslautende -s auf eine sogenanntepatronymische Bildung weist (wie etwa beiSievers, Heinrichs, Friedrichs), die eineVerkürzung aus einer Wendung HeinrichWiemers Sohn o. ä. darstellt.In Wiemer sieht man eine Zusammenzie-hung aus einem alten deutschen (vielleichtauch germanischen) Rufnamen Winmaroder Wigmar. Im ersten Fall liegt eine

Kombination aus wini „Freund“ und-mari „berühmt“, im zweiten Fallaus wig- „Kampf“ und -mari vor.Namenforscher wie A. Bach u. a.halten die zweite Variante für diewahrscheinlichere. Dann wären alsälteste Belege für die Vorform dieNamen Wigmer, Wicmer, die seitdem 9. Jh. belegt sind (E. Förste-mann, Altdeutsches Namenbuch,Bd. 1: Personennamen, Bonn 1900,Sp. 1586), anzuführen.Eine sinnvolle Kombination aus„Kampf“ und „berühmt“, etwa „imKampf berühmt, durch den Kampfberühmt“ darf nicht unbedingt ge-wagt werden. Da schon in früherZeit zwei Namenelemente beliebigmiteinander kombiniert werdenkonnten, darf in den allermeistenFällen keine Übersetzung, die beideBestandteile miteinander verbindet,gewagt werden.

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Personalia

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Bundesverdienstkreuzfür drei Uni-Professoren

Die Verbreitung des Namens Wiemersin Deutschland.

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HabilitationenFakultät für Physik und GeowissenschaftenDr. Christine Papadakis (10/03):Inner and outer interfaces in soft matter systems

Medizinische FakultätDr. Ulf Wagner (10/03):HLA-Klasse II-Moleküle in der Pathogenese derrheumatoiden Arthritis – die Bedeutung der immuno-logischen Synapse

PromotionenFakultät für Physik und GeowissenschaftenElisabeth Rieger (4/03):Entwicklungstendenzen der Stadt Gdansk (Danzig)im polnischen Transformationsprozess. Eine gegen-überstellende Stadt- und Innenstadtanalyse der polni-schen Stadt Gdansk (Danzig) und ihrer deutschenPartnerstadt Bremen als eine Methode zur Einord-nung von räumlichen Transformationsphänomenen.Frank Feller (4/03):Raumladungsverteilungen in konjugierten Polymerenjeweils 5/03:Kathleen Franke:Optische und physikalische Eigenschaften süd- undsüdostasiatischer Aerosolpartikel: Beobachtungenmit einem Sechswellenlängenlidar auf den Maledivenwährend INDOEXSilke Hock:Wellenstreuung in der Litosphäre in Nord- und Mittel-europaStefan Schlüter:GPS-basierte Bestimmung dreidimensionalerElektronendichteverteilungen in der Ionosphärejeweils 6/03:Daniel Prochnow:Festkörper-NMR-Untersuchungen an Phosphat-Ma-terialienMichael Tartz:Simulation des Ladungstransportes in Breitstrahl-ionenquellenMarkus Brede:Random Evolution of Idiotypic Networks: Dynamicsand ArchitectureAndreas Schüring (8/03):Molekulardynamik-Simulationen und Sprungmo-delle zur Diffusion von Gastmolekülen in ZeolithenJürgen Helmert (9/03):Determination of characteristic turbulence lengthscales from large-eddy simulation of the convectiveplanetary boundary layerjeweils 10/03:Barbara Warner:Naturerlebnisziele und -potenziale im Rahmen eineskomplexen StadtnaturschutzesSusann Schuster:The digital Hydrogeological Map of Mexico – A Pri-mary Hydrogeological pioneering feat in country-wide scale, based on ArcInfo®Karsten Franke:Radioanalytische Untersuchung von geochemischenBarrieren für toxische und radiotoxische Stoffe imBereich von AltbergbauhaldenYong Zhang:Conformal Transformations of S-Matrix in ScalarField TheoryJan-David Hecht:Die Nitridbildung auf Oberflächen von III-V-Halblei-

tern durch niederenergetischen Beschuß mit einfachionisierten Stickstoffmolekülen

Fakultät für Mathematik und InformatikMario Listing (5/03):Rigidity of Hyperbolic SpacesLin Chen (6/03):Methods and algorithms for the structural descriptionand identification of the human cortical folding andits variabilityFrank Klinker (6/03):Supersymmetric Killing Structuresjeweils 7/03:Michael Holicki:Pulsgekoppelte Oszillatorsysteme mit Zeitverzöge-rungAlexander Lange:Causal perturbative Quantum Field Theory in theEpstein Glaser approach: Graphs and Hopf algebrasCarsten Wolters:Influence of Tissue Conductivity Inhomogeneity andAnisotropy to EEG/MEG based Source Localizationin the Human Brain

Theologische FakultätJochen Kinder (6/03): Das Verhältnis der Eltern zum schulischen Religions-unterricht. Studien zu elterlichen Motiven, Erwar-tungshaltungen und Stellenwertzuschreibungen unterbesonderer Berücksichtigung der Situation in Ost-deutschlandErik Alexander Panzig (7/03):„gelâzenheit“ und „abegescheidenheit“ zur Verwur-zelung beider Theoreme im theologischen DenkenMeister Eckharts

Philologische Fakultätjeweils 5/03:Chung Wan Kim:Auf der Suche nach dem offenen Ausgang – Unter-suchungen zur Dramaturgie und Dramatik VolkerBraunsAnke Schmidt-Wächter:Die Reflexion kommunikativer Welt in Rede- undStillehrbüchern zwischen Christian Weise und JohannChristoph Adelung. Erarbeitung einer Texttypologieund Ansätze zu einer Beschreibung der in Rede- undStillehrbüchern erfassten kommunikativen Wirklich-keitÄnne Troester:A Momentary Stay Against Confusion: Selfhood andAuthorship in the Work of Paul AusterChristian Zschieschang:Das land tuget gar nichts. Slaven und Deutsche zwi-schen Elbe und Dübener Heide aus namenkundlicherSichtMario Zanucchi (6/03):Das Poetische und die Geschichte. Untersuchungenzur Beziehung zwischen Poetik und Geschichtsphilo-sophie im Werk des Novalis (Friedrich von Harden-berg)Thomas Weskott (6/03):Informationsstrukturierung als Verarbeitungsanwei-sung: die linke Peripherie deutscher Verbzweitsätzeund ihre Interpretation im KontextJörg Horn (7/03):Sprachenrecht und Toponomastikjeweils 10/03:Iouri Istiaguine:Kulturgeprägte Konnotationen im interkulturellensprachlichen Handeln (kulturkontrastive Analyse aus-gewählter Personenbezeichnungen in deutscher undrussischer Sprache)

Oliver Lindner:“The Silence of England” Raum in der spätviktoria-nischen Science FictionCornelia Sieber:Die Gegenwart im Plural. Postmoderne/PostkolonialeStrategien in neueren LateinamerikadiskursenMartin Trautwein:The Time Window of Language: The Interaction bet-ween Linguistic and Non-Linguistic Knowledge in theTemporal Interpretation of German and English Texts

Fakultät für Sozialwissenschaften und PhilosophieMichael Gerth (6/03):Die PDS und die ostdeutsche Gesellschaft im Trans-formationsprozessJan Skrobanek (6/03):Regionale Identifikation, negative Stereotypisierungund Eigengruppenbevorzugung – das Beispiel Sach-senjeweils 7/03:Regina Liebe-Tumbrink:Fusionskontrolle und Politik – Politische Kalküle undEntscheidungsprozesse in der deutschen Fusions-kontrollpraxis im supranationalen EG-BereichSusanne Andres:Internationale Unternehmenskommunikation im Glo-balisierungsprozess. Analytische Bestandsaufnahmeund eine repräsentative Studie zu den Auswirkungendes Globalisierungsprozesses auf die internationalausgeprägte Kommunikation großer und in Deutsch-land ansässiger UnternehmenOmar Kamil:Von Ben Gurion zu Ovadia Yosef: Der aschkenasischeStaat und die Funktion der arabischen Juden: eineideologiekritische Studie zur Hegemonie der Aschke-nasim in IsraelRoger Berger:Gewohnheit, Sucht und Tradition

Sportwissenschaftliche Fakultätjeweils 5/03:André Herz:Konditionelle Schulung im Schulsport – dialektischeBetrachtungenGöran Semper:Motorische Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden.Zur Wirkung von Sportprogrammen im späteren undspäten ErwachsenenalterMartina Volkmer:Die Schülergruppe als Potenz für soziales Lehren undLernen im Sportunterricht der GrundschuleGrit Schöley (6/03):Erprobung und Bewertung ausgewählter bewegungs-diagnostischer Verfahren im Rahmen sporttherapeuti-scher und rehabilitationssportlicher Maßnahmen fürSchlaganfallbetroffene – eine qualitativ orientierteStudieTefera Negussie (9/03):Erarbeitung und experimentelle Teilüberprüfungeines einjährigen Programms für die taktische Aus-bildung von äthiopischen Fußballspielern im Jugend-training

Fakultät für Geschichte, Kunst- undOrientwissenschaftenChristian Schölzel (5/03):Walther Rathenau in Auseinandersetzung mit denWidersprüchen seiner Zeitjeweils 6/03:Jill Akaltin:Kindergärten und Kindergartenerziehung in Leipzigim Dritten Reich und in der SBZ/DDR 1930–1959

Habilitationen und Promotionen

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Christian Kurzweg:Zur Vertriebenenpolitik der Liberal-DemokratischenPartei Deutschlands (LDP). Das Beispiel Sachsen1945 bis 1950Johannes Frackowiak:Verfassungs- und Neuordnungsdiskussionen in Sach-sen nach 1918 und 1945Sebastian Maisel:Das Gewohnheitsrecht der Beduinen im Norden derArabischen HalbinselBettina Uhlig:Kunstrezeption in der Grundschule. Untersuchungzur rezeptiven bildnerischen Tätigkeit jüngererSchulkinder in der Auseinandersetzung mit Gegen-wartskunst – eine theoretische und empirische StudieSylke Wunderlich (7/03):Plakatkunst in der SBZ/DDR 1945/ 1949–1969. Ge-schichtliche Entwicklung und Gestaltung eines künst-lerischen Mediums

Fakultät für Chemie und MineralogieRosemarie Sattler (7/03):Charakterisierung von Polydimenthylsiloxan- undPolydimenthylsiloxan/3A-Zeolith-Membranenmittels Sorptions- und Permeationsuntersuchungenjeweils 9/03:Torsten Lange:Neue Bausteine für die Peptidmodifikation Synthesenicht natürlicher a-Hydroxy-, a-Amino und a-Mer-captocarbonsäurenNatalia N. Sergeeva:Synthesis of Partially Fluorinated a-Substituted ß-Hydroxy and ß-Amino AcidsRico Hampel:Modifizierung von Kiefernholz durch Inkubation mitHydrolaseenzymen zur Optimierung des Herstel-lungsprozesses von Mitteldichten Faserplatten (MDF)Burcu Özmen:The Use of Atomic Emission Spectrometry with aMicrowave Plasma Torch Combined to DifferentTypes of Hydride Generation Techniques for theDetermination of Arsenic

JuristenfakultätIna Sauer (1/03):Internationale Zuständigkeit für die Auflösung undLockerung des Ehebandes nach deutschem, französi-schem und europäischem RechtKatrin Scholz (2/03):Der Sachverständigenbeweis im Zivilprozeß (Arzt-haftpflichtprozeß)Gerd Tangenberg (2/03):Beschleunigungsgesetzgebung und staatliche Auto-poiesisPeter Nagel (4/03):Marktplatz der Ideen- Der Übergang zu einer priva-ten Frequenzzuordnung am Beispiel terrestrischerRundfunkveranstalter in den USAStephanie Kaufmann (5/03):Die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung ge-werbsmäßig überlassener LeiharbeitnehmerTorsten Schwarze (7/03):Das Kooperationsprinzip des Bauvertragsrechts Hartwig Kasten (7/03):Die deutsche Insolvenzgeldversicherung im europäi-schen Recht

Medizinische Fakultätjeweils 3/03:Cathrin Langner:Die russische Psychiatrie des 19. Jahrhunderts imSpiegel der deutschen Fachpresse

Jens Jürgen Schwarze:Transkranielle Kontras-Dopplersonographie zumNachweis eines persistierenden Foramen ovale – me-thodische Grundlagen und klinische AnwendungTobias Trabold:In vitro Messgenauigkeit von dreidimensionalemUltraschall. Ein Vergleich von Distanz- und Volu-menmessungen mit unterschiedlichen 3D-Echokar-diographiesystemen.Martin Lang:Verhalten leistungsphysiologischer Messgrößen beimmehrjährigen Leistungstraining von Triathleten(Längsschnittuntersuchung über 5 Jahre)Astrid Pertermann:Hemmung von Monozyten/Makrophagen-Funktio-nen durch Dexamethason-enthaltende Phosphatidyl-choli-Liposomen in vitro – Der Effekt von negativerLadung und Verdünnung der Liposomen –Christian Döring:Untersuchungen zum diagnostischen Stellenwert vonrötelnspezifischem IgD und lmw-IgM zur Unter-scheidung von Röteln-Primärinfektionen und Rein-fektionAlexandra Krauß:Untersuchungen des Zusammenhanges zwischeneiner endoskopisch manifesten Refluxösophagitisund chronisch entzündlichen Veränderungen desKehlkopfes und der StimmlippenConstanze Kubisch:Bedeutung der extrazellulären TSH-Rezeptordomänein der Äthiopathogenese der unifokalen Schilddrü-senautonomieUlrike Lex:Sprachlateralisierung bei Rechts- und Linkshändernmit funktioneller Magnetresonanztomographie(fMRT)Claire Neuhorst:Einfluß von Anti-CD4-Antikörpern auf die Zytokin-Signaltransduktion über STAT-Transkriptionsfakto-ren in T-Zelllinien und T-ZellklonenAlexander Niklas:Der Stellenwert der hyperbaren Sauerstofftherapie beider Behandlung schwerer Schädel-Hirn-Verletzun-gen: Eine tierexperimentelle Studie.Sebastian Reinhardt:Piritramid zur Analgosedierung während der Peribul-bäranästhesie in der KataraktchirurgieNathalie Schelhorn:Histochemische Untersuchungen an Gewebekulturendes dopaminergen SystemsMarion Schmidtke:Stellenwert der Spiral-CT im prätherapeutischenStaging von Karzinomen der Mundhöhle, des Oro-und HypopharynxSusanne Thümmler:Elektrophysiologische Untersuchungenim Präfronta-len Cortex der Ratte. Dopamin- und Adenosin-5-Tri-phosphat-Wirkung auf Synaptische Potentiale undihre Interaktion mit Glutamat-RezeptorenKristina Frederike Tümmers:Untersuchungen zur Pharmakinetik von oral verab-reichter alpha-Liponsäure (Thioctacid ) an nierenge-sunden Probanden und Patienten mit eingeschränkterNierenfunktionHeike Wendland:Pars plana Vitrektomie bei Ablatio retinae nach Lin-senoperationenPatrick Stumpp:Anwendung von hepatobiliärem Kontrastmittel imSpiral-CT bei Patienten nach Whipple-Operation zurverbesserten Darstellung der zuführenden Darm-schlinge

Kristin Rasche:Zur Entstehungsgeschichte und den Anfängen desTrier’schen Instituts seit der 2. Hälfte des 18. Jahr-hunderts bis zum Tode des Direktors Johann Chri-stoph Gottfried Jörg im Jahre 1856jeweils 4/03:Alexander Reske:Untersuchungen zum Pathomechanismus unifokalerAutonomien und kalter SchilddrüsenknotenKathrin Beimes:Veränderungen der kardialen Leistungsfähigkeit unddes Risikoprofils im mittleren und höheren Erwach-senenalterAlexander Berndt:Ansätze zur morphometrischen Beurteilung vonperineuronalen Netzen und Gliose im cingulären undpräfrontalen Cortex alter RattenThomas Beyer:Klinischer Stellenwert der endosonographisch ge-steuerten transmuralen Feinnadelbiopsie für denPneumologenMichaela Mayella Geiger:Interaktionen zwischen CD44s, CD44v und EGRFbei in vitro Keratinozyten sowie HaCaT-Zellen undEinfluss von EGF auf diese RezeptorentitätenEgbert Hagen:Nachweis von Lymphozytensubpopulationen undAdhäsionsmolekülen in der Vaginalschleimhaut vonSchwangerenKristin Heimowski:SIRS bei akutem Myokardinfarkt und seine Modifi-kation durch Fibrinolyse und ReperfusionEike Waltraud Hoffmann:In-vivo-Wirkung von 2-MeSATP bei Injektion in denNucleus accumbens der Ratte – eine kombinierteOpen-field- und EEG-StudieJosefin Hüller:NO-Synthasen I + II und Lipofuscinakkumulation insomatosensorischen Cortexarealen von alten Rattenin Abhängigkeit von UmweltbedingungenDipl.-Med. Regina Kästner:Perkutane Tracheotomieverfahren nach Ciaglia undGriggs – Besonderheiten, Probleme und Komplika-tionenJens Krause:Prognostische und therapierelevante Faktoren beimMammakarzinom: Aktueller Stellenwert histomor-phologischer, immunhistochemischer und DNA-zyto-metrischer ParameterHeinrich Krieger:Steroidfreie Immunsuppression bei Patienten nachNierentransplantationJudith Künstler:Ergebnisqualität der geriatrischen Tagesklinik desKlinikums „Sankt Georg“ Leipzig unter Verwendungdes geriatrischen AssessmentsTobias Lange:Vergleich von pharmakologischem Stress und Fahr-radergometrie bei der Analyse des frequenzabhängi-gen, elektrischen T-Wellen-AlternansDipl.-Med. Karsten Pilz:Iodverzehr, Iodausscheidung und Iodbilanz erwach-sener Mischköstler in den Freistaaten Sachsen undThüringen nach der deutschen WiedervereinigungNadine Rehm:Irregulartitäten und räumliche Korrelation von Hepa-tozytenkernen im AlternsgangKarsten Reinig:Analyse der Todesursache „Akute zerebrovaskuläreInsuffizienz“ im Sektionsgut des Inst. f. Pathologieund Tumordiagnostik des Städt. Klinikums „St. Georg“in den Jahren 1994–98 im Vgl. mit dem Zeitraum 1984

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Habilitationen und Promotionen

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Als die KPD/SED ab 1945 daran ging, imWindschatten der sowjetischen Besat-zungsmacht ihre zunächst noch als „anti-faschistisch-demokratische Umwälzung“kaschierte Diktatur im Osten Deutschlandszu errichten, fiel ihr Augenmerk von An-fang an auch auf das Schul- und Hoch-schulwesen. Unter den frühen kommunisti-schen Neuerungen in diesem Bereich istdie Einrichtung von Gesellschaftswissen-schaftlichen Fakultäten (Gewifa), ver-glichen etwa mit der Neulehrerausbildungoder den „Arbeiter-und-Bauern-Fakultä-ten“, einer breiteren Öffentlichkeit heuterelativ unbekannt. Gerade die Leipziger Gewifa aber spieltevon 1947 bis 1951 eine entscheidendeRolle bei der Unterwerfung der Univer-sitäten – nicht nur der Leipziger – unter diekommunistische Herrschaft. Gegründetauf sowjetischen Befehl hin und von An-fang an der kommunistisch dominiertenDeutschen Zentralverwaltung für Volksbil-dung (DZV) in Berlin direkt unterstellt,wurde die Fakultät der widerstrebenden,um die Wiederherstellung „Weimarer Ver-

hältnisse“ von Freiheit der Forschung undLehre bemühten Universität oktroyiert undentwickelte sich in der Folgezeit zu einer„Insel des Sozialismus“. Bei der Berufungihrer Lehrkräfte spielte die fachliche Qua-lifikation eine untergeordnete Rolle; ent-scheidend war deren kommunistischesCredo. So verwundert es kaum, dass dasGros der neuberufenen Professoren nichthabilitiert war und noch nicht einmal alleeinen Doktortitel vorweisen konnten. Ihrevon Landesregierung und DZV handver-lesenen Studenten waren fast ausnahmslosaktive SED-Genossen und -Funktionäre. Für die Einheitspartei machte sich dieInfiltrierung der Studentenschaft mit densogenannten „Arbeiterstudenten“, die inWirklichkeit größtenteils dem Kleinbür-gertum entstammten, bald bezahlt, etwabei der Gründung von FDJ-Hochschul-gruppen, der Gleichschaltung ursprünglichüberparteilicher Verbände oder der Aus-hebelung des Studentenrates. Die Fakultät geriet zu einem Experimen-tierfeld kommunistischer Hochschulpoli-tik. Die später im Rahmen der Hochschul-reform 1951 eingeführte Studienorganisa-tion nach zentralen Plänen und in Semi-nargruppen wurde hier eingeübt, eineverbindliche Berufslenkung erstmals prak-tiziert. Die Grundfächer der Gewifa warenmit denjenigen identisch, welche ab1950/51 als „Gesellschaftswissenschaft-liches (später: Marxistisch-leninistisches)Grundstudium“ für alle Studenten verbind-lich werden sollten, und Gewifa-Abgängerwaren die ersten Träger dieses Indoktrina-tionsprogramms. Das aus der Fakultäthervorgegangene Franz-Mehring-Institutstellte bis 1961 die zentrale Ausbildungs-stelle der DDR für „Lehrer für Gesell-schaftswissenschaften“ dar.Die hier skizzierte zeitweilige Bedeutungder Leipziger Gesellschaftswissenschaft-

lichen Fakultät ist von der Forschung bis-lang nur unzureichend beachtet worden;einschlägige Forschungsliteratur behandeltdas Thema nahezu ausschließlich aus Sichtder DDR- bzw. der marxistischen Ge-schichtsschreibung. Im Rahmen einer amLehrstuhl für Neuere und Neueste Ge-schichte unter der Leitung von Prof. Dr.Ulrich von Hehl angefertigten Magister-arbeit wurden jetzt erstmals die vollständigerhaltenen Fakultätsakten aus dem Bestanddes Universitätsarchivs durchgearbeitet.Ergänzend wurden Berufungsakten derDZV im Bundesarchiv Berlin-Lichterfeldesowie Akten der SED-Kreisleitung Leipzigim hiesigen Staatsarchiv und endlich dieÜberlieferung des Dresdner Volksbil-dungsministeriums im Sächsischen Haupt-staatsarchiv Dresden herangezogen.

Übergriff aufNachbarfakultäten

Dabei konnten etwa die Hintergründe der1949 erfolgten Eingliederung der Wirt-schafts- und Sozialwissenschaftlichen Fa-kultät – der ehemaligen Leipziger Han-dels-Hochschule – in die Gewifa beleuch-tet werden, welche mit der Ausschaltungder traditionellen Volks- und Betriebswirt-schaftslehre zugunsten einer monopolisier-ten Planwirtschaftslehre in Leipzig undwohl auch Jena verbunden war. Eher infor-mell griff die Gewifa auch auf weitereNachbarfakultäten über: Der SED ge-nehme Hochschullehrer, die an Juristen-und Philosophischer Fakultät aufgrundihrer mangelnden Qualifikation zunächstnicht durchsetzbar waren, wurden auf dieGewifa-Lehrstühle berufen und ihre Vor-lesungen zu Pflichtveranstaltungen derNachbarfakultäten erklärt. Als die Einheitspartei Anfang der fünfziger

Jubiläum 2009

36 journal

„Kampfinstrument für den Fortschritt“Die Gesellschaftswissenschaftliche Fakultätin Leipzig (1947–1951)Von Markus Wustmann

Markus Wustmann hat bis zum Winter-semester 2002/03 in Leipzig Mittlereund Neuere Geschichte, Politikwissen-schaft sowie Religionswissenschaft stu-diert. Derzeit promoviert der 27-Jährigeam Lehrstuhl für Neuere und NeuesteGeschichte zur Integration von Flücht-lingen und Vertriebenen durch die Evan-gelische Kirche in Sachsen und derSBZ/DDR.Die dem vorliegenden Journal-Beitragzugrunde liegende Magisterarbeit er-scheint in Kürze im Rahmen der „Bei-träge zur Leipziger Universitäts- undWissenschaftsgeschichte“.

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Jahre ihre Diktatur soweit gefestigt hatte,dass sie verstärkt dazu übergehen konnte,die gesamte Hochschule ihrer Ideologie zuunterwerfen, wurde das Gros der Lehr-stühle der Gewifa aus- und den Nachbar-fakultäten eingegliedert. Die verbliebenenwirtschaftswissenschaftlichen Institute bil-deten den Grundstock der neu- oder besserwiedergegründeten Wirtschaftswissen-schaftlichen Fakultät. Die Auflösung derGewifa 1951 erscheint also als Ende einesTransformationsprozesses. Die Gesellschaftswissenschaftliche Fakul-tät stellte zeit ihres Bestehens einen Fremd-

körper in der Universität dar und wurde alsParteiinstitution der SED aufgefasst. Ihrebesondere Stellung und Protegierungdurch die SED kam besonders im Hinblickauf ihre Unterbringung im hervorragendausgestatteten sogenannten Franz-Meh-ring-Haus (Goethestraße 3–5) zum Aus-druck. Die Fakultät konnte sich hier gegenanders gerichtete Vorstellungen der ört-lichen SED, gegen die einflussreiche Deut-sche Wirtschaftskommission sowie gegenörtliche SMA-Stellen mit ihrer Forderungdurchsetzen, sämtliche Fakultätsinstitutean einem Ort zu vereinen. Durch die

Zentrierung der Gewifa-Institute, aberauch durch Gemeinschaftsverpflegung und -unterbringung der Studenten bezweckteman, die Fakultät auch im Inneren zursozialistischen Insel auszubauen: Die Ge-wifa-Studenten sollten vom Rest der Stu-dentenschaft weitgehend abgesondert blei-ben, um, mit Brecht gesprochen, „durchkein beispiel zu kommilitonen degradiertwerden [zu] können“ beziehungsweise, imüblichen SED-Jargon, nicht durch übermä-ßigen Kontakt zu „Bürgerlichen“ ihres„Klassenbewusstseins“ verlustig zu gehen– ein Konzept, das erkennbar aufging. „Die Gewifa war als Kampfinstrument ge-gen Reaktion und für den Fortschritt kon-zipiert“, schrieb 1989 Walter Markov, derselbst zeitweilig an der Fakultät gelehrthatte. Vor dem Hintergrund seiner ideolo-gischen Prämissen mochte er wohl rechthaben: Sie war eines der frühesten Instru-mente der ostdeutschen Kommunisten inihrem „Kampf“ gegen die Freiheit von For-schung und Lehre und für eine durchge-hende Unterwerfung der Universität (undletztlich auch der Gesamtgesellschaft) un-ter die kommunistische Ideologie undHerrschaft. Sie war es mit Erfolg. Sie leistete, so derehemalige Leiter des Franz-Mehring-Insti-tuts Gottfried Handel, „Bahnbrechendesfür die demokratische und sozialistischeErneuerung an der Leipziger Universitätund über sie hinaus“. Es ist dies ein Ruhm,den man der Leipziger Gesellschaftswis-senschaftlichen Fakultät wird lassen müs-sen – ein zweifelhafter jedoch.

Heft 6/2003 37

Im Franz-Mehring-Haus war von 1947bis 1951 die Gesell-schaftswissenschaft-liche Fakultät unter-gebracht.Die beiden Schwarz-weißbilder sind spä-ter entstanden. Siezeigen das Haus inder Goethestraßevon außen undinnen. Leider ist dergenaue Zeitpunktder Aufnahmen nichtbekannt. Heute be-herbergt das Hausdie Franz-Mehring-Buchhandlung unddie Dresdner Bank(Farbfoto).

Fotos: ZFF (2) /Carsten Heckmann

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Titel-H_07 09.12.2003 10:52 Uhr Seite 1

Probedruck

C M Y CM MY CY CMY K

Dezember 2003 Heft 7/2003 ISSN 0947-1049

Kooperation mit RWE:Impulse für Forschung und Praxis

Nach 60 Jahren wieder zu erforschen:1300 Münzen aus dem Orient

Zu Besuch bei Zigeunern:Eine Reise in ein kulturelles Puzzle

Extra-Beilage in diesem Heft:Ein Kalender für das neue Jahr

Das Aus für das freie Wort:NS-„Machtergreifung“ im Zeitungskunde-Institut

Promotion als Schmuggelware:Interview mit Sprachwissenschaftler von Polenz

Das „Jahr der Bibel“ geht zu Ende

Traditionen, Tendenzen und Taschenbücher

journal

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UniVersumNeue Führung in Amt und WürdenNachrichtenNeue Merchandising-ProdukteSkulptur vor Bio-Zentrum

GremienSenatssitzung am 11. November

Fakultäten und InstituteKooperation mit RWENachlass für Orthopädie-KlinikAfrikanistik: Schwierige NetzwerkbildungModellprojekt zur KinderbetreuungJunge Frauen erkennen ihr Berufspotenzial

StudiosiZigeunerkultur: Studienreise in die KarpatenSoftware erleichtert DolmetscherstudiumEine Französin über ihre Zeit in Leipzig

UniCentral„Jahr der Bibel“ – ein weites Land betreten„Biblische Gestalten“ im TaschenbuchKind und Kindheit im alten IsraelDie Sprachen der BibelNeues Leben für älteste Bibel-Handschrift?Tendenzen der Jesusforschung

PersonaliaEhrendoktorwürde für Georg SandbergerEhrendoktorwürde für Peter FritzEhrendoktor von Polenz im InterviewNeu berufenDer neue Leibniz-Professor István WinklerPlanck-Preis für Stephan LuckhausVerdienstkreuz für Johannes WenzelKurz gefasst / GeburtstagePreis für Pharmazeutiker / Zum 100. Ge-burtstag von Heinrich Samuel SackZum 120. Geburtstag von Georg Kessler

Jubiläum 2009Die NS-„Machtergreifung“ im Institut fürZeitungskunde1300 orientalische Münzen für die Forschung

Habilitationen und PromotionenAm RandeNomenImpressum

EDITORIAL

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Perspektivisch denkenInhalt

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Die Rektorwahl liegt hinter uns, eine dreijährige Amtsperiodeals Rektor vor mir. Vorbei ist auch ein „Wahlkampf“, der ein-erseits ungewöhnlich war, andererseits wohl auch einenLernprozess für die Kandidaten wie die Universität insgesamtdarstellte. Jetzt kommt es darauf an, aus den vielen Gesprä-chen in und mit den Fakultäten und den dabei zutage getre-tenen Problemen und Anliegen die richtige Nutzanwendungzu ziehen. Eine „Regierungserklärung“ kann man an dieserStelle nicht erwarten, schon deshalb nicht, weil ein Rektorkeine Richtlinienkompetenz besitzt, sondern sein Amt imSinne eines Auftrags zur Verständigung in dem Kollegialor-gan Rektorat zu führen hat. So will ich es halten, und des-halb wird es eine vorrangige Aufgabe sein, im neuen Rek-toratskollegium sich sehr bald auf ein Drei-Jahres-Programmzu einigen. Diese rechtzeitige Abstimmung in grundsätz-lichen Fragen der Entwicklung wird nicht nur Entscheidungs-

prozesse beschleunigen, sondern auch die le-bendige Kommunikation zwischen Universitäts-leitung und den anderen Universitätsgremien wieauch der gesamten Universitätsöffentlichkeiterleichtern.Perspektivisches Denken ist also gefragt. Undzwar ein solches, das auch zu Denkresultaten,Zielbestimmungen, letztlich zu Entscheidungenführt. Jedenfalls nicht zu einsamen Entscheidun-gen. Es ist mein Anliegen als Rektor, die Idee derakademischen Selbstverwaltung nicht nur hoch-

zuhalten, sondern auf vielen Feldern mit neuem Elan zu prak-tizieren. Das heißt auch: Die Fakultäten müssen über ihreZukunft zunächst und vor allem selbst entscheiden. Wer solltedas – in der Regel – auch besser können als sie selbst? Dasbetrifft die Umsetzung des Hochschulkonsenses mit den The-men Profilbildung, Stellenabbau, Konzentration ebenso wieden Umgang mit den sich abzeichnenden Schwerpunkten inStudium und Lehre wie Modularisierung und Stufung der Stu-diengänge, Akkreditierung, Zulassungsbeschränkung odergerechte Lastenverteilung. Das Rektoratskollegium verstehtsich in diesem Prozess eher als ein Steuerungsorgan, das vorOrt gewonnene Erfahrungen und Überlegungen aufnimmt,bündelt, berät und zu Festlegungen führt. Selbstverständlichwerden auch eigene Initiativen ergriffen. So hat sich das bis-herige Rektoratskollegium nach der Unterzeichnung derHochschulvereinbarung dazu verständigt, eine Arbeits-gruppe „Umsetzung Hochschulvereinbarung“ unter Leitungdes Prorektors für strukturelle Entwicklung einzurichten, dieihre Arbeit bereits aufgenommen hat. Weitere Ziele sind mit dem Ausbau der Kooperation mitaußeruniversitären Forschungseinrichtungen und dem Auf-bau eines vielfältigen Weiterbildungsangebots zu benennen.Und mir liegt auch am Herzen, dass die Universität stärkernoch als bisher ihre gesellschaftliche Verantwortung wahr-nimmt und als Ort freien Denkens, als Diskussionsforum fürwichtige und brisante Fragen der Zeit in die Stadt hineinwirkt.

Prof. Dr. Franz Häuser, Rektor

Titelbild: Biblia Latina, Pergamenthandschrift, Mitteldeutsch-land (?), 2. Hälfte 13. Jh., Hiob mit seinen Freunden

(Quelle: Universitätsbibliothek)

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meinschaft von Lehrenden und Lernen-den.Zuvor hatte der Rektor den bisherigen Pro-rektoren für die gute, stets konstruktiveZusammenarbeit gedankt und Prof. Dr.Monika Krüger und Prof. Dr. Helmut Pappverabschiedet und Prof. Dr. CharlotteSchubert (Lehre und Studium), Prof. Dr.Martin Schlegel (Forschung und wissen-schaftlicher Nachwuchs) und Prof. Dr. Pe-ter Wiedemann (strukturelle Entwicklung)als neue Prorektoren bestellt.Der Einladung zu dem akademischen Fest-akt waren namhafte Vertreter des öffent-lichen Lebens von Stadt und Land gefolgt,so Landtagspräsident Illtgen, Staatsminis-ter Dr. Rößler (der dem Rektor eine „glück-liche Hand“ bei der weiteren Profilierungder Universität wünschte), Oberbürger-meister Tiefensee, Mitglieder des Bundes-tages, des Landtages und des Kommunal-parlamentes, Hochschulrektoren und Ver-treter des konsularischen Corps. V. S./r.

2 journal

Der wiedergewählte Rektor der UniversitätLeipzig, Prof. Dr. Franz Häuser, wurde am2. Dezember, dem 594. Geburtstag derAlma Mater, im Mendelssohn-Saal des Ge-wandhauses feierlich in sein Amt einge-führt. Mit der Übergabe der Insignien desAmtes – symbolisch legte der Vorsitzendedes Konzils, Prof. Dr. Ekkehard Becker-Eberhard, dem Rektor die Amtskette um –wurde der Amtsantritt vollzogen. In seinerAntrittsrede wies Franz Häuser darauf hin,einen seiner Vorgänger, Theodor Litt imJahre 1931, zitierend, dass damit gleichsamdie Weitergabe des „Vermächtnisses einerehrenden und verpflichtenden Vergangen-heit“ zum Ausdruck komme. Dieses Ver-mächtnis sei zum einen gekennzeichnetvom Jahrhunderte währenden Selbstver-ständnis der Universität und zum anderenvom Charakter einer Volluniversität miteinem breiten Spektrum an wissenschaft-lichen Fächern, nicht zuletzt von einerwahren universitas litterarum, einer Ge-

JournalMitteilungen und Berichte für die Angehörigenund Freunde der Universität Leipzig

ImpressumHerausgeber: Der RektorRedakteur: Carsten HeckmannRitterstr. 26, 04109 Leipzig,Tel. 0341/ 9 73 50 24, Fax 0341/ 9 73 50 29,E-mail : [email protected]. i. S. d. P. : Volker SchulteNamentlich gekennzeichnete Beiträge geben dieMeinung der Autoren wieder.Satz und Lithographie: DZA Satz und BildGmbH, AltenburgDruck und Binden: Druckerei zu AltenburgGmbH, Gutenbergstraße 1, 04600 AltenburgAnzeigen: Druckerei zu Altenburg GmbH, Tel. 03447/5550Verlag: Leipziger Universitätsverlag GmbHAugustusplatz 10/11, 04109 LeipzigTel./Fax: 0341/9900440Einzelheft : 1,50 eJahresabonnement (sieben Hefte) : 13,– e

In Fragen, die den Inhalt betreffen, wenden Siesich bitte an die Redaktion, in Fragen, die denVertrieb betreffen, an den Verlag.Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Beleg-exemplare erbeten.Redaktionsschluss: 28. 11. 2003ISSN 0947-1049

Oben: Die Gratulationscour im AltenSenatssaal.Unten: Prof. Dr. Ekkehard Becker-Eber-hard, Vorsitzender des Konzils, legteProf. Dr. Franz Häuser die Amtskette um.

Investitur

Neue Führung in Amt und Würden

Der Rektor Prof. Dr. Franz Häuser mit den Prorektoren Prof. Dr. Martin Schlegel,Prof. Dr. Charlotte Schubert und Prof. Dr. Peter Wiedemann (v. l.). Fotos: A. Kühne

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Zwischen der Universität Leipzig und derUniversität der Medizin und Pharmazie„Iuliu Hatieganu“ im rumänischen Cluj-Napoca wurde jetzt ein Abkommen überakademische Zusammenarbeit unterzeich-net. Dem waren intensive Kontaktgesprä-che in den letzten zwei Jahren vorausge-gangen, die im Auftrag der Universität undder Medizinischen Fakultät maßgeblichvon Dr. Horst Weidenbach, Institut für Pa-thologie, geführt wurden. Die Universitätvon Cluj-Napoca wurde als einzige rumä-nische Medizinische Universität im Rah-men der PHARE-Studie1996 als primarylevel university of Europe eingestuft. „Mitdem nun zustande gekommenen Vertragerweitert sich die Reihe von Universitäts-abkommen, die die ständig zunehmendeInternationalisierung der Universität Leip-zig und ihrer Medizinischen Fakultät do-kumentieren“, kommentiert der Dekan derMedizinischen Fakultät der UniversitätLeipzig, Prof. Dr. Wieland Kiess. Der vom Rektor der Universität Leipzig,Prof. Franz Häuser, und vom Rektor derUniversität der Medizin und Pharmazie

„Iuliu Hatieganu“ Cluj-Napoca, Prof. Ma-rius Bojita, unterzeichnete Vertrag siehtden Austausch von Studenten, Wissen-schaftlern und Angestellten vor, die Pla-nung und Ausführung von gemeinsamenForschungsprojekten sowie den Schriften-austausch und gemeinsame Publikationen.Die Idee, die Zusammenarbeit mit einemAbkommen zu besiegeln, ist zurückzufüh-ren auf den Aufenthalt von vier rumäni-schen Studenten im Rahmen des Erasmus/Sokrates-Programms im Jahre 2001 an derLeipziger Fakultät. Die rumänischen Stu-denten wurden von Dr. Horst Weidenbachintensiv betreut. Weidenbach hatte auch nach seinem Medi-zinstudium in Bukarest in den 60iger Jah-ren stets wissenschaftliche und persönlicheKontakte gepflegt, auch unter den er-schwerten Bedingungen des Ceaucescu-Regimes. Sowohl die Austauschstudentenals auch die Universität selbst „hinterließeneinen ausgezeichneten Eindruck undwiderlegten auf diese Weise die gegenwär-tigen negativen, klischeehaften Vorstellun-gen in der öffentlichen Meinung über

Rumänien.“, freut sich Dr. Weidenbach. Erkonnte sich bei einem Besuch in Cluj-Na-poca im Jahre 2002 in Gesprächen mit demRektor und anderen leitenden Mitarbeiternder Universität von Cluj-Napoca ein Bildüber diese zweitgrößte medizinische Uni-versität Rumäniens machen. Mit Unter-stützung von Altmagnifizenz Prof. VolkerBigl, der auch in Rumänien studiert hat,kam schließlich das Abkommen zustande.Nun ist es Weidenbachs besonderes Anlie-gen, diesen Vertrag mit Leben zu erfüllen.Die Möglichkeiten einer fruchtbaren Zu-sammenarbeit sind laut Weidenbach viel-fältig und bedürfen einer sorgfältigen Aus-wahl und Vorbereitung. „Wir müssen unsdarüber klar sein, dass wir nicht nur dieGebenden sind, von rumänischer Seitewünscht man sich auch den Aufenthaltdeutscher Studenten in Cluj. Aus meinerSicht kann ich hierzu nur auffordern, daman in Cluj-Napoca ein hohes Ausbil-dungsniveau vorfindet, verbunden mit ei-ner traditionellen aufrichtigen und herz-lichen Gastfreundschaft.“

Dr. Bärbel Adams

Heft 7/2003

UniVersum

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Gegen negative, klischeehafte Vorstellungen Kooperation mit Medizin-Universität in Rumänien

Am 28. November 2003 unterzeichnetender Rektor der Universität Leipzig, Prof.Dr. Franz Häuser, und der Prodekan der Fa-kultät für Biowissenschaften, Pharmazieund Psychologie, Prof. Dr. Christian Wil-helm, im Beisein der Prorektorin für Lehreund Studium, Prof. Dr. Monika Krüger, derStudiendekanin der Psychologie, Prof. Dr.Evelin Witruk, der Institutsdirektoren derpsychologischen Institute und der Mitar-beiter der Geschäftsstelle Evaluation eineZielvereinbarung zwischen dem Rektoratund dem Fach Psychologie. Diese Zielver-einbarung ist der Abschluss der in den Jah-ren 2000 und 2001 durchgeführten Evalu-ationen der Psychologischen Institute derUniversität Leipzig. Es handelt sich hierbei– nach der Sportwissenschaft – um diezweite Zielvereinbarung an der UniversitätLeipzig im Anschluss an eine Lehrevalua-

tion in der Universitätspartnerschaft Halle-Jena-Leipzig.In dieser Vereinbarung sind sowohl Maß-nahmen der Qualitätssicherung und -ver-besserung in Lehre und Studium, die alsKonsequenz aus der Evaluation ergriffenwerden, als auch die erforderlichen Bemü-hungen des Fachs und die Unterstützungdurch die Universitätsleitung festgelegt.Dazu zählen die weitere Profilbildung desFachs sowie die Verbesserung des Prakti-kumsangebotes und die Optimierung derRahmenbedingungen für die Prüfungsan-meldung und -vorbereitung.Weiterhin sollen durch Verbesserung dertechnischen Ausstattung von Hörsälen undSeminarräumen optimale Lehr- und Lern-bedingungen an den Psychologischen In-stituten der Universität geschaffen wer-den.

„Wirtschaft trifftWissenschaft“Kooperation mit IHKAnlässlich der gemeinsam von der IHK(Industrie- und Handelskammer) zu Leip-zig, der Universität Leipzig und derHTWK Leipzig organisierten Veranstal-tung „Wirtschaft trifft Wissenschaft“ am17. November in der Moritzbastei unter-zeichneten der Präsident der LeipzigerIHK, Wolfgang Topf, und der Kanzler derUniversität, Peter Gutjahr-Löser, eine Ko-operationsvereinbarung zur Unterstützungvon gemeinsamen Projekten der regionalenWirtschaft mit der Universität. Hierfürstellt die IHK der Universität noch in die-sem Jahr 45 000 Euro zur Verfügung. Überdie Vergabe des Geldes entscheidet einegemeinsame Jury.

Zielvereinbarung in Psychologie

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Neue Merchandising-Produkte erhältlich

Marke?Universität!

Das leere Knopfloch war gestern. Heutzu-tage wird es gestopft, am besten auffälligunauffällig, dezent und seriös also, aberdennoch ein Bekenntnis vermittelnd. Miteinem sogenannten Pin. Und wenn sich derKnopflochträger in Leipzig bewegt, danndarf man getrost ein olympisches Bewer-ber-Emblem auf diesem Pin vermuten.Oder aber, und zwar immer öfter, die Jubi-läumsmarke der Universität Leipzig. 5000Pins mit der Marke sind bereits im Umlauf,dabei gibt es sie erst seit Mai dieses Jahres.Ein gelungener Auftakt also zu einer Mer-chandising-Offensive, die das Dezernat fürÖffentlichkeitsarbeit und Forschungsför-derung gestartet hat – vor allem, um das„Wir-Gefühl“ der Universitätsangehörigenzu stärken.Inzwischen sind auch erste Textilien aufdem Markt, zum Beispiel Jacken, Long-sleeves und Basecaps. Jugendliche undStudenten sind die Haupt-Zielgruppe fürdiese modisch-jungen Kleidungsstücke.„Body“ (Körper) steht auf den langärm-ligen Shirts, „brain“ (Gehirn) auf den Kap-pen – eine Idee des neuen Merchandising-Partners der Universität, der LeipzigerWerbeagentur Simons & Schreiber. „Kör-per und Geist, das passt doch bestens zurUniversität“, erklärt Falk Schreiber. Natür-lich weiß auch er, dass ein Professor wohleher nicht in diesen Klamotten auf dieStraße geht. Sein Unternehmen hatte aberauf dem Campus zunächst das Jungvolknach seinen Wünschen gefragt. In Kürzesollen dann unter anderem Polo-Shirts miteingestickter Jubiläumsmarke folgen.Auch was für unterm Anzug … Eines ist allen Textilien gemeinsam: DasLogo der Universität ist als „Flaglabel“ ineiner Seitennaht zu finden. So ähnlich alsowie der „Levi’s“-Schriftzug an entspre-chenden Jeans. Womit auch gleich derHintergrund des Ganzen klarer wird: „Wirwollen eine Marke kreieren, das Label alsverbindendes Element etablieren“, sagtFalk Schreiber. Zudem könne das Logo aufdiese Weise stets eingebunden werden,ohne dass es in Konflikt mit anderen Ge-staltungsmitteln gerate.

Natürlich gibt es für alle, die sich mit derUniversität Leipzig identifizieren wollen,nicht nur Textilien zu erwerben. Koffer-gurte, Taschen, Kugelschreiber, Schlüs-selbänder sind bereits erhältlich, einigesmehr soll folgen, unter anderem die geradeuniversitätsintern bereits häufig ge-wünschten Tassen. Teilweise sind die Arti-kel (Pins, Kugelschreiber, Beutel) über dasLager erhältlich, ansonsten bekommen dieuniversitären Einrichtungen Sonderkondi-tionen eingeräumt. Wenn sie denn über den

neuen Internet-Shop bestellen, den dieAgentur Simons & Schreiber konzipiertund die ebenfalls in Leipzig beheimateteFirma i-fabrik programmiert hat. Die Werbeagentur fungiert übrigens alsLizenznehmer, trägt also das wirtschaft-liche Risiko selbst. Ein überschaubaresRisiko, meint Falk Schreiber: „Wir sehendas natürlich längerfristig im Hinblick aufdas Uni-Jubiläum im Jahr 2009. Da sindwir guter Hoffnung, denn die Nachfrage istschon jetzt enorm.“ C. H.

UniVersum

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Die neuenMerchandi-sing-Pro-dukte derUniversität(hier eineAuswahl,präsentiertvon Models)sind ab so-fort erhält-lich.

Fotos:Simons &Schreiber

Hier gibt’s Kappen & Co.

Einen Überblick über die Präsente undSouvenirs, aber auch Geschäftspapiere,Druckerzeugnisse und weitere Angeboteder Universität gibt die Internetseitewww.uni-leipzig.de/dezernat5/bestellen

Die Merchandising-Artikel der Univer-sität Leipzig können im Internet bestelltwerden. Der neue Webshop hat dieAdresse www.unishop-leipzig.de

Erhältlich sind die Merchandising-Arti-kel zudem bei Unibuch in der Grimmai-schen Straße, im Universitätsdruckzen-trum in der Ritterstraße und im LeipzigTourist Service gegenüber dem Haupt-bahnhof. Die Produktpalette wird ständig er-weitert.

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1. Der Senat behandelte Berufungsangele-genheiten; das betraf die Ausschreibungund Berufungskommission für „Rechner-netze und verteilte Systeme“ (C4); dieBerufungsvorschläge „Empirische Wirt-schaftsforschung“ (C4), „Strahlenthera-pie“ (C4), „Bild- und Signalverarbeitung“(C4), „Automaten und Sprachen“ (C4),„Analytische Chemie/Konzentrationsana-lytik“ (C4), „Chemiedidaktik“ (C3). Der Senat nahm die Beendigung des Beru-fungsverfahrens für „Poetik“ (C4) amDeutschen Literaturinstitut Leipzig zu-stimmend zur Kenntnis. Die Professur sollbis 2006 vertreten und dann wieder ausge-schrieben werden.2. Der Vorsitzende der Rektoratskommis-sion zur Vorbereitung des Universitätsjubi-läums 2009 Prof. Becker-Eberhard gabdem Senat einen Bericht über die bisherigeArbeit der Kommission. Zwei Prämissender für den Zeitraum 9. Mai bis 2. Dezem-ber 2009 ins Auge gefassten Feierlichkei-ten zeichnen sich ab: Es soll ein Fest mitden Leipziger Bürgern werden, und dieStudierenden sollen sich im Programmwiederfinden. Die Fakultäten sollten indiesem Zeitraum spezielle Ringvorlesun-gen vorsehen. Das Bestreben geht dahin,

aus Anlass des 600. Jahrestages der Grün-dung der Universität Leipzig die Sächsi-sche Landesausstellung nach Leipzig zuholen. Der Senat regte an, dass er von die-ser Kommission wie auch der Kommissionzur Leipziger Universitätsgeschichte ein-mal im Semester über den Fortgang derJubiläumsvorbereitungen und den Standder Erarbeitung der mehrbändigen Univer-sitätsgeschichte informiert wird.3. Der Senat bestätigte den Ablauf desAkademischen Jahres 2004/2005. Danachbeginnen die Lehrveranstaltungen desWintersemesters am 11. 10. 2004 und en-den am 5. 2. 2005. Die Immatrikulations-feier ist für den 14. 10. 2004 vorgesehen,der Dies academicus findet wie gewohntam 2. 12. 2004 statt. Der Tag der offenenTür ist am 13. 1. 2005. Die Lehrveranstal-tungen des Sommersemesters 2005 be-ginnen am 4. 4. 2005 und enden am 23. 7.2005. Vom 14. 5.–22. 5. 2005 ist vorle-sungsfreie Zeit (Pfingstpause).4. Der Rektor informierte den Senat überden Stand des Bauprojektes Augustusplatz,zu dem das erste Kolloquium mit denbeteiligten Architekten der Teil-Neuaus-schreibung stattfand. Des weiteren infor-mierte der Rektor über Auseinandersetzun-

gen zwischen Mitgliedern der linken Stu-dentengruppe und Burschenschaftern so-wie der Polizei auf der Vorstellungsstraßedes StuRa im Uni-Innenhof zu Semester-beginn. Der Rektor wird das Gespräch mitbeiden Parteien suchen und die Art undWeise der Ausübung des Hausrechts prü-fen.5. Der Prorektor für Forschung und wis-senschaftlichen Nachwuchs informierteden Senat über das von Bund und Land auf-gelegte, allerdings mit sehr kurzfristigenBewerbungsfristen versehene (November2003) Programm zur Förderung der Chan-cengleichheit für Frauen in Forschung undLehre, das Habilitationsstellen, Promo-tionsstipendien, Maßnahmen zur Steige-rung des Frauenanteils in naturwissen-schaftlich-technischen Studiengängen unddie Frauen- und Genderforschung betrifft.6. Der Rektor verabschiedete die beidenProrektoren Prof. Dr. Monika Krüger undProf. Dr. Helmut Papp aus dem Senat unddankte ihnen herzlich für die stets kons-truktive, ergebnisorientierte Zusammen-arbeit.

Prof. Dr. F. Häuser V. SchulteRektor Pressesprecher

Heft 7/2003

UniVersum | Gremien

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Das Jubiläum wirft seine Schatten vorausSitzung des Senats am 11. November

„Reliquie“ vor NeubauVor dem Neubau des Biotechnologisch-BiomedizinischenZentrums der Universität Leipzig am Deutschen Platz wurdeam 26. November die Plastik des Chemnitzer Künstlers Mi-chael Morgner öffentlich eingeweiht. Die Jury des Wettbe-werbs „Kunst am Bau“, ausgelobt vom Sächsischen Staatsmi-nisterium für Wissenschaft und Kunst, hatte Morgners Ent-wurf als besten unter einer Vielzahl von eingereichtenArbeiten ausgewählt. Durch ihre organische Form weckt diezu der Werkgruppe „Reliquie Mensch“ gehörige StahlplastikAssoziationen an biologische Prozesse wie die Zellteilung und sensibilisiert für die Komplexität der Entwicklung des Le-bens und die Verletzlichkeit des Menschen. Zudem nimmt diein der Skulptur verkörperte Spannung von Negativ- und Posi-tivform Bezug auf den Prozess des Klonens in der Gentech-nologie. S. S.

Foto: Katharina Märker

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Im Wettbewerb um die besten Ideen undeffektivsten Lösungsstrategien gehen vorallem international agierende Unterneh-men zunehmend dazu über, strategischeAllianzen mit Forschungseinrichtungen zuschließen. In erster Linie geht es darum,innovative Forschungsergebnisse auf tech-nischem Gebiet durch Unternehmen zurMarktreife zu bringen. Dass auch die wirt-schaftspädagogische Forschung einen ho-hen Nutzen in einem Energiekonzern wieRWE stiften und dass die Führungskräftedieses Unternehmens die Ausbildung vonDiplom-Handelslehrern bereichern kön-nen, erschließt sich in diesem Zusam-menhang allerdings nicht auf den erstenBlick.

RWE, einer der Marktführer in der Ener-giebranche, bündelt im Kerngeschäft dieGeschäftsfelder Strom, Gas, Wasser undUmweltdienstleistungen. Mit einem Um-satz von 46,6 Mrd. Euro im Jahr 2002 ge-hört der Konzern zu den fünf größten In-dustrieunternehmen in Deutschland. ErsteKontakte zwischen dem Lehrstuhl fürBerufs- und Wirtschaftspädagogik derUniversität Leipzig und der RWE SystemsAG wurden auf der Learntec, der Leit-messe für den Bereich eLearning, ge-knüpft. Der Lehrstuhl war dort mit denProjekten „e-learning in der Berufsbil-dung“ (eLBe) und IMPULSEC (Interdiszi-plinäres multimediales Programm für uni-versitäre Lehre und selbstorganisiertes

Lernen zum Thema Electronic Commerce)vertreten. Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. FritzKlauser und Micheal Nautsch, LeiterWeiterbildungseinrichtungen der RWESystems AG, haben bei der Diskussion aufdem Messestand sehr schnell festgestellt,dass die Projektergebnisse für Wissen-schaft und Praxis gleichermaßen relevantsind, dass es gemeinsame Verwertungs-interessen gibt und dass beide Seiten von-einander profitieren können. Daraus hatsich inzwischen eine intensive Zusammen-arbeit in Forschung, Lehre und Produkt-entwicklung herausgebildet. Die RWE Systems AG mit Sitz in Dort-mund ist eine der sieben Führungsge-sellschaften des RWE-Konzerns und er-bringt die so genannten Corporate Ser-vices, beispielsweise Immobilienmanage-ment, Informationstechnologiedienstleis-tungen, Infrastrukturdienstleistungen,Einkauf/Materialwirtschaft, Revision, Da-tenschutz sowie Personaldienstleistungen.Die Zusammenarbeit des Lehrstuhls fürBerufs- und Wirtschaftspädagogik mit derRWE Systems AG konzentriert sich insbe-sondere auf die Personaldienstleistungen.Dieser Bereich erstellt unter anderemQualifizierungs- und Bildungsangebotefür etwa 132 000 Mitarbeiterinnen undMitarbeitern des Konzerns. Ein Ergebnis der intensiven Zusammen-arbeit ist das gemeinsam entwickelte netz-basierte Lernarrangement „SAP B2B Pro-cument System“, das die konzernweiteEinführung eines intranetgestützten Kata-logbeschaffungssystems unterstützen soll.Ziel ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter über das Datennetz mit dem neuenBeschaffungssystem vertraut zu machenund sie zur Arbeit damit zu befähigen undzu motivieren. Im Rahmen der gemeimsamen Entwick-lungsarbeit absolvierte der Autor im Sep-tember dieses Jahres einen vierwöchigenArbeits- und Forschungsaufenthalt bei derRWE Systems AG in Dortmund und Essen.

Fakultäten und Institute

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Impulse für Forschung und UnternehmenspraxisEin Monat bei RWE: universitäres Wissen im TestVon Mirko Pollmer, Lehrstuhl für Berufs- und Wirtschaftspädagogik

Die gemeinsame Konzeption und Erstellung von Lernangeboten am Beispiel „IT Security Policy (SecPol)“.Die Sicherheitsrichtlinien des Konzerns RWE werden über verschiedene narrativ ge-staltete Szenarien aus dem Berufsalltag thematisiert, die teilweise mit Ton unterlegtsind. Die Akteure sind Comicfiguren, die unterschiedliche Charaktere abbilden undein hohes Identifikationspotenzial für die Lernenden besitzen. Die Erarbeitung derInhalte wird durch Übungen und Kontrollen mit Feedback ergänzt. Zum Nachschla-gen stehen ein Glossar und ein Handbuch zur Verfügung. Der Lernerfolg wirddurch ein Zertifikat attestiert.

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Zu den Arbeitsschwerpunkten gehörtenunter anderem die Erhebung des Weiterbil-dungsbedarfs, die Abstimmung der Zieleund Inhalte des Lernarrangements mit derFachabteilung Konzerneinkauf/Katalog-einkauf sowie die Klärung von Fragen dersoftwaretechnischen Implementation mitRWE Systems Applications/ SL SAP &Enterprise Solutions. Einen wesentlichenAufgabenschwerpunkt bildete zudem dieKoordinierung der technischen Umsetzungdes entwickelten pädagogischen Feinkon-zeptes durch externe Partner und die Qua-litätskontrolle der erbrachten Werkleistun-gen. Für die gemeinsame Arbeit hat sich dabeiein Vorgehen als zweckmäßig erwiesen,das die folgenden Phasen umfasst:

1. Analyse und Diskussion verbreiteterDefizite computer- und netzbasierterLernangebote und Lehr-Lern-Formen,

2. Erarbeitung spezifischer Grundsätzefür die Gestaltung des Lehr-Lern-Pro-zesses und des Lernangebots,

3. Diskussion und Auswahl didaktisch-methodischer Ansätze zur Konstruktionund Implementation der Lernangebote,

4. Gemeinsame Konzeption und Erstel-lung des Lernangebots,

5. Erprobung des Produkts in Aus- undWeiterbildungsgängen, Bewährungsa-nalyse, Evaluation der Lernprozesse,

6. Erarbeitung von Schlussfolgerungenfür die Verbesserung des Lernangebots,Überarbeitung des Produkts.

Der Arbeits- und Forschungsaufenthalt wareine sehr intensive Zeit in einem phanta-stischen Team, die viele Impulse sowohlfür die Forschungsarbeit an der UniversitätLeipzig als auch für die operative Arbeitder RWE Systems AG geliefert hat. AlleBeteiligten können viel voneinander ler-nen. Die Unternehmenspraxis ist ein sehranspruchsvolles Bewährungsfeld für wis-senschaftliche Arbeiten und zugleich einegroße Herausforderung für junge Akade-miker. Die Kooperationsvereinbarung zwischender Universität Leipzig und der RWE Sys-tems AG vom 11. 11. dieses Jahres (siehenebenstehender Beitrag) bildet eine solidePlattform, um die Arbeit auf breiter Basisfortzusetzen.

Weitere Informationen zurKooperation im Internet unterwww.uni-leipzig.de/~wipaed

Heft 7/2003 7

Unter dem Titel „Wissenschaft und Praxisgemeinsam auf neuen Wegen“ wurde am11. November durch den Kanzler der Uni-versität Leipzig, Peter Gutjahr-Löser, undden Leiter Personaldienstleistungen derRWE Systems AG, Alfons Schröder, eineVereinbarung über die Zusammenarbeit

beider Partner im Rektorat der UniversitätLeipzig unterzeichnet. Ziel der Zusammenarbeit ist es, Wissen-schaft und Praxis wechselseitig miteinan-der zu verknüpfen, um die Qualität undEffektivität der Prozesse im Unternehmensowie von Forschung und Lehre zu stei-gern, den wissenschaftlichen Nachwuchszu fördern und die Qualifizierung vonMitarbeitern auf hohem Niveau auszuge-stalten. Die Vereinbarungspartner beab-sichtigen, auf folgenden Gebieten zu-sammenzuarbeiten:• Planung und Ausführung von gemein-samen Entwicklungs- und Forschungs-projekten,• Organisation und Durchführung vongemeinsamen Veranstaltungen im Rah-men der universitären Ausbildung sowieder Aus-, Fort- und Weiterbildung imUnternehmen,• Austausch von Personal im Rahmen dergemeinsamen Entwicklungs- und For-schungstätigkeit,• Planung, Organisation und Durchfüh-rung von Praktika für Studierende undMitarbeiter,• Zusammenarbeit bei der Qualifikationdes wissenschaftlichen Nachwuchses undgemeinsame Erstellung von Publikatio-nen.Koordiniert wird die Zusammenarbeitdurch Prof. Dr. Fritz Klauser, Inhaber desLehrstuhls für Berufs- und Wirtschaftspä-dagogik an der Universität Leipzig.

Kooperation mit RWE Systems

Peter Gutjahr-Löser, Kanzler der Uni-versität (im Vordergrund, links), undAlfons Schröder, Leiter Personaldienst-leistungen der RWE Systems AG, besie-gelten die Kooperationsvereinbarungerst per Unterschrift, dann per Hand-schlag. Foto: Armin Kühne

Gemeinsame Konzeption und Erstellung von Lernangeboten am Beispiel des „SAPB2B Procument Systems“. Auch die katalogbasierte Beschaffung im RWE Konzernaus dem Berufsalltag thematisiert. Der Avatar „Jule“ begleitet die Lernenden, weistauf die Lernziele hin und bietet am Ende einer Lerneinheit Systematisierungen derLerninhalte an.

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Das Thema des folgenden Textes wurdeim Oktober in Leipzig ausführlich aufeiner Tagung diskutiert. An der Veran-staltung mit dem Titel „Zwischen Nilund Niger: Netzwerkbildung und Hoch-schulen in Afrika“ nahmen 140 deutscheund afrikanische Vertreter verschiedenerFachgebiete, Intellektuelle, Medienver-treter, Lang- und Kurzzeitdozenten so-wie (ehemalige) Stipendiaten des Deut-schen Akademischen Austauschdienstes(DAAD) teil. Der DAAD und das Insti-tut für Afrikanistik der Universität Leip-zig hatten die Tagung organisiert.

Netzwerkbildung ist ein Begriff, der inWirtschaft, Politik und Gesellschaft seiteinigen Jahren als quasi universeller An-satz zur Lösung sehr unterschiedlicher Pro-bleme herangezogen wird. Im Kontext derHochschulentwicklung in und zwischendeutschen und afrikanischen Universitätenund Instituten geht es dabei nicht nur umeine Kooperation wissenschaftlicher Ein-richtungen durch Partnerschaften und ge-meinsame Projekte, sondern vor allem umderen Mitwirkung an der Lösung drängen-der gesellschaftlicher Probleme und derlokal verankerten, aber international ver-

netzten Positionierung dieser Einrichtun-gen auf beiden Kontinenten. In den meisten Staaten des subsaharischenAfrika fehlt es einerseits an materiellenRessourcen, die funktionierende Netz-werke benötigen. Andererseits werden abergut ausgebildete und hochmotivierte Ab-solventen afrikanischer, europäischer undamerikanischer Universitäten durch denVerlust ihres Arbeitsplatzes, die Nichtaner-kennung erworbener Abschlüsse und ge-ringe Chancen beruflicher und persönlicherEntfaltung an der Umsetzung von Projek-ten gehindert, deren Machbarkeit sich aufim Ausland erworbene, individuelle Kon-takte stützt. Damit ist nicht bestritten, dasseine ungenügende allgemeine und wissen-schaftliche Infrastruktur, die Unvereinbar-keit institutioneller Regelungen und z. T.voneinander abweichende Prioritäten zwi-schen afrikanischen Hochschulen selbst,aber auch zwischen ihnen und ihren inter-nationalen Partnern dazu führen, dass ausgeplanten Netzwerken bestenfalls bilate-rale Kooperationen hervorgehen. Für erfolgreiche Netzwerkbildung sindmehrere Voraussetzungen nötig, die auchvon deutschen Partnern beachtet werdensollten. Grundsätzlich sollten existierende

Strukturen und Kooperationen den Aus-gangspunkt aller weitergehenden Versuchebilden. Obwohl das selbstverständlichscheint, mangelt es auch und gerade anVerflechtungen zwischen wissenschaft-lichen Einrichtungen in den Subregionendes afrikanischen Kontinents selbst. Unbe-achtet bleibt meist auch, dass nicht nurUniversitäten, sondern ebenso privateHochschulen und Forschungszentren alspotenzielle Partner zur Verfügung stehen.Flankiert werden müssen diese Bemühun-gen durch eine strategisch ausgerichtetePlanung, die gleichzeitig langfristigeFinanzierungssicherheit bietet. An dieserStelle ist auch eine stärkere Umorientie-rung deutscher Institutionen der Entwick-lungszusammenarbeit gefragt, die sich mitHilfe mehrfacher Evaluierungen ein ge-naues Bild über die Leistungsfähigkeit undBedürfnisse wissenschaftlicher Netzwerkemachen müssen. Die existierenden Förder-programme und Kooperationen sollten zuInstrumenten werden, die aus „islands ofexcellence“ regionale Zentren wissen-schaftlicher Höchstleistungen zur Lösungder zahlreichen drängenden Probleme desafrikanischen Kontinents machen.

Dr. Ute Rietdorf, Institut für Afrikanistik

Fakultäten und Institute

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Nachlass fürOrthopädie-KlinikProf. Georg Freiherr von Salis-Soglio, Direktorder Klinik und Poliklinik für Orthopädie, konntejetzt Schriftstücke und Fotos aus dem Nachlassvon Prof. Franz Schede entgegennehmen, dervon 1929 bis 1947 Direktor der Klinik war.Übergeben wurde das Material von BrigitteSchede, der Enkelin des ehemaligen Klinik-chefs (siehe Foto). Prof. von Salis-Soglio willdie Unterlagen durch einen Doktoranden auf-arbeiten lassen. Unter dem Direktorat von Prof. Schede wurdedie jetzige Orthopädische Klinik in der Philipp-Rosenthal-Straße/Semmelweisstraße gebaut,die saniert und renoviert den Patienten in alterPracht wieder zur Verfügung steht. Bekanntwurde Schede u. a. durch ein Dreirad für Kindermit angeborenen Hüftgelenksdefekten, das zumInventar aller deutschen orthopädischen Klini-ken gehörte. Eins dieser Dreiräder steht noch imArbeitszimmer von Prof. von Salis-Soglio.

Foto: Angela Steller

Afrikanistik

Schwierige Netzwerkbildung

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Es ist noch nicht lange her, da sorgten spek-takuläre Medienberichte über aggressive,kriminell auffällige Kinder in den Medienbundesweit für Schlagzeilen. Beispiele da-für waren der Fall des notorisch gewalttäti-gen „Mehmet“ in München, die Morde aneiner Lehrerin in Meißen und an einemKioskbesitzer in Hamburg oder die Tötungvon Passanten in Bad Reichenhall – durchSchüsse aus dem elterlichen Jagdgewehr.Gemeinsames Kennnzeichen: Alle dieseDelikte wurden von nicht strafmündigenKindern begangen und verstärkten dieAngst, dass die Täter in unserem Land im-mer jünger und immer brutaler werden. Miteiner Titelgeschichte über die sogenannten„Monsterkids“ brachte der Spiegel dieseAngst im Jahre 1998 dramatisch auf denPunkt. Doch nicht nur spektakuläre Einzelfälledieser Art, sondern auch neue Erkenntnisseüber den Zusammenhang von Armut, Ver-nachlässigung und schlechten Bildungs-chancen (PISA) sorgten dafür, dass Pro-bleme der Kindeswohlgefährdung öffent-lich stärker diskutiert wurden als zuvor. Zuden positiven Aspekten dieser Diskussiongehörte die Bereitschaft öffentlicher undfreier Träger, neue Wege bei der Erprobungkriminalpräventiver Projekte zu erprobenund praktische Erfahrungen auf diesemGebiet systematisch auszuwerten. Einesdieser Projekte wurde während der letztenJahre in Sachsen durchgeführt und amLehrstuhl Sozialpädagogik der Erzie-hungswissenschaftlichen Fakultät in Zu-sammenarbeit mit dem CaritasverbandLeipzig e.V. wissenschaftlich begleitet. Es

handelt sich um den Versuch, im Umgangmit delinquent auffällig gewordenen Kin-dern neue methodische Ansätze und Ko-operationsformen zu erproben. Das Projekt wurde vom Sächsischen Lan-desjugendamt initiiert und von Juli 2000bis März 2003 unter dem Titel „ESCAPE“an drei Orten in Sachsen praktisch ent-wickelt. Zu den Aufgaben der wissen-schaftliche Begleitung gehörte es, Praxis-erfahrungen zu reflektieren, das Konzeptsowie die Qualitätsentwicklung der Arbeitzu hinterfragen, Schwachstellen aufzu-decken und die Zielsetzung des Projekts inden Zusammenhang der aktuellen Fach-diskussion über den pädagogischen Um-gang mit delinquenten Kindern und Ju-gendlichen einzuordnen. Dabei machte esdie Kooperation zwischen Praxisträger undUniversität möglich, eine Reihe von Frage-stellungen des Projekts mit Hilfe von Ma-gisterarbeiten empirisch zu untersuchen.Insgesamt sind auf diese Weise elf Teil-studien zu sehr unterschiedlichen Themen-bereichen entstanden, deren wichtigste Er-gebnisse in die Gesamtauswertung einge-flossen sind. Beispiele sind Untersuchun-gen zur Zusammenarbeit von Jugendhilfeund Schule, über die Möglichkeiten undGrenzen von Elternarbeit, die subjektivenErfahrungen und Sichtweisen der Kindersowie Erfahrungen mit Einzelfallhilfe undGruppenarbeit.Der nun vorliegende Abschlussberichtschildert die Erfahrungen, die an den dreiProjektorten (im einzelnen handelt es sichum die Großstadt Dresden, die MittelstadtRiesa sowie das ländlich geprägte Auer-

bach) bei der Betreuung der Kinder sowiein der Kooperation mit Eltern, Jugendamt,Schule, Polizei und anderen Institutionengemacht wurden. In exemplarischen Zu-gängen geht er auf die Sichtweisen derKinder ein und fragt, wie sie ihre Zeit imProjekt erlebt haben. Weiterhin beschreibter die unterschiedlichen Methoden, mitdenen bei der Betreuung der Kinder gear-beitet wurde, und macht Aussagen über dieErfolge, Lernprozesse und Probleme, diesich in der dreijährigen Arbeit gezeigt ha-ben. Im Vordergrund, so wird in dem Be-richt gezeigt, steht dabei nicht das Phäno-men „abweichendes Verhalten“, sonderndie Frage des Hilfebedarfs von Familien.Dementsprechend bestand die Zielsetzungdes Projekts zu keinem Zeitpunkt in derVorverlagerung von Sanktionen oder in derAusweitung von Kontrollen, sondern in derVerbesserung und Vernetzung von Hilfean-geboten für eine Klientel, für die geeigneteHilfen bislang oft fehlten.Der Modellcharakter des hier beschriebe-nen Projekts liegt vor allem darin, dass esin einer zunehmend risikobehafteten Ge-sellschaftsentwicklung darum gehen muss,mehr Aufmerksamkeit für Kinder in ge-fährdeten Lebenslagen aufzubringen undrechtzeitig Unterstützungsangebote zu ent-wickeln, die den anspruchsvollen NamenPrävention verdienen. Nicht nur in derStraffälligenhilfe, sondern in allen Berei-chen des Bildungs- und Jugendhilfesys-tems muss die Situation sozial benachtei-ligter und emotional belasteter Kinder frü-her beachtet und ernsthafter diskutiert wer-den als bisher. Davon ist die Regelpraxisim Bereich der Kinder- und Jugendhilfeund der Schule noch immer weit entfernt.Insofern kann die Tatsache, dass sich inallen drei Orten des hier beschriebenenModellvorhabens Nachfolgeprojekte ge-bildet haben, die die Impulse der Erpro-bungsphase aufnehmen und weiter ent-wickeln werden, als erster Erfolg gewertetwerden.

Der ausführliche Projektbericht kannüber das Sekretariat des LehrstuhlsSozialpädagogik oder über denCaritasverband Leipzig e.V.,Elsterstr. 15, 04109 Leipzig,bezogen werden.Er ist außerdem im Internet unterwww.uni-leipzig.de/~sozpaed/escapeals pdf-Datei abgelegt.

Heft 7/2003

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Prävention, die den NamenverdientModellprojekt zur Betreuunggefährdeter Kinder in SachsenabgeschlossenVon Prof. Dr. Christian von Wolffersdorff, Institut für Erwachsenen-, Sozial- undWirtschaftspädagogik, und Tobias Strieder M. A., Caritasverband Leipzig e.V.

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Für welchen Beruf bin ich geeignet? Woliegen meine Talente? Welche Bereichehaben Zukunft? Schulfächer und Notenscheinen von konkreten Berufsbildern zulosgelöst. In der Berufsberatung werdenvor allem die harten Fakten wie Arbeits-inhalte vermittelt. Alltag oder Atmosphäreim Beruf bleiben diffus. Während man beiArzthelfern aus eigener Anschauung eineVorstellung von deren Aufgaben hat, fälltdas bei Informatikern schon schwerer.Meist wählen junge Frauen soziale oderDienstleistungsberufe, die der eigenen Le-benswelt vertraut sind und allgemein alspassend für Frauen empfunden werden.Naturwissenschaftlich, handwerklich odertechnisch geprägte Berufe bieten meistaber bessere Rahmenbedingungen (z. B.höhere Bezahlung). Trotzdem winken vieleMädchen gleich ab, wenn es um Technik,PC und Handwerk geht – „kann ich so-wieso nicht“, „interessiert mich nicht“. Und so sind Berufe wie Elektrikerin „imKopf eines Mädchens einfach nicht drin“.Einerseits mag dies an falschen Vorstellun-gen liegen: Informatikerinnen starren denganzen Tag auf den Bildschirm, tippen bisin die tiefe Nacht stur und einsam vor sichhin. Sie müssen aber auch sehr kommuni-kativ sein und mit Kollegen kreativeLösungen für Soft- oder Hardware ent-wickeln oder beruhigende erste Hilfe leis-ten, wenn der Rechner die Festplatte for-matieren will. An diese sozialen (und kei-neswegs nur technischen) Anforderungendenkt im ersten Augenblick aber niemand. Andererseits ist anzunehmen, dass Elternund Lehrer Mädchen weniger ermutigen,in „andere“ Bereiche hineinzuschnuppern,indem sie mit Papa am Auto basteln odersich im Physikunterricht eine Wechsel-schaltung ausdenken. Aber erst durchdieses erfolgreiche Experimentieren ent-wickelt sich das Selbstvertrauen, die so-genannte „Selbstwirksamkeitserwartung“,auch für Technisches oder Handwerklichesgeeignet zu sein.

„Technik ausprobieren, Stärken entdecken“

„TASTE for girls“ bietet jungen Frauen dieGelegenheit, die eigenen Fähigkeiten inHandwerk, Technik und Informationstech-nologie (IT) zu erfahren, sich auszuprobie-ren und diese Berufe hautnah kennen zulernen. TASTE steht für „Technik auspro-bieren, Stärken entdecken“. Die Verbin-dung zum englischen „taste“ – schmecken,versuchen oder Kostprobe – ist dabei Pro-gramm. Die jungen Frauen am Übergangzwischen Schule und Beruf sollen durchTASTE einen Einstieg finden und Berüh-rungsängste abbauen, indem sie verschie-dene Arbeitsinhalte in wohlwollend-kriti-scher Umgebung bearbeiten und einedetaillierte Rückmeldung zu ihren Poten-zialen erhalten. So werden mit TASTEHinweise zu Kompetenzen und Berufs-

möglichkeiten gegeben, so das Berufs-wahlspektrum erweitert und letztlich dieberufliche Entscheidungsfindung unter-stützt. Angestoßen und durchgeführt wurde dasProjekt „TASTE for girls“ durch Life e.V.Berlin. Seit November 2001 arbeiten dieProjektleiterin Annemarie Cordes mitSabine Osvatic, Trainerin in Berlin, undTina Paul, Arbeits- und Organisations-psychologin an der Universität Leipzig, ander Entwicklung und Erprobung diesesAssessment Centers.TASTE dauert insgesamt fünf Tage, andenen die Teilnehmerinnen sich theoretischund praktisch mit den Berufsfeldern Tech-nik, Handwerk und IT auseinandersetzen.Zu Beginn herrscht meist noch Skepsis,doch spätestens nach dem ersten Auftragwandelt sich diese Vorsicht zu Begeiste-rung. An drei Tagen wird vormittags je einBerufsfeld spielerisch vorgestellt. Berufs-

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Kostprobe gefällig?Junge Frauen erkennen mithilfe des Programms„TASTE“ ihr Potenzial für Technik, Handwerk, IT Von Tina Paul, Institut für Angewandte Psychologie, Arbeits- und Organisationspsychologie

Einen PC zum Laufen zubringen ist doch gar nicht soschwierig …Eine Assessorin beobachteteine Teilnehmerin bei der Auf-tragsbearbeitung, um ihr imAnschluss eine detaillierteRückmeldung zu ihren Poten-zialen und Kompetenzen zugeben.

Fotos: Anja Wolff

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praktiker oder auch Auszubildende werdeneingeladen, um über ihren Arbeitsalltag zuberichten, Fragen zu beantworten oderauch ein „Stück Arbeit“ mitzubringen. BeiIT wird z. B. das Innenleben eines Compu-ters anschaulich erklärt. Nachmittags wer-den die Teilnehmerinnen selbst aktiv. Ineiner jeweils berufsspezifischen Umge-bung werden sie in eine typische Arbeits-situation eingeführt und erhalten ihrenArbeitsauftrag: Als Handwerkerin stelltman in einer kleinen Designerwerkstatt fürhandgefertigte Möbel ein kleines Möbel-stück selbst her. Oder man baut als Techni-kerin im Team das Gerät für die Sportlerinzusammen und prüft dessen Sicherheit.Oder man muss als Mitarbeiterin einer IT-Firma Informationen und Arbeits-schritte zu diversen PC-Problemen recher-chieren, kundenfreundlich aufbereiten undzwischendurch noch andere Anfragen be-antworten. Ganz nah an der beruflichenWirklichkeit steckt jeweils ein kleiner Teu-fel im Detail und wartet unter Zeitdruckdarauf, gelöst zu werden. Die Teilnehme-rinnen werden bei der Bearbeitung der Auf-träge beobachtet und erhalten nach einerdetaillierten Auswertung und Diskussioneine individuelle Rückmeldung zu ihrenKompetenzen im jeweiligen Feld. Über diese drei fachlichen Aufträge hinausbeinhaltet TASTE auch einen Teil, der sichmit einem besonderen Aspekt der späterenBerufssituation auseinandersetzt. Ent-scheidet man sich für einen Beruf in einemder Bereiche, so ist immer noch davon aus-zugehen, dass frau v. a. männliche Arbeits-kollegen und Vorgesetzte haben wird. Auchunter der Gefahr, abschreckend zu wirken,wurde bewusst entschieden, diese Situa-

tion bereits früh zu thematisieren, dennmeist scheitern junge Frauen in Frauen-un-typischen Berufen nicht an den Leistungs-anforderungen, sondern an der dauerhaftenMinderheitensituation. So bietet TASTE den Teilnehmerinnen ineinem weiteren Auftrag die Möglichkeit,sich damit auseinander zu setzen. Die Teil-nehmerin muss sich als „Neue“ in einbestehendes Team integrieren, ihre Ideeneinbringen und zweifelnde Dritte von ihrerKompetenz überzeugen. Es geht dabei umein Ausprobieren verschiedener Verhal-tensmöglichkeiten, ohne dass es die rich-tige Lösung gibt.

Theoretisch fundiert undpraxisnah

Das Assessment Center wurde nicht „imElfenbeinturm“ entwickelt, sondern mit ar-beits- und organisationspsychologischemWissen und Methoden in engem Austauschmit Berufspraktikern und -experten. InWorkshops wurden die Berufsfelder mitaktuellen Anforderungen, kritischen Situa-tionen und optimalen Verhaltensweisen indiesen Situationen näher beleuchtet. An-hand der Ergebnisse konnten einerseits diespezifischen Arbeitsaufträge je Berufsfeldentwickelt werden, andererseits bildeteman die Beobachtungsdimensionen, z. B.Arbeitssystematik, Teamfähigkeit oderProblemlösefähigkeit. Diese werden beider Beobachtung und einer anschließendenEignungsbeurteilung für das jeweilige Be-rufsfeld eingesetzt. Die zukünftigen Beobachtenden und Be-urteilenden, die sogenannten Assessoren,

wurden theoretisch wie praktisch mit derVorbereitung, Durchführung und Auswer-tung von TASTE vertraut gemacht sowiefür vorurteilsfreies Beobachten, Bewertenund psychologisch sinnvolle Rückmeldungan die Teilnehmerinnen qualifiziert. Bisher nahmen ca. 50 Mädchen aus Real-schulklassen und berufsvorbereitendenMaßnahmen teil. Alle waren begeistert, sodass sie TASTE ihrer Freundin weiteremp-fehlen würden. Die Mädchen entwickeltenein positiveres Selbstkonzept, v. a. imhandwerklichen und technischen Bereichschätzen die Mädchen ihre Fähigkeitennach der Teilnahme an TASTE besser einals vorher. Aber auch der Spaß an der an-fangs eher „fremden“ Tätigkeit wurde nachTASTE höher bewertet. So liegt mit „TASTE for girls“ eine fertigentwickelte und in der Praxis erprobteMöglichkeit zur detaillierten Beratungbeim Übergang Schule-Beruf für hand-werkliche, technische und IT-Berufe vor.Ein bundesweiter Transfer von TASTE hatbegonnen und wird im Interesse der jungenFrauen ausgebaut. Angelagert an interes-sierte Bildungsträger o. ä. könnte dieseChance von vielen Mädchen wahrgenom-men werden – frei nach der Prämisse„TASTE it“.

Weitere Informationen im Internet:www.taste-for-girls.de

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Fakultäten und Institute

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Technische Berufe machen sogar Spaß …Durch Ausprobieren lernen die jungen Frauen bisherkaum beachtete Berufsfelder konkret kennen, entdeckenihre Stärken in diesen Bereichen und lassen sich fürNeues begeistern.

Das „TASTE“-Logo

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Es ist der Morgen des ersten Septemberta-ges in Leipzig. Eine kleine Gruppe ver-sammelt sich hinter der Oper um ein Denk-mal, das die meisten Passanten unbemerktlinks liegen lassen – das Denkmal zu Eh-ren der Leipziger Sinti und Roma, die demNationalsozialismus zum Opfer gefallensind. Weder der Ort des Treffens noch dieZusammenstellung der Gruppe sind zu-fällig. Es handelt sich um zwölf Studentender Ethnologie, genauer, der Tsiganologie,jenem Teilbereich des Faches, der sich derErforschung von Kultur, Lebensweise undOrganisation unterschiedlichster Zigeuner-gruppen in und außerhalb des Landes ver-schrieben hat. Kopf der Gruppe ist Prof.Dr. Bernhard Streck, Leiter des Instituts fürEthnologie und selbst erfahrener Tsigano-loge. Unter seiner Ägide ist innerhalb dervergangenen vier Jahre eine junge For-schergeneration herangewachsen, die nichtzum ersten Mal gen Osten ausschwärmt,um die Begegnung mit Zigeunergruppenzu suchen.Zum ersten Mal allerdings können dieLeipziger Nachwuchs-Tsiganologen ge-meinschaftlich „ins Feld ziehen“, wie es im Fachjargon heißt. Nicht zuletzt dank derfinanziellen Unterstützung durch den

Deutschen Akademischen Austauschdienstund die Universität Leipzig. „Der Ge-danke, gemeinsam zu reisen, ist sehr frühentstanden“, sagt Bernhard Streck. „Voran-gegangene Forschungsreisen des ethnolo-gischen Instituts und des Instituts für Sla-wistik waren Anregungen, hinzu kam dieintensive Beschäftigung mit tsiganologi-scher Literatur über die Karpatenregion.Die fünf Länder, die hier aneinandergren-zen, sind gerade für unseren Schwerpunktreizvoll.“ Nicht unwesentlich für die Ent-scheidung ist ebenso die Kooperation derLeipziger Tsiganologen mit den internatio-nal bekannten Experten Elena Marushia-kova und Vesselin Popov von der Bulgari-schen Akademie der Wissenschaften – eineZusammenarbeit, die sich bereits imSonderforschungsbereich „Differenz undIntegration“ bewährt hat.

Ein Dasein im Vorstadt-Ghetto

Für das ethnologische Erkenntnisinteresseist die multiethnische, mehrkonfessionelleund vielsprachige Karpatenregion einereiche Fundgrube. Bis 1918 unter dem

gemeinsamen Dach der Habsburger Mon-archie, hat sich hier, im Schnittpunkt vonMittel-, Ost- und Südeuropa ein viel-schichtiges Nationalitätenkonglomerat,bestehend aus Polen, Slowaken, Ukrainern,Ungarn, Rumänen, Deutschen, Armeniern,Russinen und anderen Gruppen entwickeltHerausragend aber ist die weite Verbrei-tung der zigeunerischen Bevölkerung, dieheute vielfach unter der Bezeichnung„Roma“ zusammengefasst wird. Rundneun Millionen Angehörige verschiedenerZigeunergruppen leben in ganz Europa.Die größte Dichte und Vielfalt dieserethnischen Gruppen, von polnischen undrussischen Roma über Neuwlachen undLowara bis hin zu Kalderasch oder Gabor,findet sich in der Karpatenregion. Wäh-rend der noch nicht lange zurückliegendensozialistischen Ära betrieben die Regie-rungen in den einzelnen Ländern eine mehroder minder starke Integrations- und Assi-milierungspolitik gegenüber der Minder-heit – mit dem Resultat, dass die meistenZigeuner ihre traditionellen Berufe, wieKalt- und Blechschmied, Musiker oder dieWahrsagerei, aufgegeben haben und heuteohne Arbeits- und Ausbildungschancen einDasein unterhalb des Existenzminimumsfristen, nicht selten in ghettoartigen Vor-stadtslums. Am Rand der slowakischenStadt Kosice liegt eine solche Siedlung.Das Plattenbauviertel „Lunik 9“ ist schonvon weitem zu erkennen. Kaum ein Fensterin den tristen, hohen Fassaden ist noch in-takt, dazwischen steigen Rauchsäulen auf.Über 3000 Menschen, mehrheitlich Zigeu-ner, leben in „Lunik 9“, die meiste Zeitohne fließend Wasser, Heizung und Strom.Die Arbeitslosigkeit liegt hier bei nahezu100 Prozent, und Möglichkeiten, ein neuesLeben außerhalb des Ghettos zu beginnen,gibt es kaum.Armut ist für viele Zigeunergruppen nichtdas einzige Problem, hinzu kommen Res-sentiments und Ablehnung seitens derMehrheitsbevölkerung sowie die alltäg-liche Diskriminierung durch Behörden undPolizei. Durch die Arbeit von Menschen-rechtsorganisationen und durch Medienbe-richte ist die westeuropäische Öffentlich-keit inzwischen sensibilisiert für die Lageder zigeunerischen Minderheit, insbeson-dere in Rumänien und der Slowakei. EineLage, die nicht nur Hilfsorganisationen,sondern auch zahllose Nichtregierungsor-

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Zigeuner als Hochzeitsmusiker inGliniza bei Czernowitz (Ukraine).

Foto: Henning Schwanke

Eine Reise in einkulturelles PuzzleEthnologische Studien zurZigeunerkultur in den KarpatenVon Anne Losemann, Institut für Ethnologie

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ganisationen (NGO) auf den Plan gerufenhat. Der Arbeit solcher Organisationen, diesich in den Karpatenländern für die Be-lange der Zigeuner engagieren, gilt einHauptaugenmerk der Studienreise. Treffenund Gespräche mit mehr als einem Dut-zend Vertretern der unterschiedlichstenProjekte stehen auf der Agenda. BernhardStreck erklärt: „Vermutlich kann man voneiner segmentären Vereinskultur sprechen.Es bestehen unzählige Roma-Vereine, diesich in der Regel untereinander negierenoder gar bekämpfen. Gerade jetzt, woeinige Geldquellen reichlich sprudeln,wachsen die Organisationen wie Pilze ausdem Boden.“

Hilfsorganisationenkonkurrieren

So unterschiedlich die einzelnen Projektein der Praxis aussehen, von politischer Ein-flussnahme, Aufklärungsarbeit oder Initia-tiven zum Kulturerhalt bis hin zu Aus-bildungsprogrammen, Schulprojekten oderdem Verteilen von Nahrungsmitteln undanderen Hilfsgütern, haben sie eine ge-meinsame Sorge: die Konkurrenz um Stif-tungsgelder und private Spenden. TobiasMarx, Student der Ethnologie und Afrika-nistik, stand bereits im Dienst einer ost-europäischen Roma-Organisation: „Ich binerstaunt, wie unterschiedlich die NGO-Arbeit ist und wie zerstritten die Organisa-tionen sind. Ich habe die Bestätigung mei-ner Vermutung gefunden, dass die Schwie-rigkeiten in der Basisarbeit scheinbar sehrähnlich sind. Es gibt eine Verschiebunghinsichtlich des Werteverständnisses zwi-schen Gebenden und Nehmenden und esmangelt oft an Kommunikation zwischender Basis und dem Spenderkreis. Außer-dem existiert offensichtlich eine enormeKorruption an der Basis, aber kaum Kon-trolle über die Nichtregierungsorganisatio-nen.“ Diese Erkenntnisse könnten fürTobias Marx Anreiz für weitere Forschun-gen sein: „Ich war auf der Suche nach einerPerspektive für die Magisterarbeit und dieAuswirkungen der NGO-Arbeit auf Zigeu-nergruppen finde ich sehr spannend.“Die Finanzierung der einzelnen Projekte istnur ein Thema von vielen, das die Studen-ten auf ihrer Reise kennen lernen. Ein an-deres ist die Frage des Überlebens von Zi-geunern in einer modernen Gesellschaft,eine Identitätssuche zwischen gelebterKultur, Folklore und Anpassung. Der Lei-ter des polnischen Zentrums für Roma-

Kultur bringt diese Problematik anhandeines Siedlungsprojektes in der südpolni-schen Stadt Tarnow auf den Punkt: „Es sindzwei Seiten einer Münze. Auf der einenSeite ist die Sesshaftigkeit der Zeit und dengesellschaftlichen Erwartungen angemes-sen. Auf der anderen Seite werden die sess-haften Zigeuner von den noch mobilenGruppen als ‚Gadje‘, als Fremde, bezeich-net.“ Die Tendenz zur Sesshaftwerdungvon Zigeunergruppen hat in postsozialisti-schen Ländern drei Ursachen. Zum einenist sie durch Gesetze staatlich forciert wor-den, zum anderen entsteht sie durch den ei-genen Wunsch vieler Zigeuner, gesell-schaftlich akzeptiert zu werden. Zudem hatdie Arbeit der zahlreichen Roma-Organi-sationen einen entscheidenden Anteil ander Anpassung.Doch es gibt auch Sonderfälle wie dieZigeunersiedlung Gliniza bei Czernowitzoder das siebenbürgische Dorf Weilau. Anbeiden Orten sind Zigeunergruppen frei-willig sesshaft geworden, weil sie guteArbeits- und Lebensbedingungen vorge-funden haben. Dabei hat Weilau, ein Dorfinmitten von Apfel-plantagen und amEnde einer Sack-gasse gelegen, eineganz besondereGeschichte. Als1944 die Sieben-bürger Sachsen ausder Region fliehenmussten, traten Zi-geuner ihr Erbe an.Dabei haben sienicht nur die Höfeder Sachsen über-nommen, sondernauch deren Lebens-weise, Sprache undReligion. So unterschiedlich die beidenDörfer auf den ersten Blick erscheinen, dieWeilauer Zigeuner nennen sich „deutscheZigeuner“ und in Gliniza bezeichnen siesich als „ukrainische Zigeuner“, ist selbstdie erfahrene Forscherin Elena Marushia-kova von den Parallelen überrascht: „DieSiedlungen und das Leben ähneln sich.Beide Zigeunergruppen sind in der ganzenRegion als gute Musiker bekannt. Sie spie-len bei Anlässen wie Hochzeiten oder an-deren Festen und daher vorwiegend dieMusik der Mehrheitsgesellschaft. Außer-dem haben sie die Religion der Mehrheitangenommen, in der Ukraine gehören sieder ukrainisch-orthodoxen und in Weilauder evangelischen Kirche an.“

Für Fabian Jacobs, Student der Ethnologieund Soziologie, sind die Feldbesuche dieeigentlichen Höhepunkte der Fahrt: „DieseReise bestätigt, dass die Tsiganologie eingroßes Puzzle ist, jede Zigeunergruppe istanders und jede Gruppe ist Teil desPuzzles. Wir haben das Leben der Zigeu-ner in den Dörfern der Bukowina und inSiebenbürgen gesehen, wie Kalderaschund Gabor auf dem Markt von Klausen-burg ihre Waren anbieten, den Zigeunerkö-nig Cioba und die von ihm geleitetePfingstler-Gemeinde in Hermannstadt,aber auch Stadtviertel wie ‚Lunik 9‘, dieVielfalt ist erstaunlich.“ Hinzu kommt dieVielfalt der Roma-Museen, Kulturvereine,Sozialprojekte und Treffen mit Wissen-schaftlern, die in der Region auf tsiganolo-gischem Gebiet arbeiten. „Die Spannbreiteder Themen und Charaktere, die hinter deneinzelnen Projekten stehen, und der Ver-gleich der Arbeit in den verschiedenenLändern ist unglaublich reizvoll,“ resü-miert Fabian Jacobs.

Neben zahlreichen Anregungen und Kon-takten haben die Ethnologen auch eineLeitidee für künftige Forschungen aus denKarpaten mitgebracht: „Statt der Gegen-überstellung von Mehrheit und Minderheitwerden wir der Differenz, der Binnen-differenzierung zwischen den einzelnenZigeunergruppen, mehr Aufmerksamkeitschenken“, sagt Bernhard Streck. Zudemsoll die Tsiganologie als Teil des Orient-schwerpunktes am Institut für Ethnologieweiter ausgebaut werden, außerdem könntedie zweiwöchige Exkursion eine ArtModellreise für die Zeit nach der Studien-reform und der Umstellung auf kon-sekutive Studiengänge (Bachelor/Master)sein.

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In 14 Tagen durch die Karpatenregion:die Reiseroute. Karte: Mirko Merkel

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In der Berufspraxis von Dolmetschern undÜbersetzern sind Computer ebenso unver-zichtbar wie anderswo. Am Institut für An-gewandte Linguistik und Translatologie(IALT) nimmt der routinierte Umgang mitEDV, insbesondere das kennen Lernen derfachspezifischen Software, schon langeeinen wichtigen Platz ein. Da ist es nurkonsequent, auch beim translationsspezi-fischen Sprachkompetenzerwerb moderneMedien zu nutzen.In den Lehrveranstaltungen zur „Transla-tionsorientierten Textanalyse und Textpro-duktion“ am Lektorat Französisch wurdenbislang die Übungen als Loseblattsamm-lung in Ordnern zentral zur Verfügung ge-stellt. In der Mediathek des Seminargebäu-des konnten die Studierenden sich Kopiender Übungen anfertigen, um damit zuHause die Seminare vorzubereiten. DieseArbeitsweise brachte mehrere Nachteilemit sich: Es konnte stets nur eine(r) denOrdner benutzen, und mit der Zeit ging somanches Übungsblatt und letztlich auchdie Ordnung verloren – von der sich stetigverschlechternden Qualität der Vorlagenund der schlechten Aktualisierbarkeit ganzzu schweigen.Auf studentische Initiative hin machte mansich daran, dieses „Ordner-Prinzip“ konti-nuierlich aufzugeben. Alle verfügbarenÜbungen wurden bearbeitet und zunächstins HTML-Format gebracht. Zusätzlichnutzte man die Möglichkeit, ein gram-matisches Lehrwerk einzuarbeiten: die„Französische Unterrichtsgrammatik“. Siewurde von Dr. Harald Liebold erarbeitetund richtet sich vor allem an Dolmetscher-und Übersetzerstudierende. Sie wurde bis-lang – wie auch die Übungen – in Papier-form im Unterricht genutzt, Layout undÜbersichtlichkeit entsprachen jedoch nicht

mehr den aktuellen Anforderungen. Paral-lel arbeiteten also studentische Hilfskräftean der Umsetzung der Grammatik und derÜbungen. Schließlich stand umfassendesMaterial in elektronischer Form zur Ver-fügung.An der Abteilung Ostslawische Sprach-und Übersetzungswissenschaft des IALTgab es bereits seit längerem ein Projektzum computergestützten translationsorien-tierten Fremdsprachenerwerb. Durch dielangjährige Arbeit von Dr. Bernd Ben-dixen, Wolfgang Voigt und deren Teamwird es inzwischen vom Harrassowitz-Ver-lag als Buch mit CD vertrieben. So ent-stand der Gedanke, das französische Pro-jekt analog dazu auszuweiten. Grundlagedafür ist die Software „HyView“, einHypertext-Betrachter, der sich besondersfür sprachdidaktische Zwecke und für dieArbeit mit Unterrichtsmaterialen im Netz-werk oder am eigenen Computer eignet.Entwickler von „HyView“ und zahlreichen

ergänzenden Tools ist Horst Rothe vomUniversitätsrechenzentrum. Durch seineMitarbeit wurde auch „FranzGram“ mög-lich, wie das Projekt seit der Umstellungauf die neue Plattform heißt. Mehrere stu-dentische Hilfskräfte haben seitdem mitfrankophonen Konsultanten unter der Lei-tung von Heidemarie von Bergen mitge-wirkt: Birgit Althof, Raphael Bayer, MarcBleser, Antje Chemnitz, Maria Holzhey,Claudia Keller, Pablo Linares, Rahel Riesund Stefan Taudus.Auch der Öffentlichkeit hat sich „Franz-Gram“ vorgestellt. Im vergangenen Jahrwar das Projekt am Stand des IALT auf derFachmesse „Sprachen und Beruf 2002“ inDüsseldorf vertreten und stieß bei Fach-publikum und zukünftigen Studierendengleichermaßen auf großes Interesse. Glei-ches kann auch für die Teilnahme am dies-jährigen „Campus-Tag“ gesagt werden. ImZelt der Philologischen Fakultät informier-ten sich Öffentlichkeit und Abiturientennicht nur über die innovative Bereicherungdes Dolmetscher- und Übersetzerstudiumsam Lektorat Französisch, sondern probier-ten sie gleich selbst aus.Bereits heute steht „FranzGram“ im Netz-werk der Räume SG K-04 und K-07 zurVerfügung. Derzeit wird die erste CD-Rom-Fassung fertiggestellt und soll nochvor der Weihnachtspause an die Studieren-den ausgegeben werden. Wir als Initiatorenhoffen auf eine gute Resonanz (nicht nur)bei den studentischen Nutzern, die sichdann vielleicht sogar zur Mitarbeit moti-viert fühlen. Schließlich sollen weitereKomponenten für die Lernsoftware folgen,auch Themen für wissenschaftliche Arbei-ten sind angedacht. Genug zu tun gibt esallemal.

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Studieren mit„FranzGram“Dolmetscher- undÜbersetzerstudium wird mit Software erleichtertVon Alexander Drechsel, Institut für Angewandte Linguistik und Translatologie

Eine Beispielseiteaus der „Franz-Gram“-Software.

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In Lyon habe ich mein Studium im FachDeutsch angefangen. Kurz gesagt: Ichliebte diese Legosteinsprache und ihreerhabenen Gedichte. Nach meiner Zwi-schenprüfung in Germanistik habe ich mitdem Französischen angefangen: Es istauch eine wunderschöne Sprache. Nach-dem ich habe meine Zwischenprüfung imFach Französisch absolviert hatte, wollteich für das Hauptstudium in Deutsch undfür meine Magisterarbeit die Sprache bes-ser beherrschen. Die einzige Möglichkeitzum Realisieren dieses Zieles war fürmich, in Deutschland weiterzustudieren.Als Erasmusstudentin hätte ich eines mei-ner zwei Fächer aufgeben müssen, dochglücklicherweise hörte ich von derDeutsch-Französischen Hochschule (DFH):die Möglichkeit für mich, beide Fächer inDeutschland weiterstudieren zu können!Ich zog also nach Leipzig um und habemich als Lehramtsstudentin (innerhalb derDFH war nur dieser Studiengang möglich)an der Uni Leipzig angemeldet, jedochohne richtig zu wissen, was Lehramt heißt:Lehrerin werden?! Es war anfangs richtigschwierig, weil keiner genau wusste, wasman in diesem erst seit zwei Jahren exis-tierenden Programm studieren sollte.Außerdem hatte ich Dinge zu lernen, diemir völlig neu waren: Erziehungswissen-schaft und Didaktik zum Beispiel. Zusätz-lich noch Fächer, die ich für die Anerken-nung meines Studiums in Frankreich

brauchte und die in Leipzig entweder nurungenügend angeboten wurden, wie dasAltfranzösische – in Leipzig nur ein An-fängerkurs – oder die zu einem anderenStudiengang gehörten, wie das Latein. Ichhabe angefangen, Cicero ins Deutschemittels Französisch zu übersetzen, aberdies war eine zu intellektuelle Gymnastikfür mich, da ich die deutsche Sprache nochnicht so gut beherrschte. Um die latei-nische und altfranzösische Prüfung abzu-legen, fuhr ich lieber nach Frankreich.Nach meinem ersten Semester in Leipzigging es dann viel besser. Bestimmt weil ichauch besser Deutsch konnte und tolle Stu-denten sowie engagierte Professoren ken-nen gelernt hatte. Ich zog in eine Wohn-gemeinschaft und konnte dort erfahren,was es heißt, in Deutschland zu leben …mIch bedauerte manchmal, dass ich sovielstudieren musste: In drei Semestern habeich elf Hausarbeiten geschrieben und nochunzählige Prüfungen in Deutschland undFrankreich absolviert. Die Leipziger Stu-denten verkennen wohl ihr Glück, dennwenige Universitätsbibliotheken in Frank-reich sind so schön, praktisch und ruhigwie die Albertina. Für meine wissenschaft-liche Arbeit „Übersetzung und Vergleichder lateinischen und der beiden deutschenFassungen des Prager Manifestes vonThomas Müntzer“ konnte ich sogar dieoriginalen Handschriften in der Sonder-sammlung untersuchen.

Zurück in Frankreich schrieb ich meinewissenschaftliche Arbeit und bin noch an-derthalb Jahre immer hin und her gefahren.Die Vorbereitung auf das Staatsexamenwar sehr schwierig. Ich habe ganz alleingelernt und musste nebenbei arbeiten, weilich von der DFH für diese Prüfung keinStipendium mehr bekam. Ich war letztend-lich nicht so gut vorbereitet, hätte auchThemen wählen müssen, die für mich ge-eigneter gewesen wären, und wurde nachden schriftlichen Prüfungen etwas mutlos,weil ich dachte, dass ich vor allem im FachDeutsch nicht bestanden hatte. So ging ichetwas zu locker in die mündlichen Prüfun-gen und bin dann durch die der französi-sche Didaktik gefallen. Ich weiß, keinerfällt durch diese Prüfung, und dazu ich alsFranzösin! Im November letzten Jahresreiste ich das letzte Mal nach Leipzig undhabe diese Prüfung absolviert.Seitdem promoviere ich in vergleichenderLinguistik in Lyon. Ich weiß immer nochnicht, was ich danach machen werde. Eswürde mir gefallen, Ausländern meineMuttersprache zu lehren und vielleichtselbst andere Sprachen zu lernen. Ich habeauch Lust, daran mitzuarbeiten, dass diedeutsche Kultur besser in Frankreich be-kannt wird, z. B. das deutsche Kino. Wennich dabei helfen könnte, dass Deutsche undFranzosen sich kennen lernen und die altenSchatten der Vergangenheit vergessen,würde ich mich darüber freuen.

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Latein mittels Französisch ins Deutsche übersetzen …Eine Französin über ihre Zeit in Leipzig

Einen Schritt auf dem Wege nach Europamacht die Universität mit dem integrier-ten Studiengang für das Lehramt an Gym-nasien in den Fächern Deutsch und Fran-zösisch. (Auch an der Wirtschaftswissen-schaftlichen Fakultät gibt es solch einenintegrierten deutsch-französischen Stu-diengang.) In Zusammenarbeit mit derPartneruniversität Lyon 2 bilden die Insti-tute für Germanistik und Romanistik so-wie die Erziehungswissenschaftliche Fa-kultät in einem Hauptstudiengang franzö-sische und deutsche Studierende aus, die

nach Abschluss ihres Studiums sowohl inDeutschland als auch in Frankreich dieMöglichkeit haben, in den Lehrerberuf ein-zusteigen und so mit einer ganz besonde-ren Kompetenz als Mittler beider Sprachenund beider Kulturen an der europäischenIntegration mitzuwirken. Zurzeit sind es 14deutsche und 21 französische Studierende,die in diesem Studiengang immatrikuliertsind. Sie studieren jeweils drei Semester inLyon und drei Semester in Leipzig. AmEnde stehen dann in Lyon die Maîtrise inbeiden Fächern und in Leipzig die Erste

Staatsprüfung. Gefördert und finanziellunterstützt werden solche Studiengängemit binationalem Abschluss – von denenes gegenwärtig schon über 100 gibt – seit1999 von der Deutsch-FranzösischenHochschule, die sich als Keimzelle einereuropäischen Hochschullandschaft ver-steht.

Mélanie Aubry, die erste französischeAbsolventin des integrierten Studiengan-ges, blickt im untenstehenden Beitrag aufihre Studienzeit in Leipzig zurück.

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Betretenwir einweitesLandBeiträge zum„Jahr der Bibel“

Das „Jahr der Bibel“ neigt sich in diesenTagen dem Ende zu. In diesem Uni-Jour-nal soll es noch einmal ins Bewusstseingerufen werden. Auf den folgenden Seitenfinden Sie daher viele Beiträge rund umdie Bibel. Und in den nebenstehenden Zei-len führt Sie Prof. Dr. Dr. Günther Warten-berg, Dekan der Theologischen Fakultät,ins Thema ein.

Mitte Mai stand für einige Tage die „Bibel-Box“ auf dem Leipziger Augustusplatz. Indem zehn Meter hohen, tiefblauen Würfellernten die Besucher die Lebensgeschichtevon Frauen und Männern des Alten undNeuen Testamentes auf der Suche nachdem tragenden Grund ihres Lebens ken-nen. „Suchen und Finden“, so ist das „Jahrder Bibel“ überschrieben, das 2003 diechristlichen Kirchen und Gemeinschaftengemeinsam in Deutschland veranstalten.Die Bibel – eine in Kirche, Theologie undGesellschaft gebräuchliche Bezeichnungfür eine im Christentum anerkannte Samm-lung von Einzelschriften – geht in ihrenUrsprüngen bis in das 13. Jahrhundert v.Chr. zurück. Über Jahrhunderte gewach-sen, stand ihr Umfang etwa um 200 n. Chr.weitgehend fest. Die Bibel ist das grund-legende Buch aller christlichen Kirchen.Sie ist in ihren historischen, religionsge-schichtlichen und textgeschichtlichen For-men und Aussagen tief verwurzelt in denKulturen des Alten Orients und der Spät-antike. Seit Jahrhunderten bestimmt sie In-halt und Norm der christlichen Glaubens-praxis, aber auch im Sinne von Unter-scheidung. Gerade die Reformatoren des16. Jahrhunderts wie Martin Luther, UlrichZwingli, Martin Bucer, Johannes Calvinoder Philipp Melanchthon haben die über-ragende Bedeutung der Bibel als alleinigenMaßstab für Glauben und Kirche bekräf-tigt. Darüber ist in der Folgezeit viel ge-stritten worden. Vielfältige Methoden ha-ben den Zugang und den Interpretations-rahmen biblischer Texte erweitert. DieBibelwissenschaften als exegetische undhistorische Theologie bilden ein Kernge-biet der wissenschaftlichen Selbstbesin-nung des christlichen Glaubens.Das „Jahr der Bibel“ will aber ebenso denBlick auf die Bibel als Kulturgut lenken.Nicht nur die Entstehung der Bibel und ihrWeg durch die Geschichte faszinieren, son-dern auch ihre Sprachgewalt. Es ist vorallem die Lutherübersetzung, die Denkenund Schreiben beeinflusst hat. Erst mit derBibel beginnen viele Kunstwerke zu spre-chen. Unkenntnis überwinden, Neugierwecken, Wissen ermöglichen, Ausein-andersetzungen befördern, zum Gesprächeinladen, so könnten die Ziele des „Jahresder Bibel“ beschrieben werden. Es ist dieAufforderung, ein weites Land zu betreten,das zunehmend weniger bereist wird undvielen fremd geworden ist, auch wenn die-ses unsere Kultur, Sprache, Musik undKunst bis in das 20. Jahrhundert tief ge-prägt hat.

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Die „Bibel-Box“ auf dem LeipzigerAugustusplatz.

Foto: Geschäftsstelle„2003. Das Jahr der Bibel.“

Oben auf der Seite:Das Logo zum „Jahr der Bibel“.

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Vor zwei Jahren wurde sie gestartet, in-zwischen umfasst sie sieben Bände: dieTaschenbuch-Reihe „Biblische Gestalten“,die sich an eine breite Leserschaft wendet.Initiiert wurde sie von zwei hiesigen Theo-logie-Professoren, die dem Uni-Journalein Interview über das interessante Buch-projekt gewährten. Professor Rüdiger Luxleitet an der Theologischen Fakultät dasInstitut für Alttestamentliche Wissenschaftund die Forschungsstelle Judentum. DerNeutestamentler Professor ChristfriedBöttrich war bis vor kurzem auch an dieserFakultät beschäftigt, ist aber zum 1. Ok-tober einem Ruf an die Universität Greifs-wald gefolgt.

Wie kam es zu der Taschenbuch-Idee?Lux: Das erste Mal hatte ich die Idee zuDDR-Zeiten. Da erschien in der damaligenBundesrepublik eine interessante Taschen-buch-Reihe mit dem Titel „Biblische The-men“. Bei der Lektüre ist mir aber deut-lich geworden: Leser, die Erstinformatio-nen zur Bibel haben möchten, brauchenetwas Lebendigeres. Da kam mir der Ge-danke: Was einem in der Bibel begegnet,sind ja zunächst einmal Menschen, vondenen erzählt wird. Diese Menschen ent-halten Identifikationspotenziale und kön-nen anschaulicher vorgestellt werden alsThemen. So kam ich auf die „BiblischenGestalten“. Böttrich: Ich denke, das ist ein ganz span-nendes und verheißungsvolles Konzept,weil die biblischen Schriften ja große The-men nicht in Gestalt dogmatischer Formelnanbieten, sondern in Gestalt von Geschich-ten. Das sind Geschichten Gottes mit Men-schen, mit konkreten Erfahrungen. Jedebiblische Gestalt hat ihre eigenen Schwer-punkte. Bei Herodes ist es mehr die politi-sche Situation, die hineinspielt, bei Mariadie ökumenische Gesprächssituation. BeiNoah geht es um Ur-Erfahrungen derMenschheit.

Lux: Bei den biblischen Gestalten stehtzudem immer die Frage mit im Raum: Wiesteht es eigentlich um ihre Historizität? Dagibt es literarisch fiktive Gestalten wie zumBeispiel Hiob. Wenn das Buch über Hiobgeschrieben wird, wird es also eine litera-rische und keine historische Biographiedarstellen. Auch die Josef-Geschichte istweitestgehend ein Stück Literatur. Was daan historischer Realität dahintersteht, istkaum noch zu ergründen. Bei anderenFiguren wie David, Esra, Jesus, Paulus be-wegen wir uns auf einem sichereren histo-rischen Boden, der aufzuarbeiten wäre.

An wen richtet sich Ihre Reihe?Lux: Sie richtet sich an alle, die sich ein-führen lassen wollen in die Bibel über-haupt. Ein interessierter Gymnasiast in derOberstufe soll dazu greifen können, aberauch der Religionslehrer, der kirchlicheMitarbeiter, Pfarrer und Pfarrerinnen. Na-türlich auch der Theologie-Student. Sie allesollen – auf dem Stand der neuesten For-schung – einen leichten Zugang zu denbiblischen Gestalten bekommen.

Demnach sind die Bücher stets auch„leicht“ geschrieben?Lux: Da sprechen Sie ein sensibles Themaan. Ich glaube, bei einem Großteil derBände ist es sehr gut gelungen. Und wir ha-ben das ja auch vom Aufbau der Bände herso angelegt und die Autoren auf das ange-strebte Publikum hingewiesen. Natürlichgibt es wie in anderen Disziplinen auchSchreibtalente, die für ein breites Publikumschreiben können, und solche, die eher inihrer Wissenschaftssprache gefangen sind.Da muss man dann noch ein wenig auf dieAutoren einwirken. Denn es ist wirklichessentiell wichtig, dass auch ein Nicht-Theologe die Bücher verstehen kann.Böttrich: Am Ende werden es 40 Autorensein, die an der Reihe mitgearbeitet haben.Das ist natürlich ein breites Spektrum, und

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„Verborgene Grammatikunserer Kultur“Zwei Theologen geben die Taschenbuch-Reihe„Biblische Gestalten“ heraus

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jeder Autor ist eine Persönlichkeit für sich.Daher muss es auch einen gewissen Spiel-raum geben. Aber als Herausgeber achtenwir schon darauf, dass der gewollte Schrittzur Popularisierung vollzogen wird. Zudemwird noch mit Abbildungen gearbeitet.

Die beschriebenen „Gestalten“ müssennatürlich auch entsprechendes Interessehervorrufen …Lux: … was sie ganz bestimmt tun. Bibli-sche Gestalten sind so etwas wie eine ver-borgene Grammatik unserer Kultur. Biszum heutigen Tage in einer weitgehendsäkularisierten Gesellschaft bestimmenchristliche Impulse zu großen Teilen unserDenken und unsere Kultur. Es existiert so-zusagen unbewusst ein anonymes Chris-tentum in der Gesellschaft. Unsere Spracheist zum Beispiel durchsetzt mit biblischenSprachsplittern: das „Linsengericht“, das„Feigenblatt“ und vieles mehr. Jemandgeht von Pontius zu Pilatus, wenn er sichvergeblich müht. Eine ausgewogene Ent-scheidung gilt als salomonisches Urteil. Esgäbe viele weitere Beispiele.Und wenn man sich über die Aktualität derbiblischen Gestalten Gedanken macht,kann ich nur meinen Josef-Band anführen:Mitten in der Arbeit an diesem Band gin-gen Bilder um die Welt, die zeigten, dassim antiken Sichem, dem heutigen Nablusin der Westbank in Palästina, das GrabJosefs von radikalen Palästinensern ge-schändet wurde. Da merkt man, wie so einebiblische Gestalt in einen aktuell hoch-dramatischen politischen Zusammenhanghineingerissen werden kann. Uns lag ohnehin daran, dass in jedem Bandder Reihe auch ein Stück Wirkungsge-schichte vorkommt. Wie ist die Figur auf-genommen worden? Wie wird sie heuteaufgenommen? Um eines deutlich zu ma-chen: Diese Figuren haben nicht nur vorzwei-, dreitausend Jahren gelebt, sondernsie leben unsere Kultur prägend weiterhinmit uns.Böttrich: Ich möchte nur einmal die Na-men ergänzen, die wir heute unseren Kin-dern geben: Josef, Johannes, Peter, Paul,Maria – alles Namen, hinter denen Ge-schichten der Bibel stehen, was wir uns oftgar nicht bewusst machen. Und wenn iches auf Petrus zuspitze, mit dem ich mich fürdie Reihe befasst habe: Um ihn als Him-melspförtner ranken sich unzählige Witze.Auch für das Wetter wird immer er verant-wortlich gemacht. Er ist mitten in der All-tagskultur gegenwärtig. Das macht die Be-schäftigung mit ihm spannend.

Lux: Und Noah bestimmt noch immer un-ser Nachdenken über Katastrophenszena-rien!

Gab es durch das Jahr der Bibel einenzusätzlichen Schub für die Reihe?Lux: Da haben wir noch keinen Überblick.Mal sehen, wie die Verkaufszahlen aus-sehen – die erhalten wir nur einmal im Jahrvom Verlag.

40 Bände sollen es werden, es fehlen alsonoch 33. Auf welche Gestalten dürfensich die Leser als nächstes freuen?Lux:Als nächstes kommt Paulus, ebenfalls2004 mit Sicherheit Salomo. Daniel istauch geplant, ebenso Ruth.Böttrich: Und dann steht auch Maria Mag-dalena bevor.

Das Interview führte Carsten Heckmann.

Die Taschenbuch-Reihe „Biblische Gestalten“erscheint in der Evangelischen VerlagsanstaltLeipzig. Herausgeber sind Christfried Böttrichund Rüdiger Lux.Bislang erschienen sind folgende Bände:Band 1 von Rüdiger Lux (Leipzig): Josef. DerAuserwählte unter seinen Brüdern.Band 2 von Christfried Böttrich (jetzt Greifs-wald): Petrus. Fischer, Fels und Funktionär. Band 3 von Jürgen Ebach (Bochum): Noah. DieGeschichte eines Überlebenden.Band 4 Jürgen Becker (Kiel): Maria. MutterJesu und erwählte Jungfrau.Band 5 von Manuel Vogel (Münster): Herodes.König der Juden, Freund der Römer.Band 6 von Ulrich B. Müller (Saabrücken):Johannes der Täufer. Jüdischer Prophet undWegbereiter Jesu.Band 7 von Georg Hentschel (Erfurt): Saul.Schuld, Reue und Tragik eines „Gesalbten“.(Ein Buch kostest 14,80 Euro, das umfangrei-che Herodes-Buch ist zwei Euro teurer. WeitereInformationen bei der Evangelischen Verlags-anstalt im Internet: www.eva-leipzig.de)

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Geben die Reihe „Biblische Gestaltenheraus: Christfried Böttrich (l.) undRüdiger Lux. Foto: C. Heckmann

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Kind undKindheitim altenIsraelInterdisziplinäresForschungs-projekt geplantVon Prof. Dr. Rüdiger Lux und Dr. AndreasKunz, Institut für Alttestamentliche Wis-senschaft

Vor zwei Jahren führte die TheologischeFakultät eine interdisziplinäre Ringvorle-sung zu dem Thema „Das Kind in Religion,Kirche und Gesellschaft“ durch. Dabeiwurde deutlich, dass das Thema „Kind undKindheit im alten Israel“ in der Forschungweithin immer noch eine terra incognitadarstellt. Das verwundert umso mehr, dadoch die Kindheit Bestandteil der Sozial-geschichte eines jeden Volkes ist. In demgeplanten Forschungsprojekt sollen dieVorstellungen, Wertungen und sozialenEinbindungen von Kindern im alten Israelauf der Grundlage der literarischen, ikono-graphischen und archäologischen Zeug-nisse erhoben werden.Die neuere Kindheitsforschung hat dieEntdeckung der Kindheit dem 19. Jahr-hundert zugeschrieben. Vorher galtenKinder als kleine Erwachsene, Kindheitvollzog sich als Imitation der Erwachse-nenwelt. Kinder wurden unter einem öko-nomischen Gesichtspunkt als „nachwach-sende Ressourcen“ betrachtet.Derartige spätantike und mittelalterlicheVorstellungen vom Kind wurden gerne aufdie Antike und den Alten Orient über-tragen. Kinderopfer, sexuelle Ausbeutungvon geschlechtsreifen, aber noch nicht er-wachsenen Mädchen, eine Missachtungvon Kindern überhaupt – Klischees wiediese ziehen sich durch die Arbeiten zurKindheitsforschung. Zu Unrecht! Kinder sind in den literari-schen und bildlichen Hinterlassenschaftender Antike und des Alten Orients allgegen-wärtig. Sie haben im Bewusstsein derMenschen eine maßgebliche Rolle ge-spielt, was sich auch in den Schriften desAlten Testaments auf vielfältige Weiseniedergeschlagen hat. Im Kind gründetedas Glücksgefühl des Menschen, es sym-bolisierte geradezu ein erfülltes Leben(1 Sam 1f.; Ps 127). Ja, spielende Kinderstehen paradigmatisch für das künftigeHeil Jerusalems (Sach 8,5; Jes 11,8).Neben solchen positiven Aussagen fin-den sich Texte, die das gefährdete, das un-gehorsame, ungeratene oder auch dasleichtsinnige Kind thematisieren. Immerwieder begegnet die Problematik des „be-sonderen Kindes“. So fällt die symbolischeFiguration von Prophetenkindern und Kö-nigskindern in der prophetischen Lite-ratur auf (Jes 7,14ff.; 8,1ff.; Hos 1,2ff.),die mit ihren Symbolnamen für eine ganzbestimmte Botschaft (Heil – Unheil) ste-hen. Da eine umfassende Zusammenstellung,Untersuchung und Auswertung der ange-

sprochenen sozialen, theologischen undliterarischen Phänomene bis heute nichtvorliegt, fehlt bisher jegliche Grundlagefür die Klärung der wichtigsten Aspektedes Themas Kind und Kindheit im alten Is-rael. Welche Vorstellungen verbanden sichmit der Zeugung, Geburt und Erziehungvon Kindern? Gingen sie in die Schule oderwurden sie zu Hause unterrichtet? Diffe-renzierten die Eltern bei der Erziehungzwischen Jungen und Mädchen? Wann wardie Kindheit zu Ende, wann galt ein jungerMensch als erwachsen? Welche Wertungenerfuhren Kinder und die Lebensphase derKindheit in Israel in biblischer Zeit? Inwelcher Weise waren diese Wertungen vonder sozialen Stellung oder zeitgeschicht-lichen Umbrüchen abhängig? Gab es his-torisch bedingte Verschiebungen? Inwie-weit lassen sich diese auf wechselnde Kul-turkontakte zurückführen? Gibt es israeli-tische Spezifika?Die Antworten auf diese Fragen lassen sichnur im engen Kontakt mit den Nachbar-wissenschaften geben. So – um ein Bei-spiel zu geben – existierte im Alten Orientdie Vorstellung, dass das Kind vor der Zeu-gung im Körper, häufig im Herzen, desMannes entsteht. Mit dem Geschlechtsver-kehr geht es vom Mann in die Frau über,die es – gleich einem Feld – empfängt undgroß werden lässt. In welcher Weise parti-zipierte das alte Israel an derartigen Vor-stellungen? Das interdisziplinär konzipierte Projektsieht die Zusammenarbeit mit Ägyp-tologen, Altorientalisten, Medizinhistori-kern, Pädagogen und anderen interes-sierten Wissenschaftlern vor. Im Mittel-punkt der Untersuchung wird die Fragestehen, welche sozialen, religiösen,psychologischen, medizinischen und päd-agogischen Vorstellungen vom Kind inIsrael existierten und welche Gemeinsam-keiten und Unterschiede sich gegenüberden anderen Mittelmeerkulturen feststellenlassen.Vom 30. September bis 2. Oktober 2004wird an der Theologischen Fakultät derUniversität Leipzig eine Tagung derAlttestamentlichen Arbeitsgemeinschaft(ATAG) zum Thema „Kindheit in Bibel,Orient und Antike“ stattfinden, an der sichnamhafte Referenten unterschiedlicherWissenschaftsbereiche (Altes Testament,Altorientalistik, Ägyptologie, Archäologie,Alte Kirche, Geschichte der Pädagogik,Geschichte der Medizin) beteiligen. Inter-essenten sind schon jetzt herzlich einge-laden.

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Die Beiträge der Vorlesung „Das Kind inReligion, Kirche und Gesellschaft“ sindnachzulesen in dem Sammelband „Schauauf die Kleinen … Das Kind in Religion,Kirche und Gesellschaft“, herausgegebenvon Rüdiger Lux (Evangelische Verlags-anstalt Leipzig, 2002).

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DieSprachender BibelÜbersetzungenaus zweiJahrtausendenVon Dr. Monika Linder,Leiterin der Sondersammlungen in derUniversitätsbibliothek Leipzig

Gegen Ende des Jahres der Bibel präsen-tiert die Universitätsbibliothek Leipzigeine Ausstellung über die Geschichte derÜbersetzungen des „Buches der Bücher“.Tatsächlich bieten die historischen Be-stände der Universitätsbibliothek Leipzigeine Fülle von originalen Bibeltexten, daschon der Ursprung der Bibliothek aufreichhaltige Klosterbestände zurückgehtund Theologica immer unter die Sammel-schwerpunkte fielen.Die älteste Sprache der Bibel ist das He-bräische, deren früheste Zeugnisse inQumran gefunden wurden. Schon im drit-ten Jahrhundert v. Chr. entstand die er-weiterte griechische Fassung, die Septua-ginta. Die Christen fügten diesem dann sogenannten „Alten Testament“ das „NeueTestament“ auf Griechisch hinzu, mit denvier Evangelien. Die Hauptüberlieferungs-träger waren Papyri, Tonscherben oderOstraka, später Pergament. Seit dem 2. Jh.n. Chr. gab es lateinische Übersetzungen,genannt „in alter Version“ oder „Vetuslatina“. Diese wurde langsam abgelöst voneiner neuen Version des KirchenvatersHieronymus im 4. Jh., genannt die „allenBekanntgemachte“, die „Vulgata“. Siewurde erst nach dem Zweiten Vatikanum(1979) durch die „Nova Vulgata“, die neueVulgata, abgelöst.Durch die Säkularisation sind zahlreichelateinische Bibelhandschriften in den Be-sitz der Universität gelangt, z. B. aus demLeipziger Dominikanerkloster und demAugustiner-Chorherrenstift auf dem Pe-tersberg bei Halle. Sie zeugen von einerregen Schreibertätigkeit. Darüber hinausbieten gerade die Bibeln reichen Buch-schmuck.Bald genügte die Sprache des Klerus undder Gelehrten nicht mehr, schon seit dem9. Jh. wurden Teile der Bibel in Volks-sprachen übersetzt oder nacherzählt. Bei-spiele dafür liefern Reimbibeln oder dieGattung der „Biblia pauperum,“ der „Ar-menbibel“, in der Bilder überwiegen undder Text meist kurz gehalten ist, so dasssich der Inhalt auch Leseunkundigen er-schloss. Ab dem 14. Jh. setzte sich dievolkssprachliche Vollbibel durch, diedirekt aus der Vulgata übersetzt wurde. Da-von sind über 100 Handschriften oderFragmente aus der zweiten Hälfte des15. Jhs. überliefert – keine unerheblicheZahl, bedenkt man, dass Luthers ersteÜbersetzung des Neuen Testaments, des„Septembertestaments“, im Jahre 1522 er-schienen ist – im Druck. Schon Ende des-selben Jahres folgte die zweite verbesserte

Version, das „Dezembertestament“, in derWittenberger Druckerei des LeipzigersMelchior Lotter d. J.Zweifellos hatte der Buchdruck den end-gültigen Durchbruch zur Verbreitung desBibeltextes gebracht. Außerdem bedingtedie Qualität der Sprache und die dadurcherzeugte bessere Verständlichkeit denErfolg von Luthers Übersetzungen, die dievorherigen meist anonymen oder vonLaien angefertigten und oft unbeholfenenweitaus übertrafen. Die bekannte, in einemKapitel aus der Offenbarung abgebildeteDarstellung der auf einem siebenköpfigenTier reitenden Hure mit Papstkrone aus derWerkstatt der Cranach-Schule war einHauptanklagepunkt, als über Luther amReichstag zu Worms 1521 der Bann aus-gesprochen und der Druck seiner Schriftenverboten wurde. Diesbezüglich ist ein Exemplar der 1534bei Hans Lufft erschienenen ersten Aus-gabe der Vollbibel besonders interessant.Es stammt aus dem Besitz von Caspar Bor-ner, dem Rektor der Universität Leipzigwährend der Säkularisation, dem die Uni-versitätsbibliothek ihre Klosterbesitze ver-dankt, und wurde von dem Leipziger Buch-binder Adolar Baldenshain gebunden.Diese Tatsache ist insofern wichtig, als zudieser Zeit der Handel und Besitz der Lu-therbibel in Leipzig verboten war. Erst mitdem Tod des altgläubigen Herzog Georgund der Einführung der Reformation inSachsen im Jahre 1539 wurde dieses Ver-bot aufgehoben. Neben Luthers Werk er-

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Ausstellung in derUniversitätsbibliothek

Die Ausstellung über „Die Sprachen derBibel“ in der Universitätsbibliothekbietet einen Überblick von Anfang derBibelübersetzungen auf Papyri übermittelalterliche Handschriften bis hin zuFrühdrucken und Missionsbibeln. Diefrühesten Texte sind u. a. dargestellt aufeinem eindrucksvollen restauratorischnachgestalteten Papyruscodex und ei-nem Ostrakon. Der Übergang vom La-tein zum Deutschen, von der Handschriftzum Druck, wird deutlich z. B. an dersog. „Lutherbibel“, einer fein verziertenlateinischen Miniaturbibel aus Frank-reich, die aus dem Besitz von Lutherselbst stammt. Schließlich zeugen wert-volle Drucke des 15. bis 17. Jahrhundertssowie exotische Missionsdrucke von derVielfältigkeit der Sprachen der Bibel.

Die Ausstellung ist bis 24. Januar 2004montags bis freitags von 10 bis 20 Uhrin der Universitätsbibliothek in derBeethovenstraße 6 zu sehen. Führun-gen gibt es jeden Mittwoch um 17 Uhrund auf Anfrage (Kontakt: Dr. MonikaLinder, Tel.: 03 41/9 73 05 46, E-Mail:[email protected]). Eine Begleit-broschüre ist für 3 e erhältlich. Die Aus-stellungstexte stehen auch im Internetunter www.ub.uni-leipzig.de/aktuell/ausstellung3.htm

Psalmen in Tamilisch, Tranquebar 1724

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schienen weitere jeweils konfessionell ab-hängige Übersetzungen. Die in Sachsenpolitisch brisanteste Aktion war der Druckdes „Emser-Testaments“, Auftragsarbeitvon Herzog Georg und Gegenentwurf zurLutherschen Übersetzung, gedruckt 1527bei Wolfgang Stöckel in Dresden. Spätestens mit dem Humanismus begannman im mitteleuropäischen Raum, nichtzuletzt durch die Auswirkungen der Refor-mation, sich mit der Geschichte und Über-lieferung der Texte zu befassen. ErstesErgebnis bzw. erste Grundlage der wissen-schaftlichen Beschäftigung mit verschie-densprachigen Bibeltexten war die Poly-glotte. Nach Texten aus den ältesten ge-fundenen Handschriften wurden in ei-ner außerordentlichen buchdruckerischenLeistung auf einer Seite der jeweiligehebräische, griechische und lateinischePassus gedruckt. Die sechsbändige „Com-plutensische Polyglotte“ aus Alcalá deHenares, erarbeitet zwischen 1502–1517unter der Leitung des Kardinal Jiménez deCisneros, ist nicht nur wegen der hohenDruckkunst sehr wertvoll, sondern auchaufgrund der Tatsache, dass sie Texte vonmittlerweile verschollenen Handschriftenbenutzt hatte.Eine ähnliche Herausforderung für denBuchdruck bedeutete die Darstellung ara-bischer Lettern. In Venedig war der erstearabische Druck mit beweglichen Buch-staben schon 1514 erschienen. Der erste in Deutschland gedruckte arabische Text,ein Galaterbrief, wurde von dem protes-tantischen Heidelberger Pfarrer RuthgerSpey herausgegeben, der vorsichtshalberdem kleinen Druck eine arabische Kurz-grammatik beifügte!

Einen weiteren Höhepunkt in der Bibelfor-schung bildet das 19. Jahrhundert. Heraus-ragende Leipziger Gelehrte waren z. B.Franz Delitzsch und Konstantin von Ti-schendorf. Als Professor für Altes Testa-ment und als engagierter Verfechter derKonversion jüdischer Gläubiger zumChristentum übersetzte Franz Delitzsch(1813–1890) das Neue Testament neu insHebräische. Dafür nahm er als Grund-lage den von Tischendorf (1815–1874)gerade entdeckten Codex Sinaiticus, dieälteste griechische Bibelüberlieferung, vonder die Universitätsbibliothek 43 Blätterbesitzt (siehe dazu Beitrag von Dr.Ekkehard Henschke, Direktor der Univer-sitätsbibliothek, auf S. 22).Ein weites Feld der Sprachen der Bibel bil-den die Missionarsübersetzungen, die auf-grund ihrer typographischen Gestaltungbestechen, denkt man zum Beispiel an dieschwierige Darstellung von Schnalzlautender Nama-Nomaden in Südwestafrika.Diese Drucke sind meist mit abenteuer-lichen Geschichten verbunden, so über-setzte beispielsweise Joseph Brant bib-lische Bücher als Häuptling der Mohawk-Indianer. Hugo Hahn, Pionier der Herero-Mission in Südwestafrika, wirkte alsFriedensstifter zwischen den verfeindetenHerero- und Nama-Stämmen, und ErnstJohannsen lehrte den jungen Senyoni auseinem Stamm in Ruanda Schreibmaschineschreiben.Diese außerordentlichen Zeugnisse inten-siver Übersetzungstätigkeit und unter oftschwierigen Bedingungen ausgeübterDrucktätigkeit verdeutlichen einmal mehrdie facettenreiche Geschichte der Sprachender Bibel.

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AmRande

Eine gute Nachricht sollte es sein, dieein Discounter namens Aldi Ende No-vember verkündete. Und diese guteNachricht bestand darin, dass es „diegute Nachricht“ geben würde. Im Aldi-Regal, auf 1300 Seiten, im Kunstleder-einband, für 11,99 Euro. Die Bibel beiden Brüdern Albrecht. Man könntemeinen: ein Fremdkörper zwischenMarmelade und Margarine. Ge-schmacklos. Aber nein, ganz und garnicht, meinte der Leiter eines evange-lischen Schulzentrums. Eine Landes-bischöfin schloss sich seiner Meinungan: Eine gekaufte Aldi-Bibel seischließlich besser als eine, die in derBuchhandlung liegen bleibt.Richtig so. Das ist Kapitalismus. Odermeinte die Bischöfin das etwa anders?Aldi meinte es bestimmt nicht anders.Schließlich geht’s ums Geld im Fest-tagsgeschäft. Oder hat es zu Osternvielleicht die Kinderbibel für 7,59 Eurogegeben, nur weil erfolgreiche Le-bensmittelhändler erfahrungsgemäßirgendwann zu Missionaren umschu-len? Wobei man sich dann schon fra-gen kann, warum nicht auch Tora undKoran in die Regale kommen. „Gut,bei Aldi geht man davon aus, dass die Kunden den Koran schon haben“,gab Lästerer Harald Schmidt zu Proto-koll.Wie man es auch dreht und wendet:Selbst für Gottes Wort muss man nichtnur an ihn, sondern auch an die Ge-setze der Marktwirtschaft glauben. Einvon der Leipziger Volkszeitung Be-fragter hatte das gleich realisiert – unddie richtige Schlussfolgerung gezo-gen: „Bibeln gibt’s anderswo billiger.“

Carsten Heckmann

Links: Johannes-Evangelium in Toba (Bataksprache), Amsterdam 1859

Mitte: Matthäus-Evangelium, Kalmückisch, St. Petersburg 1815

Rechts: Korintherbrief, Tibetisch, Kyelang, um 1885

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In den Sondersammlungen der Universi-tätsbibliothek Leipzig (UBL) liegen seit1844 43 Blätter des Codex Sinaiticus. Die-ser Codex ist die älteste erhalten geblie-bene Abschrift der Bibel, bestehend ausdem Alten und dem Neuen Testament, undentstand um die Mitte des 4. Jahrhunderts.Die Entstehungsgeschichte dieser Perga-ment-Handschrift liegt weitgehend imDunklen, nicht aber die abenteuerlicheGeschichte ihrer „Wanderung“ vom Orientin den Okzident.Im Jahre 1844 fand der Leipziger TheologeKonstantin von Tischendorf 43 Blätter imSt.-Katharinen-Kloster, das unterhalb desMoses-Berges auf dem Sinai liegt. Erbrachte sie in die UBL, wo sie zunächst alsCodex Friderico-Augustanus (nach KönigFriedrich August II von Sachsen) bezeich-net wurden. Bereits zwei Jahre später ver-öffentlichte Tischendorf eine sorgfältig be-arbeitete lithographische Wiedergabe die-ser Blätter und erstellte dazu einen lateini-schen Kommentar zu diesem kleinen Teildes Alten Testamentes. Der größere Teil,rund 300 Blätter umfassend, gelangtedurch Tischendorfs Vermittlung zunächstan den russischen Zaren und wurde später,

in den 1930er Jahren, von der sowjetischenRegierung an das British Museum in Lon-don verkauft. Dieser Teil, der auch dasNeue Testament enthält, befindet sichheute in der British Library (BL) in Lon-don. Einige wenige Blätter und Fragmenteliegen noch im St.-Katharinen-Klostersowie in der Russischen Nationalbiblio-thek in St. Petersburg. Es war die British Library in London, dieim Jahre 2002 die Initiative ergriff, um dieverstreuten Teile dieses Codex Sinaiticuswieder zusammen zu führen. Diese briti-sche Nationalbibliothek, seit einigen Jah-ren in einem architektonisch bemerkens-werten, modernen Gebäude untergebracht,ist eine der größten und ältesten National-bibliotheken überhaupt und besitzt u. a. die größte Bibelsammlung der Welt. Am7. 11. 2002 fand dort eine kleine internatio-nale Tagung statt, auf der erstmals die Mög-lichkeiten diskutiert wurden, wie die ein-zelnen Teile des Codex Sinaiticus in digi-taler Form wieder zusammengeführt wer-den könnten. Seitdem sind neben demSteuerungsgremium (Project Board) meh-rere Arbeitsgruppen (Working Parties) tätiggewesen, in denen Vertreter der BL, derUBL, des St.-Katharinen-Klosters sowietheologische und EDV-Fachleute aus Groß-britannien, Deutschland, USA und Grie-chenland mitarbeiteten. Die Projektleitungliegt bei der British Library. Die UBL, diedurch ihren Direktor im Steuerungsgre-mium und in der Arbeitsgruppe der Kusto-den sowie durch die Leiterin der Sonder-sammlungen in der Arbeitsgruppe Restau-rierung vertreten ist, hat dabei die Rolleeines Juniorpartners, der bei dem interna-tionalen Vorhaben viel lernen kann.In den Arbeitsgruppen wurden und werdenFragen der Konservierung bzw. Restaurie-rung – bei den 43 Leipziger Blättern eingroßes Problem –, der technischen Stan-

dards für die Digitalisierung sowie derTranskription, Übersetzung und wissen-schaftlichen Beschreibung der einzelnenCodex-Teile diskutiert. Als Endproduktesind entsprechend bearbeitete und be-schriebene Images im Internet, CD-ROM-bzw. DVD-Ausgaben sowie eine Faksi-mile-Ausgabe und ein wissenschaftlicherKommentarband des Codex Sinaiticusvorgesehen. Allerdings setzt diese nochlaufende Planung voraus, dass es den vierPartnern in London, Leipzig, St. Peters-burg und im St.-Katharinen-Kloster in na-her Zukunft gelingt, die entsprechendenfinanziellen Mittel einzuwerben. Für die Universitätsbibliothek Leipzig istdies sowohl eine Herausforderung als aucheine große Chance als lernende Institution.Die UBL hat im Rahmen des Papyrus-Pro-jektes mit Jena und Halle bereits Erfahrun-gen mit der Restaurierung, wissenschaft-lichen Beschreibung und Digitalisierungsowie der Sicherheitsverfilmung wertvollerMaterialien gewinnen können. Das giltauch für das virtuelle Faksimile, das dieUBL zusammen mit dem Deutschen His-torischen Museum in Berlin von derschönen jüdischen Machsor-Handschrift(14. Jahrhundert) herstellen konnte. Die an-gestrebten technischen und wissenschaft-lichen Anforderungen, die von den Exper-ten an den Codex Sinaiticus in der neuendigitalisierten Form gestellt werden, gehenteilweise jedoch noch über diese Erfahrun-gen und die gesetzten Standards hinaus.Zwei Resultate hat die Mitarbeit in deminternationalen Projekt für die UBL bereitsergeben: Die 43 Blätter sind gründlich vonden UBL-Restauratorinnen untersucht, do-kumentiert und danach ausgebunden undin säurefreie Umgebung umgebettet wor-den. Zum anderen wurde die Benutzungdieser Blätter ebenso gesperrt wie die dersehr fragil gewordenen Machsor-Hand-schrift. Letztere kann aber bereits jetzt indigitalisierter Form in der UBL betrachtetwerden.

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Ein neues Leben für dieälteste Bibel-Handschrift?Der Codex Sinaiticus soll digitalisiert werden Von Dr. Ekkehard Henschke, Direktor der Universitätsbibliothek

Ein Blatt aus dem Codex Sinaiticus.Foto: Universitätsbibliothek

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Das Verhältnis des Wirkens Jesu zur Ent-stehung des christlichen Glaubens ist eineintensiv diskutierte, kontrovers beurteilteFrage theologischer Forschung. In denletzten Jahren hat sie, hauptsächlich durchImpulse aus der amerikanischen For-schung, neuen Auftrieb erhalten. Das Pro-blem liegt im Charakter der ältesten Quel-len. Die maßgeblichen Zeugnisse – dieSchriften des Neuen Testaments – zeichnenein Bild, das vom Glauben an Jesus als vomTod auferstandenen und erhöhten SohnGottes geprägt ist. Diese Überzeugunglässt sich jedoch nicht geradlinig aus demWirken Jesu herleiten. Vielmehr hat diekritische Forschung längst erkannt, dassdie frühchristlichen Glaubensüberzeugun-gen auf komplexen Deutungsvorgängenberuhen, die über das Wirken und Ge-schick Jesu oft weit hinausgehen. Wennetwa in einer alten Aussage formuliertwird, Gott habe durch Jesus und auf ihn hindie Welt erschaffen, stehen mittelplatoni-sche Vorstellungen über das Wirken Gottesin der Welt im Hintergrund, die sich auchin jüdischen Texten niedergeschlagen ha-ben und nunmehr herangezogen werden,um die Bedeutung Jesu auszusagen.Historisch-kritische Jesusforschung hatsich seit jeher darum bemüht, hinter sol-chen Deutungen den Menschen Jesus zuentdecken. Ihr eignet deshalb ein kritischerImpuls: Die christlichen Glaubensüberzeu-gungen, die „Dogmen“ der Kirche, sollenam Maßstab historisch-kritischen Bewußt-seins geprüft – und ggf. korrigiert – wer-den. Die Jesusforschung hat so einen wich-tigen Beitrag zur Entstehung der kritischenBibelwissenschaft geleistet. Wenn bis inneueste Jesusdarstellungen hinein betontwird, es werde historische Forschung ohneRücksicht auf Glaubensüberzeugungenbetrieben, versteht sich dies vor diesemHintergrund.In der gegenwärtigen Jesusforschung sindzwei Haupttendenzen auszumachen. Dieerste steht im Kontext neuerer Entwicklun-

gen in der Geschichtstheorie. Generell gilthier: Die Beschäftigung mit der Vergan-genheit führt nicht zu deren Wiederherstel-lung (Re-konstruktion), sondern vollziehtsich als Dialog zwischen Gegenwart undVergangenheit. Angewandt auf die Jesus-forschung bedeutet dies: Auch die – zwei-fellos notwendige – Anwendung histori-scher Kritik auf die christlichen Quellenführt nicht zu dem „wirklichen“ Jesus zu-rück, sondern zu Bildern, die wir uns an-hand der zugänglichen Quellen von ihmmachen. Der „historische Jesus“ ist des-halb ein hypothetisches, der Veränderungunterworfenes Produkt kritischer For-schung und von der Person Jesu selbst zuunterscheiden. Diese Einsicht gilt für dieErforschung anderer Personen und Phäno-mene der Vergangenheit in analoger Weise.Die Pluralität der Jesusbilder in der gegen-wärtigen Forschung ist deshalb kein Defi-zit, sondern Ausdruck unterschiedlicherBewertungen des historischen Materials.Die andere Tendenz betrifft inhaltlicheAkzente. Im Vergleich mit früheren Phasenkennzeichnet die gegenwärtige Jesusfor-schung eine weit umfassendere Berück-sichtigung des Quellenmaterials. Dies be-trifft nichtchristliche (jüdische und heid-nische) Texte sowie christliche Quellenaußerhalb des Neuen Testaments. Geradeum die letzteren, und hier besonders umdas im 20. Jahrhundert entdeckte Thomas-evangelium, hat es in den zurückliegendenJahren eine intensive Diskussion gegeben.Als deren Ertrag kann festgehalten werden,dass das aus den neutestamentlichen Tex-ten zu erhebende Jesusbild durch dieseQuellen zwar nicht grundsätzlich verändertwird, sie gleichwohl weitere Rezeptionendes Wirkens und Geschicks Jesu bezeugen.Die Berücksichtigung archäologischer undliterarischer Quellen aus dem Umfeld Jesuhat zur konsequenten Einordnung seinesWirkens in das Judentum Galiläas im1. Jahrhundert geführt. Es wurde deutlich,dass sich das Auftreten Jesu nur angemes-

sen verstehen lässt, wenn es in diesem zeit-geschichtlichen Kontext interpretiert wird.Galiläa war jüdisch geprägt, Konflikte mitder von den Römern eingesetzten Herr-schaft sind ebenso zu konstatieren wieSpannungen zwischen Stadt und Land.Die Wirksamkeit Jesu zielte vermutlich aufeine Erneuerung Israels. Als Jude auseinem galiläischen Dorf stand er sowohlden Städten, in denen sich griechische undrömische Fremdeinflüsse stärker bemerk-bar machten, als auch den jüdischen Auto-ritäten in Jerusalem skeptisch gegenüber.Angesichts der Herrschaft Gottes, derenAnbruch er mit seinem eigenen Wirkenverband und unmittelbar bevorstehen sah,relativierte er den Anspruch politischerInstitutionen und gründete stattdessen eineeigene Gemeinschaft, gruppiert um denKreis der zwölf Jünger, der das erneuerteIsrael repräsentierte. Die Überzeugung vonseiner eigenen Bedeutung als RepräsentantGottes führte bei seinen jüdischen Zeit-genossen zu einer Polarisierung zwischenAblehnung und Akzeptanz. Die Römersahen in ihm vermutlich einen Aufrührer,der im Sinne der politischen Ordnung zubeseitigen war und verurteilten ihn deshalbzum Kreuzestod. Für seine Anhänger be-deutete dies zunächst einen Schock, führtedann jedoch zu der Überzeugung, dass seinAnspruch, im Namen Gottes zu wirken,weiterhin bestehe.Die neuere Jesusforschung hat das ProfilJesu als eines galiläischen Juden des 1. Jhs.geschärft. Damit wird zugleich die Ver-wurzelung des Christentums im Judentumunterstrichen. Weiter ist deutlich, dass dasChristentum auf Aufnahme und kreativeWeiterführung der Impulse Jesu sowie aufDeutungen seines Wirkens und Geschicksunter Zuhilfenahme zeitgenössischerDenkkategorien zurückzuführen ist.

Der Autor wird zur Taschenbuch-Reihe„Biblische Gestalten“ (s. dazu InterviewS. 17–18) den Band „Jesus“ beisteuern.

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Der historische Jesus und dieEntstehung des ChristentumsTendenzen der gegenwärtigen Jesusforschung Von Prof. Dr. Jens Schröter, Institut für Neues Testament

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„Wer sich mit der beruflichen Laufbahnund seinem wissenschaftlichem Werk aus-einandersetzt, stößt sehr bald darauf, wiekonsequent Georg Sandberger seine Be-schäftigung mit gesellschaftsrechtlichenFragen für sein Amt zu nutzen wusste undwie er es auf dem Weg über seine wissen-schaftlichen Veröffentlichungen und seineumfassende Mitwirkung in zahlreichenFunktionen geschafft hat, seine zivilrecht-lichen Kenntnisse und Einsichten für dieöffentliche Verwaltungspraxis weit überseinen eigenen Verantwortungsbereich ander Universität Tübingen hinaus fruchtbarzu machen.“Mit diesen Worten führte der Kanzler derUniversität Leipzig, Peter Gutjahr-Löser,am 13. 11. in einer Feierstunde im Alten Se-natssaal in das Werk von Prof. Dr. GeorgSandberger ein, der an diesem Tag aus derHand des Dekans der Leipziger Juristenfa-kultät, Prof. Dr. Martin Oldiges, die Ehren-doktorwürde empfing. In seinem Grußwortdankte der Rektor, Prof. Dr. Franz Häuser,Sandberger für seine Hilfsbereitschaft undwies auf frühere fachliche Berührungs-punkte hin. Sandberger hatte zunächst einewissenschaftliche Laufbahn eingeschlagenund sich vor allem mit gesellschaftsrecht-lichen Fragen, besonders mit der Entwick-lung des Wettbewerbsrechts in der Europäi-schen Gemeinschaft, beschäftigt. Als er1979 zum Kanzler der Universität Tübingenbestellt wurde, hat er seine wissenschaft-liche Tätigkeit aber nicht eingestellt. Seinezahlreichen Publikationen und seine aktiveLehrtätigkeit führten 1989 dazu, dass erzum Honorarprofessor für BürgerlichesRecht, Handels- und Wirtschaftsrecht anseiner Universität bestellt wurde. Obwohlvon ihm auch in der Folgezeit Publikationenzum gewerblichen Rechtsschutz und zumUrheberrecht erschienen, ging der Schwer-punkt seiner rechtswissenschaftlichen Fra-

gestellungen doch mehr und mehr zumHochschulrecht über. Dabei verstand Sand-berger es, seine Kompetenz vor allem anden Nahtstellen zum öffentlichen Rechtfruchtbar zu machen, an denen den Univer-sitäten mehr und mehr am Marktgeschehenorientierte Verhaltensweisen abgefordertwerden. Das wird besonders deutlich daran,dass Sandberger sich bereits seit 1984 mitden wirtschaftlichen Problemen der Uni-versitätskliniken beschäftigte – zu einerZeit, als diese Frage den politischen Raumnoch kaum erreicht hatte.Als es im Gefolge der im Jahr 1995 vorge-legten Empfehlungen des Wissenschafts-rates und der Kultusministerkonferenz invielen Bundesländern zur rechtlichen Ver-selbständigung der Universitätsklinikenkommt, um damit die Probleme bei derFinanzierung der Krankheitskosten imBereich der Universitätsmedizin lösen zuhelfen, meldet sich Sandberger erneut zuWort. In einem Vortrag vor der Juristen-fakultät und der Medizinischen Fakultätder Universität Leipzig 1996 bezweifelt erzunächst, ob die Ziele der Organisations-reform die rechtliche Verselbständigungerfordern, da die Sicherung wirtschaft-licher Eigenverantwortung der Klinikensich durch eine Veränderung der Füh-rungsstruktur auch in der damals nochüberall vorhandenen rechtlich unselbstän-digen Anstalt verwirklichen lasse. Wenn esaber zu der Ausgliederung der Klinikenkomme, sei dies nur bei Wahrung der vonder Rechtsprechung entwickelten Moda-litäten zulässig. Die gesetzgeberische Ge-staltungsfreiheit sei wegen der engen Ver-flechtung von medizinischer Forschung,Lehre und Krankenversorgung beschränkt.Sandberger bezweifelt, ob es zulässigwäre, die Trägerschaft der Universitätskli-niken von Privaten übernehmen zu lassen,weil es dabei zu schwer lösbaren Zielkon-flikten zwischen Gewinnerzielung und denAufgaben von Forschung und Lehre

komme. Die rechtlich selbständige Anstaltdes öffentlichen Rechts lasse demgegen-über zwar die Berücksichtigung der ver-fassungsrechtlichen Maßstäbe durch denGesetzgeber zu. Doch ergäben sich auchhier eine Reihe von Folgeproblemen.Schließlich fordert Sandberger, dass derFakultät „auch haushaltswirtschaftlich eineausreichende Eigenständigkeit gegenübereinem rechtlich verselbständigten Klini-kum eingeräumt wird“. Der Inhalt diesesVortrags wird zur Richtschnur für dieStellungnahme der Universität Leipzig imRahmen der sächsischen Gesetzgebung zudiesem Fragenkreis.Sandberger hat eine vorläufige Summe sei-ner hochschulrechtlichen Erfahrungen undEinsichten 2002 in der Zeitschrift „Wis-senschaftsrecht“ gezogen. Sie lautet in derZusammenfassung: „Insgesamt ist derBefund zur Organisationsautonomie derHochschulen, gemessen an den den Re-formgesetzen vorausgestellten Prinzipien,enttäuschend. Der vom HRG eröffneteGestaltungsspielraum wurde nicht an dieHochschulen mit dem Ziele eines Wettbe-werbs der Organisationsstrukturen weiter-gegeben. Die Landesgesetzgeber haben da-mit das ordnungspolitische Defizit desHRG auf ihre Ebene verschoben.“ Abschließend befasste sich der Laudatormit den ganz besonderen VerdienstenSandbergers um die Neuorganisation derUniversität Leipzig nach der politischenWende. Gutjahr-Löser: „Georg Sandbergerist ein großer, uneigennütziger Freund un-serer Universität. Nicht nur, dass wir in allden Jahren, in denen wir uns darum bemü-hen, unsere Universität ihrer großen Tradi-tion entsprechend in den Kreis der ange-sehenen Hochschulen unseres Landes zu-rückzuführen, seinen konkreten Rat immerumfassend und uneigennützig erfahrenhaben. Er hat unsere Mitarbeiter in der Tü-binger Universitätsverwaltung hospitierenund lernen lassen, er hat den ersten Nach-wende-Verwaltungsdirektor unseres Klini-kums in Tübingen zwei Monate lang aufseine Aufgabe vorbereitet. Die ‚kurzenWege‘, die für uns bei konkreten Frage-stellungen zu seinen früheren Mitarbeiternbestehen, sind nach wie vor eine nicht weg-zudenkende Hilfe.“ Außer den Mitgliedern der Juristenfakultätund zahlreichen Mitarbeitern der LeipzigerUniversitätsverwaltung waren auch eineganze Reihe von Universitätskanzlern, vorallem aus den neuen Bundesländern, dar-unter auch deren Bundessprecher, zu derFeierstunde erschienen. r.

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„EingroßerFreund“Georg Sandbergerist Ehrendoktor

Georg Sandberger Foto: A. Kühne

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Am 6. Dezember wurde Prof. Peter Fritz,seit 1991 Wissenschaftlicher Direktor desUmweltforschungszentrums Leipzig-Halle(UFZ) unter dem Rektorat des Professorsfür Bürgerliches Recht, Bank- und Börsen-recht sowie Arbeitsrecht, Franz Häuser,und dem Dekanat des Professors für Phar-mazeutische Chemie, Kurt Eger, die Eh-rendoktorwürde verliehen. Prof. Fritz er-hielt die Ehrung auch auf Initiative der Fa-kultät für Physik und Geowissenschaftenfür seine Verdienste um die wissenschaft-liche Durchdringung von umweltrelevan-ten Prozessen, für seine wesentlichen Bei-träge zum Aufbau einer Leipziger Wissen-schaftslandschaft und für seine Forschungund Lehre in der Vielfalt der naturwissen-schaftlichen Fächer, insbesondere in denBio- und Geowissenschaften.Doch wer ist derjenige, zu dessen Ehrungkein geringerer als der Direktor der UNO-Umweltbehörde UNEP, Klaus Töpfer, per-sönlich anreiste? Natürlich ist er mit Leibund Seele Wissenschaftler, zum Vollblut-Wissenschaftsmanager hat er sich in denletzten zwölf Jahren, in denen er Verant-wortung für ein Forschungszentrum mitmehr als 650 Mitarbeitern trug, entwickelt.Bei all seinen Erfolgen (und die Liste derEhrungen, Mitgliedschaften und Vorsitzein Gremien, Kuratorien etc. ist lang) ist erein Mensch geblieben – kein Einheits-manager, kein Alleswisser, sondern einestarke charismatische Persönlichkeit miteigenem Profil und der Fähigkeit sichselbst infrage zu stellen. In den Schoß gefallen ist ihm das allesnicht; neben glücklichen Umständen oderFügungen hatte Peter Fritz den nötigenMut, Willen und Ehrgeiz, Dinge selber zugestalten, Verantwortung zu übernehmen,Möglichkeiten auszuschöpfen. Italienisch,Französisch, Spanisch, Englisch – Spra-chen, die Peter Fritz beherrscht und die einWegweiser durch sein Berufsleben sind,und die verraten, das er viel und gerneunterwegs war und ist.Geboren am 18. März 1937 in Stuttgart,studierte er nach einer Gärtnerlehre und

nachgeholtem Abitur bis 1962 Geologie ander TH Stuttgart. Ein Forschungsaufenthaltan der Universität Pisa bringt ihn in Kon-takt mit den Themen „Isotopenhydrologie“und „Isotopengeochemie“, in denen Pisazu dieser Zeit weltweit führend ist. Pisaprägt ihn auch in anderer Hinsicht. Die For-schung dort ist gekennzeichnet durch inter-disziplinäres Denken und durch Internatio-nalität. Zwei Dinge, die er an all seinenspäteren Wirkungsstätten umzusetzen ver-sucht. Es folgen die Promotion 1965 undein zweijähriger Forschungsaufenthalt ander Sorbonne in Paris, ehe er für 20 JahreEuropa den Rücken kehrt und nach Kanadageht (Edmonton und Waterloo). An derUniversität von Waterloo leitet er vieleJahre das Institut für Geowissenschaften,bis er 1987 neue Herausforderungen suchtund sich entscheidet, trotz der Liebe zuNordamerika nach Deutschland zurückzu-kehren. In München wird er Direktor desInstitutes für Hydrologie an der GSF (Ge-sellschaft für Umwelt und Gesundheit).Dort fällt er als Persönlichkeit auf, diewenig angepasst auch eigene Wege gehenkann, und man holt ihn als den „Mann für’sUnorthodoxe“ kurz nach der Wiederver-einigung nach Leipzig, um das Umwelt-forschungszentrum aufzubauen.Es wäre nicht Peter Fritz gewesen, wenn erneben dem Aufbau des neuen Forschungs-zentrums nicht seine ganze Kraft daran-gesetzt hätte, das UFZ nicht nur national,sondern vor allem auch international zuetablieren und konkurrenzfähig zu ma-chen. Eine Reihe von stabilen Netzwerkenund Forschungskooperationen in alle Teileder Welt gehen auf seine Initiative zurück.Dabei empfand er nie nur die reine wis-senschaftliche Zusammenarbeit wichtig,sondern sah die Forschung immer auch alsWegbereiter für die Industrie oder auch denFrieden, wie bspw. im Nahen Osten.Dass Peter Fritz auch ein Verfechter einerengen Zusammenarbeit von Universitäten,Hochschulen und außeruniversitärer For-schung der Region ist, zeigt sich u. a. ingemeinsamen Berufungen des UFZ mit

Universitäten der Region (Leipzig sieben,Halle fünf) und zahlreichen gemeinsamenForschungsprojekten. Aber er denkt auchan die Jungen (er etablierte bspw. Nach-wuchsarbeitsgruppen am UFZ) und sorgtdafür, dass jährlich etwa 100 Doktoranden,40 Post-Doktoranden und unzählige Prak-tikanten aus aller Welt sich am UFZ quali-fizieren.Im Jahr 2001, also zehn Jahre nach derGründung des UFZ, hätte Peter Fritz in denRuhestand gehen können. Man bat ihn zubleiben, um das UFZ durch die bislang gra-vierendste Umstrukturierung der Helm-holtz-Gemeinschaft, deren Mitglied es ist,zu begleiten. Der Unterstützung seinerMitarbeiter gewiss, führte er auch diesesUnterfangen erfolgreich zu seinem Ab-schluss. Im Juni bescheinigte eine inter-nationale Gutachterkommission dem UFZund seinem explizit interdisziplinär an-gelegtem Forschungsprogramm „Nach-haltige Nutzung von Landschaften“ einüberdurchschnittliches wissenschaftlichesNiveau. Die Finanzierung von Leipzigszweitgrößter Forschungseinrichtung ist fürweitere fünf Jahre gesichert und damitauch eine Forcierung der regionalen Ver-netzung, u. a. mit der Universität Leipzig.mNachdem Prof. Peter Fritz im Novemberdas Bundesverdienstkreuz 1. Klasse durchBundespräsident Rau verliehen wurde,ehrte nun die Universität Leipzig mit derVerleihung des Ehrendoktors am 6. De-zember die Leistungen des Wissenschaft-lers.

Susanne Hufe und Doris Böhme, UFZ

Heft 7/2003

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Der „Mann für’sUnorthodoxe“Ehrendoktorwürde für Peter Fritz

Peter Fritz Foto: UFZ

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Die Philologische Fakultät der Univer-sität Leipzig hat am 6. November im Al-ten Senatssaal dem Sprachwissenschaft-ler Prof. Dr. Peter von Polenz (Trier) dieEhrendoktorwürde verliehen. Die Eh-rung galt dem führenden deutschenSprachhistoriker und dem geachtetenHochschullehrer, und sie war auch eineWiedergutmachung der Universität anihrem Absolventen für erlittenes UnrechtAnfang der 50er Jahre. Die Laudationeswurden von seinem Mitdoktoranden ausjener Zeit Prof. em. Dr. Rudolf Große(Leipzig) und seinem Schüler Prof. Dr.Werner Holly (Chemnitz) gehalten.

Herr Professor von Polenz, mit IhrerEhrenpromotion durch die Philologi-sche Fakultät sind Sie 50 Jahre nach Ih-rer Promotion in Leipzig in den Kreisder Alma mater Lipsiensis zurückge-kehrt – mit welchen Gefühlen, wurdenSie doch gleichzeitig mit der Promotionaus politischen Gründen von dieser Uni-versität vertrieben?v. Polenz: Mit dem Gefühl der Freude undDankbarkeit für die große Ehrung, zumalich über die Jahrzehnte hinweg mit derLeipziger Sprachgermanistik innerlich wiewissenschaftlich eng verbunden blieb. Dasgalt auch für die Universität Leipzig insge-samt, sind doch die von Polenz schon seitvier Generationen an ihr zu Hause. Sowohlmein Vater als auch mein Großvater, derSchriftsteller Wilhelm v. Polenz, und meinUrgroßvater und dessen Bruder haben hierJura studiert. Aber gerade diese Traditionstellte in meinem Falle eher ein Hindernisdar, denn 1947 gab es Zulassungsverbotefür Kinder von Akademikern und erst rechtvon Gutsbesitzern. Meine Eltern, derenVorfahren seit über 800 Jahren im Dienstder meißnisch-sächsischen Landesherrengestanden haben, waren 1945 schuldlosenteignet worden und lebten seitdem ganzärmlich in Bautzen. Gleichwohl, der Ma-

kel der Herkunft blieb, und so hätte icheigentlich aus doppeltem Grunde nichtimmatrikuliert werden dürfen. Dass ich esdennoch wurde, habe ich drei Professorenzu verdanken, die sich bei maßgebendenLeuten bis hin zur Landesregierung inDresden für mich verwandten: der Chemi-ker Herbert Staude, der zugleich inSchmölln mein Schuldirektor war, und dieGermanisten Theodor Frings und LudwigErich Schmitt. Letzteren hatte ich überStaude kennen gelernt und ihm meinenStudienwunsch – Germanistik – offenbart.Ich konnte dann auch ziemlich unbehelligtstudieren, freilich um den Preis eineräußersten politischen Enthaltsamkeit. Nuranfangs habe ich noch als Mitglied derLDP deren Versammlungen besucht. Ichwusste, dass eine aktive Betätigung sehrschnell ein Ende meines Studentendaseinsbedeutet hätte. Die Verhaftung unseresgermanistischen Kommilitonen WolfgangNatonek und zahlreicher weiterer mutiger,demokratisch gesinnter und hochschul-politisch engagierter Studenten 1948 tatein übriges. Wie wir die Lücke ihres plötz-lichen Verschwindens schmerzlich spür-ten, so merkten wir jetzt auch deutlich, wieeinige andere Kommilitonen uns nichtmehr in die Augen sehen konnten und sichausgesprochen distanziert uns gegenüberverhielten. Wir fühlten uns beobachtet undkontrolliert. Nur noch im engsten, vertrau-lichsten Kreis konnte man noch offen mit-einander reden. Einen solchen kleinenKreis hatte auch ich um mich, zu dem auchRudolf Große, der Laudator meiner Ehren-promotion, gehörte.Eine andere Auswirkung dieses politischenDruckes war, dass ich in der Literaturwis-senschaft nur noch das Nötigste getanhabe, was ich für das Staatsexamen undspäter für die Prüfungen zur Promotionbrauchte. Denn dass man in der Literatur-wissenschaft, in der neueren Literatur undGeschichte politisch viel mehr gefährdetwar als in der Sprachwissenschaft und der

Mediävistik, wurde einem immer deut-licher vor Augen geführt. So wurden Vor-lesungen von August Hermann Korff, beidem ich viel gehört habe, immer öfterdurch Blauhemden, die FDJ-Studenten,gestört. Diese Gruppen hatten sich vorallem in der neugegründeten Gesell-schaftswissenschaftlichen Fakultät gebil-det. Man muss wissen, dass die Germani-stik damals in Leipzig noch relativ unbe-rührt geblieben war, weil die meisten Alt-professoren im Amt bleiben durften, da siekeine Nazis gewesen waren. Dadurch ha-ben Männer wie Frings oder Korff ihreGermanistik in ganz traditioneller Weisewie vor 1933 weiter gelehrt. Das hat sichauch auf die Studentenschaft ausgewirkt,die FDJ-Mitglieder hatten hier in denersten Jahren nicht viel zu sagen. Das än-derte sich dann dramatisch mit der geziel-ten Einflussnahme durch die Gesell-schaftswissenschaftliche Fakultät. Ich habemich also mit ganzer Kraft auf die Sprach-wissenschaft gestürzt, insbesondere auf die Mundartforschung, bestärkt auch durchdie wissenschaftliche Förderung, die ichhierbei durch Frings und Schmitt erfuhr.Für beide habe ich auch Sprachkarten fürihre Veröffentlichungen zeichnen dürfenoder müssen, ganz wie man will, und 1950 bekam ich auch eine Hilfsassisten-tenstelle mit den üblichen Verpflichtungenim Lehrbetrieb. So war ich zur Hälftemeines Studiums doch schon ziemlicheingebunden in diese sprachwissenschaft-liche, sprachhistorische Richtung, und esschien nur logisch, dass Prof. Schmitt mirdann vorschlug, eine Doktorarbeit über dieAltenburgische Mundart in Angriff zunehmen. Ich war begeistert von dieserAufgabe, habe mich ganz hineinvertieft insie, bin mit dem Fahrrad hinausgefahrenauf die Dörfer und habe dort die altenLeute nach der alten Sprache befragt. Ichstieß auf viele interessante Formen dieseraltertümlichsten Mundart des ThüringerGebietes.

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„Promotion erreichte michals Schmuggelware“Interview mit dem Sprachwissenschaftler Peter von Polenz aus Anlass seiner Ehrenpromotion

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Ihre Herkunft schien vergessen, das Stu-dium erfüllte Sie ganz, Ihre Lehrer för-derten Sie – und dennoch kam es zumEklat. Warum?v. Polenz: Im Wintersemester 1952/53 liefeine „Säuberungs“-Kampagne von Parteiund Regierung gegen die PhilosophischeFakultät an, die wohl mit einem Protest vonProfessoren der Fakultät zusammenhing,die sich bei der Berufung von Hans Mayerübergangen fühlten. Schmitt und Frings,die Zuspitzung ahnend, drängten mich,meine Doktorarbeit möglichst schnell ab-zuschließen, da die Verhältnisse wahr-scheinlich schlechter würden. Tatsächlicherfolgte im November 1952 über Nacht dieEntlassung Prof. Schmitts. Als sein Assi-stent musste ich den Zettel an die Tür hef-ten, dass er nicht mehr lesen könne, weil ersuspendiert sei. Drei Wochen später wurdeich aus meiner Assistentenstelle entlassen.Ich wurde zum Prorektor bestellt, der mireröffnete, ich sei nicht berechtigt, in derDDR eine wissenschaftliche Laufbahn ein-zuschlagen. Das sei eine Entscheidung dervom Staatssekretariat für Hochschulwesenin Ostberlin eingesetzten Berufslenkungs-kommission. Als Gründe für Berufsverbotund Entlassung wurden mir meine strikteEnthaltsamkeit in „gesellschaftlicher Betä-tigung“ und – was kurios klingt, aber zeit-geschichtlich durchaus bedeutungsvoll ist– meine Ignoranz gegenüber Josef Stalingenannt. Sie haben es, so wurde mir gesagt,in Ihrer Dissertation, ich erinnere: über dieMundart des Altenburgischen, unterlassen,die geniale Arbeit von Stalin über Mar-xismus und Sprachwissenschaft zu berück-sichtigen. Diese Arbeit von Stalin war in der Tat inden Monaten zuvor überall an der Univer-sität, nicht nur bei den Germanisten, pro-pagiert und diskutiert worden. Ich kanntesie übrigens sehr gut, aber mit meiner Ar-beit über eine deutsche Mundart hatte sieüberhaupt nichts zu tun. Solche politischenUnterwerfungsrituale kannte ich ja aus derNazizeit, aber sechs Jahre nach der Befrei-ung von 1945 wollte ich mich nicht schonwieder an sie gewöhnen.Eigentlich hätte ich die Promotion garnicht zu Ende führen dürfen, aber ein Briefvon Theodor Frings an das Staatssekreta-riat für Hochschulwesen hat dann doch be-wirkt, dass ich in aller Stille die Disserta-tion und die Prüfungen in den Neben-fächern Geschichte und Englisch abschlie-ßen konnte. Wie ich erfahren habe, hatauch der damalige Dekan Franz Dornseiffseine schützende Hand über mich gehalten.

Unmittelbar nach der Promotion bin ichdann nach Westberlin gegangen, weil mirein längeres Hierbleiben nicht ratsam er-schien. Zudem war das Gerücht aufge-kommen, Berlin werde „zugemacht“. Ichhabe es dem mutigen Verhalten von FranzDornseiff zu verdanken, dass die Promo-tionsurkunde, deren Druck sich hingezo-gen hatte, mich über meinen Mitdoktoran-den Rudolf Große und einen anderenStudienfreund, Horst Naumann, als heißeSchmuggelware über Westberlin in Mar-burg erreichte, wo ich bereits als Stipendiatam Forschungsinstitut Deutscher Sprach-atlas an der Universität Marburg tätig war.

Jetzt ein großer zeitlicher Sprung, der esermöglicht, ein ganzes erfülltes Wissen-schaftlerleben in den Blick zu nehmen.An Ihrer Sprachgeschichtsforschung,die in dem dreibändigen Standardwerk„Deutsche Sprachgeschichte“ (1991, 1994,1999) kulminiert, wird die kultur-, so-zial- und mediengeschichtliche Ausrich-tung und die Einbettung in wirtschaft-lich-politische Zusammenhänge hervor-gehoben. Wenn man es nicht gerade an-ders gehört hätte – Sie haben in Leipzigeine ganz traditionelle Germanistik stu-diert –, könnte man annehmen, an derPleiße sind Sie mit dem marxistischenBazillus der Herleitung alles Geistigenaus den materiellen gesellschaftlichenVerhältnissen infiziert worden, der dannein gutes Jahrzehnt später seine Wir-kung gezeitigt hat.v. Polenz: Zum Teil mögen Sie sogar Rechthaben haben. Trotz meiner Vertiefung inLeipzig in das rein Fachliche, und das hießfür mich nun einmal Mundarten undMittelalter, wurde man von außen mit einerstarken gesellschaftspolitischen Akzentset-zung, zumeist in einer primitiven Form,konfrontiert. Ich merkte schon, dass esnoch andere Ansätze und Fragestellungengibt als die, mit denen ich befasst war, habesie aber erst einmal ganz ausgeklammert,weil ich auf diese rein dogmatische Weisenicht einer Ideologie dienen wollte, son-dern der Wissenschaft. Als ich mich dannmit meiner Habilitation in Marburg freige-

schwommen hatte, selber Vorlesungen hal-ten durfte und als ich mit meiner Berufungnach Heidelberg auch auf ein anderes Um-feld stieß, habe ich dann versucht, noch ehedie 68er Studenten das forderten, gegen dieAusklammerung des Gesellschaftlichenund Politischen in den Philologien im All-gemeinen und in der Germanistik im Be-sonderen anzugehen. Stärker als die Erin-nerung an Leipzig trug aber der Streit überSprachkritik mit dem bekannten Politolo-gen und Publizisten Dolf Sternberger, dazubei, tiefer in Fragen der politischen Spra-che, der Nazisprache, der Sprachpragmatiküberhaupt einzudringen. Mit dem „Wör-terbuch des Unmenschen“ von Sternber-ger, Storz und Süskind erregte damals eineSprachkritik Aufsehen, die Verfall und In-humanität in der Sprache selbst, in ihrenWörtern zu erkennen glaubte. Gegenüberdieser publizistischen Sprachkritik verwiesich darauf, dass nicht die Sprache inhumansein kann, sondern dass es die Sprechersind, die Sprache zu inhumanen Zweckenbenutzen. Durch das Befassen mit solchensprachkritischen Fragen wie dem Zu-sammenhang von Sprache, interessegelei-tetem Handeln und Wirklichkeit wurde esmir zunehmend ein Anliegen, stärker alsbisher Sprachgeschichte mit der Sozialge-schichte zu verbinden. Dabei wusste ichmich schon auf einem Felde, das seinerzeitin Leipzig einseitig und vulgär-marxistischbeackert, später aber durch LeipzigerGermanisten im Sinne einer modernensozio-pragmatischen Sprachwissenschaftbestellt wurde. Es zeigte sich, dass wir un-abhängig voneinander meist gleiche Zieleverfolgten und ähnliche Methoden an-wandten. Und deshalb war es mir eineFreude, die meisten Arbeiten der LeipzigerSprachgermanisten in meinen Publikatio-nen mit Gewinn und zustimmend aus-werten und zitieren zu können. Wenn Sieallein die „Sprachgeschichte“ zur Handnehmen, werden Sie auf der Literaturlistemehrfach auf Namen wie Rudolf Große,Wolfgang Fleischer, Gotthard Lerchner,Wolfgang Helbig oder Ulla Fix stoßen. Sohatten wir in den später 80er Jahren bei derschrittweisen Wiederannäherung und Neu-vereinigung beider Teile Deutschlandsgegenseitig so gut wie keine wissenschaft-lichen Verständnisprobleme und Zielkon-flikte. Und in gewisser Weise bin ich dannin der „Wende“-Zeit nach Leipzig zurück-gekommen, als ich über die „Sprachre-volte“ von 1989, den Sprachgebrauch derLeipziger Demonstrationen, geschriebenhabe. Interview: Volker Schulte

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Peter von Polenz Foto: Armin Kühne

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Jan C. SimonAus dem von Bergen umgebenen Freiburgkam Prof. Dr. Jan Christoph Simon in dieLeipziger Tieflandsbucht, um die Leitungder Klinik und Poliklinik für Dermatolo-gie, Veneralogie und Allergologie zu über-nehmen. Er bringt die interdisziplinäreForschergruppe „Allergologie Freiburg/Leipzig“ mit, deren Leiter er ist. Erforschtwerden hier Mechanismen zur Immunmo-dulation von Allergien mit dem Ziel z. B.herauszufinden, wie Hyposensibilisie-rungsbehandlungen funktionieren und wiedie Immunbereitschaft von Zellen einge-dämmt werden kann, ohne die natürlichenAbwehrmechanismen zu schädigen. Der gebürtige Westfale studierte in Frei-burg und Glasgow Medizin und legte zu-sätzlich zum deutschen (1988) das ameri-kanische medizinische Staatsexamen (1990)ab. Fachlich orientierte er sich in RichtungDermatologie, beginnend mit der Promo-tion (1988) „Untersuchung immunologi-scher Parameter bei Patienten mit malig-nem Melanom während der Therapie mitIscador oder rekombinanten Interferon α“über seine Habilitation (1994) „Die Funk-tion ko-stimulatorischer Adhäsionsmole-küle bei der T-Zell-Aktivierung durch Epi-dermalzellen. Relevanz für die Pathoge-nese T-Zell-vermittelter Hautkrankheiten“bis hin zu seinen Forschungsschwerpunk-ten in der Immundermatologie, Allergolo-gie/Umweltmedizin, Dermato-Onkologieund Photobiologie. Der Facharzt für Haut-und Geschlechtskrankheiten war zu Be-ginn seiner Tätigkeit als DFG-Stipendiat inDallas und Eveston/ USA (1988–1990),bevor er als Assistent, dann als Privatdo-zent und Oberarzt sowie C3-Professor undleitender Oberarzt in Freiburg arbeitete. Dass er in Leipzig mit einem Blumenmeerempfangen wurde, bekräftigt seinen Ein-druck von den offenen, freundlichen Sach-sen. „Leipzig ist eine weltoffene Stadt mitviel Bewegung und Möglichkeiten“, meinter. „Das sind nicht nur beste Voraussetzun-gen für meine Arbeit und meine Familie,sondern auch für Olympia.“ B. A.

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Verena Klemmist neue Professorin für Arabistik undOrientalische Philologie am OrientalischenInstitut. Die alte und große Tradition derLeipziger Arabistik war für Prof. KlemmAnreiz genug, dem Ruf zu folgen. Die 47-Jährige sieht v. a. „angesichts der mit Viel-falt gepaarten Kompetenz im Orientali-schen Institut“ sowie des „bundesweit füh-renden Standards der arabistischen Sprach-ausbildung“ gute Chancen für Erfolge –über die Grenzen ihres Fachs hinaus. „Solässt sich auf dem Gebiet der Literatur-theorie und der Kulturwissenschaft mit an-deren philologisch und kulturwissenschaft-lich orientierten Fächern zusammenarbei-ten.“ Ein Beispiel für eine über die Fach-und Universitätsgrenzen hinaus vermittelteArabistik sei ihre Vorlesung zur „Mauri-schen Architektur in Spanien“.Als sehr wichtiges Projekt führt VerenaKlemm zudem die Katalogisierung der bis-her fast völlig unbearbeiteten Beständeorientalischer Handschriften an der Uni-versitätsbibliothek an. Weiterhin möchtesie unbedingt Verallgemeinerungen undZerrbilder über die arabische Welt durch-brechen, indem sie „Vielfalt und Mensch-lichkeit der modernen und klassischen ara-bisch-islamischen Kultur“ vermittelt. Die arabische Literatur prägt natürlich daswissenschaftliche Werk Klemms. Genanntseien nur ihre Promotion über die in Kairoverfertigten Memoiren eines internationalaktiven religionspolitischen Agenten ausder Fatimidenzeit (11. Jh.) und ihre Habi-litation über den Diskurs des „literarischenEngagements“ in den arabischen Litera-tenszenen des 20. Jhs. sowie die Rezeptionvon Jean-Paul Sartres „littérature engagée“in der postkolonialen arabischen Welt. Bis-herige Stationen Klemms waren Tübingen(Studium der Islamwissenschaft), Istanbulund Beirut (Orient-Institut der DeutschenMorgenländischen Gesellschaft), Ham-burg (Institut für Geschichte und Kulturdes Vorderen Orients) sowie Kiel, Würz-burg und ihre Heimatstadt Freiburg (Lehr-stuhlvertretungen). C. H.

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A. Kenkmannhat zum 1. Oktober den Ruf auf die Pro-fessur Fachdidaktik Geschichte an der Fa-kultät für Kunst, Geschichte und Orient-wissenschaften angenommen. ProfessorAlfons Kenkmanns vorrangiges Ziel wirdes zunächst sein, wieder personelle undinhaltliche Kontinuität in die geschichts-didaktische Disziplin am Historischen Se-minar zu bringen. Nach jahrelanger Vakanzder Professur Fachdidaktik Geschichtemöchte er den ca. 1000 eingeschriebenenStudierenden im Studiengang Lehramt Ge-schichte damit wieder Planungssicherheitgeben. Sein Hauptaugenmerk richtet er aufdie Diskussion kulturanthropologischer In-halte für den Geschichtsunterricht, Frage-stellungen der Geschichtskultur sowie dieVerringerung des Praxisschocks zwischenerster und zweiter Phase der Lehrerbil-dung. An Leipzig reizt ihn v. a. die Dichtean geschichtskulturellen Institutionen. Kenkmann studierte Geschichte und Ger-manistik an den Universitäten Bochum undMünster. In Münster absolvierte er daserste und zweite Staatsexamen. Anschlie-ßend promovierte er in Siegen zum Thema„Wilde Jugend. Lebenswelt großstädtischerJugendlicher zwischen Weltwirtschafts-krise und Währungsreform (1930–1950)“.Von 1993 bis 1994 war er Mitarbeiter imProjekt „Werkstatt der Erinnerung“ an derForschungsstelle für Zeitgeschichte inHamburg. Dann wechselte er zur Westfä-lischen Wilhelms-Universität Münster. Amdortigen Institut für Didaktik der Ge-schichte war er Hochschulassistent; gleich-zeitig unterrichtete er Geschichte am Im-manuel-Kant-Gymnasium. Im Herbst 1998 übernahm er die Leitung desneugegründeten Geschichtsorts Villa tenHompel, der sich europaweit auf den The-menfeldern „Erinnern, Forschen und Ler-nen“ in den Bereichen Polizei und Verwal-tung im 20. Jh. etabliert hat. In diesem Tätig-keitsfeld konzipierte er zwei bundesweitwahrgenommene Ausstellungen. Parallelwar er seit 1998 Lehrbeauftragter an denUniversitäten Dortmund und Münster. r.

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Ulrike WeilandEine dauerhaft umweltgerechte Stadt-entwicklung, das ist ihre Vision: Prof. Dr.Ulrike Weiland, 48 Jahre alt und seit 1. Ok-tober gemeinsam von Universität und Um-weltforschungszentrum (UFZ) berufeneC3-Professorin für Stadtökologie.Die ersten Stationen ihrer Ausbildung sindab 1975 Mainz und Essen, wo sie Biologie,Geografie und Ökologie studiert. Ver-schiedene Studenten-Jobs und die nachStudienabschluss begonnene Tätigkeit ineinem Landschaftsplanungsbüro führen siein die Praxis und lassen sie erste Erfahrun-gen bspw. bei der Durchführung von Um-weltverträglichkeitsstudien sammeln. EinThema, dessen sie sich einige Jahre späterin ihrer Promotion an der TU Berlin an-nehmen wird. Vorher findet sie den Wegzurück in die Wissenschaft und wird 1989für fünf Jahre Mitarbeiterin im Arbeitsbe-reich „Stadtökologie“ an der TU Hamburg-Harburg. Der Wechsel zur TU Berlin lässtsie Oberingenieurin im Fachbereich „Ar-chitektur, Umwelt und Gesellschaft“ wer-den und auch ihre Habilitation beginnen. Inihr widmet sie sich der „Zukunftsfähigenund insbesondere dauerhaft umweltgerech-ten Entwicklung von Städten und Stadt-regionen“. Anfang 2002 wird WeilandProjektleiterin an der TU München.Als Leiterin des UFZ-Departments fürStadtregionen ist es ihr nun ein großes An-liegen, zu einer konzeptionellen Weiterent-wicklung der Stadtökologie als Disziplinbeizutragen. Dazu zählt auch die Weiter-entwicklung von Instrumenten für einedauerhaft umweltgerechte Entwicklung.Konzentrieren will sie sich v. a. auf deneuropäischen Bereich, den Blick darüberhinaus nicht vergessend. Aus wissen-schaftlicher Sicht viel versprechend findetsie bspw. den Vergleich von wachsenden,stagnierenden und schrumpfenden Stadtre-gionen. Die Region um Leipzig und Hallebleibt dabei eine wichtige Modellregion.Für die Studenten im Studiengang Geogra-fie bietet sie Lehrveranstaltungen zur Stadt-ökologie und zur Umweltplanung an. S. H.

Neuberufen

Marcus Deufertist nicht ganz neu in Leipzig. Schon seitOktober 2002 weilte er als Lehrstuhlver-treter an der Universität. Am 1. Novemberübernahm er nun die Professur für Klas-sische Philologie mit dem SchwerpunktLatinistik am Institut für Klassische Philo-logie und Komparatistik. „Die große Tra-dition des Faches an dieser Universitätnimmt einen in die Pflicht“, sagt ProfessorDeufert, der unter anderem den internatio-nalen Wissenschafts- und Wissenschaftler-austausch weiter vorantreiben möchte.Der 33-Jährige hat zum ersten Mal den Rufauf eine Professur erhalten. 2001–2002war er Visiting Scholar am King’s Collegein London, als Feodor-Lynen-Stipendiatder Alexander von Humboldt-Stiftung. Bisdahin arbeitete er seit 1995 am Seminar fürKlassische Philologie der Universität Göt-tingen. 1989–1994 studierte er KlassischePhilologie und Neuere deutsche Literatur-wissenschaft, und zwar an den Universitä-ten in seiner Heimatstadt Würzburg, inKöln, Bonn und Cambridge.In Bonn promovierte Deufert 1995 in der lateinischen Philologie zum Thema„Pseudo-Lukrezisches im Lukrez. Die un-echten Verse in Lukrezens ‚de rerum na-tura‘“. Seine Habilitation erfolgte 2001 inGöttingen mit der Arbeit „Tectgeschichteund Rezeption der plautinischen Komö-dien im Altertum“. Bei den SchriftstellernLukrez und Plautus kennt Deufert sichdementsprechend bestens aus, genauso wiein der philologischen Fachliteratur der An-tike (zu nennen sind zum Beispiel Dichter-biographien und Dichterkommentare). Inmethodischer Hinsicht sind Deuferts Spe-zialgebiete die Überlieferungs- und Rezep-tionsgeschichte der antiken, vor allem derrömischen Literatur sowie das Zustande-kommen von Texttraditionen.Marcus Deuferts Hobby ist das Theater,auch das der Gegenwart. An der Univer-sität in Göttingen inszenierte er als Assis-tent zusammen mit Studenten die plautini-sche Komödie „Mercator“ – natürlich inlateinischer Sprache. C. H.

NOMENNamenforscher Prof. Jürgen Udolph zurHerkunft des Namens „Deufert“

Der Name Deufert ist unter ca. 35 Millio-nen Telefonteilnehmern 26mal bezeugt. Erist auf Süddeutschland beschränkt, häufigist er im Maingebiet bei Würzburg. Ver-gleicht man diese Streuung mit der Va-riante Teufert (186mal bezeugt), so zeigtsich, dass diese im Maingebiet fehlt, abersonst recht gut bezeugt ist. Es handelt sichdaher offenbar um dialektale Varianten.Ein Wechsel zwischen -d- und -t- geht –wie etwa auch zwischen -b- und -p- und -g- und -k- häufig auf die sogenanntebinnenhochdeutsche Konsonantenschwä-chung zurück, eine Erscheinung, die sichwie ein Band quer durch Deutschlandzieht. Das heißt, das die FamiliennamenDeufert und Teufert gemeinsam betrachtetwerden können.Die Standardwerke der deutschen Namen-forschung sind sich in der Beurteilung die-ser Namen einig: Zugrunde liegt ein alterVorname Theudofried, schon früh bezeugtals Theudofrid, Theudefred, später alsTheutfrit, Teudfred, Theofrid, Tiedfried undvielen weiteren Varianten (E. Förstemann,Altdeutsches Namenbuch, Bd. 1: Perso-nennamen, Bonn 1900, Sp. 1426f.).Dieser besteht aus zwei Teilen, die jeder fürsich verständlich sind, aber in ihrer Kom-bination keinen Sinn ergeben. Der ersteTeil geht auf germanisch theud- „Volk,Stamm“ zurück, das ein häufiger Bestand-teil deutscher Vor- und Familiennamen ist:Diet-mar, Diet-rich, Diet-hard, Dett-mann,Det-mar, Diet-mar. Im zweiten Teil liegtgerm. fridu „Friede, Frieden“ vor. Im Ver-lauf der Sprachgeschichte wurde Theudo-frid durch Zusammenziehung und Umstel-lung des Zweitgliedes -frid zu -ferd umge-staltet und erreichte die Form Teufert bzw.Deufert.

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Zu seiner Antrittsvorlesung am 10. No-vember brachte er eine Fliege mit. Um siedann mit einem satten Schlag zu töten.Nein, es handelte sich nicht um einen Ein-schüchterungsversuch des neuen Leibniz-Professors István Winkler. Die zahlreicherschienenen Zuhörer im Beckmannsaal inder Brüderstraße 34 bekamen die Fliege jaauch nicht mal zu sehen. Und ob sie tot ist?Wer weiß … Die Fliege befand sich eigentlich nur aufder Festplatte von Winklers Laptop. Viel-mehr: das Summen der Fliege. Denn demungarischen Psychophysiologen ging esschlicht und ergreifend darum, zu demon-strieren, was unser Gehirn aus bestimmtenakustischen Reizen machen kann, wie eseinen Ton erkennt und einer Situation zu-ordnet. Die Prozesse, die dabei im Gehirnablaufen, interessieren den internationalrenommierten Forscher seit nunmehr 20Jahren. „Wie hören wir eigentlich?“, dassei für ihn die Frage aller Fragen, so Prof.Winkler.Das Beispiel mit der Fliege ist dabei nochsimpel. „Isolierte Stimuli sind in der Naturnatürlich rar“, betont István Winkler. Ge-rade beim Hören sei der Mensch meist mitder Schwierigkeit konfrontiert, verschie-dene Stimuli zugleich aufzunehmen. „Undes existiert nichts, was die konkurrierendenTöne voneinander trennt.“ Das Gehirnkönne die Töne nur verstehen, weil es Ver-mutungen anstellt, basierend auf dem Kon-text und auf Erfahrungswerten, besagtWinklers These.Der 45-Jährige hat bereits bedeutende wis-senschaftliche Beiträge geleistet, die dabeihelfen zu verstehen, wie akustische Infor-mationen gespeichert und wieder abgeru-fen werden können. Vor allem mit Hilfevon Elektroenzephalogrammen, mit denensich ein Teil der elektrischen Aktivität mes-sen lässt, die entsteht, wenn das Gehirnakustische Reize verarbeitet.In Leipzig will Winkler nun in dem Se-mester, das ihm als Leibniz-Professor zur

Verfügung steht, mit Kollegen verschiede-ner Disziplinen zusammenarbeiten, unteranderem stark mit Prof. Dr. Erich Schröger,Leiter des Instituts für Allgemeine Psycho-logie, und Dr. Thomas Jacobsen, der dortals wissenschaftlicher Assistent tätig ist.„Es freut mich sehr, über einen längerenZeitraum eng mit den Kollegen zusammenzu sein“, erklärt Winkler. „Zudem lässt sichmein Seminar mit den fortgeschrittenenPsychologie-Studenten gut an.“Winkler forscht und lehrt normalerweise inBudapest und Helsinki. Er leitet die Abtei-lung für Allgemeine Psychologie am Insti-tut für Psychologie der ungarischen Aka-demie der Wissenschaften, wo 1981 auchseine wissenschaftliche Karriere ihrenAnfang nahm. In Deutschland weilte er1994 für eine kurze Zeit am MünchenerMax-Planck-Institut für psychologischeForschung. Nach Leipzig mitgebracht hatWinkler seine Frau, seine 16-jährige Toch-ter und seinen 15-jährigen Sohn. C. H.

Die Leibniz-Professur ist eine Einrichtung amZentrum für Höhere Studien. Weitere Informa-tionen gibt es im Internet:www.uni-leipzig.de/zhs/zhs/leibniz/index.htm

Planck-Preis fürProf. LuckhausProf. Dr. StephanLuckhaus vom Mathe-matischen Institut derUniversität Leipzig,zugleich externes Mit-glied des Max-Planck-Instituts für Mathema-tik in den Naturwissen-schaften in Leipzig, ist einer der Preisträ-ger des Max-Planck-Forschungspreieses2003. Dieser Preis wird von der Max-Planck-Gesellschaft und die Alexander vonHumboldt-Stiftung an zwölf Wissenschaft-ler verliehen. Die Auszeichnungen sind mitjeweils 125 000 Euro dotiert und bieteneinen flexiblen Rahmen zur Gestaltunggemeinsamer Projekte deutscher und aus-ländischer Spitzenforscher. Prof. Luckhauswurde für zwei herausragende Leistungenauf dem Gebiet der Mathematik geehrt –zum einen für seine Lösungen zum Wasser-und Stofftransport im Boden, zum anderenfür das theoretische Modell zum Wachstumvon Tumorzellen in gesundem Gewebe.Lesen Sie dazu ein Interview mit Prof.Luckhaus im Internet unter www.uni-leipzig.de/presse2003/luckhaus.html

Verdienstkreuzfür Prof. WenzelAus den Händen vonStaatsminister MatthiasRößler erhielt Prof. Dr.Johannes Wenzel EndeNovember im Ministe-rium für Wissenschaftund Kunst in Dresdendas Verdienstkreuz amBande des Verdienstordens der Bundes-republik Deutschland. Gewürdigt wurdendamit die „um Volk und Staat erworbenenbesonderen Verdienste“ des Hochschulleh-rers i. R., der 1990–95 Direktor des Her-der-Instituts und danach bis Juni diesesJahres geschäftsführender Vorsitzender desVereins für Deutsch als Fremdsprache(interDaF) am Herder-Institut der Univer-sität Leipzig war. In der Begründung fürdie Verleihung der hohen Auszeichnungwird erstens sein mutiger Einsatz bereitsim Jahre 1989 für die Einheit Deutschlandshervorgehoben, den er als einer der weni-gen Universitätsangehörigen in dieser Zeit

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Wie hören wir?Leibniz-Professor Winkleruntersucht, wie das Gehirnakustische Reize verarbeitet

István Winkler Foto: Armin Kühne

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geleistet hat. Er war der Verfasser einesweit über Leipzig hinaus wirkenden Mani-festes zur „deutschen Frage“, mit dem den-jenigen Kreisen widersprochen wurde, diesich für einen eigenständigen und sozialis-tischen Weg der DDR ausgesprochenhatten. Innerhalb der Universität Leipzigwirkte Prof. Wenzel von Beginn an in der„Initiative zur demokratischen Erneuerungder Universität“ mit, die nach den erstenfreien Konzilswahlen die Rückkehr zumangestammten Namen „Universität Leip-zig“ durchsetzte und die allseitige Erneue-rung der Alma mater in Forschung undLehre einleitete. Zum zweiten wird mit derEhrung unterstrichen, dass das alte Herder-Institut dank des großen Engagements undder vielseitigen und langjährigen Erfah-rungen von Johannes Wenzel und seinerMitarbeiter evaluiert und in das neue Her-der-Institut, das Studienkolleg Sachsenund den Verein interDaF überführt werdenkonnte, die sämtlich in ihrer Arbeit viel An-erkennung gefunden haben und finden.

Kurz gefasstDie über 200 Jahre alte Leipziger Gelehr-tengesellschaft Societas Jablonoviana ver-lieh Ende November den Jablonowski-Preis 2003 an den Polen Tomasz Kranz,der durch zahlreiche Publikationen undeine innovative museumspädagogischeArbeit in der Gedenkstätte Majdanek weit-hin Anerkennung gefunden hat. Der Preissetzt sich aus der historischen Jablo-nowski-Medaille und einer finanziellenZuwendung von 2000 Euro zusammen. Indiesem Jahr wurde der Preis von der Uni-versität Leipzig gestiftet.

Der Freundeskreis der Fakultät für Chemieund Mineralogie (im Februar 2002 gegrün-det, derzeit 65 Mitglieder) hat durch seinenVorstand einvernehmlich mit der Fakul-tätsleitung beschlossen, den mit einer Ur-kunde und einem Geldbetrag versehenenArthur-Hantzsch-Preis zu stiften. DieserPreis wird alljährlich verliehen und er-innert an einen bedeutenden LeipzigerChemiker. Erstmals wurden damit am Diesacademicus Kianga Schmuck und Mat-thias Beier, beide derzeit im zweiten Jahrdes Studiengangs Bachelor-/Master Che-mie, für ihre Studienleistungen durch denDekan Prof. Dr. Harald Morgner ausge-zeichnet.

Prof. Dr. Elisabeth-Maria Krautwald-Junghanns, Klinik für Kleintiere an derVeterinärmedizinischen Fakultät, hat nachPrüfung durch ein internationales Gre-mium des European Board of VeterinarySpecialisation die Genehmigung erteiltbekommen, ein Residency Program desEuropean College of Avian Medicine andSurgery (dreijährige europäische Fachtier-arzt-Weiterbildung) einzurichten. Dies istdas erste europäische Programm für Vogel-medizin in Deutschland. Prof. Dr. VeraGrevel, ebenfalls Kleintierklinik, erhieltdie Anerkennung für ein Residency Pro-gram des European College of VeterinarySurgery.

Dr.Wielfried Briest, Carl-Ludwig-Institutfür Physiologie, erhielt von der Ernst-von-Weber-Stiftung 8000 Euro als Fördermit-tel für das Projekt „Die Rolle von Interleu-kin-6 bei dem katecholamininduziertenUmbau des Herzens“. Ebenfalls 8000 Eurovon der Ernst-von-Weber-Stiftung erhieltDr. Ulrich Sack vom InterdisziplinärenZentrum für Klinische Forschung für seinThema „Entwicklung eines in-vitro-Mo-dells zur Untersuchung neuartiger Thera-pieansätze zur Vermeidung der Knorpelde-struktion bei Arthriden“.

Der Präsident der Internationalen Hand-ballförderation, Dr. Moustafa Hassan,war Gast an der SportwissenschaftlichenFakultät. Er wurde von Dekan Prof. Man-fred Krug begrüßt und besuchte den Inter-nationalen Trainerkurs. Hassan selbst istAbsolvent des Kurses.

Ralph Burkhardt, Institut für Laborato-riumsmedizin, Klinische Chemie und Mo-lekulare Diagnostik hat anlässlich des„Euregio Congress of Clinical Chemistryand Laboratory Medicine“ in Aachen den1. Poster Award für die beste wissenschaft-liche Nachwuchsleistung des Kongressesgewonnen. Dieser Preis ist mit einer Dota-tion von 600 Euro verbunden. WeitereAutoren sind: Daniel Teupser, WolfgangWilfert, Ivonne Hafner, FranziskaJeromin, Johannes Wilde und JoachimThiery (gleiches Institut). Der Titel desprämierten Posters lautet: „Genetic athe-rosclerosis susceptibility in rabbits is asso-ciated with increased macrophage arginaseI activity.“

Dr. Andrzej Plawski vom Institut fürGenetik in Poznan war im Rahmen einesgemeinsamen Forschungsvorhabens zum

familiären Darmkrebs bei Professor Dr.Ursula Froster, Direktorin des Institutesfür Humangenetik, zu Gast. Der Aufenthaltdes Kooperationsprojektes wurde durchein Stipendium des SMWK gefördert.

Dr. Lars Hefner, Klinik und Poliklinik fürAugenheilkunde, erhielt einen Posterpreisder Deutschen Ophtalmologischen Gesell-schaft (DOG). Der mit 1000 Euro dotierte2. Preis wurde vergeben für die Arbeit zur„Quantifizierung der Netzhautdicke beidiabetischem Makulaödem“.

Prof. Dr. Joachim Thiery und Prof. Dr.Volker Richter, Institut für Laborato-riumsmedizin, Klinische Chemie undMolekulare Diagnostik, hatten zum XIVLipid Meeting renommierte Gäste: Prof.Joachim Herz, vom Southwestern Medi-cal Center in Dallas, Texas (u. a. WolfgangPaul Preisträger), Prof. Jan L. Breslow,vom Rockefeller University Hospital, NewYork (u. a. Mitglied der Leopoldina) undProf. Christos Mantzoros, Harvard Me-dical School, Boston.

GeburtstageMedizinische Fakultät70. GeburtstagProf. Dr. med. Helga Schwenke-Speck,ehem. Medizinische Klinik und PoliklinikII, am 22. Dezember80. GeburtstagProf. Dr. med. Hans-Günter Niebeling,ehem. Klinik und Poliklinik für Neuro-chiurgie, am 19. Dezember

Fakultät für Mathematikund Informatik65. GeburtstagDr. Jürgen Synnatzschke, MathematischesInstitut, am 28. Dezember

Der Rektor der Universität Leipzig und dieDekane der einzelnen Fakultäten gratulie-ren herzlich.

(Die Geburtstage werden der Redaktion di-rekt von den Fakultäten gemeldet. DieRedaktion übernimmt für die Angabenkeine Gewähr. Das gilt auch für deren Voll-ständigkeit.)

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Apothekerin Franziska Schmidt, Prof. Dr.Karen Nieber und Prof. Dr. Wolfgang Süßvom Institut für Pharmazie der UniversitätLeipzig erhielten jetzt den Hans-Heinrich-Reckeweg-Preis 2003 der InternationalenGesellschaft für Homotoxikologie e.V. undder Internationalen Gesellschaft für Bio-logische Medizin e. V. Der mit 10 000 e

dotierte Hauptpreis wurde zum Gemein-schaftskongress der beiden GesellschaftenAnfang November in Baden-Baden über-geben. Die ausgezeichnete Arbeit trägt denTitel „Entwicklung eines in-vitro Test-systems zum Wirkungsnachweis ausge-wählter homöopathischer flüssiger Ver-dünnungen“.Wirkungen homöopathischer Mittel sindzwar häufig beschrieben, aber bisher kaumobjektiv nachgewiesen. Schmidt, Nieberund Süß haben mit ihrer Arbeit anhand ob-jektiver Parameter den Nachweis erbracht,dass homöopathische flüssige Belladonna-verdünnungen, die u. a. für Koliken imMagen-Darm-Bereich eingesetzt werden,eine Wirkung auslösen. Sie verwendetendie Methode der isometrischen Kontrak-tionsmessung. Das ist ein kompliziertesMess- und Auswerteverfahren, mit demman Bewegungsabläufe an bestimmtenPräparaten messen kann.Für den oben beschriebenen Versuch ver-wendeten die Wissenschaftler Präparateaus dem Magen-Darm-Trakt einer Ratte,die in Organbäder mit einer bestimmtenLösung eingespannt wurden. Durch dieZugabe von Acetylcholin oder Substanz P,die im Körper u. a. die Bewegungen desDarms steigern können, kam es zu Kon-traktionen der Präparate, die gemessenwerden konnten und am Bildschirm indeutlichen Kurven abzulesen waren. Dannwurden in die Organbäder flüssige Bella-donnaverdünnungen eingebracht, die

streng nach Deutschem HomöopathischenArzneibuch hergestellt wurden. Die Kon-zentration von Belladonna in der Lösungwar so gering, dass die Substanz nicht mehrnachgewiesen werden konnte. Die Wir-kung kann also nicht auf einer Substanz-wirkung beruhen, sondern offensichtlichtreten durch den homöopatischen Verdün-nungsprozess Modifikationen des flüssi-gen Arzneiträgers auf, die zu einer phy-siko-chemischen Beeinflussung von Über-tragungsmechanismen führen – denn ohneSchütteln keine Wirkung!Mit der homöopathischen Belladonnaver-dünnung wurden die Kontraktionen derPräparate deutlich verringert, ablesbar anden auf dem Bildschirm erscheinendenKurven. Damit war der Wirkungsnachweisdes Homöopathikums erbracht. Auch nachmehrmaliger Wiederholung der Versucheergab sich immer das gleiche Resultat. Dieses Resultat war für die InternationaleGesellschaft für Homotoxikologie e.V. unddie Internationale Gesellschaft für Biolo-gische Medizin e. V. so wichtig, dass denWissenschaftlern der Hauptpreis auf ihremGemeinschaftskongress zugesprochenwurde. Den Leipziger Pharmakologen istdas sicher ein guter Anlass, auf diesemWege weiter zu forschen.

Dr. Bärbel Adams

Weitere Informationen im Internet:www.uni-leipzig.de/~pharm/phfn/pharmako.htm

100. Geburtstag vonHeinrich Samuel Sack

DervertriebeneSchweizerVon Gerald Wiemers

Vor 100 Jahren, am 25. November 1903,wurde Heinrich Samuel Sack im schweize-rischen Davos geboren. Nach sechs JahrenPrimär- und zwei Jahren Sekundärschulebesuchte er ab 1917 die OberrealschuleZürich und legte dort 1920 das Abitur ab.Anschließend studierte er an der ETHZürich Mathematik und Physik mit demBerufsziel, Fachlehrer zu werden. Nach derDiplomprüfung für Physik im Sommer1925 zeichnete sich eine andere Berufs-perspektive ab. Sein akademischer LehrerPeter Debye, Physiker und 1936 Nobel-preisträger für Chemie, förderte den be-gabten jungen Mann. Zunächst setzte erihn als Praktikums-Hilfsassistenten amPhysikalischen Institut ein. Nur ein halbesJahr später, im Oktober 1925, bestellte erihn zu seinem Vorlesungsassistenten. Sackpromovierte bei Debye 1927 mit der Arbeit„Über die Dielektrizitätskonstante vonElektrolytlösungen bei geringen Konzen-

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Ohne Schüttelnkeine WirkungPharmazeutiker bekommen Preis für Wirkungsnachweishomöopathischer Mittel

Heinrich Sack

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trationen“ zum Dr. sc. math. Peter Debyeverband mit seinem Promovenden (ETHZürich), Assistenten (Leipzig) und gleich-berechtigten Mitarbeiter (Ithaka/USA)mehr als nur eine jahrzehntelange Arbeits-beziehung. Sie unterhielten freundschaft-liche Beziehungen. Als Debye 1926 eherzögerlich den Ruf als theoretischer Physi-ker annahm, sich aber gleich nach demTode von Otto Wiener 1927 für die Expe-rimentalphysik entschied und auch berufenwurde, folgte ihm im Oktober sein SchülerHeinrich Sack ganz selbstverständlichnach Leipzig. Der junge Dr. Sack fand hiereine aufgeschlossene wissenschaftlicheAtmosphäre vor. So setzte sich Debye er-folgreich für die Berufungen von WernerHeisenberg auf den Lehrstuhl für theoreti-sche Physik und von Friedrich Hund aufdie verwaiste Lehrkanzel für mathemati-sche Physik ein. In diesem Kreis fand Sackbald seinen Platz. Er vertrat Debye beidessen Auslandsreisen mit der Hauptvor-lesung in Experimentalphysik und gehörtezum Teilnehmerkreis des berühmten Semi-nars über die Struktur der Materie. Als 1930 Personaleinsparungen drohtenund die Assistentenzeit auf vier Jahre be-grenzt wurde, machte sich Debye für Sackstark: „Er war mir in ausgezeichneterWeise behilflich bei der Reorganisation desInstituts und der Vorlesung und hat einegroße Anzahl von Doktorkandidaten zubetreuen … Ich würde in große Verlegen-heit kommen und dem Institutsbetriebwürde arger Schaden zugefügt werden,

wenn Herr Dr. Sack jetzt ausscheidenmüsste.“ Längst war Sack als Molekül-physiker auch international bekannt. Sohielt er 1930 in Odessa auf Einladung derRussisch-Physikalischen Gesellschaft zweiVorträge. Ein Jahr später lud ihn die BritishAssociation nach London ein. Schließlichseien seine Mitarbeit an der „Physikali-schen Zeitschrift“ und die Herausgabe derSammlung „Leipziger Vorträge“ genannt.Der Stellenwert von Sack wird auch darandeutlich, dass er als einziger Physiker ausdem Institut in der Linnéstraße auf derLeipziger Tagung zum Thema „Magne-tismus“ vom 9. bis 11. Februar 1933 vor-trug. Es war die letzte Tagung dieser Art,die Debye 1928 als „Leipziger Vorträge“zusammen mit Sack begründet hatte. Nur ein Vierteljahr nach der Magnetismus-Tagung, am 30. Mai 1933, folgte die De-nunziation und Verleumdung durch den„Hilfsreferenten für studentische Angele-genheiten“ Hahn an seinen Chef, den Mi-nister für Volksbildung v. Seydewitz. MitNachdruck fordert er die Entlassung desPrivatdozenten Dr. Felix Bloch und von Dr. Heinrich Sack. Beide seien Juden vonkommunistischer Gesinnung und der Mi-nister habe „für eine rasche EntfernungSorge zu tragen.“ Bloch, wie Sack Schwei-zer, hatte Deutschland längst verlassen.Heisenberg hatte ihm ein Stipendium be-sorgt. Gleiches gelang Debye vorsorglichfür Sack, der für ein Jahr Urlaub einreichte,um an der Universität Brüssel zu arbeiten.Das war notwendig, weil der „Reichsstatt-

halter“ mit Schreiben vom 4. Juli 1933 andas Volksbildungsministerium verfügte,den wissenschaftlichen Assistenten Dr.Heinrich Sack zu entlassen. Debye mussteihm „pflichtgemäß“ kündigen. Damit gabsich Sack nicht zufrieden und schaltete dasSchweizerische Konsulat in Leipzig ein,das die Rücknahme der Kündigung for-derte. Nun kam es zu außenpolitischenVerwicklungen. Vergeblich versuchte dersächsische Volksbildungsminister überDebye die Kündigung zurückzuziehen undden Urlaub zu gewähren, wenn „die Ge-wissheit besteht, dass Sack nach Ablaufseines Urlaubes nicht wieder hierher zu-rückkehrt.“ Debye kann aber nur mitteilen,dass Sack „sein Verhältnis zur UniversitätLeipzig selber lösen“ möchte. Die Kündi-gung wird aufrecht erhalten. Im August 1933 heiratete Heinrich Sackdie Chemiestudentin Charlotte Fein. NurTage später ist das Ehepaar nach Brüsselemigriert. Hier habilitiert sich Sack. InBrüssel konnte die Familie bis 1940 blei-ben, ehe die letzte Station der Emigrationmit ihrer ersten, 1938 geborenen TochterRenée in Ithaka/USA erreicht war. Debyeund Sack nahmen ihre alte Zusammen-arbeit an der Cornell University wieder auf.1949 wird Heinrich Sack zum Physikpro-fessor ernannt. 1972, in seinem Todesjahr,wird er emeritiert. Die Universität Leipzig wird HeinrichSack stets ein ehrendes Gedenken bewah-ren und hält seine Vertreibung für ein gro-bes Unrecht.

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Links:Sacks Förderer Peter Debyebei einer Vorlesung ca.1930 in Leipzig.

Rechts:Heinrich Sack (rechts) mitGerhard Hoffmann (Verwal-tungsleiter), am Eingangzum Physikalischen Institutim Dezember 1927 inLeipzig.

Fotos:Universitätsarchiv Leipzig

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„Deutschland, erwache!“, so lautete derTitel eines am 28. November 1932 in derNeuen Leipziger Zeitung erschienen Arti-kels des Leipziger Nationalökonomen Ger-hard Kessler. Unter dem Nachhall derReichstagswahl vom 5. November, die denNationalsozialisten einen Verlust von überzwei Millionen Stimmen gebracht hatte,wandte sich Kessler mit deutlichen Wortengegen Adolf Hitler und die NSDAP. DerOrdinarius für Nationalökonomie, Mit-glied und Kandidat der demokratischenDeutschen Staatspartei bei den Reichstags-wahlen, bezeichnete Hitler und seine Par-tei als politisch unzuverlässige „Phrasen-drescher und Rattenfänger“, die ihrenWählern die Umsetzung ihrer hochge-steckten Ziele schuldig geblieben seienund nun die entsprechende Quittung be-kommen hätten. Der entschlossene Aufrufmachte Kessler zum „roten Tuch“ für diemehrheitlich nationalsozialistisch einge-stellte Leipziger Studentenschaft. Bereitsam nächsten Tag wurden seine Lehrveran-staltungen massiv gestört, er selbst in meh-reren Artikeln der Studenten- und Tages-presse verunglimpft. Nach dem Machtan-tritt der Nationalsozialisten 1933 gehörteGerhard Kessler so zu den ersten Hoch-schullehrern der Universität Leipzig, dieentlassen wurden.Am 24. August 1883 in Großwilmsdorf/Ostpreußen geboren, studierte Kesslernach dem Abitur zunächst Geschichte,Geographie, Wirtschafts- und Sozialwis-senschaften an den Universitäten Berlinund Leipzig. 1905 wurde er in Leipzig mitder historischen Dissertation „Die Tradi-tion des Germanicus“ promoviert, widmetesich danach aber verstärkt der National-ökonomie. Zwei Jahre später veröffent-lichte er mit der Studie „Die deutschen Ar-beitgeberverbände“ die erste wissenschaft-liche Arbeit, die sich mit diesem wichtigenThemenkomplex aus dem Bereich der So-zialpolitik beschäftigte und seinen Namenin der Fachwelt bekannt machte. In denFolgejahren war Kessler gemeinsam mit

dem späteren Bundespräsidenten TheodorHeuss Assistent des nationalliberalenReichstagsabgeordneten Friedrich Nau-mann und Redaktionsmitglied der Zeit-schrift „Soziale Praxis“. Nach der Habili-tation an der Technischen HochschuleBraunschweig nahm er 1912 eine außer-ordentliche Professur für Volkswirtschafts-lehre und Sozialpolitik an der UniversitätJena an. Im I. Weltkrieg diente er als Artil-lerieoffizier und wurde nach seiner Rück-kehr nach Jena zum ordentlichen Professorfür Nationalökonomie ernannt. 1927 folgteer einem Ruf an die Universität Leipzig.mNeben seinen wissenschaftlichen Ver-pflichtungen engagierte sich Kessler inLeipzig zunehmend politisch und publi-zistisch. Unter der Regierung Brüning warer als Kandidat für das Amt des Wirt-schaftsministers im Gespräch. Aktiv betei-ligte sich Kessler auch in der StudentischenFürsorge. Nach dem Aufruf vom 28. No-vember 1932, in dem er u. a. gegen „dienordische Lichtgestalt des Herrn Göbbelsund die Parsivalnatur des Herrn Röhm alsSymbole des kommenden, reineren undbesseren Deutschland“ anschrieb, sah sichKessler unverhohlenen Anfeindungen aus-gesetzt. Vornehmlich die Studenten desNationalsozialistischen Deutschen Studen-tenbunds (NSDStB) sagten dem Professorden Kampf an. Die eigentlich gebotene be-dingungslose Unterstützung durch Senatund Rektor blieb aus. Nicht nur dass dieDisziplinlosigkeiten der NSDStB-Studen-ten ungeahndet blieben, im einem öffent-lichen Schreiben bedauerte es der Senat zu-dem, dass der Artikel Professor KesslersAnlass für die Tumulte gewesen sei. Erstals der Rektor, der Kirchenhistoriker HansAchelis, in Folge der Ereignisse sogar dieVorlesungen Kesslers aussetzte, um einengeregelten Universitätsbetrieb aufrecht-zuerhalten, stellte ein kleiner Kreis vonOrdinarien dieses Vorgehen in Frage. Die Unterstützung der wenigen Kollegenhatte keinerlei Auswirkung. Im März 1933wurde vom Sächsischen Ministerium für

Volksbildung angeordnet, dass Kesslersich seiner universitären Tätigkeiten ausGründen der öffentlichen Sicherheit zu ent-halten habe. Drei Monate später von derGestapo verhaftet, wurde Kessler auf Inter-vention des Reichspräsidenten Paul vonHindenburg aus der Schutzhaft entlassen,der sich für den Mitbegründer der Deut-schen Winterhilfe eingesetzt hatte. Am29. August versetzte man ihn gemäß §4 desGesetzes zur Wiederherstellung des Be-rufsbeamtentums wegen „politischer Un-zuverlässigkeit“ in den Ruhestand, gleich-zeitig wurde ihm die Lehrbefugnis entzo-gen. Kurze Zeit später emigrierte Kesslermit seiner Familie in die Türkei. An derUniversität Istanbul lehrte er Sozialpolitik,Soziologie und Sozialwissenschaften.Auch im Exil blieb Kessler politisch aktiv.Neben den Aufbau eines neuen Instituts fürWirtschaftswissenschaften war er an maß-geblichen Sozialreformen sowie an derGründung der ersten türkischen Gewerk-schaften beteiligt. Enge Kontakte hielt erzu Ernst Reuter, dem späteren Oberbürger-meister von Berlin, der an der UniversitätAnkara lehrte.Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegesgab es vonseiten der Universität Leipzigstarke Bemühungen, Kessler wieder alsHochschullehrer zu gewinnen. So verliehman ihm 1946 in Abwesenheit die Ehren-doktorwürde. 1951 entschied sich GerhardKessler jedoch, nach Göttingen zu gehen,wo es ihm sein alter Freund und nunmeh-rige Bundespräsident Theodor Heuss er-möglichte, als Honorarprofessor an derUniversität zu lesen. 1954 erhielt er dasBundesverdienstkreuz für seine Lebens-leistung. Seine letzten Lebensjahre ver-brachte Gerhard Kessler völlig verarmt undkaum beachtet in einem Altersheim in Kas-sel. Dort starb er am 14. August 1963. Mitseinem Tod verlor die Universität Leipzigeinen der wenigen, mutigen Hochschulleh-rer, die sich in den letzten Monaten derersten deutschen Demokratie offen gegendie Nationalsozialisten gestellt hatten.

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„Deutschland, erwache!“Zum 120. Geburtstag des mutigenNationalökonomen Gerhard KesslerVon Ronald Lambrecht und Ulf Morgenstern, Historisches Seminar

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HabilitationenMedizinische FakultätDr. Peter Müller (10/03):Quantitative Multiparameteranalysen des Interme-diärstoffwechsels mit massenspektrometrischen Me-thoden bei Früh- und Neugeborenen in Abhängigkeitvom Reifegrad und von perinatologischen Komplika-tionenDr. Günther Fitzl (10/03):Der Einfluss akuter Hypoxie auf das gesunde unddiabetisch vorgeschädigte Myokard der Ratte unterProtektion von Ginkgo biloba

JuristenfakultätDr. Eva Schumann (11/03):Unrechtsausgleich im frühen Mittelalter – Die Folgenvon Verletzungen der Person im langobardischen, ale-mannischen und bayerischen Recht

Fakultät für Physik und GeowissenschaftenDr. Olaf Richter (11/03):Physically reasonable solutions to the Ernst equationand their twistor theory

PromotionenJuristenfakultätStefanie Höpfner (10/03)Parlamentarische Kontrolle in Deutschland und in derEuropäischen Union – Das Recht der Parlamentari-schen Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bun-destages und des Europäischen Parlamentsjeweils 11/03:Andreas Bauer:Netz und Nutzung – Rechtspositionen vertikal inte-grierter Betreiber digitaler BreitbandkabelnetzeDr. Christoph Brückner:Die Vollstreckbarkeit des Auskunftsanspruchs desKindes gegen seine Mutter auf Nennung des leib-lichen VatersPeter Hinz:Ist das Verhältnis zwischen niedergelassenem Ver-tragsarzt und Patient noch ein vertragliches? Eine Untersuchung zur Einordnung des Arzt-Patien-ten-Verhältnisses im System der gesetzlichen Kran-kenversicherungDr. Kathrin Kroll:Zwischen Vertragsfreiheit und Inhaltskontrolle – zurFrage der Wirksamkeit vorehelicher Unterhaltsver-zichte – eine rechtsvergleichende Betrachtung zwi-schen deutschem und kalifornischem RechtDagmar Unger:Adolf Wach (1843–1926) und das liberale Zivilpro-zeßrecht

Fakultät für Physik und GeowissenschaftenPeter Busch (11/03):Lamellare Orientierung in dünnen Diblockcopoly-merfilmen – Strukturen an der Filmoberfläche und imFilminneren

Medizinische Fakultätjeweils 4/03:Andreas Reske:Die mRNA-Expression des Natrium-Iodid-Sympor-ters in kalten SchilddrüsenknotenRaik Schaller:Früherkennung und Therapie von Fettstoffwechsel-störungen unter besonderer Berücksichtigung der Ge-sundheitsuntersuchung im Praxisalltag

Jörg Steier:Der Stellenwert der Doppler-Echokardiographie zurBeurteilung der pulmonalen Hypertonie unter Be-rücksichtigung der kardiorespiratorischen Funktions-diagnostikNicole Stöckert:Untersuchung zur Toleranzinduktion bei Lebertrans-plantation im Rattenmodell durch einen Anti-CD4-AntikörperHadi Taghizadeh:Effektivität der Eigenblutspende bei Hüfttotalendo-prothesenimplantationen und Dysgnthieoperationenunter besonderer Beachtung der nichtverwendetenEigenblutkonservenSusann Dehne:Morphologische und elektronenmikroskopische Cha-rakterisierung der Nebenniere an Tiermodellen desDiabetes mellitusDipl.-Med. Andreas Graetz:Das perforierte gastroduodenale Ulkus – eine retro-spektive Studie an 314 operierten Patienten im Zeit-raum von 1970 bis 1999Tobias Daniel Wiesner:Verbesserung der Insulinsensitivität nach Adrenal-ektomie bei Patienten mit PhäochromozytomJana Wagner:Der Einfluss der kontinuierlichen Cuffdruckmessungauf das postoperative Befinden von Patienten mit Ein-griffen an der Halswirbelsäule und an der Schilddrüsejeweils 5/03:Johannes Müller:Analyse des Standes der Infarktnachsorge (Phase II –Anschlussheilbehandlung) im Raum Ostsachsen an-hand des Patientengutes der Falkenstein-Klinik BadSchandau/Ostrau im Jahre 1998, vergleichend zu denRichtlinien der WHOHagen Bernhard Huttner:Magnetresonanztomographische Untersuchungenüber die anatomische Variabilität des Frontallappensdes menschlichen GroßhirnsSebestyen J. Borvendeg:Purinergic modulation of intracellular Ca 2+ tran-sients in dorsal root ganglion neurones: an aspect ofATP effects in the pain pathwayJulia Eckardt:Morbus Basedow im Kindes- und JugendalterRainer Erices:Vergleich der internen Repräsentanzen kognitiverStrukturen zwischen gesunden Kindern und kinder-und jugendpsychiatrischen PatientenClaudia Fritzsche:Leben und Wirken von Prof. Carly Seyfarth(1890–1950) unter besonderer Berücksichtigung sei-ner Tätigkeit als Direktor und Chefarzt der InnerenAbteilung des Städtischen Krankenhauses St. Georgin LeipzigStephan Graupner:Die Exposition des Menschen mit elektrischen Fel-dern – eine Studie zum aktuellen Kenntnisstand ausarbeits- und umweltmedizinischer SichtKathrin Gunia:Die Entwicklung des Fachgebietes „Anästhesiologieund Intensivtherapie“ am Universitätsklinikum Leip-zig bis zur Errichtung des Ordinariats 1984Cornelia Kobler:Einfluß flüchtiger organischer Verbindungen auf dieEntstehung atopischer Erkrankungen und Infektionender Atemwege bei zweijährigen Leipziger KindernFranziska Nestler:Subjektive Beziehungsmuster in den Primärfamilienvon Patienten mit unterschiedlichen Psychischen Er-krankungen

Sybille Quadbeck:Nierenbeckenlangzeitdruckmessung zur Einschät-zung des postoperativen Abflussverhältnisses im pye-louretialen ÜbergangUlrike Radestock:Neuroblastompatienten an der Klinik und Poliklinikfür Kinderchirurgie der Universität Leipzig währenddes Zeitraumes von 1963–2000. Eine retrospektiveAnalyse.Elke Reisner:Zur zentralnervösen-neurochemischen Wirkung vonKA-672.HCI, einer kognitionsfördernden Substanz,untersucht im normalen und experimentell beein-flussten TierChristoph Sommergruber:Korrelation von Befunden der STH-Sekretion beiwachstumsgestörten Kindern mit Befunden des MRTChristian Steinbach:Entwicklungen des Chimärismus nach Transplanta-tion allogener hämatopoetischer Stammzellen mitreduzierter KonditionierungAnja Süß:Charakterisierung kortikaler Interneurone vonMensch und Nagetieren, dargestellt mit unterschied-lichen Ca2+-bindenden ProteinenJohannes Weigel:Hypospadie – Nachuntersuchungen und retrospektiveAnalyse der in der Klinik und Poliklinik für Kinder-chirurgie des Universitätsklinikums Leipzig AöRzwischen 1988 und 1998 behandelten KinderFranziska Riese:Optimierung der Gewinnung peripherer Blutstamm-zellen nach Mobilisation mit rhG-CSF: Vergleicheiner zweimaligen „normal volume“ Leukaphereseversus einmalige „large volme“ Leukapherese sowieUntersuchungen zu Einflussfaktoren auf die Mobili-sationsfähigkeit peripherer Blutstammzellen bei ge-sunden SpendernSusanne Huth:Die Prävalenz schlafbezogener Atmungsstörungenbei Patienten mit koronarangiographisch gesicherterkoronarer HerzkrankheitDoreen Jaeschke:Die St. Petersburger Medicinische Wochenschrift undihre Bedeutung für die Ärzteschaft St. PetersburgsAnja Sabine Hauenherm:Faktor VIII-induzierte T-Zellaktivierung Ex vivoUntersuchungen bei Patienten mit Hämophilie AAndrea Kutzner:Untersuchungen zu psychischen Störungen bei Part-nern psychisch KrankerJana Schuster:Einfluss der myokardialen Revaskularisation auf dieQT-Dispersion, die Kurzzeit-Herzfrequenzvariabilitätund die ventrikulären Spätpotentiale bei Patienten mitkoronarer HerzkrankheitMichael Kroll:Depressionen und Schizophrenie in der BILD-Zei-tung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und derSüddeutschen Zeitung der Jahre 1990 und 2000jeweils 6/03:Martin Roth:Die Geschichte der Orthopädie in Leipzig bis 1923.Susanna Margaritis:Effekt der Kombinationstherapie mit anti-CD4 undanti-LFA-1 monoklonalen Antikörpern auf die Trans-plantatakzeptanz im „High responder“ Lebertrans-plantationsmodell der RatteCarolyn Bauer:Der Einfluss einer spezifischen Immuntherapie mitWespengift auf die Histamin- und Zytokinfreisetzungaus basophilen Leukozyten

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Mario Klein:Verhalten der Serumcholesterolwerte unter dem Ein-fluß langzeitiger oraler L-Carnitin-Applikation –Untersuchung von Patienten mit chronisch-ischämi-scher HerzkrankheitBarbara Müller:Untersuchungen der Immunantwort gegen gp200 derBäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) sowie ver-schiedener Spross- und Schimmelpilze beim atopi-schen EkzemAlexander Stoll:Ventrikelfunktion und Ventrikelinteraktion des hyper-trophierten Herzens am Modell des isolierten biven-trikulär arbeitenden RattenherzensYvonne Baumgart:Charakterisierung monoklonaler Antikörper gegenprostataspezifisches Antigen und seiner Komplexemit Antichymotrypsin und Alpha-2-MakroglobulinSwetlana Klybin:Immunologische Untersuchung des Echokontrastmit-tels (LK565)jeweils 7 /03:Thomas Heindl:Visuell evozierte Potentiale bie Patienten mit sellärenRaumforderungenElinor Mader:Tumoren der Mundhöhle im Kindesalter – Klinik,Therapie und Langzeitergebnisse. Eine retrospektiveUntersuchung der von 1970 bis 1999 an der Klinikund Poliklinik für Kinderchirurgie des Universitäts-klinikums Leipzig AöR behandelten PatientenMarkus Benicke:Mikroarray – Genexpressionsanalyse hepatischerNeoplasien Anna Maria Gotzoll:Retrospektive Analyse des anatomischen und funk-tionellen Erfolges primärer Cerclageoperationen beiPseudophakieamotioKatrin Grund:Überprüfung der Qualität der Endoskopaufberei-tungCarsten Hobohm:Chemoarchitektur der extrazellulären Matrix in ami-nergen Kerngebieten des RattenhirnsMalte Kießler:Das Fibromyalgiesyndrom in ChinaJulia Machlitt:Etablierung und Evaluation der Laser Scanning Zyto-metrie: Untersuchungen von Feinnadelpunktaten beiPatienten mit HypopharynxkarzinomChristian Benjamin Mozet:Einfluss von Alter und Hypoxie/Reoxygenierung aufdas Rattenmyokard mit und ohne Ginko biloba-Be-handlungChristina Nikolaus:Atrophie des Corpus callosum und kortikale Degene-ration bei fraglicher Demenz und leichter Demenz beiAlzheimer-Krankheit: eine Magnetresonanztomogra-phie-StudieAnne Paul:Einfluss von Umweltbedingungen auf morphologi-sche Alterationen im akustischen System von dreiJahre alten RattenKatrin Schurig:Die endoskopische Behandlung von Ösophagusvari-zen durch Sklerotherapie und Ligatur unter besonde-rer Berücksichtigung von posttherapeutischen Motili-tätsstörungenMichaela Veregge:Systemische Meningokokken-Infektion im Einzugs-bereich der Universitätskinderklinik Leipzig in denJahren 1981–2001

Patrick Weidlich:Vorstellungen und Erwartungen von Studierenden vorder ersten Pflichtsektion und deren Auswirkungen aufdas Erleben und Verhalten während des Kurses in derPathologieClaus Thomas Wolf:Die Behandlung des Rektumkarzinoms unter beson-derer Berücksichtigung der neoadjuvanten kombi-nierten Radiochemotherapie – eine retrospektive Ana-lyseDipl.-Math. Ingo Röder:Dynamical Modeling of Hematopoietic Stem CellOrganization – Design and Validation of the NewConcept of Within-Tissue PlasticityKathrin Heinecke:Primärer Megaureter – katamnestische Untersuchungan 30 Patienten von 1994 bis 2000Jens Arnoldt:Beeinflussung nichtinvasiver Funktionsparameter desHerzens bei Patienten mit einem Schlaf-Apnoe-Syn-drom durch 8- bzw. 21-monatige nCPAP-TherapieSusan Weiß:Neue innovative Konzepte zur Aufklärung und Schu-lung des Diabetes mellitusAnke Rehmann:Analyse intrafamiliärer Übertragungswege und mög-licher Spontaneliminationen von Helicobacter pylori(Hp) bei Leipziger Schulanfängern sowie verglei-chende Untersuchung der Hp-Durchseuchung beiKindern der Stadt und des Landkreises Leipzigjeweils 8/03:Stefan Berg:Radikale Resektionsverfahren bei benignen Schild-drüsenerkrankungenSonnhild Bertz:Erfahrungen mit der Wirksamkeit der Elternvertre-tung für mukoviszidosekranke Kinder in der DDRHans Veit Coester:Etablierung eines transgenen Mausmodells für dasMasernvirus-Nukleokapsid-Gen und Charakterisierungder Expression dieses Genes im ZentralnervensystemIlka Durchlaub:Aufgebohrter versus unaufgebohrter Femurnagel beiFemurschaftfrakturenBeate Faust:Differentialindikation zur Operation der Appendizitisim Zeitalter der minimal invasiven Chirurgie – worinunterscheiden sich die Operationsgruppen von offe-ner und laparoskopischer Operation?Nilüfer Gündog:Die Kinderchirurgie an der Universität Leipzig unterbesonderer Berücksichtigung von Leben und Werkvon Fritz MeißnerAdrien Kiehle:Das Cytomegalievirus (CMV) bei Empfängern vonsoliden Organen unter Auswertung der Leber- undNierentransplantation der Klinik für Abdominal-,Transplantations- und Gefäßchirurgie der UniversitätLeipzig (1993 bis 1997) und der klinische Einsatzeiner mRNA-rT-PCR zum Nachweis von CMVMichael Stöver:Prä- und intraoperative Diagnostik sowie chirururgi-sche Therapie des nonpalpablen Mammakarzinoms –Teilergebnisse einer MultizenterstudieFariba Forooghi Beyouki:Emma Rauschenbach (1870–1946) – Ein Leben imDienste des Deutschen HebammenwesensAnna-Renate Karski:Der polnische Psychiater Tadeusz Bilikiewicz(1901–1980) als MedizinhistorikerHans Reinhard Jens Garbade:Vergleich des semiinvasiven kontinuierlichen Moni-

torsystems HemoSonic 100 mit der invasiven Ther-modilutionsmethode zur Beurteilung des Herzzeit-volumens und der hämodynamischen Performanceunter verschiedenen intensivmedizinischen Bedin-gungen nach kardiochirurgischen EingriffenMichael Hötzeldt:Wertigkeit der Ddopplersonographie nach Über-schreiten des Geburtstermines unter Beachtung per-fusionsrelevanter Faktoren wie hypertensive Erkran-kung und NikotinabususUdo Starke:Aussagen über die Prognose bei Patienten mit nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen mittels DNA-DurchflusszytometrieSilke Polata:Untersuchung des Echokardiographie-Kontrastmit-tels LK565 bezüglich Phagozytoseaktivität, TNF-a-Produktion und Antikörperbildung durch entspre-chende LeukozytenpopulationenChris Klecker:Mutationsanalyse im Präcore-Gen bei chronischerHBeAg-negativer Hepatitis Bjeweils 10/03:Dipl.-Med. Roger Voigt:Der Beratungsanlass in der allgemeinmedizinischenKonsultationssprechstundeGabriele Bender:Klinische Bewertung von neuartigen Materialien fürdirekte bzw. indirekte KompositrestaurationenLydia Bothe:Veränderung von Lebensqualitätsparametern bei Pa-tienten mit Mammareduktionsplastik. Ein prä- undpostoperativer Vergleich.Antje Böttner:Auswirkungen erhöhter Adrenalinsekretion auf Lep-tinspiegel und metabolisch-endokrine Parameter aneinem transgenen MausmodellPeggy Eckstein:Immunhistologische und immunzytochemische Un-tersuchungen von glialen Müllerzellen nach experi-mentell erzeugter Netzhautablösung am KaninchenMesack Leonard Epoupa:Sozialmedizinische Aspekte der Versorgung von Po-liomyelitiserkrankten in KamerunKerstin Hartig:Das Hellp-Syndrom als besondere Verlaufsform derPräeklampsie - Untersuchungen am Geburtengut derFrauenklinik Chemnitz 1991–1999Sabine Grulich:HCV-Infektionen bei pädiatrisch-onkologischen Pa-tientenGunther Haase:Differenzierung von klinischen Bacteroides ovatus-Isolaten mittels biochemischer Tests, Resistenzmusterund PCR-FingerprintingDorothea Haberer:Immunologische Reaktion bei koronarer Bypass-Operation – Vergleich bei Operation mit und ohneHerz-Lungen-MaschineAnita Jauck:Zur Wirkung der hirnleistungssteigernden SubstanzKA672.HCI auf die glutamaterge, GABAerge undcholinerge Neurotransmission im normalen und cho-linerg beeinflussten RattenhirnAnne Kerner:Kardiovaskuläre Risikofaktoren bei Studenten derUniversität LeipzigThomas Krause:Elektrophysiologische Untersuchungen an Pyrami-denzellen der Schicht V des präfrontalen Kortex derRatte: Modulation von NMDA-Rezeptoren durchAdenosin-5-triphosphat und Dopamin

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Der 30. Januar 1933 markierte mitdem Beginn des Prozesses der natio-nalsozialistischen „Machtergreifung“für das deutsche Wissenschaftssy-stem einen einschneidenden Bruch:Durch administrative Maßnahmenwurde das Hochschulwesen, seineInstitutionen und Strukturen, dem na-tionalsozialistischen Herrschaftssys-tem angepasst und gleichgeschaltet.Gleichzeitig wurde durch massiveDenunziationen, Provokationen undTumulte der nationalsozialistischenKräfte in der Dozenten- und Studenten-schaft der Boden für die ideologische„Säuberung“ und politische „Uniformie-rung“ der Universitäten bereitet. Für diedeutsche Wissenschaft bedeutete die natio-nalsozialistische Herrschaft einen gravie-renden Einschnitt in ihre intellektuellenKapazitäten und einen immensen Verlustvon ihren theoretischen Potenzialen.Auch im Fach Zeitungswissenschaft, derVorläuferdisziplin der heutigen Kommuni-kations- und Medienwissenschaft, beganneinige Wochen nach dem 30. Januar 1933der sich gegenseitig perpetuierende Pro-zess aus angeordneter Gleichschaltung undwiderspruchsloser Selbstgleichschaltung –mit verheerenden Folgen für die Ideen- undSozialgestalt des Faches. Hierbei spieltendie Ereignisse am Leipziger Institut fürZeitungskunde in personeller, organisato-rischer und programmatischer Hinsichteine entscheidende und richtungweisendeRolle.Als erste Einrichtung seiner Art inDeutschland war das Institut für Zeitungs-kunde an der Universität Leipzig 1916 vonKarl Bücher (1847–1930) errichtet wor-den. Bis zur Mitte der 20er Jahre festigte erdas Institut inhaltlich, organisatorisch undstrukturell: Sein bereits 1909 entwickeltesStudienkonzept zielte auf eine ebenso be-rufspraktisch wie wissenschaftlich orien-tierte Ausbildung und Lehre für zukünftigeJournalisten. Seit 1921 konnte man in

Leipzig Zeitungskunde im Haupt- und Pro-motionsfach belegen. Dadurch nahm dasLeipziger Institut bis 1933 eine Sonder-stellung ein. Die Attraktivität und Beliebt-heit, die die Universität Leipzig durchdiese Gegebenheiten während der Weima-rer Republik für Studenten der Zeitungs-wissenschaft besaß, wurde dann 1926 nochdurch die Errichtung des ersten Ordinaria-tes für Zeitungskunde in Deutschland ge-steigert.Erich Everth (1878–1934), der 1926 aufdiese Professur für Zeitungskunde berufenwurde, behielt Büchers Studienziele zuerstbei und bemühte sich zugleich, das Fach als„Wissenschaft von der Zeitung“ weiter

theoretisch und methodisch zu be-gründen. Dafür entwickelte er einwegweisendes Forschungspro-gramm: Ausgehend von einer inno-vativen funktionalen Perspektive, be-trachtete er Journalismus und Zei-tung als „Sozialformen“, die mitallen anderen gesellschaftlichen In-stitutionen und Systemen in „Wech-selwirkung“ stehen, und wies ihneneine „Vermittlungsfunktion“ in Ge-sellschaft und Öffentlichkeit zu.Weitsichtig formulierte er die Forde-

rung nach einer organisationssoziologi-schen und systematischen Journalismus-forschung und konzipierte eine Theorie derÖffentlichkeit. Seine Ansätze, Ideen undStudien wurden bald von jüngeren Wissen-schaftlern aufgenommen und gewannenEinfluss auf die Ausbildung eines Milieuszwischen Soziologie und Zeitungswissen-schaft und die Entwicklung sozialwissen-schaftlich orientierter zeitungswissen-schaftlicher Entwürfe.Everths zeitungswissenschaftliches Wir-ken fand im Frühjahr 1933 ein abruptesEnde: Anlass war seine Teilnahme am Ber-liner Kongress „Das Freie Wort“ und einVortrag, in dem er für die Bewahrung undWiederherstellung der Pressefreiheit ein-trat. Bereits die erste Notverordnung „ZumSchutz des deutschen Volkes“ vom 4. Fe-bruar 1933 hatten die Nationalsozialistengenutzt, um das Erscheinen zahlreicherbürgerlicher, kommunistischer und sozial-demokratischer Zeitungen ganz zu verbie-ten oder ihre Publikation wenigstens zeit-weilig zu verhindern. Gegen diese erstenEingriffe in die Grundrechte der Mei-nungs- und Pressefreiheit veranstaltetenliberale und linksdemokratische Journalis-ten, Politiker, Künstler und Wissenschaft-ler am 19. Februar 1933 den Kongress„Das Freie Wort“ – die letzte freie und grö-ßere Kundgebung in Deutschland nach dernationalsozialistischen Machtübernahme.Everth blieb mit seinem mutigen Plädoyer

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Das Aus für das freie WortDie nationalsozialistische „Machtergreifung“ im Institut für ZeitungskundeVon Erik Koenen, Thomas Lietz und Sylvia Werther, Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft

Ankündigung des Vortrags „Zeitungund Zeitungswissenschaft im neuenStaat“ von Hans A. Münster.

Fotos: Universitätsarchiv Leipzig

Links: Erich Everth, Professor fürZeitungskundeRechts: Institutsgründer Karl Bücher

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für die Pressefreiheit der einzige Zeitungs-wissenschaftler, der sich öffentlich gegendie Gewaltmaßnahmen gegen die deutschePresse einsetzte.Everth musste sein Engagement mit demVerlust der Professur bezahlen: Er wurdeim April 1933 beurlaubt und mit Ermitt-lungen wegen „politischer Unzuverlässig-keit“ überzogen. Ernsthaft erkrankt, bat erim Herbst 1933 um seine vorzeitige Eme-ritierung. Er starb am 22. Juni 1934 inLeipzig.Mit der Beurlaubung von Everth geriet dasLeipziger Institut für Zeitungskunde ineine ernste Krise. Im Kampf um den Erhaltdes Instituts und seiner Strukturen spieltedie Leipziger Studentenschaft und unterihnen Karl Kurth (1910–1981) eine feder-führende Rolle: Kurth nutzte die Instituts-krise zu einer „Machtergreifung“ im Klei-nen. Als Gründer der ersten nationalsozia-listischen Fachschaft der Zeitungswissen-schaft organisierte er als Ersatz für dieVeranstaltungen Everths eine kleine Vor-tragsreihe, deren Themen auf die Presse-und Propagandapolitik des neuen Regimeszugeschnitten waren.In diesem Rahmen hielt Hans A. Münster(1901–1963) am 20. Juli 1933 seinen Vor-trag „Zeitung und Zeitungswissenschaft imneuen Staat“, in dem er die drastische Pres-sepolitik des Regimes rechtfertigte undzudem die Umrisse einer nationalso-zialistischen Zeitungswissenschaft vor-stellte. Damit entwarf Münster als ersterFachvertreter die Zeitungswissenschaft aufder Grundlage der propagandistischen und

rassistischen NS-Dogmen und gab einSignal für die Instrumentalisierung ihrerAusbildung und Inhalte sowie für ihre wei-tere Selbstgleichschaltung unter dem NS-Regime.Nur wenige Wochen nach seinem Vortragwurde Münster kommissarisch mit der Lei-tung des Leipziger Instituts für Zeitungs-kunde im Wintersemester 1933/34 betraut.Auch in den Verhandlungen über dieWiederbesetzung des Ordinariates für Zei-tungswissenschaft zum Sommersemester1934 einigte man sich auf Münster, der alseinziger Kandidat parteiideologischen undwissenschaftlichen Ansprüchen genügte.Münster war ungeachtet seiner nationalso-zialistischen Einstellung ein begabter jun-ger Wissenschaftler, der seine Forschungenjedoch stets unter die „nationalsozialisti-sche Idee“ und politisch-propagandistischeVerwertungsinteressen stellte: Unter demEindruck der NS-Propaganda erarbeitete ereine „Lehre von der Publizistik“, derenKern die „publizistischen Führungsmittel“,ihr „publizistisches Wesen“ und ihre „pu-blizistischen Wirkungen“ bildeten.Insgesamt bedeutete die nationalsozialisti-sche „Machtergreifung“ für das Fach Zei-tungswissenschaft eine nachhaltige Instru-mentalisierung ihrer genuinen Erkenntnis-kompetenz und einen unwiederbringlichenVerlust ihrer interdisziplinären und sozial-wissenschaftlichen Perspektive – ein Pro-zess, der am Leipziger Institut für Zei-tungskunde paradigmatisch mit der Entlas-sung Erich Everths und der EinsetzungHans A. Münsters eingeleitet wurde.

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Links:Die Berliner Kroll-Oper – Veranstal-tungsort des Kongresses „Das FreieWort“.

Rechts:Das Institut für Zeitungskunde derUniversität Leipzig in der Seeburgstraße(drittes Haus rechts) – Interim von1926–1934.

Fotos: Privatarchiv

Ausstellung

Am Lehrstuhl für Historische und Syste-matische Kommunikationswissenschaftdes Instituts für Kommunikations- undMedienwissenschaft an der UniversitätLeipzig ist noch bis März eine Ausstel-lung zu sehen, die die einschneidendenEreignisse und ihre Folgen im LeipzigerInstitut für Zeitungskunde vor 70 Jahrennachzeichnet.Die Ausstellung wurde im Rahmen einerfachhistorischen Arbeitsgemeinschaftunter Leitung von Prof. Dr. ArnulfKutsch von Friederike Böllmann, M.A.,Sebastian Feuß, Erik Koenen, M.A.,Thomas Lietz, M.A., Stefan Rauhut undSylvia Werther erarbeitet und visuell um-gesetzt.

Weitere Informationen im Internetunter:www.uni-leipzig.de/~hsk

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Die Münzsammlung der Bibliotheca Al-bertina gehört zu den ältesten ihrer Art undist die umfangreichste deutsche Universi-tätssammlung mit heute noch über 80 000Objekten. Im Jahr 1943 wurde sie kriegs-bedingt ausgelagert. Im Sommer 1945 ver-brachte die Rote Armee sie nach Lenin-grad. Die Münzen waren im Laufe dieserEreignisse zusammengeschüttet und vonihren Erschließungsdaten getrennt worden.Die wissenschaftliche Arbeit von über 150Jahren ging dadurch verloren. Im Zuge derRückführung zahlreicher Museumsbe-stände im Jahr 1958 an die Deutsche De-mokratische Republik kam auch der größteTeil der Leipziger Münzen zurück, zuerstnach Berlin, im Frühjahr 1964 wieder andie Leipziger Universitätsbibliothek. Dereinst reiche Bestand an Goldmünzen bliebjedoch verschollen, allein unter den orien-talischen Münzen waren Goldexemplareerhalten geblieben. Diese waren in derEremitage einzeln in Papierumschlägesorgfältig verpackt und beschriftet worden(s. Abb. S. 41). 1978 begann die Sichtungund Neubestimmung der Sammlung, diebis heute fortgesetzt wird. Aufgrund derfehlenden Arabischkenntnisse der Bear-beiter blieben die orientalischen Münzen – vom Gold abgesehen – nach einer grobenVorsortierung in Papiersäcken.

Eine erste Sichtung im Herbst 2001 zeigte,dass hier ein Schatz zu heben war. In dernumismatischen Literatur des 19. und20. Jahrhunderts hatte die Leipziger orien-talische Sammlung keine erkennbarenSpuren hinterlassen. Angesichts der Größeder Sammlung und der Nachbarschaft zuden Orientalisten und Numismatikern Jo-hann Gustav Stickel (1805–1896) in Jenaund Wilhelm Pertsch (1832–1899) inGotha wäre dies zu erwarten gewesen. EineKlärung der Bestandsgeschichte konntedaher nur über die Sichtung der histori-schen Dokumente des Leipziger Münz-kabinetts erfolgen. Aus den Akten gingnichts Konkretes über die Sammlung undden Sammler hervor. Im Accessionskata-log aber fand sich ein – freilich nur schein-bar aussagekräftiger – Eintrag vom März1873: „Von Herrn Hofsecretär Alb. Müllerin Dresden: 43 orientalische Goldmünzen,416 orientalische Silbermünzen, 337orientalische Kupfermünzen, 2 orientali-sche Glasmünzen, Summa 225 Thaler.“Insgesamt 798 Münzen, dies entspricht un-gefähr zwei Dritteln des damaligen und

auch des noch heute vorhandenen Bestan-des, und 225 Thaler waren ein stolzer Preis.Jedoch war Müller weder ein bekannterSammler noch ein Orientalist, auch ließsich die Person bis heute nicht eindeutigidentifizieren.

Wer verfasste denBestandskatalog?

Vielleicht enthielt der handschriftliche Be-standskatalog mehr Informationen? Der16. Band dieses Inventars aus dem19. Jahrhundert behandelt die orienta-lischen Münzen. Obwohl der Katalog Aus-weis orientalischer Sprach- und numisma-tischer Sachkenntnis ist, nennt er keinenVerfasser, keinen Sammler und kein Ab-fassungsdatum. Nur wenige Personen im19. Jahrhundert besaßen die Fertigkeitenfür eine solche Katalogisierung. Die Ab-fassungszeit konnte auf Mitte 1891 bis1893 eingegrenzt werden. Die Möglich-keit, dass der Verfasser der Kustos oder derBeauftragte für die Sammlung war, schied

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Staatsbulletins auf MünzenNumismatische Dokumente aus dem Orient stehennach 60 Jahren wieder der Forschung zur VerfügungVon Stefan Heidemann und Christoph Mackert, Universitätsbibliothek

Die Orient-Sammlung1300 orientalische Münzen der Universi-tätsbibliothek Leipzig stehen jetzt wiederder Forschung und Lehre zur Verfügung –und werden auch genutzt. Im Jahr 1958kamen sie aus der Sowjetunion zurück.Wer die Münzen ursprünglich gesammelthatte, war im 20. Jahrhundert in Verges-senheit geraten. Dies konnte nun geklärtwerden. Sie stammen aus der seit 130 Jah-ren als verschollen geglaubten berühmtenSammlung des preußischen Orientdiplo-maten und Leipziger Alumnus Dr. OttoBlau. Die Münzen gelangten über Um-wege 1873 an die Universitätsbibliothek. Der nunmehr geordnete Bestand mittelal-terlicher numismatischer Objekte bietetneue Einblicke in die islamische Ge-schichte. Islamische Münzen sind imGegensatz zu europäischen Münzen vor

allem Textträger mit bis zu 150 Worten.Sie geben zumeist Auskunft über Namenund Titel der gesamten Herrschaftshier-archie – vom lokalen Gouverneur bis zumKalifen, oft vier bis fünf Namen –, sindlokalisiert und mit dem Zeitpunkt derPrägung versehen. Religiöse Devisengeben Hinweis auf politische Richtun-gen. Die Texte auf den Münzen entspre-chen in etwa einem Staatsbulletin. AlsBeweis ausgeübter Herrschaft am Ortehatte die Namensnennung auf Münzen die gleiche rechtliche und politischeWirkung wie die Namensnennung in denFreitagspredigten. Letztere war münd-lich, auf Münzen dagegen findet sich dasProtokoll dauerhaft auf einem vielfachreproduzierten metallenen Träger gespei-chert.

Stefan Heidemann, Universität Jena, ver-trat im WS 2001/2, im SS 2002 und imSS 2003 den Leipziger Lehrstuhl für Ge-schichte und Kultur der arabischen Welt.Gemeinsam mit Christoph Mackert,stellvertretender Leiter des BereichesSondersammlungen und Kustos derMünzsammlung der Universitätsbiblio-thek, wurde die Idee entwickelt, dieOrientsammlung, die sich noch in Pa-piersäcken befand, auszupacken, neu zuordnen und die Bestandsgeschichte zuklären. Roland Jäger, der frühere lang-jährige Kustos der Sammlung, stand demProjekt hilfreich zur Seite.

Page 293: journal - Universität Leipzighome.uni-leipzig.de/presse/pdf/Journal/2003.pdf · Gleichstellung Noch viel zu besprechen Von Dr. Monika Benedix, Gleichstellungsbeauftragte „Man merkt

durch Handschriftenvergleiche aus, ebensodie in Leipzig lehrenden und dort studie-renden bekannten Orientalisten, allenvoran der bis heute einflussreichste Leip-ziger Orientalist Heinrich Leberecht Flei-scher (1801–1888) und sein Schüler Lu-dolf Krehl (1825–1901), Direktor der Uni-versitätsbibliothek. Hier ist ein Exkurs in die Wissenschafts-geschichte nötig, um das Interesse des19. Jahrhunderts an Münzen zu verstehen:In Deutschland kam es ab den 20er und30er Jahren des 19. Jahrhunderts zu einemUmbruch innerhalb der Orientalistik, deraufs Engste mit dem Namen des PariserGelehrten Silvestre de Sacy verbundenwar. Er brach der Orientalistik als Philo-logie der orientalischen Sprachen die Bahnund löste sie aus der geistigen wie institu-tionellen Abhängigkeit von den theologi-schen Studien. Als Hauptaufgabe derPhilologie sah man die Erfassung der Quel-len an. Dazu gehören Handschriften und –damals selbstverständlich – numismatischeDokumente. Viele der Schüler von Silve-stre de Sacy publizierten auch Arbeiten zunumismatischen Fragen. Die 40er und 50er Jahre stellten inDeutschland einen Höhepunkt der Be-schäftigung mit der numismatischen Quel-lengattung in der Orientalistik dar, gemes-sen an der Anzahl der Autoren, der er-schienenen Werke und den in dieser Zeitentstehenden Privatsammlungen. In den60er und 70er Jahren stagnierte das Inter-esse und begann abzunehmen. Am Endedes 19. Jahrhunderts differenzierten sichdie geisteswissenschaftlichen Fächer im-mer mehr, zum Nachteil der IslamischenNumismatik. Auf der Seite der Numisma-tiker fehlte die sprachliche Kompetenz, diehistorische Information in ihren Kontext zusetzen, und auf Seiten der Orientalisten dienumismatische. Erst in den späten 80er und90er Jahren des 20. Jahrhunderts entstandwieder ein Interesse an der islamischenNumismatik.

Wer war der Sammler?

Die Frage nach der Herkunft der für das19. Jahrhundert recht umfangreichen Leip-ziger Sammlung blieb also zunächst rätsel-haft. Fleischer, der sich gelegentlich mitMünzen beschäftigte, starb im Jahr 1888.Seine kleine Privatsammlung vermachte ernicht der Leipziger Universitätsbibliothek,sondern der Bibliothek der DeutschenMorgenländischen Gesellschaft (DMG) inHalle. Fleischer hatte drei Schüler, die sich

gelegentlich mit Islamischer Numismatikbefassten: der preußische Diplomat OttoBlau (1828–1879), der Däne August Fer-dinand Mehren (1822–1907), später Pro-fessor in Kopenhagen, und Ludolf Krehl.Letzterer wurde 1861 Professor in Leipzig;seit 1869 war er zweiter Oberbi-bliothekar, und im Jahr 1874wurde er zum Direktor der Uni-versitätsbibliothek bestellt. For-mal war er damit auch für dieMünzsammlung zuständig.Zwar hatte Krehl 1856 einen Ka-talog der orientalischen Münzender Königlichen Bibliothek zuDresden veröffentlicht, doch fürseine Leipziger Zeit gibt es kei-nen Hinweis auf ein numismati-sches Interesse. Einige orientalische Münzengab es in Leipzig auch schon zu-vor. Ihren Umfang verdankt dieLeipziger Orientalia-Sammlung aber jeneroben erwähnten Erwerbung vom März1873, auf die sich die Nachforschungennun konzentrierten. Der hohe, aber ange-sichts der Anzahl von knapp 800 Münzendoch sehr günstige Betrag von 225 Thalernist für viele Jahre die größte einzelne Er-werbung. Es wird Mühe gekostet haben,den Kaufpreis einzuwerben. Ankaufsunter-lagen und Korrespondenz sind bislangnicht aufgefunden worden.Auf die Spur zu dem tatsächlichen Samm-ler führte ein Aufsatz, auf den der Schrei-ber des Inventars neben den gängigenMonographien viermal beiläufig verwies(„cf. ZDMG XI“), ohne selbst die Zu-sammenhänge zu erkennen. Der Aufsatzstammte von dem Vicekanzler der preu-ßischen Gesandtschaft in Konstantinopel

Dr. Otto Blau. Er behandelt 51 Münzen, dieBlau der Generalversammlung der Deut-schen Morgenländischen GesellschaftEnde September 1856 in Stuttgart vorge-legt hatte. Da Blau selbst nicht anwesendsein konnte, wurden die Blau’schen Mün-

zen von Fleischer verhandeltund für die gedruckte Fassungvon Johann Gustav Stickel mitKommentaren versehen. Fastalle und darunter gerade diewichtigsten besprochenen Mün-zen fanden sich in der LeipzigerSammlung wieder. Ludolf Krehlhatte in seiner Dresdener Zeit1858 einige der Blau’schenMünzen nochmals kommentiert:„Die in dem angeführten Auf-satz besprochenen Münzen sindmit den übrigen Theilen derreichhaltigen Sammlung desHerrn Dr. Blau im Januar dieses

Jahres [1857; SH] in den Besitz des HerrnHofsecretär Ritter Wilh. Müller in Dresdenübergegangen, welcher die Güte hatte, mirseine reichen Schätze zu wissenschaft-licher Benutzung zur Verfügung zu stellen.So erhielt ich Gelegenheit, die ebenge-nannten 51 Münzen noch vor Abdruck desBlau-Stickel’schen Aufsatzes zu sehen.“(ZDMG 1858, S. 263) Blau hatte auch aufden beiden vorangegangenen Generalver-sammlungen in den Jahren 1854 und 1855Münzen seiner Sammlung in Abwesenheitpräsentieren lassen. Stickel hatte sie je-weils in der auf die Versammlung folgen-den Ausgabe der Zeitschrift der DMG ver-öffentlicht. Alle dort erwähnten Exemplarebefinden sich noch heute in der BibliothecaAlbertina. Fast zwanzig Jahre später1874/75 schrieb Blau:

Jubiläum 2009

40 journal

Dr. Otto BlauFoto: Thüringer

Universitäts- undLandesbibliothek

In Konstantinopel wurden viele Münzen gesammelt – auch von Dr. Otto Blau.Foto: J. Robertson 1856. Alphons Stübel Sammlung

früher orientalischer Photographien der Universität Jena.

Page 294: journal - Universität Leipzighome.uni-leipzig.de/presse/pdf/Journal/2003.pdf · Gleichstellung Noch viel zu besprechen Von Dr. Monika Benedix, Gleichstellungsbeauftragte „Man merkt

„Meine eigenen Bemühungen, mit jenenMännern [berühmte Sammler in Konstan-tinopel, SH] in der Zeit, wo ich Constanti-nopel bewohnte (1852–1856), und späterauf Reisen in Persien und der Türkei zuwetteifern, um eine Auswahl des Bestenaus allen Partien der muhammedanischenNumismatik zusammenzubringen, warennicht ohne Erfolg. Ich brachte mit entspre-chender Mühe und Aufwand über 800Stück zusammen, unter denen nicht wenigKostbarkeiten, welche der Meister dieserWissenschaft, Herr Hofrath Stickel in Jena,in wiederholten Mitteilungen an die deut-sche morgenländische Gesellschaft be-sprach. Den größten Theil meiner Samm-lung erwarb im Jahr 1857 Herr Hofsecre-tär Müller in Dresden; einen anderen Theilhabe ich den Sammlungen der deutschenmorgenländischen Gesellschaft einver-leibt; Einzelnes ist mir – darunter leider einpaar sehr kostbare Stücke – durch Dieb-stahl in einem Nachtquartier in Armenienabhanden gekommen; einige Hundert be-sitze ich noch selbst (Numismatische Zeit-schrift 6–7 [1874-5] 3).“

Warum wurde die Sammlungverkauft?

Otto Blau war der Sohn eines Predigers.Als Schüler in Schulpforta/Thüringeninteressierte er sich für morgenländischeSprachen und galt als außerordentlich be-gabt. Von 1848 bis 1852 studierte er Theo-logie und Orientalistik in Halle und Leip-zig, hier bei Fleischer. Noch als Student trater im Jahr 1848 in die gerade erst gegrün-dete Deutsche Morgenländische Gesell-schaft ein. Krehl und Blau lernten sich spä-testens in dieser Zeit kennen. Blaus Zu-kunft war und blieb ungesichert. EineEmpfehlung brachte ihm eine Übersetzer-stelle, ohne Anspruch auf eine definitiveAnstellung, bei der preußischen Gesandt-schaft in Konstantinopel ein. Im Dezember1852 ließ er seine Verlobte Adelheid Schil-ling (1831–1917) in Suhl zurück. In Istan-bul fühlte er sich schnell in dem kleinen ge-lehrten Kreis von Orientalisten heimisch,die in verschiedenen diplomatischen undoffiziellen Funktionen in der osmanischenHauptstadt tätig waren. Im April 1853avancierte Blau zum Vicekanzler, aller-dings ohne dass es zu einer endgültigenÜbernahme in den Staatsdienst kam. Fürden September 1856 wurde die Hochzeitmit Adelheid Schilling endlich in Aussichtgenommen, in demselben Monat sollte

auch die Generalversammlung der Deut-schen Morgenländischen Gesellschaft inStuttgart stattfinden. An der Teilnahme anbeiden Veranstaltungen war Blau jedochverhindert. Erst am 10. November 1856 trater die Reise zu seiner Verlobten nach Thü-ringen an. Im Januar 1857 erfolgte der Ver-kauf seiner Sammlung an jenen WilhelmMüller. Am 31. Januar bekam Blau, nach-dem er drei Tage zuvor von dem orientbe-geisterten Preußenkönig Friedrich Wil-helm IV. empfangen worden war, denAuftrag zu einer Erkundungsreise nachPersien. Er sollte Handelsbeziehungen,insbesondere für die junge deutsche Stahl-industrie, gewinnen. Am 26. Februarwurde die Trauung mit Adelheid Schillingdurch Vater Blau in Suhl vorgenommen.Am Osterdienstag 1857 reiste der frisch-gebackene Ehemann über Konstantinopelnach Persien und ließ seine junge Frau inDresden zurück.Der für die Universitätssammlung ent-scheidende Verkauf fand also in Zusam-menhang mit der Hochzeit und angesichtsder ungesicherten finanziellen Zukunftstatt. Blaus spätere diplomatischen Statio-nen waren Trapezunt, Sarajewo undOdessa, wo er aufgrund einer tragischenVerkettung von missgedeuteten Nachrich-ten 1879 Selbstmord beging. Mit dem Todevon Ludolf Krehl 1901 war auch die Erin-

nerung an die eigentliche Herkunft und Be-deutung der Sammlung aus dem Gedächt-nis der Lebenden verschwunden.Mit den Münzen der Provenienz Blau zähltdie Universitätsbibliothek Leipzig eine derbedeutenden und bekannten Sammlungen,die in der Mitte des 19. Jahrhunderts inIstanbul zusammengetragen wurden, zu ih-rem Besitz. Mehrere frühe Marksteine derWissenschaftsgeschichte befinden sich inihr. Doch außer den wenigen Exemplaren,die in der Zeit vor der Fotografie nur un-zureichend publiziert werden konnten, istdas Material noch unausgewertet. Die Ord-nung der Sammlung stellt nur einen erstenSchritt dar. Nun muss mit dem numismati-schen Archiv gearbeitet und die Doku-mente müssen veröffentlicht werden. 2002und 2003 konnte die Universitätsbibliothekerste Gastwissenschaftler aus den USAund England begrüßen, die die Sammlungin Augenschein nahmen.

Heft 7/2003 41

Oben links: Das bedeutendste und kost-barste Münzdokument der Sammlung.Die Goldmünze wurde in ar-Ramla/ Palästina etwa im Frühling 976 geprägt.Dieser bisher einzige Beleg ermöglichtneue Einblicke in die turbulente Kriegs-situation dieser Monate. Er nennt ent-sprechend der politischen Hierarchiefünf Persönlichkeiten und ein Regie-rungsgremium sowie religiös-politischeDevisen.Daneben: Papierumschlag der Gold-münze aus der Eremitage.

Links: Islamische Glasmarke aus derZeit der Fatimiden (um 1000). Vermut-lich diente sie als Kleingeldersatz. Die1873 durch die UniversitätsbibliothekLeipzig angekaufte Sammlung Blau ent-hielt zwei solcher Glasmünzen.

Liebe Leser,die Redaktion des Uni-Journalswünscht Ihnen ein frohes Weih-nachtsfest und einen guten Startin das neue Jahr.Die nächste Ausgabe erscheintAnfang Februar.