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DAS MAGAZIN FÜR ENTDECKER UND GENIESSER GASTRONOMIE, HOTELLERIE & LEBENSART HEFT 3/2009 | 4€ INES | MARGAUX | MING DYNASTIE MARKTGESCHREI | MESSERMACHER | MEISTERKÖCHE GRIECHEN IN BERLIN | KÖCHE IN KREUZBERG ALBRECHTS SONNTAGSBRATEN | FUHRMANNS FRÜCHTEKORB

Garcon Magazin 03/09

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Garcon, Essen, Trinken und Ausgehen

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gastrOnOMie, HOteLLerie & LeBensartHeft 3/2009 | 4€

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die Vorstellung eines Berliner Feinschmecker-Festivals hätte vor sagen wir mal 35 Jahren in der damals noch überschaubaren Gilde der Gastrokritiker wahr-scheinlich schallendes Gelächter ausgelöst. Ich rede von einer Zeit, in der Köche Camembert in heißem Fett ruinierten, der Gast dazu mit sechs Jahre altem Beau-jolais traktiert wurde und in der Seezungenröllchen, dekoriert mit Oliven, als kulinarisches Nonplusultra galten. Gert von Paczensky, seinerzeit Chefredakteur von Radio Bremen und Restau-ranttester der Zeitschrift Essen & Trinken schrieb mit dem Blick auf Berlin: „Allzu oft schwindet der Appetit mit dem Essen.“ Die nicht minder spitze Feder seines Kollegen Klaus Besser notierte: „Der Berliner, selbst der wohlhabende, liebt das Deftige, Riesenportionen und dazu die Molle.“ Und Wolfram Siebeck schließlich, der dritte im Bunde der damals tonangebenden Restaurantkritiker, bezeichnete Berlins Köche spöttisch als „Gurkentruppe“. Das begann sich Anfang der 1980er Jahre zu ändern. Siegfried Rockendorf verließ die Küche des Schweizerhofs, machte sich 1977 selbständig, eröffnete vier Jahre später in Waidmannslust das Gourmetlokal Rockedorf’s Restaurant und erkochte den ersten Michelin-Stern. Peter Frühsammer, Franz Raneburger und Karl Wanne-macher folgten 1984. Die gastronomische Wüste Berlin hatte ihre ersten Oasen. Drei dieser vier aus der alten Köche-Garde standen Anfang Juli 2009, 25 Jahre nach ihren ersten Sterneehren also, nun gemeinsam am Herd. Hagen Müller und Stephan Falke, die Betreiber des Bistros Guten Morgen Franz, hatten sich des Ju-biläums erinnert und Frühsammer, Raneburger und Wannemacher eingeladen, zur Eröffnung ihres Restaurants zu kochen. Peter Frühsammer servierte Schweine-bauch, Calamaretti und Vanille-Rhabarber, Franz Raneburger Schwammerlgoulasch mit Semmelknödel und Karl Wannemacher brachte Entenleberpraline, Honigbrot und Aprikosen-Chili-Coulis auf die Teller. „Ohne diese drei stünde Berlin kulinarisch heute nicht dort, wo es steht.“, formulierte der Gastronom und Küchenplaner Ste-phan Falke in seiner Eröffnungsrede. 300 Partygäste, darunter viele, die die einstige Tournedo-Rossini-Zeit noch aus eigenem Erleben kennen, applaudierten laut und lange (Bericht Seite 28). Ich hätte mir gewünscht, dass die drei Altmeister des Berliner Küchenwunders auch zur Premiere des Festivals Taste of Berlin (30.Juli bis 2.August) gemein-sam auf der Bühne gestanden hätten. Doch man hat sie nicht gefragt. Schade. Dennoch hoffe ich, dass das viertägige kulinarische Fest im Sommergarten des Messegeländes am Funkturm einen Achtungserfolg verbuchen kann, um dann im nächsten Jahr voll durchzustarten: mit allen Berliner Sterneköchen, den besten ausländischen Küchenchefs, den wichtigsten Produzenten, den bekanntesten Händlern, den potentesten Sponsoren und einem Schirmherrn, der eigentlich nur Klaus Wowereit heißen kann. Was seit einigen Jahren in London möglich ist (Berichte Seiten 6 bis 15), müsste doch auch in Berlin zu machen sein.

Viel Freude mit dem neuen Garcon, und bleiben Sie uns gewogen.

Ihre Yvonne Weinlich

[email protected]

Liebe Leserinnen und Leser,

MISE EN PLACE

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INHALT

LOKALTERMIN Chinesisch Rot 16Ming Dynastie goes West

Kreuzberg kochte 19Gedanken nach einem Festival

Ines & Sebastian 22Chronik einer Restaurantgründung

Auf ein Wort 24Herbert Beltle im Interview

Henkersmahlzeit? - Mitnichten! 26Besuch im Restaurant Margaux

Gipfeltreffen 28 Die alte Garde kocht gemeinsam

GESCHMACKSSACHEN Im Zander 30Liobas Sonntagsbraten

Fuhrmanns Früchtekorb 32Melonen

Kinder und Rinder 34Berliner züchten Galloways

MISE EN PLACE

TITELTaste of London

6 Festival- und andere Notizen

GESCHMACKSSACHEN SPEZIALSpree-Athen 36Griechen in Berlin

Griechisch für Fortgeschrittene 38Das Restaurant Z in Kreuzberg

Grieche ohne Gyros 40Der Kretaner in Zehlendorf

Fast Food auf Griechisch 42Die Berkis-Brüder und ihr Bistro

Lykos - ein Mann, ein Wort 45Der Grieche vom Beusselmarkt

Pikilia 48Kostbarkeiten aus Schöneberg

Der Weinkönig 50Audienz bei Christos Tziolis

Gutes von Kreta 52Ein Berliner im Ölgeschäft

Kreta 54Eine kulinarische Exkursion

6 TASTE OF LONDON

36 GRIECHEN IN BERLIN

19 KREUZBERG KOCHTE

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LEBENSART Der Kollwitzmarkt 74 „Von 6 bis 20 Uhr Randale“

BOUQUET GARNI Nachrichten und Neuigkeiten 80

RUBRIKEN Coledampf s Küchenkolumne 84Ölwechsel

Gastroquiz 86

Impressum 87

KOPFSALAT Ulrike Piecha 62Bistro-Chefin in Kreuzberg

Kandidatenkür 66Berliner Meisterköche nominiert

Die Windmühlen-Lady 68Giselheid Herder und ihre Messer

HOTELLERIENeue Besen in Motzen 60Ein Besuch im Residenzhotel

68 WINDMÜHLENMESSER

74 KOLLWITZMARKT

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Sorry Berlin, aber immer, wenn ich aus London zurückkomme, wird mir der Unterschied zwischen Groß- und Welt-stadt klar.

In Berlin gilt: nur keinen Streit ver-meiden. London ist freundlicher, höflicher und toleranter. Perma-nent entschuldigen sich die Leute für irgendetwas. So sorry, Sir. Selbst, wenn man jemanden versehentlich anrem-pelt, in die Hacken tritt oder gedan-kenlos auf die Füße latscht, folgt des-sen verbale Vergebung.

Während der Berliner von der Weis-heit beseelt ist, dass, wer zu spät kommt, vom Leben bestraft wird, hält es der Londoner mit der Ruhe. Gelassen und ohne Murren steht er Schlange, an der Bushaltestelle, am Geldautomaten, am Taxistand ebenso wie vor der öffent-lichen Toilette. Selbst hier riskiert er lieber einen feuchten Fleck in der Hose als sich vorzudrängeln.

London ist sauberer - keine Graffities an Häuserwänden, kein Hundekot auf Bürgersteigen, und die Zeitungen auf Bus- und U-Bahn-Sitzen sind nicht weg-geworfen, sondern werden abgelegt – for the next. Der letzte entsorgt dann Daily Express, Evening Standard oder das Revolverblatt The Sun.

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TASTE OF LONDONFESTIVAL- UND ANDERE NOTIZEN AUS EINER WELTSTADTVON JÖRG TEUSCHER

„Reisen ist tödlich für Vorurteile“, schreibt Mark Twain. Das Vorurteil lau-tet: Soviel die Briten vom Gärtnern ver-stehen, so wenig haben sie Ahnung vom Kochen. Die Journalistin Patricia Clough legt noch eins drauf: „In der Sammlung moderner Vorurteile stellt die englische Küche neben deutschen Polizisten und italienischer Bürokratie einen Bestand-teil der Hölle Europas dar.“ Die kulinarische Wirklichkeit in London jedoch sieht anders aus, viel-leicht vom traditionellen englischen Frühstück in meinem (und sicher auch manchem anderen) Hotel mal abge-sehen. Es gibt „egg, bacon, sausage, hash brown, tomato“ und die Frage: „With beans?“ „Yes, with beans“, dazu Toast und Orangenkonfitüre, die in England „Seville Orange Marmalade“ heißt, weil sie aus den bitteren süd-spanischen Sevilla-Orangen hergestellt wird. Wer danach seinem Magen noch eine Schüssel Porridge zumutet, den groben Brei aus Hafermehl, Wasser und Salz, kann getrost auf ein Mittagessen verzichten. Aber, so sagen mir Londo-ner Gastronomen, diese Art zu frühstü-cken sei eher ein touristischer Gag als kulinarischer Alltag. Längst ist die Stadt an der Themse zu einer Feinschmeckermetropole gewor-den. 41 Sterne-Restaurants gibt es, das ist definitiv. Wie viele nicht besternte, das können selbst Branchenkenner nur

schätzen. Die Rede ist von 30 - 40 000, keine Küche der Welt, die in London nicht vertreten wäre. Allein während eines Sonntagabend-Spazierganges von meinem Hotel in der Nähe der Baker Street über Marylebone Road, James Street, Oxford Street, Gloucester Place - einmal im Karree, rund 2,5 Kilometer - zähle ich über 80 Bars, Pubs und Res-taurants, und alle sind mehr oder weni-ger überfüllt. Leuten, die Lust haben, herauszufin-den, wie London kulinarisch tickt, emp-fehle ich erstens den Besuch der Basis, einiger der über 60 Londoner Märkte also - etwa des Portobello Food Mar-kets, des Borough Markets mit seinen Bioangeboten oder des Brixton Markets mit seinem Multikulti-Mix. Zweitens ist das jährliche Food-Fes-tival Taste of London im Regent’s Park eine gute Gelegenheit, die aufregende und vielfältige Gastro-Szene der Stadt an einem Ort und für vergleichsweise wenig Geld zu erleben und zu probie-ren, was die Küchenchefs dort so drauf haben. Und wem das nicht reicht, der sollte sich für 9,90 ₤ das Büchlein „Eat Lon-don“ besorgen und auf den Weg ma-chen. Dieser Führer ist keine Jubelorgie aus bezahlten Restauranttipps, sondern eine Insiderliste der 150 angesagtesten Londoner Lokalitäten. Zusammenge-stellt wurde sie von 84 Kennern der Sze-

ne, darunter die Gastrokritiker Fay Ma-schler (Evening Standard), Giles Coren (The Times), Tracy MacLead (The Inde-pendent) und Zoe Williams (The Sunday Telegraph). Das sind hochbezahlte und über jeden Bestechlichkeitsverdacht erhabene Au-toren, vor deren Federn die meisten Köche zittern, ob sie nun Tom Aikens, Philipp Howard, Gordon Ramsay oder Michel Roux heißen.

Taste of London TITEL

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GARTENPARTY I

Alain Ducasse - ein Blick...

...ein Schnitt...

...und Taste of London 2009 ist eröffnet.

TITELTaste of London

Emerson Obojes war der einzige Ber-liner Gastronom, dem Europas größ-tes Foodfestival Taste of London Ende Juni 2009 einen Trip an die Themse wert war. Seine Eindrücke faßte der Inhaber des Kreuzberger Restaurants Riehmer s in einem Wort zusammen: „Grandios.“

Dieses Urteil wiegt umso schwerer, wenn man weiß, dass Obojes kein grü-ner Junge im Gastro-Geschäft ist und auch keiner, der angesichts eines bun-ten Tellers schlagartig in Verzückung gerät. Er erklärt: „Erstens war die Organisa-tion perfekt, man hat sie nämlich nicht bemerkt. Zweitens die Teilnehmer. Wer in London gastronomisch Maßstäbe setzt, war vertreten. Drittens die Gäste. Ich habe noch nirgendwo so viele jun-ge Leute erlebt, die sich für Kochkunst interessieren. Taste of London, das war kein Volksfest Marke `Kommen, Saufen, Pennen , Taste of London, das war Kultur und zwar vom Feinsten.“

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Atul Kochhar, Küchenchef des mit ei-nem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurants Benares im Londoner West End, gehört zu den Stars der Szene in der britischen Metropole. „Moderne eu-ropäische Küche mit indischem Kick“, so beschreibt Kochhar seinen kulinari-schen Stil.

Taste of London TITEL

Antony Worall Thompson gilt als bunter Vogel der englischen Spitzengastrono-mie. Kochshows in Radio und Fernse-hen, kulinarische Tipps in Zeitungen und Zeitschriften – der Mann ist eine Art britischer Johann Lafer – geschäftlich allerdings weit weniger erfolgreich als der Steirer aus dem rheinland-pfälzi-schen Guldental.

Michael Roux jr. betreibt in London das Zwei-Sterne-Restaurant Le Gavroche. Er ist Autor mehrerer auch ins Deutsche übersetzter Kochbücher, einer der an-erkannten Stars der britischen Gastro-szene und ein gefragter Interviewpart-ner wenn es um die Entwicklung der Kochkunst geht.

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GARTENPARTY IIBig Ben schlägt Punkt zwölf seine be-rühmte Vier-Töne-Sequenz, es folgt der tiefe Stundenton. Als der letzte ver-klungen ist, greift Alain Ducasse zum Mi-krofon und eröffnet das Festival Taste of London 2009. Der Drei-Sterne-Koch, der weltweit 30 Restaurants, fünf Hotels, drei Kochschulen und einen eigenen Verlag managt und in London mit dem Alain Ducasse at the Dorchester vertre-ten ist, spricht von der Taste-of-London-Geburtsstunde als einer Sternstunde. Die Großen seiner Zunft auf der Bühne – von Tom Aikens über Brian Hughson bis Vivek Singh klatschen Beifall, und die Gäste strömen aufs Festivalgelände im Regent s Park im Nordosten Londons. Es ist ein Donnerstagmittag, der Eintritt kostet 25 £, und dennoch ist die Schlan-ge vor den Parktoren länger als ein U-Bahn-Zug. 40 Küchenchefs bitten zur Verkostung und damit zum kulinarischen Kennen-lernen ihrer Restaurants, viele davon mit Michelin-Sternen geehrt. Londons beste Thailänder, darunter die bekann-ten Restaurants Blue Elephant, Busaba Eathai und Nahm laden zu Taste of Thai, ausgewählte Produzenten präsentieren hochwertige Delikatessen, das Tas-te Theatre und die Taste Kitchen sind schnell überfüllt. Küchenchefs signie-ren ihre Kochbücher und beantworten geduldig die Fragen der Besucher. Nein, das ist kein Fressfest von Leu-ten, die sich teure Restaurantbesu-che nicht leisten können und deshalb die billige Open-Air-Variante wählen – Taste of London entpuppt sich als ech-tes Gourmetfestival. Das L Atelier de Joël Robuchon verkauft Gänseleber-Burger – Preis 5 £ - und hat Mühe, mit der Zubereitung nachzukommen. Großer Garten, große Party.

TITELTaste of London

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Taste of London TITEL

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GARTENPARTY IIIGrün-weiß-lila, die Festivalfarben. Grü-ner Rasen, weiße Zelte, lila Teppiche. Partystimmung. Kenner vergleichen die Atmosphäre in Her Majesty‘s Royal Park beispielsweise mit der bei der Regatta Oxford-Cambridge. Frauen üben das Pfannenwenden, Män-ner das Messerschleifen, die Angebote rund ums Essen, Trinken und Kochen sind kaum zu zählen. Crowns, Kronen, heißt die offizielle Taste-of-London-Währung. Eine Krone entspricht 50 Pence. Die meisten Gerichte gibt es für 10 Kronen, 5 Pfund also. Die teuerste Offerte kommt von Michel Roux – ein aufwendig angerichtetes Dessert mit Blattgold für 60 Crowns, 30 Pfund. Neben der Sauberkeit – permanent sind Sauberfrauen und -männer damit beschäf-tigt, Papier aufzusammeln und Müllcon-tainer zu leeren – hat auch die Sicherheit höchste Priorität. Beispiel: ein Bomben-alarm. Eine Lautsprecherdurchsage, Gäste und Gastgeber verlassen das Festivalge-lände ohne Hektik. Polizei und Feuerwehr rücken an. Partypause. Die Londoner tra-gen es mit Fassung, nach zwei Stunden gibt es Entwarnung. Das Genießertreffen geht weiter, die Gesprächsthemen wechseln wieder zum Kulinarischen. Ein Picknick im Park mit Freude am Genuss – das ist das Konzept der erfolgreichen Taste-Festivals, die in-zwischen auch in Bath, Birmingham, Edin-burgh und Leeds stattfinden. Und nun auch in Berlin.

TITELTaste of London

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GARTENPARTY IVDas italienische Restaurant L’Anima (www.lanima.co.uk) - zu deutsch „Die Seele“ - wurde 2009 in London als „Best Newco-mer“ ausgezeichnet. In einer Metropole, in der täglich neue Restaurants eröffnen, will das schon was heißen. Wir trafen Francesco Mazzei, Inhaber und Küchenchef des an-gesagten City-Restaurants, beim Trüffel-hobeln an seinem Taste-of-London-Stand und vereinbarten mit dem gebürtigen Ka-labresen ein Interview - „aber bitte erst, wenn das Festival zu Ende ist“.

GARÇON:Ihr Restaurant L Anima ging vor einem Jahr in London an den Start. Ich nehme an, Ihre kulinarische Präsentation beim Festvial Taste of London war somit auch eine Premiere, oder?

FRANCESCO MAZZEI:Das ist richtig, wir waren zum ersten Mal dabei, aber ich kenne dieses Foodfestival schon seit Jahren. 1996 kam ich nach Lon-don und arbeitete als Commis de Cuisine und als Sous Chef im Hotel The Dorches-ter. Damals hörte ich bereits von der Idee eines kulinarischen Festivals, das sich we-sentlich von den hunderten Straßen- und Stadtfesten unterscheiden sollte, die es in der englischen Hauptstadt gibt. Nach wei-teren Stationen in Rom, Edinburgh und Mailand, kehrte ich nach London zurück und eröffnete im Juni 2008 mein ers-tes eigenes Restaurant, das L Anima. Da fand Taste of London bereits zum sechs-ten Mal statt und war längst eine kulina-rische Institution. Vielleicht können Sie sich vorstellen, dass es in der englischen Hauptstadt mit ihren tausenden gastro-nomischen Angeboten nicht ganz leicht ist, einen solchen Status zu erreichen. Deshalb waren wir auch stolz, dass wir in diesem Jahr teilnehmen durften. Hobeln, bis der Arzt kommt: Francesco Mazzei

TITELTaste of London

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GARÇON:Bewerben sich die Restaurants für eine Teilnahme oder werden sie angesprochen?

FRANCESCO MAZZEI:Die Organisatoren des Festivals spre-chen bereits Monate vorher die Restau-rants an, die sie für eine Teilnahme ins Auge fassen. Dabei geht es, wie ich ge-hört habe, nicht darum, eine bestimmte Anzahl von Restaurants zusammen zu bekommen, sondern darum, dass sich einmal im Jahr im Regent s Park die besten kulinarischen Adressen Londons präsentieren. Auch deshalb war es für uns eine Ehre, teilnehmen zu dürfen.

GARÇON:Aber die Teilnahme ist doch nicht kos-tenlos?

FRANCESCO MAZZEI:Nein, die teilnehmenden Restaurants müssen für die Bereitstellung von Zel-ten, für Werbung und Infrastruktur schon einen nicht ganz unerheblichen Betrag aufbringen. Allerdings war der Teilnahmebeitrag gut angelegtes Geld, denn ein besseres Marketinginstrument als eine Präsentation bei Taste of Lon-don kann man sich kaum denken, zumal, wenn ein Restaurant in dieser Metropo-le neu am Markt ist.

GARÇON:Was hat Ihnen das Festival denn nun ge-bracht?

FRANCESCO MAZZEI:An den vier Junitagen kamen insgesamt 48000 Besucher in den Regent s Park. Ich weiß nicht genau, wie viele davon am Stand unseres Restaurants waren, lassen Sie es ein Zehntel davon gewe-sen sein, 4800 also. Denen konnten wir erstens unsere Interpretation der süd-italienischen Küche nahe bringen. Zwei-tens kamen wir mit ihnen ins Gespräch und konnten uns so bekannter machen. Inzwischen waren etliche von Ihnen schon als Gäste im L Anima. Was wollen Sie mehr?

L‘Anima-Charme: Jenny MacLean of Coll, Assistentin des Inhabers

L‘Anima-Brigade: Vier Gänge vom Feinsten

L‘Anima-Klassiker: Fettuccine mit Waldpilzen und Sommertrüffel

Taste of London TITEL

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CHINESISCH ROTMING DYNASTIE GOES WESTVON HEIKO GRALKI

LOKALTERMINMing Dynastie

„Rot bringt Glück“, lächelt sie. Ihre Lip-pen glänzen in sattem Rot, sie trägt ein feuerrotes Kostüm und auch in ihrem Restaurant dominiert das Rot alle an-deren Farben. Chen Yuhna betreibt seit sechs Jahren die Ming Dynastie in der Brückenstraße. Das Restaurant ist ohne Zweifel ein Glücksfall – für die Mitarbeiter der chi-nesischen Botschaft gegenüber, für ihre deutschen Gäste und natürlich auch für sie. Der Laden läuft und läuft, selbst an dieser zugigen Ecke. „Business mit Herz“, so nennt Chen Yuhna ihr Er-folgsrezept. Was sie darunter versteht, merkt man schnell – wenn die Service-leute beispielsweise Quallensalat, Fisch-magensuppe oder den superscharfen, doppelt gebratenen Schweinebauch servieren. Die Ming Dynastie ist erstens ein Ort nimmermüden Lächelns und zweitens keins jener Asia-Lokale, in de-nen eine dem deutschen Gaumen ange-passte Kompromissküche auf die Teller kommt. Die 50jährige Gastronomin zitiert ein chinesisches Sprichwort: „Das Essen ist der Himmel des Menschen“. Und weil sie daran glaubt, hat sie ihre Köche an-gewiesen, gegen das deutsche Zerrbild ihrer heimatlichen Küchen anzukochen, gleich, ob es sich nun um die Sichuan-, Hunan- oder Shandong-Küche handelt. Das hat sich ausgezahlt. Am letzten Ju-limontag eröffnete Chen Yuhna eine De-pendance der Ming Dynastie im Europa-Center. Weshalb sie zur Feier des Tages nicht rot, sondern dunkles Lila trug, die Antwort auf diese Frage blieb uns Chen Yuhna allerdings schuldig.

Gründerin und Chefin der Ming Dynastie: Chen Yuhna

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Ming DynastieLOKALTERMIN

www.ming-dynastie.de

MING DYNASTIE

Tauentzienstraße 9-1210789 Berlin-Charlottenburg

Tel. 030 - 25 75 98 86

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KREUZBERG KOCHTEGEDANKEN ÜBER EINE KULINARISCHE ERFOLGSGESCHICHTEVON REBECCA CSIZMAZIA

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Weshalb bietet das Bergmannstra-ßenfest kulturell so viel und kulina-risch so wenig? – das fragten sich im Juni 2003 sechs Kreuzberger Gastro-nomen. Chinapfanne, Flammkuchen, Rostbratwurst, gut und schön, aber wie wäre es beispielsweise mal mit Flusskrebssuppe, Kalbsinvoltini oder Trüffelpraline?

Gefragt, gedacht, getan. Herbert Beltle (Altes Zollhaus), Pasquale Cic-carelli (Bar Centrale), Dieter Kalde-wey (Riehmer’s), Thomas Kurt (e.t.a. hoffmann), Sven Reschke (Svevo) und Stefan Wiegand (freßko) schrieben eine Speisekarte, karrten Küchenge-räte zum Chamissoplatz und kochten drei Tage lang munter drauflos. Die Festgäste staunten, die Hauptstadt-presse jubelte, „Kreuzberg kocht“ war geboren.

Inzwischen sind die Zeiten fröhlicher Gastronomie-Improvisation im Rot-Kreuz-Zelt längst vorbei. Die siebente Auflage von „Kreuzberg kocht“ in der letzten Juniwoche 2009 präsentier-te sich einmal mehr als kulinarische Open-Air-Gala mit Gästen aus der ganzen Stadt.

Worin liegt das Geheimnis dieses Er-folgs, den Köche etwa in Spandau und Prenzlauer Berg so gern kopiert hät-ten, allerdings kläglich scheiterten? Was macht „Kreuzberg kocht“ zum Kult?

Garcon-Autorin Rebecca Csizma-zia testete die 2009er Offerten von Herbert Beltle (Altes Zollhaus), Pasquale Ciccarelli (Bar Centrale), Matthias Gleiß (h.h. müller), Ste-fan Hartmann (Hartmanns), Thomas Kurt (e.t.a. hoffmann), Willi Login (Riehmer’s), Andreas Staack (Noi-quattro) und Sebastian Theiss (Hof zwei im Mövenpick Hotel), sprach mit Stamm- und Zufallsgästen und erfuhr viel über Engagement, Lei-denschaft und Zusammenhalt.

Rebecca Csizmazia, 29, geboren in Offenburg, aufgewachsen mit der bo-denständigen badischen Küche ihrer Mutter und den ungarischen Sonntags-gerichten ihres Vaters. Studium der

LOKALTERMINKreuzberg kochte

Neueren Deutschen Literauturwissen-schaften, Kunstgeschichte und Publizis-tik in Bremen und Berlin. Seit 2005 als freie Journalistin und PR-Beraterin tätig – Schwerpunkt Gastronomie.

Garçon-Autorin Rebecca Csizmazia

Es ist 10 Uhr morgens, und acht Männer in weißen Kochjacken liegen sich in den Armen. Die Augenringe groß wie Wagen-räder, der Gang schwer. Ein Königreich für einen Kaffee. Köche sind eben keine Früh-aufsteher. Bei „Kreuzberg kocht“ müssen sie es aber sein. Das Ergebnis: notorische Übermüdung, gepaart mit Vorfreude. Einmal im Jahr steht der Chamisso-platz drei Tage lang im Zeichen gehobe-ner Kochkultur, und ganz Berlin ist dabei. Beltle, Hartmann, Kurt und Co. erfreuen sich erheblicher lokaler Prominenz.

Einer spricht den Satz des Tages: „Kreuz-berg kocht ist ein ehrliches Festival.“ Er meint damit wohl klein und fein, kein über-dimensionales Spektakel. Das ist sicher ein Geheimnis seines Erfolges. Dazu kommt die

Eigenregie der Köche. Es gibt keinen frem-den Betreiber, keine laute Werbung und keine Sponsoren, die auf diese oder jene Rechte pochen. Made in Kreuzberg, das ist jene fröhliche Mischung aus 50 Prozent Perfektion und 50 Prozent Improvisation und die tiefe Überzeugung, dass dieses Fest deshalb so gut ist, weil es genau so ist wie es ist. „Kreuzberg kocht“ ist nicht mehr wegzudenken aus dem kulinarischen Veranstaltungskalender des Bezirkes.

Die Gäste kommen in Scharen, weil sie wissen, dass die Köche hier alles geben. Das wiederum spornt die Männer in Weiß besonders an. Die Herausforderung, hun-derte Besucher an drei Tagen kulinarisch und kommunikativ zufrieden zu stellen, sie mit neuen Ideen und außergewöhnlichen

Das Festzelt Der Küchennachwuchs

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Kreuzberg kochteLOKALTERMIN

Die Kreuzberg-kocht-Gründer: Thomas Kurt, Cornelia Reinauer, ehem. Bezirksbürgermeisterin, Herbert Berltle, v.li.

...geht zwar durch den Magen,...

...kann kein Mensch...

...es sei denn,...

...Kreuzberg kocht.

Liebe...

...aber von Liebe allein...

...wirklich leben,...

...er kommt zu...

Kreationen zu überraschen, reizt die Köche zusätzlich. Da tut es nichts zur Sache, dass sie im Festzelt ohne die hei-mischen Herde auskommen und mit man-chen anderen Schwierigkeiten kämpfen müssen. Um sich von der besten Seite zeigen zu können, ist natürlich wochen-lange Planung nötig. Das Mise en place beginnt schon lange vorher und verlangt sowohl den Köchen als auch ihren Briga-den einiges ab. Wenn von kulinarischen Highlights die Rede ist, dann heißt das eben auch, dass nicht das gekocht wird, was im Restaurant sowieso gekocht wird, sondern dass es nur eine Devise gibt: Das Bestmögliche ist für „Kreuzberg kocht“ gerade gut genug.

Stefan Hartmann (Hartmanns), der amtierende Berliner Meisterkoch, war in diesem Jahr der kreative Gaumen-schmeichler. Sebastian Theiss (Hof zwei im Mövenpick-Hotel) präsentierte seine moderne Aromen-Küche mit asiatischem Touch. Matthias Gleiß (früher h.h.müller) bewies mit einem kreolischen Hähnchen-spieß mit Xocopili seinen Hang zum Expe-riment und wird wohl 2010 schmerzlich vermisst werden, denn er war in diesem Jahr zum letzten Mal dabei. Neu-Italie-nisches mit Schmackes war der Part von Andreas Staack (Noiquattro). Die Traditi-onalisten testeten die Cucina Lingua von Pasquale Ciccarelli (Bar Centrale), der, welch` Glück, nach zwei Jahren Pause wieder mit im Boot war. Bei Kreuzberg-kocht-Gründungsvater Thomas Kurt (e.t.a. hoffmann) kamen badisch-französische Klassiker auf die Teller und Neuling Willi Login (Riehmer s) servierte österreichi-sche Spezialitäten. Varatio delectat. Und wenn nichts mehr geht, geht immer noch eins: die katalanische Crème von Herbert Beltle (Altes Zollhaus).

Kreuzbergs Köche haben etwas ge-schafft, wovon Werbefirmen träumen: sie haben in sieben Jahren „Kreuzberg kocht“ zu einem Markenzeichen des Bezirks ge-macht, das weit über dessen Grenzen hinaus wirkt.

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Bankenpleiten, Bürgschaften, Marktregu-lierungen, Produktionsdrosselungen, Ret-tungspakete, Staatskredite - das Voka- bular der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise. Manager haben sich verzockt, die Politik muss Garantien über hunderte Milliarden Euro geben, Otto Normalverbraucher versteht die Welt nicht mehr.

„Wer in dieser Situation einen sicheren Job aufgibt, um sich selbständig zu ma-chen, zumal in der Gastronomie, der ist entweder ein reicher Erbe oder total ver-rückt.“ Solche Sätze haben Ines Thomas, 26, und Sebastian Kraatz, 31, in den vergangenen Wochen häufig gehört. Die beiden sind Köche und ein Paar, im Beruf wie im Leben. Bisher arbeiteten sie gemeinsam in einem gemütlichen Gasthaus, der Eselin von A. Als dessen Betreiber beschlossen, den Laden zu schließen, sagten sich Ines Thomas und Sebastian Kraatz: „Jetzt oder nie!“ Ihre Eltern in Leipzig und Ber-lin versuchten, den beiden das Vorhaben eines eigenen Restaurants auszureden, Freunde taten das gleiche, Kollegen bo-ten Anstellungen. Die Würfel allerdings waren gefallen. Ines Thomas, die den Kochberuf im Dorint Hotel Neuenahr-Ahrweiler gelernt hat, später im Berliner InterContinental am Herd stand und dann als Sous Che-fin in der Eselin von A. anheuerte, gibt gelassen einen Uralt-Spruch zum besten: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Ob ihr dabei so wohl ist, wie sie vorgibt, ver-mag wohl nur ihr Partner zu sagen. Sebastian Kraatz, Kochlehre im Ad-lon, Wanderjahre in Italien, erste Kü-chenchefstelle in der Eselin von A. sagt: „Natürlich sind wir uns des Risikos be-wusst, aber der Businessplan steht, wir haben unsere Ersparnisse eingebracht, Getränkefirmen haben uns einen Kredit

INES+SEBASTIAN=CHRONIK EINER RESTAURANTGRÜNDUNGVON JÖRG TEUSCHER

gewährt, und wir haben einen Vermie-ter gefunden, der ein Herz für junge Gastronomen hat.“ Andreas Möllermann, dem der Laden in der Charlottenburger Grolmannstraße gehört, ist selbst Gastronom. Er betreibt Diner-Bars am Potsdamer Platz, im DomAquarée und an der spanischen Costa Blanca. Den beiden Newcomern machte er ein faires Mietangebot und unterstützt sie auch sonst tatkräftig. Alter Meister plus junge Stürmer, das sollte Erfolg bringen.

Noch allerdings regiert in der Grol-mannstraße 56 das Chaos. Eine Uralt-Küche soll raus, neue Öfen und Geräte müssen rein. Fußböden, Türen, Wände werden saniert, vieles wollen Ines Tho-mas und Sebastian Kraatz selbst ma-chen. 90 000 Euro werden sie investie-ren, mehr geht nicht. Schon fast fertig: die Ines-Speisekarte. Der erste Blick: die beiden wollen zeigen, was sie draufhaben. Ines Thomas kom-mentiert: „Frisch und kreativ sollen die Gerichte sein, wir wollen das bestmög-

Ines Thomas und Sebastian Kraatz: „Wir starten im September 2009.“

LOKALTERMINIneS

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liche Ergebnis auf die Teller kriegen.“ Sicher, das sagt jeder Koch über seine Küche, aber häufig war’s das denn auch. „Wir wollen eine verlässliche Adresse werden“, ergänzt Sebastian Kraatz, „so wie einst die Eselin von A., nur noch viel besser.“ Bevor das Wasser kocht, müssen die jungen Gründer aber erstmal noch ent-rümpeln, bauen und einrichten, einen Re-staurantleiter finden und tausend andere Dinge erledigen. Vor den Erfolg haben die Götter eben den Schweiß gesetzt.

IneSLOKALTERMIN

Garcon wird das Projekt „IneS“ weiter begleiten - Teil II der Chronik einer Restaurantgründung dann in unserer nächsten Ausgabe.

Gutes Trio: Die Newcomer und ihr Vermieter Andreas Möllermann

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Aller guten Dinge sind drei, sagte sich Herbert Beltle, Inhaber der Restaurants Altes Zollhaus und Aigner am Gendar-menmarkt, schon vor einigen Jahren. Die meisten Standorte und Objekte überzeugten den erfahrenen Gastrono-men jedoch nie so vollkommen, dass er seine Unterschrift unter einen Vertrag

LOKALTERMINRôtisserie Weingrün

AUF EIN WORTHERBERT BELTLE ÜBER SEINE RÔTISSERIE-GRÜNDUNG

gesetzt hätte. Das änderte sich als er das Angebot an der Gertraudenbrücke in Mitte bekam. „Liebe auf den ersten Blick“, sagt er heute. Nicht nur wegen der schönen Räume in einem neogotischen Haus, sondern vor allem auch wegen des namensgeben-den Denkmals der Heiligen Gertraude

vor der Tür. Beltle will es beleuchten lassen und so ins rechte Licht rücken. Garcon sprach mit dem Gastronomen, der, wie er sagt, „auf der Zielgeraden seiner Gastronomenkarriere sei“ über neue Restaurants im Allgemeinen und die Gründung der Rôtisserie Weingrün im Besonderen.

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25 GARÇON

Ihr Lieblingsgericht?Brotzeit

Ihr Lieblingsgetränk?Wein in allen Farben

Ihr Lieblingsgewürz?Pfeffer aus der Mühle

Ihr Küchenmotto?Regional auf Teufel komm raus

Welches Gericht mögen Sie gar nicht?Schweineleber

Welches Getränk mögen Sie gar nicht?Spirituosen

In welchem Restaurant - außer Ihrem eigenen - essen Sie am liebsten?Bar Centrale

Was halten Sie von Kochbüchern?Jeder sollte wenigstens eins haben

GARÇONFRAGEBOGENHERBERT BELTLE

Garçon:Was ist das Wichtigste bei der Eröffnung eines Restaurants?

Herbert Beltle:Ein gewisses finanzielles Polster, weil die Luft sonst schnell dünn wird. Vor allem am Anfang kann man kaum kostendeckend arbeiten.

Garçon:Wieviel haben Sie in Ihre Rôtisserie in-vestiert?

Herbert Beltle:Rund 280 000 Euro.

Garçon:Welche Bedeutung hat die Lage eines Restaurants?

Herbert Beltle:Sie ist nicht das Wichtigste. Das Alte Zoll-haus etwa liegt abseits in einer Sackgasse und trotzdem finden es die Gäste. Park-plätze und Außenflächen spielen eine gewisse Rolle, aber die Lage ist für den Erfolg nicht entscheidend.

Garçon:Was ist denn entscheidend?

Herbert Beltle:Zuerst das Ambiente. Möglichkeiten, dass Veranstaltungen stattfinden können, wenigstens für 20, 30 Gäste.

Garçon:Was ist mit der Küche?

Herbert Beltle:Die sollte natürlich stimmen. Der Gast muss wissen, was ihn erwartet. Aber sie kommt erst an dritter Stelle.

Garçon:Was ist noch wichtiger?

Herbert Beltle:Der Service.

Garçon:Wie findet man gute Servicemitarbeiter?

Herbert Beltle:Auf keinen Fall über Annoncen, suche Kell-ner. Der Beruf ist verbrannt. Ich hätte die Idee, es mit Arbeitslosen zu versuchen. Die Voraussetzungen: natürliche Freund-lichkeit, verbindliche Umgangsformen, Fremdsprachenkenntnisse. Eine Probezeit - drei Monate für 400 Euro, drei Monate Gehilfenvergütung, und danach wird über eine Anstellung im Service entschieden.

Garçon:Wie war der Start in der Rôtisserie?

Herbert Beltle:Alles im Optimum. Wir sind ohne Werbung gestartet, aber die Gäste finden uns trotz-dem. Mitte November wollen wir die Schließ-tage abschaffen und sieben Tage öffnen.

Herbert Beltle u. Norbert Pobbig, Weinautor

Feiern im Weingrün

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26 GARÇON

LOKALTERMINMargaux

HENKERSMAHLZEIT?MITNICHTEN!EIN BESUCH IM RESTAURANT MARGAUXVON JÖRG TEUSCHER

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MargauxLOKALTERMIN

Gegen 23 Uhr klingelte das Telefon, Klaus-Peter war dran. Er hatte gerade den ZDF-Krimi „Eiskalter Mord“ gesehen und fragte, ob es wirklich so zuginge in der Sternegas-tronomie. Ich ließ mir den Inhalt erzählen. Der Film handelte von einem mit Natrium-glutamat tricksenden Spitzenkoch, von ei-nem bestechlichen Restauranttester und von einem Mord an einem Sternekoch im Gefrierraum seines Gourmetrestaurants. Was den ersten Fall betrifft, da war vor Jahren mal was in Düsseldorf. Über den zweiten haben Peter Gnaiger und Wolfgang Hoffmann ausführlich in ihrem Buch „In die Suppe gespuckt“ geschrieben. Der dritte ist meines Wissens eine Erfindung der Krimi-Autoren. „Außerdem spielt der Film in Hamburg“, sagte ich Klaus-Peter noch, „in Berlin sind die Köche ehrlich, die Tes-ter redlich und in den Hauptstadt-Küchen kommen nur Hummer und Co. zu Tode.

Die einzige Gefahr, die Berliner Spitzen-köchen droht, stammt aus einer geheimen Suppenschmiede, die ihren Standort häu-fig wechselt und von der nur wenige Ein-geweihte wissen, wo sie sich gerade befin-det - ich spreche von der Gerüchteküche. Was deren Resultate gelegentlich be-wirken, erfuhr ich dieser Tage von Michael Hoffmann, Inhaber und Küchenchef des besternten Restaurants Margaux und, wie ich finde, einer Besten und Redlichsten seiner Zunft. Während eines Restaurantbesuchs die-ser Tage erzählte Hoffmann, dass ihn et-liche meiner Kollegen angerufen hätten, wann denn nun der letzte Margaux-Tag sei. Eine Redaktion hatte auch schon die pas-sende Überschrift parat: Henkersmahlzeit im Margaux. „Mitnichten“, kommentierte Hoffmann und fragte: „Wer setzt nur sol-che geschäftsschädigenden Gerüchte in die Welt?“ Ich weiß es nicht. Locker zur Tagesordnung überzugehen, das ist nicht Hoffmanns Ding. Der Mann ist sensibel und macht sich so seine Gedan-ken. „Weshalb, fragt er plötzlich, schein-bar das Thema wechselnd, „weshalb berichten beispielsweise Berliner Zeitun-gen über Wolfram Siebecks Zeit-Magazin-Kochwettbewerb und dessen Jury, ohne zu erwähnen, dass ich Mitglied dieser Jury war?“ Cornelia Poletto, ja; Klaus Wo-wereit, natürlich; Michael Hoffmann, nur vergessen? Auch darauf kenne ich keine Antwort. Hoffmann jedenfalls hat Briefe ge-schrieben, an die wichtigsten Guides und die einflussreichsten Redakteure - Inhalt: Das Margaux bleibt in Berlin und er, Hoff-mann, im Margaux. Der Mann ist kein Medienstar, aber er will eben auch nicht totgeschwiegen und schon gar nicht totgeschrieben werden.

Als Appetitmacher sind solche Gesprä-che weniger geeignet, da serviert der Sternekoch lieber Kostproben alter Toma-tensorten. Ein süß-säuerliches Entree in ein Menü, das sich zu bisher selten erleb-ten Höhen vegetarischer Kochkunst auf-schwingen wird.

Die Zeiten, in denen der Servicehinweis auf einen Vegetarier unter den Gästen au-tomatisch den Köchekommentar „Ach du Sch...“ nach sich zog, sind zumindest in deutschen Sternerestaurants vorbei. Nicht vorbei ist allerdings in vielen Fällen der Umgang mit den 10 Prozent Vegetariern, die es in der deutschen Bevölkerung derzeit gibt. Edel-Rohkost ist eben noch längst kein vegetarisches Gericht. Hoffmanns Menü liefert dagegen ein Lehrstück im Umgang mit einer Produkt-familie, die noch zu oft stiefmütterlich behandelt wird. Bravourös beispielsweise drei verschiedene Zubereitungsarten vom Sellerie. Was schlicht als Sommergemüse auf der Karte steht, ist ein kulinarisches Ereignis. Trotz der Gemüsevielfalt auf dem Teller ist das Gericht nicht mit vie-lerlei rivalisierenden Aromen überfrachtet und zeigt einerseits jenes seltene Harmo-nie-Gefühl beim Zusammenstellen der Ge-müse, andererseits die intensive Produkt-kenntnis des Küchenchefs. Das Ergebnis ist eine wunderbare Kombination aus Wohl-geschmack und Bekömmlichkeit.

www.margaux-berlin.de

MARGAUX

Unter den Linden 7810117 Berlin-Mitte

Tel. 030 - 22 65 26 11

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LOKALTERMINGuten Morgen Franz

Drei Männer, denen Berlin viel zu verdanken hat. Karl Wannemacher, Peter Frühsammer und Franz Raneburger, die zu den ersten Ster-neköchen der Stadt gehörten, standen bei der Eröffnung des kleinen Restaurants Guten Morgen Franz gemeinsam am Herd. Die Un-ternehmer Hagen Müller und Stephan Falke schufen das Lokal an der Weidendammer Brücke als Prototyp eines modernen Bistros.

GIPFELTREFFENBERLINS ALTE KÜCHENGARDE GEMEINSAM AM STARTIMPRESSIONEN VON DER ERÖFFNUNG DES BISTROS GUTEN MORGEN FRANZ

Alte Schule: Karl Wannemacher, Peter Frühsammer und Franz Raneburger, v. li.

Betreiber: Stephan Falke Investor: Hagen Müller

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Genau deshalb entschied sich die Musikerin Le Thi Thanh, die, bevor sie nach Deut-schland kam, achtzehn Jahre lang am Hanoier Konservatorium studiert und gelehrt hatte, in Berlin-Schöneberg ein eigenes vietnamesisches Restaurant zu eröffnen. Sein Name: Sao Mai, zu deutsch Morgenstern. Le Thi Thanh kocht hier wie sie es von ihrer Mutter gelernt hat. Ihr kulinarisches Credo lautet: authentisch, gesund und preiswert. „Wie bei einem Musikstück ist bei der Zubereitung unserer Speisen die Harmonie das Entscheidende. Nur so entsteht ein besonderes Geschmackserlebnis“, erklärt die charmante Küchenchefin. Sie spricht über den Einkauf nur wirklich guter Produkte, über die Kunst des Würzens und die genauen Garzeiten. „Der entschei-dende Faktor jedoch ist die Leidenschaft, die man beim Kochen braucht. Ohne sie wird ein vietnamesisches Gericht nie wirklich authentisch gelingen“, fügt sie hinzu.

Wer zum ersten Mal beispielsweise Le Thi Thanhs Pho-Suppe probiert, wird deren außergewöhnlichen Geschmack lange nicht vergessen. Diese nordvietnamesische Reisbandnudelsuppe wird mit Zimt, Ingwer, Anis und Kardamom abgeschmeckt und mit dünn geschnittenem Rindfleisch verfeinert. Weitere Spezialitäten sind der Gelbe Katzenfisch mit verschiedenen Gemüsen, die delikaten Sommerrollen mit vietnamesischen Kräutern sowie Hühnerfleisch, Groß-garnelen und Tofu. Daneben sind die Gemüse- und Meeresfrüchte-Feuertöpfe für 2-6 Personen bei den Sao-Mai-Gästen sehr beliebt.Küchenchefin Le Thi Thanh freut sich auf Ihren Besuch. Genießen Sie ihre authen-tische, gesunde uns preiswerte Vietnam-Küche und lassen Sie sich vom gastfreund-liche Service-Team des Sao Mai verwöhnen.

Es hat sich längst auch hier-zulande herumgesprochen, dass die vietnamesische Küche gesund, geschmacks- intensiv und vielfältig ist. Die wenigsten allerdings wissen, wie viel Mühe es macht, die authentischen Gerichte der Cuisine Vietnamienne zu kochen. „Wer sie richtig zubereiten will, muss eine künstlerische Ader besitzen und in die Kochkunst verliebt sein“, heißt es in Vietnam.

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GESCHMACKSSACHENGroßer Braten

IM ZANDERGESCHENK FÜR EINEN KÜCHENCHEFVON MARC STEYER

Dann und wann bekommen Köche mal ein Lob ihrer Gäste, Geschenke sind selten. Wohl auch deshalb war Sven Albrecht, Kü-chenchef im Restaurant Zander in Prenz-lauer Berg, so gerührt, als ihm eine 7-jäh-rige ein Bild überreichte und sich artig bedankte. Lioba Schencking war mit ihren Eltern in Berlin. In der Kollwitzstraße entdeckten sie die Zander-Offerte: „Der große Sonn-tagsbraten, drei Gänge, 20 Euro, kleine Kinder zahlen die Hälfte.“ Es gab Jüterbo-ger Büffel-Mozzarella mit Vogelmierepes-to, geschmorte Schulter vom Wasserbüf-fel, Panna cotta, und Lioba durfte sogar am Herd helfen. In Düsseldorf, woher die Familie kam, wäre die Bitte des Kindes wohl mit der Be-merkung abgetan worden, dass Küchen kei-ne Kinderspielplätze sind, meinte der Vater. In Düsseldorf würde es auch keinen Sonn-tagsbraten für 20 Euro geben, ergänzte die Mutter. Für Sven Albrecht war damit klar: In Berlin ist eben alles ein bisschen anders.

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Liobas Bild hängt nun im Büro des Kü-chenchefs, als Erinnerung und auch als Glücksbringer. „Kleine Restaurants abseits der großen Straßen können davon eigent-lich nicht genug haben“, sagt Albrecht. Der Zander-Küchenchef weiß, wovon er spricht. Ein ordentliches Werbebudget und ein cleverer Marketingmanager wären ihm auch lieber: “Dann wäre die Sache mit dem Sonntagsbraten wahrscheinlich längst in aller Munde…“ Die Idee ist nicht neu, aber schlecht ist sie deshalb auch nicht. Carmen Krüger in Eichwalde fing vor ein paar Jahren damit an, den Sonntag wieder zum Bratentag zu machen. Thomas Kellermann, damals im Vitrum, folgte. Nun ist also auch Sven Alb-recht auf dem kulinarischen Nostalgietrip. „Als Antwort auf die vielen Billig-Brunch-Offerten, die den Discounter reich und den Koch faul machen.“ Im März gab es im Zander Havelländer Apfelschwein, im April Linumer Wiesen-kalb, im Mai Fläminger Maibock, im Juni

Heidschnucke, dann Jüterboger Wasser-büffel. Am 16. August steht Fläminger Rehbock auf der Speisekarte, am 30. Au-gust Saalower Kräuterschwein. Und immer geht es um ein gut gereiftes und mehrere Kilogramm schweres Stück Fleisch, nach der alten Metzgerregel ausgesucht: je weiter vorne am Tier, desto zarter. Wenn der Küchenchef dann noch sein Handwerk versteht, folgt die Of(f)enbarung. Siehe Zander.

Zander-Küchenchef Sven Albrecht und Gastköchin Lioba Schencking

www.zander-restaurant.de

RESTAURANT ZANDER

Kollwitzstraße 5010405 Berlin-Prenzlauer Berg

Tel. 030 - 44 05 76 79

Großer BratenGESCHMACKSSACHEN

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FUHRMANNS FRÜCHTEKORBGESUNDE ERFRISCHUNGVON MARCUS FUHRMANN

Wenn ein weißer 7,5-Tonnen-Kühl-transporter mit dem Zeichen der Kir-sche in Berlin oder Brandenburg ein Hotel, Krankenhaus, den Knast oder ein Restaurant ansteuert, heißt es dort schlicht: Fuhrmann kommt. Dieter Fuhrmann, Chef des gleich-namigen Fruchtgroßhandels und der Grand Old Man seines Berufsstandes in Berlin, gehört zu den frischever-rücktesten, qualtitätsbesessensten und kenntnisreichsten Männern sei-ner Branche. Lieber klein, dafür fein – mit diesem Motto startete er 1977 auf einem Charlottenburger Hinterhof ins Obst- und Gemüsegeschäft. 1980 Um-zug auf den Fruchthof an der Beus-selstraße, 1996 Eintritt seines Sohnes Marcus als Juniorchef in die Firma, 2007 Übernahme einer neuen Kühl-

Als ich vor 13 Jahren in die Firma meines Vaters eintrat, hatte ich bereits fünf Jahre Taek-Won-Do-Training hinter mir. Glück für mich, denn der Fruchtgroßhandel ist nicht nur ein anspruchsvoller, sondern auch ein anstrengender Job, der einen körperlichen und geistigen Ausgleich braucht. Was mein

halle. Inzwischen beschäftigen die Fuhrmänner 28 Mitarbeiter, die mit 18 Kühltransportern rund 500 Pro-dukte ausliefern, pünktlich, zuverläs-

sig und in hoher Qualität. Für Garcon stellen Dieter und Marcus Fuhrmann im Wechsel ihre Früchte vor.

Heute: Die Melone

Vater beim Golf- und Tennisspielen findet, hole ich mir heute im Shaolin-Tempel in der Bundesallee bei Kung Fu und Qi Gong. Die Übungen tragen dazu bei, Konzentra-tion und Ausdauer zu stärken, Stress und Ärger ab- und neue Energie aufzubauen. Wenn dazu - und nun mache ich ein biss-

chen Werbung in eigener Sache - noch eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Obst und Gemüse kommt, braucht selbst der stressigste Beruf weder literweise Kaffee noch schachtelweise Zigaretten. Das sollte mal gesagt sein - und nun zu den Melonen.Sie gelten als Stars des Sommers - gleich, ob es sich um Wasser- oder Zuckermelo-nen handelt, das übrigens ist die grund-sätzliche Unterscheidung. Botanisch gesehen gehören beide Sor-ten zur Familie der Kürbisgewächse; Me-lonen sind also mit Gurken und Zucchini verwandt. Sie bestehen zu 90 Prozent aus Wasser, sind äußerst kalorienarm (Was-sermelonen liefern 40, Zuckermelonen 50 Kilokalorien/100g), trumpfen aber den-noch mit Vitamin C, Provitamin A, Kalium (320mg/100g), Kalzium und Phosphor auf.Während es die Wassermelonen auf gut dreißig Sorten bringen, gibt es unter den Zuckermelonen mehr als 500. Ob Galia, Cantaloup oder Honigmelone - alle diese Sorten gehören zu den Zuckermelonen.Marcus Fuhrmann: Training im Shaolin Tempel

Firmenchef Dieter Fuhrmann (li.) und Juniorchef Marcus Fuhrmann

GESCHMACKSSACHENMelonen

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33 GARÇON

www.dieter-fuhrmann.de

Zutaten für vier Personen:½ Wassermelone

200 g schwarze Oliven

1 rote Zwiebel

50 g Kürbiskerne

50 g Haselnüsse

30 entkernte blaue Weintrauben

Olivenöl, Balsamico, Salz

Daikon-Kresse, Spinatsalat oder Rucola

Meine Favoriten: Wassermelonen der Sorte „Crimson Sweat“, die man an der unregelmäßig gestreiften Schale erkennt und Zuckermelonen der Sorte „Charentais“ (im Handel werden sie häufig auch als „Cavaillon-Melonen“ angeboten), gelb-lich mit grünen Streifen, berauschend im Geruch und, bei ausreichender Reife, auch im Geschmack. Mit dem Reifetest von Melonen, speziell Wassermelonen, ist das übrigens so eine Sache. Ich empfehle die Geschichte von Ephraim Kishon „Das Geheimnis der Melone“, die mit einem Selbstmordver-

such endet. Deswegen mein Tipp: Klopfen und drücken Sie nicht an allen möglichen Exemplaren im Supermarkt herum, son-dern überlassen Sie dem Händler ihres Vertrauens die Auswahl. Statt diverser Klopf- und Riechtheorien hier noch ein paar Geschmackstipps für melonenverliebte Ver-braucher oder solche, die es werden wollen: 1. Salz auf Wassermelonen wirkt ge-schmacksverstärkend.2. Minze und Melone sind ein starkes Paar.3. Melonen gehören nicht in den Kühl-schrank und sollten erst eine Stunde vor dem Verzehr kaltgestellt werden.

4. Melonenkerne sind kein lästiges Übel, sondern geröstet eine Delikatesse.

Mein Melonen-Lieblingsrezept übrigens stammt von Matthias Gleiß, bis vor kurzem Küchenchef im Restaurant h.h. müller.

Mit kulinarischen Grüßen

Zubereitung:Die Wassermelone in 1 cm große Stücke schneiden und leicht mit

Olivenöl marinieren. Oliven und Trauben halbieren und entker-

nen. Kresse oder Salat waschen, mit Balsamicodressing (Oliven-

öl und Balsamico) marinieren und auf einem Teller anrichten.

Die leicht gesalzenen Melonenwürfel darauf legen, darüber die

in feine Scheiben geschnittenen roten Zwiebeln, Trauben und

Oliven. Dann die gehackten Nüsse und die Kürbiskerne über den

Salat streuen. Alles nochmals mit etwas Dressing beträufeln.

Wassermelonensalat

Melonen: Stars des Sommers

Klassiker: Wassermelone

Spezialität: Charentais

MelonenGESCHMACKSSACHEN

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Wie das Leben so spielt. Holen zwei Männer in der Kita ihre Kinder ab, kom-men ins Gespräch, über Gott, die Welt und die Ernährung. Andreas Kaulich und Carsten Leuchtenberger, beide 36, beide Berliner, sind aufgeklärte junge Leute, intelligent, wissensdurstig, IT-Manager der eine, Unternehmensbera-ter der andere. Sie reden - mit dem Blick auf Anton und Lisa, ihre Kinder - über Analogkäse, Form-fleisch und all die anderen Erfindungen der Lebensmittelindustrie, die aus min-derwertigen Grund- und künstlichen Aro-mastoffen grausige Dinge herstellt, deren einziger Wert in einer hohen Rendite für ihre Produzenten liegt. Irgendwann haben Kaulich und Leuch-tenberger eine Idee. Wie wäre es, fragen sich die beiden, wenn wir wenigstens un-ser Fleisch selbst erzeugen würden?

Zwei, drei Rinder, eine kleine Weide, das müsste doch möglich sein. Freunde erklären sie schlicht für verrückt, und es scheint, dass da durchaus was dran ist. Kaulich entlockt zwar jedem Apple-Rech-ner auch noch sein letztes Geheimnis, und Leuchtenberger jongliert meisterlich mit Abschreibungsmodellen und Businessplä-nen - aber Rinderzucht? „Rückhalt hatten wir lediglich in unse-rem unmittelbaren sozialen Umfeld“, sagt Kaulich. Damit meint er, dass die Famili-en der beiden die Idee für gar nicht so fix hielten. Es folgen Internet-Recherche und Literatur-Studium. Nach dem Besuch bei Marianne Wille, Züchterin in der Pri-gnitz und Gesprächen mit Georg Menke, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes Deutscher Galloway-Züchter, fällt die Entscheidung: Galloway, diese Rasse soll es sein.

KINDER UND RINDERWIE ZWEI MANAGER AUF DAS GALLOWAY KAMENVON MARC STEYER

Andreas Kaulich, Carsten Leuchtenberger und ihre Galloways in Mecklenburg-Vorpommern

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35 GARÇON

Weitere Konsultationen und Seminare, und die Erkenntnis reift - ob zwei oder zwanzig Tiere, das ist am Ende dann auch egal. Andreas Kaulich und Carsten Leuch-tenberger suchen einen geeigneten Platz, schreiben einen Businessplan und gründen 2007 die Gallowayzucht Gorkow GmbH. Heute stehen 30 Tiere auf 25 Hektar Weideland im Uecker-Randow-Kreis. „Landmeer - Sandmeer - nichts mehr“, so wurde die Gegend zwischen Pasewalk und polnischer Grenze früher beschrieben,

grinst Kaulich. Wenn mit dieser DDR- Definition die Einsamkeit Vorpommerns gemeint war, hat sich bis heute nicht viel geändert. Die Urlaubsregion am Stetti-ner Haff ist gut 30, Stettin 25 Kilometer entfernt. „Ein idealer Platz für die Rinderzucht“, so Frank Lemke, der im benachbarten Rothen-klempenow zu Hause ist und sich als Meister der Tierproduktion, eine Berufsbezeichnung aus DDR-Zeiten, um Weiden, Wasser und die Gesundheit der Tiere kümmert.

„Galloways stammen ursprünglich aus Südwest-Schottland und gelten als die älteste Fleischrasse auf den Britischen Inseln. Die hornlosen Robust-Rinder sind durch ihre vergleichsweise dicke Haut besonders widerstandsfähig und des-halb für eine ganzjährige Freilandhaltung geeignet. Die Herden grasen im Famili-enverband, die Tiere sind pflegeleicht und liefern Fleisch von allererster Güte.“ Kaulich und Leuchtenberger haben ihre Lektion gelernt und sind inzwischen, auch was die Fleischvermarktung betrifft, auf dem richtigen Weg. „Wir liefern, was die Kunden wün-schen“, erklären die beiden Rinderzüch-ter. Ob vier Beinscheiben, sechs Porter-house-Steaks, neun Rouladen, Entrecôte am Knochen oder eine ganze Keule - ein Anruf bei „Gutes vom Lande“ genügt, Kaulich und Leuchtenberger reagieren schnell und flexibel. Neben solchen Einzelbestellungen des saftigen, zarten und gut marmorierten Gallowayfleisches bieten sie auch ein so-genanntes Haushaltspaket: 12 Kilogramm - 6 Kilogramm Bratenfleisch, 3 Kilogramm Kochfleisch, 2 Kilogramm Fleisch für Mett und 1 Kilogramm Fleisch zum Kurzbraten für insgesamt 144 Euro. „Zur artgerechten Tierhaltung kommen eine stressfreie Schlachtung, die dreiwö-chige Fleischreifung, eine professionelle Zerlegung nach Kundenwunsch und unser individueller Lieferservice“, fassen And-reas Kaulich und Carsten Leuchtenberger das Vermarktungskonzept ihres Betriebes zusammen. Sie sprechen von der „Faszi-nation Gallo“, und auch ihre Kunden auf den Wochenmärkten am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg und an der Charlotten-burger Preussenallee bestätigen das – mit dem Blick auf die hervorragende Fleisch-qualität der Tiere.

www.gutes-vom-lande.com

GUTES VOM LANDE

Gallowayzucht GorkowLandkreis Uecker-Randow

Tel. 030 - 56 59 92 09

GallowayGESCHMACKSSACHEN

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36 GARÇON

„Man ging zum Griechen, und das hatte einen Grund. Der Grieche hat schön fettig gekocht, und die Portionen waren groß,“ so Ulrich Wickert, Journalist und franko-philer Feinschmecker, im zweiten Teil der sehenswerten ARD-Dokumentation „Mahl-zeit Deutschland“ über die kulinarischen Neigungen der (West)Deutschen in den 1960er Jahren.

Wickert studierte damals in Bonn, der Republikshauptstadt. Hätte er sich statt an der dortigen Friedrich- Wilhelms-Universität an der Freien Universität Berlin eingeschrieben, wäre das mit dem „Mal-eben-

zum-Griechen-gehen“ nicht ganz so leicht gewesen.

Erst 1964 wurde hier das erste griechische Lokal eröff-net, die Taverna Apostolis in

der Charlottenburger Schlü-terstraße. Deren kiezübergrei-

fende Bedeutung bestand ei-nerseits in der Einzigartigkeit am

Berliner Gastromarkt, andererseits in der Person des Kochs, Sängers und

Schauspielers Kostas Papanastassiou, der später das Terzo Mondo übernahm

SPREE-ATHENGRIECHEN IN BERLINEIN KULINARISCHER RÜCKBLICK

und den dann die Kultserie „Lindenstraße“ populär machte. Das heute älteste griechische Restau-rant Berlins, das die Sirtaki- und Souflaki-Welle mit ins Rollen brachte, feiert seit ein paar Wochen 40. Geburtstag - das Akropolis in der Wieland-/Ecke Niebuhr-straße, ebenfalls in Charlottenburg. Als es 1969 an den Start ging, nahm es die damalige Studentengeneration mit Jubel in Beschlag, die Diskussionen bei Tzatzi-ki und Retsina füllten halbe Nächte, und billig war’s außerdem. „OFF-Kneipen und Haltestellen“, ein zu dieser Zeit vor allem unter FU-Studenten stark gefragter Führer zu den preiswer-testen Futterkrippen der Stadt, vermerkte akropolisbegeistert: „Griechisch bis zum waschechten Koch, griechische Musik, griechische Einrichtung, griechische Stim-mung. Typisch für das Griechische ist auch der Antivampirismus - Knoblauch - nach dem Motto: lieber griechisch als Fernet Branca.“ Mitte der 1970er entdeckten die Deut-schen Griechenland als Reiseziel. Dement-sprechend stieg auch hierzulande das Inte-resse an der hellenischen Urlaubsküche.

Akropolis-Inhaber: Angelos Antonakopoulos

Akropolis-Werbung aus dem Gründungsjahr 1969

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Ehemalige Gastarbeiter, Künstler, aber auch Griechen, die nach 1967 vor der Diktatur in ihrer Heimat geflohen waren, eröffneten Restaurants, lockten Landsleu-te mit gastronomischen Kenntnissen nach Berlin und stellten Deutsche mit Hang zur Hellas-Kulinarik ein. Dimokritos, Epikur, Plaka, Olympia, Sok-rates, Thessaloniki, To Steki, Zorbas waren einige der Lokale aus dieser Zeit. Es gab riesige Portionen Moussaka, ein Aubergi-nen-Hackfleisch-Auflauf, Lammkeule, tra-ditionell mit Feta überbacken, voluminöse Grillpatten, sauren Demestica, geharzten Retsina, der Halbe für 12 Mark, und wer dann noch nach Luft schnappte, bekam Ouzo auf Kosten des Hauses. Die Ägäis ließ

grüßen – am heißesten in Charlottenburg.Hier befand sich auch das Wohnzimmer der Grunewald-Connection, Fofi’s Estiato-rio. Die Frage, weshalb ausgerechnet ein griechisches Restaurant zum Treffpunkt des eleganten Teils der Berliner Prominenz wurde, beantwortete Deutschlands Gastro-Guru Wolfram Siebeck einst so: „Ein Grund ist sicherlich die Wirtin, deren wohlwollen-der Händedruck vielen Stammgästen wich-tiger ist als die Qualität der Küche.“ 1978 hatte Fofi Akrithaki das Fasanen-straßenlokal eröffnet, eine hübsche Boule-vardterrasse eingerichtet, und bald parkten abends Nobelschlitten die stille Kudamm-Seitenstraße zu. Volker Rüger, ein junger Kellner aus Wuppertal, später Inhaber des

Bovril, arbeitete einige Jahre in Fofis gut dressierter Servicebrigade (wie später üb-rigens auch Josef Laggner, Berlins heutiger Gastrokaiser) und erinnert sich: „Die Prei-se waren für damalige Verhältnisse gepfef-fert, die Vorspeisenplatte gab’s für 18, der Mixed Grill kostete 34 DM. Es gab Rinderfi-let in Senfsauce, Seezunge in Hummersau-ce, die damals unvermeidliche Kalbsleber und Scampis bis zum Abwinken.“ Wolfram Siebecks Fazit fiel dennoch, na ja, zwiespältig aus: „Im Fofi’s muss man bei der Auswahl schon ein bißchen Glück haben, um die Anhänglichkeit der Stamm-gäste zu verstehen. Nur der Weinfreund drückt hier vergeblich die Daumen, das An-gebot ist ärmlich.“ Ende November 1995 schloss Fofi Akrit-haki ihren Laden in der Fasanenstraße und zog ins Nikolaiviertel. Die Grande Dame der Westberliner Gastronomie und ihr kaum we-niger bekannter Geschäftspartner Aris Pa-pageorgiou setzten auf die Anziehungskraft der neuen Mitte Berlins, aber sie hatten wohl die Rechnung ohne die Gäste gemacht. Mit dem neuen Fofi’s wurde es nichts, Fofi Akrithaki ging zurück nach Athen. Kostas Cassambalis, ihr einstiger Geschäfts-führer, eröffnete in der Grolmannstraße das sympathische Cassambalis. Neben dem Kreuz-berger Z, dem Mylos in Charlottenburg, dem Kretaner in Zehlendorf, dem Ousies in Schö-neberg und einigen anderen Stätten „verfei-nerter griechischer Küche“ gehört es heute zur Spitzengruppe griechischer Gastlichkeit.Taverna Akropolis: Der älteste Grieche in Berlin

Ex-Kellner: Volker Rüger am früheren Fofi‘s in der FasanenstraßePromi-Wirtin: Fofi Akrithaki

GriechenlandSPEZIALGESCHMACKSSACHEN

GARÇON 37

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GRIECHISCH FÜR FORTGESCHRITTENE DAS RESTAURANT Z IN KREUZBERGVON MARC GAWRON

GESCHMACKSSACHENSPEZIALGriechenland

Garcon-Autor Marc Gawron, geboren 1971, Ausbildung zum Schifffahrtskauf-mann in seiner Heimatstadt Bremen, Studium der Politikwissenschaften in Berlin, Tätigkeit als freier Journalist und Unit Director in einer PR-Agentur, Hobbykoch seit seiner Kindheit und Mitglied der Kochgruppe „Boys don t cook“, besuchte das Z, Kreuzbergs bes-ten Griechen und hatte zuerst damit zu tun, hinter den Sinn des Restaurantna-mens zu kommen.

Z ist der Titel eines griechisch-franzö-sischen Politthrillers, der als Klassiker des politisch engagierten Kinos gilt. Der 1970 mit einem Oscar als bes-ter ausländischer Film geehrte Streifen (Regie: Constantin Costa-Gavras, Musik: Mikis Theodorakis) handelt von der Er-mordung eines Politikers, vom Versuch, den Mord als Unfall darzustellen, vom Prozess gegen die Mörder und davon, wie

das Verfahren durch einen Militärputsch eingestellt wird. Als literarische Vorlage des Films diente der gleichnamige Tatsa-chenroman des griechischen Schriftstel-

lers Vassilis Vassilikos, Hintergrund ist das Griechenland kurz vor der Militär-diktatur 1967. Der Buchstabe Z übrigens bedeutet im Griechischen „Er lebt!“

Marc Gawron Das Z in Berlin-Kreuzberg

Inhaber Georgios Chrissidis mit seiner Familie

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Inseln lassen sich nur über den See- oder Luft-weg erreichen. Glücklicherweise ist das bei kulinarischen Inseln anders. Wir sind in der Kreuzberger Friesenstraße. Hier befindet sich mit dem Restaurant Z ein Ort, der wie eine Zollstation des guten Geschmacks wirkt – wird die Gegend ab hier doch eher von Schilder-machern als von Speisekarten dominiert. Von außen unscheinbar, sind die zahlreichen Emp-fehlungsplaketten bekannter Restaurantführer allerdings ein sicheres Indiz dafür, dass hier kein Restaurant-Novize seine ersten Gehversu-che unternimmt. Im Gegenteil. Das Z blickt auf eine mehr als 20-jährige Geschichte zurück.Innen dominiert warmes Rot die Szenerie. Rot, nicht blau, wobei dies durchaus als de-zenter Hinweis auf den Namen des Hauses zu verstehen ist. Um keinerlei Zweifel aufkommen zu las-sen: im Z wird keinesfalls der Versuch un-ternommen, die griechische Herkunft zu leugnen. Inhaber Georgios Chrissidis, 47, di-plomierter Pädagoge und seit 1985 in Berlin, demonstriert sie nur auf eine unaufdringli-che, zurückhaltende Art, wie man sie man-chem seiner Landsleute wünschen würde. Der Blick in die Speisekarte entfällt vor-erst, weil Georgios Chrissidis höchstpersön-lich die Vorspeise empfiehlt. In unserem Fall einen im Blätterteig gebackenen Schafskäse, der dezent mit Lavendel aromatisiert wur-de. Ein saisonaler Salat, der dazu serviert wird, verleiht dem Gericht auch optisch die sommerliche Frische. Aber, was wäre ein Besuch beim Griechen ohne die Möglichkeit, auch die fleischlichen Gelüste zu befriedigen? Da kommt es dem Gewissen entgegen, dass im „Z“ nur Fleisch aus artgerechter Tierhaltung angeboten wird. Die Lammkeule in einer Honigsoße ist butterweich und versteckt sich unter einem Dach aus gebackenem Schafskäse.

Neben solchen mediterranen Klassikern gibt es in der Karte auch ein Kapitel, das mit „Neuhellenische Küche“ überschrieben ist: Ravioli, gefüllt mit Feigensenf und Ziegen-käse etwa oder Maishähnchen mit Lavendel gebraten, dazu Tomaten-Lauch-Risotto. Das hat schon was von jener bodenständigen Raffinesse, auf die neuerdings vor allem jun-ge Küchenchefs in Griechenland setzen. Würde dieser sympathische Familienbe-trieb nicht schon genügend Vorurteile über die griechische Küche ad absurdum führen, setzt die Karte noch eins drauf und offeriert „Mika Piata – kleine Gerichte“. Ein Ange-bot, das besonders bei weiblichen Gästen Gefallen findet und beim „Kiez-Griechen“ nebenan wohl jenseits der Vorstellungskraft liegen dürfte. Eine überschaubare, aber an-gemessene Auswahl an griechischen Quali-tätsweinen und soliden Desserts sollen an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.

www.restaurant-z.de

RESTAURANT Z

Friesenstraße 1210965 Berlin-Kreuzberg

Tel. 030 - 692 27 16

GriechenlandSPEZIALGESCHMACKSSACHEN

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GRIECHE OHNE GYROSDER KRETANER IN ZEHLENDORFVON JÖRG TEUSCHER

Elena Spanopoulou und Dimitris Psallidakis sind Bilderbuchgriechen – nicht nur, was ihr Äußeres, sondern auch, was ihren Stolz auf die Heimat und deren kulturelle und damit auch kulinarische Traditionen betrifft. Dimitris, 43, stammt aus Ágios Nikólaos, dem „griechischen St. Tropez“, auf der In-sel Kreta. Nach einer gastronomischen Aus-bildung in einem großen Hotel – sein Vater war dort Küchenchef – kam er 1989 nach Deutschland. Elena, 38, wurde als Tochter griechischer Eltern in Stuttgart geboren und studierte im heimatlichen Thessaloniki Modedesign. Beide lernten sich in Berlin kennen und eröffneten Anfang Oktober 2003 in einem Haus der denkmalgeschützten Zehlendorfer

Der Kretaner in Berlin-Zehlendorf

Die Inhaber Dimitris Psallidakis und Elena Spanopoulou

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Bruno-Taut-Siedlung gleich gegenüber dem U-Bahnhof Onkel Toms Hütte eine winzige Pension und ihr Restaurant „Der Kretaner“. Freunde prophezeiten dem Paar ein schnelles Ende und hatten gute Gründe: erstens ist das konservative Zehlendorf nicht unbedingt ein Ort für neue kulinarische Ideen (der Vorgänger, das Gasthaus Eierkuchen, war 30 Jah-re lang der Platzhirsch) und zweitens kommt in Berlin nach Italiener, Chinese und Spanier erstmal lange, lange nix …

und dann erst der Grieche (gastrono-misch gesehen natürlich). Dimitris und Elena probierten es mit authentischen Gerichten ihrer Heimat – die Reaktionen waren zwiespältig. Immer wieder wurden sie nach Gyros gefragt, im-mer wieder verneinten sie: „Wir sind doch kein Imbiss.“ Irgendwie überzeugten sie schließlich selbst die gyrosversessensten Berliner und siehe, es ging auch ohne das fast-foodige Säbelfleisch im Pitafla-den. Fein, leicht und frei von allzu vielen Kompromissen an den deutschen Gaumen kommen die Fleisch- und Fischgerichte auf den Teller. Fettige Moussaka, verbrannte Kalamarakia und vertrocknete Biftekia sind im Kretaner kein Thema. Traditio-nelle Gerichte aus guten Produkten, so heißt die Philosophie. Mezes gia apolafsi, eine Auswahl kalter und warmer Vor-speisen; Psaro piatella, eine Fischplatte

oder Arni giaourti, Lammkeule aus dem Backofen mit Schafsmilchjoghurt überbacken, sind gekonnt zubereitet und gelten nicht umsonst als Kreta-ner-Highlights. Eine gute Weinkarte, ein separater Veranstaltungsraum, ein Spiel- und ein eigener Gästeparkplatz ergänzen das Angebot. Erklärungsbe-darf besteht lediglich beim Restaurant-namen: weshalb eigentlich „Der Kre-taner“, wenn doch die Inselbewohner Kreter heißen?

www.derkretaner.de

DER KRETANER

Riemeisterstraße 12914169 Berlin-ZehlendorfTel. 030 - 84 71 91 17

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Er stellt sich vor und lächelt: „Epaminon- das Berkis“. Der junge Mann weiß, dass sein ungewöhnlicher Vorname für die meisten ein Zungenbrecher ist. „Bei mei-nen Brüdern ist es einfacher“, fügt Non-das, wie ihn seine Freude der Einfachheit halber nennen, hinzu. „Einer heißt Stav-ros, der andere Georgios.“ Wären nicht diese Vornamen – Nondas, Stavos und Ge-orgios hätten bei einem heiteren Nationa-litäten-Raten gute Chancen unerkannt zu bleiben. Aber so ist schnell alles klar - sie sind Griechen. Ihre Eltern kamen einst als Gastarbei-ter aus einem Dorf in der Nähe der kre-tischen Provinzstadt Rethymno nach Ber-lin, hier wurden ihre Söhne geboren, hier

FAST FOOD AUF GRIECHISCHDIE BERKIS-BRÜDER UND IHR BISTRO-KONZEPTVON HEIKO GRALKI

absolvierten sie Schule und Ausbildung und beschlossen, in Berlin auch ihr beruf-liches Glück zu suchen. Das fanden die drei schließlich in Schöneberg, direkt am Winterfeldplatz. Es trägt ihren Nachnamen, Berkis also, und besteht aus zwei Zimmern, einer kleinen Küche, einem Lagerraum und

einigen Tischen und Stühlen vor der Tür. Ein Bistro, das Nondas, zuständig für Einkauf und Organisation, Stavros, Küchenchef und Georgios, verantwort-lich für Finanzen, Greak Art-Fast Food nannten. Vor einem Jahr zogen sie in das frühere Schokoladengeschäft, in-vestierten das Nötige und begannen, ihr, wie sie sagen, „krisensicheres Kon-zept“ zu verwirklichen. Das hört sich so an: Bio-Fleisch aus dem mecklenburgischen Bollewick an der Müritz, Gemüse von regionalen Pro-duzenten, spezielle Ingredienzien di-rekt aus Kreta, eine kleine Speisekarte, frische Zubereitung vor den Augen der Gäste, faire Preise, freundlicher Service.

Eigentlich sind das gastronomische Bin-senweisheiten, aber häufig bleiben sie eben nur Lippenbekenntnisse oder Wer-bebotschaften. Nicht so bei den Berkis-Brüdern, und deshalb funktioniert ihr Bistro-Konzept wohl auch so gut, dass sie von Schöneberg aus damit Berlin er-obern wollen.

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14 Vorspeisen stehen auf der Karte: von Dolmadakia, das sind Weinblätter mit Reisfüllung und Tzatziki über Fava Kritis, Erbspüree mit Olivenöl und Zwiebeln bis Skordalia, das ist ein Kartoffel-Knoblauch-Püree, natürlich auch mit kretischem Oli-venöl - alles zu Preisen zwischen 1,50 Euro und 3,50 Euro. Für 4,50 Euro gibt es Pikilia, die gemischten kalten Vorspeisen, die im Berbis bereits einen gewissen Kultstatus gaben. Dazu gegrillte Sardinen, und das Glück vieler Besucher des samstäglichen Marktes auf dem Winterfeldplatz gleich nebenan ist perfekt. Deren Kommentare honorieren die An-strengungen von Epaninondas, Stavros und Georgios Berkis: „Mediterranes, weit über dem Durchschnitt“, „Bio, aber bezahlbar“, “Ein Imbiss ohne Kunstkäse und andere Lebensmittelimitate“. Gute Chancen also für eine Expansion des Berkis-Konzepts.

www.berkis.de

BERKIS

Winterfeldstraße 4510781 Berlin-Schöneberg

Tel. 030 - 77 90 04 02

Stavros, Epaminondas und Georgios Berkis, v.li.

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LYKOS - EIN MANN, EIN WORTDER GRIECHE VOM BEUSSELMARKTVON HEIKO GRALKI

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Über den 11. Juli 2009 reden die Kellner und Köche des griechischen Restaurants Romiosini in Prenzlauer Berg immer noch. Eine Fete vom Feinsten, Ouzo ohne Ende, Sirtaki bis zur Erschöpfung. „Andere feiern schon das einjährige Bestehen ihres Unternehmens mit Cham-pagner bis zum Abwinken“, sagt Anastas-sios Lykos, der die Party ausrichtete, „da ist ein 20-jähriges Firmenjubiläum doch allemal ein Grund, richtig auf die Pauke zu hauen.“ Wo er Recht hat, hat er Recht. Wer in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten Kurs hält und das in einer Branche, in der mit offenem Visier um Marktanteile ge-kämpft wird, der darf schon mal darauf anstoßen. Anastassios Lykos kam 1965 aus einem griechischen Dorf auf der Insel Euböa, der zweitgrößten Griechenlands, nach Berlin, lernte deutsch und schrieb sich an der Technischen Universität ein, Fachrich-tung Maschinenbau. Um sein Studium zu finanzieren, half er gelegentlich seinem Onkel in dessen Lebensmittelgeschäft in der Charlottenburger Kantstraße. Aus dieser Zeit stammt wohl auch sein Inte-resse für mediterrane Spezialitäten wie Anastassios Lykos

Feiern, bis der Arzt kommt... ...die Imex-Lykos GmbH wird 20.

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Oliven, Olivenöle und Schafskäse. Lykos schloss sein Studium mit dem Diplom ab und hätte wohl auch als Ingenieur eine gute Figur gemacht, aber das Leben hatte anderes mit ihm vor. Am 2. Mai 1989 gründete der damals 43-jährige die Imex-Lykos GmbH. Das ers-te Geld und die ersten Sporen verdiente er sich mit griechischen Erdbeeren – arg-wöhnisch beäugt von den Big Bossen auf dem Beusselmarkt. Schon damals war der Wettbewerb hart im Obst- und Gemüse-geschäft und die Luft dünn für Anfänger. Doch Lykos hatte ein gutes Händchen für die richtigen Produkte und Verständ-nis für die Wünsche seiner Kunden. Und so folgten auf Obst und Gemüse, Käse und andere Milchprodukte, Öle und Essige, Feinkostsalate, Tiefkühlprodukte und Ge-tränke. Inzwischen macht Lykos rund 2000 verschiedene Angebote. „Schmecken Sie das Mittelmeer!“ - so wirbt die Firma mit sonnigen Logofarben. Das ist kein billiges Versprechen, sondern der deutliche Hinweis darauf, wie stark die Imex-Lykos GmbH mit der Heimat ihres Gründers verbunden ist. Direktimport heißt das Erfolgsrezept, ob es dabei um extra natives Olivenöl aus Kreta, um die seltenen geschmacksin-tensiven Kymi-Feigen, um Konserven mit mediterranen Fertiggerichten oder um griechischen Spargel geht – übrigens eine Spezialität des Hauses Lykos. Waren es am Anfang vor allem griechische Köche

und Caterer, die heimatliche Produkte zu schätzen wussten, kaufen inzwischen längst auch deutsche, türkische und an-dere Gastronomen, Feinkostanbieter und Markthändler bei Lykos. 60 Mitarbeiter kümmern sich der-zeit um die Qualität der Waren und die Zufriedenheit der Kunden – darunter sei-ne Frau Sabine, promovierte Lebensmit-telchemikerin, Sohn Kostas, der in Berlin Agrarwissenschaften studiert hat, Toch-ter Assimina und weitere Mitglieder der Lykos-Family. Das Unternehmen setzt auf ein klassi-sches Abholmarktkonzept – die Kunden kommen, sehen und kaufen – und probie-ren manchmal auch. Die Bedingungen dafür sind nach Sanie-rung und Umbau der Großmarkthallen an der Beusselstraße weitaus komfortabler als früher. Also ging Anastassios Lykos ge-meinsam mit zwei weiteren Firmen das Risiko ein, Öffnungszeiten von 2 bis 20 Uhr anzubieten – Service ist eben auch in seiner Branche die halbe Miete, vor al-lem angesichts des Preiskampfes mit den Discountern. Neben dem Lykos-Abholmarkt werden auch über 100 Kunden direkt beliefert – auch hier ist die Tendenz steigend. Seine Ursache hat das darin, dass Lykos sein Sortiment hochwertiger Waren ständig erweitert hat. Längst kommen die nicht mehr nur aus Griechenland, sondern auch aus Argentinien, China, Frankreich,

Familienbetrieb: Anastassios Lykos und seine Frau Dr. Sabine Lykos

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Peru, aus Südafrika und Thailand. Ob Fleisch oder Fisch, Mehl oder Meer-salz, Krusten- oder Schalentiere, Ketch-up oder Mayonnaise, Eier oder Reis – die Imex-Lykos GmbH ist auf dem Weg zum Vollsortimenter, wie es in der Branche heißt. Auch das ist nach 20 Jahren er-folgreicher Firmenentwicklung ein guter Grund, anzustoßen.

www.imex-lykos.de

IMEX-LYKOS GMBH

Beusselstraße 44 n-q10553 Berlin

Tel. 030 - 39 89 59 18

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Thomas Platt hat, wenn es ums Kulinari-sche geht, meistens Recht. In diesem Fall ganz besonders. Das heißt, mir fällt nicht mal das winzigste „ja, aber“ ein. Platt schrieb im tip (Nr. 12/2009) über gast-ronomische Vorlieben, Abneigungen und gute Adressen.

Wer den feinschmeckenden und kennt-nisreichen Mann aus dem Badischen kennt, weiß auch, dass Lobhudelei nicht seine Sache ist. Um so schwerer wiegt wohl solche Einschätzung: „Die vertrau-enswürdigste Vertreterin ihres Landes bleibt für mich das Spezialitätengeschäft Pikilia in der Goltzstraße, nicht allein wegen des besten Olivenöls (Elia aus Ka-lamanta), das ich bislang in der Stadt ge-funden habe: griechische Vorspeisenplat-te nebst Frappé auf einem Stühlchen auf dem Trottoir - und der Tag ist gemacht.“Sicher hat Platts Superlativ, was das klei-ne griechische Delikatessengeschäft in Schöneberg angeht, auch damit zu tun, dass er gleich um die Ecke wohnt. Und sicher auch mit dem attischen Charme der Betreiberin Maria Kanellopoulou.

PIKILIAKLEINE KOSTBARKEITEN AUS DEM SCHÖNEBERGER KIEZVON JÖRG TEUSCHER

Die 34jährige, deren Eltern 1968 als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, wuchs in Nordrhein-Westfalen auf, stu-dierte in Berlin Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Marketing und machte sich 2006 mit ihrem kleinen Laden in der Goltzstraße selbständig. Der Standort im Schöneberger Kiez war gut gewählt - nebenan verkauft die Ap-

felgalerie regionale Produkte, gegenüber bietet das Diodata Wiener Kaffeehaus- spezialitäten an, es gibt eine Kochschule, ein Schokoladengeschäft eine Weinhand-lung und der Winterfeldtplatz mit seinem bekannten Samstagsmarkt ist auch nicht weit. Wir sitzen unter hohen Robinien, Maria Kanellopoulou serviert Frappé, das aus griechischem Nescafé, Eiswasser und

Frappé olé: Maria Kanellopoulou

Pikilia: Kleine Kostbarkeiten mit bestem Service

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Zucker bereitete Sommergetränk, und zeigt Bilder von ihrem Vater Alekos Ka-nellopoulos, der im Heimatort der Familie auf dem Peloponnes, der südgriechischen Halbinsel, die Kalamanta-Olive erntet. Das daraus vor Ort kalt gepresste sortenreine Öl hat nur 0,3 Prozent Säure, riecht sanft nach frischem Gras, schmeichelt dem Gaumen mit mildem Bitterton und hinter-lässt im Abgang ganz kurz seine pfeffrige Schärfe. Ich habe probiert und Thomas Platts Jubel verstanden. Ebenfalls aus der Heimat ihrer Eltern stammen drei Senfsorten, fein mit Kräutern aromatisiert. Honigfreaks finden Orangen-blüten-, Tannen- und Traubenhonig ebenso wie den berühmten kretischen Thymianho-nig, dessen würziger Geschmack ihn nicht nur zum Süßen, sondern auch zum Kochen prädestiniert. Gewürze, Kräuter, Tapena-den, griechisches Bier und griechisches Mineralwasser sind ebenso im Angebot wie der unschlagbare Total-Joghurt. Dass grie-chischer Käse immer nur Feta ist, wieder-legt die Kühltheke ebenfalls.

Maria Kanellopoulou zählt ihre Käse-sorten auf, bringt Kostproben und ser-viert einen zweiten Frappé. Kunden kom-men, kaufen griechische Naturkosmetik, Olivenölkännchen und Diktomos, den legendären Kräutertee. Eine Dame be-stellt, wir trauen unseren Ohren kaum, ei-nem Präsentkorb. Das klassische 1970er-Jahre-Geschenk kommt im Pikilia offenbar wieder zu Ehren. Ein junger Mann hat sein Geschenk, in-klusive Glückwunschkarte schon mitge-bracht. Er bittet nur um eine Übersetzung: „Können Sie mir ‚Alles Gute zur Hochzeit‘ aufschreiben?“ Maria kann. Und dabei lä-chelt sie so, dass nicht nur Thomas Platt schwach wird.

www.pikilia.eu

PIKILIA

Goltzstraße 510781 Berlin-Schöneberg

Tel. 030 - 43 20 04 26

Goltzstraße 5: Gute Adresse für griechische Spezialitäten

GriechenlandSPEZIALGESCHMACKSSACHEN

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DER WEINKÖNIGAUDIENZ BEI CHRISTOS TZIOLISVON MARC STEYER

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Die großen Weinregionen der Welt - ein äl-terer Führer durch die Welt des Weins – 250 Seiten. Griechenland findet auf einer Seite statt, zwischen Balaton und Ägäis. Etwas jüngeren Datums, aus dem Jahr 2001, Knauers Großer Weinatlas – 320 Sei-ten. Auch hier steht Griechenland unter „ferner liefen“. Zitat: „Für eine Region, in der seit Tausenden von Jahren Wein ge-macht wird, bietet in den meisten östlichen Mittelmeerstaaten die derzeitige Situation ein trauriges Bild. Schwere, oxidierte Wei-ne gefallen vielleicht den einheimischen Konsumenten, doch die Weinbereitungs-standards bedürfen drastischer Verbesse-rungen, bevor die Erzeuger hier daran den-ken können, sich unter den Weinkellern der restlichen Welt einen Platz zu erobern.“ Christos Tzolis kennt solche Einschätzun-gen zur Genüge. Der heute 54-jährige kam 1978 nach Berlin, studierte an der Techni-schen Universität Berlin Chemie und kann sich noch gut an einen lockeren Spruch aus dieser Zeit erinnern: „Wenn du zum Grie-chen gehst, vergiss die Aspirin nicht.“ Der allgegenwärtige, mit dem Harz der Aleppo-Kiefer versetzte Retsína schmeckte wie eine Mischung aus Hustensaft und Möbelpolitur und bereitete weniger hartgesottenen Trin-kern tatsächlich mindestens einen schwe-ren Tag. „Masse statt Klasse war die Devise der großen Kellereien“, erinnert sich Tziolis. Der Ärger darüber, das Wissen um die Tradi-tion des Weinbaus in Griechenland und die Liebe zum Wein ließen ihn handeln.

1997 gründete Christos Tziolis ein Spezi-algeschäft für Weine aus Griechenland, das er Cava nannte, Weinkellerei. Zu seinen ersten Kunden zählten engagierte Gastro-nomen, die es leid waren, ihre Gäste mit der Wahl zu quälen: lieblicher Imíglikos, süßlicher Kokinelli-Rosé oder eben harzi-ger Retsína. Tziolis gelang, woran keiner so recht glauben wollte. Er holte Weine aus Hellas nach Berlin, die den internationalen Ver-gleich nicht scheuen mussten – weder was ihre Qualität und schon gar nicht, was ihren Preis betraf. Damit brachte er auch viele Deutsche auf den Geschmack. Sicher, Reb-sorten wie Aghiorghitiko, Assirtiko, Mandi-laria, Mavrotragano oder Xinomavro gehen auch Kennern nur schwer über die Zunge, aber das Eis war gebrochen. Tziolis hatte mit vielen Vorurteilen aufgeräumt. Jahr für Jahr bringt er nun neue Reben-säfte sowohl der besten als auch vieler klei-ner griechischer Winzer nach Deutschland. Dafür ist er zwei, drei Monate im Jahr zwi-schen Thrakien und Kreta unterwegs, und dafür gebührt ihm auch die Krone eines griechischen Weinkönigs.

THRAKIENMAKEDONIEN

THESSALIENEPIRUS

IONISCHE INSELN

ZENTRAL-GRIECHENLAND

PELOPONNES

KRETA

SANTORINIRHODOS

ÄGÄISCHE INSELN

DIE GRIECHISCHEN WEINREGIONEN

www.symposio.com

CAVA WEINHANDLUNG

Schustehrusstraße 2010585 Berlin-Charlottenburg

Tel. 030 - 342 03 68

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GUTES VON KRETAERSTE ADRESSE FÜR QUALITÄTVON MARC STEYER

Er möge mir verzeihen, aber wie ein Rockmusiker sieht er nun wirklich nicht aus. Rundes Gesicht, breiter Scheitel, die wachen Augen hinter starken Brillenglä-sern und das spöttische Lächeln – Diet-mar Burmeister-Horvath erinnert mich eher an Studienrat Dr. Lenz, den Geogra-fielehrer meiner Schulzeit oder vielleicht noch an einen Tatort-Kommissar früherer Jahre, dessen Namen ich vergessen habe. So ist das eben, wenn man allzu schnell von Äußerlichkeiten auf den ganzen Men-schen schließt.

Burmeister-Horvath, heute 58, war tatsächlich mal ein begnadeter Schlag-zeuger, trommelte in Undergroundbands und Undergroundclubs, betrieb von 1977 bis 1981 am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer das Morgenrot, eine der ersten Berliner Musikkneipen - „sonntags großes Früh-stück für fünf Mark“. Irgendwann aber war Schluss mit dem Rock n´ Roll und Burmeister-Horvath wieder auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Er träumte von Portugal, seine Frau Raphaela überzeugte ihn

von Griechenland. Die Krankenschwes-ter und Heilpraktikerin hatte Anfang der 1990er schon mal dort gelebt, auf Kreta, griechisch gelernt und die Fas-zination der einmaligen Insellandschaft ebenso kennen gelernt wie die schon in der Antike gerühmte Gastfreundschaft der Kreter. 1996 schließlich kauften die beiden ein Häuschen im Inselwesten, klein und kreditfinanziert. „Damals gab es solche Wunder noch“, sagt Burmeister- Horvath.

Kreta: Dietmar Burmeister-Horvaths zweite Heimat

Eliá: Lieferung frei Haus s‘Hegeles: Kunden in Kreuzberg

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Er lernte Iannis Mihelakis, seinen Sohn Nikos und deren Familie kennen, offenbar ein Schlüsselerlebnis. Mihelakis hatte im Jahr 2000 die Kolympari S.A. gegründet, ein Unternehmen zur Herstellung und für den Vertrieb von kretischem extra nati-vem Olivenöl. „Wie wäre es“, fragte Burmeister-Hor-vath, „wenn ich dieses flüssige Gold nach Berlin bringen würde?“ Der Idee folgten Testverkäufe, der Erfolg machte mutig. 2004 rief Dietmar Burmeister-Horvath „Eliá – Gutes von Kreta“ ins Leben, ging

auf die Wochenmärkte am Charlotten-burger Karl-August- und am Wilmersdor-fer Hohenzollernplatz und beantwortete die Fragen der Verbraucher: „Was bedeu-tet kalt gepresst? - Die Ölherstellung bei Temperaturen unter 27 Grad Celsius.“, „Wie heiß darf das Öl werden? - Diese Güteklasse, extra nativ, kann man bis 180 Grad erhitzen.“, „Wie lange kann man das Öl lagern? - Kühl und dunkel mindes-tens 18 Monate.“ Und Burmeister-Horvath warb nie mit Superlativen á la „das beste Öl der Welt“, sondern ließ probieren.

Als die ersten Berliner Küchenchefs das würzige, leicht nussig schmecken-de, säurearme Olivenöl entdeckten, war der Erfolg komplett. John Hegele, Kolja Kleeberg, Andreas Klitsch, Thomas Kurt, Marco Müller, Wolfgang Müller und ande-re Spitzenköche kaufen inzwischen ihr Olivenöl bei Burmeister-Horvath, Fein-kosthandlungen führen es, Kochschulen empfehlen es ihren Kunden ebenso wie Bergtee, Kräutermischungen und Thy-mianhonig von der Lasithi-Hochebene. Hinzu kommen Olivenseifen und andere Kosmetikartikel auf Olivenölbasis, Gutes von Kreta eben.

Dietmar Burmeister-Horvath

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ELIÁ – GUTES VON KRETA GIBT ES BEI:

CuliartisUhlandstraße 14210719 Berlin-Wilmersdorfwww.culiartis.de

Hammers WeinkostbarKörtestraße 2010967 Berlin-Kreuzbergwww.hammers-wein.de

s HegelesNostitzstraße 2210961 Berlin-Kreuzbergwww.hegeles.deHier findet am 29.8.2009 auch ein kretischer Abend mit Olivenölverkostung statt.

und natürlich im Internet unter www.gutesvonkreta.de

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Réthimno

Chaniá

KRETAEINE KULINARISCHE EXKURSIONVON JÖRG TEUSCHER

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Ágios Nikólaos

Iráklio

Kreta heißt ein Land, das von allen Seiten vom dunklen, weinfarbenen Meer umgeben ist. Es ist fruchtbar und reich, dicht bevölkert, an die neunzig Städte gibt es, und man spricht dort Sprachen aus aller Herren Länder. Homer, Odyssee

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Der Bauernmarkt von Réthimno.Der Donnerstagsmarkt nahe der Marina ist zwar in keinem der vielen Reiseführer erwähnt, dennoch gehört er zu den ursprünglichs-ten Einkaufs-plätzen der 25 000-Ein-w o h n e r -

Stadt, die seit je-

her als d a s g e i s -

t i g e Zentrum

der Insel gilt und sich

zunehmend auch touristisch

mausert. Auf dem Bauernmarkt allerdings sind

die Einheimischen unter sich, einheimi-sche Erzeuger und einheimische Verbrau-cher. Dementsprechend sind Angebote und Preise, die Kreter sind kritisch, was Lebensmittel betrifft. Neben Obst, Gemüse und Gartenkräutern, die durchaus auch auf einem deutschen Wo-chenmarkt zu finden sind, werden eine Un-menge von Wildkräutern angeboten, deren kulinarische Nutzung hierzulande fast völlig unbekannt ist: die dornige Wegwarte etwa, die mit Essig und Öl gegessen wird; der wilde Portulak, der mit Gurke und Tomate gemischt wird, Gundermann, Schmerwurz, Wegerich und ein Dutzend weiterer Kräuter, die ausschließlich auf der Insel wachsen. Anthòtiros, Misìnthra und Malàka sind kretische Frischkäse, hergestellt aus Zie-genmilch. Eine Mischung dieser drei Sor-ten mit drei Eiern ergibt die Füllung für Blätterteigtaschen, die in Olivenöl ge-braten werden, Kalitsoúnia heißen und zum Besten gehören, was die kretische Küche kennt. Übertroffen vielleicht nur von Schnecken mit Kartoffeln und Fenchel oder doch von Tintenfisch mit Spinat?

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Die Markthalle von Chaniá.Der kreuzförmige Bau an der Platia S. Ve-nizelou in der Altstadt von Chaniá gehört zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der 54 000-Einwohner-Stadt im Nordwes-ten Kretas - wegen seiner Architektur, vor allem aber wegen des vielfältigen Angebots an Fisch, Fleisch, Käse und Kräutern. Seit 96 Jahren bieten hier Händler ihre Waren an, vor allem Lebensmittel – mit großem Pomp war die Halle 1913 anläss-lich der Feierlichkeiten zum Anschluss Kretas an Griechenland eröffnet worden. Meeräschen, Meerbrassen, Sardinen, Schwert- und Thunfische sowie ein hal-bes Dutzend in Deutschland unbekannter kleiner Mittelmeerfische werden offe-riert. Frisch, frischer, am frischesten – die Kunden sind Kenner. Stockfisch, einst ein Gericht armer Leute, ist heute genau-so teuer wie Hummer. Auch die Fleisch- und Käsehändler ho-len ihre Produkte ausschließlich von kre-tischen Produzenten. Wer argentinisches Beef, französischen Brie oder eine andere

Festlandware will, muss lange su-chen. Regi-onal gilt auf Kreta als kuli-n a r i s c h optimal. B e s o n -ders be-e i n d r u -c k e n d : das An-gebot an Innerei-en, meist vom Lamm: Herz, Leber, Magen, Milz. Dazu gibt es Därme, die mit den Igittereien ge-füllt werden. Splinantero beispielsweise ist eine Art Milzwurst, eine auf Kreta weit verbreitete Spezialität.

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Restaurants und Tavernen.Während die wenigen griechischen Spitzenres-taurants etwa in Athen vorwiegend eine fran-zösisch grundierte mediterrane Küche anbieten (ledig-lich das 48 The Restaurant, das michelinstern-geehrte Va-roulko oder

das Kollias in Piräus,

d e m H a f e n Athens,

v e r -t r a u e n

modernen griechischen

G e r i c h t e n) , geht es auf Kreta

vorwiegend kulina-risch-rustikal zu. Das klingt

nach G-M-T, Gyros-Souvlaki-Tzatziki und ist es auch – aber eben nur in den Touris-tenabfütterungstavernen, die allerdings das Gros des gastronomischen Angebots zwischen Chaniá und Ágios Nikólaos aus-machen. Man muß also schon suchen, um die bo-denständige, ursprüngliche kretische Kü-che zu finden. Fragen Sie beispielsweise am alten Hafen von Réthimno nach der Taverna Knossos. Hier kocht Mamma Anna so bodenständig und vielfältig, dass die Gäste schon mal applaudieren. Oder fah-ren Sie nach Ágios Nikólaos in die Taverne Pelagos. Das blau-weiße Haus am Wasser ist ein Geheimtipp für Seeigelsalat, Ba-kaliaros alevrolemono, eine Stockfisch-spezialität und für eine Fischsuppe, die der Bouillabaisse marseillaise in nichts nachsteht. Der dritte Tipp hat ebenfalls mit Fisch zu tun und führt in eine Art Ha-fenkantine nach Kissamos im äußersten Westen Kretas. Fangfrische Meeräsche, schnörkellos gebraten – der Koch heißt Adonis Katsikandaraki, und das Gericht ist ein Gedicht.

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NEUE BESEN IN MOTZENEIN BESUCH IM RESIDENZHOTELVON YVONNE WEINLICH

Zwei junge Männer geben Gas. Ort des Geschehens: das Hotel Residenz am Mot-zener See. Bisher war das Haus eine ver-lässliche kulinarische Adresse. „Mittags wie abends kann man sich auf ein gleich bleibend gutes Niveau verlassen, wie es

HOTELLERIEResidenzhotel Motzen

eben in einem Hotel sein sollte, das so-wohl Geschäftsleute als auch Ausflügler und Touristen zufrieden stellen will“, kon-statierten die Kritiker. Für Sandro Ay und René Jahnke klang das nicht sonderlich herausfordernd. Eine Her-

ausforderung jedoch suchten die beiden, die sich vor einigen Wochen hier als Küchen- und SousChef verdingten. Sandro Ay, die Nummer 1 am Herd, kam nach Stationen in München (bei Alfons Schuhbeck), Bad Saa-row und auf Gran Canaria nach Motzen.

Küchenchef: Sandro Ay Senfeier SousChef: René Jahnke

Spanferkelrücken

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Residenzhotel MotzenHOTELLERIE

Sein Stellvertreter René Jahnke lernte vor Jahren hier den Kochberuf, es folgten Wanderjahre zum Hamburger Süllberg, zu Käfer nach München und nach St. Moritz. Im Residenz-Hotel wollen sie nun zeigen, was sie gelernt haben, vor allem aber wol-len sie in der Brandenburger Spitzengrup-pe mitmischen. Und zwar ziemlich weit vorne. Die drei wichtigsten Dinge, um das zu er-reichen, bringen die beiden mit: Spaß am Beruf, Fantasie und handwerkliches Kön-nen. „Wir wollen das Bewährte nicht über Bord werfen“, sagt Ay, “aber die Band-breite der Küche vergrößern, Regionales

www.hotel-residenz-motzen.de

HOTEL RESIDENZ

Töpchiner Straße 415749 Mittenwalde/OT Motzen

Tel. 03 37 69 - 8 50

Interpretation vom Caipirinha Köchin: Stefanie Jurk

Direktor Roy Augustin u. Thomas Wachs, v.re.

aufs Beste verfeinern und durchaus auch einige asiatische und mediterrane Akzen-te setzen.“ Der kross gebratene Zander aus Bran-denburg mit Krebssauce, Schmorgurken und Dillkartoffeln ist von erster Quali-tät, der gebratene Heilbutt mit Süßholz-schaum, Sabrasadarisotto und gegrillter Mango zeigt eine Alternative, die eben-falls weit über dem Durchschnitt steht. Der Spanferkelrücken mit confierten To-maten, Kartoffel-Lauchravioli und Sherry-jus schließlich holt seine Kraft aus einem ausgezeichneten Grundprodukt und guter Würzung.

Roy Augustin, selbst mal zehn Jahre Kü-chenchef hier und seit 2007 Hoteldirektor, beobachtet die ersten Schritte seiner neu-en Küchencrew mit Wohlwollen und weiß aus Erfahrung – hier ist noch mehr drin. Also unterstützt er Ay und Jahnke, wo er kann – natürlich nicht ganz uneigennützig. Augustin weiß, dass sein Haus alles bieten kann, was aus einem Urlaub einen Traum-Urlaub macht. Wenn dazu noch eine Küche kommt, die einen Höhenflug versucht, ohne abzuhe-ben – umso besser.

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KOPFSALATUlrike Piecha

Irgendwo bekam ich das Stadtteilmagazin Der Wedding in die Hand, über 100 Seiten. Erster Eindruck: Keines jener billig-bunten Werbeblättchen, die es in Berlin haufen-weise gibt - kaum gesehen, schon verges-sen. Der Wedding will Maßstäbe setzen. Die U-Bahn-Fahrt vom Gesundbrunnen zum Alexanderplatz reicht für das Im-pressum. Kurze Lebensläufe der Autoren und Fotografen, die erwartete Ansamm-lung junger Intellektueller der Generation Projekt. Eine Vita ist anders. „Ulrike Piecha“, lese ich, „geboren 1979, Kochlehre im Sterne- restaurant, Bachelor in Gastronomic Sciences an der Slow Food Academy Pollenzo/Italien. Konzipiert und projek-tiert international feine Restaurants und Delikatessenläden.“

Ich treffe die 30jährige in der Kreuz-berger Marheinekehalle: Jeans, T-Shirt, Schürze, dunkelhaarig, braungebrannt, ein südländischer Typ. Sie steht in einer offenen Küche, links ein Wok mit frischem Gemüse, rechts ein Grill mit einem halben Dutzend Rumpsteaks, vor ihr ein Teller, den sie vorsichtig mit Suppe füllt. Neben-bei unterhält sie ihre Gäste, die auf Bar-hockern rund um das Küchenkarree sitzen – Bau- und Geschäftsleute, Studenten und Oma Gerda, Stammgast an Ulrike Piechas Bio-Buffet. „Hast Du die Suppe wieder so scharf gewürzt?“ „Nein, nur kräftig, damit Du stark bleibst.“

ULRIKE PIECHAVOM ZAUBERLEHRLING ZUR BISTROCHEFINVON JÖRG TEUSCHER

Bistro-Chefin: Ulrike Piecha

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„Cos’é questo?“, fragt ein junger Mann mit dem Blick auf einen Vegi-Burger mit gegrilltem Gemüse und frischen Kräutern. „Specialitá della casa“, antwortet die Köchin und erklärt in fehlerlosem Italie-nisch ihr Bio-Buffet-Burger-Konzept. Sie wäre auch in der Lage, das gleiche in Englisch oder Portugiesisch zu tun.

Geboren in Erfurt, Umzug der Fami-lie nach Saßnitz auf der Insel Rügen als Ulrike Piecha drei ist. Schlüsselkind. Ihre Eltern, Mutter Ärztin, Vater Inge-

nieur für Verkehrskybernetik, engagie-ren sich am Runden Tisch ihrer Heimat-stadt, Diskussion für die Demokratie, manchmal 16, 18 Stunden am Tag. Nie wieder Diktatur.

Ulrike, damals 10, versorgt sich und ihre fünfjährige Schwester Elisabeth. Der frühe Küchenstart beeinflußt die Be-rufswahl entscheidend. Abitur und der Wunsch, Köchin zu werden. „Zu Hause spielten sich Dramen ab“, sagt sie und fügt hinzu: „Mein dicker Kopf siegte.“

Ulrike Piecha geht nach Düsseldorf und be-ginnt im Restaurant Victorian eine Kochlehre. Das Haus Nr.3 an der Kö gilt schon damals als die kulinarische Institution in der nordrhein-westfälischen Landes-hauptstadt. Chef am Herd: Günter Scherrer, ein Mann der klassischen Grande cuisine. Auf Scherrer, der im Dezember 2001 das Victorian verlässt, folgt Bobby Bräuer. „Bessere Lehrmeister kannst Du dir nicht wünschen“, resümiert Ulrike Piecha ihre Ausbildung.

Ulrike PiechaKOPFSALAT

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Im Sommer 2002 absolviert sie die zweitbeste Abschlussprüfung aller Düs-seldorfer Kochlehrlinge. Günter Scher-rer, der inzwischen im sonnigen Galizien sein Privatiers-Dasein genießt, schreibt ihr: „Liebe Frau Piecha, verehrter Zau-berlehrling, ich freue mich, dass Sie in Düsseldorf Ihre Ausbildung mit so großem Erfolg beendet haben. Es würde mich ebenso freuen, wenn Sie weiterhin am Ball blieben.“

Ulrike Piecha nimmt ihren Lehrer beim Wort, fliegt ins brasilianische Salvador da Bahia und organisiert für den Schweizer Gastronomen Andreas Maag die Küche seines Restaurants Caranguejo. Nach gut einem Jahr, Konzept, Kalkulation und Ein-kauf funktionieren, hört sie von einer ita-lienischen Geschmackshochschule, die im Oktober 2004 in Pollenzo, einem Dorf gut fünfzig Kilometer südlich von Turin, den Lehrbetrieb aufnehmen soll. Sie bewirbt sich, kratzt die Studiengebühr von 19 000 Euro jährlich zusammen und schreibt sich an der Università del Gusto ein.

Dreieinhalb Jahre lang beschäftigt sich Ulrike Piecha hier mit der gastronomi-schen Wissenschaft. Universitätsgründer und Slowfood-Papst Carlo Petrini defi-niert sie als „die Wissenschaft, welche die Kultur der Nahrung erforscht“. Die junge Köchin lernt also Dinge, von denen auf ihrer Düsseldorfer Berufsschule kei-ne Rede war: Geschichte des Kochens, Grundlagen der Nahrungshygiene, Phy-siologie des Geschmacks, Semantik des Weintestens... Unterrichtssprachen englisch und ita-lienisch. Ein anerkannter Abschluss als Bachelor of Gastronomic Sciences und Petrinis Botschaft im Gepäck, in der Welt für die Verbreitung der Genussfä-higkeit und der kulinarischen Kultur zu sorgen. Gut, sauber und fair, das sind für Car-lo Petrini, der vor zwanzig Jahren mit Slow Food die Gegenbewegung zur kuli-narischen Beschleunigung und Industri-alisierung nach amerikanischem Muster gründete, die wichtigsten Kriterien zur Beurteilung von Lebensmitteln.

Diese Attribute hat sich auch Ulrike Piecha für ihr Bio-Buffet in der Marhei-nekehalle auf die Fahne geschrieben. „Alles bio, alles frisch, alles schnell“, heißt ihr Motto. Sie hätte auch schrei-ben können: Spaß, gepaart mit Fantasie und handwerklichem Können. Marktfri-sche Produkte von Biohöfen der Region kommen in Töpfe, Pfannen oder auf den Grill, Convenience ist tabu. Ihre Bio-Cheesburger beispielsweise verhalten sich geschmacklich zu den Produkten der Fast-Food-Konkurrenz wie ein sorgfältig affinierter Camembert von Maître Antho-ny zu einem anonymen Industriekäse aus der Kühltheke eines Billigheimers. Ihre Frühstücksjoghurte sind nicht mit künst-lichen Aromen aufgeplustert, und ihre Suppen lügen nicht. Kein Wunder, dass Ulrike Piecha von Berlinale-Chef und Slow-Food-Deutsch-land-Mitgründer Dieter Kosslick gebeten wurde, beim „Kulinarischen Kino“ mit-zuspielen – als „Scharnier zwischen Fil-memachern und Köchen“. Sie tat’s, und nichts quietschte.

Slow-Food-Gründer Carlo Petrini zu Gast in der Marheinekemarkthalle

KOPFSALATUlrike Piecha

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Und wenn wir irgendwann in den nächs-ten Jahren von Ulrike Piecha als Betreibe-rin des ersten Berliner Slow-Food-Restau-rants und noch ein paar Jahre später als erste Sterneköchin hören, wäre das auch kein Wunder. Sie hat das Zeug dazu.

BIO-BUFFET

in der Marheinekemarkthalle10961 Berlin-KreuzbergTel. 0157 - 75 39 34 17

Ulrike Piecha und ihre Schwester Elisabeth, gelernte Konditorin

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KANDIDATENKÜRBERLINER MEISTERKÖCHE 2009 NOMINIERTVON YVONNE WEINLICH

Die Jury hat entschieden. Unter der Leitung ihres Vorsitzenden Prof. Dr. Dr. Dieter Groß-klaus nominierten die zwölf maßgeblichen Berliner Gastronomiejournalisten die Kandi-daten für die Titel „Berliner Meisterkoch“, „Aufsteiger des Jahres“ und für die Ehrung in drei weiteren Kategorien. Beifall für die Entscheidung, die Inflation bekannter Namen zu beenden und nur noch jeweils fünf Kandidaten in den einzelnen Kategorien zu berufen. Überraschungen blieben aus - wenn man mal davon absieht, dass auch die Küchen-chefs Stephan Garkisch (Bieberbau), Andrea Girau (Ana e Bruno), Dirk Güttes (Eiffel) und Carsten Obermayr (Duke) durchaus eine No-minierung verdient hätten, aber s. o. Wer hat nun die größten Chancen, Berli-ner Meisterkoch 2009 zu werden? Christian Lohse, der bisher titellose Zwei-Sterne-Koch? Thomas Neeser, der ewige Nomi-nierte? Oder Björn Alexander Panek, der Shooting-Star der Branche und gemeinsam mit Michael Kempf der jüngste im Quintett? Oder wieder mal Tim Raue? Es wird sicher eng, die Jury ist nicht zu beneiden. Ich gestehe, dass ich Björn Pa-nek besonders die Daumen drücke. Seine

Adlon-Collection Meisterkoch-Kandidat Björn Alexander Panek

KOPFSALATMeisterköche

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„Cucina di Essenze e Ingredienti“, eine Küche der Essenzen und Düfte, ist schon erste Klas-se, genauso wie Paneks gelassen-fröhliches Wesen, das die Gabriele-Gäste so schätzen. Auch in der Aufsteiger-Kategorie wird es wohl eine Millimeterentscheidung geben. Freuen würde ich mich für Andreas Staack, der über seine Nominierung sicher nicht schlecht gestaunt haben mag. Immerhin ist Staack, gebürtiger Hamburger, bereits 47, das riecht eher nach „langsam können mal die Jüngeren ran“. Aber so ist das eben. Jahrelang kochte Staack - von den allgewal-tigen Testern skeptisch beäugt - erst am Strausberger Platz in Mitte, dann am Süd-stern in Kreuzberg. Mal 12, mal 13 Gault-Mil-lau-Punkte, er nahm es gelassen, die Gäste mochten seine Küche. 2009 schließlich die Entdeckung des Staackschen Ehrgeizes – 14 Punkte. Doch das Konzept – zwei Restau-rants in einem – ging nicht auf. Staack und Noiquattro-Geschäftsführer Genc Slishani wagten einen Neustart, kreierten ein Drei-Gänge-Neustartmenü, um dass auch zu zei-gen und siehe, es hat funktioniert. Am 22. September 2009 wird die Jury im Rahmen einer Pressekonferenz bekannt geben, wem in diesem Jahr die Kronen gebühren.

Aufsteiger-Kandidat Andreas Staack und Noiquattro-Geschäftsführer Genc Slishani Kreuzberg-Connection

MeisterköcheKOPFSALAT

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Lady, das liest sie garantiert nicht gern. Keine Spur von vornehmer Dame. Das Auffälligste an Giselheid Herder ist ihre Unauffälligkeit, das Aufregendste ihre Unaufgeregtheit. Die 48-jährige Unternehmerin ist Geschäftsführerin der Robert Herder GmbH & Co. KG in Solingen. Hinter dem spröden Fir-mennamen verbirgt sich eine Messer-manufaktur, die unter dem Zeichen

DIE WINDMÜHLEN-LADYMESSER SIND KEINE MÄNNERSACHEVON JÖRG TEUSCHER

der Windmühle Messer herstellt, die so nirgendwo mehr produziert wer-den. „Anachronistisch“, nennen Mo-dernisten die aufwendige Handarbeit beispielsweise für ein einfaches Schäl-messer. Die großen grauen Augen in Giselheid Herders markantem Gesicht blitzen einen Moment auf. Dann sagt sie betont spöttisch: „Wir sind eben die Traditionalisten.“

KOPFSALATGiselheid Herder

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KOPFSALATGiselheid Herder

Eigentlich wollte sie Hotelmanagerin werden, aber die Hotelfachschule in Lau-sanne lehnte ab. Es folgte eine Bankleh-re in Düsseldorf. „Es schadet nicht, wenn man mit Geld umgehen kann“, kommen-tiert sie heute die damalige Entschei-dung. Devisenhändlerin, Aufstieg in die „Auslandsreserve der Bank“, den Traum von der großen weiten Welt immer noch vor Augen. Die Heirat eines langjährigen Schulfreundes. Mitte der 70er Jahre beschloss ihr Va-ter, die Nachfolge im Unternehmen zu re-geln. Giselheid Herders Ehemann, Indus-triekaufmann von Beruf, sollte die Firma führen. Dessen plötzlicher Tod machte das Vorhaben zunichte. Sie sieht sich in der Pflicht, und ihr Vater sieht es genauso, die drei älteren Schwestern haben in ihren Berufen längst Karriere gemacht. Fünf Jahre lang lernt Giselheid Herder an der Seite ihres Vaters, ein Traditionsunternehmen zu führen. „Es war nicht leicht, aber lehrreich.“, mehr sagt sie zu dieser Zeit nicht.

Wir sitzen im Ausstellungsraum des Herderschen Verwaltungsgebäudes. Ein grausiger Zweckbau, der im vorigen Jahr - „vor der Krise“ - sagt Giselheid Herder,

saniert wurde. Man sieht es dem Haus nicht an, dafür kann man jetzt die Fenster öffnen. Sie bleibt noch zwei, drei Gedan-ken bei dem teuren Baupfusch der 60er Jahre, dann kommt sie wieder zu Ihrem Thema, den Messern. Giselheid Herder zeigt eine große Klinge mit sanft geschwungenem Griff: „Ich ma-che gerade ein neues Kochmesser.“ Gerade, das meint, dass sie bei Herder schon vier Jahre an diesem Prototyp ar-beiten. „Es soll ein Botschaftsträger wer-den“, erklärt Giselheid Herder. Die Botschaft lautet: In der Manufak-tur, die das Zeichen der Windmühle trägt, wird zwar auch Edelstahl verarbeitet, das wichtigste Klingenmaterial allerdings ist der anlaufende und sogar rostende Kar-bonstahl, weil er schnitthaltiger ist. Alle Messer werden mit dem Solinger Dünn-schliff versehen, einer zwar aufwendigen, aber traditionellen Methode, den Messern eine besondere Schärfe zu verleihen. Immer wieder Tradition, traditionelle Produktionstechniken, traditionelle For-men, traditionelles Handwerk. Giselheid Herder schaut auf das Messer in ihrer Hand: „In einer Welt, in der so viel Schund produziert wird, muss es Menschen geben, die gute Dinge bewahren.“

Sie spricht vom Flachschmieden, auch so ein Verfahren, das es irgendwann nicht mehr geben wird. „Die meisten Messer werden im Gesenk geschmiedet“, erläu-tert sie, „das ist zwar wirtschaftlich, aber gewaltsam. Das Schmieden mit dem Flach-hammer ist komplizierter, handwerklicher, verdichtet das Material weniger...“ Sie gibt Anschauungsunterricht mit den Händen. Ohne beide Verfahren jemals gesehen zu haben, ahnen wir nur, was Giselheid Her-der meint. Sie lächelt: „Flachschmieden ist eben etwas Besonderes.“ Und das Be-sondere, das liegt ihr am Herzen. Rund 70 Arbeitsgänge sind nötig, da-mit aus dem Rohstahl ein fertiges Messer wird – ein einfaches Schäl- oder Gemü-semesser, die urdeutsche Buckelsklinge, das von einer arabischen Säbelform ab-stammende Mini-Yatagan oder das Hart-käsemesser Parmoulin. „Wir machen handwerkliche Gebrauchsmesser“, fasst Giselheid Herder zusammen. Wer ihr zu-hört ahnt, was es heißt, wenn die Rede vom „inneren Kompass“ eines Unterneh-mers ist. Wenn ein Unternehmer und sein Unternehmen ihren Kern aus den Augen verlieren, die Identität, dann verlieren beide ihren Sinn. Bei Giselheid Herder besteht diese Gefahr nicht.

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SZENEN DER MESSERWERDUNG

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Scharfe Gespräche in Düsseldorf: Giselheid Herder und Küchenchef Jürgen Fehrenbach

Kochmesser-Trio: Petty, Santoku, Nakiri, v.li.

Buckelsklingen: altdeutsche Frühstücksmesser

Parmoulin: Parmesan- u. Hartkäsemesser

Serie 1922: gesenkgeschmiedetes, dünngeschliffenes und blaugepließtetes Kochmesser aus Kohlenstoffstahl mit Kirschholzgriff

KOPFSALATGiselheid Herder

„ F U N K T IO N I ST SCHÄRFE.“

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Manufactum Hardenbergstraße 4-510623 Berlin-Charlottenburgwww.manufactum.de

coledampf s CulturCentrumWörther Straße 39

10435 Berlin-Prenzlauer Berg www.coledampfs.de

KaDeWe Tauentzienstraße 21-2410789 Berlin-Schönebergwww.kadewe.de

MehlstübchenLeberstraße 28

10829 Berlin-Schönebergwww.mehlstübchen.de

HolzapfelBergmannstraße 2510961 Berlin-Kreuzbergwww.holzapfel-berlin.de

Goldhahn & SampsonDunckerstraße 9

10437 Berlin-Prenzlauer Bergwww.goldhahnundsampson.de

HoldorfFrankfurter Allee 7810247 Berlin-Friedrichshainwww.messerschleiferei-holdorf.de

Giovanni s KäsekellereiMonbijouplatz 2

10178 Berlin-Mittewww.giovanniscantina.de

Dr. Ziegler NaturkaufhausSchloßstraße 10112163 Berlin-Steglitzwww.naturkaufhaus-berlin.de

Lütje-HaushaltswarenKollwitzmarkt

10435 Berlin-Prenzlauer BergStand in der Knaackstraße

GUTE ADRESSENWO ES IN BERLIN WINDMÜHLENMESSER GIBT(EINE AUSWAHL)

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DER KOLLWITZMARKT„VON 6 BIS 20 UHR RANDALE“VON MARC STEYER

Zwei Fotos, zwei Menschen vom Koll-witzplatz. Das Bild der Frau mit dem Kopftuch, deren Namen wir nicht kennen, hat Horst Sturm aufgenommen, 1964, da war der Platz in Prenzlauer Berg einge-rahmt von bröckelnden Häusern, löch-rigen Straßen und toten Läden. Das Bild des Mannes mit blauer Wind-jacke und Basecape entstand 45 Jahre später. Der Kollwitzplatz ist heute ein lebendiges Quartier, sogar ein Touris-tenmagnet. Philipp Strubes Anteil an dieser Ent-wicklung ist verdienstmedaillenwürdig. Vor knapp zehn Jahren hatte er die viel belächelte Idee, hier einen Wochen-markt abzuhalten. Er strich das ironi-sche Attribut, fand Partner und machte sich frisch ans Werk. Im Jahr 2000 hatte der Kollemarkt Premiere. Ziemlich schnell mauserte er sich vom Ort bequemer Nahversorgung zur stimmungsvollen Berliner Attrakti-on mit Bild und Text in Reisführern der halben Welt.

Was haben nun die Frau mit dem Kopftuch und der Mann mit dem Base-cape gemeinsam? Das gütige Lächeln und eine Ge-schichte, die ihre Fotos nicht erzählen. Die Losverkäuferin wurde einst von linientreuen Anwohnern genötigt, ihr Tischchen an einer anderen Ecke auf-zustellen. Der Kolle sei kein Rummel-platz. Philipp Strubes Probleme sind ähnli-cher Art. „Von 6 bis 20 Uhr Randale“, sagt die Bürgerinitiative „Besser leben im Kiez“ und fordert die Verlegung des Marktes in eine konfliktfreie Zone. Der Betreiber und die Händler weh-ren sich. Ein Markt bewegt die Stadt und spaltet den Kiez. Oder gibt es nur Moderationsbedarf?

Kollwitzplatz 2009: Philipp Strube, Marktbetreiber

Kollwitzplatz 1964: eine unbekannte Losverkäuferin

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Kollwitzmarkt LEBENSART

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Marina Lehmann, Anwohnerin am Kollwitzplatz: „Von 6 bis 20 Uhr Randale“

Philipp Strube, Marktbetreiber am Kollwitzplatz: „Der Markt ist eine Berliner Attraktion.“

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LEBENSARTKollwitzmarkt

Zugegeben, ich bin ein glühender Anhän-ger nicht nur des Kollwitz-, sondern auch aller anderen Wochenmärkte. In Zeiten uniformer Supermärkte, deren stumme Handelstätigkeit sich auf das Auffüllen von Regalen beschränkt, haben diese Orte ne-ben der Tatsache, Lebensmittelquellen zu sein, neue Funktionen bekommen. Märkte bilden durch Anschauung, Nähe befördert Kommunikation, Vielfalt schafft Freude. Die Kraft des Ortes wird beträcht-lich sein, sagt Aristoteles – Physik Buch IV. Ich habe eine Betroffenenversammlung besucht, um herauszufinden, was die „Geg-ner des Samstagsmarktes“, wie sie sich selbst nennen, denn so betroffen macht. Eine Frau erzählt von stundenlanger Parkplatzsuche am Freitagabend, fünf, sechs andere pflichten ihr bei. Ein junger Mann, muskulöse Statur, die Designerbrille lässig ins Blondhaar geschoben, will, wenn er samstags Einkäufe nach Hause trägt, den direkten Weg zur Haustür und nicht um ei-nen Marktstand herumlaufen müssen.

Von unerträglichem Lärm ist die Rede, von Dreck und von vielen Konflikten. Schließlich spricht Marina Lehmann zu den lieben betroffenen Nachbarn: „Wir fordern, den Markt in eine konfliktfreie Zone zu verlagern.“ Sie hätte auch sagen können, schafft das Leben auf dem Kollwitzplatz ab. Leben ist laut. Nein, den Markt „wegzuklagen“ oder seinen Betreiber mit unerfüllbaren Forde-rungen zu belegen, das ist keine Lösung. Ebensowenig, wie eine große Dokumentati-on der Händlerverstöße anzulegen, private Polizei zu spielen und die Fronten weiter verhärten zu lassen. Toleranz heißt wohl das Lösungswort des Konfliktes. Das bedeutet Entgegenkom-men. Um sich entgegenzukommen, muss man allerdings aufeinander zugehen und womöglich auch miteinander reden. Davon jedoch sind beide Seiten derzeit meilen-weit entfernt, und daran hat auch ein Run-der Tisch am 22. Juni nicht viel geändert. Immerhin fiel an diesem Tag ein wichtiger

Satz: „Der Wochenmarkt am Kollwitzplatz muss ein Markenzeichen von Prenzlauer Berg bleiben.“ Gesagt hat ihn Jens-Holger Kirchner, der im Bezirk für öffentliche Ord-nung zuständige Stadtrat. Es geht also um einen lebendigen öffent-lichen Raum, dessen Balance von Nütz-lichkeit, Schönheit, Wirtschaftlichkeit und Symbolik wieder hergestellt werden muss - entweder durch politische Entscheidun-gen oder durch das Prinzip Runder Tisch. Im Oktober will man sich erneut treffen, zu einem weiteren Vermittlungsversuch – am besten ohne die Rechtsanwälte mit den grimmigen Gesichtern. Übrigens: kürzlich war ich in London und erzählte einem Freund vom Streit um den Samstagmarkt am Kollwitzplatz. Bejamin verstand mich nicht, falsch, er verstand das Problem nicht. Er wohnt seit sechs Jahren im Stadtteil Soho, in der Berwick Street. Das ist der Standort des Berwick Street Markets. Marktzeit: Montag bis Samstag von 9 bis 17 Uhr. „I ll see you on market“.

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Pro... ...und Contra...

Nachdenklichkeit... ...und Skepsis...

...Kollwitzmarkt.

...am Runden Tisch.

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LEBENSARTKollwitzmarkt

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„Ich wohne seit 1980 am Kollwitzplatz und sehe den samstäglichen Markt als eine Bereicherung des Lebens im Kietz. Der Markt fördert das Zusammenleben und die Kommunikation zwischen den Anwohnern. Durch den Markt hat man die Möglichkeit, ständig neue Menschen ken-nenzulernen.“

Klaus Fiedler, Anwohner

„Schon meine Großeltern haben am Wasserturm gelebt. Meine Mutter hat als Kind in der Knaackstraße gespielt, meine Eltern wurden in der Immanuelkirche getraut, meine Schwester und ich getauft, und einen Großteil unserer Kindheit haben wir hier verbracht. Könnte ich meiner Großmutter erzählen, was in ihrem geliebten Kiez für nachbarschaftliche Dinge passieren, sie würde verständnislos den Kopf schütteln.“

Andrea Balonier, Anwohnerin

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„Was kommt denn an Promis?“, fragte ein Fotograf der BILD-Zeitung und knipste vorsorglich erstmal jeden, der einer sein könnte. Dann gab er auf und kommen-tierte die Menschenansammlung vor der Grevener Pfarrkirche St. Martinus bildlich locker mit „Pillepalle“. Irgendwer hatte dem jungen Mann ge-steckt, dass Rainer Calmund und Tim Mäl-zer kommen würden, auf ein paar weite-re Fernsehgesichter Marke DSDS, GNTM oder DPPD in deren Schlepptau hatte er gehofft. Statt derer waren aber nur 300 total normale Nobodys in die münsterlän-dische Kleinstadt Greven gereist, um mit Holger Zurbrüggen und Ulrike von Oy zu feiern. Für den Grevener Anzeiger war es den-noch die Hochzeit des Jahres - immer-hin waren der Berliner Küchenchef und Balthazar-Inhaber und seine Partnerin für den wichtigsten Moment ihres Lebens in die Heimat zurückgekommen.

HOCHZEITSGLOCKEN

* URSPRÜNGLICH SÜDFRANZÖSISCHE KÖCHELBEILAGE; KRÄUTERSTRÄUSSCHEN, ETWA AUS LORBEER, PETERSILIE, ROSMARIN UND THYMIAN ZUM WÜRZEN VON BRÜHEN, SUPPEN UND SAUCEN

*BOUQUETGARNI

Holger Zurbrüggen und Ulrike von Oy stammen aus dem Städtchen an der Ems und wurden in der gleichen Kirche ge-tauft, in der sie sich nun, 43 bzw. 33 Jah-re später, das Ja-Wort gaben. Back to the roots - auch für den Rest.

Im Grevener Landgasthaus Zum Vosskotten hatte Zurbrüggen einst das Kochhandwerk im Allgemeinen und die Zubereitung von Müns-terlandspezialitäten im Besonderen gelernt. „Pfefferpotthast, Aal mit Backpflaumen und Pumpernickelpudding, Mensch, waren das Zeiten.“ Josef Temme, Zurbrüggens Lehrmeis-ter und inzwischen Seniorchef im Vosskotten erinnert sich gern. „Darauf einen Wacholder-schnaps, noch einen auf Holger, aus dem in Berlin was geworden ist und natürlich einen dritten auf Ulrike, die schöne Braut.“ Nach solcherart Aperitif ging die Party richtig los - einem Menü der S-Klasse, zubereitet von Kol-legen, folgten Polonaisen, Pauken und Trom-peten, und die Hauptstadtgäste staunten: Mensch, können die Münsterländer feiern! ms.„...in guten wie in schlechten Zeiten...“

Hochzeitskutsche

Hochzeitsköche

Hochzeitsmarsch

BOUQUET GARNINachrichten und Neuigkeiten

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Was die Chefs de Cuisine können, schaffen wir schon lange, dachte sich der Maître d’Hôtel des Palace Berlin. Und weil Jerk Martin Riese ein Mann schneller Entschlüs-se ist, holte er sich die versierte Koch-buchautorin (160 Titel!) Rose Marie Don-hauser ins Boot, um sich dann mit ihr ins kalte Wasser zu stürzen. Herausgekommen ist nach Arno Steguweits Mineralwasser-Guide das zweite Buch eines Hauptstadt-Gastronomen über die Welt der Wässer.

WASSERBUCH

Übersichtlich, verständlich geschrieben und gut illustriert, lässt das Werk keine Wasserfrage offen. So erfährt der Leser beispielsweise, dass es sogar in unmittel-barer Berlin-Nähe eine Quelle gibt, deren äußerst reines, mineralstoffarmes Wasser besonders in der gehobenen Gastronomie beliebt ist. Gibt’s das auch im Supermarkt? - oder wenigstens im Wasserfachhandel? Mancher umweltbewusste Kunde würde dann sicher auf seinen vertrauten, aber weit hergeholten Sprudel verzichten.

Einziger, allerdings subjektiver Wermuts-tropfen: mein Lieblingswasser wird im Buch von Donhauser/Riese nur mal en passant er-wähnt. Wie es heißt und woher es kommt, verrate ich aber nicht. Eckart Witzigmann macht es ja auch nicht - zugegeben, der Werbeeffekt beim Jahrhundertkoch wäre wohl auch tausendmal größer.

Nun interessiert nur noch, in welche Rich-tung die Autoren-Ambitionen der übrigen Berliner Maîtres gehen - das Thema Was-ser jedenfalls scheint ausgeschöpft. ms.

Die Welt des WassersNeuer Umschau Buchverlag 2009ISBN 978-3-86528-666-6

„Berlin beißt sich durch“ heißt ein neuer Hauptstadt-Führer. Das Büchlein verspricht „kulinarische Kuriositäten“ - mehr im Sinne der alten Wortbedeutung „wissenswert“ als im neueren Gebrauch „absonderlich“. „Ob erfahrener Berliner oder Neuling in der Stadt, dieses Buch wird ihr Leitfaden sein für die ganz besonderen gastronomi-schen Augenblicke und Abenteuer“, sagt der Klappentext. Werbung muss sein, und für Berlin-Neulinge gilt das vollmundige Versprechen sicher uneingeschränkt.

BEIßBUCH

Aber für (gastronomisch und kulinarisch) erfahrene Berliner? Sicher, vor allem in Charlottenburg, Kreuzberg, Mitte, Prenz-lauer Berg, Schöneberg und Wilmersdorf haben die Autoren Peter Eichhorn und Tho-mas Götz immerhin 170 gute Adressen re-cherchiert, darunter auch einige Geheim-tipps (z.B. die Kantine in den Nordischen Botschaften, das Bejte Ethiopia, Sweden Shoppa, das Silber & Antik Café oder das Friehofscafé Finovo), aber allzu viel Neues bieten sie dennoch nicht. Und was ist mit Reinickendorf, Spandau, Tempelhof, Weis-sensee und Zehlendorf? J.w.d. und deshalb Gastro- und Handelsniemandsland? Das ist als Anregung fürs Weitermachen gedacht, ebenso wie diese Tipps: Bünger (Spitzen-Metzger), Café Anneliese (Torten-Mekka), De Maufel (Luxemburg-

Imbiss), Ebbes (Schwaben-Spezialitäten), Feines aus Österreich (Alpenland-Feinkost), Mani di Fata (Pasta-Paradies), Mitte Meer (Spanien-Offerte), Soluna (Traum-Bäcker). Auch ein bisschen mehr Wein könnte sein, und was die Restauranttipps be-trifft, da würde ich einfach mal Berliner Küchenchefs fragen, wo sie - außer in ihrem eigenen Restaurant - am liebsten essen gehen. Die Antworten sind span-nend, versprochen. jt.

Berlin beißt sich durchGrebennikow Verlag 2009ISBN 978-3-941784-01-7

„Es gibt nichts gutes, außer man tut es.“ Helmut Russ, Veranstalter des jährlichen Weihnachtsmarktes auf dem Gendarmen-markt, kennt natürlich den Erich-Kästner-Spruch. Und noch viel wichtiger: er handelt auch danach. So spendeten Russ und seine Partner 100 000 Euro vom Erlös des 2008er Weih-nachts-Spektakels für wohltätige Zwecke. Ein Teil des Geldes kam nun Weddinger Kindern aus sozial schwierigen Verhältnis-sen zugute. Die 31 Kids der Anna-Lindh-Grundschule fuhren eine Woche lang

HÖHENLUFT

Wasser marsch: Preussenquelle aus Rheinsberg

Berlin-Mitte: Gastronomie kompakt

Jerk Martin Riese u. Rose Marie Donhauser

Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI

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Alles ist gerichtet, Bolte übergibt, Jan-zen übernimmt. So schmerzlos kann ein Wechsel am Küchenruder vonstatten ge-hen. Ab 1. August ist nun Tobias Janzen, 26, die Nummer 1 am Herd im Restaurant Berlin-Sankt Moritz. Patrick Bolte, fünf Jahre lang Küchenchef im Schöneber-ger Spitzenrestaurant, wird in Biele-feld-Quelle mit seiner Partnerin den

STABWECHSEL

schwiegerelterlichen Betrieb, das Ho-tel Bücher, übernehmen. Berlin-Sankt-Moritz-Inhaber (wann wird man sich an den sonderbaren Namen gewöhnen?) Anton Stefanov versichert, dass sich an der Küchenstilistik nichts ändern wird, weshalb auch. Zufriedene Gäste, 15 Gault-Millau-Punkte, gute Noten auch in anderen Guides - das Restaurant gilt als sichere Bank für klassische Kulinarik. Vielleicht ist Stefanov aber auch gut be-raten, wenn er dem neuen Mann ein paar Freiheiten lässt. Janzen wird schon nicht über die Stränge schlagen, immerhin hat er bei Behrendt, Bräuer und Nagler nicht nur gelernt, wie man Gas gibt, sondern auch, wann es Zeit ist, zu bremsen. hg.

Berlin-Sankt MoritzRegensburger Straße 710777 Berlin-WilmersdorfTel. 030-23 62 44 70www.restaurant-sankt-moritz.de

Kinder und Köche: Höhenluft macht hungrig

Anton Stefanov und Tobias Janzen, re.

ins Tiroler Zillertal und erlebten dort ein spannendes Programm aus Klettern und Kochen. Russ, selbst Vater von drei Kindern: „Gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung für diese sechs- bis zwölfjährigen Berliner Schüler liegen mir besonders am Her-zen.“ In der Zillertal Tourismus GmbH, dem Theater am Potsdamer Platz, den Berliner Spitzenköchen Kolja Kleeberg und Franz Rane-burger sowie ihrem österreichischen Kollegen Alexander Fankhauser fand Russ engagierte Mitstreiter. Raneburger, selbst gebürtiger Tiroler, kraxelte mit den Kleinen und Ganz-Kleinen auf die 2042 Meter hoch gelegene „Berliner Hütte“, die höchste Hauptstadt-Exklave überhaupt. Kleeberg, Flachländ-ler aus Köln, griff in Normalhöhe lieber zur Gitarre und praktizierte eine andere Art von Teambildung - das gemeinsame Singen. Dem folgte das gemeinsame Kochen. Schwammerlgoulasch, Semmel-knödel und Blaubeerschmarrn kamen am Ende auf die Teller. Die Kinder-Köche,

von denen viele Dosenfutter und Tiefkühl-pizza für gutes Essen halten, waren vom Ergebnis der gemeinsamen Speisenzuberei-tung dermaßen begeistert, dass sogar ein paar Freudentränen flossen. Kleeberg und Raneburger hatten, nachdem die rührungs-feuchten Augen ausgewischt waren, noch einen sachlichen Kommentar: „Es ist uns ein Bedürfnis zu zeigen, wie unkompliziert und trotzdem lecker eine gesunde Mahlzeit sein kann.“ mw.

BOUQUET GARNINachrichten und Neuigkeiten

GRÜNDERPREIS

„...die Tiroler sind lustig“

Günter Faltin ist Wirtschaftsprofessor, Hochschullehrer an der Freien Univer-sität und erfolgreicher Autor. In seinem Buch „Kopf schlägt Kapital“ tritt er für neue Wege in der deutschen Grün-dungslandschaft ein. Einen davon ging er selbst. 1985 gründete Faltin in Potsdam ein Unternehmen, das radikal mit den Traditionen des Teehandels brach. Seine Projektwerkstatt GmbH ist mittlerweile das größte Teeversandhaus Deutschlands und der weltgrößte Darjeeling-Impor-teur. Die Jury des Deutschen Gründer-preises zeichnete Faltin dafür am 1. Juli mit ihrem Sonderpreis aus. ms.

Günter Faltin: Professor und Teehändler

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Hooters sind im leisesten Fall Hupen, im lautesten Sirenen, in jedem Fall also ist Lärm angesagt, viel Lärm. So war’s auch in Berlin als am 16. Juli das erste Haupt-stadt-Hooters-Restaurant eröffnete. Hans-Peter Wodarz, Berliner Erlebnis- gastronom und Hooters-Statthalter, hat-te zu diesem Anlass hunderte Promi-nente und solche, die es sein wollen, eingeladen. Die erlebten dann, wie ein typisch amerikanisches Konzept funkti-oniert. Mädels in Modelmaßen, knappen Höschen und engen Hemdchen servier-ten Fastfood und Getränke. Dazu posier-ten, tanzen und performten sie - Motto: „Das Auge isst zuerst“. Ziel erreicht: Chicken Wings und Co. geraten schwupps in den Hintergrund. Also: ein Blick auf die Titten versöhnt mit den Fritten, denn so richtig lecker sind die Fastfood-Kreationen wirklich nicht. Scheint auch nicht nötig, denn das Kon-zept setzt ja eher aufs Happening denn auf gesunde Ernährung. Amerika lässt grüßen. Hooters hofft auf Gäste, die den Spagat zwischen Fastfood, Sportkanal und Hoch-glanz-Bunny zu schätzen wissen. Das schönste am neuen Schnellimbiss: er liegt wunderbar im Grünen und bietet mit seinem riesigen Biergarten am Tier-garten viel Platz. Bleibt die Frage, ob sich der Naherholungspark und das neue Bur-ger-Wunderland vertragen. Wenn nicht: Wodarz wird’s schon richten. rc.

Hooters BerlinStraße des 17. Juni 13110623 Berlin-Tiergartenwww.berlin-hooters.de

HOOTERSLAND

Hooters: Brust raus, Knie hoch

Nachrichten und Neuigkeiten BOUQUET GARNI

Die für den gedeckten Tisch zuständigen Branchen lieben offenbar die verbalen All-gemeinplätze. Da ist von variabler Kompe-tenz die Rede, wenn es um Geschirr geht, von lebendiger Faszination beim Thema Besteck oder von individueller Flexibili-tät, wenn über Gläser geredet wird. Zum Glück beschreiben Petra und Pe-ter Kraft nicht jeden Suppenteller derart überkandidelt, sie lieben es durchschau-barer. Kein Wunder – heißt ihre Firma doch „Alles klar!“ Motto: Wir verleihen ihrer Feier Glanz. Das ist durchaus dop-peldeutig gemeint. „Alles klar!“ verleiht Besteck, Geschirr, Gläser und alles ande-re, was für einen perfekt gedeckten Tisch sonst noch nötig ist.

GLANZLICHT Wenn es Kunden wünschen, stattet „Alles klar!“ auch komplette Veranstal-tungen aus – mit Blumenschmuck, Steh-tischen, Sitzmöbeln und vielen weiteren Accessoires, die dazu beitragen können, eine Veranstaltung zum gelungenen Event zu machen.

Vor 17 Jahren gründete Petra Kraft das Unternehmen als Franchisenehmerin der Münchner Alles klar! Verwaltungs AG. Die Firma entwickelte sich Schritt für Schritt zum flexiblen und verlässlichen Partner von Gastronomie, Hotellerie und vielen anderen professionellen Veranstaltungs-planern. Gute Gründe also, gemeinsam mit ihnen zu feiern, aktuelle Ausstattungs-trends vorzustellen und neue Kontakte zu knüpfen. ms.

www.allesklar-verleih.com

Alles klar!: Petra Kraft u. Andreas Schantl

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COLEDAMPF´S KÜCHENKOLUMNEÖLWECHSELVON ANDREAS LANGHOLZ

Andreas Langholz, 48, geboren im Schleswig-Holstein-Städtchen Eutin, aufgewachsen in Timmen-dorfer Strand, studierte in Berlin Kommunikations-wissenschaften. 1995 eröffnete er Coledampf s CulturCent-rum in Wilmersdorf, fünf Jahre später am Koll-witzplatz in Prenzlauer Berg. Die „Kochtopfläden“ mauserten sich rasch zu den bestsortierten Haus-haltswarengeschäften der Hauptstadt.

Da hat mir doch irgendwann Erwin Gegen-bauer, der auf dem Dach seiner Wiener Essigmanufaktur Balsamessige in Holzfäs-sern ausbaut, erklärt, was uns ahnungslo-sen Verbrauchern so alles unter der Be-zeichnung „Balsamico“ verkauft wird. Na ja, aber von irgendwas muss doch die Aroma-Industrie leben und irgendwo müssen doch auch Zuckercouleur und Ka-ramellsirup reingekippt werden. Und dann durfte ich noch seinen sieben Jahre gereiften Apfel-Balsam-Essig probie-ren und dachte: Hallo! (Das letzte Wort ist ein Zitat meiner Tochter Johanna und möchte auf der ersten Silbe betont gele-sen werden.)

RUBRIKENColedampf‘s Küchenkolumne

Da war ich doch zur Olivenernte in der Toskana (Garcon, Dezember 2008), habe gesehen, mit welcher Mühe und Sorgfalt die Früchte gelesen und verarbeitet wer-den, habe mich mit dem Hinweis, das sei nichts für Flachländler vor der Mitarbeit gedrückt, durfte aber trotzdem probie-ren: „Hallo!“

Und nachdem ich den Oliven-Ernte- Zuschauer-Kalorien-Verlust durch eine ex-zellente Bistecca Fiorentina mit frischem Brot und am Vortag gepresstem Olivenöl, noch unfiltriert, wieder ausgeglichen hat-te, erklärte mir Andrea Lehmann, die Be-sitzerin des Olivenhains, dass die 40 Euro, die sie für einen Liter ihres Öls verlangt, die Kosten bei weitem nicht decken. „Und wie geht das dann, dass mir der Supermarkt Olivenöl extra vergine für 7,95 Euro verkauft?“ „Na ja, da taucht gelegent-lich ein Tankschiff im Golf von Genua auf, und wenn man gute Produktentwickler hat, muss das Ausgangsprodukt auch nicht un-bedingt was mit Oliven zu tun haben...“Schade, dass James Dean schon tot ist, ich hätte da einen Filmtitel: Denn Sie wissen nicht, was sie kaufen. Würde meine Tochter jetzt sagen: „Hal-lo!, leben wir nicht in einer Wissensge-sellschaft?“, könnte ich locker antworten: „Ja, mein liebes Kind, aber Wikipedia weiß eben auch nicht alles, frag mich!“ (Väter neigen Töchtern gegenüber gern zu Übertreibungen).

Und dann würde ich loslegen: Margit Matzl war in Berlin. Sie kommt aus der Steiermark und arbeitet für die Ölmühle Fandler in Pöllau. Dort wird seit 1926 Öl produziert und zwar im Stempelpressver-fahren. Jaja, mein Kind, würde ich sagen, bei diesem Verfahren werden die Ölfrüchte nicht vermahlen, um auch noch den letz-ten Tropfen herauszuholen, sondern im Ganzen gepresst. Und Fandler verkauft nur naturreine Öle aus erster Kaltpres-sung. Aber das alles hat mir Margit Matzl erst später erklärt, anfangs durfte ich probieren: Traubenkern-, Haselnuss- und Macadamianussöl, Kürbiskern-, Hanf- und Distelöl.

Toskana: Olivenernte in Il Casone

Wien: Essigmanufaktur Erwin Gegenbauer

Steiermark: Heimat der Fandler-Öle

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85 GARÇON

Wörther Straße 3910435 Berlin-Prenzlauer Berg

Tel. 030 - 43 73 52 25

COLEDAMPF‘S CULTURCENTRUM

Uhlandstraße 54/5510719 Berlin-Wilmersdorf

Tel. 030 - 883 91 91

www.coledampfs.de

Da war’s eh schon um mich geschehen. Doch meine Tochter fragt nicht. Dafür schätzt sie mit Walnussöl verfeinerte Milchshakes, Käse mit Mohnöl und Kürbis-kernöl zum Kartoffelsalat (der hat seitdem zum ersten Mal eine reelle Chance neben dem Schnitzel). Und das freut mich. Ein alter Genesis-Song fällt mir ein, in dem es heißt: wise men say you are what you eat – eat well!

Und sollten wir doch eines Tages mal auf das Thema kommen, habe ich ein noch viel besseres Ding auf Lager, um ihr die Geschichten von zusammengepanschten Lebensmitteln bildlich zu machen, ein Zitat aus Ulrich Roskis Meisterwerk „Der kleine Mann im Ohr“: Darüber gerät der Dicke außer sich vor Zorn, und als Detlef auch noch schreit: „Hau endlich ab du Arsch mit Ohr n!“,tröst ich ihn damit, dass es bisweilen gelingt aus einem Hintern ein Gesicht zu machen, wenn man ihn gut schminkt.

Coledampf‘s KüchenkolumneRUBRIKEN

www.fandler.at

www.gegenbauer.at

www.ilcasone1729.com

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Emil Belter’s Restaurant in der Neuen Königsstraße, die zu DDR-Zeiten Hans-Beimler-Straße hieß und 1995 in Hans-Braun-Straße umbenannt wurde. Ein Foto aus Berlin, über 100 Jahre alt. Damals tranken die Berliner - statistisch gesehen – pro Kopf und Jahr 215 Liter Bier, knapp doppelt soviel wie heute. Zu den Spezialitäten der Berliner Schultheiß- Brauerei beispielsweise gehörte „Versand“, eine Biersorte, die auch Wirt Belter aus-schenkte – wie auf seinen Fensterscheiben zu lesen ist.Worum handelte es sich bei „Versand“?

A um ein Dunkelbier?

B um ein Weizenbier?

C um ein Rauchbier?

GASTROQUIZ

Ihre Antwort bitte an Bildárt Media Verlag GmbH Redaktion GARÇONAlt-Biesdorf 712683 BerlinFax: 030 - 51 73 84 92E-Mail: [email protected]

Die Gewinne, drei Kochbücher deutscher Spitzenköche, werden unter den Teilneh-mern verlost, die unsere Frage richtig be-antwortet haben. Der Rechtsweg ist aus-geschlossen. Einsendeschluss ist der 24. August 2009. Die Gewinne werden von der Redaktion per Post zugesandt.

Übrigens: Vom 7. bis zum 9. August findet auf der Karl-Marx-Allee das 13. Internationale Berliner Bierfestival statt. 260 Brauereien aus 86 Ländern werden zwischen Strausberger Platz und Frankfurter Tor 1800 Biersorten mit dem Ziel prä-sentieren, den Bierkonsum auch in Deutschland wieder anzu-kurbeln. Der sank in den vergangenen Jahren auf einen für die Brauereien mickrigen Pro-Kopf-Verbrauch von 117,7 Liter.

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HerausgeBerBild Art Media Verlag GmbHAlt-Biesdorf 7, 12683 BerlinFon 0 30 / 28 86 79 70Fax 0 30 / 28 86 79 69www.bildart-verlag.dewww.berliner-garcon.deinfo@bildart-verlag.de

reDaktiOnYvonne Weinlich (V.i.S.d.P.),Jörg Teuscher, Uwe Balluschk, Hans-Jürgen Bergs, Heiko Gralki, Marc [email protected]

autOren Dieser ausgaBeRebecca Csizmazia, Marc Gawron, Marcus Fuhrmann, Andreas Langholz, Marion Wiese art DirectOrGrazyna Stepniak

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inHaLt

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