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Die Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) verkörperten die politische Repression in der DDR. Tausende Menschen waren aus nichtigen Gründen in den Zellentrakten eingesperrt. Sie verbrachten dort Monate isoliert von der Außenwelt, bevor man sie einem Gericht vorführte. Nach der Wiedervereinigung 1990 entstand eine Gedenkstätten- Landschaft zu diesem Aspekt der jüngsten deutschen Geschichte. Auch für die Denkmalpflege ergab sich damit ein neues Aufgabengebiet, das sich bis heute in der Entwicklung befindet. Die Erfahrungen mit der Konservierung des DDR-Kulturguts stehen noch am Anfang. Gleichzeitig rückt die Problematik der Erhaltung von zeitgenössischen Werkstoffen näher. Die Männer-Haftetage in der Untersuchungs- haftanstalt der ehemaligen Bezirkshauptstadt Erfurt überdauerte die vergangenen Jahre seit der politischen Wende 1989 nahezu ungenutzt bis zur Eröffnung als Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße im Jahre 2012. Ihre Musealisierung ist zukünftig mit veränderten Ansprüchen und Einflüssen auf den Bestand und mit dem Bedarf nach Konservierung verbunden. FB Konservierung und Restaurierung Spezialisierung Wandmalerei und Architekturfassung Die ehemalige Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (DDR) in der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße, Erfurt. Konzept zur Bestandssicherung und zur musealen Nutzung der Männer-Haftetage als Teil der Gedenk- und Bildungsstätte. Blick ins Innere einer Zelle 2013 © Fachbereich Konservierung und Restaurierung Master-Thesis Julia Hurlbeck 2013 Ziel der Master-Thesis war es, Maßnahmen zur Bestandssicherung der Haftetage zu entwickeln, die gleichsam deren Aussagekraft bewahren und hervorheben. Entscheidend für ein tragbares Konzept war dabei die ganzheitliche Wahrnehmung und Verbindung aller Informationen zu: Bau- und Nutzungsgeschichte Geschichte und Rezeption nach 1989 Bau- und Objektsubstanz Besucherbetrieb und Raumklima. Ausgewählte Problematiken zu konservatorischen und restauratorischen Eingriffen an den Wandflächen und am Bodenbelag der Zellen wurden zudem näher beleuchtet. Abdrücke von Hockern im PVC-Bodenbelag der Zellen. Sie dokumentieren die bevorzugten Sitzplätze der Häftlinge im toten Winkel des Tür- Spions oder an der Wand um mit der Nachbarzelle zu kommunizieren. Die Identifikation spezifischer Gebrauchsspuren aus 40 Jahren MfS- Untersuchungshaft erfüllte eine zentrale Rolle in der Bestandsaufnahme und belegt den Stellenwert und die Empfindlichkeit der vorhandenen Materialien. Anschaulich lässt sich im Fall der Männer-Untersuchungshaftetage darlegen, wie viele Informationen die Bausubstanz und das Inventar selbst nach jahrelangem Leerstand, unsachgemäßer Behandlung und einer Sanierung der Wandflächen noch übermittelt. Die Türen und Böden geben Aspekte des Lebens der Insassen und die Arbeit der Wärter wieder. Diese Spuren sind nicht sofort offensichtlich, tragen jedoch zur Gesamtatmosphäre bei und ermöglichen die Interpretation und sinnliche Wahrnehmung der Geschichte.

FB Konservierung und Restaurierung - Stiftung Ettersberg · 2014. 6. 30. · Master-Thesis Julia Hurlbeck 2013 Ziel der Master-Thesis war es, Maßnahmen zur Bestandssicherung der

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Page 1: FB Konservierung und Restaurierung - Stiftung Ettersberg · 2014. 6. 30. · Master-Thesis Julia Hurlbeck 2013 Ziel der Master-Thesis war es, Maßnahmen zur Bestandssicherung der

Die Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) verkörperten die politische Repression in der DDR. Tausende Menschen waren aus nichtigen Gründen in den Zellentrakten eingesperrt. Sie verbrachten dort Monate isoliert von der Außenwelt, bevor man sie einem Gericht vorführte. Nach der Wiedervereinigung 1990 entstand eine Gedenkstätten-Landschaft zu diesem Aspekt der jüngsten deutschen Geschichte. Auch für die Denkmalpflege ergab sich damit ein neues Aufgabengebiet, das sich bis heute in der Entwicklung befindet. Die Erfahrungen mit der Konservierung des DDR-Kulturguts stehen noch am Anfang. Gleichzeitig rückt die Problematik der Erhaltung von zeitgenössischen Werkstoffen näher.

Die Männer-Haftetage in der Untersuchungs-haftanstalt der ehemaligen Bezirkshauptstadt Erfurt überdauerte die vergangenen Jahre seit der politischen Wende 1989 nahezu ungenutzt bis zur Eröffnung als Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße im Jahre 2012. Ihre Musealisierung ist zukünftig mit veränderten Ansprüchen und Einflüssen auf den Bestand und mit dem Bedarf nach Konservierung verbunden.

FB Konservierung und Restaurierung Spezialisierung Wandmalerei und Architekturfassung

Die ehemalige Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (DDR) in der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße, Erfurt.

Konzept zur Bestandssicherung und zur musealen Nutzung der Männer-Haftetage als Teil der Gedenk- und Bildungsstätte.

Blick ins Innere einer Zelle 2013

© Fachbereich Konservierung und Restaurierung

Master-Thesis Julia Hurlbeck 2013

Ziel der Master-Thesis war es, Maßnahmen zur Bestandssicherung der Haftetage zu entwickeln, die gleichsam deren Aussagekraft bewahren und hervorheben. Entscheidend für ein tragbares Konzept war dabei die ganzheitliche Wahrnehmung und Verbindung aller Informationen zu: • Bau- und Nutzungsgeschichte • Geschichte und Rezeption nach 1989 • Bau- und Objektsubstanz • Besucherbetrieb und • Raumklima. Ausgewählte Problematiken zu konservatorischen und restauratorischen Eingriffen an den Wandflächen und am Bodenbelag der Zellen wurden zudem näher beleuchtet.

Abdrücke von Hockern im PVC-Bodenbelag der Zellen. Sie dokumentieren die bevorzugten Sitzplätze der Häftlinge im toten Winkel des Tür- Spions oder an der Wand um mit der Nachbarzelle zu kommunizieren.

Die Identifikation spezifischer Gebrauchsspuren aus 40 Jahren MfS-Untersuchungshaft erfüllte eine zentrale Rolle in der Bestandsaufnahme und belegt den Stellenwert und die Empfindlichkeit der vorhandenen Materialien. Anschaulich lässt sich im Fall der Männer-Untersuchungshaftetage darlegen, wie viele Informationen die Bausubstanz und das Inventar selbst nach jahrelangem Leerstand, unsachgemäßer Behandlung und einer Sanierung der Wandflächen noch übermittelt. Die Türen und Böden geben Aspekte des Lebens der Insassen und die Arbeit der Wärter wieder. Diese Spuren sind nicht sofort offensichtlich, tragen jedoch zur Gesamtatmosphäre bei und ermöglichen die Interpretation und sinnliche Wahrnehmung der Geschichte.