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stahl und eisen 138 (2018) Nr. 3 INNOVATION Internet-PDF aus „stahl und eisen“ (2018), Heft 3, Seite 54 – 56. Nachdruck verboten. © jbd Gesellschaft für Medien und Kommunikation mbH, Düsseldorf Johanna Gebhardt und Michael Brodbeck Herstellung von großen Metallringen mit über 4,5 m Durchmesser Herr der Riesenringe Wie kann man Metallringe mit über 4,5 m Außendurchmesser schneller und präziser herstellen? Ein schwäbischer Tüftler hat seine Ideen dafür in eine mittlerweile mehrfach patentierte Lösung umgesetzt. Maßgeblichen Anteil an deren Erfolg hat durchgängige Automatisierungstechnik von Siemens, die den Prozess beherrschbar, einfach bedienbar, performant und sicher macht. Ergebnis sind präzise, planparallele Riesenringe mit minimalem Aufmaß, was auch die Endbearbeitung drastisch verkürzt. D er Bedarf an großen Ringen ist groß: als Flansche, Dicht-, Turbinen- und Ein- stellringe, Lager-, Lenk- oder Drehkränze und auch als Bremsscheiben sind sie in verschiedensten Varianten, Ma- terialien und Anwendungen im Einsatz. Unter anderem im Ma- schinen- und Anlagenbau, in der Luft- und Raumfahrt, in Windener- gieanlagen, der Offshoretechnik, im Nutzfahrzeuge-, Schiffs- und Kranbau. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach effizienter Fertigung. Mit reichlich Aufmaß Absä- gen oder Abstechen und dann langwierig Nachbearbeiten war bislang die typische Vorgehens- weise, einen oder mehrere große Ringe aus einem gewalzten oder geschmiedeten Rohling herzustel- len. Das neue, mehrfach patentier- te Trennverfahren der Firma PTZ Weidner aus dem schwäbischen Sigmaringen ist eine verblüffend einfache, genaue und wirtschaft- liche Alternative. Per Prototyp zur Perfektion PTZ steht für das Programm des Unternehmens – innovative Prä- zisions-Trenn- und Zerspanungs- technik. Jüngste Entwicklung ist der Giant Ring Cutter GRC4500- 1000CNC. Damit können nun Ringe mit einem Außendurchmesser von bis zu 4 500 mm, bis zu 560 mm Wanddicke und 1 000 mm Büch- senhöhe bearbeitet, sprich: mit minimalem Verschnitt (und Mate- rialverlust) schnell und präzise in mehrere Ringe aufgetrennt werden. Das Verfahren selbst wurde in klei- nerem Maßstab über einige Jahre hinweg perfektioniert. Auf einer Prototypenmaschi- ne hat Firmeninhaber Andreas Weidner etliche Ringe aus unter- schiedlichsten Materialien für vie- le Anwendungen (lohn)gefertigt. „Dabei haben wir umfassende Er- fahrungen gesammelt und haben den Maschinenauf bau, die spe- zifischen Einstellparameter und gemeinsam mit Herstellern auch die Trennwerkzeuge kontinuier- lich verbessern können“, sagt der Ideengeber. So blieben Anfragen zufriedener Kunden nach immer größeren Ringen nicht aus. Gemeinsam mit renommierten Partnern aus den Bereichen Kons- truktion, Maschinenbau, Automa- tisierungstechnik und Industrie- montage wurde deshalb der Giant Ring Cutter realisiert. Mit der Neukonstruktion betraut wurde ein ortsnahes Konstruktionsbüro mit Steuerungsbau. Eine gezielte Wahl von Andreas Weidner, der ein Faible hat für Qualität („Wer billig kauft, kauft zweimal“). Deshalb entschied er sich für das zuverlässige und robuste Automa- tisierungs- und Antriebstechnik- portfolio von Siemens. Weidner schätzt zudem die weltweite Verfügbarkeit von Geschäftsführer Andreas Weidner: „Mit dem Giant Ring Cutter GRC4500-1000CNC können wir auch große Ringe schneller, prozesssicher und in höchster Qualität trennen“ Foto: Siemens

Herr der Riesenringe - Siemens · 2019-12-13 · Per Prototyp zur Perfektion PTZ steht für das Programm des Unternehmens – innovative Prä-zisions-Trenn- und Zerspanungs-technik

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Page 1: Herr der Riesenringe - Siemens · 2019-12-13 · Per Prototyp zur Perfektion PTZ steht für das Programm des Unternehmens – innovative Prä-zisions-Trenn- und Zerspanungs-technik

stahl und eisen 138 (2018) Nr. 3

INNOVATION

Internet-PDF aus „stahl und eisen“ (2018), Heft 3, Seite 54 – 56. Nachdruck verboten. © jbd Gesellschaft für Medien und Kommunikation mbH, Düsseldorf

Johanna Gebhardt und Michael Brodbeck

Herstellung von großen Metallringen mit über 4,5 m Durchmesser

Herr der RiesenringeWie kann man Metallringe mit über 4,5 m Außendurchmesser schneller und präziser herstellen? Ein schwäbischer Tüftler hat seine Ideen dafür in eine mittlerweile mehrfach patentierte Lösung umgesetzt. Maßgeblichen Anteil an deren Erfolg hat durchgängige Automatisierungstechnik von Siemens, die den Prozess beherrschbar, einfach bedienbar, performant und sicher macht. Ergebnis sind präzise, planparallele Riesenringe mit minimalem Aufmaß, was auch die Endbearbeitung drastisch verkürzt.

D er Bedarf an gro ßen Ringen ist groß: als Flansche, Dicht-, Turbinen- und Ein-stellringe, Lager-,

Lenk- oder Drehkränze und auch als Bremsscheiben sind sie in verschiedensten Varianten, Ma-terialien und Anwendungen im Einsatz. Unter anderem im Ma-schinen- und Anlagenbau, in der Luft- und Raumfahrt, in Windener-gieanlagen, der Offshoretechnik, im Nutzfahrzeuge-, Schiffs- und Kranbau. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach effizienter Fertigung.

Mit reichlich Aufmaß Absä-gen oder Abstechen und dann

langwierig Nachbearbeiten war bislang die typische Vorgehens-weise, einen oder mehrere große Ringe aus einem gewalzten oder geschmiedeten Rohling herzustel-len. Das neue, mehrfach patentier-te Trennverfahren der Firma PTZ Weidner aus dem schwäbischen Sigmaringen ist eine verblüffend einfache, genaue und wirtschaft-liche Alternative.

Per Prototyp zur Perfektion

PTZ steht für das Programm des Unternehmens – innovative Prä-zisions-Trenn- und Zerspanungs-technik. Jüngste Entwicklung ist

der Giant Ring Cutter GRC4500-1000CNC. Damit können nun Ringe mit einem Außendurchmesser von bis zu 4 500 mm, bis zu 560 mm Wanddicke und 1 000 mm Büch-senhöhe bearbeitet, sprich: mit minimalem Verschnitt (und Mate-rialverlust) schnell und präzise in mehrere Ringe aufgetrennt werden. Das Verfahren selbst wurde in klei-nerem Maßstab über einige Jahre hinweg perfektioniert.

Auf einer Prototypenmaschi-ne hat Firmeninhaber Andreas Weidner etliche Ringe aus unter-schiedlichsten Materialien für vie-le Anwendungen (lohn)gefertigt. „Dabei haben wir umfassende Er-fahrungen gesammelt und haben den Maschinenaufbau, die spe-zifischen Einstellparameter und gemeinsam mit Herstellern auch die Trennwerkzeuge kontinuier-lich verbessern können“, sagt der Ideengeber. So blieben Anfragen zufriedener Kunden nach immer größeren Ringen nicht aus.

Gemeinsam mit renommierten Partnern aus den Bereichen Kons-truktion, Maschinenbau, Automa-tisierungstechnik und Industrie-montage wurde deshalb der Giant Ring Cutter realisiert. Mit der Neukonstruktion betraut wurde ein ortsnahes Konstruktionsbüro mit Steuerungsbau. Eine gezielte Wahl von Andreas Weidner, der ein Faible hat für Qualität („Wer billig kauft, kauft zweimal“). Deshalb entschied er sich für das zuverlässige und robuste Automa-tisierungs- und Antriebstechnik-portfolio von Siemens.

Weidner schätzt zudem die weltweite Verfügbarkeit von

Geschäftsführer Andreas Weidner: „Mit dem Giant Ring Cutter GRC4500-1000CNC können wir auch große Ringe schneller, prozesssicher und in höchster Qualität trennen“

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Ersatzteilen und Support. Der Steuerungsbauer ist als Siemens Solution Partner Automation und Visualisierung bestens vertraut mit den Komponenten des Aus-rüsters. Er hat damit eine indivi-duelle Steuerungs-, Antriebs- und HMI-Lösung samt Schaltschrank-bau umgesetzt, punktuell unter-stützt durch Spezialisten von Siemens.

Anspruchsvolle Antriebs- und Automatisierungs-aufgaben

Das Prinzip ist einfach: Der ge-schmiedete oder gewalzte Roh-ling wird auf eine liegende Plan-scheibe aufgespannt, diese über ein Getriebe und eine Kupplung vom Siemens-Servomotor Si-motics S angetrieben.

Das seitlich horizontal an-geordnete Trennwerkzeug ist ebenfalls servomotorisch in der Höhe und Richtung Werk-stück für ein präzises Zustellen verstellbar. Der leistungsstarke Hauptmotor Simotics M treibt das Werkzeug mit hoher Dreh-zahlgenauigkeit und Drehmo-mentkonstanz an. Das ist für die Qualität der Oberfläche und die Werkzeugstandzeiten entschei-dend, da Drehzahlschwankun-gen zu Schwingungen, dadurch zu Rattermarken auf dem Werk-stück und schlimmstenfalls zum Werkzeugbruch führen könnten.

Zudem ist an fast jedem An-trieb der Trenneinheit ein extrem großer Stellbereich gefordert. So zum Beispiel für die Zustellbewe-gung, die beim Schnitt zwischen 1 und 6 mm/min und im Eilgang, beim Anstellen und Freifahren bis zu 2 000 mm/min erreicht.

Am Sägeantrieb wird das volle Drehmoment schon beim Anlauf benötigt und muss wie die Schnittgeschwindigkeit kon-stant bleiben, um Schwingungen, unkontrollierbare Schnittkräfte und Werkzeugbeschädigungen zu vermeiden. Genau diese An-forderungen ließen sich mit Steu-erungs- und Antriebstechnik aus dem Siemens-Portfolio erfüllen.

Patentierter Portalgreifer

So auch die noch anspruchsvolle-ren Aufgaben beim prozesssiche-ren Transportieren, Positionieren und Halten der tonnenschweren Roh- und Fertigteile. Eigens dafür wurde ein neuartiges Portalgrei-fersystem mit zentral angetriebe-nen Hebelarmen und austausch-baren Spannbacken entwickelt. Damit werden Ringe mit einem Innendurchmesser von 1 100 bis 4 500 mm sicher gehandhabt. Um die hohen Lasten mit relativ klei-nen Motoren präzise und ruckfrei zu bewegen, sind in Längs- und Querrichtung jeweils zwei, in der Hubbewegung vier Servomotoren Simotics S verbaut und elektro-nisch miteinander gekoppelt (Gantry-Verband). Das verhin-dert zuverlässig das Verkanten sowie das Absenken der Last beim Trennen.

Die Positionierbewegungen aller Achsen sind über vorgefer-tigte Technologieobjekte (TOs) in den Simatic F-Controllern umge-setzt, was spezielle Motion-Cont-rol-Hardware und Programmier-aufwand eingespart hat. Weitere Einsparungen konnten durch antriebsinterne Sicherheitsfunk-tionen wie Safe Torque Off (STO) und Safely Limited Speed (SLS) in den Regelungsbaugruppen (Cont-rol Units CU320-2) des modularen Umrichtersystems Sinamics S120 realisiert werden. So gewährleis-tet die Funktion SLS, dass die Anlage nach einem Not-Halt im Trennbetrieb mit sicher begrenz-ter Geschwindigkeit freigefahren werden kann.

Safety via WLAN

Eine weitere Besonderheit ist die WLAN-basierte, fehlersichere Kommunikation der Simatic-Steu-erung im Schaltschrank mit der oben auf dem Greifer mitfahren-den Peripherie, die den ebenfalls mitfahrenden Sinamics-Umrich-ter ansteuert. Um die geforderte Fehlersicherheit und perfektes planparalleles An-/Auflegen der Spannbacken an den Ring zu

gewährleisten, haben die Spezia-listen von Siemens eine maßge-schneiderte Lösung entwickelt. Auch das sichere Halten und Anheben der Ringe wird ge-währleistet, bis die zusätzlichen Sicherheitsbacken ausgefahren sind. Die weltweit einzigartige fehlersichere Kommunikation via Industrial Wireless LAN (IWLAN) ist über aufeinander abgestimm-te Access Points und Clients aus dem Scalance-Spektrum von Siemens realisiert. Um Funkfeld-abschattungen durch drehende Anlagenteile und Beeinträchtigun-gen durch vorhandene Funknetze sicher auszuschließen, wurden mehrere Access Points gesetzt und die Kommunikation im 2,4- und im 5-GHz-Band aktiviert. Die IWLAN-Lösung nimmt wenig Platz in Anspruch und erfordert auch deutlich weniger Wartung als eine konventionelle Schleifringlösung.

Das imponierende Ergebnis: perfekte Ringe, effizient und materialschonend getrennt

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Präzision in Aktion: Drehzahl- und Drehmomentkonstanz der Sinamics-Umrichter und Simotics-Servomotoren von Siemens tragen maßgeblich zur hohen Schnittqualität bei

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stahl und eisen 138 (2018) Nr. 3

INNOVATION

Integration reduziert Aufwand und Kosten

Sicherheitshardware, Verdrah-tungs- und Engineeringaufwand reduzierten die Automatisierer durch den Einsatz fehlersicherer Controller der neusten Generation Simatic S7-1500F, die sowohl den Ablauf als auch die sicherheitsrele-vanten Aufgaben koordinieren. Die Integration beginnt dabei schon bei der vereinheitlichten Projektierung und Programmierung sowohl des Standard- und des Sicherheitspro-gramms als auch der HMI-Applikati-on im „Engineering Framework To-tally Integrated Automation Portal“ (TIA-Portal). Das vereinfacht neben der Handhabung auch die Daten-haltung, weil Änderungen system-weit automatisch nachgeführt wer-den und somit jederzeit konsistent sind. Die durchweg profinetfähigen Antriebskomponenten sind hierbei auch mit eingebunden.

Für beide Anlagenteile zusam-mengefasst hat der Systeminte-grator die Bedienung auf einem Simatic HMI Comfort Panel TP1500 mit Touch-Display. Er hat dazu das über Jahre hinweg gesammel-te Verfahrens-Know-how von PTZ Weidner in ein sehr komfortables Bedienkonzept eingebracht. Der Be-treiber muss nur wenige Eckdaten

wie Außen- und Innendurchmesser sowie die gewünschte Ringhöhe ein-geben und kann aus einer Daten-bank den zu trennenden Werkstoff auswählen. Die Steuerung berech-net daraus den optimalen Vorschub und die Schnittgeschwindigkeit und hält beide Werte bei sich än-derndem Durchmesser konstant. Die eingesetzten Servomotoren Simotics S-1FK7/-1FT7 und M-1PH8 von Siemens setzen diese Vorgaben in präzise Bewegungen um und sor-gen bei maximaler Trenngeschwin-digkeit für höchste Oberflächenqua-lität von 1,3 bis 3,2 Ra.

„Ergebnis sind im Durchschnitt um den Faktor 5 bis zu 10-mal kürzere Bearbeitungszeiten, mini-maler Verschnitt und geringe Auf-maße von lediglich 1 bis 1,5 mm bei einer Planebenheit von 0,7 mm. Das reduziert die Nachbearbei-tung in vielen Fällen auf nur einen Schlichtspan“, so Andreas Weidner. So amortisiere sich die Investition in kürzester Zeit.

Offen für Erweiterungen

Das hat sich nicht nur in der welt-weit vernetzen Familie der Schmie-debetriebe herumgesprochen und zu ersten Folgeaufträgen geführt. Nächste Entwicklungsschritte sind eine Anlagenvariante mit integ-

riertem Dreh- und/oder Bohrag-gregat, womit sich insbesondere die Lochbildpräzision an zusam-mengehörigen Flanschringpaaren deutlich verbessern lässt. Darüber hinaus entsteht derzeit eine nach dem bewährten Prinzip arbeitende Rohrtrennmaschine für die Seri-enfertigung in der Automobilin-dustrie. Eine weitere Verbesserung der Produktivität, der Sicherheit und der Arbeitsergonomie ließe sich durch die Automatisierung des Werkzeugwechsels erreichen.

Die Ideen scheinen so schnell nicht auszugehen – mit modular erweiterbarer, skalierbarer Auto-matisierungs- und Antriebstechnik von Siemens und der Unterstüt-zung seines erfahrenen Siemens Solution Partners kann Andreas Weidner sicher sein, diese zügig und vollumfänglich in innovative Lösungen umzusetzen.

[email protected] Gebhardt, Marketing Communication Manager; Michael Brodbeck, Promotor Motion Control-Systeme, Siemens AG, Nürnberg.

Präzision in neuer Dimension: Die Greifereinheit positioniert die tonnenschweren Rohteile präzise über der Planscheibe und hält die Ringe beim Trennen. Danach transportiert er auch die Fertigteile zum Stapel

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Detail Schaltschrank: Von Anfang an gesetzt: Zuverlässsige, weltweit verfügbare Automatisierungs-technik von Siemens. Im Bild der modulare Sinamics-S120-Antriebs- verband, der über Technologie-objekte aus der fehlersicheren Steuerung Simatic S7-1500F präzise Positionierbewegungen realisiert

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