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Goede, P.: Das Kriegswesen im Alten Peru

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Teil des Ausstellungskatalog "Leben und Tod im Alten Peru" Duisburg/Bonn, 2012/13

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Herausgeber:

Stadt Duisburg – Der Oberbürgermeister

Kultur- und Stadthistorisches Museum Duisburg

Johannes-Corputius-Platz 1, 47049 Duisburg

Telefon: +49 203 283 2640

Telefax: +49 203 283 4352

e-mail: [email protected]

http://www.duisburg.de/ksm

Ausstellung

Konzeption und Realisierung:

Ralf H. Althoff M.A., Katrin Gräfingholt M.A.,

Peggy Goede Mag., Prof. Dr. Karoline Noack

Redaktion Katalog

Ralf H. Althoff M.A., Katrin Gräfingholt M.A., Werner Pöhling,

Kultur- und Stadthistorisches Museum Duisburg

Peggy Goede Mag., Abteilung für Altamerikanistik, Universität Bonn

Autoren Andengebiet

Anna-Maria Begerock, Mag., Lateinamerika Institut, Freie Universität Berlin;

Dr. Christiane Clados; Peggy Goede, Mag., Abteilung für Altamerikanistik,

Universität Bonn; Katrin Gräfingholt, M.A., Kultur- und Stadthistorisches

Museum Duisburg; Katalin Nagy Mag., Lateinamerika Institut, Freie Universität

Berlin; Prof. Dr. Karoline Noack, Abteilung für Altamerikanistik, Universität

Bonn; Dr. Kerstin Nowack, Abteilung für Altamerikanistik, Universität Bonn;

Friedemann Schmidt, Mitglied ISGMA, www.terraton.info; Jennifer Schmitz

M.A., Bonner Altamerika-Sammlung, Universität Bonn; Dr. Vera Tiesler,

Universidad Autónoma de Yucatán

Objektbeschreibungen: Peggy Goede Mag.

Objektbeschreibungen Textilien: Katalin Nagy Mag.

Redaktion Texte: Peggy Goede Mag., Prof. Dr. Karoline Noack,

Dr. Kerstin Nowack, Matthias Pache M.A., Christian Prager Mag.

Autoren Mesoamerika

Prof. Dr. Nikolai Grube, Abteilung für Altamerikanistik, Universität Bonn;

Dr. Antje Gunsenheimer, Abteilung für Altamerikanistik, Universität Bonn;

Carlos Pallan, M.A., Abteilung für Altamerikanistik, Universität Bonn;

Jennifer Schmitz, M.A., Bonner Altamerika-Sammlung, Universität Bonn

Objektbeschreibungen: David Brinkmann, Bonner Altamerika-Sammlung,

Christian Egerer M.A., University College London,

Jennifer Schmitz, M.A. Bonner Altamerika-Sammlung

Redaktion Texte: Prof. Dr. Nikolai Grube, David Brinkmann M.A.,

Dr. Frauke Sachse, Jennifer Schmitz M.A., Christian Prager Mag.

Katalog-Layout: Gitta Hülsmann, DTP-Design

Produktion: Erwin Kiel

Druck: WAZ-Druck, Duisburg

ISBN: 978-3-3-89279-684-8

ISSN: 0939 1525

© Stadt Duisburg 2012

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Inhalt

Impressum 2

Grußwort – Sören Link 7Oberbürgermeister der Stadt Duisburg

Vorwort zu Band VII – Ralf Althoff 9

Andengebiet

Karte Andengebiet 10

Chronologie 11

Einleitung: Leben und Tod im Alten Peru 12Karoline Noack und Peggy Goede

Gerhard Mercator und die Darstellung Südamerikas 16Katrin Gräfingholt

Flora und Fauna des Andengebietes 18Kerstin Nowack

Götter, Heroen und heilige Himmel im Alten Peru 22Christiane Clados

Menschenopfer im Alten Amerika: andine und 26mesoamerikanische Hochkulturen im VergleichVera Tiesler

Das Kriegswesen im Alten Peru 30Peggy Goede

Pfeifgefäße: Geheimnisvolle Instrumente Altamerikas 35Friedemann Schmidt

Trompeten aus Ton 39Friedemann Schmidt

Sexualität und Tod – Verlangen nach Leben: 41Zur Kosmogonie der Moche im vorspanischen Peru Karoline Noack

Alltagsleben im vorspanischen Peru 45Kerstin Nowack

Landwirtschaft, Fischfang und Jagd im Alten Peru 49Kerstin Nowack

Alt-Peru: Textilien und Bekleidung von der Geburt 52bis zu dem Tod … und über den Tod hinaus Katalin Nagy

Bestattung, Toten-Gedenken und Ahnenverehrung 56im Alten Peru Anna-Maria Begerock

Eine alt-peruanische Frauenmumie 62aus der Bonner Altamerika-Sammlung Jennifer Schmitz

Objektkatalog zum Andengebiet 63

Literaturliste zum Andengebiet 152

Mesoamerika

Karte Mesoamerika 154

Die Kulturen Mesoamerikas 156Jennifer Schmitz

Die Maya und Teotihuacan 158Nikolai Grube

Steinerne Zeugnisse der Macht – 161die Architektur der klassischen MayaJennifer Schmitz

Keramikgefäße der klassischen Maya-Könige 164Carlos Pallan

Kakao in den vorkolumbischen Gesellschaften 167MesoamerikasAntje Gunsenheimer

Objektkatalog zu Mesoamerika 171

Literaturliste zu Mesoamerika 206

Danksagungen 207

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Es gibt viele verschiedenartige Zeugnisse über Gewalt undKrieg in den Anden. Im Gegensatz zu Mesoamerika mangeltes den südamerikanischen Gesellschaften an einer uns bekann-ten Schriftkultur, so dass wir viele Erkenntnisse aus euro -päischen Quellen der Kolonialzeit ziehen. Die Chronistenschrieben dabei hauptsächlich über die Inka, auf die die Spanier im 16. Jh. stießen. Daher müssen wir für vorinkaischeGesellschaften auf archäologische Hinterlassenschaften undikonographische Quellen zurückgreifen.

Anlässe für kriegerische Auseinandersetzungen waren derWunsch nach territorialer Ausdehnung, die Verteidigung deseigenen Gebietes oder die Aneignung von Ressourcen. AuchUnruhen innerhalb einer Gesellschaft konnten zu Kriegenführen. Weitere Motive waren religiöser Natur, Kriege, bei denen es um die Gewinnung von Opfergefangenen oder Tro-phäenköpfen ging, die die Fruchtbarkeit sichern sollten. Diezentralandine Ikonographie konzentrierte sich in der Frühzeitauf eben diese sakralen Handlungen. Kampfszenen oder Ein-zeldarstellungen von Kriegern sind auf der Nasca-, aber be-sonders auf der Moche-Keramik zahlreich vertreten, währendbei einigen Gesellschaften, wie z.B. bei den Chimú, solcherleiDarstellungen gänzlich fehlen.

Festungen

Es gab verschiedene Arten von Befestigungen, die im Anden-raum eine lange Tradition hatten. Sie reichten von einer na-türlichen Schutzlage der Siedlungen auf Bergrücken über ein-zelne Schutzmauern bis hin zu ausgebauten Festungsanlagenmit mehreren Mauerringen (quechua pukaras) und Systemenaus verschiedenen Festungen. Ein Beispiel ist die inkaischeFestung Sacsayhuaman über der Stadt Cusco in Peru mit ihrendrei Ringmauern in Zickzackform aus gewaltigen Steinblöcken.Gleichzeitig diente Sacsayhuaman, wie andere Festungen

auch, als Rückzugs- und Nachschublager in Kriegszeiten. Darüber hinaus wurden Festungen auch errichtet, um dieGrenzgebiete zu schützen.

Organisation der Armee

Die Armeen der unterschiedlichen Gesellschaften kanntenverschiedene Formen von Militärorganisation. Die Inkatrup-pen z.B. rekrutierten sich im System der mit’a, einer vom Staatorganisierten Form zyklischer Arbeitsleistungen. Neben Tätig-keiten in der Landwirtschaft, in der Textilherstellung und beider Herstellung von Schuhen und Waffen für die Soldaten ge-hörte dazu die Verpflichtung zum Militärdienst. Es gab daherkeine ständige Armee, sondern Gruppen von Kriegsdienst-pflichtigen der einzelnen Gemeinden (quechua ayllus), die sichje nach Bedarf formten und wieder auflösten. Die Zusammen-setzung der Truppen aus Ethnien unterschiedlicher Regionenmag für die große Diversität an Praktiken, Strategien undKriegstaktiken mitverantwortlich gewesen sein. Um die Aktio-nen dieser heterogenen Gruppen aufeinander abzustimmen,war ein Kriegsrat notwendig, der aus dem Inka selbst, denHerrschern der lokalen Ethnien und hochrangigen Beamtenund militärischen Oberbefehlshabern bestand.

Jede Provinz musste eine vom Inkaherrscher bestimmte Anzahl an Soldaten, Männer zwischen 25 und 50 Jahren, sowieWaffen und Verpflegung stellen. Es gab keine Möglichkeit, die-ser Pflicht zu entgehen. Durch die mit‘a konnte die Armee miteinem unerschöpflichen Nachschub an Soldaten aus dem gan-zen Inkareich, dem Tawantinsuyu, rechnen. Im Gegenzug dazuvergab der Inka Geschenke und Privilegien an die jeweiligenlokalen Herrscher (quechua kurakas). Außerdem führte er vordem Kampf Reziprozitätsrituale mit großen Banketten durch,auf denen große Mengen an Maisbier (quechua chicha) konsu-miert wurden. Als Gegenleistung verpflichteten sich die Kura-

kas, stellvertretend für ihre Gemeinden, gegenüber dem Inka.Daneben gab es in der inkaischen Gesellschaft auch eine

Berufsarmee, deren Aufgabe es war, die Ordnung im Land auf-recht zu erhalten und die Grenzen und Versorgungslager zu sichern. Diese Elitekrieger entstammten der inkaischen Ober-schicht oder setzten sich aus den Angehörigen unterschied-licher verbündeter Ethnien im Umland der Hauptstadt Cuscozusammen. Sie wurden vom Inka neben reellen auch mit sym-bolischen Waffen, wie einem goldenen oder silbernen Zepter(quechua tupayauri) ausgestattet. Die Elitekrieger benanntensich dem indigenen Chronisten Guaman Poma de Ayala zu-folge nach mächtigen Tieren, wie Löwe, Jaguar, Fuchs oderSchlange. Solche Krieger, die von anderen Tätigkeiten frei -gestellt waren, soll es auch bei den Moche und in Tiwanakugegeben haben, wo es angeblich spezialisierte Puma- oder Adlerkrieger gab.

Das Kriegswesen im Alten Peru

Sacsayhuaman, Peru © Peggy Goede

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Waffen

Wichtig für den Kampf war vor allem eine adäquate Bewaff-nung. Im Falle der Inkagesellschaft wissen wir aus Quellen,dass jeder Soldat seine eigene Ausrüstung aufbringen mussteund Waffen, die als Tribute in Speichern gesammelt wurden,wahrscheinlich Fehlendes ergänzen und Verluste ersetzen sollten.

Bei den Waffen ist zwischen denen für den Nah- und Fern-kampf und rituellen Waffen bzw. Statussymbolen zu unter-scheiden.

Ursprüngliche Waffen im Alten Peru waren zunächst derSpeer und der Wurfspieß mit Spitzen, die aus Holz und späteraus Quarz, Obsidian und Metallen wie Bronze gefertigt wurden. In dem Zusammenhang fand dann auch die Speer-schleuder, die mit der Chavín- und Paracas-Kultur zur Haupt-waffe der Jäger und Krieger wurde, weite Verbreitung, da siedie Reichweite der Wurfgeschosse um ein Vielfaches erhöhte.So zählten die mit der Speerschleuder verwendeten Wurf -spieße auch zu den bevorzugten Waffen der Nasca.

Ebenso wurden Pfeil und Bogen früh verwendet und kamenvielleicht durch Austauschbeziehungen aus dem Amazonas-Tiefland, wo das verwendete Chontaholz herkam, ins Hoch-land. Ikonographischen Darstellungen zufolge wurden sie alsKriegswaffen in der Zeit von Tiwanaku und Wari eingeführt.Der spätere Gebrauch ist ungesichert. Sie gehörten nicht zuder Standardbewaffnung der inkaischen Armee, wenn sie auchspanischen Chroniken zufolge so verwendet wurden. Das magjedoch den heterogenen Truppen geschuldet sein, denen Bewohner der verschiedenen Regionen des Inkareiches an -gehörten.

Die wichtigsten Fernwaffen im Alten Peru waren die Schleu-dern, die auch zu den Hauptwaffen des inkaischen Heereszählten. Sie wurden aus Garn hergestellt, welches man ausBaumwolle, Lama- oder Alpakawolle gewann, Materialien also, die im Hochland leicht zugänglich waren.

Bis heute sind die Kugelschleudern im Andengebiet in Gebrauch. Diese effektive Waffe bestand aus ein bis drei ver-schieden großen Kugeln (span. bolas) aus Metall oder Stein,

die an ein Seil gebunden waren. Die Kugelschleuder wurde zuBeginn eines Kampfes, aber auch bei der Jagd verwendet. Geschleudert wickelte sie sich um die Beine des Gegners oderTieres. In späteren Zeiten brachten diese Waffen zahlreichePferde der spanischen Konquistadoren mit ihren Reitern aufdiese Weise zu Fall. So wurde sie einerseits zum Fangen, beigezieltem Wurf aber auch mit tödlicher Wirkung eingesetzt.Auch heute noch werden Steinschleudern für die Jagd verwen-det und finden sich vielfach in den Hochlandhaushalten.

Die Häufigkeit der ikonographischen Abbildungen weistdarauf hin, dass Keulen (quechua chambi oder spanisch porras)während der gesamten Geschichte Alt-Perus zu den wichtig-sten Waffen gehörten. Sie bestanden aus einem Holzgriff miteinem Schlagteil aus Stein, Bronze oder Kupfer. Bekannt isthier besonders der sternenförmige Keulenaufsatz der Inka.

Gleichzeitig mit den Keulen kamen die ersten Äxte (span.hachas) aus poliertem Stein auf. Im Alten Peru dienten sie vorallem als Werkzeuge, wurden aber auch als Waffen eingesetzt.Daneben hatten Äxte auch eine rituelle Funktion und dientenals Statussymbole.

Schnittwaffen wie Schwerter oder Messer gab es im Gegen-satz zu Mesoamerika im Andengebiet kaum. Ausnahmen warendie Obsidianklingen der Kulturen Paracas und Nasca, derenNutzen im Krieg angezweifelt wird, und spätere inkaische Hellebarden mit Metallklinge.

Schutzkleidung

Zu den am besten ausgerüsteten Kriegern des vorspanischenAmerika zählten neben den inkaischen Kämpfern die der Moche. Wie auf Moche-Vasenmalereien und aus archäologi-schen Funden erkennbar ist, wurde höchster Wert auf denSchutz der Krieger gelegt. Wattierte, mit einem Nackenschutzversehene Helme, die aus einem festen Geflecht von Bambus-rohren, Pflanzenfasern und Baumwollsträngen gefertigt waren,und die häufig einen metallenen Halbmondaufsatz appliziert

Schleuder, Nasca-Kultur, Peru, Bonner Altamerika-Sammlung, Inv.Nr. 3294

Keulenaufsatz, Inka-Kultur, Peru, Bonner Altamerika-Sammlung, Inv.Nr. 1192

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hatten, schützten den Kopf. Neben einem Helm trugen dieMochekrieger ein gefüttertes ärmelloses oder kurzärmeligesHemd. Dazu kamen ein kurzer, steifer Rock und ein metalle-ner Schutz, der hinterrücks um die Hüfte gebunden wurde.Harnische schützten den Körper der Kämpfer.

Die ersten Schilde traten in Cupisnique an der peruani-schen Nordküste auf. Die Chavín aus dem Hochland dagegenhatten keine Schilde. Die Moche trugen kleine runde oderrechteckige Holzschilde, die mit Leder oder Baumwolle be-spannt waren. Diese Schilde schirmten zwar direkte Angriffeab, waren aber zu klein, um vor Speeren Schutz zu bieten. ImGegenzug dazu war die Ausrüstung leicht und gewährleisteteeine gute Bewegungsfreiheit.

In der Inkaarmee wurden die Hemden länger, es gab einenteils mit Federn geschmückten Baumwollhelm und statt demSchutz für den unteren Rücken gab es nun einen metallenenBrustschutz. Außerdem verwendeten die inkaischen Kriegereinen größeren rechteckigen Schild, der dem der Wari nach-empfunden war und der durch einen groben herabhängendenStoff mehr Schutz vor Wurfwaffen bot. Daneben trugen alleinkaischen Soldaten Sandalen an den Füßen. Trotz ihrerLeichtigkeit bot die inkaische Kriegskleidung daher gutenSchutz und war vor allem dem Klima optimal angepasst.

Andere vorspanische andine Gesellschaften verwendetendagegen keine besondere Schutzkleidung. Beispiel hierfür sinddie Nascakrieger, die weder Helme noch Schilde verwendeten.Auch rollten sie sich nur aus Stoffbahnen gebildete Turbaneum den Kopf oder schützen sich durch verstärkte Mützen. MitAusnahme eines kurzen Umhangs, dessen gefleckte Verzie-rung an ein Jaguarfell erinnert, unterschied sich ihre Kampf-bekleidung kaum von der des Alltags.

Kriegsalltag und Kampfablauf

Die Kriegstruppen wohnten in Zelten. Militärführer, Kurakas

und höhere Beamte waren in prächtige Gewänder gekleidetund mit kostbaren Waffen ausgestattet. Sie wurden in Sänftengetragen und durften Diener mit sich führen, die sich imKriegslager um Essen, Sauberkeit und den Zeltaufbau küm-merten. Unter Umständen durften sie auch ihre Hauptfraumitbringen. Dafür waren sie mit ihrem Leben für die Ordnungund die Disziplin ihrer Gruppe verantwortlich und organisier-ten die untergeordneten Einheiten.

Der einfache Soldat dagegen marschierte zu Fuß und trugseine eigenen Waffen. Die Waffen der hochrangigen Kriegerund die Wohnzelte wurden jedoch von Lamas getragen. DieDisziplin in den inkaischen Heeren war sehr gut und es heißt,Vergewaltigungen, Plünderungen und Diebstähle von denMaisfeldern wurden schwer bestraft.

Auf spanischen Chroniken basierend kann der Kampfab-lauf der inkaischen Armeen rekonstruiert werden. Demnachwaren die Truppen nach Waffengattungen aufgeteilt. Den Auf-takt eines Kampfes machten die Steinschleuderer, die durch

Speer- und Wurfspießwerfer geschützt wurden. Sie ebnetenden Weg für die Soldaten, die mit Keulen in den Nahkampfeintraten. Der Inkaherrscher selbst befand sich, auf einer Sänf-te getragen, teilweise mitten im Kampf oder aber am Randedes Geschehens. An seiner Seite waren die lokalen Herrscherund Adligen (span. orejones, Großohren, da sie ihre Ohrläpp-chen mit Ohrpflöcken auf ein Maximum ausweiteten) und eine Truppe Elitekrieger. Die Befehlserteilung erfolgte überweitere Entfernungen zur Truppe wohl durch Boten (quechuachasquis) und auch durch die Benutzung charakteristischerStandarten.

Neben unzähligen Dienern, die die Frauen des Inkaherr-schers, seine Kleidung und Waffen transportierten, begleitetenauch Musiker die Truppen. Muscheltrompeten (quechua putu-

tus) dienten zur strategischen Kommunikation. Doch wurden,wie in vielen anderen andinen Armeen, auch Trommeln undFlöten verwendet, die aus den Körperteilen der Besiegten undVerräter hergestellt worden waren. Die Demonstration desSchicksals eines besiegten Feindes muss auf dem Schlachtfeldeine große abschreckende Wirkung gehabt haben. Die Verwen-dung der menschlichen Überreste hatte jedoch auch eine ri-tuelle Bedeutung, da die Krieger der inkaischen Armeen glaub-ten, die Macht des Feindes würde auf sie übergehen.

Nach dem siegreichen Kampf wurden Muscheln geblasenund Triumphtrommeln gespielt. In einem Siegeszug zog derInkaherrscher auf einer Sänfte in die Hauptstadt Cusco ein.Ihm folgten Ladungen von Beutegut, an Seilen geführte Ge-fangene, und zahlreiche Orejones, die in einigen Fällen dieKöpfe ihrer Feinde auf Lanzen gespießt hatten. Dies alles solltedie Unbesiegbarkeit und Macht der Inkas demonstrieren.

Der rituelle Krieg

Die Inkasoldaten griffen tagsüber an, vielleicht weil sie als„Söhne der Sonne“ unter den Augen ihres „Vaters“ kämpfenwollten. Und sie opferten, wie andere andine Bevölkerungs-gruppen auch, ihren Göttern, um deren Wohlwollen zu si-chern. Weiterhin nahmen sie ihre Gottheiten in Form von Ido-len mit in die Schlacht, damit sie Teil ihres Militärs bildetenund auf ihrer Seite kämpften. Auch das hatten sie mit anderenandinen Kulturen gemeinsam. Darüber hinaus nahmen dieinkaischen Krieger die Idole ihrer Vorfahren mit in dieSchlacht, damit diese mit der Macht des Jenseits den Kampf-ablauf lenkten.

Die größte religiöse Bedeutung kam dem Krieg jedoch inder Mochegesellschaft zu, wo rituelle Kämpfe dominierten.Das Blut, entweder das eigene oder das fremde, wurde imKampf zum Wohle der Allgemeinheit vergossen. Hauptzweckdes Mochekrieges war das Gewinnen von Kriegsgefangenenfür Opferungen. Bei dieser Form von Kämpfen waren die Regeln festgelegt und beide Parteien wurden im Voraus überden Ort des Geschehens und die Anzahl der Teilnehmendeninformiert. Das spiegelt sich auch in der Ausgewogenheit der

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Kampfszene, Moche-Kultur, Peru, Bonner Altamerika-Sammlung, Sammlung Dr. phil, Erwin Hoess, Inv.Nr. Ho 10

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Gegner auf Darstellungen wider. Doch auch bei Kämpfen mit

anderen Zielen wurden in vielen Gesellschaften Ort und Zeit

vereinbart. Es ist wahrscheinlich, dass es für die Kämpfe auch

einen Verhaltenscodex gab. Darstellungen zufolge fand die

Gefangennahme z.B. bei den Moche statt, indem der Gegner

am Schopf gepackt wurde.

Dass auch rituelle, abgesprochene Kämpfe ziemlich gewalt-

tätig waren, zeigen die schweren Verletzungen bei aufgefunde-

nen Skeletten.

Unter den Moche-Keramiken finden sich zahlreiche Figuren

von gefangenen Kriegern kurz vor ihrer Opferung. Ihre Dar-

stellung war vielleicht Teil eines Rituals, da zerschlagene Krie-

gerfiguren bei Opferplätzen gefunden wurden. Wahrschein-

lich benutzten die Moche Porträts, um an die Gefangennahme

und Opferung bestimmter angesehener Personen zu erinnern.

Opferungen sind auch in der Nasca-Ikonographie besonders

prominent. Hier überwiegen vor allem die Darstellungen der

Trophäenköpfe. Die Enthauptung und der rituelle Gebrauch

der Köpfe hatten eine lange vor den Nasca gebräuchliche an-

dine Tradition. Trophäenköpfe fanden sich in der Ikonogra-

phie der Gesellschaften von Chavín, Moche, Wari und Paracas

und später gestalteten die Inka die Köpfe ihrer besiegten Fein-

de zu Bechern (quechua kerus) um, aus denen sie Chicha tran-

ken. Die Enthauptung und sorgfältige Präparation der Häup-

ter schien eng mit der landwirtschaftlichen Fruchtbarkeit ver-

bunden zu sein, da zahlreiche Nasca-Darstellungen Pflanzen

zeigen, die aus den Trophäenmündern sprießen.

Die Moche hatten ein elaboriertes Ritual, bei dem Kriegs-

gefangene enthauptet, ihr Blut in Bechern aufgefangen und

dem Kriegerpriester offeriert wurde. Diese Szenerie ist auf dem

sogenannten Präsentationsthema zu sehen, wie es auch im

Kapitel zur Sexualität und Fruchtbarkeit bei den Moche be-

schrieben wird. Bei den Moche drehte sich alles um das

menschliche Blut. Abgetrennte Köpfe finden sich dagegen

selten. Die Opfer waren ebenfalls mit landwirtschaftlicher

Fruchtbarkeit verbunden.

In der Nasca-Kultur dagegen lag die Konzentration statt-

dessen auf den Köpfen und vielleicht auf der Gesichtshaut,

die zu Masken umfunktioniert wurde. Die enthaupteten Toten

wurden gänzlich anders behandelt als bei den Moche. Das

zeigt sich darin, dass der restliche Körper komplett begraben

wurde. Offensichtlich war es erlaubt und üblich, die Körper

der Enthaupteten vom Schlachtfeld zu bergen, um die Toten

zu bestatten. Der fehlende Kopf konnte in Gräbern sogar

durch ein mit einem Gesicht bemaltes Gefäß ersetzt werden.

In der Spätzeit der Nasca-Kultur wurde der Kopf zu einer

persönlichen Beute, zum Prestigezeichen, der dem Krieger

einen sozialen oder politischen Aufstieg ermöglichte. Häufig

wurde er mit seinem Besitzer begraben. Trotzdem glaubten die

Nasca sicher weiterhin an seinen magischen Nutzen. Gemalte

oder modellierte Darstellungen der Trophäenköpfe auf rituel-

len und Gebrauchsgefäßen stellten in doppelter Hinsicht eine

Verbindung zur eigenen Ethnie her: Sie repräsentierten eine

Hommage an die individuelle und kollektive Kriegstüchtigkeit

und gaben gleichzeitig das Versprechen einer gesicherten Sub-

sistenzbasis. Auch im Krieg waren also Leben und Tod eng

miteinander verbunden.

Peggy Goede

Verwendete Literatur

Bischof, Henning: Violencia y guerra en los Andes Centrales a través de las fuentesarqueológicas. In: Eeckhout, Peter and Genevieve Le Fort: Wars and conflicts inprehispanic Mesoamerica and the Andes. 2005, pp. 67–89.

Bock, Edward K. de: Moche: Peru O-650 A.D.: Gods, warriors, priests. Leiden1988.

Bram, Joseph: An analysis of Inca militarism. Seattle and London 1966.

Hartmann, Roswith: Die Inka und der Krieg. Bonner Amerikanistische StudienBand 17, Bonn 1991.

Llanque Ferrufino, R. Jorge: La guerra en los Andes: milicia táctica y estrategiaen los Andes Centrales (periodo prehispánico y conquista hispana). Oruro 2009.

Mayer, Eugen Friedrich: Vorspanische Metallwaffen und -werkzeuge in Peru. Armas y herramientas de metal prehispánicas en Perú. Mainz 1998.

Proulx, Donald A.: A sourcebook of Nasca ceramic iconography: Reading a culturethrough its art. Iowa City 2006.

Quilter, Jeffrey: The Moche of ancient Peru: Media and messages. Cambridge2010.

Torres Arancivia, Eduardo: Una aproximación a la guerra en los Andes: el finalde la expansión incaica y el tiempo de Huayna Capac. Boletín del Instituto Riva-Agüero, No. 27, Año 2000, pp. 393–437.

Krieger mit Schleuder und Trophäenkopf, Nasca-Kultur, Peru, Bonner Alt -amerika-Sammlung, Dauerleihgabe der Stadt Grevenbroich, Inv.Nr. GB 378