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Der Internist 6 · 2004 | 693 Internist 2004 · 45:693–706 DOI 10.1007/s00108-004-1208-5 Online publiziert: 4. Mai 2004 © Springer-Verlag 2004 Rubrikherausgeber H.-P.Schuster,Hildesheim (Schriftleitung) H. Lydtin, Starnberg J.Mössner, Leipzig K.Wilms,Würzburg Die Beiträge der Rubrik „Weiterbildung • Zertifizierte Fortbildung“ sollen dem Facharzt als Repetitorium dienen und dem Wissensstand der Facharztprüfung für den Arzt in Weiterbildung entsprechen. Die Rubrik beschränkt sich auf gesicherte Aussagen zum Thema. Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung W. Seidel · M. Pierer · H. Häntzschel Abteilung Rheumatologie,Medizinische Klinik IV,Universität Leipzig Internistische Therapie der rheumatoiden Arthritis Zusammenfassung Die rheumatoide Arthritis (RA; syn. chronische Polyarthritis) ist die häufigste entzünd- liche Gelenkerkrankung.Wesentliches Charakteristikum ist die symmetrische, die klei- nen Gelenke der Hände und Füße bevorzugende Arthritis mit morgendlichem Schmerz- gipfel. Frauen erkranken 3-mal häufiger als Männer mit einem Erkrankungsgipfel im 20.–30. und einem weiteren, zahlenmäßig größeren im 50.–65. Lebensjahr. Die Erkran- kung verläuft schleichend progredient,wobei schwere Schübe dank der gegenwärtigen Therapiemöglichkeiten seltener geworden sind. Der Grad der körperlichen Behinderung korreliert mit dem Ausmaß der erosiven Röntgenveränderungen. Frühzeitige Thera- piemaßnahmen führen zur Verlangsamung der röntgenologischen Progredienz und damit zu einer Verbesserung der Prognose.In den letzten 5 Jahren wurde durch die Zu- lassung moderner Enzym- und Zytokininhibitoren die Palette der zur Verfügung ste- henden Medikamente deutlich erweitert. Schlüsselwörter Rheumatoide Arthritis · Chronische Polyarthritis · Antirheumatische Therapie · Extraartikuläre Manifestationen · „disease modifying antirheumatic drugs“ Medical treatment of rheumatoid arthritis Abstract Rheumatoid arthritis is the most common inflammatory joint disease and is characte- rized by chronic, symmetric, erosive synovitis of small joints of hands and feet. Preva- lence in women is threefold higher than in man. Structural damage of the joints starts between the first and second year of the disease. Early therapeutic interventions can alter the course of rheumatoid arthritis by delaying the progression of radiographic joint destruction, which correlates with the grade of disability.Approval of new biolo- gic antirheumatic drugs in the last few years improved the outcome of rheumatoid ar- thritis. Keywords Rheumatoid arthritis · Chronic polyarthritis · Antirheumatic therapy · Extraarticular manifestations · Disease modifying antirheumatic drugs Willkommen zur Zertifizierten Fortbildung bei Springer! Das Zertifizierungsportal von Springer cme.springer.de bietet Ihnen neben der Online-Version der aktuellen Fort- und Weiter- bildungsbeiträge auch die Möglichkeit, die Fragen am Ende dieses Beitrags online zu beantworten und somit wichtige Zertifizierungspunkte zu sammeln.Die Teilnahme ist kostenlos und beschränkt sich im Hinblick auf eine eindeutige Identifizierung auf Individualabonnenten der Zeitschrift. Für diese Fortbildungseinheit erhalten Sie drei Fortbildungspunkte, wenn Sie 70% der Fragen richtig beantwortet haben bzw. Ihr Ergebnis nicht unter dem Durchschnitt aller Teilnehmer liegt.Zwei Tage nach Einsendeschluss können Sie die Auswertung und damit Ihre Teilnahmebestätigung unter cme.springer.de abrufen. Reichen Sie Ihre Teilnahmebestätigung zur Erlangung des freiwilligen Fortbildungszertifikats bei Ihrer zuständigen Ärztekammer ein. Diese Initiative ist zertifiziert von der Landesärzte- kammer Hessen und der Nordrheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung und damit auch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig. Für Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung: Springer-Verlag GmbH & Co.KG Redaktion Facharztzeitschriften CME-Helpdesk, Tiergartenstraße 17 69121 Heidelberg E-Mail: [email protected] cme.springer.de

Internistische Therapie der rheumatoiden Arthritis

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Page 1: Internistische Therapie der rheumatoiden Arthritis

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Internist 2004 · 45:693–706DOI 10.1007/s00108-004-1208-5Online publiziert: 4. Mai 2004© Springer-Verlag 2004

RubrikherausgeberH.-P. Schuster, Hildesheim (Schriftleitung)H. Lydtin, StarnbergJ. Mössner, LeipzigK.Wilms,Würzburg

Die Beiträge der Rubrik „Weiterbildung • ZertifizierteFortbildung“ sollen dem Facharzt als Repetitoriumdienen und dem Wissensstand der Facharztprüfungfür den Arzt in Weiterbildung entsprechen.Die Rubrikbeschränkt sich auf gesicherte Aussagen zum Thema.

Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung

W. Seidel · M. Pierer · H. HäntzschelAbteilung Rheumatologie, Medizinische Klinik IV, Universität Leipzig

Internistische Therapie der rheumatoiden Arthritis

Zusammenfassung

Die rheumatoide Arthritis (RA; syn.chronische Polyarthritis) ist die häufigste entzünd-liche Gelenkerkrankung.Wesentliches Charakteristikum ist die symmetrische,die klei-nen Gelenke der Hände und Füße bevorzugende Arthritis mit morgendlichem Schmerz-gipfel. Frauen erkranken 3-mal häufiger als Männer mit einem Erkrankungsgipfel im20.–30.und einem weiteren,zahlenmäßig größeren im 50.–65.Lebensjahr.Die Erkran-kung verläuft schleichend progredient,wobei schwere Schübe dank der gegenwärtigenTherapiemöglichkeiten seltener geworden sind.Der Grad der körperlichen Behinderungkorreliert mit dem Ausmaß der erosiven Röntgenveränderungen. Frühzeitige Thera-piemaßnahmen führen zur Verlangsamung der röntgenologischen Progredienz unddamit zu einer Verbesserung der Prognose.In den letzten 5 Jahren wurde durch die Zu-lassung moderner Enzym- und Zytokininhibitoren die Palette der zur Verfügung ste-henden Medikamente deutlich erweitert.

SchlüsselwörterRheumatoide Arthritis · Chronische Polyarthritis · Antirheumatische Therapie · Extraartikuläre Manifestationen · „disease modifying antirheumatic drugs“

Medical treatment of rheumatoid arthritis

AbstractRheumatoid arthritis is the most common inflammatory joint disease and is characte-rized by chronic, symmetric, erosive synovitis of small joints of hands and feet. Preva-lence in women is threefold higher than in man. Structural damage of the joints startsbetween the first and second year of the disease. Early therapeutic interventions canalter the course of rheumatoid arthritis by delaying the progression of radiographicjoint destruction, which correlates with the grade of disability.Approval of new biolo-gic antirheumatic drugs in the last few years improved the outcome of rheumatoid ar-thritis.

KeywordsRheumatoid arthritis · Chronic polyarthritis · Antirheumatic therapy · Extraarticular manifestations · Disease modifying antirheumatic drugs

Willkommen zur ZertifiziertenFortbildung bei Springer!

Das Zertifizierungsportal von Springercme.springer.de bietet Ihnen neben der Online-Version der aktuellen Fort- und Weiter-bildungsbeiträge auch die Möglichkeit, die Fragenam Ende dieses Beitrags online zu beantworten und somit wichtige Zertifizierungspunkte zusammeln. Die Teilnahme ist kostenlos und beschränkt sich im Hinblick auf eine eindeutigeIdentifizierung auf Individualabonnenten derZeitschrift.

Für diese Fortbildungseinheit erhalten Sie dreiFortbildungspunkte, wenn Sie 70% der Fragen richtig beantwortet haben bzw. Ihr Ergebnis nichtunter dem Durchschnitt aller Teilnehmer liegt. ZweiTage nach Einsendeschluss können Sie dieAuswertung und damit Ihre Teilnahmebestätigungunter cme.springer.de abrufen. Reichen Sie Ihre Teilnahmebestätigung zur Erlangung desfreiwilligen Fortbildungszertifikats bei Ihrerzuständigen Ärztekammer ein.

Diese Initiative ist zertifiziert von der Landesärzte-kammer Hessen und der Nordrheinischen Akademiefür Ärztliche Fort- und Weiterbildung und damitauch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig.

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Lernziel

Das Studium des Beitrages soll den Leser dazu befähigen, die rheumatoide Arthritisrechtzeitig zu erkennen, differenzialdiagnostische Erwägungen abzuleiten und adä-quate Therapiemaßnahmen durchzuführen.

Definition

Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine Systemerkrankung des Bindegewebes unbe-kannter Ätiologie mit bevorzugter Manifestation an den Gelenken und extraartikulä-ren Manifestationen. Der typische klinische Befund ist die �Synovialitis kleiner undmittlerer Gelenke mit einem charakteristischen symmetrischen Gelenkbefallsmuster.In Abhängigkeit von der Anzahl der befallenen Gelenke und dem Ausmaß der Destruk-tion kommt es im Krankheitsverlauf zu Bewegungseinschränkungen, Fehlstellungenbis hin zu Ankylosen.Eine klinisch relevante �extraartikuläre Manifestation wird in ca.10% der Patienten beobachtet.

Epidemiologie

Die �Prävalenz der RA liegt in Deutschland bei 0,5% [47], wobei Frauen etwa 3-malhäufiger betroffen sind als Männer. Ein erster Erkrankungsgipfel findet sich bei den20- bis 30-jährigen Frauen,ein zweiter,zahlenmäßig größerer zwischen dem 50.und 65.Lebensjahr.Die sog.�Alters-RA wird von einigen Autoren als eigenständige Verlaufsformhervorgehoben [19],ihre Besonderheiten sind jedoch im Wesentlichen durch die Komor-bidität in dieser Altersgruppe gekennzeichnet [24].

Familiäre Häufungen der RA treten auf.Eine enge Assoziation besteht zwischen derErkrankung und dem Histokompatibilitätskomplex HLA-DR 4, welcher bei zwei Drit-tel der Patienten mit RA und nur zu 28% in der Kontrollgruppe gefunden wird [38].Weitere �HLA-Assoziationen lassen sich darauf zurückführen, dass bei Patienten mitRA in der 3. hypervariablen Region der β-Kette des HLA-DR-Moleküls an den Positio-nen 67–74 jeweils identische Aminosäuresequenzen auftreten,unabhängig davon,ob die-se im HLA-DR 4, HLA-Dw 16 oder HLA-DR1 vorkommt. Weiterhin zeigen bestimmteKrankheitsverläufe einen Bezug zu HLA-Typen. Frühe erosive Verläufe [43] und dasAuftreten von extraartikulären Symptomen sind häufiger mit DR B 1*0401 oder DR B1*0404 vergesellschaftet.

Pathogenese

Drei Phänomene kennzeichnen die rheumatoide Arthritis [17]:

▂ die synoviale Hyperplasie,▂ pathologische Immunphänomene,▂ die progrediente destruierende Arthritis.

In den �Entzündungsinfiltraten werden synoviale Fibroblasten, Makrophagen sowieeine große Zahl von Lymphozyten gefunden. Neben den an der Produktion von Auto-antikörpern beteiligten B-Lymphozyten und Plasmazellen dominieren CD4+-T-Zellen,jedoch ist deren Bedeutung in der Pathogenese noch nicht klar [15], zumal Anti-CD4-Antikörper bei Patienten mit RA keinen wesentlichen therapeutischen Effekt erzielenkonnten [45]. Die lokale Entzündungsreaktion wird durch ein �proinflammatorischesZytokinmilieu unterhalten.Die Ergebnisse der gegen TNF-α gerichteten Therapien wei-sen darauf hin,dass hierbei TNF-α eine zentrale Rolle spielt und die Sekretion von pro-inflammatorischen Zytokinen wie IL-1 und IL-6 steuert. Daneben wird der Gelenk-knorpel durch aktivierte synoviale Fibroblasten und deren Produkte, aktivierte Prote-inasen wie Matrixmetalloproteinasen und Kathepsine, zerstört [37].

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� Synovialitis

� Extraartikuläre Manifestation

� Prävalenz

� Alters-RA

Die RA tritt familiär gehäuft auf

� HLA-Assoziationen

� Entzündliche Infiltrate

� Proinflammatorisches Zytokinmilieu

TNF-α spielt in der Pathogenese eine zentrale Rolle

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Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung

Klinik

Die RA beginnt in der Regel schleichend mit allgemeinem Krankheitsgefühl, Schwä-che und unspezifischen Muskel- und Gelenkbeschwerden.Nach einigen Wochen zeigensich entzündliche Schwellungen der Synovia,wobei Hand-,Fingergrund-,Fingermittel-und Zehengrundgelenke bevorzugt werden (⊡ Abb. 1). Die charakteristische Symmet-rie kann im Anfangsstadium noch fehlen. Nur 5–10% der Patienten entwickeln früh-zeitig extraartikuläre Manifestationen wie Lymphknotenschwellungen,Hepatospleno-megalie, Serositis, Rheumaknoten oder eine Vaskulitis der Haut [32].

Im weiteren Verlauf stehen die Schmerzen der betroffenen Gelenke, typischerweisemorgens mit einem anhaltenden Steifigkeitsgefühl verbunden, im Vordergrund. Beider körperlichen Untersuchung findet man exsudative Schwellungen in Form von prall-elastischen Resistenzen im Bereich der Fingergrund- und -mittelgelenke.Am Handge-lenk besteht häufig zusätzlich eine �Tenosynovitis der Sehne des M. extensor carpi ul-naris. Die betroffenen Gelenke sind überwärmt, jedoch praktisch nie gerötet. Eine Te-

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Bevorzugt symmetrischer Befall von Hand-, Fingergrund-, Fingermittel- und Zehengrundgelenken

Typische morgendliche Schmerzen undSteifigkeit

� TenosynovitisDie Gelenke sind nie gerötet

Abb. 1a, b � Frühes undspätes Stadium der rheu-matoiden Arthritis. a FrüheArthritis der proximalenInterphalangealgelenke IIIund IV ohne Deformität.b Spätes Stadium mit typi-scher Ulnardeviation,Atrophie der interossealenMuskulatur und als Beson-derheit mehreren Rheu-maknoten über den Meta-karpophalangealgelenken

Abb. 2a–d � Extraartiku-läre Manifestationen derrheumatoiden Arthritis.a Vaskulitisch bedingterVerschluss einer Finger-arterie und nachfolgendeNekrose an den Fingerkup-pen. b Seltener Befall desAuges (Episkleritis). c Aus-geprägte Tenosynovitis derHandextensoren. d Fehl-stellungen beider Händenach langjährigem Verlaufmit Destruktion und rheu-matoider Vaskulitis mit Ulzeration über dem Meta-karpophalangealgelenk IIrechts

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Tabelle 1

Extraartikuläre Manifestationen der rheumatoiden Arthritis

Tenosynovitis

Rheumaknoten

Digitale Infarkte

Ulcus cruris

Purpura, Petechien

Serositis

Lungenfibrose

Episkleritis, Skleritis

Keratokonjunktivitis sicca

Sensorische Neuropathie

Mononeuritis multiplex

Tabelle 2

Kriterien zur Klassifikation der rheumatoiden Arthritis. (Nach [4])

1. Morgendliche Steifigkeit der Gelenke von mindestens einer Stunde Dauer

2. Arthritis an 3 oder mehr Gelenkregionen; mindestens 3 Gelenkregionen zeigen gleichzeitig von

einem Arzt festgestellte Weichteilschwellungen oder Gelenkergüsse. Folgende Regionen werden

jeweils rechts und links bewertet: proximale Interphalangealgelenke (PIP), Metakarpophalangeal-

gelenke (MCP), Hand-, Ellenbogen- und Kniegelenke, oberes Sprunggelenk, Metatarsophalangeal-

gelenke (MTP)

3. Mindestens Befall eines Hand-, MCP- oder PIP-Gelenkes

4. Symmetrische Arthritis: gleichzeitiger Befall der gleichen Regionen rechts und links

5. Von einem Arzt beobachtete Rheumaknoten

6. Nachweis des Rheumafaktors im Serum

7. Röntgenveränderungen an den Hand- oder Fingergelenken (Erosionen, Osteopenie)

Die Kriterien 1 bis 4 müssen mindestens über einen Zeitraum von 6 Wochen bestehen.Wenn 4 Kriterien erfüllt sind, kann die Diagnose rheumatoide Arthritis gestellt werden.

nosynovitis der Beugesehnen verstärkt die Bewegungseinschränkung der Finger. DerFaustschluss wird erschwert oder unmöglich.

Bei Persistieren der Arthritis entwickeln sich infolge der eintretenden Inkongruen-zen der Gelenkflächen an den Fingern die typischen �Knopfloch- oder Schwanenhalsde-formitäten.An den Füßen entsteht ein �Hallux valgus, verbunden mit einer Subluxati-on der Köpfchen der Grundphalangen II–V nach dorsal. Infolge des Tiefertretens derMetatarsaleköpfchen bilden sich unter ihnen massive Hornschwielen,die ihrerseits Be-schwerden verursachen. Kniegelenksergüsse können sich bis in die Kniekehle ausdeh-nen, wobei die Ruptur einer solchen �Poplitealzyste differenzialdiagnostisch in ersterLinie zur Unterschenkelthrombose abzugrenzen ist.

Extraartikuläre Manifestationen

Eine Übersicht der extraartikulären Manifestationen zeigt ⊡ Tabelle 1. Sichtbarste ex-traartikuläre Manifestation sind die �Rheumaknoten, die an den Streckseiten der Ge-lenke auftreten, jedoch nur bei mechanischer Behinderung entfernt werden müssen.Häufigste Lokalisation ist das Ellenbogengelenk,wo sich Rheumaknoten an der proxi-malen Ulnastreckseite oder in der Bursa olecrani finden.Daneben treten diese Knotenhäufig über den dorsalen Anteilen der Fingergelenke, an der Achillessehne, seltenerüber dem Os sacrum auf (⊡ Abb. 2).

Diagnostische Schwierigkeiten bereiten intrapulmonale Knotenbildungen,besonderswenn sie,wie in einer Anzahl von Fällen beschrieben,vor der eigentlichen Gelenkerkran-kung auftreten. Die Knoten bestehen aus einer zentralen Nekrose mit einem Granulo-und Histiozytenwall und lassen sich histologisch mitunter nur schwer von einem Gra-nuloma anulare oder einer Necrobiosis lipoidica diabetorum abgrenzen.Daneben lässtsich in bis zu 50% der Fälle autoptisch eine Pleuritis [44] nachweisen.Eine diffuse �in-terstitielle Lungenfibrose entwickeln 10–47% der Patienten [16, 18].

Die häufigste �okuläre Manifestation der RA ist eine Keratokonjunktivitis sicca.Einpathologischer Schirmer-Test (innerhalb von 5 min weniger als 5 mm Tränenflüssigkeitan einem Streifen Filterpapier) ist diagnostisch wegweisend. In einer Häufigkeit von<1% tritt eine Skleritis oder Episkleritis auf [27].

Der chronische Entzündungsprozess der RA kann am �Herz zur Vaskulitis, Amy-loidose, Serositis und Fibrose führen. Eine Perikarditis tritt bevorzugt bei rheumafak-torpositiven Patienten mit Rheumatismus nodosus auf [9].

Bei nahezu allen RA-Patienten findet sich als frühzeitige röntgenologische Veränderungeine lokalisierte, gelenknahe, d. h. in enger Beziehung zum Ort des Entzündungsgesche-hens stehende Osteoporose.Sie kann oftmals bereits wenige Monate nach Erkrankungs-beginn imponieren.Histologische Untersuchungen des periartikulären Knochens zeigten

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� Knopfloch- oder Schwanenhals-deformitäten

� Hallux valgus

� Poplitealzyste

� Rheumaknoten

Intrapulmonale Knoten können schon vordem Gelenkbefall auftreten

� Interstitielle Lungenfibrose

� Okuläre Manifestation

� Kardiale Manifestationen

Die gelenknahe Osteoporose ist rönt-genologisch frühzeitig nachweisbar

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einen �erhöhten Knochenturnover mit einem Überwiegen der Knochenresorption undsomit einer negativen Skelettbilanz.Die gestörte Balance scheint multifaktoriell bedingt.Es werden sowohl Ruhigstellung bzw.Fehlbelastungen sowie eine verstärkte Durchblutungdes entzündeten Gelenks angeschuldigt als auch der Einfluss zahlreicher lokaler Media-toren,deren Bildung und Freisetzung mit der vorliegenden Synovialitis assoziiert sind.

Neben den Nervenkompressionssyndromen und den Neuropathien infolge Vasku-litis ist die zervikale Myelopathie eine häufige Komplikation der RA. Beim Vollbild derRA fehlt selten eine Beteiligung der Halswirbelsäule.Jedes Segment der HWS kann vomentzündlich-rheumatischen Prozess betroffen sein. Schwere Schädigungen der Kno-chen, Bänder und des Knorpels durch das invasive, rheumatoide Synovialgewebe re-sultieren in atlantoaxialen oder subaxialen Dislokationen.

Als häufigster radiologischer Befund findet sich die �anteriore atlantoaxiale Subluxa-tion bei bis zu einem Drittel der RA-Patienten, insbesondere durch eine Schädigung desLig.transversum bzw.durch einen erodierten bzw.frakturierten Dens axis verursacht.Rönt-genologisch findet sich hierbei eine Vergrößerung des Abstands zwischen dem Dens axisund dem Atlasbogen auf über 3 mm.Die resultierende dorsale Einengung kann zu Kom-pressionserscheinungen im Spinalkanal führen. MRT-Untersuchungen von Patientenmit atlantoaxialer Dislokation zeigen einen den Dens umgebenden entzündlichen Pan-nus, der zusätzlich zu Kompressionserscheinungen führen kann.

Der Befall beider Atlantookzipitalgelenke (laterale Atlantoaxial-Gelenke) ermöglichtein Vordringen des Dens axis in das Foramen magnum in die hintere Schädelgrube,wodurch eine �basiläre Impression verursacht wird. Diese vertikale Subluxationsformkommt mit einer Prävalenz von 3–4% bei RA-Patienten vor.

Röntgenuntersuchungen der HWS mit Funktionsaufnahmen in Flexion und Exten-sion erlauben die erste Diagnostik einer atlantoaxialen und subaxialen Subluxation.Die Untersuchungstechnik der Wahl zur genauen Lokalisation und Identifikation derpathologischen Veränderungen stellt die MRT dar [1, 8].

Besondere Verlaufsformen

Beim �Felty-Syndrom handelt es sich um eine Sonderform einer rheumafaktorpositi-ven RA mit Splenomegalie und Neutropenie.Es besteht eine deutlich erhöhte Infektan-fälligkeit. Das �Still-Syndrom des Erwachsenen geht mit Leukozytose, Splenomegalie,Exanthem und Fieber einher, wobei die Zuordnung zur RA fraglich ist.

Die Häufigkeit einer �Amyloidose wird in Post-mortem-Studien bei RA-Patientenzwischen 0,7 und 5,8% angegeben [31,42].Unabhängig von der Therapie steigt die Wahr-scheinlichkeit der Entwicklung einer sekundären Amyloidose mit zunehmender Er-krankungsdauer sowie bei anhaltend hoher Entzündungsaktivität.

Eine rheumatoide Vaskulitis manifestiert sich in erster Linie an den Fingerarterienund den Vasa nervorum.Die oft zu beobachtende isolierte Vaskulitis der Digitalgefäßeweist dabei als einzige eine eher günstige Prognose auf [10]. Der Verdacht einer syste-mischen Vaskulitis stellt sich bei allen Patienten,die protrahiertes Fieber ungeklärter Ge-nese,Zeichen wie Gewichtsverlust,Lymphknotenschwellungen oder Hepato- und/oderSplenomegalie aufweisen. Mögliche �Manifestationen können sein:

▂ schwere Durchblutungsstörungen mit Fingerkuppennekrosen,▂ Hautulzera an den Unterschenkeln oder im Bereich des Os sacrum [28],▂ akutes Abdomen infolge Kolitis, Mesenterialinfarkt oder Ulkus ventriculi bzw.

duodeni,▂ sensorische oder sensomotorische Neuropathien infolge einer Vaskulitis der

Vasa nervorum [13].

Diagnostik

Die typischen klinischen Zeichen der RA entwickeln sich im Laufe der ersten beidenKrankheitsjahre.Anfangs kann anhand unspezifischer Symptome meist nur eine Ver-

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� Erhöhter Knochenturnover

Jedes Segment der HWS kann vomentzündlich-rheumatischen Prozess betroffen sein

� Anteriore atlantoaxiale Subluxation

� Basiläre Impression

� Felty-Syndrom

� Still-Syndrom

� Amyloidose

Die rheumatoide Vaskulitis manifestiertsich v. a. an den Fingerarterien und denVasa nervorum

� Manifestationen

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dachtsdiagnose gestellt werden.Die für die �Klassifikation der RA gültigen Kriterien wur-den 1987 erarbeitet und sind in ⊡ Tabelle 2 aufgeführt [4].

Labor

Obwohl der Nachweis von �Rheumafaktoren (RF) als diagnostisches Kriterium gilt,gibt es keinen eindeutigen Test für die Diagnose einer RA. IgM-RF als Autoantikörpergegen den Fc-Anteil von IgG lassen sich bei ca.70% der Patienten mit RA,aber auch bei5% der gesunden Bevölkerung nachweisen. Versuche, über klassenspezifische RF dieAussagekraft des Nachweises zu erhöhen,haben nicht zu einem positiven Ergebnis ge-führt.Von Bedeutung bleibt der RF-Nachweis für die Prognose der Erkrankung,da Pa-tienten mit hohen Konzentrationen von RF zu einem schwereren Verlauf,oft mit rheu-matoider Vaskulitis, neigen.

Mit den Anti-Keratin-Antikörpern stand vor einigen Jahren erstmals ein Testsystemmit über 90%iger Spezifität bei allerdings noch unzureichender Sensitivität zur Verfü-gung.Beim Zielantigen handelt es sich um citrullinierte Formen von Filaggrin.Die Ver-wendung eines �zyklischen citrullinierten Peptids (CCP) als Antigen in einem ELISAhat jetzt zu einer Sensitivität von 95% geführt.Diese Methode könnte zukünftig eine sinn-volle Ergänzung der Diagnostik bei Patienten mit unklarer Arthritis und Rheumafak-tornegativität darstellen [7, 39].

Weitere Autoimmunphänomene wie der Nachweis von antinukleären Antikörpern,Antikörpern gegen SS-A/Ro oder SS-B/La, das Auftreten von antineutrophilen zyto-plasmatischen Antikörpern (ANCA) jeweils in niedrigen Konzentrationen sind bekanntund müssen differenzialdiagnostische Beachtung bei der Abgrenzung von den Kolla-genosen finden.

Unspezifische Phänomene im Rahmen der �chronischen Entzündung bei RA sindeine hypo- bis normochrome Anämie (als „Infektanämie“ infolge Eisenreutilisations-störung) und eine Thrombozytose, deren Ausmaße mit der Krankheitsaktivität korre-lieren.Akut-Phase-Proteine wie C-reaktives Protein (CrP) oder Fibrinogen sind erhöht.

Die Analyse der Synovialflüssigkeit trägt zur Differenzierung zwischen einem ent-zündlichen oder nichtentzündlichen Gelenkerguss bei, ist aber für die Differenzialdia-gnostik der entzündlichen Gelenkerkrankungen wenig aussagefähig.Allerdings ist beijedem Verdacht auf eine septische Arthritis die Indikation zur diagnostischen Punkti-on rasch zu stellen und das gewonnene Punktat mikrobiologisch zu untersuchen. Mitgeringem Aufwand lässt sich die Gesamtzellzahl im Punktat bestimmen, wobei Zell-zahlen <2 Gpt/l auf eine nichtentzündliche Gelenkerkrankung, 5–40 Gpt/l auf eine RAoder andere chronische Arthritis und Werte >40 Gpt/l auf eine septische Arthritis hin-weisen. Der polarisationsmikroskopische Nachweis von intrazellulär liegenden Natri-umuratkristallen beweist eine Arthritis urica.

Bildgebung

In den ersten Monaten der Erkrankung sind keine spezifischen röntgenmorphologi-schen Veränderungen zu erwarten.Dennoch ist auch bei nur kurz bestehender Erkran-kung eine Röntgendiagnostik, die routinemäßig als d.p.-Aufnahme beider Hände undFüße erfolgt, sinnvoll, um aus einem späteren Vergleich die Geschwindigkeit des Fort-schreitens der Röntgenveränderungen zu ermitteln.Als erstes Zeichen wird eine �pa-raartikuläre Strukturauflockerung gefunden, danach entwickeln sich Gelenkspaltver-schmälerung und die typischen �Zysten und Usuren an den bevorzugten Gelenken(⊡ Abb. 3).

Die Arthrosonographie ermöglicht als nichtinvasives Verfahren die Frühdiagnoseder Synovialitis und Tenosynovialitis sowie den Nachweis von röntgenologisch noch nichtdetektierbaren Veränderungen der Knorpeloberfläche. Indikationen der Arthrosono-graphie sind Gelenkerguss, Synovialisproliferation, Bursitis, Tenosynovialitis, Sehnen-ruptur,Ganglien,ossäre Destruktionen (Erosionen) und die Differenzierung von Weich-teilschwellungen [5, 36].

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� Klassifikation

� Rheumafaktoren

Patienten mit hohen RF-Konzentrationenneigen zu schwereren Verläufen mitrheumatoider Vaskulitis

� Zyklisches citrulliniertes Peptid

Der Nachweis weiterer Autoimmun-phänomene dient der Abgrenzung von Kollagenosen

� Entzündungszeichen

Bei Verdacht auf septische Arthritis sollrasch eine diagnostische Punktion erfolgen

Routinediagnostik: d.p.-Röntgenaufnahmebeider Hände und Füße

� Paraartikuläre Strukturauf-lockerung

� Zysten und Usuren

Arthrosonographie: Frühdiagnose von (Teno)synovialitis

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Mittels �dynamischem MRT kann es in ausgewählten Fällen möglich sein,sehr früh-zeitig arthritische Prozesse nachzuweisen.

Differenzialdiagnose

Sarkasten behaupten,dass die rheumatoide Arthritis die häufigste Fehldiagnose in derRheumatologie sei.Hierfür könnte es mehrere Ursachen geben: Frühformen der rheu-matoiden Arthritis zeigen keine spezifischen röntgenologischen Veränderungen. DerNachweis oder das Fehlen von Rheumafaktoren besitzt keine hohe diagnostische Wer-tigkeit. Das Symptom Gelenkschwellung ist subjektiv, der Patient gibt schmerzhafteKörperregionen häufig als „geschwollen“ an. �Aktivierte Arthrosen führen zu exsuda-tiven Gelenkschwellungen, wobei auch laborchemisch eine Entzündungskonstellationbestehen kann. Erstsymptome eines �Lupus erythematodes sind in 90% Arthralgienoder eine episodische,nichterosive Arthritis der kleinen Fingergelenke,welche klinischnicht von einer beginnenden RA unterschieden werden können. Letztlich zeigte eineLängsschnittuntersuchung, dass auch noch nach Jahren eine ursprünglich als „undif-ferenziert“ eingeschätzte Arthritis nicht näher klassifiziert werden konnte; nur ein klei-ner Teil entwickelte sich zu einer RA [20].

Therapie

Ziele der antirheumatischen Therapie sind Schmerzlinderung,Entzündungshemmungund Verhinderung von Funktionsverlust und Gelenkdestruktion.Während Analgetikaund NSAR die Symptomatik lindern, sind DMARD („disease modifying antirheuma-tic drugs“) in der Lage, den fortschreitenden Prozess der Gelenkzerstörung zu brem-sen. Eine komplette Remission, definiert als vollständiges Fehlen von entzündlichemGelenkschmerz,Morgensteifigkeit,Gelenkschwellung und Röntgenprogression bei Nor-malwerten für Blutsenkungsreaktion (BSR) und CRP [34] ist nur in seltenen Fällen er-reichbar.Durch frühzeitigen Einsatz der medikamentösen Therapie (Analgetika,NSAR,Glukokortikoide, DMARD), physikalischen Therapie und konservativen bzw. operati-

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� Dynamisches MRT

� Aktivierte Arthrose

� Lupus erythematodes

DMARD können den fortschreitendenProzess der Gelenkzerstörung bremsen

Abb. 3 � Röntgenologi-scher Nachweis der typi-schen Gelenkdestruktionan Händen und Füßen mitfrüheren (oben) und späte-ren (unten) Stadien

Page 8: Internistische Therapie der rheumatoiden Arthritis

ven orthopädischen Maßnahmen ist es jedoch möglich,die Symptome der Erkrankungzu lindern und das Fortschreiten aufzuhalten.

Die internistische Therapie orientiert sich am Ausmaß der Aktivität der Erkrankung.Dabei haben sich besonders für die Therapieerfolgsbeurteilung mehrere Indices etabliert.Der �Ritchie-Index ist ein Maß für die Schmerzhaftigkeit der Gelenke.Mit einem Frage-bogen lassen sich die Einschränkungen bei den Aktivitäten des täglichen Lebens ein-schätzen (z.B.Funktions-Fragebogen Hannover,FFbH).Im in Europa verbreiteten �Dis-ease Activity Score (DAS) werden in unterschiedlicher Gewichtung zusammengefasst:

▂ Blutsenkungsgeschwindigkeit,▂ Dauer der morgendlichen Steifigkeit,▂ Anzahl der geschwollenen Gelenke,▂ Anzahl der druckschmerzhaften Gelenke (jeweils 28 Gelenke beurteilt),▂ Schmerz (visuelle Analogskala).

Die aktuelle Höhe des Index erlaubt eine Information über die Aktivität der Erkrankung,der Verlauf eine Einschätzung der Wirksamkeit der Therapie.

Für die medikamentöse Therapie der RA stehen zunächst drei große Gruppen vonMedikamenten zur Verfügung.Initial werden �nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)eingesetzt.Sie lindern den entzündlichen Prozess und die Schmerzen,können das Fort-schreiten der Erkrankung aber nicht aufhalten.Bei Zugabe von �Glukokortikoiden, fürwelche in unkomplizierten Fällen initial nicht mehr als 30 mg Prednisolonäquivalent proTag gewählt werden sollten, werden der Entzündungsprozess und die Produktion vonAkut-Phase-Proteinen deutlich gehemmt.

Eine Verlangsamung der radiologischen Progression,die Verbesserung der Gelenk-funktion und des klinischen Befundes erfolgt durch die �„disease modifying antirheu-matic drugs“ (DMARD).

Systemische Therapie

NSAR und AnalgetikaDie Auswahl des Präparats richtet sich nach dem Charakter des Schmerzes und nach even-tuellen Begleit- oder Vorkrankheiten. Nächtliche Ruheschmerzen können nur durch dieabendliche Gabe eines retardierten Präparats oder die Bevorzugung eines Präparats mitlanger Halbwertszeit gelindert werden.Bei Ulkusanamnese und weiteren Risikofaktorenwie Kombinationstherapie von NSAR und Steroiden,Antikoagulation mit z.B.Phenpro-coumon,Herzinsuffizienz,Diabetes oder hohem Alter sollte die Therapie mit nichtselek-tiven NSAR mit �Protonenpumpenblockern kombiniert werden. Ferner ist eine Helico-bacter-pylori-Eradikation anzustreben.Die Eradikation allein gewährt aber keinen siche-ren Schutz vor einem NSAR-induzierten Ulkus. Bei Anamnese eines NSAR-Ulkus solltedaher unbedingt eine Prophylaxe mit einem Protonenpumpenblocker erfolgen.

Unter selektiven �COX-2-Hemmern ist das gastrointestinale Komplikationsrisiko zwarreduziert,aber nicht aufgehoben.Eine zusätzliche Therapie mit Aspirin,z.B.bei vorlie-gender koronarer Herzkrankheit,erhöht das Ulkusrisiko auch bei Coxiben.Die gleich-zeitige Gabe mehrerer NSAR ist zu vermeiden.

Stufe-II-Analgetika (�schwache Opioide gemäß WHO-Stufenschema) sind in ca.30%der Fälle erforderlich, und seit der Zulassung von Opioiden außerhalb der Tumor-schmerztherapie werden auch diese (zurückhaltend) in der Rheumatologie eingesetzt.

GlukokortikoideGlukokortikoide können sowohl systemisch als auch intraartikulär angewendet wer-den.Sie wirken antiphlogistisch/analgetisch.Bei langfristiger Anwendung sind niedri-ge Dosen (<5 mg Prednisolonäquivalent/Tag) anzustreben, um die Nebenwirkungsra-te zu minimieren [21]. Eine �Osteoporoseprophylaxe ist bei einer Steroidtherapie übervoraussichtlich 6 Monate mit wenigstens 7,5 mg Prednisolonäquivalent/Tag indiziertund soll mit Kalzium (1000–1500 mg/Tag) und Vitamin D (400–800 IU/Tag), ggf. auch

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� Ritchie-Index

� Disease Activity Score

� Nichtsteroidale Antirheumatika

� Glukokortikoide

� „disease modifying antirheumaticdrugs“ (DMARD)

Die Präparatwahl richtet sich nachSchmerzcharakter und Begleit- oder Vorerkrankungen

� Kombination mit Protonenpumpenblockern

� COX-2-Hemmer

� Schwache Opioide

Glukokortikoide können sowohl systemischals auch intraartikulär angewendet werden

� Osteoporoseprophylaxe

Page 9: Internistische Therapie der rheumatoiden Arthritis

Tabelle 3

Anwendungsempfehlungen für die Therapie mit „disease modifying antirheumatic drugs“ (DMARD; nach [3])

Wirkstoff Dosierung Max. Zeit bis KontrolluntersuchungenWirkungseintritt

(Hydroxy)chlorochin 200–400 mg/Tag 6 Monate Augenarzt 1/2-jährlich; Differenzialblutbild 14-tägig,

ab 5. Monat 2-monatlich

Sulfasalazin 2–3 g/Tag 6 Monate Blutbild, AP, ALAT, Kreatinin, Urinstatus monatlich

Methotrexat 7,5–25 mg oral oder parenteral 4 Monate Blutbild, γ-GT, AP, ALAT, Kreatinin wöchentlich, im 2. und

3. Monat 14-tägig, dann monatlich

Parenterales Gold Wöchentliche Steigerung von 10 über 3–6 Monate Blutbild,γ-GT, AP, ALAT, Kreatinin, Urinstatus monatlich

20 auf 50 mg, dann 50 mg/Woche i.m.

D-Penicillamin Steigern auf 600 mg/Tag 6 Monate Blutbild, AP, ALAT, Kreatinin, Urinstatus, Blutdruck monatlich

Leflunomid 3 Tage 100, dann 10–20 mg/Tag 4 Monate Blutbild, ALAT, ASAT, AP,γ-GT, Kreatinin, Blutdruck monatlich

Azathioprin 100–200 mg/Tag 3–6 Monate Blutbild, Differenzialblutbild,γ-GT, AP, ALAT, Kreatinin, Urin-

status zunächst 1- bis 2-wöchentlich, nach 2 Monaten monatlich

Cyclosporin A 2,5–4(–5) mg/kgKG 6 Monate Blutbild, AP, ALAT, Kreatinin, Kalium, Urinstatus, Blutdruck

zunächst 1- bis 2-wöchentlich, nach 2 Monaten monatlich

Etanercept 25 mg 2-mal wöchentlich s.c. 8–16 Wochen Blutbild zunächst 2-wöchentlich, ab 4. Monat monatlich;

Infektionen ausschließen

Infliximab 3 mg/kgKG als Infusion in Woche 8–12 Wochen Cave: Infektionen,Tuberkulose, Infusionsreaktionen,

0, 2 und 6, danach alle 8 Wochen kein Routinelabor, ggf. ANA

Anakinra 100 mg/Tag s.c. 8–12 Wochen Blutbild monatlich, nach 6 Monaten 1/4-jährlich

Adalimumab 40 mg s.c. 2-wöchentlich 2–3 Wochen Kein Routinelabor, ggf. ANA

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mit Bisphosphonaten durchgeführt werden (s.hierzu DVO-Leitlinie glukokortikoidin-duzierte Osteoporose, http://www.bergmannsheil.de). Zeigen einzelne Gelenke nacheiner systemischen Therapie noch erhebliche Entzündungszeichen, kann hier eine lo-kale Injektion eines Glukokortikoids erfolgen.

Disease modifying antirheumatic drugs (DMARD)Bei gesicherter Diagnose einer RA ist bei anhaltender Aktivität der Einsatz von DMARDindiziert (⊡ Tabelle 3; [3]).Empfohlen wird der Therapiebeginn bereits in den ersten 3 Er-krankungsmonaten.Falls nach 3-monatiger Behandlung kein ausreichender Therapie-effekt zu verzeichnen ist,kommen Dosisanpassung oder Wechsel des DMARD bzw.eineKombinationstherapie in Betracht [2].

Die Wahl des Präparats richtet sich zunächst nach der aktuellen Aktivität der Erkran-kung und der wahrscheinlichen Prognose.Anhaltende Polyarthritis, hohe Konzentrati-on von Rheumafaktoren und ständig erhöhte BSG sind ebenso wie extraartikuläre Ma-nifestationen mit einer ungünstigen Prognose verbunden.In diesen Fällen ist eine rascherTherapiebeginn,meist mit MTX,angezeigt.Alternativ können initial Sulfasalazin,Leflu-nomid oder Gold eingesetzt werden. Die �rheumatoide Vaskulitis erfordert, insbeson-dere bei Befall innerer Organe, eine umgehende Behandlung mit hohen Dosen Gluko-kortikoiden (500–1000 mg Prednisolonäquivalent/Tag) und zytotoxischen Substanzen(z. B. Cyclophosphamid als Pulstherapie, 0,75 g/m2 KOF in 4-wöchentlichem Abstand).

Im Übrigen definiert sich die Reihenfolge des Einsatzes von DMARD über den Pa-tienten, insbesondere dessen Komorbiditäten, Komedikationen und Compliance.Vor-bestehende oder im Verlauf der Behandlung auftretende Erkrankungen von Leber,Nie-ren und Knochenmark sind dabei besonders zu beachten.

Methotrexat. MTX wirkt in den niedrigen Dosierungen in der Rheumatologie (7,5–25 mgpro Woche) sowohl immunsuppressiv als auch antiphlogistisch über die Freisetzungvon Adenosin aus mononukleären Zellen [11]. Über 50% der RA-Patienten werden inDeutschland von ihren Rheumatologen mit MTX behandelt [46].

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Bei gesicherter Diagnose ist bei anhalten-der Aktivität der Einsatz von DMARDindiziert

� Rheumatoide Vaskulitis

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Der �Wirkungseintritt beginnt nach etwa 4–8 Wochen und erreicht sein Maximumin der Regel nach 3–4 Monaten.Neben der oralen ist auch die parenterale (i.v., i.m.,s.c.)Applikation möglich. Nebenwirkungen können in Form von Übelkeit, Mundschleim-hautläsionen oder Erhöhungen der Leberwerte auftreten, in seltenen Fällen treten Lun-genfibrosen auf. MTX hat einen progressionshemmenden Effekt, wobei dieser nach3–6 Monaten eintritt.

Sulfasalazin. Besonders im englischsprachigen Raum wird Sulfasalazin als Mittel derersten Wahl eingesetzt. Die Wirksamkeit ist schwächer als die von MTX, jedoch tretenweniger Nebenwirkungen auf.Auf die �Beeinträchtigung der Spermatogenese müssenmännliche Patienten ausdrücklich hingewiesen werden.

Leflunomid. Dieser Pyrimidinantagonist zeigt einen Wirkungseintritt bereits nach4–6 Wochen.Wegen einer häufig auftretenden Hypertonie ist eine �Blutdrucküberwa-chung erforderlich. Bei auftretenden schweren Nebenwirkungen wie Leberfunktions-störungen und Zytopenien ist wegen der Halbwertszeit des aktiven Metaboliten vonca. 2 Wochen eine Auswaschbehandlung mit Cholestyramin notwendig.

Cyclosporin A. CsA hat über die Transplantationsmedizin Eingang in die Rheumathera-pie gefunden.In Dosierungen von 2,5–4(–5) mg/kgKG ist nach 2 Monaten mit einem Wir-kungseintritt zu rechnen.Bei einem Kreatininanstieg >30% des Ausgangswerts ist eineDosisreduktion um 25% erforderlich,ebenso bei Blutdruckanstiegen.Als Kombinations-partner zu Methotrexat ist Cyclosporin A gut geeignet.

Chlorochin und Hydroxychlorochin. Diese finden Anwendung bei Patienten mit geringerAktivität oder im Rahmen von Kombinationstherapien mit z.B.Methotrexat oder Sul-fasalazin.Bis zum Wirkungseintritt vergehen ca.6 Monate.Zu beachten sind �ophthal-mologische Nebenwirkungen, da sich die Substanzen an der Retina und Cornea abla-gern können.Halbjährliche Kontrollen beim Augenarzt müssen hier das Überwachungs-programm ergänzen.

Goldpräparate. Parenterale Goldsalze haben in den letzten Jahren an Bedeutung abge-nommen.Über die Stabilisierung von intrazellulären Membranen hemmen sie die Frei-setzung lysosomaler Enzyme und unterdrücken somit den Entzündungsprozess.Mög-liche Nebenwirkungen sind Metallgeschmack, Eosinophilie, Sebostase,Agranulozyto-se und Proteinurie. Da die Wirksamkeit von oralen Goldpräparaten im Vergleich zumparenteralen Gold deutlich geringer ist,werden diese nur noch sehr selten angewendet.

Azathioprin. Der Purinantagonist kommt in Dosierungen von 1–2 mg/kgKG zur Anwen-dung.Wie bei allen zytotoxischen Substanzen, ist eine entsprechende Überwachung vonBlutbild,Leberfunktionsparametern,Kreatinin in monatlichen Abständen erforderlich.EineKombination mit Allopurinol kann zu lebensbedrohlichen Nebenwirkungen (langanhal-tende Panzytopenie) infolge Kumulation der aktiven Azathioprinmetabolite führen.

Mit einer �Kombinationstherapie kann die Effektivität der Behandlung erhöht wer-den [29]. In kontrollierten Studien haben die Kombinationen von MTX + Sulfasalazin+ Hydroxychlorochin [33],von MTX + CsA [41] und von MTX + Leflunomid [25] zu ei-ner Verbesserung der Wirksamkeit gegenüber der alleinigen MTX-Therapie geführt.Drei Monate nach Versagen einer Monotherapie sollte nach diesen Ergebnissen eineKombinationstherapie angestrebt werden.Obwohl in Form von Fließdiagrammen ver-sucht wird, die medikamentöse Therapie abzubilden [2], erfolgt die Entscheidung füreine bestimmte Mono- oder Kombinationstherapie stets individuell [40].

BiologicalsMit dem Gedanken einer gezielteren Entzündungshemmung werden Substanzen ein-gesetzt,die Entzündungsmediatoren wie Tumornekrosefaktor α (TNF-α) oder Interleu-kin 1 (IL-1) hemmen bzw. antagonisieren. In großen Studien konnten für diese Präpa-

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� Wirkungseintritt

In seltenen Fällen treten unter MTX Lungenfibrosen auf

� Beeinträchtigung der Spermatogenese

� Blutdrucküberwachung

� Ophthalmologische Nebenwirkungen

Goldpräparate werden nur noch selteneingesetzt

� Kombinationstherapie

Drei Monate nach Versagen einer Mono-therapie sollte eine Kombinationstherapieangestrebt werden

Hemmung von Entzündungsmediatoren

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rate sowohl eine Reduktion der Beschwerden als auch eine deutliche Hemmung derRöntgenprogression gezeigt werden. Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesell-schaft für Rheumatologie (DGRh) sollen diese Präparate erst nach Versagen von2 DMARD (eines davon MTX) zum Einsatz kommen [26].

�Etanercept (Enbrel®) ist ein dimeres Fusionsprotein, in dem zwei extrazelluläreBindungsdomänen des p75-Anteils des TNF-Rezeptors an den Fc-Anteil eines mensch-lichen IgG1-Moleküls angekoppelt sind. Das Fusionsprotein ist ein lösliches Molekül,das mit hoher Affinität an TNF-α bindet [30]. Die Applikation erfolgt 2-mal wöchent-lich subkutan.

�Infliximab (Remicade®), ein teilhumanisierter, intravenös zu applizierender TNF-Antikörper, ist nur in Kombination mit Methotrexat für die Behandlung der RA zuge-lassen [22].

�Adalimumab (Humira®), ein vollständig humanisierter TNF-Antikörper, ist dasjüngste zugelassene Biologikum in der Therapie der RA.Es erzielt einen ähnlichen the-rapeutischen Effekt wie die TNF-inhibierenden Therapien Infliximab und Etanercept.

Der �Interleukin-1-Rezeptorantagonist Anakinra (Kineret®) ist als rekombinante Formnahezu identisch mit dem physiologischen Rezeptorantagonisten. Er verhindert dieAktivierung chronischer Entzündungsprozesse im Gelenk und bremst die Gelenkdestruk-tion. In Europa ist das Präparat nur in Kombination mit MTX für die RA zugelassen.

Die erhöhte Inzidenz an Tuberkulose unter diesen Therapien erfordert die strengeIndikationsstellung und sorgfältige Überwachung [22]. Vor Therapiebeginn sind einTuberkulintest nach Mendel-Mantoux und eine Röntgenaufnahme des Thorax anzufer-tigen. Bei röntgenologischem Verdacht auf tuberkulöse Läsionen muss eine aktive Tu-berkulose mikroskopisch und kulturell bzw.durch PCR ausgeschlossen werden [26].DieMitbetreuung von Patienten unter Biologicals durch einen internistischen Rheumato-logen ist anzustreben.

Eine Übersicht über Indikationen,Kontraindikationen,und durchzuführende Kon-trolluntersuchungen der Antizytokintherapie ist unter [14] nachzulesen.

Lokale Therapie

GlukokortikoideIndikationen für die �intraartikuläre Therapie mit kristallinen Glukokortikoiden sind:

▂ die polyartikulär verlaufende rheumatoide Arthritis,bei der sich unter systemischermedikamentöser Therapie die Arthritis nur noch in wenigen Gelenken manifestiert,

▂ Sonderformen entzündlicher Gelenkerkrankungen wie Psoriasis arthropathica,M. Bechterew mit peripherer Beteiligung, enteropathische Arthropathien, M. Rei-ter mit anhaltender Mon- bzw. Oligoarthritis,

▂ Kristallsynovitiden im akuten Stadium,▂ die aktivierte Arthrose (im Einzelfall),▂ die Kombination mit der chemischen oder radiologischen Synoviorthese.

Eine Arthrose ohne Entzündungszeichen stellt keine Indikation zur intraartikulärenKortikoidinjektion dar.

Entsprechend der Gelenkgröße werden in das Kniegelenk 40 mg,Ellenbogengelenk20 mg und Handgelenk 10 mg Triamcinolonacetat injiziert. Pro Gelenk soll die Anzahlder Injektionen im Jahresverlauf 3–4 nicht überschreiten.�Systemische Effekte wie Ent-gleisung eines Diabetes mellitus,Verschlechterung einer Hypertonie oder eine relativeNebennierenrinden-Insuffizienz infolge gehäufter intraartikulärer Kortikoidinjektio-nen können auftreten.

RadiosynoviortheseDas Prinzip der Radiosynoviorthese besteht in der intraartikulären Injektion eines Ra-dionuklids mit nachfolgender Vernarbung von oberflächlichen synovialen Strukturen.Die unterschiedlichen Präparate, β-Strahler mit einer Reichweite von wenigen Milli-

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� Etanercept

� Infliximab

� Adalimumab

� Interleukin-1-RezeptorantagonistAnakinra

Die erhöhte Inzidenz an Tuberkulose unterBiologicals erfordert strenge Indikations-stellung und sorgfältige Überwachung

� Intraartikuläre Therapie

Die Arthrose ohne Entzündungszeichen istkeine Indikation für intraartikuläre Kortikoide!

� Systemische Effekte

Durch intraartikuläre Injektion eines Radionuklids kommt es zur Vernarbungoberflächlicher synovialer Strukturen

Page 12: Internistische Therapie der rheumatoiden Arthritis

metern,werden in kolloidaler Form verwendet,um einen Abstrom aus dem Gelenk ge-ring zu halten.Die praktische Durchführung dieser Behandlung liegt in der Verantwor-tung eines Nuklearmediziners.Oft geschieht dies jedoch in enger Zusammenarbeit miteinem orthopädischen oder internistischen Rheumatologen.

�Indikationen zur Radiosynoviorthese sind chronische Synovialitiden mit rezidi-vierenden Gelenkergüssen bei

▂ rheumatoider Arthritis,▂ seronegativer Spondylarthropathie,▂ villonodulärer Synovialitis,▂ Hämophilie mit Arthropathie.

Schwangerschaft und Laktation gelten als absolute �Kontraindikation,ebenso ein mas-siver Hämarthros wegen der Möglichkeit des Übertritts der β-Strahler in die Zirkula-tion.Wie bei jeder anderen intraartikulären Injektion ist die Behandlung nicht durch-zuführen bei lokalen Infektionen in der Umgebung der Injektionsstelle.Eine rupturier-te Poplitealzyste stellt letztlich ebenfalls eine Kontraindikation dar.

Therapie in der Schwangerschaft

Die Prognose der RA wird durch eine Schwangerschaft langfristig nicht beeinflusst.Ei-ner Abnahme der Aktivität der Erkrankung im 2.und 3.Trimenon folgt in der Mehrzahlder Fälle eine vorübergehende Verschlechterung postpartal. Die medikamentöse The-rapie während der Schwangerschaft hat das Ziel,die Beschwerden der Mutter zu lindern,dem Fetus jedoch nicht zu schaden.�Paracetamol ist gegenüber NSAR zu bevorzugen,Kombinationspräparate mit Misoprostol sind kontraindiziert.Selektive COX-2-Hemmersind gegenwärtig nicht für die Behandlung von Schwangeren zugelassen. Eine �Korti-kosteroidtherapie mit maximal 20 mg Prednisolonäquivalent ist ggf. einer NSAR-Gabevorzuziehen, wobei auf Dexamethason (z. B. auch enthalten in verschiedenen Injekti-onslösungen zur intraartikulären Therapie) wegen des diaplazentaren Übertritts zuverzichten ist.Methotrexat ist kontraindiziert und 6 Monate vor einer geplanten Schwan-gerschaft abzusetzen,ebenso Cyclophosphamid.Azathioprin ist zwar nicht zur Behand-lung in der Schwangerschaft zugelassen, jedoch scheint das Risiko für kindliche Ano-malien nicht oder nur gering erhöht zu sein.Eine Übersicht über die Therapie rheuma-tischer Erkrankungen in der Schwangerschaft findet sich unter [23].

Prognose

Der natürliche Krankheitsverlauf kennt milde, aber auch rasch progrediente systemi-sche Verlaufsformen. Die Prognose der Erkrankung im Hinblick auf eine allgemeineBehinderung und resultierende �Einschränkung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit hängtim Wesentlichen vom Ausmaß der Gelenkzerstörung (röntgenologische Progredienz)und der damit verbundenen Funktionsstörung der Gelenke sowie einer extraartikulä-ren Manifestation ab.

Die erhöhte Mortalität bei Patienten mit RA ist besonders ausgeprägt in der Grup-pe mit langjähriger aktiver Erkrankung und geht in erster Linie auf kardiovaskuläreEreignisse zurück [35]. Jüngere Studien bestätigen eine erhöhte Inzidenz kardiovasku-lärer Ereignisse und daraus resultierende Mortalität im Gesamtkollektiv der Patientenmit RA. Ein ungünstiger Verlauf ist wahrscheinlich bei Patienten mit einer großen An-zahl (>18) geschwollener Gelenke, frühzeitigen Erosionen, anhaltend hoher Entzün-dungsaktivität, hohen Rheumafaktoren und Vorliegen von HLA DR4 zu erwarten. Zu-sätzliche Risikofaktoren sind Immobilität, Muskelatrophie, Prednisolontherapie undakzelerierte Arteriosklerose als Folge einer Endothelzellschädigung [6].

Die Konsequenz besteht in der frühzeitigen und anhaltenden Kontrolle der Entzün-dung durch Basismedikamente. Ihr verstärkter Einsatz hat über die letzten Jahre be-reits zu einem Rückgang schwerer Verlaufsformen bei Patienten mit RA geführt und ins-

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� Indikationen

� Kontraindikationen

� Paracetamol

� Kortikosteroidtherapie

Methotrexat und Cyclophosphamid sind inder Schwangerschaft kontraindiziert

� Einschränkung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit

Erhöhte Mortalität bei RA-Patienten ist v. a. kardiovaskulär bedingt

Frühzeitiger Einsatz von Basismedikamen-ten führt zur Senkung der Mortalität

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besondere Methotrexat ist nach ersten Studienergebnissen in der Lage, die Mortalitätbei Patienten mit RA zu senken [12].

Korrespondierender AutorDr. W. Seidel

Abteilung Rheumatologie, Medizinische Klinik IV, Universität Leipzig, Liebigstraße 22, 04103 LeipzigE-Mail: [email protected]

Interessenkonflikt:: Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma,deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen.

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Wichtige Hinweise:Geben Sie die Antworten bitte über das CME-Portal ein: cme.springer.deOnline-Einsendeschluss ist am 02.08.2004Die Lösungen zu dieser Fortbildungseinheit erfahren Sie in der übernächsten Ausgabe an dieser Stelle.

Beachten Sie bitte,dass per Fax oder Brief eingesandte Antworten nicht berücksichtigt werden können.

Die Lösungen der Zertifizierten Fortbildung aus Ausgabe 04/2004 lauten: 1c, 2e, 3b, 4c, 5d, 6e, 7b, 8e, 9d, 10e. Frage 5 wird allen Teilnehmern als korrekt beantwortet gewertet.

Fragen zur Zertifizierung (nur eine Antwort ist möglich)

5. Welche Prävalenz hat in Deutschlanddie rheumatoide Arthritis?

a) 0,2%.b) 0,5%.c) 1,2%.d) 1,6%.e) 2,0%.

6. Womit korrelieren erosive Verläufeder rheumatoiden Arthritis?

a) HLA-DR 3.b) HLA-B 5.c) HLA-B 27.d) HLA-DR B 0401/0404.e) HLA-A 7.

7. Welche Kontrolluntersuchungenveranlassen Sie bei einer Langzeit-therapie mit wöchentlich 15 mgMethotrexat oral?

a) Blutbild, Kreatinin, ALAT, AP, y-GT monatlich.

b) Blutbild, Urin, Krea, ALAT quartalsweise.c) Blutdruck, Urin, Blutbild monatlich.d) Blutbild, Folsäurespiegel, CRP monatlich.e) Blutbild, Urin, Rheumafaktor, CRP

monatlich.

8. Eine 28-jährige Patientin mit seit3 Jahren bestehender rheumatoiderArthritis wird seitdem mit 25 mgMethotrexat/Woche, 6 mg Predniso-lon/Tag und 200 mg Celecoxib/Tagbehandelt. Es besteht Kinderwunsch.Welche Maßnahmen ergreifen Sie?

a) Abraten von der Schwangerschaft wegeneiner zu hohen Summendosis von MTX(>1,5 g).

b) Umstellung der magenschützenden Me-dikation von Celecoxib auf Diclofenacplus Misoprostol.

1. Welches ist die häufigste Differen-zialdiagnose einer rupturierten Poplitealzyste?

a) Meniskusläsion.b) Erysipel.c) Unterschenkelthrombose.d) Myositis der Gastroknemiusmuskulatur.e) Verschluss der A. poplitea.

2. Welche wichtigste diagnostische Maß-nahme unternehmen Sie bei einemPatienten mit rheumatoider Arthritis,akut aufgetretener schmerzhafterKniegelenkschwellung und einerTemperaturerhöhung von 38,2°C?

a) CRP, Leukozyten.b) Röntgen Kniegelenke.c) Knochenszintigraphie.d) Kniegelenkpunktion.e) Procalcitoninbestimmung.

3. Wie behandeln Sie die Hyperurikämieeines Patienten mit rheumatoiderVaskulitis unter Azathioprintherapienicht?

a) Harnalkalisierung.b) Allopurinol.c) Colchizin.d) Benzbromaron.e) NSAR.

4. Welcher Labortest besitzt die höchsteSensitivität für die Diagnose einerrheumatoiden Arthritis?

a) Rheumafaktoren.b) CCP.c) ANA.d) Zirkulierende Immunkomplexe.e) SS-A-Antikörper.

c) Beendigung der MTX-Therapie, Umstel-len von 6 mg Prednisolon auf die Äquiva-lenzdosis von 1 mg Dexamethason.

d) Beendigung der MTX-Therapie, Predniso-lon belassen und ggf. steigern, Celecoxibbeenden.

e) Beendigung der MTX-Therapie, Behand-lung mit Prednisolon und Celecoxib be-lassen.

9. Welche Aussage trifft für das Felty-Syndrom nicht zu:

a) Neutropenie.b) Rheumafaktorpositivität.c) Auftreten im Kindesalter.d) Splenomegalie.e) Infektanfälligkeit.

10. Wann sollte bei Patienten mit rheu-matoider Arthritis mit einer DMARD-Therapie begonnen werden?

a) 4 Wochen nach Beginn der Arthritis.b) Bei Befall von 2 oder mehr Gelenk-

regionen.c) Bei anhaltender Aktivität innerhalb von

3 Monaten.d) Bei Nachweis erster erosiver Röntgenver-

änderungen.e) Bei negativem Rheumafaktor,

aber positivem Antistreptolysintiter.

Für unsere schweizer Leser …

… weisen wir darauf hin, dass die Schweize-

rische Gesellschaft für Innere Medizin

CME-Credits für die Fortbildungseinheiten in

Der Internist vergibt.