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Der Col Maor, der in Quero steil am rechten Ufer des Piave aufragt, ist ein gut geeigneter Hügel für eine Fes- tung. Doch die Trutzburg, die der Be- sucher auf seiner Kuppe erblickt, so wehrhaft sie auch aussieht, hat nie einem bewaffneten Angriff trotzen müssen. Denn sie ist nur symbolisch eine Burg, tatsächlich aber ein Fried- hof. Sie entstammt auch nicht längst vergangenen Zeiten, sondern wurde erst in den 1930er Jahren gebaut, als derartige Befestigungen längst ihren militärischen Sinn verloren hatten. Hier ruhen 3 461 Gefallene des Ersten Weltkrieges. Es sind Soldaten der deutschen und der österreichisch- ungarischen Armee, die im Gebirgs- krieg 1917/18 starben und die der Volksbund von zahlreichen kleinen Truppenfriedhöfen nach Quero umge- bettet hat. Kaum einer der über 800 Fried- höfe, die der Volksbund pflegt, ist so eingehend beschrieben, wie der in Quero. Das mag an der Bedeutung lie- gen, die das Bauwerk als repräsentati- ves Gebäude für das Dritte Reich im Ausland hatte. Schmaler Eingang Das liegt aber auch am literari- schen Geschick von Hans Gstettner, der vor und nach 1945 als Journalist die Öffentlichkeitsarbeit des Volksbun- des unterstützte (siehe Seite 4). Er lie- fert in mehreren Artikeln eine sehr anschauliche Beschreibung der Anlage und legt in seinen ideologisch ver- brämten Erläuterungen das komplette Konzept offen. Gstettner ist gleichsam der Kron- zeuge dafür, wie während der NS-Zeit der Soldatentod mittels Architektur ge- deutet und instrumentalisiert wurde. Der Weg vom Parkplatz zur Toten- burg ist alles andere als repräsentativ. Er führt nicht über einen großzügig an- gelegten Vorplatz, sondern durch eine schmale, unscheinbare Hoftür am Ver- walterhaus und dann durch einen bie- dermeierlich wirkenden Obstgarten. Abermals eng wird es am eigentli- chen Eingang zur Totenburg, der kaum mehr als schulterbreit ist. Gstettner spricht von einer wehrhaften Tür, die leicht zu verteidigen wäre. Tatsächlich aber hat der Architekt Robert Tischler (siehe Seite 4) den schmalen Eingang zum Gestaltungsprinzip erhoben. Er ist bei fast allen Kriegsgräberstätten zu finden, die er entworfen hat. Somit können sich die Besucher nur einzeln auf die Friedhöfe begeben. Das Ge- spräch mit den Begleitern wird unter- brochen oder beendet. „Vorgesehen ist Eine Festung, die ein Friedhof ist Die Totenburg in der italienischen Gemeinde Quero wurde 1939 eingeweiht und zeigt, wie damals der Soldatentod gedeutet wurde. In Stein gefasste Ideologie – 75 Jahre Totenburg Quero Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., Pressereferat, Werner-Hilpert-Str. 2, 34112 Kassel, Tel.: 05 61 - 70 09 - 1 39, Fax: 05 61 - 70 09 - 2 85, E-Mail: [email protected], Internet: www.volksbund.de Spendenkonto: Commerzbank Kassel IBAN DE23 5204 0021 0322 2999 00 BIC COBADEFF520 Fritz Kirchmeier (Texte), Uwe Zucchi (Fotos)

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Der Col Maor, der in Quero steilam rechten Ufer des Piave aufragt, istein gut geeigneter Hügel für eine Fes-tung. Doch die Trutzburg, die der Be-sucher auf seiner Kuppe erblickt, sowehrhaft sie auch aussieht, hat nieeinem bewaffneten Angriff trotzenmüssen. Denn sie ist nur symbolischeine Burg, tatsächlich aber ein Fried-hof. Sie entstammt auch nicht längstvergangenen Zeiten, sondern wurdeerst in den 1930er Jahren gebaut, alsderartige Befestigungen längst ihrenmilitärischen Sinn verloren hatten.

Hier ruhen 3 461 Gefallene desErsten Weltkrieges. Es sind Soldatender deutschen und der österreichisch-ungarischen Armee, die im Gebirgs-krieg 1917/18 starben und die derVolksbund von zahlreichen kleinenTruppenfriedhöfen nach Quero umge-bettet hat.

Kaum einer der über 800 Fried-höfe, die der Volksbund pflegt, ist soeingehend beschrieben, wie der inQuero. Das mag an der Bedeutung lie-gen, die das Bauwerk als repräsentati-ves Gebäude für das Dritte Reich imAusland hatte.

Schmaler Eingang

Das liegt aber auch am literari-schen Geschick von Hans Gstettner,der vor und nach 1945 als Journalistdie Öffentlichkeitsarbeit des Volksbun-des unterstützte (siehe Seite 4). Er lie-fert in mehreren Artikeln eine sehranschauliche Beschreibung der Anlageund legt in seinen ideologisch ver-brämten Erläuterungen das kompletteKonzept offen.

Gstettner ist gleichsam der Kron-zeuge dafür, wie während der NS-Zeitder Soldatentod mittels Architektur ge-

deutet und instrumentalisiert wurde.Der Weg vom Parkplatz zur Toten-

burg ist alles andere als repräsentativ.Er führt nicht über einen großzügig an-gelegten Vorplatz, sondern durch eineschmale, unscheinbare Hoftür am Ver-walterhaus und dann durch einen bie-dermeierlich wirkenden Obstgarten.

Abermals eng wird es am eigentli-chen Eingang zur Totenburg, der kaummehr als schulterbreit ist. Gstettnerspricht von einer wehrhaften Tür, dieleicht zu verteidigen wäre. Tatsächlichaber hat der Architekt Robert Tischler(siehe Seite 4) den schmalen Eingangzum Gestaltungsprinzip erhoben. Er istbei fast allen Kriegsgräberstätten zufinden, die er entworfen hat. Somitkönnen sich die Besucher nur einzelnauf die Friedhöfe begeben. Das Ge-spräch mit den Begleitern wird unter-brochen oder beendet. „Vorgesehen ist

Eine Festung, die ein Friedhof ist

Die Totenburg in der italienischen Gemeinde Quero wurde 1939 eingeweiht und zeigt, wie damals der Soldatentod gedeutet wurde.

In Stein gefasste Ideologie – 75 Jahre Totenburg Quero

Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., Pressereferat, Werner-Hilpert-Str. 2, 34112 Kassel,

Tel.: 05 61 - 70 09 - 1 39, Fax: 05 61 - 70 09 - 2 85, E-Mail: [email protected], Internet: www.volksbund.de

Spendenkonto: Commerzbank Kassel IBAN DE23 5204 0021 0322 2999 00 BIC COBADEFF520

Fritz Kirchmeier (Texte), Uwe Zucchi (Fotos)

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die individuelle Wahrnehmung“, sagtder Kunsthistoriker Christian Fuhr-meister, der sich wissenschaftlich mitTischlers Architektur befasst (sieheSeite 6).

In Quero betritt der Besucher aufdiese Weise allein die düstere Durch-

gangs- oder Vorhalle. Durch elf Mau-eröffnungen, die Schießscharten äh-neln, fällt spärliches Tageslicht in daslang gestreckte Gewölbe. Dämmerlichtund feuchte Kälte herrschen in diesemRaum. Der Besucher mag sich ineinem Bunker wähnen. An manchen

Stellen sind weiße Salzausblühungenzu erkennen. Sie sind die Folgen deslange Zeit undichten Daches. Deshalbist viele Jahre lang Regenwasser in dasMauerwerk eingedrungen. 2012 hatder Volksbund die Schäden behoben,aber die austretenden Salze in dem Ge-

Düstere Vorhalle: hinten der schmale Eingang, rechts die handgeschmiedeten Türen zur Weihehalle, oben die Salzausblühungen

Quero ist eine italienischeGemeinde mit etwa 2 500 Ein-wohnern. Sie liegt in den südli-chen Ausläufern der Dolomiten,am östlichen Hang des Monte-Grappa-Massivs, rund 15 Kilo-meter südlich der Stadt Feltre.Quero gehört zur venetischenProvinz Belluno.

Der Ort am Ufer des Piavewurde im Ersten Weltkrieg fastvöllig zerstört. In den Piave-schlachten 1917/18 kämpftendeutsche Truppen an der Seiteder österreichisch-ungarischenArmee gegen Italien. Der Groß-angriff der Alliierten im Oktober1918 führte zum Zusammen-bruch der k. u. k. Armee in Ve-netien.

An der Stirnseite der Vorhalle hängt ein

rund zwei Meter hohes Kreuz, das einzige

christliche Symbol im Innenraum. Es

wurde erst 1960 auf Wunsch des Volks-

bund-Präsidiums angebracht.

Sehr unterschiedliche Motive für die Kon-

solen hat der Bildhauer Ernst Geiger aus

dem Stein getrieben, auch dieses bärtige

Männergesicht. In ihrer Gesamtheit sind

sie nur schwer zu deuten.

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stein sind damit nicht beseitigt.

Keine christlichen Symbole

Die Konsolen, auf denen die Mau-erbögen ruhen, zeigen sehr unter-schiedliche Reliefs. Mal hat derBildhauer Ernst Geiger ein Mädchen-

gesicht kunstvoll aus dem Stein ge-hauen, mal ist es eine Weinrebe, malein Eichenblatt, mal das bärtige Haupteines Mannes. Auch eine Götterfaust,die ein Bündel Blitze hält, ist zu finden.Die einzelnen Ornamente sind nurschwer zu deuten, auffallend aber ist,

dass christliche Symbole fehlen.Einzig an der Stirnseite der Halle

hängt ein zwei Meter hohes Kreuz.Aber es wurde erst nachträglich hinzu-gefügt, 1959 auf Wunsch des Volks-bund-Präsidiums beschlossen undwahrscheinlich im Folgejahr ange-

Der so genannte Weiheraum mit dem kunstvollen Mosaik und dem Altar verbreitet eine sakrale Aura.

Trauernde Soldaten im Mosaik der Weihehalle Kunsthandwerkliche Perfektion zeichnet alle Details aus.

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Hans Gstettner, 1905 in Frontenhausen/Niederbay-ern - 1977 in München, Schriftsteller, Lyriker und Jour-nalist, Dr. phil.

Über Gstettner ist wenig bekannt. Er war in den1930er Jahren kulturpolitischer Schriftleiter des Völki-schen Beobachters, der Parteizeitung der NSDAP, inMünchen, 1942 Soldat, 1943 in einer Propagandakom-panie an der Ostfront, nach 1945 Hauptschriftleiter einesFachblattes für das Hotel- und Gaststättengewerbe inBayern.

Gstettner arbeitete bis Mitte der 1950er Jahre eng mitRobert Tischler und dem Volksbund zusammen und ver-öffentlichte zahlreiche Artikel in der Mitgliederzeit-schrift des Volksbundes.

Er entwarf auch Sinnspüche und Gedenktexte fürKriegsgräberstätten, die der Volksbund nach 1945 errich-tete, zum Beispiel für El Alamein, Tobruk, La Cambe.Die Tätigkeit Gstettners im Volksbund ist bisher nichtöffentlich thematisiert.

Robert Tischler, 1885 in Frontenhausen/Niederbay-ern - 1959 in München, Gartenarchitekt, 1926 bis 1959Chefarchitekt des Volksbundes.

Tischler ist in der Geschichte des Volksbundes dermit Abstand einflussreichste Architekt. Er war seit 1926Chef der Bauleitung in München und prägte über dreiJahrzehnte – und über drei politische Systeme hinweg(Fuhrmeister) – die Gestaltung deutscher Kriegsgräber-stätten. Er zeichnete verantwortlich für so bedeutendeFriedhöfe wie Langemark und Lommel in Belgien, Con-senvoye und La Cambe in Frankreich, Nazareth in Israel,Quero, Pordoi, Meran und Costermano in Italien, Sand-weiler in Luxemburg, Tobruk in Libyen, El Alamein inÄgypten, Weeze in Deutschland. Dies ist nur eine sehrkurze Auswahl aus seinem umfassenden Werk. Ende der1920er Jahre entwickelte er das Konzept der Totenburg.Nach seinem Tod löste der Volksbund die Bauleitung inMünchen auf und übertrug die Aufgaben der Bauabtei-lung in der Kasseler Zentrale.

bracht. Es ist aus Metall und teilweisevergoldet. Offenbar empfand die da-malige Führung des Volksbundes dievöllige Abstinenz von christlichenSymbolen auf diesem Friedhof alsMakel. Das zehn Meter hohe Bronze-kreuz außerhalb der Totenburg ist auchnicht Teil der ursprünglichen Gestal-tung. Es wurde 1979 errichtet und ent-stammt wohl gleichfalls dem Wunschzur Nachbesserung.

Sakraler Raum ohne Religion

Drei bogenförmige Durchgängemit handgeschmiedeten Gittertürenführen von der Vorhalle zum so ge-

nannten Weiheraum, dem Herzstückder Totenburg. Auch hier fehlen christ-liche Symbole. Dennoch entsteht derEindruck eines sakralen Raumes.Diese Halle ist ganz der Totenehrungund dem Heldenkult gewidmet.

Es ist ein glockenförmiges Ge-wölbe mit quadratischer Grundfläche,beleuchtet durch einen Lichtschacht,durch den je nach Sonnenstand undBewölkung helles oder nur spärlichesSonnenlicht fällt. An drei Wänden um-gibt den Betrachter ein Marmormo-saik, das überlebensgroß jeweils vierSoldaten zeigt, die trauernd um dasGrab eines gefallenen Kameraden zu

stehen scheinen. Sie haben ihre Helmeabgenommen, als wären sie gerade ausdem Gefecht zurückgekehrt, und hal-ten sie, jeder auf andere Art, in derHand.

Groß, stark und ernst sind dieseSoldaten gestaltet, alle mit Gardemaß.Verzweiflung, Angst und Schwächescheinen ihnen fremd zu sein. Es sind„Typen eines ganzen Volkes“, schreibtGstettner, die dem Idealbild des dama-ligen Heldenkultes entsprechen, „deut-lich umrissene Schemen derer, dieeinst lebten und derer, die wieder dasein werden, das Vaterland zu schir-men.“

Der Einzelne ist nichts

Unter dem Mosaik verläuft derSchriftzug: „Wir liegen zusammen inReih und Glied, wir standen zusam-men im Leben, drum gleiches Kreuzund gleicher Schmuck ward uns aufsGrab gegeben – Nun ruhen wir ausvom heißen Streit und harren getrostder Ewigkeit.“ Das ist das Hoheliedauf die Kameradschaft. Es geht aller-dings mit der Missachtung des Indivi-duums einher.

„Der Einzelne ist nichts und dasVolk alles“, sagt Gstettner unumwun-den und hält dies „für den Grundge-danken des großen deutschenGeschehens der Gegenwart.“ Derideale Ausdruck dieser Überzeugungsei das Kameradengrab.

Die Gestaltung der Totenburg in

Das Goldene Buch auf dem Altar im Weiheraum mit den 865 Namen der Toten

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Quero trägt dieser Überzeugung Rech-nung. Die über 3 000 Toten sind ineinem schmucklosen Gemeinschafts-grab im Außenbereich bestattet, zudem nur eine schmale Treppe führt. Esist nicht vorgesehen, dass Besucher dieGrabfläche betreten und dort der Totengedenken. Mit Erika bepflanzt, war dasGrab einst ein Stück „Heimat in derFremde“. Heute wächst hier Cotoneas-ter, ein robuster Bodendecker, den eineWurzelschutzplane bei der Bekämp-fung der störenden Wildkräuter unter-stützt.

Das Kameradengrab entsprechedem „absoluten Willen zum Soldati-schen“, schreibt Gstettner, die Aus-

schmückung der Einzelgräber tut er als„privaten Gefühlsflitter“ ab.

„Seltsame Magie des Todes“

Der einzelne Gefallene gleicht demeinzelnen Stein im Mosaik des Weihe-raumes. Erst in der Gesamtsicht allerSteine nimmt das Bild Gestalt an. In-sofern erscheint das Mosaik als diekünstlerische Technik, die sich idealeignet, um die Unterordnung des Indi-viduums unter die Gemeinschaft zumAusdruck zu bringen. Es ist somit kon-sequent, dass die Architekten in derNS-Zeit bei der Ausgestaltung von Eh-renmalen auf diese Jahrtausende alteKunst zurückgreifen.

Die Einweihung der Totenburg in Quero am 25. Mai1939, am Donnerstag vor Pfingsten, war eine pompöseZeremonie im Stil der damaligen Machthaber. Klaus vonLutzau hat sie ausführlich in der Mitgliederzeitschrift desVolksbundes beschrieben.

Aus Deutschland sind hohe Beamte der Regierung,Generäle der Wehrmacht und der SS, Vertreter fast allerVolksbund-Gauverbände sowie elf Ratsherren aus Mün-chen, der Patenstadt des Friedhofes, angereist.

Auch zahlreiche hohe italienische Offiziere sind da,an der Spitze General und Senator Ugu Cei, der Chef desitalienischen Kriegsgräberdienstes. Zwei Ehrenkompa-nien der italienischen Armee, eine Formation der faschis-tischen Partei und „die Bevölkerung der ganzenUmgebung“ formen die Kulisse der Veranstaltung. Hit-lerjungen aus Triest stehen Ehrenwache.

Kein Wort verliert von Lutzau über den Schöpfer derTotenburg Quero. Kann es sein, dass Robert Tischler tat-sächlich nicht an der Einweihung teilnahm?

„Die deutschen Hymnen klingen auf“, gemeint sindwohl das Deutschland- und das Horst-Wessel-Lied, und„alle Arme heben sich zum Gruß“. Emmo Eulen, Bun-desführer des Volksbundes, trägt Uniform des NS-Flie-gerkorps (?) und hält die „Weiherede“. Darin spricht ervom unerbittlichen Gebirgskrieg und vom „Kampf alsVater aller Dinge“. Die Toten seien die „Saat unsererBesten“. Ihr Vermächtnis bestehe darin, dass die Nach-kommen vollenden mögen, was jene begonnen hätten.Der Sinn, den er dem Soldatentod verleiht, ist somit dieRevanche der Nachgeborenen. Diesen Gedanken – dieFortsetzung des Kampfes – finden wir auch im Konzeptder Totenburgen wieder. Eulen lobt die Freundschaft zwi-schen Deutschland und Italien, den Feinden von einst,die jetzt jedoch zusammenstünden, um dem östlichenGegner gemeinsam die Stirn zu bieten. Von Heldenmutund Heldentreue ist in seinem Telegramm an Adolf Hitlerdie Rede, in dem er die Einweihung meldet. Der antwor-tet umgehend in „Dankbarkeit und Ehrfurcht vor unserengefallenen Soldaten.“ Trauer oder Familienangehörige

sind Begriffe, die an diesem Tag nicht zu hören sind.Bei der Kranzniederlegung, allen voran der riesige

Lorbeerkranz Hitlers, schießen die italienischen SoldatenSalut. Währenddessen zieht ein Gewitter auf. Berichter-statter von Lutzau vergleicht das Donnergrollen mit Ar-tilleriefeuer und einem Gruß der Naturgewalten an diegefallenen Soldaten.

Anschließend fahren die deutschen Gäste und ihreitalienischen Gastgeber im strömenden Regen in die nahegelegene Stadt Feltre, um auch den dortigen deutschenSoldatenfriedhof einzuweihen. Er ist einer der wenigenTruppenfriedhöfe in dieser Region, die der Volksbundnicht aufgelöst hat. In Feltre scheint die Sonne, und dieBevölkerung steht wieder Spalier.

Danach reist die deutsche Delegation über Udinenach Tolmin, heute Slowenien, wo sie zwei Tage späterden dritten Soldatenfriedhof in Folge einweiht.

Seine Ansprache in Quero beendet Eulen, indem erdie drei Soldatenfriedhöfe in die Obhut des deutschenBotschafters von Mackensen übergibt, „als Grundfestenunseres neuen Werdens und Blühens.“ Drei Monate spä-ter beginnt der Zweite Weltkrieg.

Botschafter Hans Georg von Mackensen (1. Reihe links) und

Volksbund-Bundesführer Emmo Eulen (1. Reihe rechts) begrü-

ßen eine italienische Abordnung. (Foto: Volksbundarchiv)

Vergleichsweise bescheiden in den Aus-

maßen nimmt sich das Mosaik des Reichs-

adlers aus. Wo einst Kranz und Haken-

kreuz waren, ist deutlich zu erkennen.

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Im Mittelpunkt des Weiheraums,auf den sich die Gedanken der umste-henden Soldatengestalten zu konzen-trieren scheinen, steht eine Art Altaraus schwarzem, schwedischem Granit.Gstettner nennt ihn in der martiali-schen Diktion seiner Zeit „Blutaltar“oder „Opferstein“, von dem eine „selt-same Magie des Todes“ ausgehe. Hierwird das Bedürfnis nach mystischenDeutungen deutlich.

Auf dem Altar liegt das „GoldeneBuch“, das in Wirklichkeit aus Bronzeist, mit der Liste der Orte, aus denendie Toten umgebettet wurden, und denNamen der nur 865 Gefallenen, die be-kannt sind. Aber auch diesen Rest vonIndividualität relativiert Gstettner um-gehend, wenn er schreibt, dass die Na-mensliste in ein paar hundert Jahrenauch nichts anderes mehr sei als ein

Ornament. Der einzelne Mensch tritt indie Unkenntlichkeit der Masse zurück,in die Heerschar der toten, lebendenund zukünftigen Soldaten.

Den schwarz glänzenden Granit-block zieren geheimnisvolle Zeichen,die der germanischen Mystik entstam-men dürften. Auch an der Innenwanddes Lichtschachtes sind Linien, Flam-men und Sterne eingemeißelt, die ähn-lich wirken. Das erweckt denEindruck, als suchten Robert Tischlerund seine Kunsthandwerker, da sie inder Totenburg konsequent auf christli-che Symbole verzichten, nach Motivenzur Begründung einer Art Pseudoreli-gion.

Aber es bleibt bei bloßen Anleihen.Was sie in den Stein hineinarbeiten,sind zusammengeklaubte Versatzstü-cke der germanischen Mythologie oder

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Über Robert Tischlers Totenburgen hat der Kunst-historiker Christian Fuhrmeister mehrere Aufsätze ver-öffentlicht. Fuhrmeister lehrt am Zentralinstitut fürKunstgeschichte in München und arbeitet seit 2006 imWissenschaftlichen Beirat des Volksbundes mit.

Totenburgen sind festungsartig ausgebaute Soldaten-friedhöfe. Das Konzept entwickelte Tischler seit Endeder 1920er Jahre für Sammelfriedhöfe des Ersten Welt-krieges. Der Begriff ist ab 1934 nachzuweisen. Die Ge-staltungsprinzipien zeigt Fuhrmeister an den Anlagen inBitola, Mazedonien (eingeweiht 1936) und Quero auf.

Totenburgen sind geschlossene, wehrhafte und mo-numentale Anlagen in strategisch günstiger Lage auf ehe-mals heftig umkämpften Höhenzügen. Sie zeichnen sichdurch eine aufwändige handwerkliche Gestaltung ausund dienen somit auch der Repräsentation deutscher Kul-tur im Ausland. In der Raumgestaltung weisen sie Be-züge zu einfachen Kirchenbauten auf, können jedochnicht als christliche Sakralarchitektur bezeichnet werden.

Fuhrmeister macht darauf aufmerksam, dass derVolksbund mit der Errichtung von Totenburgen seineAufgabe übererfüllt. Um einigen tausend Gefallenen einewürdige Grabstätte zu errichten, hätte es nicht des Bausvon Festungen bedurft. Emmo Eulen rechtfertigt 1935die erheblichen Baukosten gegenüber dem AuswärtigenAmt, indem er darauf hinweist, dass die Anlagen „denBewohnern der Länder, in denen sie stehen, Achtung ab-nötigen vor der Höhe der deutschen Kultur und vor derKraft des Deutschen Reiches.“

Totenburgen, die durch ihren militärischen Charakterden Eindruck erwecken, als hätten die Soldaten noch imTod mit Angriffen gegnerischer Truppen zu rechnen(Fuhrmeister), haben jedoch noch weitergehende, ideo-logisch begründete Funktionen. Sie nehmen sich wiedeutsche Außenposten im einstigen Feindesland aus, ver-

körpern ein Stück Heimat in der Fremde und wurden vonden Zeitgenossen als Bastionen angesehen im „Wall derToten, der nach Abzug des Heeres weiter die Grenzen desheimlichen Reiches hütete“ (Westecker).

Auf diese Weise reklamierten die Totenburgen der1930er Jahre einen deutschen Anspruch auf Raumgewinnfür die Zukunft. Darin liegt die Nähe zur Sinngebung desSoldatentodes, die Eulen in seiner Einweihungsrede inQuero ausführt: Die Nachgeborenen mögen das Werk derGefallenen vollenden.

Auch für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegeswaren Totenburgen geplant. Selbst nach 1945 entwarfund verwirklichte Tischler noch derartige Anlagen fürden Volksbund. Inwieweit diese sich in der Gestaltungund in der Ikonografie von den früheren unterscheiden,wäre eine Untersuchung wert.

Bis heute sind neben den Bauwerken in Bitola undQuero noch die Totenburgen in Nazareth, Israel (einge-weiht 1935), Tolmin, Slowenien (1939), Tobruk, Libyen(1955), El Alamein, Ägypten (1959) und auf dem Por-doi-Pass, Italien (1959) erhalten.

Sehr exponierte

Lage in den Do-

lomiten: die To-

tenburg auf

dem Pordoi-

Pass, 2 230

Meter hoch,

eingeweiht

1959

Laufgraben und Treppe zur Grabfläche,

hinten das Hochkreuz von 1979

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dessen, was sie dafür halten. Vom Wei-heraum und der ganzen Totenburg gehtein ungewisser Schauder aus. Aber derVersuch, eine neue Spiritualität imSinn des Nationalsozialismus zu erzeu-gen, scheitert letztendlich. Zu gewollt,zu sehr konstruiert sind die Anleihenan den alten Mythen.

Hakenkreuz getilgt

Über den drei Eingangstüren zumWeiheraum ist der Reichsadler alskunstvolles Mosaik gestaltet. In seinenKlauen hielt er früher den Eichenkranzmit Hakenkreuz. Wie bei allen öffent-lichen Gebäuden wurde nach 1945 die-ses Emblem des Dritten Reichesentfernt und die Stelle, wo Hakenkreuzund Eichenkranz zu sehen waren, ka-schiert.

Bei den umfassenden Arbeiten zurEntsalzung des Mosaiks im Jahr 2012hat der Volksbund die Fehlstelle alssolche deutlich gemacht.

Die Betrachter werden somit da-rauf hingewiesen, dass hier in ein Do-kument der Zeitgeschichte einge-griffen wurde.

Ritter, Sphinx, Genius

Durch eine zweite schmale Türführt der Weg aus der Vorhalle hinausins Freie. Eine mannshohe Außenwandverstellt den Blick auf die Landschaft.Die Besucher passieren einen engenGang, der sich wie ein Laufgraben aus-nimmt und im Bogen um das Gemein-schaftsgrab zu einer Aussichtsplatt-form führt. Die großen Steinquader er-setzen gleichsam die im Krieg ver-wandten Sandsäcke, meint Gstettner.

Er lobt die Leistung der deutschenHandwerker, die die bis zu 60 Zentner

schweren Porphyr-Blöcke – „jeder vonzyklopischer Art“ – aus weit entferntenSteinbrüchen hierher geschafft und ak-kurat versetzt haben. Die Wahl desMaterials hält er für angemessen, denndie rotbraune Farbe des Vulkange-steins wirkt auf ihn, als wären die Blö-cke blutdurchtränkt.

Die enge Treppe, die zur Grabflä-che hinauf führt, bewacht eine Skulp-tur des Bildhauers Ernst Geiger. Sie istnur schwer zu deuten: teils mittelalter-licher Ritter, der einen Schild mit denfünf Kreuzen des Volksbundes in Hän-den hält, teils Engel, teils Sphinx. Liegtoder schwebt die Figur? Auch das er-schließt sich nicht.

Schutzgeist

Gstettner nennt die Plastik einen„ruhenden Genius von überirdischerKlarheit“. Somit knüpft er an die römi-

sche Tradition der Schutzgeister an.Demnach verkörpere die Statue eineArt übersinnlichen Patron für die ge-samte Anlage und wäre von zentralerBedeutung.

Zugleich zeigt sich hier wie bei derAusschmückung der Vorhalle und derGestaltung des Weiheraums der fastwahllos anmutende Griff nach Symbo-len, die Sinn stiften könnten.

Verspielte Architektur

Das Bestreben des ArchitektenTischler, den Kriegsalltag in die Ge-staltung der Soldatenfriedhöfe hineinzu holen, wird im Laufgraben, nochmehr aber durch den nachgebautenBunker deutlich. Er ist am südlichenEnde der Anlage zu besichtigen. Durcheinen waagerechten Sehschlitz blickendie Besucher „wie einst die deutschenBeobachtungsposten“ auf das Tal des

Christian Fuhrmeister, Der Volksbund DeutscheKriegsgräberfürsorge im 20. und 21. Jahrhundert. Be-merkungen aus Sicht der politischen Ikonographie. In:Ellen Überschär (Hg), Soldaten und andere Opfer? Reh-burg-Loccum 2007 (=Loccumer Protokolle 73/05),S. 45-66Wilhelm Gomoll, Mosaik in deutschen Ehrenmalen. In:Kriegsgräberfürsorge. Mitteilungen und Berichte vomVolksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge 11/12/1941,S. 110-118Hans Gstettner, Deutsche Soldatenmale. Erbaut vom

Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Berlin o. J.(1940)Hans Gstettner, Wir harren getrost der Ewigkeit …Quero, das unvergängliche Mal deutschen Heldengeistesund deutscher Kunstgesinnung. In: Kriegsgräberfürsorge8/1939, S. 116-124Klaus von Lutzau, Feierstunden an Mahnmalen deut-schen Heldentums in Italien. In: Kriegsgräberfürsorge7/1939, S. 100-104Wilhelm Westecker, Wall des Gedenkens. In: Kriegs-gräberfürsorge 8/1939, S. 114

Skulptur am Aufgang zum Gemeinschaftsgrab: Schutzgeist der Totenburg?

Literatur

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Piave. An dieser Stelle soll währenddes Krieges tatsächlich eine Stellunggewesen sein.

Die Tür des Unterstandes ist ausKarabinerläufen geschmiedet. Spätes-tens damit aber stellt sich heraus, dassdiese Architektur, so ernst und authen-tisch sie wirken will, alles andere alsdas ist. Sie steht vielmehr für einen na-hezu verspielt anmutenden Umgangmit dem Kriegsalltag. Alles ist nurSymbol oder Zitat. Kein Soldat kämewohl je auf die Idee, für einen Bunkereinen derartigen Verschlag zu zim-mern. Eine gleichfalls aus Karabiner-

läufen hergestellte Tür ist übrigensauch in der Totenburg von Bitola zusehen.

Nicht weniger verspielt muten dieWasserspeier an, die an der Außen-wand der Weihehalle als architektoni-sche Zitate aus der mittelalterlichenBaukunst angebracht sind. Sie sindreine Dekoration. Niemals ist Wasseraus diesen steinernen Drachenmäulerngeflossen.

Namen der Kunsthandwerker

Es ist das Verdienst Gstettners, dasser sich über die damalige Doktrin derBauleitung des Volksbundes hinweg-setzt, wonach die Schöpfer eines Sol-datenfriedhofes anonym bleiben. „Siealle treten zurück hinter die Idee, dersie dienen. Sie alle schaffen aus demgleichen Geist und aus der gleichenGesinnung am Werk der Heldeneh-rung“, heißt es 1938 in einem konse-quenterweise anonym verfasstenArtikel in der Mitgliederzeitschrift.

Dank Gstettner aber ist nachzule-sen, wer das Mosaik im Weiheraum,wer die Konsolen in der Vorhalle, dieschmiedeeisernen Türen und alle dieanderen wertvollen Details geschaffenhat.

Idylle unter Obstbäumen

Ein weiteres Verdienst Gstettnersliegt in dem Hinweis auf die Gegen-welt zur martialischen und dem Hel-denkult gewidmeten Totenburg. Es istdas Idyll des kleinbürgerlichen Verwal-terhauses und seines Gartens.

Zwar offenbart sich der Autor inder Beschreibung der Einzelheiten er-neut als linienstreuer Nationalsozialist.Dennoch gebührt ihm Dank, dass er

auf diese eigentümliche Wechselwir-kung aufmerksam macht.

Erst im Gegenspiel von heroischerWelt auf der einen und biedermeierli-cher Innerlichkeit auf der anderen Seiteentfalten beide Sphären ihre Bedeu-tung.

Die Totenburg in Quero entlässtsomit ihre Besucher auf dem Weg, densie gekommen sind, in den versöhnlichstimmenden Frieden einer bürgerlichenGarteneinsamkeit unter Obstbäumen.

Eine Festung, die ein Friedhof ist Seite 8

Blick auf die Grabfläche Aus Karabinerläufen geschmiedete Tür Wasserspeier an der Außenwand

Unscheinbar: der Zugang zur Totenburg

Idyllischer Kontrast: das Verwalterhaus

Diesen Führer durch dieTotenburg in Quero, der sichkritisch mit der Architektur undderen Deutung durch die Zeitge-nossen befasst, hat das Pressere-ferat des Volksbundes imSeptember 2014 kurzfristig er-stellt und in einfacher Technikvervielfältigt.

Der Druck als Broschüreauch in italienischer Sprachewird erwogen.Redaktion: Fritz KirchmeierGestaltung: Kirsten Giersig

Bei der Recherche haben ge-holfen: Bernd Bürger, StefanDworak, Thomas Gliem, Nor-man Görgl, Peter Päßler.

Gegen Druckfehler, Irrtümerund falsche Einschätzungen sindwir nicht gefeit. Anregungen fürKorrekturen sind willkommen:[email protected].

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