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Entscheid vom 6. Februar 2014 Beschwerdekammer Besetzung Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz, Cornelia Cova und Nathalie Zufferey Franciolli, Gerichtsschreiberin Santina Pizzonia Parteien 1. A. SA, 2. B. SA, beide vertreten durch Rechtsanwalt Rossano Pinna, Beschwerdeführerinnen 1 und 2 gegen UNTERSUCHUNGSAMT ST. GALLEN, Beschwerdegegner Gegenstand Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutsch- land Herausgabe von Beweismitteln (Art. 74 IRSG) Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal Geschäftsnummer: RR.2013.160-161

Entscheid vom 6. Februar 2014 Beschwerdekammer · - 2 - Sachverhalt: A. Die Staatsanwaltschaft Augsburg führt gegen diverse Personen ein Ermitt- lungsverfahren wegen banden- und

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Entscheid vom 6. Februar 2014 Beschwerdekammer

Besetzung Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz,

Cornelia Cova und Nathalie Zufferey Franciolli,

Gerichtsschreiberin Santina Pizzonia

Parteien

1. A. SA,

2. B. SA,

beide vertreten durch Rechtsanwalt Rossano Pinna,

Beschwerdeführerinnen 1 und 2

gegen

UNTERSUCHUNGSAMT ST. GALLEN,

Beschwerdegegner

Gegenstand Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutsch-

land

Herausgabe von Beweismitteln (Art. 74 IRSG)

B u n d e s s t r a f g e r i c h t

T r i b u n a l p é n a l f é d é r a l

T r i b u n a l e p e n a l e f e d e r a l e

T r i b u n a l p e n a l f e d e r a l

Geschäftsnummer: RR.2013.160-161

- 2 -

Sachverhalt:

A. Die Staatsanwaltschaft Augsburg führt gegen diverse Personen ein Ermitt-

lungsverfahren wegen banden- und gewerbsmässiger Steuerhinterziehung.

In diesem Verfahren wird C. der Beihilfe zu banden- und gewerbsmässiger

Steuerhinterziehung beschuldigt.

Gegenstand des Strafverfahrens bilden mutmassliche Umsatzsteuerhinter-

ziehungen mit einem Schaden von geschätzt über EUR 100 Mio. im Rah-

men eines europaweit agierenden Umsatzsteuerkarussells. Im Jahre 2008

sollen sich diverse Personen in Deutschland und den Niederlanden ent-

schlossen haben, ein gross angelegtes Umsatzsteuerkarussell zu initiieren.

Dazu hätten sie in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken ein Ge-

flecht aus zahlreichen Gesellschaften im In- und Ausland geschaffen, über

welche die kriminelle Vereinigung Waren, insbesondere Computerspiele

und -zubehör, gesteuert habe. Die Mitglieder der Bande sollen zahlreiche

Gesellschaften im In- und Ausland gegründet haben, insbesondere in

Österreich, Italien und Grossbritannien. Sie sollen in gemeinsamer Abspra-

che Gesellschaften installiert und beherrscht haben, über welche die Ware

vom Ausland, namentlich von der niederländischen D. BV über die in Ös-

terreich und Italien beteiligten Gesellschaften, ins Inland gekommen und

wo die Ware um 20 % verbilligt worden sei. Diese Gesellschaften hätten

gemäss der gemeinsamen Bandenabrede die vereinnahmte Umsatzsteuer

nicht gegenüber dem Finanzamt erklärt und diese auch nicht abgeführt.

Sodann sei die Ware durch mehrere inländische Gesellschaften, welche

von Bandenmitgliedern geführt worden seien, geschleust worden. Diese

Gesellschaften hätten kein unternehmerisches Risiko getragen, da bereits

vor Erhalt der Ware die Bande die Warenwege, die Käufer und die jeweili-

gen Kaufpreise der Waren bestimmt habe. Diese Gesellschaften hätten ei-

nen Teil der hinterzogenen Umsatzsteuer dadurch abgeschöpft, indem sie

auf die Ware einen vorher zwischen den Bandenmitgliedern vereinbarten

Preisaufschlag vorgenommen hätten. Schliesslich sei die Ware, um die

noch verbliebene hinterzogene Umsatzsteuer vollständig abzuschöpfen,

mit einem hohen Preisaufschlag an von der Bande geführte Gesellschaften

mit Sitz ausserhalb Deutschlands, insbesondere Italien, veräussert worden.

Anschliessend sei die Ware nach dem selben Muster aus Italien teilweise

wieder über Österreich nach Deutschland veräussert worden. Auf diese

Weise sei die Ware mehrmals monatlich durch verschiedene Kreisläufe in

mehreren europäischen Ländern geschleust worden. Es sei zwar tatsäch-

lich Ware geliefert worden, jedoch sei die Ware, um die Kosten hierfür

möglichst gering zu halten, nur zwischen Lagern in Grossbritannien, näm-

lich der E. Ltd. in Z., Italien, einem Lager in Österreich der F., einem Lager

- 3 -

in der Nähe von München sowie Firmenlagern bewegt worden. Diese von

der Bande kontrollierten Gesellschaften mit Sitz ausserhalb Deutschlands

seien entweder überhaupt nicht steuerlich erfasst worden oder hätten ihre

Umsätze nicht oder nicht richtig gegenüber dem zuständigen Finanzamt

erklärt. Bei allen in der Lieferkette beteiligten Unternehmen habe es sich

um keine Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes gehandelt, mit

der Folge dass aus diesen Rechnungen keine Vorsteuern gegenüber dem

Finanzamt hätten geltend gemacht werden dürfen.

C. wird verdächtigt, dass er als Verantwortlicher der A. SA mit Sitz in Luga-

no von November 2011 bis Mai 2012 mehrfach Waren an deutsche Unter-

nehmen, namentlich die am Umsatzsteuerkarussell beteiligten Gesellschaf-

ten G. GmbH, H. GmbH, I. GmbH, J. AG und K. AG geliefert habe. Dabei

bestehe der Verdacht, dass diesen Geschäften keine tatsächliche unter-

nehmerische Tätigkeit beider Firmen zugrunde gelegen habe, sondern die

Warenwege und Verkaufspreise vorab vorgegeben gewesen seien. Es be-

stehe der Verdacht, dass die Ware in Deutschland in ein Umsatzsteuerka-

russell eingebunden gewesen sei, um so durch unberechtigten Vorsteuer-

abzug Umsatzsteuern zu hinterziehen. Durch diese Handlungen sei ein

Steuerschaden in der Höhe von insgesamt EUR 1'323'548.74 entstanden.

Es bestehe daher der Verdacht, dass C. in einer noch nicht bekannten An-

zahl von Fällen durch Teilnahme an einem Umsatzsteuerkarussell, insbe-

sondere durch die willentliche und wissentliche Weitergabe der Ware in

vorgegebenen Lieferwegen, einem anderen dazu Beihilfe geleistet habe,

Steuern zu hinterziehen.

B. In diesem Zusammenhang gelangte die Staatsanwaltschaft Augsburg mit

Rechtshilfeersuchen vom 14. Februar 2013 und Ergänzung vom 18. März

2013 an die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt

St. Gallen (nachfolgend "Staatsanwaltschaft"). Darin ersuchten die deut-

schen Strafverfolgungsbehörden u.a. um Einvernahme von C. als Beschul-

digter sowie um Durchsuchung der Geschäftsräume sowie der Fahrzeuge

der A. SA in Lugano und Herausgabe der sichergestellten Beweismittel,

welche mit der untersuchten Tat in Zusammenhang stehen könnten. Dabei

sei den im Rechtshilfeersuchen genannten Steuerbeamten und Kriminal-

kommissaren die Teilnahme an den erbetenen Ermittlungshandlungen (ins-

besondere Durchsuchung und Auswertung der Unterlagen) zu genehmigen

(Verfahrensakten Staatsanwaltschaft, rosa Mäppchen, Urk. 2 und 4).

- 4 -

C. Mit Eintretens- und Zwischenverfügung vom 19. Februar und 19. März

2013 trat die Staatsanwaltschaft auf das Rechtshilfeersuchen samt Ergän-

zung ein und delegierte u.a. den Vollzug der Durchsuchung der A. SA so-

wie die Einvernahme von C. an die zuständige Behörde des Kantons Tes-

sin. Gleichzeitig bewilligte sie die Anwesenheit der Beamten des Finanzam-

tes Konstanz und der Polizeibeamten des Landeskriminalamts München

(Verfahrensakten Staatsanwaltschaft, rosa Mäppchen, Urk. 3 und 5).

Am 9. April 2013 führte die Tessiner Kantonspolizei unter Teilnahme der

deutschen Beamten die angeordnete Hausdurchsuchung bei der A. SA

durch und beschlagnahmte dabei verschiedene Beweismittel (Verfahrens-

akten Staatsanwaltschaft, rosa Mäppchen, Urk. 6). Die Daten auf dem an-

lässlich der Durchsuchung sichergestellten MacBook Pro wurden herunter-

geladen und von den Tessiner Behörden auf der Grundlage einer Schlüs-

selwortliste der deutschen Behörden auf einer DVD ausgeschieden (s. Ver-

fahrensakten Staatsanwaltschaft, weisses Mäppchen B 7).

Anlässlich dieser Durchsuchung vom 9. April 2013 erklärte der einzige

Verwaltungsrat der A. SA, L., dass sich weitere Unterlagen bei der B. SA in

Lugano als Treuhänderin der A. SA befinden würden (Verfahrensakten

Staatsanwaltschaft, rosa Mäppchen, Urk. 6 S. 2). In der Folge durchsuchte

die Tessiner Kantonspolizei auch die Büroräumlichkeiten der B. SA und

beschlagnahmte dabei diverse Dokumente sowie einen USB-Stick (Verfah-

rensakten Staatsanwaltschaft, rosa Mäppchen, Urk. 6). Die Daten auf dem

USB-Stick wurden auf denselben Datenträger wie schon die Daten aus

dem MacBook Pro kopiert und der USB-Stick dem Berechtigten retourniert

(Verfahrensakten Staatsanwaltschaft, rosa Mäppchen, Urk. 7; weisses

Mäppchen B 7).

Ebenfalls am 9. April 2013 wurden zuerst L. als Auskunftsperson und in der

Folge C. als Beschuldigter, je in Anwesenheit der deutschen Beamten, ein-

vernommen (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft, rosa Mäppchen, Urk. 7

und B6).

D. Mit Schlussverfügung vom 29. April 2013 ordnete die Staatsanwaltschaft

die rechtshilfeweise Herausgabe folgender Dokumente und Beweismittel

an:

- 5 -

"- Sicherstellung B4 A. SA (3 Ordner […], 1 Ordner […])

- Sicherstellung B5 B. SA (1 Ordner […],1 Ordner […], 1 Ordner […],

2 Ordner […])

- 2 Einvernahmen L. B6

- 2 DVD B7"

Entgegen dem Anschein ordnete die Staatsanwaltschaft betreffend die un-

tersten zwei Positionen nicht die Herausgabe von jeweils zwei verschiede-

nen Einvernahmen bzw. DVD an, sondern von einer Einvernahme und ei-

ner DVD, beide jedoch mit entsprechender Kopie (s. vorstehend lit. C).

E. Mit Eingabe vom 3. Juni 2013 erheben die A. SA und die B. SA durch ihren

gemeinsamen Rechtsvertreter bei der Beschwerdekammer des Bundes-

strafgerichts Beschwerde gegen die vorgenannte Schlussverfügung und

beantragen, die angefochtene Verfügung sei als nichtig zu erklären (act. 1).

Der Beschwerdegegner reichte mit Schreiben vom 26. Juni 2013 seine Be-

schwerdeantwort ein und hielt unter Hinweis auf die Schlussverfügung "an

den darin gemachten Erwägungen und Freistellungen" fest (act. 6).

Das Bundesamt für Justiz (nachfolgend "BJ") führt in seiner Vernehmlas-

sung 23. Juli 2013 aus, dass die Beschwerde gutzuheissen und die Sache

zum neuen Entscheid an den Beschwerdegegner zurückzuweisen sei

(act. 8 S. 4).

Beide vorstehenden Eingaben wurden dem Rechtsvertreter der Beschwer-

deführerinnen zur Kenntnis gebracht (act. 9). Auf Ersuchen des Rechtsver-

treters der Beschwerdeführerinnen wurde ihm Frist für die Einreichung ei-

ner allfälligen Beschwerdereplik eingeräumt (act. 9 und 10), welche mit

Schreiben vom 8. August 2013 einging (act. 12). Diese Eingabe wurde mit

Schreiben vom 9. August 2013 der Gegenseite zur Kenntnis zugestellt

(act. 13).

Auf die Ausführungen der Parteien sowie die eingereichten Akten wird, so-

weit erforderlich, in den rechtlichen Erwägungen eingegangen.

- 6 -

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Für die Rechtshilfe zwischen Deutschland und der Schweiz sind in erster

Linie das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen

vom 20. April 1959 (EUeR; SR 0.351.1), dem beide Staaten beigetreten

sind, der zwischen ihnen abgeschlossene Zusatzvertrag vom 13. Novem-

ber 1969 (ZV-D/EUeR; SR 0.351.913.1), sowie die Bestimmungen der

Art. 48 ff. des Übereinkommens vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des

Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 (Schengener Durch-

führungsübereinkommen, SDÜ; ABl. L 239 vom 22. September 2000,

S. 19 - 62) massgebend. Zusätzlich kann das von beiden Ländern ratifizier-

te Übereinkommen vom 8. November 1990 über Geldwäscherei sowie Er-

mittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten

(GwUe; SR 0.311.53) zur Anwendung gelangen.

1.2 Bereits an dieser Stelle ist festzuhalten, dass im Bereich der indirekten

Fiskalität sich die Schweiz gemäss Art. 50 SDÜ unter den dort genannten

Bedingungen zur gegenseitigen Rechtshilfe bei den abschliessenden auf-

gezählten Verbrauchsteuern, Mehrwertsteuern und Zollabgaben verpflichtet

hat (s. auch Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2009.316 vom 9. April

2010, E. 3.2, mit Hinweisen). Vorliegend ersuchen die deutschen Behörden

um Rechtshilfe in einem Strafverfahren u.a. wegen gewerbsmässiger Um-

satzsteuerhinterziehung mit einem Schaden von geschätzt über EUR 100

Mio. Die gewerbsmässige und damit qualifizierte Steuerhinterziehung im

Sinne von Art. 96 Abs. 1 i.V.m. Art. 97 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes

über die Mehrwertsteuer vom 12. Juni 2009 (Mehrwertsteuergesetz,

MWSTG; SR 641.20) stellt ein Delikt der indirekten Fiskalität dar, das u.a.

mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bedroht wird. Mit Blick auf die

Rechtshilfevoraussetzungen von Art. 50 bzw. Art. 51 lit. a SDÜ (sowie

Art. 31 Ziff. 1 BBA; s. nachfolgend) stellt die gewerbsmässige Steuerhinter-

ziehung im Sinne von Art. 96 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 97 Abs. 2 lit. b MWSTG

grundsätzlich eine rechtshilfefähige Tat dar.

1.3 Im Verhältnis zu Deutschland sind ebenfalls in Kraft getreten die Bestim-

mungen des Abkommens vom 26. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit

zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Eu-

ropäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits zur Be-

kämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre

finanziellen Interessen beeinträchtigen (nachfolgend: Betrugsbekämp-

fungsabkommen bzw. BBA; SR 0.351.926.81, BBl 2004 S. 6184 ff., 6503

ff.). Das Betrugsbekämpfungsabkommen ermöglicht die Amts- und Rechts-

- 7 -

hilfe einschliesslich Zwangsmassnahmen im Bereich der indirekten Steu-

ern, namentlich Mehrwertsteuern, um die es vorliegend geht. Dabei ist zu

berücksichtigen, dass das Betrugsbekämpfungsabkommen gemäss dessen

Art. 46 für Ersuchen wegen Straftaten gilt, die mindestens sechs Monate

nach seiner am 26. Oktober 2004 erfolgten Unterzeichnung, d.h. nach dem

26. April 2005, begangen wurden. Für die vorliegend zur Diskussion ste-

henden Delikte ist das Betrugsbekämpfungsabkommen demnach anwend-

bar, wobei günstigere Bestimmungen bilateraler oder multilateraler Über-

einkünfte zwischen den Vertragsparteien unberührt bleiben (Art. 25 Ziff. 2

BBA).

1.4 Soweit das Staatsvertragsrecht bestimmte Fragen nicht abschliessend re-

gelt, gelangen das Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Straf-

sachen vom 20. März 1981 (IRSG; SR 351.1) und die Verordnung über in-

ternationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 24. Februar 1982 (IRSV;

SR 351.11) zur Anwendung (Art. 1 Abs. 1 IRSG; BGE 130 II 337 E. 1

S. 339; 128 II 355 E. 1 S. 357; 124 II 180 E. 1a S. 181). Das innerstaatliche

Recht gilt nach dem Günstigkeitsprinzip auch dann, wenn dieses geringere

Anforderungen an die Rechtshilfe stellt (BGE 137 IV 33 E. 2.2.2 S. 40 f.;

136 IV 82 E. 3.1; 129 II 462 E. 1.1 S. 464, mit weiteren Hinweisen). Vorbe-

halten bleibt die Wahrung der Menschenrechte (BGE 135 IV 212 E. 2.3;

123 II 595 E. 7c).

2.

2.1 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um eine Schlussverfügung

der ausführenden kantonalen Behörde, welche zusammen mit den voran-

gehenden Zwischenverfügungen der Beschwerde an die Beschwerde-

kammer des Bundesstrafgerichts unterliegt (Art. 80e Abs. 1 IRSG; Art. 37

Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation

der Strafbehörden des Bundes [Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG;

SR 173.71] in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 des Organisationsreglements

für das Bundesstrafgericht vom 31. August 2010 [Organisationsreglement

BStGer, BStGerOG; SR 173.713.161]).

Gemäss der sowohl vom Beschwerdegegner als auch vom BJ unbestritten

gebliebenen Darstellung der Beschwerdeführerinnen sei der angefochtene

Entscheid frühestens am 2. Mai 2013 zugestellt worden (act. 1 S. 5). Die

der Beschwerdeführerin 1 am 29. April 2013 per Einschreiben zugestellte

Schlussverfügung bzw. der Briefumschlag wurde nach unbenütztem Ablauf

der Abholfrist am 7. Mai 2013 von der Post mit dem Vermerk „Nicht abge-

holt" ungeöffnet retourniert (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft, rosa

- 8 -

Mäppchen, Urk. 13). Die der Beschwerdeführerin 2 am 2. Mai 2013 per

Einschreiben zugestellte Schlussverfügung wurde ihr am 3. Mai 2013 eröff-

net (Verfahrensakten Staatsanwaltschaft, rosa Mäppchen, Urk. 12). Die

Beschwerde vom 3. Juni 2013 gegen die Schlussverfügung der Beschwer-

degegnerin vom 29. April 2013 wurde somit rechtzeitig im Sinne von

Art. 80k IRSG erhoben.

2.2

2.2.1 Zur Beschwerdeführung ist berechtigt, wer persönlich und direkt von einer

Rechtshilfemassnahme betroffen ist und ein schutzwürdiges Interesse an

deren Aufhebung oder Änderung hat (Art. 80h lit. b IRSG). Personen, ge-

gen die sich das ausländische Strafverfahren richtet, sind unter denselben

Bedingungen beschwerdelegitimiert (Art. 21 Abs. 3 IRSG).

Ein schutzwürdiges Interesse liegt nicht schon dann vor, wenn jemand ir-

gendeine Beziehung zum Streitobjekt zu haben behauptet. Vielmehr muss

eine vom einschlägigen Bundesrecht erfasste "spezifische Beziehungsnä-

he" dargetan sein. Eine blosse mittelbare Betroffenheit genügt hingegen

nicht (BGE 129 II 268 E. 2.3.3 S. 269; 128 II 211 E. 2.2 S. 216 f.; 127 II 104

E. 3 S. 107 ff.; 198 E. 2d S. 205; 126 II 258 E. 2d S. 259; 125 II 356

E. 3b/aa S. 361 f.; 123 II 153 E. 2b S. 156, je mit Hinweisen).

Nicht einzutreten ist mangels eines eigenen schutzwürdigen Interesses auf

stellvertretend für einen Dritten und einzig im Interesse Dritter erhobene

Beschwerden (BGE 128 II 211 E. 2.3 und 2.4 S. 217 ff.; Urteil des Bundes-

gerichts 1A.110/2002 vom 26. November 2002, E. 1.2; TPF 2007 79 E. 1.6

m.w.H.).

2.2.2 Als persönlich und direkt betroffen gilt im Falle von Hausdurchsuchungen

der jeweilige Eigentümer oder Mieter, der im Besitz der sichergestellten Un-

terlagen war (Art. 9a lit. b IRSV; TPF 2007 79 E. 1.6 S. 82; 136 E. 3.1 und

3.3). Das Gleiche gilt nach der Rechtsprechung für Personen, gegen die

unmittelbar Zwangsmassnahmen angeordnet wurden (BGE 128 II 211

E. 2.3-2.5 S. 217 ff.; 123 II 153 E. 2b S. 157, je mit Hinweisen). Folglich ist

beispielsweise der Verfasser von Schriftstücken, welche im Besitz eines

Dritten beschlagnahmt werden, nicht zur Beschwerde befugt (BGE 130 II

162 E. 1.1 S. 164; 123 II 161 E. 1d S. 164 f.; 116 Ib 106 E. 2a S. 109 ff.).

Das gilt auch für Personen, auf welche sich die Unterlagen beziehen oder

die Eigentümer sind, sofern sie nicht selbst im Besitz der betroffenen Unter-

lagen waren und sich nicht der Hausdurchsuchung unterziehen mussten

(Entscheide des Bundesstrafgerichts RR.2009.13 vom 16. März 2009,

E. 2.2-2.3; RR.2007.101 vom 12. Juli 2007, E. 2.1). Daran ändert auch ein

Mandatsverhältnis nichts, welches zwischen demjenigen, der sich einer

- 9 -

Zwangsmassnahme unterziehen musste, und dem Auftraggeber besteht

(Entscheide des Bundesstrafgerichts RR.2008.126 vom 24. Juli 2008,

E. 2.2 und RR.2009.13 vom 16. März 2009, E. 2.2).

2.2.3 Ordnet die ausführende Behörde die rechtshilfeweise Herausgabe eines

Einvernahmeprotokolls an, gilt es mit Blick auf die Beschwerdelegitimation

zu unterscheiden, ob die betreffende Einvernahme bereits im Rahmen ei-

nes schweizerischen Strafverfahrens (s. hierzu im Einzelnen TPF 2007 79)

oder auf Rechtshilfeersuchen hin erfolgt ist. Besteht die angefochtene

Rechtshilfemassnahme wie hier in einer in der Schweiz ausschliesslich auf

Rechtshilfeersuchen hin erfolgten Einvernahme und in der Herausgabe des

betreffenden Einvernahmeprotokolls, ist nach der strafprozessualen Rolle

zu differenzieren, welche die einvernommene Person im ausländischen

Strafverfahren einnimmt und in welcher sie rechtshilfeweise für das auslän-

dische Strafverfahren einvernommen wurde:

Der auf ein Rechtshilfeersuchen hin einvernommene Zeuge kann sich nur

gegen die Weitergabe des Einvernahmeprotokolls zur Wehr setzen, soweit

die von ihm verlangten Auskünfte ihn persönlich betreffen oder wenn er

sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft (BGE 126 II 258 E. 2d/bb;

122 II 130 E. 2b S. 133; 121 II 459 E. 2c S. 461 f.; Entscheid des Bundes-

strafgerichts RR.2007.52 vom 13. Juni 2007, E. 2.2). Demgegenüber

kommt einem Dritten, selbst wenn er durch die protokollierten Aussagen

persönlich berührt wird, keine Beschwerdebefugnis zu (BGE 124 II 180

E. 2b S. 182). Dies gilt auch für Gesellschaften, über deren Geschäftsakti-

vitäten und Organisation die Zeugenaussagen erfolgen (BGE 121 II 459

E. 2c S. 461 f.). Daher ist eine juristische Person grundsätzlich nicht befugt,

gegen die Herausgabe eines Einvernahmeprotokolls Beschwerde zu füh-

ren, in dem ihr Verwaltungsratspräsident sowie eine Angestellte als Zeugen

befragt wurden (BGE 137 IV 134 E. 5.2.4; Urteil 1A.282/2003 vom 18. No-

vember 2004, E. 1.3.1).

Die Legitimation eines im ausländischen Strafverfahren beschuldigten Be-

schwerdeführers zur Beschwerde gegen die Herausgabe des Protokolls

seiner rechtshilfeweise erfolgten Einvernahme als Beschuldigter ist hinge-

gen ohne Einschränkung zu bejahen. Wurde die beschwerdeführende Per-

son rechtshilfeweise als Auskunftsperson einvernommen, ist im Einzelnen

zu prüfen, ob eine grössere Nähe zur Stellung des Zeugen oder zur derje-

nigen des Beschuldigten besteht. Wurde eine Person rechtshilfeweise als

Auskunftsperson einvernommen, weil sie ohne selber beschuldigt zu sein,

als Täterin oder Teilnehmerin der abzuklärenden Straftat nicht ausge-

schlossen werden kann (vgl. Art. 178 lit. d StPO), erscheint es als gerecht-

fertigt, deren Beschwerdelegitimation gleich zu handhaben wie diejenige

- 10 -

der beschuldigten Person, d.h. ohne Einschränkung (s. im Einzelnen Ent-

scheid des Bundesstrafgerichts RR.2012.268 vom 2. Mai 2013, E. 2.2, mit

Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur; sowie zuletzt RR.2013.116-

117 vom 29. August 2013, E. 3.2).

2.2.4 Was die Herausgabe der Beweismittel anbelangt, welche anlässlich der

Durchsuchung der Büroräumlichkeiten der Beschwerdeführerin 1 an deren

Sitz beschlagnahmt wurden, gilt demnach die Beschwerdeführerin 1 als

persönlich und direkt betroffen im Sinne von Art. 80h lit. b IRSG i.V.m.

Art. 9a lit. b IRSV. Sie ist daher diesbezüglich zur Beschwerde legitimiert.

Entgegen der Darstellung in Disp. Ziff. 3 der Schlussverfügung (s. auch

supra lit. D) wurden die "3 Ordner […]" nicht anlässlich der Hausdurchsu-

chung bei der Beschwerdeführerin 1, sondern bei der Beschwerdeführerin

2 beschlagnahmt (s. Hausdurchsuchungsprotokoll, Verfahrensakten

Staatsanwaltschaft, rosa Mäppchen, Urk. 6). Die Beschwerdeführerin 1 ist

demnach lediglich zur Beschwerde gegen die Herausgabe des Ordners

"[…]" legitimiert.

Mit Bezug auf die Herausgabe der Dokumente, welche anlässlich der

Durchsuchung der Büroräumlichkeiten der Beschwerdeführerin 2 an deren

Sitz beschlagnahmt wurden, gilt entsprechend die Beschwerdeführerin 2

als persönlich und direkt betroffen im Sinne von Art. 80h lit. b IRSG i.V.m.

Art. 9a lit. b IRSV. Demzufolge ist die Beschwerdeführerin 2 diesbezüglich

(d.h. "Sicherstellung B5 B. SA" […] und die vorgenannten "3 Ordner […]")

beschwerdelegitimiert. Demgegenüber ist die Beschwerdeführerin 1 entge-

gen ihrer Annahme in diesem Punkt nicht beschwerdebefugt, da sie sich in

diesem Zusammenhang nicht der Hausdurchsuchung unterziehen musste.

Der Umstand, dass die bei der Beschwerdeführerin 2 beschlagnahmten

Unterlagen, wie von der Beschwerdeführerin 1 vorgebracht (act. 1 S. 5), ihr

gehören und aufgrund eines diesbezüglichen Treuhandvertrags die ganze

Zeit zur direkten Verfügung gestanden sein sollen, ist nach der Rechtspre-

chung (s.o.) nicht geeignet, die fehlende Beschwerdelegitimation zu be-

gründen.

Die auf der zu übermittelnden DVD enthaltenen Daten stammen aus dem

MacBook Pro, welcher anlässlich der Hausdurchsuchung bei der Be-

schwerdeführerin 1 sichergestellt wurde, und aus dem USB-Stick, welcher

anlässlich der Hausdurchsuchung bei der Beschwerdeführerin 2 sicherge-

stellt wurde (s. Hausdurchsuchungsprotokoll, Verfahrensakten Staatsan-

waltschaft, rosa Mäppchen, Urk. 6). Unter diesen Umständen sind beide

Beschwerdeführerinnen befugt, gegen die rechtshilfeweise Herausgabe der

DVD (und deren Kopie) Beschwerde zu erheben.

- 11 -

Im Lichte der zitierten Rechtsprechung sind beide Beschwerdeführerinnen

als Dritte sodann nicht legitimiert, die Herausgabe des Protokolls der Ein-

vernahme von L. als Auskunftsperson anzufechten, selbst wenn sie durch

die protokollierten Aussagen berührt sein sollten. Der Umstand, dass der

als Auskunftsperson befragte L. gleichzeitig einziger Verwaltungsrat der

Beschwerdeführerin 1 ist, lässt diese Gesellschaft nicht als von der

Rechtshilfemassnahme unmittelbar und direkt betroffen erscheinen. Indem

er strafprozessual als Auskunftsperson über die Geschäftstätigkeit der Be-

schwerdeführerin 1, deren vertraglichen Beziehungen zu Dritten und zu

seinen Aktivitäten als Organ der Beschwerdeführerin 1 befragt wurde, hat

er nicht primär (organschaftlich) ihre statutarischen zivilrechtlichen Gesell-

schaftsinteressen bzw. Geschäftszwecke wahrgenommen. Von der Über-

mittlung seines Einvernahmeprotokolls direkt und unmittelbar tangiert ist

demnach grundsätzlich die einvernommene Person als natürliche Person,

welche bei Vorliegen der unter den supra Ziff. 2.2.3 dargelegten Voraus-

setzungen beschwerdebefugt wäre.

L. hat vorliegend keine Beschwerde gegen die Herausgabe seines Einver-

nahmeprotokolls (und dessen Kopie) erhoben. Die Beschwerdeführerinnen

führen in ihrer Beschwerde aus, es sei fraglich, ob die diesbezügliche Ver-

fügung an L. zustellt worden sei (act. 1 S. 8). Die ausführende Behörde hat

ihre Verfügungen dem in der Schweiz wohnhaften Berechtigen zuzustellen

(Art. 80m Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 80h lit. b IRSG), weshalb die Schlussver-

fügung nach dem Gesagten auch L. persönlich zuzustellen war. Den Be-

schwerdeführerinnen ist insofern beizupflichten, als in den eingereichten

Akten des Beschwerdegegners ein entsprechender Zustellnachweis fehlt.

Indes sind die Beschwerdeführerinnen auch bei ausgebliebener Zustellung

nicht befugt, stellvertretend für L. und einzig in seinem Interesse Be-

schwerde zu erheben (s.o.) […]. Darüber hinaus steht fest, dass L. als ein-

ziger Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin 1 mit Zustellung der Schluss-

verfügung an diese bzw. an die Beschwerdeführerin 2 als deren Treuhand-

gesellschaft sichere Kenntnis der auch ihn betreffenden Verfügung erlangt

hat. Er hätte damit ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, fristwahrend Be-

schwerde einzureichen. Trotz des Eröffnungsmangels hat demnach die

Schlussverfügung vorliegend auch in Bezug auf die angeordnete Heraus-

gabe des Einvernahmeprotokolls Rechtswirkung.

2.3 Zusammenfassend steht fest, dass auf die Beschwerde der Beschwerde-

führerinnen 1 und 2 gegen die Herausgabe der anlässlich der entspre-

chenden Hausdurchsuchungen beschlagnahmten Beweismittel im darge-

legten Umfang einzutreten ist. Im Übrigen sind beide Beschwerdeführerin-

- 12 -

nen grundsätzlich nicht beschwerdelegitimiert (s. aber nachfolgend

Ziff. 5.8).

3. Zulässige Beschwerdegründe sind die Verletzung von Bundesrecht (inklu-

sive Staatsvertragsrecht), einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch

des Ermessens sowie die unzulässige oder offensichtlich unrichtige An-

wendung ausländischen Rechts in den Fällen nach Art. 65 IRSG i.V. mit

Art. 80i Abs. 1 IRSG. Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

überprüft zudem die Richtigkeit und die Vollständigkeit der Feststellung des

rechtserheblichen Sachverhalts sowie die Angemessenheit des angefoch-

tenen Entscheides gemäss Art. 49 lit. b und c des Bundesgesetzes über

das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (VwVG; SR 172.021)

i.V.m. Art. 39 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die

Organisation der Strafbehörden des Bundes, Strafbehördenorganisations-

gesetz (StBOG; SR 173.71; s. TPF 2007 57 E. 3.2).

4. Die Beschwerdekammer ist nicht an die Begehren der Parteien gebunden

(Art. 25 Abs. 6 IRSG). Sie prüft die Rechtshilfevoraussetzungen grundsätz-

lich mit freier Kognition. Die Beschwerdekammer befasst sich jedoch nur

mit Tat- und Rechtsfragen, die Streitgegenstand der Beschwerde bilden

(vgl. BGE 132 II 81 E. 1.4; 130 II 337 E. 1.4, je m.w.H.; Entscheide des

Bundesstrafgerichts RR.2007.89 vom 20. August 2007, E. 2.4; RR.2007.34

vom 29. März 2007, E. 3; LAURENT MOREILLON, Entraide internationale en

matière pénale, Basel 2004, Art. 25 IRSG N. 22).

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss sich die urteilende In-

stanz sodann nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinander-

setzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen. Sie kann

sich auf die für ihren Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Es ge-

nügt, wenn die Behörde wenigstens kurz die Überlegungen nennt, von de-

nen sie sich leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (Urteil des

Bundesgerichts 1A.59/2004 vom 16. Juli 2004, E. 5.2, mit weiteren Hinwei-

sen).

- 13 -

5.

5.1 Die Beschwerdeführerinnen rügen in verschiedenen Punkten, dass die an-

gefochtene Schlussverfügung eine mangelhafte Begründung enthalte

(act. 8 ff., S. 11). Trotz den vielen (lauten) zum Ausdruck gebrachten Be-

denken werde nichtdestotrotz dem Rechtshilfeersuchen entsprochen (act. 1

S. 8). Gerade diese Bedenken hätten es erforderlich gemacht, dass seitens

der verfügenden Behörde die Gründe, die ihrer Ansicht nach nichtdestot-

rotz die Aktenherausgabe rechtfertigen würden, in der Verfügung einge-

hend geschildert würden, was nicht der Fall gewesen sei (act. 1 S. 10). Es

sei auch nicht begründet worden, weshalb eine Rückfrage an die ersu-

chende Behörde schlussendlich unterblieben sei (act. 1 S. 11).

5.2 Das BJ führt aus, der angefochtenen Verfügung lasse sich nicht entneh-

men, weshalb seitens des Beschwerdegegner keine Rückfrage erfolgt und

die rechtshilfeweise Herausgabe der beschlagnahmten Unterlagen/Daten

trotz bestehender Zweifel angeordnet worden sei. Der Beschwerdegegner

habe im Widerspruch zu den Erwägungen in der Schlussverfügung, die

rechtshilfeweise Herausgabe der Beweismittel verfügt. Aus diesem Grund

sei die Sache zum neuen Entscheid an den Beschwerdegegner zurückzu-

weisen (act. 8 S. 4).

5.3 Der in Art. 29 Abs. 2 BV verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör durch

eine angemessene Begründung wird im Bereich der internationalen

Rechtshilfe durch Verweis in Art. 12 Abs. 1 IRSG auf Art. 35 VwVG konkre-

tisiert, welche sowohl in Verfahren vor den Bundesbehörden als auch vor

kantonalen Behörden zur Anwendung gelangen (ROBERT ZIMMERMANN, La

coopération judiciaire internationale en matière pénale, 3. Aufl., Bern 2009,

S. 449 f. N. 486 f. i.V.m. S. 437 f. N. 472). Das Recht auf eine begründete

Verfügung respektive einen begründeten Entscheid bedeutet, dass die Be-

gründung den Entscheid für die Partei verständlich machen und ihr erlau-

ben muss, ihn zu akzeptieren oder anzufechten (PETER POPP, Grundzüge

der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, Basel 2001, S. 320 N. 470).

Bei Abschluss des Rechtshilfeverfahrens durch eine Verfügung ist die Be-

gründungspflicht auch im IRSG erwähnt (Art. 80d). Die Behörde muss die

Vorbringen des Betroffenen sorgfältig und ernsthaft prüfen und in der

Entscheidfindung berücksichtigen. Die Überlegungen, von denen sich die

Behörde leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt, müssen daher

wenigstens kurz genannt werden. Die Behörde hat demnach in der Be-

gründung ihres Entscheids diejenigen Argumente aufzuführen, die tatsäch-

lich ihrem Entscheid zugrunde liegen (vgl. zum Ganzen BGE 126 I 97 E. 2b

m.w.H.). Ob diese Überlegungen zutreffend sind und inhaltlich für den Ent-

- 14 -

scheid ausreichen, ist nicht eine Frage des rechtlichen Gehörs, sondern

betrifft den Entscheid in seinem materiellen Gehalt.

5.4 Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen

Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.

Das Willkürverbot verpflichtet die staatlichen Organe unter anderem zu ra-

tionalem Staatshandeln (s. FELIX UHLMANN, Das Willkürverbot (Art. 9 BV),

Bern 2005, N 361 ff.). Dieses setzt voraus, dass es einem in sich schlüssi-

gen, folgerichtigen und widerspruchsfreien Denkvorgang folgt (s. UHLMANN,

a.a.O., N 361). Leidet ein staatlicher Akt an einem schweren inneren Wi-

derspruch, so ist er willkürlich (s. BGE 106 Ia 337 E. 2; Urteil des Bundes-

gerichts 1P.45/2000 vom 10. Februar 2000, E. 3c; UHLMANN, a.a.O., N 78

mit weiteren Hinweisen zu Lehre und Praxis).

5.5 Die Beschwerdegegnerin führt in der Schlussverfügung unter Ziff. II/3. Fol-

gendes aus:

"Allein die Durchsicht der erwähnten DVD lässt Zweifel an der potentiel-

len Erheblichkeit der erhobenen Daten im Zusammenhang mit dem

Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Augsburg aufkommen. Der

einzige Konnex zu den L. im Rahmen der Einvernahme vorgehaltenen

deutschen Firmen besteht bezüglich der […], indem eine […] AGB, wel-

che aber jedermann von der Internetseite der […] herunterladen kann,

festgestellt wurde. Demgegenüber erscheinen auch in anderem Zu-

sammenhang im Rechtshilfeersuchen erwähnten Transportfirmen […],

denen offenbar bloss (Schein-) Geschäfte im Rahmen des Umsatz-

steuerkarussells unterstellt werden. Eine summarische Durchsicht der

Akten der A. SA erweckt jedoch den Anschein von ganz normaler Ge-

schäftstätigkeit. Aus der Anwaltskorrespondent auf der DVD zwischen

[…] und der A. SA (Berufsgeheimnis!) geht hervor, dass offenbar vor

einem Jahr von den deutschen Behörden eine Warenladung mit Soft-

ware und Elektronikartikel im Wert von gut Euro 350'000.00 beschlag-

nahmt wurde und darüber ein Rechtsstreit entbrannte, der vom Lan-

desgericht Augsburg zugunsten der A. SA entschieden wurde, so dass

Ende Januar 2013 die Warenladung wieder herausgegeben werden

musste. Offenbar hat sich die Staatsanwaltschaft Augsburg damit nicht

abgefunden. Das Ganze erweckt den Anschein, als hat die Staatsan-

waltschaft Augsburg gegenüber den ersuchten Behörden in der

Schweiz nicht mit offenen Karten gespielt. Zusammenfassend erscheint

es fraglich, ob die beschlagnahmten Unterlagen/Daten herauszugeben

sind, weshalb man sich auch eine Rückfrage an die ersuchende Behör-

de überlegt hat."

- 15 -

5.6 Den vorstehenden Ausführungen des Beschwerdegegners ist zu entneh-

men, dass dieser grundsätzlich den von den deutschen Behörden gegen-

über der Beschwerdeführerin 1 erhobenen Verdacht in Frage stellt. Seine

Schlussfolgerungen stützt er im Wesentlichen auf seine summarische Wür-

digung der anlässlich der Hausdurchsuchung sichergestellten Beweismittel,

welche den Anschein von ganz normaler Geschäftstätigkeit erwecken wür-

den. Die Zweifel an der potentiellen Erheblichkeit der erhobenen Daten be-

gründet der Beschwerdegegner somit mit seinen Vorbehalten in Bezug auf

den Sachverhaltsvorwurf der deutschen Behörden. Bezweifelt der Be-

schwerdegegner den im Rechtshilfeersuchen geschilderten Tatverdacht,

stellt er das Vorliegen der entsprechenden Rechtshilfevoraussetzung in

Frage. Trotz dieser Zweifel entsprach der Beschwerdegegner mit Schluss-

verfügung vom 29. April 2013 dem deutschen Rechtshilfeersuchen und ver-

fügte die rechtshilfeweise Herausgabe der fraglichen Beweismittel. Ohne

damit einen Entscheid darüber vorweg zu nehmen, ob diese Zweifel an

sich berechtigt sind oder nicht, steht fest, dass zwischen den Erwägungen

in der angefochtenen Verfügung und dem Wortlaut des Dispositivs somit

ein offensichtlicher Widerspruch besteht.

5.7 Besteht zwischen dem Dispositiv und den Entscheidgründen ein Wider-

spruch, so ist der wirkliche Rechtssinn der Entscheidung festzustellen.

Verwaltungsverfügungen sind - unter Vorbehalt der Problematik von Treu

und Glauben - nicht nach ihrem Wortlaut, sondern nach ihrem tatsächlichen

rechtlichen Bedeutungsgehalt zu verstehen (vgl. BGE 120 V 496 E. 1a mit

Hinweisen, 123 V 106 nicht publ. E. 1c; s.a. BGE 116 II 614 E. 5a mit Hin-

weisen). Vorliegend liegt allerdings nicht ein unbeabsichtigter Widerspruch

zwischen Erwägung und Dispositiv vor. Ebenso wenig ist von einem Ver-

sehen auszugehen. In der Beschwerdeantwort vom 26. Juni 2013 hielt der

Beschwerdegegner an seinen in der Schlussverfügung gemachten "Erwä-

gungen und Freistellungen" fest und fügt hinzu, dass die "ersuchten

Schweizer Behörden, nachdem auf das Rechtshilfeersuchen der Staatsan-

waltschaft Augsburg eingetreten wurde, nach Möglichkeit im Sinne des Er-

suchens Rechtshilfe an Deutschland zu leisten hatten, dies allenfalls unter

Wahrung von tangierten Berufsgeheimnisse und höherwertigen Privat- und

Geschäftsinteressen" (act. 6). Es steht damit ausser Frage, dass der Be-

schwerdegegner in der angefochtenen Schlussverfügung die rechtshilfe-

weise Herausgabe der Beweismittel verfügt hat und der offene Wider-

spruch zwischen Dispositiv und Erwägungen vom Beschwerdegegner ge-

wollt ist.

5.8 Der Beschwerdegegner hat in der angefochtenen Verfügung nicht keine

Begründung für seinen Entscheid geliefert, sondern verschiedene Gründe

- 16 -

aufgeführt, welche seinem Entscheid im Grundsatz diametral entgegen

stehen. Ungeachtet dessen, ob die aufgeführten Gründe zutreffend sind

oder nicht, leidet dieser Entscheid an einem schweren inneren Widerspruch

und ist daher willkürlich. Die Beschwerde ist bereits aus diesem Grund be-

gründet und gutzuheissen. Die angefochtene Schlussverfügung ist vollum-

fänglich aufzuheben und die Sache ist der Vorinstanz zu neuem Entscheid

zurückzuweisen.

6.

6.1 Da die Sache der Vorinstanz zu neuem Entscheid zurückzuweisen und der

Verfahrensausgang noch offen ist, entfällt grundsätzlich eine weitergehen-

de Überprüfung des angefochtenen Entscheids. Vorliegend kommt hinzu,

dass aufgrund seiner schweren inneren Widersprüchlichkeit der materielle

Gehalt des angefochtenen Entscheids nicht festgelegt und daher auch

nicht konkret überprüft werden kann. Allerdings wurden sowohl von den

Beschwerdeführerinnen als auch vom BJ als Aufsichtsbehörde diverse Rü-

gen erhoben, welche das bisherige Vorgehen des Beschwerdegegners be-

treffen, weshalb sich grundsätzliche Erwägungen zuhanden aller Parteien

rechtfertigen.

6.2

6.2.1 In formeller Hinsicht muss das Rechtshilfeersuchen insbesondere Angaben

über den Gegenstand und den Grund des Ersuchens nennen (Art. 14 Ziff. 1

lit. b EUeR). Ausserdem muss das Ersuchen in Fällen wie dem vorliegen-

den die strafbare Handlung bezeichnen und eine kurze Darstellung des

Sachverhalts enthalten (Art. 14 Ziff. 2 EUeR; Art. 27 Ziff. 1 GwUe). Art. 28

Abs. 2 und 3 IRSG i.V.m. Art. 10 IRSV stellen entsprechende Anforderun-

gen an das Rechtshilfeersuchen.

Die Rechtsprechung stellt an die Schilderung des Sachverhalts im Rechts-

hilfeersuchen keine hohen Anforderungen. Von den Behörden des ersu-

chenden Staates kann nicht verlangt werden, dass sie den Sachverhalt, der

Gegenstand des hängigen Strafverfahrens bildet, bereits lückenlos und völ-

lig widerspruchsfrei darstellen. Das wäre mit dem Sinn und Zweck des

Rechtshilfeverfahrens nicht vereinbar, ersucht doch ein Staat einen ande-

ren gerade deswegen um Unterstützung, damit er die bisher im Dunkeln

gebliebenen Punkte aufgrund von Beweismitteln, die sich im ersuchten

Staat befinden, klären kann. Es reicht daher aus, wenn die Angaben im

Rechtshilfeersuchen den schweizerischen Behörden ermöglichen zu prü-

fen, ob ausreichende Anhaltspunkte für eine rechtshilfefähige Straftat vor-

liegen (vgl. Art. 5 Ziff. 1 lit. a EUeR), ob Verweigerungsgründe gegeben

sind (Art. 2 lit. a EUeR) bzw. in welchem Umfang dem Begehren allenfalls

- 17 -

entsprochen werden muss (BGE 129 II 97 E. 3.1 S. 98 m.w.H.). Es kann

auch nicht verlangt werden, dass die ersuchende Behörde die Tatvorwürfe

bereits abschliessend mit Beweisen belegt. Entspricht ein Ersuchen den

formellen Anforderungen nicht, so kann verlangt werden, dass es verbes-

sert oder ergänzt wird (Art. 28 Abs. 6 IRSG). Sind ergänzende Informatio-

nen notwendig, so holt gemäss Art. 80o Abs. 1 IRSG das Bundesamt diese

auf Verlangen der ausführenden Behörde oder der Rechtsmittelinstanz

beim ersuchenden Staat ein. Solange das Rechtshilfeersuchen den formel-

len Anforderungen nicht entspricht, darf die ausführende Behörde ihm nicht

entsprechen. Entgegen der Annahme des Beschwerdegegners (act. 6 S. 1)

ist dabei nicht entscheidend, dass auf das Rechtshilfeersuchen zunächst

eingetreten wurde.

Die ersuchte Behörde hat sich beim Entscheid über ein Rechtshilfeersu-

chen ebenso wenig dazu auszusprechen, ob die darin angeführten Tatsa-

chen zutreffen oder nicht. So hat der Rechtshilferichter weder Tat- noch

Schuldfragen zu prüfen und grundsätzlich auch keine Beweiswürdigung

vorzunehmen, sondern ist vielmehr an die Sachdarstellung im Ersuchen

gebunden, soweit sie nicht durch offensichtliche Fehler, Lücken oder Wi-

dersprüche sofort entkräftet wird (vgl. BGE 132 II 81 E. 2.1 S. 85 mit Hin-

weisen; Urteil des Bundesgerichts 1A.90/2006 und weitere vom

30. August 2006, E. 2.1; TPF 2007 150 E. 3.2.4).

6.2.2 Beim Tatbestand des Abgabebetrugs stellt die Rechtsprechung an den In-

halt des Rechtshilfeersuchens erhöhte Anforderungen. Eine hinreichend

präzise Umschreibung der Verdachtsgründe soll verhindern, dass sich die

ersuchende Behörde unter dem Deckmantel eines von ihr ohne Ver-

dachtsmomente lediglich behaupteten Abgabebetrugs Beweise verschafft,

die zur Ahndung anderer Fiskaldelikte dienen sollen, für welche die

Schweiz keine Rechtshilfe gewährt (BGE 116 Ib 96 E. 4c S. 103; 115 Ib 68

E. 3b/bb S. 78). Diese erhöhten Anforderungen gelten allerdings im

Rechtshilfeverkehr mit einem Schengen Staat im Bereich der indirekten

Fiskalität insoweit gerade nicht, als sich diesbezüglich die Schweiz zur

Leistung von Rechtshilfe gemäss Art. 50 SDÜ verpflichtet hat (vgl. supra

Ziff. 1.2) und in diesem Bereich der Ausschlussgrund gemäss Art. 3 Abs. 3

Satz 1 IRSG aufgrund des Vorranges des Staatsvertragsrechts

(s. ZIMMERMANN, a.a.O., S. 222 f. N. 227 mit Hinweisen auf die Recht-

sprechung) nicht greift. Vorliegend lautet der Vorwurf der deutschen Be-

hörden auf banden- und gewerbsmässige Umsatzsteuerhinterziehung. Da

die Umsatzsteuer im Bereich der indirekten Fiskalität anzusiedeln ist, gel-

ten die erhöhten Anforderungen an den Inhalt des Rechtshilfeersuchens in

casu nicht.

- 18 -

6.3

6.3.1 Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör fliesst auch das Recht des Be-

rechtigten auf Teilnahme an der Aussonderung der beschlagnahmten Un-

terlagen, welche an die ersuchende Behörde herauszugeben sind

(BGE 126 II 258 E. 9b/aa). In diesem Zusammenhang genügt es, wenn

dem Berechtigten Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zur Aussonde-

rung zu äussern (Urteil des Bundesgerichts 1A.228/2006, mit weiteren

Hinweisen). In concreto muss die ausführende Behörde nach der bundes-

gerichtlichen Rechtsprechung dem gemäss Art. 80h lit. b IRSG und Art. 9a

lit. b IRSV Berechtigten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs vorgängig an

den Erlass der Schlussverfügung auf konkrete und wirkungsvolle Weise die

Gelegenheit geben, sich zum Rechtshilfeersuchen zu äussern und unter

Angabe der Gründe geltend zu machen, welche Unterlagen etwa in An-

wendung des Verhältnismässigkeitsprinzips nicht herauszugeben sind (vgl.

Art. 30 Abs. 1 VwVG; BGE 130 II 14 E. 4.3 S. 16; 126 II 258 E. 9b/aa

S. 262; Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2007.24 vom 8. Mai 2007,

E. 3.1).

6.3.2 Ziel der Triage ist es, vor der rechtshilfeweisen Herausgabe der beschlag-

nahmten Beweismittel diejenigen auszuscheiden, welche für die ausländi-

sche Strafuntersuchung offensichtlich nicht relevant sind. Das Prinzip der

Verhältnismässigkeit, welchem Rechtshilfemassnahmen generell zu genü-

gen haben (ZIMMERMANN, a.a.O., S. 669 f., N. 715 mit Verweisen auf die

Rechtsprechung; Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2007.64 vom

3. September 2007, E. 3.2), gebietet ein solches Vorgehen. Die akzessori-

sche Rechtshilfe ist nur zulässig, soweit sie für ein Verfahren in strafrechtli-

chen Angelegenheiten im Ausland erforderlich erscheint oder dem Beibrin-

gen der Beute dient (vgl. Art. 63 Abs. 1 IRSG). Umgekehrt kann die interna-

tionale Zusammenarbeit nur abgelehnt werden, wenn die verlangten Unter-

lagen mit der verfolgten Straftat in keinem Zusammenhang stehen und of-

fensichtlich ungeeignet sind, die Untersuchung voranzutreiben, so dass das

Ersuchen nur als Vorwand für eine unzulässige Beweisausforschung

(“fishing expedition“) erscheint.

6.3.3 Die Sichtung der beschlagnahmten Unterlagen mit dem Ziel der Ausschei-

dung der für die ausländische Strafuntersuchung offensichtlich nicht rele-

vanten Unterlagen hat dabei grundsätzlich durch die zuständige Rechtshil-

febehörde zu erfolgen (vgl. BGE 122 II 367 E. 2c S. 371; zur Delegation der

Triage durch den Leitkanton an den beauftragten Kanton s. nachfolgend

Ziff. 6.3.4 f.). Sie kann diese Pflicht nicht auf den ersuchenden Staat ab-

schieben und ihm die Belege unsortiert übergeben (BGE 130 II 14 E. 4.3).

Da der ersuchte Staat im Allgemeinen nicht über die Mittel verfügt, die es

ihm erlauben würden, sich über die Zweckmässigkeit bestimmter Beweise

- 19 -

im ausländischen Verfahren auszusprechen, hat er insoweit die Würdigung

der mit der Untersuchung befassten Behörde nicht durch seine eigene zu

ersetzen und ist verpflichtet, dem ersuchenden Staat alle diejenigen Akten-

stücke zu übermitteln, die sich auf den im Rechtshilfeersuchen dargelegten

Sachverhalt beziehen können (sog. potentielle Erheblichkeit). Nicht zuläs-

sig ist es, den ausländischen Behörden nur diejenigen Unterlagen zu über-

lassen, die den im Rechtshilfeersuchen festgestellten Sachverhalt mit Si-

cherheit beweisen (zum Ganzen BGE 122 II 367 E. 2c S. 371; 121 II 241

E. 3a S. 242 f.; Urteile des Bundesgerichts 1A.115/2000 vom

16. Juni 2000, E. 2a; 1A.182/2001 vom 26. März 2002, E. 4.2; 1A.234/2005

vom 31. Januar 2006, E. 3.2; 1A.270/2006 vom 13. März 2007, E. 3 ; Ent-

scheide des Bundesstrafgerichts RR.2007.24 vom 8. Mai 2007, E. 4.1;

RR.2007.90 vom 26. September 2007, E. 7.2). Hierbei ist auch zu beach-

ten, dass für das ausländische Strafverfahren nicht nur belastende, son-

dern – entgegen der Annahme des Beschwerdegegners sowie der Be-

schwerdeführerinnen – auch entlastende Beweismittel von Bedeutung sein

können, um einen bestehenden Verdacht allenfalls widerlegen zu können

(TPF 2011 97 E. 5.1 S. 106 m.w.H.).

6.3.4 Für die vorzunehmende Ausscheidung der Unterlagen stützt sich die aus-

führende Behörde auf den Inhaber der Unterlagen ab, welcher nicht nur

das Recht auf Teilnahme an der Triage im vorgenannten Sinne (s. supra

Ziff. 6.3.1), sondern auch die Obliegenheit hat, die Rechtshilfebehörde bei

dieser Triage zu unterstützen (vgl. BGE 130 II 14 E. 4.3 S. 16 f.; 126 II 258

E.9b/aa S. 262; 122 II 367 E. 2d S. 372, je mit Hinweisen). Der von der

Rechtshilfemassnahme Betroffene hat die Obliegenheit, schon im Stadium

der Ausführung des Ersuchens (bzw. der erstinstanzlichen Rechtshilfever-

fügung) an der sachgerechten Ausscheidung beschlagnahmter Dokumente

nötigenfalls mitzuwirken, allfällige Einwände gegen die Weiterleitung ein-

zelner Aktenstücke (bzw. Passagen daraus), welche für die Strafuntersu-

chung offensichtlich entbehrlich sind, im Rahmen seiner Parteirechte ge-

genüber der ausführenden Behörde rechtzeitig und konkret darzulegen und

diese Einwände auch ausreichend zu begründen (BGE 122 II 367 E. 2c

S. 371 f.). Dies gilt besonders bei einer komplexen Untersuchung mit zahl-

reichen Akten. Kommt der Beschwerdeführer dieser Obliegenheit nicht

nach, hat er im Beschwerdeverfahren sein Rügerecht verwirkt. Diese Ob-

liegenheit gilt auch dann, wenn der Betroffene erst nach Erlass der

Schlussverfügung über die zu übermittelnden Beweismittel in Kenntnis ge-

setzt wurde und Gelegenheit erhielt, seine Einwände gegen die Herausga-

be zu begründen. Macht der Betroffene in der Folge im Beschwerdeverfah-

ren die Verletzung seiner Parteirechte und des Verhältnismässigkeitsprin-

zips geltend, ohne seine konkreten Einwände gegen die Weiterleitung ein-

zelner Aktenstücke darzulegen, ist er seiner Obliegenheit nicht nachge-

- 20 -

kommen und hat im Beschwerdeverfahren sein Rügerecht verwirkt. Die

Beschwerdeinstanz forscht nicht von sich aus nach Aktenstücken, die im

ausländischen Verfahren (mit Sicherheit) nicht erheblich sein könnten

(BGE 130 II 14 E. 4.3 S. 16; 126 II 258 E. 9b/aa S. 262; Urteile des Bun-

desgerichts 1A.223/2006 vom 2. April 2007, E. 4.1, sowie 1A.184/2004

vom 22. April 2005, E. 3.1). Entgegen der Annahme des Beschwerdegeg-

ners bleibt die Rechtshilfebehörde in jedem Fall verpflichtet, eine Triage der

beschlagnahmten Unterlagen vorzunehmen, selbst wenn die Berechtigten

sich der Herausgabe nicht oder nicht genügend substantiiert widersetzen

(BGE 130 II 14 E. 4.4 S. 17 f.).

6.3.5 Wie bereits vorstehend ausgeführt, genügt es nach der Rechtsprechung,

wenn dem Berechtigten Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zur Aus-

sonderung zu äussern. In der Regel setzt sie dem Inhaber hiefür eine Frist

an, die kurz sein kann, um in Bezug auf jeden einzelnen Beleg die Argu-

mente zu nennen, die seines Erachtens der Übermittlung entgegen stehen

(BGE 130 II 14 E. 4.4). Darüber hinaus ist die ausführende Behörde frei,

wie sie bei der Triage vorgehen will. Eine Durchsuchung von Datenträgern

anhand von Suchbegriffen ist zulässig und kann ausreichend sein (s. Ent-

scheide des Bundesstrafgerichts RR.2009.260-262 vom 18. März 2010,

E. 3.2; RR.2009.203 vom 23. Februar 2010, E. 4.2). Ob zusätzlich noch ei-

ne händische Auswahl erfolgen muss, wird im Einzelfall davon abhängen,

ob aufgrund der, allenfalls auch in Kombination, verwendeten Suchbegriffe

im Grundsatz bereits davon ausgegangen werden kann, dass die ausge-

schiedenen Daten einen Zusammenhang mit dem untersuchten Strafver-

fahren aufweisen und folglich als potentiell erheblich einzustufen sind (Ent-

scheide des Bundesstrafgerichts RR.2010.262 vom 11. Juni 2012, E. 6.3;

RR.2013.151-152 vom 17. Dezember 2013, E. 2). Werden elektronische

Datenträger wegen ihrer Daten beschlagnahmt, sind diese so schnell wie

möglich zu spiegeln und dem Inhaber zurückzugeben. Diese Aufgabe

(Spiegelung der Daten) kann vom Leitkanton ohne weiteres dem beauftrag-

ten Kanton übertragen werden. Dadurch wird verhindert, dass elektroni-

sche Datenträger länger als nötig beschlagnahmt bleiben, was bei aktiven

Geschäftsunternehmen zu erheblichen Störungen führen kann. Jedoch

kann der Leitkanton die Triage, d.h. die Aussonderung der elektronischen

Daten nach potentieller Erheblichkeit nicht vollständig an den beauftragten

Kanton delegieren. Vielmehr obliegt es dem Leitkanton, diese potentielle

Erheblichkeit festzustellen (und in der Schlussverfügung zu begründen),

denn nur der Leitkanton hat letztlich die Verantwortung für die juristisch kor-

rekte Durchführung des Rechtshilfeverfahrens und auch nur er hat bei

komplexen Verfahren den Überblick. Im vorliegenden Fall wurde die Daten-

triage offenbar mittels einer Stichwortliste durch den Kanton Tessin durch-

geführt. Diese Stichwortliste befindet sich hingegen nicht in den Akten.

- 21 -

Weder der Beschwerdegegner noch die Betroffenen konnten sich daher ei-

nen Eindruck darüber verschaffen, inwieweit die Stichwortliste sinnvoll ist

mit Blick auf die potentielle Erheblichkeit.

7.

7.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens unterliegt der Beschwerdegegner,

welchem als verfügende Vorinstanz keine Verfahrenskosten auferlegt wer-

den (Art. 63 Abs. 2 VwVG i.V.m. Art. 39 Abs. 2 lit. b StBOG). Die Bundes-

strafgerichtskasse ist anzuweisen, den Beschwerdeführerinnen den einbe-

zahlten Kostenvorschuss von Fr. 6'000.-- zurückzuerstatten.

7.2 Gemäss Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 39 Abs. 2 lit. b StBOG kann die

Beschwerdeinstanz der ganz oder teilweise obsiegenden Partei von Amtes

wegen oder auf Begehren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwen-

dige und verhältnismässig hohe Kosten zusprechen. Im Verfahren vor

Bundesstrafgericht besteht die Parteientschädigung aus den Anwaltskosten

(Art. 11 des Reglement des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über

die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren vom

31. August 2010 [BStKR; SR 173.713.162]). Diese umfassen das Honorar

und den Ersatz der notwendigen Auslagen (Art. 11 des Reglements). Ge-

mäss Art. 12 Abs. 2 BStKR setzt die Beschwerdekammer das Honorar

nach Ermessen fest, wenn der Rechtsanwalt die Kostennote nicht spätes-

tens mit der letzten Eingabe einreicht. Eine Kostennote wurde vorliegend

nicht eingereicht. Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint vorlie-

gend eine Entschädigung von insgesamt Fr. 1'000.-- inkl. MwSt. als ange-

messen.

- 22 -

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Schlussverfügung des Untersu-

chungsamtes St. Gallen vom 29. April 2013 wird aufgehoben und die Sache

zu neuem Entscheid zurückgewiesen.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben. Die Bundesstrafgerichtskasse wird

angewiesen, den Beschwerdeführerinnen den einbezahlten Kostenvor-

schuss von Fr. 6'000.-- zurückzuerstatten.

3. Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, den Beschwerdeführerinnen für das

Beschwerdeverfahren eine Entschädigung von Fr. 1'000.-- inkl. MwSt. aus-

zurichten.

Bellinzona, 7. Februar 2014

Im Namen der Beschwerdekammer

des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Zustellung an

- Rechtsanwalt Rossano Pinna

- Untersuchungsamt St. Gallen

- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann innert zehn Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht werden (Art. 100 Abs. 1 und 2 lit. b BGG).

Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn er eine Auslieferung, eine Beschlagnahme, eine Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten oder eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Art. 84 Abs. 1 BGG). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG).