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Kapitel 2 Elektrostatik im Vakuum In diesem Kapitel führen wir die wichtigen Grundbegriffe für das Verständnis elek- trischer Phänomene bei ruhenden Ladungen ein. Wir zeigen zunächst die Coulomb-Kraft, die zwischen zwei punktförmigen elek- trischen Ladungen wirkt. Anschließend stellen wir das elektrische Feld und seine Feldstärke vor. Wir werden das elektrische Potential sowie die Spannung einführen und dann über die sogenannte Poisson-Gleichung in der Lage sein, Felder beliebiger Ladungs- verteilungen zu berechnen. Unter Hinzunahme des elektrischen Flusses werden wir schließlich eine erste Formulierung für eine der Maxwell-Gleichungen präsentieren. 2.1 Ladung Die elektrische Ladung ist eine Eigenschaft von Teilchen wie z.B. Elektronen und Protonen. Diese beiden Teilchen tragen jeweils eine Elementarladung Q e mit dem Wert Q e D 1;602 176 565.35/ 10 19 C ; (2.1) wobei C die Einheit „Coulomb“ bezeichnet ( [7], siehe auch Abschn. 2.3: Millikan- Experiment). Elektrische Ladungen können „positiv“ oder „negativ“ sein, dementsprechend bezeichnen wir sie mit „C“ oder „“. Die Ladung ist für ein Elektron Q.e/ DQ e ; für ein Proton Q.p/ DCQ e : Genaue Untersuchungen zeigen, dass das Proton aus Quarks besteht, die drit- telzahlige Ladungen 1=3 Q e , C2=3 Q e tragen. Quarks sind immer durch starke Kräfte mit anderen Quarks oder Antiquarks verbunden und können nicht als freie Teilchen wie Elektronen oder Protonen im Raum existieren. M. Erdmann, G. Flügge, Experimentalphysik 6, Springer-Lehrbuch, 3 DOI 10.1007/978-3-642-17296-0_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

Elektrostatik im Vakuum

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Page 1: Elektrostatik im Vakuum

Kapitel 2Elektrostatik im Vakuum

In diesem Kapitel führen wir die wichtigen Grundbegriffe für das Verständnis elek-trischer Phänomene bei ruhenden Ladungen ein.

Wir zeigen zunächst die Coulomb-Kraft, die zwischen zwei punktförmigen elek-trischen Ladungen wirkt. Anschließend stellen wir das elektrische Feld und seineFeldstärke vor.

Wir werden das elektrische Potential sowie die Spannung einführen und dannüber die sogenannte Poisson-Gleichung in der Lage sein, Felder beliebiger Ladungs-verteilungen zu berechnen.

Unter Hinzunahme des elektrischen Flusses werden wir schließlich eine ersteFormulierung für eine der Maxwell-Gleichungen präsentieren.

2.1 Ladung

Die elektrische Ladung ist eine Eigenschaft von Teilchen wie z. B. Elektronen undProtonen. Diese beiden Teilchen tragen jeweils eine Elementarladung Qe mit demWert

Qe D 1;602 176 565.35/ � 10�19 C ; (2.1)

wobei C die Einheit „Coulomb“ bezeichnet ( [7], siehe auch Abschn. 2.3: Millikan-Experiment).

Elektrische Ladungen können „positiv“ oder „negativ“ sein, dementsprechendbezeichnen wir sie mit „C“ oder „�“. Die Ladung ist

für ein Elektron Q.e/ D �Qe ;

für ein Proton Q.p/ D CQe :

Genaue Untersuchungen zeigen, dass das Proton aus Quarks besteht, die drit-telzahlige Ladungen �1=3 Qe, C2=3 Qe tragen. Quarks sind immer durch starkeKräfte mit anderen Quarks oder Antiquarks verbunden und können nicht als freieTeilchen wie Elektronen oder Protonen im Raum existieren.

M. Erdmann, G. Flügge, Experimentalphysik 6, Springer-Lehrbuch, 3DOI 10.1007/978-3-642-17296-0_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

Page 2: Elektrostatik im Vakuum

4 2 Elektrostatik im Vakuum

Die Ladung von freien Teilchen, egal ob sie elementar sind oder aus Quarksbestehen, ist immer ein ganzzahliges Vielfaches der kleinsten Ladungseinheit, derElementarladung Qe.

2.1.1 Ladungseinheit Coulomb

Um nur eine minimale Anzahl physikalischer Grundgrößen zu definieren, wird dieEinheit Coulomb der Elementarladung auf den Transport von Ladungen und diedadurch verursachten Kräfte zurückgeführt. Erst im Abschn. 5.7.1 werden wir inder Lage sein, diese Definition im Detail zu verstehen. Das Konzept ist dabei dasFolgende:

Die Einheit des Stroms I ist Ampère A. Die Ladungsmenge Q, die pro Sekundedurch die Querschnittsfläche eines Leiters in Stromrichtung bei 1 A Strom transpor-tiert wird, ist

1 C D 1 A s : (2.2)

Die Stromstärke 1 A ist die Stromstärke, die zwischen zwei geraden, unendlichlangen und im Abstand von 1 m angeordneten Leitern im Vakuum eine Kraft von2 � 10�7 N pro Meter Leiterlänge verursacht.

2.2 Coulomb-Kraft

In unserer Umwelt sind Objekte typischerweise elektrisch neutral, die Ladungengleichen sich gegenseitig aus. Atome sind nach außen elektrisch neutral, da sich diepositiven Ladungen der Protonen im Kern und die negativen Ladungen der Elektro-nen in der Atomhülle ausgleichen.

Wenn wir elektrische Ladungen voneinander trennen, treten Kräfte auf:

• Anziehungskräfte zwischen entgegengesetzt geladenen Objekten .C; �/,• Abstoßungskräfte zwischen gleich geladenen Objekten .C; C/, .�; �/.

Page 3: Elektrostatik im Vakuum

2:2 Coulomb-Kraft 5

Experiment: Coulomb-Kraft

Wir nehmen zwei baugleiche, metallbeschichtete Kugeln mit Radius R �2 cm und montieren die eine Kugel auf einem Schlitten. Die zweite Kugelverbinden wir mit einem Kraftmesser, der auf der elektrischen Widerstands-änderung eines sogenannten Dehnungsmessstreifens basiert.

Durch Reibung mit einem geeigneten Tuch produzieren wir elektrischeLadungen auf einem Plastikstab und streifen die Ladungen an einer derKugeln ab. Dann verteilen wir die Ladungen durch eine kurze Berührungder beiden Kugeln. Anschließend messen wir die Abstandsabhängigkeit r derKraft F .

F

r/cm

r / cm7 8 9 10 20

/ m

No

F -

F

1

10

Coulomb-Kraft

In der logarithmischen Auftragung vergleichen wir die Messpunkte mit derGeraden lg F D �2 lg r C const: Im Fernbereich ist die Messung mit einer1=r2-Abhängigkeit kompatibel. Im Nahbereich erkennen wir Abweichungendurch die räumliche Ausdehnung der geladenen Kugeln. Die Eichgröße Fıder Kraftmessung wurde so justiert, dass die Kraft für große Entfernungenverschwindet: F.r D 1/ D 0.

Page 4: Elektrostatik im Vakuum

6 2 Elektrostatik im Vakuum

Genauere quantitative Untersuchungen ergeben: Die Kraft EF zwischen zweipunktförmigen Ladungen Q1 und Q2

• wirkt entlang der Verbindungsachse zwischen Q1 und Q2: Eer ,• ist proportional zur Größe (Menge) der Ladungen: Q1, Q2,• und ist proportional zum inversen Abstandsquadrat 1=r2, wie wir in dem obigen

Experiment gesehen haben.

Die 1=r2-Abhängigkeit lässt sich geometrisch interpretieren. Die Quellstärke derLadung Q1, die wir im Abstand r pro Einheitsfläche messen, nimmt mit der Kugel-oberfläche 4 � r2 ab, ist also proportional zu 1=r2.

Die Kraft ist damitEF D f � Q1 � Q2

r2Eer : (2.3)

Der Proportionalitätsfaktor f kann experimentell bestimmt werden: Zwischen zweiLadungen von Q1 D Q2 D 10�4 C im Abstand von 1 m wird eine Kraft vonF D 89;875 N gemessen, aus der der Wert von f bestimmt werden kann.

Um Grundgleichungen wie die Maxwell-Gleichungen möglichst einfach formu-lieren zu können, führt man folgende Konvention ein:

f � 1

4 � �ı; (2.4)

wobei �ı die Dielektrizitätskonstante bezeichnet.Wir werden im Rahmen der elektromagnetischen Wellen im folgenden Lernmo-

dul sehen, dass �ı mit der Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum und der sogenanntenmagnetischen Permeabilitätskonstanten �ı über �ı � �ı D c�2 verknüpft ist.

Nach den Definitionen unseres Einheitensystems ist die Lichtgeschwindigkeit c

festgelegt und im Abschn. 5.7.1 wird �ı bei der Definition der StromstärkeneinheitA auf �ı D 4 � 10�7 V s=.A m/ festgelegt. Konsistent berechnen wir daher aus�ı D 1=.�ı c2/:

�ı D 8;854 187 817: : : � 10�12 A s

V m(2.5)

Die Coulomb-Kraft zwischen zwei punktförmigen Ladungen lautet damit:

EF D 1

4 � �ı� Q1 � Q2

r2Eer (2.6)

Page 5: Elektrostatik im Vakuum

2:2 Coulomb-Kraft 7

Experiment: Elektroskop

Wir erzeugen mit einem Tuch Reibungselektrizität an einem Plastikstab undstreifen die Ladungen an einem Becher-Elektroskop ab.

Dieses Elektroskop besteht aus einem Metallbecher, an dessen Boden eineMetallstange montiert ist. An ihr ist ein beweglicher Metallzeiger angebracht,der leitend mit der Stange verbunden ist. Der Schwerpunkt des Zeigers liegtunterhalb seines Drehpunkts.

Wenn Stange und Zeiger elektrische Ladungen mit gleichem Vorzeichen tra-gen, stoßen sie sich gegenseitig ab. Es kommt zu einem Ausschlag des Zeigers,der durch die Gravitationskraft auf den Zeiger beschränkt wird.

2.2.1 Coulomb-Kraft einer Ladungsverteilung

Häufig untersuchen wir die Wirkung von mehreren Ladungen, die über ein Volu-men V verteilt sind. Für eine solche Ladungsverteilung definieren wir die Ladungs-dichte durch die Ladungsmenge �Q, die sich im Volumen �V am durch den Orts-vektor Er bezeichneten Punkt befindet:

�.Er/ D �Q

�V(2.7)

Die Gesamtladung erhalten wir durch Integration über das Volumen:

Q DZ

�.Er/ dV (2.8)

Die Kraft auf eine Probeladung q außerhalb des Volumens ist davon abhängig, wel-chen Abstand die Probeladung von den Ladungen im Volumen hat:

EF . ER/ D q

4 � �ı�Z ER � Er

j ER � Er j3� �.Er/ dV (2.9)

Page 6: Elektrostatik im Vakuum

8 2 Elektrostatik im Vakuum

Legen wir den Ursprung des Koordinatensystems in den Bereich der Ladungsvertei-lung (siehe Abbildung), so ergibt sich bei Entfernungen j ERj, die groß im Vergleichzur Ausdehnung jEr j der Ladungsverteilung sind (j ERj � jEr j), die Coulomb-Kraft(2.6) mit Q D R

� dV als gute Näherung.

2.3 Feld

Eine elektrische Ladung Q erzeugt ein elektrisches Feld. Um die Existenz des Feldsnachzuweisen, verwenden wir eine Probeladung q und messen die Kraft, die dasFeld der Ladung Q auf unsere Probeladung ausübt. In diesem Sinn definieren wirdie elektrische Feldstärke EE durch ihre Kraft pro Probeladung q:

EE DEFq

(2.10)

2.3.1 Elektrisches Feld einer Punktladung

Die elektrische Feldstärke einer punktförmigen Ladung Q steht mit der Coulomb-Kraft (2.6) in folgender Beziehung

EE.Er/ D 1

q� EF (2.11)

D 1

4 � �ıQ

r2Eer (2.12)

Page 7: Elektrostatik im Vakuum

2:3 Feld 9

Zur Visualisierung des elektrischen Felds zeichnet man Feldlinien, deren Rich-tungen nach Konvention von einer positiven Ladung weg zeigen, bzw. zu einer nega-tiven Ladung hin zeigen. Die Dichte der gezeichneten Feldlinien ist dabei ein Maßfür die elektrische Feldstärke. Die Feldlinien schneiden sich nicht.

Aufgabe 2.1: Elektrisches Feld

Zwei positive elektrische Punktladungen sitzen an folgenden Positionen imKoordinatensystem:

1. Ladung Qe bei

�0

1

2. Ladung Qe bei

�1

0

Gesucht sind der Betrag und die Richtung des elektrischen Felds EE in denPunkten

a) P1 bei

�1

1

�b) P2 bei

�0;5

0;5

�(2 Punkte)

Lösung zu Aufgabe 2.1: Elektrisches Feld

Page 8: Elektrostatik im Vakuum

10 2 Elektrostatik im Vakuum

2.3.2 Elektrisches Feld einer unendlich ausgedehnten Leiterplatte

Bislang haben wir das elektrische Feld von punktförmigen Ladungen untersucht(2.12). Im Folgenden berechnen wir das elektrische Feld einer ebenen Ladungsver-teilung.

Die Dichte � der Ladungen dQ, die sich auf einer Plattenfläche der Größe dA

befinden, bezeichnen wir als Flächenladungsdichte

� D dQ

dA: (2.13)

Die Leiterplatte soll homogen geladen sein, d. h. � D const: Die Ladung dQ D� dA übt auf die Probeladung q im Abstand Eb folgende Coulomb-Kraft (2.6) aus:

d EF D q

4 � �ı� � � dA �

Ebb3

(2.14)

Die Kraftkomponente parallel zur Leiterplatte ist

dFk D jd EF j � sin ˛ : (2.15)

Aufgrund der Symmetrie heben sich die zur Platte parallelen Kraftkomponentengegenseitig auf:

Fk D 0 (2.16)

Die Komponente der Kraft senkrecht zur Plattenoberfläche ist

dF? D jd EF j � cos ˛ : (2.17)

Mit Gleichung (2.14) und dem Flächenelement dA D r dr d' eines Kreisrings aufder Platte ist die Gesamtkraft aller Ladungen der Platte auf die Probeladung q:

F? DZ

jd EF j � cos ˛ (2.18)

D q �

4 � �ı

1Z

rD0

2�Z

'D0

cos ˛1

b2r dr d' (2.19)

Page 9: Elektrostatik im Vakuum

2:3 Feld 11

Das Integral über den Azimutalwinkel können wir sofort ausführenR 2�

'D0d' D

2� .Die Integration über r kann auf eine Integration über den Winkel ˛ zurückgeführt

werden.Mit Hilfe des Zusammenhangs r=a D tan ˛ ist

dr

d˛D a � d tan ˛

d˛D a

1

cos2 ˛: (2.20)

Mit zusätzlich

a

bD cos ˛ (2.21)

vereinfacht sich der verbleibende Integrand von Gleichung (2.19) zu:

cos ˛1

b2� r � dr D cos ˛

cos2 ˛

a2� a tan ˛ � a

1

cos2 ˛d˛ (2.22)

D sin ˛ d˛ (2.23)

D �d cos ˛ (2.24)

Die Integrationsgrenze für den minimalen Abstand zwischen der Platte und derProbeladung ist cos.˛ D 0/ und für einen unendlich weit entfernten Punkt cos.˛ D�=2/. Damit ergibt sich als Gesamtkraft der Platte auf die Probeladung:

F? D q �

4 � �ı� 2� �

cos. �2 /Z

cos.0/

.�d cos ˛/ (2.25)

D q �

2 �ı.�.0 � 1// (2.26)

D q �

2 �ı(2.27)

Die Kraft ist konstant und unabhängig vom Abstand a der Probeladung q von derPlatte. Das elektrische Feld E D F=q (2.10) ist dementsprechend ebenfalls kon-stant:

E D �

2 �ı(2.28)

Bei einem Kondensator verwendet man zwei entgegengesetzt gleich geladenePlatten, so dass die Kraft auf die zwischen die Platten positionierte Probeladungdoppelt so groß ist:

E D �

�ı(2.29)

Page 10: Elektrostatik im Vakuum

12 2 Elektrostatik im Vakuum

Experiment: Millikan-Versuch zur Bestimmung der Elementarladung

Eine wichtige Anwendung des elektrischen Felds ist der Versuch von R.A.Millikan zum Nachweis und zur Messung der elektrischen Elementarladung.Öltröpfchen werden mit einem Zerstäuber z. B. positiv aufgeladen und ineinen Kondensator gebracht.

Beim ausgeschalteten elektrischen Feld fallen die Tröpfchen durch dieGewichtskraft EFG D �Öl � .4=3/ � r3 � Eg mit der Geschwindigkeit Ev.t/ nachunten, wobei sie durch den Auftrieb EFA D ��Luft � .4=3/ � r3 � Eg und die Sto-

kesche Reibung EFR D �6 � � r Ev gebremst werden. Hier bezeichnen r denTröpfchenradius, �i die Dichten von Öl und Luft, � die Viskosität der Luft undEg die Erdbeschleunigung. Die Gesamtkraft EF auf ein Öltröpfchen beträgt:

EF D EFG C EFA C EFR

D .�Öl � �Luft/4

3� r3 Eg � 6 � � r Ev1

Da EFR mit der Geschwindigkeit anwächst, stellt sich nach kurzer Zeit einKräftegleichgewicht und damit eine konstante Geschwindigkeit Ev1 ein, d. h.EF D 0.

Damit können wir zunächst den Radius des Öltröpfchens bestimmen:

r D 3

r� v1

2 .�Öl � �Luft/ g

Durch Einschalten des elektrischen Felds kommt die Kraft EFE D q EE hinzu

EF D EFG C EFA C EF 0R C EFE

und es stellt sich eine neue konstante Geschwindigkeit Ev2 und damit wiederEF D 0 ein. Da EFG und EFA unverändert bleiben, entspricht die Kraft durch das

elektrische Feld der Differenz der Reibungskräfte:

EFE D EFR � EF 0R

Page 11: Elektrostatik im Vakuum

2:3 Feld 13

Durch Einsetzen erhalten wir für die elektrische Ladung des Öltröpfchens:

q D .v1 � v2/6 � � r

E

Man kann also durch Messung der beiden Geschwindigkeiten die Ladung derÖltröpfchen bestimmen. Der Versuch zeigt, dass nur Vielfache der Elementar-ladung (2.1) auftreten.

2.3.3 Influenz

Bringt man ein leitendes Material in ein elektrisches Feld,so werden frei bewegliche Ladungsträger durch die KraftEF D q � EE verschoben und erzeugen ein Gegenfeld. Diese

Ladungsverschiebung heißt Influenz.

Experiment: Ladungstrennung

Wir bringen zwei aneinanderliegende Metallplatten in daselektrische Feld eines Plattenkondensators. Durch Influ-enz sammeln sich an den äußeren Flächen die LadungenQ und �Q. Trennen wir nun die Platten, so bleiben dieLadungen auf den Leitern erhalten, auch wenn wir diese aus dem Feld entfer-nen. Die Ladungen können wir mit einem Elektroskop nachweisen.

Page 12: Elektrostatik im Vakuum

14 2 Elektrostatik im Vakuum

2.4 Potential

Wir bewegen eine Probeladung q im elektrischen Feld einer ortsfesten Ladung Q

von r1 nach r2 > r1.

Die Coulomb-Kraft ist wie die Gravitationskraft eine Zentralkraft und konservativ.In der Abbildung ist aus der Kugelflächensymmetrie des elektrischen Felds der imZentrum sitzenden Ladung ersichtlich, dass die Arbeit für das Verschieben der Pro-beladung unabhängig vom exakten Verlauf des Wegs ist.

1. Haben beide Ladungen q und Q das gleiche Ladungsvorzeichen so leistet dasSystem Arbeit und verliert dabei potentielle Energie.

2. Bei entgegengesetzten Ladungsvorzeichen von q und Q müssen wir Arbeit amSystem leisten. Das System gewinnt dabei potentielle Energie.

Wir konzentrieren uns im Folgenden auf den zweiten Fall und berechnen ihnähnlich wie die Verschiebung eines massebehafteten Probekörpers von einer erd-nahen zu einer erdfernen Position, die wir im Rahmen der Gravitation im Lehr-und Lernmodul 2 vorgestellt haben. Beide Kräfte haben die Abstandsabhängigkeit1=r2 und in diesem Fall ein negatives Vorzeichen für anziehende Kräfte, was beider Coulomb-Kraft in den Ladungsvorzeichen enthalten ist.

Beim Verschieben einer positiven Probeladung q D jqj im Feld der negativenLadung Q D �jQj vom Abstand r1 nach r2 > r1 leisten wir Arbeit an der Probe-ladung, die wir laut Vorzeichenkonvention negativ zählen:

W D �r2Z

r1

EF d Er (2.30)

D �r2Z

r1

1

4 � �ıQ q

r2dr (2.31)

D � �jQj � jqj4 � �ı

r2Z

r1

1

r2dr (2.32)

D jQj � jqj4 � �ı

�1

r1

� 1

r2

�> 0 (2.33)

Page 13: Elektrostatik im Vakuum

2:4 Potential 15

Wie bei der Gravitation definieren wir nun das elektrostatische Potential ˚ überdie potentielle Energieänderung �Epot. Als Referenzwert setzen wir nach der übli-chen Konvention bei unendlichem Abstand Epot.r D 1/ D 0. Entfernen wir diepositive Probeladung q von der negativen Ladung Q vom Abstand r zum Abstandr ! 1, so leisten wir nach (2.33) die Arbeit:

W D jQj � jqj4 � �ı

�1

r� 1

1�

(2.34)

D jQj4 � �ı r

� jqj (2.35)

Gleichzeitig erhöhen wir die potentielle Energie der positiven Probeladung q von

Epot.r/ D � jQj4 � �ı r„ ƒ‚ …

�˚

� jqj (2.36)

auf den der Konvention entsprechenden Wert von

Epot.1/ D 0 : (2.37)

Als Differenz der potentiellen Energien ergibt sich konsistent der positive Wert

�Epot D Epot.1/ � Epot.r/ (2.38)

D jQj4 � �ı r

� jqj : (2.39)

Den ersten Term auf der rechten Seite von Gleichung (2.36) bezeichnen wir als daselektrostatische Potential der negativen Ladung Q:

˚ D � jQj4 � �ı

1

r(2.40)

Page 14: Elektrostatik im Vakuum

16 2 Elektrostatik im Vakuum

Mathematischer Einschub: Gradient

Der Gradient bezeichnet eine Vorschrift für die Richtungsableitungen einerFunktion ˚ , deren Ergebnis ein Vektor ist. Für kartesische Koordinaten gilt:

grad ˚ D

0B@

@˚@x@˚@y

@˚@z

1CA (2.41)

Für Kugelkoordinaten ist:

grad ˚ D

0BB@

@˚@r

1r

@˚@�

1r sin �

@˚@'

1CCA (2.42)

Mit dem Gradienten in Kugelkoordinaten erhalten wir den bereits aus der Gravita-tion bekannten Zusammenhang zwischen der Kraft und dem Potential:

grad ˚ D � jQj4 � �ı

�@

@r

1

r

�Eer (2.43)

D jQj4 � �ı

1

r2Eer (2.44)

D �EF

jqj (2.45)

Das Minuszeichen im letzten Schritt ist durch die anfangs vereinbarten verschiede-nen Ladungsvorzeichen von q und Q begründet.

Mit dieser Gleichung und der Definition (2.10) der elektrischen Feldstärke EEformulieren wir einen Zusammenhang zwischen dem elektrischen Feld und demPotential:

grad ˚ D � EE (2.46)

Umgekehrt ergibt sich in allgemeiner Form das elektrostatische Potential aus derelektrischen Feldstärke anhand des Integrals:

˚.r/ D �Z

EE d Er (2.47)

Page 15: Elektrostatik im Vakuum

2:4 Potential 17

Konkret berechnen wir z. B. für r2 ! 1 wegen ˚.1/ D 0:

˚.r2/ � ˚.r1/ D �r2Z

r1

EE d Er (2.48)

˚.r1/ D1Z

r1

EE d Er (2.49)

In der folgenden Grafik sind die Zusammenhänge zwischen Potential und Feldzusammengefasst.

2.4.1 Potential einer Ladungsverteilung

Das elektrostatische Potential einer kontinuierlichen Ladungsverteilung berechnenwir mit den Gleichungen (2.9) und (2.49):

˚. ER/ D1Z

R

EF . ER/

qd ER (2.50)

D 1

4 � �ı

1Z

R

Z

V

ER � Erˇ̌ˇ ER � Er

ˇ̌ˇ3

�.Er/ dV d ER (2.51)

D 1

4 � �ı

Z

V

264

1Z

R

ER � Erˇ̌ˇ ER � Er

ˇ̌ˇ3

d ER

375 �.Er/ dV (2.52)

Die Integrale können vertauscht werden, da dV.Er/ sich auf die Ladungsverteilungbezieht und d ER den Abstand zum Beobachtungspunkt bezeichnet.

Für den eindimensionalen Fall ist das innenliegende Integral durch Substitutionvon z � R � r und dz D dR einfach zu lösen:

1Z

R

R � r

jR � r j3 dR D1Z

z

1

z2dz (2.53)

Page 16: Elektrostatik im Vakuum

18 2 Elektrostatik im Vakuum

D 1

z(2.54)

D 1

R � r(2.55)

Den allgemeinen Lösungsansatz für das Potential in drei Dimensionen geben wirhier an:

˚. ER/ D 1

4 � �ı

Z

V

�.Er/ˇ̌ˇ ER � Er

ˇ̌ˇ dV (2.56)

Beispiel: Potential einer diskreten Ladungsverteilung

Um das Potential und das elektrische Feld von N diskreten Ladungen zuberechnen, die im Raum verteilt sind, ersetzen wir in Gleichung (2.56) dieIntegration über das Volumen durch die Summe über alle Ladungen Qi :

˚. ER/ D 1

4 � �ı

NXiD1

Qi

j ER � Eri j(2.57)

ii

Für eine negative Punktladung Q D �jQj erhalten wir damit in der NäherungjEr j � j ERj wie in (2.40)

˚. ER/ D � 1

4��ı� jQjˇ̌ˇ ERˇ̌ˇ : (2.58)

Anordnungen von mehreren Ladungen werden Multipole genannt. Die einfacheÜberlagerung (Superposition) der einzelnen Potentiale ist deswegen möglich, weilalle Terme in (2.57) nur linear vorkommen.

Page 17: Elektrostatik im Vakuum

2:5 Dipolmoment 19

Beispiel: Multipole

Beispiele für Multipole sind der

• Dipol: 2 entgegengesetzte Ladungen im Abstand d

• Quadrupol: 2 positive und 2 negative Ladungen

Es gibt außerdem den Sextupol, den Oktupol und so weiter. Der sogenannteMonopol trägt nur 1 Ladung.

2.5 Dipolmoment

Zwei gleich große elektrische Ladungen mit unterschiedlichem Ladungsvorzeichenbefinden sich im Abstand d voneinander. Diese Anordnung bezeichnen wir alsDipol.

Nach Gleichung (2.57) lautet das Potential ˚ des Dipols am Ort ER:

˚. ER/ D 1

4 � �ı

0@ Q

j ER � Ed2

j� Q

j ER C Ed2

j

1A (2.59)

Unser Ziel ist, aus dem Potential das elektrische Feld des Dipols zu berechnen.Für genügend große Entfernungen (R � d ) können wir das Potential in einer

Taylorentwicklung um den Abstand der beiden Ladungen d D 0 nähern.

f .d/ � 1

j ER ˙ Ed2

jD 1q

R2x C .Rz ˙ d

2/2

D

R2x C

�Rz ˙ d

2

�2!�1=2

(2.60)

f .0/ D 1

R(2.61)

f 0.d/ D �1

2�

R2x C

�Rz ˙ d

2

�2!�3=2

��

2 ��

Rz ˙ d

2

����

˙1

2

�(2.62)

D �1

2��

Rz ˙ d

2

��

R2 ˙ Rzd C�

d

2

�2!�3=2

(2.63)

Page 18: Elektrostatik im Vakuum

20 2 Elektrostatik im Vakuum

f 0.0/ D �1

2

Rz

R3(2.64)

In dieser Näherung ist der Abstandsterm unter Verwendung von Rz D R cos :

1

j ER � Ed2

j� 1

j ER C Ed2

j��

1

RC Rz

2R3� d

���

1

R� Rz

2R3� d

�(2.65)

D Rz � d

R3(2.66)

D R � d � cos

R3(2.67)

D d � cos

R2(2.68)

Das Dipolpotential lautet damit:

˚. ER/ D 1

4 � �ıQ � d„ƒ‚…

�p

cos

R2(2.69)

Wir definieren das elektrische Dipolmoment Ep durch

Ep D Q � Ed : (2.70)

Dabei ist Ed der Vektor, welcher von der negativen zur positiven Ladung zeigt

.

Als Dipolpotential erhalten wir mit dem Betrag des Dipolmoments p D j Epj:

˚. ER/ D 1

4 � �ıp cos

R2: (2.71)

Das elektrische Feld EE des Dipols berechnen wir nach Gleichung (2.46) durch denGradienten des Potentials:

grad ˚ D � EEDas Potential liegt bereits in Kugelkoordinaten r; ; ' vor.

Mit dem Gradienten (2.42) ergeben sich die folgendenKomponenten für das elektrische Dipolfeld. Für die radialeKomponente erhalten wir aus Er D �@˚=@R:

Er D 2

4 � �ıp cos

R3(2.72)

Für die polare Komponente erhalten wir mit E� D �.1=R/ @˚=@ :

E� D 1

4 � �ıp sin

R3(2.73)

Page 19: Elektrostatik im Vakuum

2:6 Spannung 21

Die azimutale Ableitung E' D �1=.R sin / @˚=@' liefert keinen Beitrag, da dasPotential keine explizite Abhängigkeit von ' besitzt:

E' D 0 (2.74)

Die letzte Gleichung impliziert die Rotationssymmetrie des elektrischen Felds umdie Achse des Dipols.

Für die anderen Koordinatenrichtungen denken wir uns das orthogonale Dreibeinder Kugelkoordinaten an die jeweilige Raumrichtung angeheftet:

Bei der Beobachtung des Felds in der Richtung der Dipolachse ist D 0 unddamit sin D 0 und cos D 1. Hier ist die radiale Komponente des Felds Er

maximal, während das Feld E� in der Richtung des Polarwinkelvektors Ee� Null ist.Beobachten wir das Feld aus einer zur Dipolachse senkrechten Richtung, ist D

90ı und damit sin D 1 und cos D 0. Hier ist die radiale Komponente des FeldsEr D 0, während das Feld E� in der Richtung des Polarwinkelvektors Ee� maximalist: Das elektrische Feld steht parallel zur Dipolachse.

Die eingezeichnete positive Probeladung würde also entlang der Feldlinie nachunten wandern.

2.6 Spannung

Die Potentialdifferenz zwischen zwei Punkten Er1, Er2 heißt elektrische SpannungU :

U D ˚.Er2/ � ˚.Er1/ (2.75)

Page 20: Elektrostatik im Vakuum

22 2 Elektrostatik im Vakuum

Die Einheit der elektrischen Spannung U ist Volt V, wobei sich der Zusammenhangmit bekannten Einheiten aus der Definitionsgleichung für das elektrische Potential(2.47) ergibt:

1 V D 1N m

A s(2.76)

Anstelle des Potentials können wir auch das elektrische Feld zur Bestimmungder Spannung verwenden. Nach Gleichung (2.48) erhalten wir die Spannung überdas Wegintegral im elektrischen Feld EE:

U DZ

EE d Es (2.77)

2.6.1 Statische Anwendung

Experiment: Potentialdifferenz

Durch Reibungselektrizität bringen wir Ladungen Q auf eine der Konden-satorplatten und messen die Spannung U zwischen den Platten mit einemVoltmeter. Je mehr Ladungen wir aufbringen, desto größer ist die gemesseneSpannung.

Beim Aufbringen der Ladungen auf die Kondensatorplatten entsteht ein elektri-sches Feld im Kondensator, das wir für endlich große Plattengrößen A nach denGleichungen (2.13) und (2.29) näherungsweise durch

E D �

�ı(2.78)

� Q

A �ı(2.79)

beschreiben können. Die Feldstärke E ist also proportional zur aufgebrachtenLadung Q:

j EEj / Q (2.80)

Page 21: Elektrostatik im Vakuum

2:6 Spannung 23

Die gemessene Spannung U zwischen den beiden Leiterplatten beträgt nach Inte-gration von Gleichung (2.77) über den Abstand d der Kondensatorplatten:

U DdZ

0

EE d Er (2.81)

D E d (2.82)

Gleichungen (2.80) und (2.82) implizieren, dass die Spannung zwischen den Kon-densatorplatten proportional zur Ladung Q im Kondensator ist:

U / Q (2.83)

Umgekehrt können wir den Kondensator auch mit Hilfe einer Gleichspannungs-quelle laden. Je höher wir die Spannung U wählen, desto mehr Ladungsträger Q

sammeln sich auf den Kondensatorplatten.

2.6.2 Dynamische Anwendung

Die Bedeutung einer Potentialdifferenz können wir auch bei der Bewegung vongeladenen Teilchen im folgenden Beispiel verstehen. Wird eine negative Probela-dung q D �jqj im Feld der positiven Ladung Q vom Abstand r2 > r1 nach r1

bewegt, so verliert die Probeladung q potentielle Energie.Wir haben diese Energie bereits in (2.33) berechnet und den Zusammenhang mit

dem Potential hergestellt (2.40):

�Epot D �jQj � jqj4 � �ı

��

1

r2

� 1

r1

�(2.84)

D q .˚.r2/ � ˚.r1// (2.85)

D q U (2.86)

Da die Gesamtenergie E des Systems aus beiden Ladungen eine Erhaltungsgrößeist, gewinnt vom Bezugssystem der Ladung Q aus gesehen die anfangs ruhendeProbeladung q die kinetische Energie:

E.r2/ D E.r1/ (2.87)

Ekin.r2/ C Epot.r2/ D Ekin.r1/ C Epot.r1/ (2.88)

Ekin.r1/ � Ekin.r2/„ ƒ‚ …D0

D Epot.r2/ � Epot.r1/ (2.89)

Ekin.r1/ D �Epot (2.90)

Page 22: Elektrostatik im Vakuum

24 2 Elektrostatik im Vakuum

Mit Gleichung (2.86) erhalten wir

Ekin D q � U : (2.91)

Dieser Zusammenhang zwischen Energie, Ladung und Spannung motiviert eineEnergieeinheit für Teilchen, das sogenannte Elektronenvolt eV [7]:

1 eV D 1;602 176 565.35/ � 10�19 J (2.92)

Aufgabe 2.2: Elektronenbeschleunigung

Ein Elektron wird im elektrischen Feld EE zweier Leiterplatten auf die Endge-schwindigkeit v beschleunigt.

Gegeben:

• Zwischen den beiden Leiterplatten isteine Spannung von U D 1 V angelegt.

• Elektronenmasse m D 10�30 kg,• Elektronenladung q D 1;6 � 10�19 C,• Lichtgeschwindigkeit c D 3 � 108 m

s .

Gesucht:

ˇ D v=c des Elektrons bei der positiv geladenen Elektrode (Anode).

(1 Punkt)

Lösung zu Aufgabe 2.2: Elektronenbeschleunigung

Page 23: Elektrostatik im Vakuum

2:6 Spannung 25

2.6.3 Erzeugung hoher Spannungen

Bringt man Ladungen auf die Innenseite eines Metallbechers auf, so werden dieseauf die Außenseite des Bechers verschoben, da sie sich abstoßen. Damit lässt sichder Becher sehr hoch aufladen. Grenzen hierfür werden aber durch die Isolation derKomponenten gegeben.

Experiment: Band-Generator

Beim Van-De-Graaff-Generator rotiert ein Band aus isoliertem Material überzwei Achsen.

Auf der einen Seite wird es mit positiven Ladungen besprüht, die auf deranderen Seite auf einer Metall-Hohlkugel gesammelt werden.

Bringen wir ein Metallstück an einem isolierten Griff in die Nähe der Kugel,kommt es zu sichtbaren Überschlägen.

Alternativ stecken wir vor dem Laden ein Büschel aus Papierfäden an dieKugel: Beim Laden richten sich die Fäden durch ihre elektrische Abstoßungauf.

Bei diesem Versuch müssen die Sicherheitsvorschriften unbedingt einge-halten werden.

Mit Band-Generatoren können elektrische Spannungen von über 1 MV (Mega-volt) erzeugt werden. Sie werden z. B. zur Beschleunigung von Teilchen verwendet.

Der Innenbereich der Kugel bleibt feldfrei . EE D 0/. Damit wird ein Schutzraumvor hohen Spannungen ermöglicht, der sogenannte Faraday-Käfig. Er schützt vorelektrischen Feldern, beispielsweise bei Blitzschlägen. Im nächsten Abschnitt wer-den wir diese Eigenschaft von Leitern weiter untersuchen.

Page 24: Elektrostatik im Vakuum

26 2 Elektrostatik im Vakuum

2.7 Fluss

Der elektrische Fluss beschreibt, wie ein elektrisches Feld EE eine Oberfläche A

durchdringt:

DZ

A

EE � d EA (2.93)

Stellen wir uns die Feldlinien vor, die die Oberfläche A durchdringen, so gibt derelektrische Fluss ein Maß für die Zahl der Feldlinien durch A. Das Skalarproduktin dieser Definitionsgleichung sorgt dafür, dass nur die elektrische Feldkompo-nente parallel zum Normalenvektor d EA der Oberfläche gewertet wird. Das Integralerstreckt sich über die gesamte betrachtete Oberfläche.

Beispiel: Fluss einer Punktladung durch eine Kugeloberfläche

Die Kugeloberfläche habe den Radius R. Das Oberflächenelement der Kugelist dA D R2 sin d d'. Einsetzen des elektrischen Felds der Punktladungnach Gleichung (2.12) in (2.93) ergibt den Fluss:

D2�Z

'D0

�Z

�D0

1

4 � �ıQ

R2� R2 d' sin d (2.94)

D 1

4 � �ıQ �

2�Z

0

d'

�Z

0

sin d (2.95)

D 1

4 � �ıQ � 4� (2.96)

D Q

�ı(2.97)

Page 25: Elektrostatik im Vakuum

2:7 Fluss 27

Mathematischer Einschub: Geschlossene Integrale

Integrale über geschlossene Kurven oder Flächen werden üblicherweise durchdas Symbol I

dargestellt.

Dasselbe Resultat wie für die Punktladung erhalten wir für eine Ladungsverteilung,die sich vollständig innerhalb einer solchen Kugel mit Radius R befindet. Mit derGesamtladung Q D R

� dV erhalten wir für den elektrischen Fluss durch dieOberfläche der Kugel:

DI

A

EE d EA (2.98)

D 1

�ı

Z� dV (2.99)

D Q

�ı(2.100)

Es lässt sich zeigen, dass dieser Zusammenhang allgemein für beliebige geschlos-sene Oberflächen A gilt. Dies ist der sogenannte Gauß’sche Satz der Elektrostatik:

I

A

EE d EA D Q

�ı(2.101)

Der elektrische Fluss durch eine geschlossene Oberflächen A ist proportional zuder von A eingeschlossenen Gesamtladung Q.

Im Folgenden werden wir den Gauß’schen Satz (2.101) in differentielle Formumschreiben und damit eine erste Formulierung der Maxwell-Gleichung (1.7) erhal-ten.

Page 26: Elektrostatik im Vakuum

28 2 Elektrostatik im Vakuum

Mathematischer Einschub: Divergenz

Die Divergenz eines Vektorfelds bezeichnet eine Ableitungsvorschrift, die dieRichtungsableitungen in einer skalaren Größe zusammenfasst:

div EE D

0B@

@@x@

@y

@@z

1CA �

0B@

Ex

Ey

Ez

1CA (2.102)

D @Ex

@xC @Ey

@yC @Ez

@z(2.103)

Für das elektrische Feld ist div EE ein Maß für die Quellstärke des elektrischenFelds.

Mathematischer Einschub: Gauß’scher Satz der Mathematik

Nach dem Gauß’schen Satz der Mathematik gilt für eine geschlossene Ober-fläche: I

A

EE d EA DZ

V

div EE dV (2.104)

Dabei bezeichnet V das von der Fläche A eingeschlossene Volumen.

Um den Fluss der Ladungsverteilung mit der Dichte � zu erhalten, setzen wir (2.99)auf der linken Seite der Definitionsgleichung (2.93) ein und ersetzen die rechte Seitenach dem Gauß’schen Satz (2.104):

DI

EE d EA (2.105)

Z�

�ıdV D

Zdiv EE dV (2.106)

Vergleichen wir die Integranden dieser Gleichung, erhalten wir:

div EE D �

�ı(2.107)

Diese Gleichung ist die differentielle Form des Gauß’schen Satzes der Elektrostatikund entspricht der Maxwell-Gleichung (1.7) im Vakuum. Ihre Bedeutung ist:Die elektrischen Ladungen sind die Quellen (� > 0) beziehungsweise Senken(� < 0) des elektrischen Felds.

Page 27: Elektrostatik im Vakuum

2:8 Poisson-Gleichung 29

Beispiel: Eigenschaften von Leitern

Mit dem Gauß’schen Satz können wir folgende Schlussfolgerungen über dieEigenschaften von Leitern im elektrostatischen Gleichgewicht ziehen:

Im elektrostatischen Gleichgewicht ruhen alle Ladungen. Im Inneren desLeiters kann es kein elektrisches Feld EE geben, sonst würden die Ladun-gen eine Kraft EF D q EE erfahren und sich bewegen. Für EE D 0 implizierendie Gleichungen (2.101) bzw. (2.107), dass sich im Inneren des Leiters keineLadungen befinden.

Auf der Oberfläche des Leiters kann es keine Tangentialkomponente deselektrischen Felds geben, sonst würden sich die Ladungen auch hier bewegen.

Als Konsequenz sitzen alle Ladungen auf der Oberfläche des Leiters unddas elektrische Feld steht senkrecht zur Leiteroberfläche.

2.8 Poisson-Gleichung

Mit Hilfe der Maxwell-Gleichung (2.107) können wir folgenden Zusammenhangzwischen der elektrischen Ladung und dem Potential ˚ formulieren. Das elektrischeFeld EE erhalten wir nach (2.46) durch Bildung des Gradienten:

�grad ˚ D EEBilden wir die Divergenz auf beiden Seiten dieser Gleichung, können wir die rechteSeite durch die Maxwell-Gleichung (2.107) ersetzen:

�div grad ˚ D div EE (2.108)

D �

�ı(2.109)

Mathematischer Einschub: Laplace-Operator

Die Kombination aus Divergenz und Gradient wird im Laplace-Operatorzusammengefasst:

4 D div grad (2.110)

D @2

@x2C @2

@y2C @2

@z2(2.111)

Mit ihm erhalten wir die sogenannte Poisson-Gleichung:

4˚ D � �

�ı(2.112)

Page 28: Elektrostatik im Vakuum

30 2 Elektrostatik im Vakuum

Ihre Bedeutung besteht darin, dass wir aus einer bekannten Ladungsverteilungdas Potential und anschließend die elektrische Feldstärke berechnen können.

Den zugehörigen Lösungsweg hatten wir bereits in Gleichung (2.56) kennenge-lernt:

˚. ER/ D 1

4 � �ı

Z

V

�.Er/ˇ̌ˇ ER � Er

ˇ̌ˇ dV (2.113)

2.8.1 Laplace-Gleichung

Im Folgenden werden wir das Potential und das elektrische Feld zwischen zweigeladenen Platten (Kondensator) untersuchen.

Zwischen den Platten befinde sich keine Ladung, d. h. � D 0. Damit vereinfachtsich die Poisson-Gleichung (2.112) zu

4 ˚ D 0 : (2.114)

Dieser Spezialfall der Poisson-Gleichung wird auch Laplace-Gleichung genannt.

Page 29: Elektrostatik im Vakuum

2:8 Poisson-Gleichung 31

Beispiel: Laplace-Gleichung

Die Koordinate x bezeichne den Abstand zur ersten Kondensatorplatte. Der1-dimensionale Laplace-Operator lautet in kartesischen Koordinaten

d 2˚

dx2D 0 : (2.115)

Durch zweifache Integration erhalten wir

˚.x/ D g � x C h : (2.116)

Für die Potentiale auf den Leiterplatten heißt das:

˚1 D ˚.x D 0/ D h (2.117)

˚2 D ˚.x D d/ D g � d C h (2.118)

Somit ist die Spannung

U D ˚1 � ˚2 D �g � d : (2.119)

Das Potential im Kondensator sinkt mit steigendem Abstand von der Platte:

˚.x/ D �U

d� x C ˚1 (2.120)

Das elektrische Feld ist dementsprechend konstant:

EE D �grad ˚ D U

dEex (2.121)

Page 30: Elektrostatik im Vakuum

32 2 Elektrostatik im Vakuum

Das Feld im Kondensator ist also homogen j EEj D const: und senkrecht zur Plat-tenoberfläche gerichtet. Es lässt sich aus der angelegten Spannung U und dem Plat-tenabstand d direkt bestimmen (vergleiche (2.82)).

2.8.2 Kondensatorkapazität

Die Konstanz des elektrischen Felds zwischen zwei Leiterplatten hatten wir bei derBerechnung der Kraft auf eine Probeladung kennengelernt und die Feldstärke aufdie Flächenladungsdichte � D Q=A in den Platten zurückgeführt. Für einen Kon-densator mit zwei endlich großen Leiterplatten der Fläche A und ihrer jeweiligenLadung Q können wir näherungsweise schreiben (2.79):

E � Q

A �ı(2.122)

Mit den Gleichungen für die elektrische Feldstärke (2.121) und (2.122) erhaltenwir einen linearen Zusammenhang zwischen der Ladung Q, die auf den Kondensa-torplatten gespeichert ist, und der Spannung, die an den Platten anliegt:

U

dD Q

A �ı(2.123)

Q D A �ıd„ƒ‚…

�C

U (2.124)

Je größer die Spannung ist, die an den Leiterplatten anliegt, desto mehr Ladungbefindet sich im Kondensator:

Q D C U (2.125)

Die Proportionalitätskonstante C heißt Kapazität. Die Einheit der Kapazität C istFarad F

1 F D 1C

V(2.126)

Beispiel: Kapazitäten von Kondensatoren

Typische Größenordnungen von Kapazitäten in der Elektronik sind:

1 pF D 10�12 F

1 �F D 10�6 F

Page 31: Elektrostatik im Vakuum

2:8 Poisson-Gleichung 33

Für den Plattenkondensator beträgt die Kapazität:

C D A �ıd

(2.127)

Sie enthält die geometrischen Kenngrößen des Kondensators. Jegrößer die Plattenfläche A ist, bzw. je kleiner der Abstand d derbeiden Platten, desto mehr Ladung Q lässt sich bei konstanterangelegter Spannung im Kondensator speichern.

Aufgabe 2.3: Kapazität eines Plattenkondensators

Berechnen Sie die Kapazität C eines Plattenkondensators mit den obigenAbmessungen mit Hilfe des Gauß’schen Satzes unter der Annahme, dass dieFläche A so groß ist, dass das Feld als homogen und senkrecht auf den Plattenangenommen werden kann.

(3 Punkte)

Lösung zu Aufgabe 2.3: Kapazität eines Plattenkondensators

Page 32: Elektrostatik im Vakuum

34 2 Elektrostatik im Vakuum

2.9 Feldenergie

Beim Aufladen eines Kondensators müssen wir Arbeit leisten, um die Abstoßungder Ladungen zu überwinden (2.35):

dW D F dr (2.128)

D �˚ dq (2.129)

Mit der infinitesimalen Ladungsmenge dq, der Potentialdifferenz �˚ und mit Q DC � U D C � �˚ (2.75, 2.125) ist

dW D q

Cdq : (2.130)

Die Energiezunahme auf der Leiterplatte erhalten wir durch Integration:

W D 1

C

QZ

0

q dq (2.131)

D 1

2 CQ2 (2.132)

Mit Q D C U (2.125) ist die Gesamtenergie im Kondensator:

W D 1

2C U 2 (2.133)

Im Plattenkondensator gilt mit den Gleichungen (2.127) und (2.121):

W D 1

2�ı

A

dU 2 (2.134)

D 1

2�ı d � A„ƒ‚…

DV

E2 (2.135)

Die Energiedichte ! des elektrischen Felds beträgt demnach:

! D W

V(2.136)

D 1

2�ı E2 (2.137)

Diese Energiedichte gilt nicht nur für Plattenkondensatoren, sondern allgemein fürelektrische Felder im Vakuum.

Page 33: Elektrostatik im Vakuum

http://www.springer.com/978-3-642-17295-3