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.SIAK-Journal – Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis
Reuland, Pierre/Naujeck, Jens (2011):
INTERPOL im europäischen Sicherheitsgefüge. Die besondere Rolle der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (IKPO)
SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (1), 43-50.
doi: 10.7396/2011_1_E
Um auf diesen Artikel als Quelle zu verweisen, verwenden Sie bitte folgende Angaben:
Reuland, Pierre/Naujeck, Jens (2011). INTERPOL im europäischen Sicherheitsgefüge. Die besondere Rolle der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (IKPO), SIAK-Journal − Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (1), 43-50, Online: http://dx.doi.org/10.7396/2011_1_E.
© Bundesministerium für Inneres – Sicherheitsakademie / Verlag NWV, 2011
Hinweis: Die gedruckte Ausgabe des Artikels ist in der Print-Version des SIAK-Journals im Verlag NWV (http://nwv.at) erschienen.
Online publiziert: 3/2013
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INTERPOL im europäischen Sicherheitsgefüge Die besondere Rolle der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (IKPO)
Braucht Europa und speziell die Europäische Union eine Organisation wie INTERPOL in Zeiten sehr gut aufgestellter europäischer Agenturen, wie Europol, Frontex, Cepol und anderen, die den allergrößten Teil der polizeilichen Zusammenarbeit abdecken? Die Antwort ist eindeutig: Ja! In diesem Artikel beschreibt der Sonderbeauftragte von INTERPOL bei der Europäischen Union in Brüssel, dass INTERPOL als die einzige globale Polizeiorganisation mit 188 Mitgliedstaaten einen unerlässlichen Beitrag auch für die Sicherheit in Europa leistet und wesentlich dazu beiträgt, dem Netzwerk internationaler krimineller Strukturen ein globales Sicherheitsnetzwerk entgegen zu stellen.
ALLGEMEINES Die Anforderungen an die Strafverfolgungsbehörden sind in den vergangenen Jahren enorm angestiegen. Potentielle Terroristen und Gruppierungen der Organisierten Kriminalität agieren global unter Nutzung modernster digitaler Technologien, um ihre Anschläge und Straftaten durchzuführen und enorme illegale Gewinne zu realisieren, die dann wieder „gewaschen“ den legalen Wirtschaftskreisläufen zugeführt werden. Die Schäden für die Volkswirtschaften sind exorbitant.
Folgendes Szenario: Ein Polizeibeamter hat einen Sachverhalt zu ermitteln, in dem die involvierten Straftäter mittels Internet kommunizieren, Straftaten auf fünf verschiedenen Kontinenten begangen werden, multiple Geldströme fließen, die dann letztlich in Offshore-Steuerparadiesen versickern.
Ein derartiges Szenario, welches durch
aus regelmäßig in der Realität stattfindet, bedarf in der praktischen polizeilichen Arbeit der Unterstützung einer global vernetzten Polizeiorganisation.
Die IKPO-INTERPOL bietet diese Unterstützung durch ihre vier Arbeitsprioritäten:
Globale sichere Kommunikation durch das I-24/71 Kommunikationssystem. Globale Datenbanken zu gesuchten Straftätern, Fingerabdrücken, DNA, gestohlenen und verloren gegangenen Reisedokumenten, gestohlenen Kunstgegenständen und Weiterem. Sofortige Unterstützung polizeilicher Maßnahmen weltweit rund um die Uhr durch das Command and Coordination Centre. Internationale polizeiliche Aus- und Fortbildungsmaßnahmen durch das globale Netzwerk der Experten der Mitgliedstaaten von INTERPOL.
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PIERRE REULAND, Leiter des INTERPOL-Verbindungsbüros zu den europäischen Institutionen in Brüssel.
JENS NAUJECK, Koordinator im Büro des Leiters des INTERPOL-Verbindungsbüros zu den europäischen Institutionen in Brüssel.
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In den vergangenen zehn Jahren wurden diese Prioritäten kontinuierlich ausgebaut und weiterentwickelt, so dass aktuell im Durchschnitt monatlich mit Hilfe dieser Instrumente:
zehn Kinder von andauerndem sexuellem Missbrauch befreit werden, 500 Straftäter festgenommen werden, 2.000 gestohlene oder verloren gegangene Reisedokumente identifiziert werden, 3.000 gestohlene Fahrzeuge weltweit sichergestellt werden. Das ist der konkrete praktische Mehrwert,
den INTERPOL im Rahmen der internationalen Verbrechensbekämpfung leistet.
Die EU-Mitgliedstaaten haben in den vergangenen 15 Jahren die polizeiliche Zusammenarbeit erheblich verbessert und beschleunigt, insbesondere mit der Einführung und Realisierung des Schengener Informationssystems. Nichtsdestotrotz bleibt INTERPOL das „Fenster zum Rest der Welt“ für die europäischen Strafverfolgungsbehörden.
In den vergangenen zehn Jahren haben INTERPOL und die EU ihre Partnerschaft kontinuierlich und konsequent intensiviert, wobei dies die relevanten Meilensteine des Prozesses sind:
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Development 2004–2009
STOLEN DOCUMENTS HITS + 11.214%
FINGERPRINT HITS + 1.470%
INTERPOL DEPLOYMENTS + 425%
ABUSED CHILDREN IDENTIFIED + RESCUED + 394%
NOMINAL HITS + 301%
RED NOTICES + 164%
I-24/7 COMMUNICATION EXCHANGES + 95%
Quelle: INTERPOL General Secretariat 2010
Entwicklung der Datenbestände in ausgewählten
INTERPOL-Datenbanken 2004–2009
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Im Jahr 2001 wurde die Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen INTERPOL und Europol abgeschlossen. Auf Basis dieses Kooperationsabkommens fanden allein im Jahr 2009 rund 80 Treffen auf operativer und strategischer Ebene statt. Im Jahr 2005 verabschiedete die EU einen Gemeinsamen Standpunkt zum Austausch von Daten zu gestohlenen und verloren gegangenen Reisedokumenten mit INTERPOL, was einen ersten Schritt in Richtung Interoperabilität zwischen INTERPOL- und EU-Datensystemen darstellte. Im Jahr 2008 wurde INTERPOL bei der EU offiziell akkreditiert und die Organisation eröffnete eine permanente Repräsentanz in Brüssel2, um eine privilegierte Partnerschaft zu etablieren und eine enge Kooperation mit dem Rat der EU, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament zu pflegen und auszubauen. Kooperationsabkommen zwischen INTERPOL und Frontex sowie Cepol3
wurden abgeschlossen. In dem 2009 verabschiedeten „Stockholmer Programm“ wird INTERPOL explizit als wichtiger Partner für die EU im Rahmen der externen Dimension der polizeilichen Zusammenarbeit bezeichnet, aber auch wenn es im Rahmen der internen Dimension darum geht, Synergien zu erzeugen und Redundanzen zu vermeiden.
Alle 27 EU-Staaten sind Mitgliedstaaten der IKPO-INTERPOL; einige bereits seit der Gründung der Organisation im Jahr 1923. In der heutigen Zeit, die geprägt ist von finanziellen Engpässen und wirtschaftlichen Restriktionen auch für die nationalen Strafverfolgungsbehörden, ist es unerlässlich, die internationale polizeiliche Zusammenarbeit auf Basis von Komplementarität zu organisieren, speziell zwischen den Agenturen der EU und INTERPOL.
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INTERPOL hat fünf Felder identifiziert, in denen die Organisation speziellen Mehrwert für die EU offerieren und leisten kann:
Informationsaustausch, Schutz der EU-Außengrenzen, Bekämpfung spezifischer Formen von grenzüberschreitender Kriminalität, Polizeiliche Aus- und Fortbildung, Krisenmanagement und Terrorismusbekämpfung.
INFORMATIONSAUSTAUSCH Hinsichtlich der Verfügbarkeit von Informationen muss die EU flexibel genug sein, um auf jedes wie auch immer geartetes erwartetes oder unerwartetes Ereignis reagieren zu können, welches die Sicherheit der EU-Bürger oder der EU-Institutionen gefährdet. In diesen Fällen ist es nicht immer möglich, das geografische Ausmaß des Ereignisses genau zu prognostizieren oder einzugrenzen. Daher bedarf es der schnellsten, sichersten und effektivsten Mittel und Mechanismen für den internationalen Informationsaustausch, unabhängig von der betroffenen Region in Europa oder dem Rest der Welt.
Ohne die existierenden Mechanismen und Kanäle (INTERPOL, SIENA4, SIRENE5) oder künftige Systeme (SIS II6) in Frage stellen zu wollen, erscheint es zwingend notwendig, geeignete Schnittstellen zu schaffen, die Interoperabilität zwischen den unterschiedlichen Systemen herstellen und gewährleisten.
INTERPOL verfügt über eines der modernsten und sichersten Informations- und Kommunikationsnetzwerke, an das alle 188 Mitgliedstaaten der Organisation angeschlossen sind, inklusive aller 27 EU-Staaten. Dieses bietet ein enormes Potential für einen effizienteren und besser organisierten Informationsaustausch zwischen EU-Staaten und dem Rest der Welt.
In diesem Zusammenhang darf auch darauf hingewiesen werden, dass es uner
lässlich ist, den Europäischen Haftbefehl und das SIS7 mit dem „Notices-System“8
von INTERPOL zu verknüpfen, um sicherzustellen, dass Straftäter, die innerhalb der EU gesucht werden, auch außerhalb der EU identifiziert und festgenommen werden können.
Die Interoperabilität von europäischen und INTERPOL-Informationssystemen und der damit einhergehende Informationsaustausch auf Grundlage exakt definierter Datenschutzbestimmungen werden zu einer Beschleunigung und Vereinfachung der täglichen Arbeit der Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden führen.
SCHUTZ DER EU-AUSSENGRENZEN Ein zweites Feld möglicher Synergien betrifft den Schutz der EU-Außengrenzen. Für eine erfolgreiche Strategie zur Sicherung der EU-Außengrenzen sind wiederum in Sekundenschnelle verfügbare globale Daten erforderlich, die rund um die Uhr für die Grenzkontrollbeamten abrufbar sind.
INTERPOL verfügt aktuell über ein effektives Instrument zur Intensivierung der Grenzsicherheit mittels eines elektronischen Systems zur Abfrage von Reisedokumenten und zur Feststellung gestohlener und verloren gegangener Dokumente, die missbräuchlich genutzt werden, um Grenzen zu passieren. Dieses System steht allen INTERPOL-Mitgliedstaaten zur Verfügung und wird derzeit von 151 Ländern mit Daten bestückt. Derzeit befinden sich mehr als 21 Millionen Datensätze in der SLTD9-Datenbank. Im Jahr 2009 konnten durch die Nutzung dieses Systems durch nationale Kontrollbeamte mehr als 28.000 Reisedokumente identifiziert werden, die als gestohlen oder verloren gegangen registriert waren und missbräuchlich genutzt wurden.
Großbritannien ist derzeit das einzige Land europaweit, welches dieses System
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Quelle: INTERPOL General Secretariat 2010
Übersicht der Entwicklung der INTERPOL Stolen
and Lost Travel Documents Datenbank10
national flächendeckend zur Kontrolle eines jeden Reisenden einsetzt.
Im Lichte des Stockholmer Programms sollte dieses Instrument nicht nur an den mehr als 1.600 Kontrollstellen an den Außengrenzen der EU Anwendung finden, sondern auch im Rahmen von Visavergaben durch die europäischen diplomatischen Missionen im Ausland.
Auch die intensivere Zusammenarbeit zwischen INTERPOL und Frontex, basierend auf dem Kooperationsabkommen, welches am 28. Mai 2009 unterzeichnet wurde, soll dazu beitragen, die Grenzsicherheit in Europa zu verbessern.
BEKÄMPFUNG SPEZIFISCHER FORMEN VON GRENZÜBERSCHREITENDER KRIMINALITÄT Zwei besonders schwere Formen von grenzüberschreitender Kriminalität, die sich des Internets als Tatmittel bedienen, sind Cybercrime und Kinderpornografie. Das „world wide web“ kennt keinerlei nationale oder regionale Grenzen und die Bekämpfung der Internetkriminalität erfordert somit zwingend globale Mechanis
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men, welche INTERPOL nutzt und den Mitgliedstaaten zur Verfügung stellt.
Hinsichtlich Cybercrime sind dies im Besonderen:
Unterstützung operativer Maßnahmen durch ein 24/7-Netzwerk von spezialisierten Experten der nationalen Polizeien der INTERPOL-Mitgliedstaaten. Entwicklung von Partnerschaften und Synergien zur Entwicklung modernster technischer Möglichkeiten zur Detektion und Prävention von Cybercrime-Attacken im Internet in Zusammenarbeit mit INTERPOL’s globalen Partnern, wie beispielsweise Google und Microsoft. Zusammenarbeit mit der „Cybercrime Platform“ von Europol, die im Rahmen der französischen EU-Ratspräsidentschaft11 institutionalisiert wurde, um Cybercrime wirkungsvoll bekämpfen zu können.
Im Hinblick auf die Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet verfügt INTERPOL über ein einzigartiges Instrument, welches den Spezialdienststellen der Mitgliedstaaten zur Verfügung steht, um entdeckte Bilder und Videos einem globalen Vergleich zuzuführen und insofern Hinweise zu erlangen, welche möglicherweise zur Identifizierung des Täters, des Opfers und/oder der Missbrauchsörtlichkeit führen.
Es handelt sich hierbei um die „INTERPOL Child Abuse Image Database (ICAID)“, die im Jahr 2001 implementiert wurde und die mittlerweile über eine Million relevante Bilder und Videos enthält. In den vergangenen neun Jahren konnten durch die unterstützende Nutzung dieser Datenbank mehr als 1.600 Opfer aus 38 Ländern von ihrem andauernden Missbrauch befreit werden.
Weitere Möglichkeiten zur intensiveren Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet, die mit den Maßgaben des Stock
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holmer Programms in Einklang stehen, sind:
Weiterentwicklung der ICAID, die auf einer Initiative der G 8 basiert, um online verbesserte und schnellere Vergleichsmöglichkeiten von Bildern und Videos für die Spezialdienststellen der Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Intensivierte Nutzung und Zirkulation der sogenannten „INTERPOL Green Notices12“, um die nationalen Polizeien über die Reisebewegungen von verurteilten Pädophilen innerhalb von Europa in Kenntnis zu setzen, was auch bereits im Rahmen der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft13 beschlossen wurde. Systematische Nutzung der so genannten „INTERPOL Yellow Notices14“ als Bestandteil eines globalen Warnsystems, welches insbesondere auch die Kontrolle von Minderjährigen an den Außen-grenzen betrifft, um sie als mögliche Missbrauchsopfer zu identifizieren und andauernden Missbrauch zu beenden. Identifizierung von Kooperationsmöglichkeiten mit Internet Service Providern sowie mit nationalen zuständigen Behörden und anderen internationalen Institutionen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die von Norwegen initiierte CIRCAMP15-Initiative, die sich im Rahmen der COSPOL16-Projekte mit dieser Thematik beschäftigt und die von INTERPOL unterstützt und aktiv begleitet wird. Cybercrime im Allgemeinen und Kin
derpornografie im Besonderen stellen eine signifikante Bedrohung für die Bevölkerung weltweit dar und sind eine besondere Herausforderung für die Strafverfolgungsbehörden.
Die enge Zusammenarbeit zwischen INTERPOL und Europol im Rahmen der Bekämpfung dieser Kriminalitätsphänomene wird zweifellos zu signifikanten operativen Erfolgen führen und somit zu
gleich eine deutliche Demonstration für die Bürger innerhalb und außerhalb der EU sein, die verdeutlicht, dass ein gut durchdachter, sorgfältig geplanter und pragmatischer Ansatz richtungsweisend und erfolgreich ist.
POLIZEILICHE AUS- UND FORTBILDUNG Ein weiteres globales Kriminalitätsphänomen ist der internationale Rauschgifthandel und hier im Besonderen die so genannte „Kokain-Route“, auf der Kokain von Südamerika über Westafrika nach Europa geschmuggelt wird.
Dieses Phänomen unterstreicht die Notwendigkeit der Unterstützung und Verbesserung der polizeilichen Fähigkeiten und Strukturen insbesondere in der Region Westafrika, um diese Form der grenzüberschreitenden Kriminalität wirkungsvoller und nachhaltig bekämpfen zu können, da sie auch zur Schwächung der politischen Stabilität und der sozioökonomischen Situation in der Region beiträgt.
Das „OASIS17-Projekt“ von INTERPOL, welches 2008 mit finanziellen Mitteln des deutschen Außenministeriums implementiert wurde, konzentriert sich auf die Unterstützung und den Kapazitätsaufbau der afrikanischen Polizeien und fokussiert sich im Besonderen auf Tatortarbeit, spezielle Ermittlungstechniken und Kriminalitätsanalyse sowie den Ausbau der existierenden INTERPOL-Kommunikationsstrukturen für die Nationalen INTERPOL-Zentralbüros und der INTERPOL-Regionalbüros.
Die konkreten Ergebnisse des OASIS-Projektes in den ersten beiden Jahren stellen sich wie folgt dar:
Mehr als 100 hochrangige afrikanische Polizeibeamte nahmen an zehnwöchigen Aus- und Fortbildungskursen im INTERPOL-Generalsekretariat teil. Mehr als 1.500 afrikanische Polizeibeamte nahmen an Aus- und Fortbil
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Quelle: INTERPOL General Secretariat 2010
INTERPOLs Krisenmanagement – Entsendung von
Krisenreaktions-/Interventionsteams zur Unter
stützung der Mitgliedstaaten
dungsmaßnahmen insbesondere in den Bereichen Kraftfahrzeugkriminalität, Drogen, Markenpiraterie und Umweltkriminalität vor Ort in Afrika teil. Alle afrikanischen Staaten sind an das INTERPOL I-24/7 Informations- und Kommunikationssystem angeschlossen und im Rahmen des OASIS-Projektes wurden in 13 afrikanischen Ländern technische Infrastrukturen geschaffen, die die direkte Abfrage der INTERPOL-Datenbanken an Grenzkontrollstellen ermöglichen. Mehr als 1.200 afrikanische Polizeibeamte partizipierten in von INTERPOL organisierten operativen Maßnahmen, die sich speziell auf die Sicherstellung von gefälschten Medikamenten, gestohlenen Kraftfahrzeugen, Elfenbein sowie weiteren illegalen Fauna-/Floraprodukten und Rauschgift fokussierten. Das Hauptziel des Projektes ist die
Schaffung nachhaltiger und kompetenter Polizeistrukturen in den Zielländern und die Kombination von Sicherheits- und Entwicklungsmaßnahmen in Form einer Vorverlagerungsstrategie zur Bekämpfung aller Formen von Organisierter Kriminalität, die letztlich Europa erreichen.
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In diesem Zusammenhang organisierte INTERPOL gemeinsam mit der belgischen EU-Ratspräsidentschaft ein hochrangiges Symposium zur Situation in Westafrika und den Bezug zu Europa am 30. September 2010 in Brüssel.
INTERPOL und Cepol schlossen am 16. Dezember 2008 eine Zusammenarbeitsvereinbarung ab, die zu einer Bündelung der jeweiligen Kompetenzen und Möglichkeiten im Rahmen der polizeilichen Aus- und Fortbildung führt und die folgende Schwerpunkte beinhaltet:
Abstimmung der jährlichen Arbeitsprogramme zur Vermeidung von Redundanzen. Aktive Beteiligung von INTERPOL-Experten im Rahmen der Cepol-Kurse und -Seminare. Ab dem Jahr 2010 hat sich INTERPOL aktiv an zahlreichen Cepol-Maßnahmen beteiligt. Mögliche gemeinsame Forschungsprojekte.
KRISENMANAGEMENT UND TERRORISMUSBEKÄMPFUNG Im Rahmen der europäischen Sicherheitsund Verteidigungspolitik ist die EU in der heutigen Zeit in vielen Regionen der Welt präsent, um Krisen, die aus kriegerischen Auseinandersetzungen oder massiven terroristischen Aktivitäten resultieren, zu bewältigen. Als Beispiele seien hier der Irak, das ehemalige Jugoslawien, Gebiete unter palästinensischer Selbstverwaltung oder der Kongo genannt.
An dieser Stelle soll aber zunächst anhand des aktuellen Phänomens der Seepiraterie dargestellt werden, wie sich die Kooperation von INTERPOL und Europol in der Praxis darstellt und bewährt.
INTERPOL, in enger Kooperation mit den Vereinten Nationen, der International Maritime Organization (IMO) und Europol, unterstützt die Bemühungen im Kampf gegen die Seepiraterie vor Ort18 durch
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Aus- und Fortbildungsmaßnahmen der Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden und der Justiz.
Dies geschieht primär durch die 24/2419-Überwachung der Situation im Golf von Aden und vor der somalischen und kenianischen Küste durch das Command and Coordination Centre im INTERPOL-Generalsekretariat in Lyon in Zusammenarbeit mit ausgewählten Partnern wie IMO20, ATALANTA21 und anderen, die Untersuchung und Analyse aktueller Pirateriefälle mittels der Analysekapazitäten von Europol in Form eines Analytical Work Files (AWF), die Erhebung und Sicherung von Beweismitteln für die Ermittlungen und die Strafprozesse durch das INTERPOL-Regionalbüro in Nairobi und die Außenstelle des Büros in Mombasa, den von der EU finanziell unterstützten Ausbau der investigativen Kapazitäten in ausgewählten afrikanischen Staaten durch die dortigen Nationalen Zentralbüros von INTERPOL in Zusammenarbeit mit East African Police Chiefs Committee (EAPCCO), den Austausch von Informationen zu aktuellen Trends und Entwicklungen wie beispielsweise im Rahmen einer zweitägigen Konferenz im INTERPOL-Generalsekretariat im Januar 2010, die sich im Besonderen auf die finanziellen Aspekte und Auswirkungen der Seepiraterie fokussierte, wie beispielsweise Geldwäsche und die Nachverfolgung des weiteren Flusses der gezahlten Lösegelder.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die IKPO-INTERPOL durch ihr globales Netzwerk für den Informationsaustausch und die globalen Datenbanken über die geeignetsten Mittel verfügt, um binnen kürzester Zeit auf Katastrophen und terroristische Großanschläge zu reagieren und Unterstützung anbieten zu können. Das weltweite Netzwerk von IKPO22-Spezialisten steht zur Verfügung, um äußerst zeitnah vor Ort in Regionen, die von Naturkatastrophen23 oder terroristischen Anschlägen betroffen sind, im Rahmen von Incident Response Teams (IRT) Unterstützung zu leisten.
Darüber hinaus hat INTERPOL seit 2001 ein weltweites Netzwerk von mittlerweile mehr als 200 nationalen Experten im Bereich der Terrorismusbekämpfung etabliert, welches internationale Ermittlungen und Fahndungen unterstützt24.
FAZIT Zusammenfassend und abschließend lässt sich feststellen, dass die IKPO-INTERPOL auf Grund ihrer weltweit einzigartigen Stellung und der im Artikel dargestellten Produkte und Serviceleistungen der erste und natürliche Partner der EU ist, wenn es darum geht, die globale polizeiliche Zusammenarbeit und die internationale Verbrechensbekämpfung zu intensivieren und zu fördern. Dieses Ziel gilt es gemeinsam zu erreichen, getragen von dem Gedanken der Komplementarität und im Lichte der Ausführungen des Stockholmer Programms.
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1 Globales polizeiliches Informations- und Kom
munikationssystem von INTERPOL, an welches
alle 188 Mitgliedstaaten der Organisation ange
schlossen sind und mittels dessen der internatio
nale polizeiliche Nachrichtenaustausch betrie
ben wird. 2 Office of the Special Representative of INTER
POL to the European Union. 3 European Police College. 4 Secure Information Exchange Network Applica
tion ist eine Webapplikation zum Austausch von
Informationen zwischen Europol und anderen
Akteuren, vornehmlich INTERPOL. 5 Supplementary Information Request at the Na
tional Entry. Nach Artikel 108 des Schengener
Durchführungsübereinkommens hat jeder Ver
tragsstaat eine zentrale Stelle einzurichten, die
für den nationalen Teil des Schengener Informa
tionssystems (N.SIS) verantwortlich ist. Diese
Stellen tragen den Namen SIRENE. 6 Schengener Informationssystem II. 7 Schengener Informationssystem. 8 Internationale (Fahndungs-)Ausschreibungen. 9 Stolen and Lost Travel Documents. 10 Datenbestand, Abfragen und Treffer 2002–2010
(1. Halbjahr). 11 2. Halbjahr 2008. 12 Internationale Ausschreibungen zur Warnung
vor überörtlich agierenden Straftätern. 13 1. Halbjahr 2009.
14 Internationale Ausschreibungen zu vermissten
Personen. 15 Cospol Internet Related Child Abusive Materi
al Project. 16 Comprehensive Operational Strategic Planning
for the Police. 17 Operational Assistance, Services and Infra
structure Support. 18 Derzeit primär in Kenia und den Seychellen. 19 Überwachung prinzipiell „rund um die Uhr“;
d.h., dass das Kriminalitätsphänomen der See
piraterie von INTERPOL rund um die Uhr,
24 Stunden, 7 Tage/Woche beobachtet wird, um
schnellstmöglich auf akutelle Entwicklungen rea
gieren zu können. 20 International Maritime Organization. 21 Die EU NAVFOR (Naval Forces) Somalia-Ope
ration ATALANTA ist eine multinationale Mission
der EU zum Schutz von humanitären Hilfsliefe
rungen nach Somalia, der freien Seefahrt und zur
Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somali
as am Horn von Afrika im Golf von Aden und be
zeichnet gleichzeitig einen multinationalen Mari
neverband (Flottille). Die Mission ist die erste
Marineoperation der EU. 22 Indentifizierungskommissionen. 23 Unter anderem 2004 in Südostasien nach dem
Tsunami und 2010 nach dem Erdbeben in Haiti. 24 Beispielsweise nach den terroristischen An
schlägen 2008 in Mumbai.