3
Als der deutsche Bundestag am 27. Februar 2012 das nächste Rettungspaket für Griechenland beschlossen hatt, dann tat er das auf den Tag genau 59 Jahre nachdem im Londoner Schuldenabkom- men von 1953 die Entschuldung Deutschlands vereinbart wurde. Während die Entschuldung Deutschlands vor 59 Jahren explizit mit wachstumsfördernden Maßnahmen - darunter etwa die Möglichkeit den Schuldendienst im Fall von Handelsbilanzdefiziten auszusetzen - verbunden war, wird mit dem aktuellen Rettungspaket - neben einer drastischen Einsparungspolitik - vor allem auch eine unzureichende Schuldenentlastung erreicht. Griechenlands Wachstum wird durch dramatische Einsparungen bei allen öffentlichen Ausgaben für die kommenden Jahre abgewürgt. Deutschland wurde rechtzeitig entlastet, bevor es zu einem Staatsbankrott kommen konnte. Demge- genüber wurde der Schuldenschnitt für Griechenland von den Gläubigern immer wieder hinaus- gezögert. Nach Berechnungen von erlassjahr.de wäre der heutige Privatgläubiger-Verzicht von 109 Mrd. Euro noch im April 2010 ausreichend gewesen, um Griechenlands Schulden auf 90 Prozent des BIP zu drücken. Heute verbleibt der Schuldenstand – trotz dieses Verzichts – deutlich über der Zielgröße von 120 Prozent. Jürgen Kaiser, kommentierte dazu in unserer Pressemitteilung zu dem zweifelhaften Jubiläum: "Acht Jahre nach Kriegsende legten die westlichen Gläubiger mit einer großzügigen Entschuldung die Grund- lagen für das (west-)deutsche Wirtschaftswunder. Umgekehrt werden die Griechen heute zu einer jahrzehntelangen Armut im Dienste ihrer Gläubiger verurteilt." Zum Jahrestag der Verschuldung bleibt Griechenland in der Schuldenfalle erlassjahr.de eNewsletter 03/12 eNewsletter 03/2012 Im aktuellen Hintergrundpapier "Griechenland: Die Kosten der Insolvenzver- schleppung" vergleicht Jürgen Kaiser, politischer Koordinator von erlassjahr.de, Kosten und Nutzen eines Schuldenschnittes für Griechenland im April 2010 mit den im Februar 2012 beschlossenen Rettungsmaßnahmen. Dabei kommt er zu dem Schluss: Zeit ist in diesem Fall auch Geld. Ein früheres Handeln der Politik hätte die Kosten für die Krisenbewältigung deutlich reduziert, die Insolvenz Griechenlands wurde kostensteigernd immer wieder hinausgezögert. Sie finden das Hintergrundpapier zum Download auf unserer Internetseite oder in unserer neuen digitalen Bibliothek. Passend zu den Entwicklungen in der griechischen Schuldenkrise haben wir übrigens auch Sonderseiten auf unserer Internetseite eingerichtet. Griechenland - die Kosten der Insolvenzverschleppung Bild: Jürgen Mantern, wikipedia.de / Lizenz: Creative Commons

erlassjahr.de Newsletter März 2012

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Mit dem aktuellen erlassjahr.de Newsletter März 2012 stellen wir die ersten Ergebnisse der Arbeitsgruppensitzung zur Ägypten-Entschuldung vor und fassen die wichtigsten Nachrichten aus dem vergangenen Monat zusammen.

Citation preview

Als der deutsche Bundestag am 27. Februar 2012 das nächste Rettungspaket für Griechenlandbeschlossen hatt, dann tat er das auf den Tag genau 59 Jahre nachdem im Londoner Schuldenabkom-men von 1953 die Entschuldung Deutschlands vereinbart wurde.

Während die Entschuldung Deutschlands vor 59 Jahren explizit mit wachstumsfördernden Maßnahmen- darunter etwa die Möglichkeit den Schuldendienst im Fall von Handelsbilanzdefiziten auszusetzen -verbunden war, wird mit dem aktuellen Rettungspaket - neben einer drastischen Einsparungspolitik -vor allem auch eine unzureichende Schuldenentlastung erreicht. Griechenlands Wachstum wird durchdramatische Einsparungen bei allen öffentlichen Ausgaben für die kommenden Jahre abgewürgt.Deutschland wurde rechtzeitig entlastet, bevor es zu einem Staatsbankrott kommen konnte. Demge-genüber wurde der Schuldenschnitt für Griechenland von den Gläubigern immer wieder hinaus-gezögert.

Nach Berechnungen von erlassjahr.de wäre der heutige Privatgläubiger-Verzicht von 109 Mrd. Euronoch im April 2010 ausreichend gewesen, um Griechenlands Schulden auf 90 Prozent des BIP zudrücken. Heute verbleibt der Schuldenstand – trotz dieses Verzichts – deutlich über der Zielgröße von120 Prozent.

Jürgen Kaiser, kommentierte dazu in unserer Pressemitteilung zu dem zweifelhaften Jubiläum: "AchtJahre nach Kriegsende legten die westlichen Gläubiger mit einer großzügigen Entschuldung die Grund-lagen für das (west-)deutsche Wirtschaftswunder. Umgekehrt werden die Griechen heute zu einerjahrzehntelangen Armut im Dienste ihrer Gläubiger verurteilt."

Zum Jahrestag der Verschuldung bleibt Griechenland in der Schuldenfalle

erl

as

sja

hr.

de

eN

ew

sle

tte

r 0

3/1

2

eNewsletter 03/2012

Im aktuellen Hintergrundpapier "Griechenland: Die Kosten der Insolvenzver-schleppung" vergleicht Jürgen Kaiser, politischer Koordinator von erlassjahr.de,Kosten und Nutzen eines Schuldenschnittes für Griechenland im April 2010 mitden im Februar 2012 beschlossenen Rettungsmaßnahmen. Dabei kommt er zudem Schluss: Zeit ist in diesem Fall auch Geld. Ein früheres Handeln der Politikhätte die Kosten für die Krisenbewältigung deutlich reduziert, die InsolvenzGriechenlands wurde kostensteigernd immer wieder hinausgezögert.

Sie finden das Hintergrundpapier zum Download auf unserer Internetseite oderin unserer neuen digitalen Bibliothek. Passend zu den Entwicklungen in dergriechischen Schuldenkrise haben wir übrigens auch Sonderseiten auf unsererInternetseite eingerichtet.

Griechenland - die Kosten der Insolvenzverschleppung

Bild

: Jürg

en

Ma

nte

rn, w

ikipe

dia

.de

/ Lize

nz: C

rea

tive C

om

mo

ns

Bei einem internationalen Vernetzungstreffen derinternationalen Entschuldungsbewegungen am28.02.2012 in den Räumen unseres Dachnetz-werks EURODAD in Brüssel kamen wir mit Part-nern aus den USA, Großbritannien, Norwegen,Australien, Irland, Spanien und Schottlandzusammen.

Dabei konnten verschiedene und für die einzel-nen Bewegungen jeweils relevante Aspekte zumSchuldenthema diskutiert, Updates zu Ar-beitsvorhaben der einzelnen Initiativen ausge-tauscht und Arbeitsstrategien für das Jahr 2012

entwickelt werden. Neben der Diskussion um die Handlungsfähigkeit unseres Dachnetzwerks, dasderzeit unter substanziellen finanziellen Schwierigkeiten leidet, ging es dabei speziell um die Themen„Verschuldung in Europa“, „faires und transparentes Schiedsverfahren“, „Verantwortliche Kreditver-gabe“ und „Schuldentragfähigkeit“. Die Anwesendenwaren sich dabei einig, dass das Thema Verschuldung als immer komplexeres, glob-ales Anliegen in die eigenen Netzwerke kommuniziert werde sollte und die Verschuldung des Südensstärker mit Verschuldung vor der eigenen Haustür zu verbinden. Ein ausführliches Protokoll der Sitzungkann im erlassjahr-Büro angefordert werden.

erla

ss

jah

r.de

eN

ew

sle

tter 0

3/1

2

Wie bereits in unserem Newsletter-Spezial zurEntschuldung Ägyptens angekündigt, traf sichdie neu eingerichtete Ägypten AG von erlass-jahr.de vor einigen Tag am 02.03.2012 inEisenach. Auf dem Treffen sollten zunächstdie wichtigsten Anknüpfungspunkte für dieweitere Recherche zur Situation vor Ort inÄgypten festgelegt werden.

Dabei beschränkt sich die AG derzeit übrigensnicht nur auf Deutschland, sondern nimmt mitÖsterreich und der Schweiz auch andere bilateralen Gläubiger Ägyptens in den Blick. In beiden Län-dern bestehen bereits enge Kontakte, wie etwa zur Alliance Sud in der Schweiz.

In Deutschland hat sich das BICC als kooperativer Partner erwiesen. Vielleicht noch wichtiger sind je-doch engen Kontakte zu Partnern vor Ort, die uns auch in Zukunft mit Informationen versorgen. Nurdurch eine enge Zusammenarbeit ergeben sich Informationen und Anknüpfungspunkte für eine kritis-che Analyse: Die offiziellen Informationen reichen bei weitem nicht aus.

Dieses erste Treffen der AG hat bereits zu einer Reihe weiterer Arbeitsschritte geführt hat. Da dieRecherchen noch am Anfang stehen, ist natürlich noch weitere Mitarbeit herzlich willkommen – bei In-teresse an einer Mitarbeit in der AG reicht eine E-Mail an unser Büro.

Daneben haben wir auch die erlassjahr.de-Fachinformation “Ägypten:Demokratisierung braucht Entschuldung” aktualisiert: In der Fachinformation mitder Nummer 28 analysiert erlassjahr.de-Koordinator Jürgen Kaiser die Schulden-situation der jungen ägyptischen Demokratie und kommt zu dem Schluss: Ägyptenbraucht eine Demokratie-Dividende.

Die Fachonformation enthält aktuelle Zahlen und Daten zur Verschuldung inÄgypten und kann auf unserer Internetseite heruntergeladen oder in unserer dig-italen Bibliothek online betrachtet werden. Daneben steht die Fachinformationauch in englischer Sprache bereit.

Internationales Vernetzungstreffen in Brüssel

Treffen der AG zur Ägypten-EntschuldungB

ild: ©

Be

ttin

aF,

pix

elio

.de

Impressum: erlassjahr.de e.V., Carl-Mosterts-Platz 1, 40477 Düsseldorf, Tel.: 0211/4693-196, E-Mail: [email protected]. V.i.S.d.P. Sebastian Bonse, [email protected].

erl

as

sja

hr.

de

eN

ew

sle

tte

r 0

3/1

2

Vom 27. - 29. April 2012 lädt die Stiftung Christlich-Soziale Politik im Arbeitnehmerzentrum Königswin-ter in Zusammenarbeit mit der Kindernothilfe und der zu einer “Ideenwerkstatt - Engagement für Kinderund Ihre Rechte”.

Das Seminar findet im Gustav-Stresemann-Institut Bonn statt und richtet sich an entwicklungspolitischinteressierte Studierende. Sebastian Bonse, Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit bei erlassjahr.de, wirdbei der Ideenwerkstatt dabei sein und eine Arbeitsgruppe zur Kampagne “Entschärft die Schuldenkrise”leiten. Bei Interesse an der Teilnahme bei der Ideenwerkstatt rund um das Engagement fur̈ Kinder undihre Rechte, wenden Sie sich einfach unter Angabe der Seminarnummer 12.7.670.5 IN an [email protected] [email protected].

Ideenwerkstatt - Engagement für Kinder und ihre Rechte

Die Studie unserer britischen PartnerkampagneJubilee Debt Campaign - „Uncovering Zim-babwe's Debt – The case for a democratic so-lution to the unjust debt burden“ - zeigt anhandder Aufbereitung der Verschuldung Simbabwesdie Rolle von ausländischen Regierungen, in-ternationalen Finanzinstitutionen und ausländis-chen Firmen im Hinblick auf den sowohlpolitisch als auch wirtschaftlich und sozial de-saströsen Zustand des Landes auf.

Dabei analysiert Autor Tim Jones die Entste-hung der heutigen Schuldenlast Simbabwesüber die einzelnen Kreditaufnahmen des Lan-des seit den 1980er Jahren.

Daneben illustriert der Autor die sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Schulden des Landes,zu denen die Bedingungen von ausländischen Kreditgebern, wie zum Beispiel der vorgeschriebeneErwerb von ausländischen Produkten oder die Bindung von multilateralen Geldern an Strukturanpas-sungsprogramme, einen erheblichen Beitrag geleistet haben.

Abschließend vergleicht Tim Jones die aktuell diskutierten Lösungsoptionen zu einer klar untragbarenSchuldenlast: Die von Gläubigern favorisierte Verpfändung der Rohstoffvorkommen oder ein Schulden-erlass unter der multilateralen HIPC-Initiative.

Am Ende steht die Feststellung, dass eine gerechte Lösung für die Zivilbevölkerung des zerrüttetenLandes nur mit einer transparenten Untersuchung der Auslandsschulden beginnen kann.

Sie finden die (englische) Studie zum Download auf unserer Internetseite oder auch direkt online aufder Internetseite der Jubilee Debt Campaign.

Auf den Spuren der Schulden Simbabwes

Rund 40 Aktivist/innen nahmen am 25. Februar in der Frankfurter Uni an einem von erlassjahr.de mitgestalteten Workshop zum Schulden-Audit in der Eurozone teil.

Dabei ging es zum einen darum, das Thema der Staatsüberschuldung in die Mobilisierung zu den Ak-tionstagen am 17.-20.Mai 2012 in Frankfurt am Main einzubringen. Zum anderen entstand eine kleine AG, die - koordiniert von attac - die verschiedenen Ansätze einesSchuldenaudits und Alternativen zum herrschenden Schuldenmanagement weiter bearbeitet.

Aktionskonferenz in Frankfurt