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Kapitel 8 Differentiation von Skalar- und Vektorfeldern Bevor wir uns im Detail mit speziellen Koordinatensystemen auseinandersetz- ten, möchten wir hier die Differentiation von Feldern einschieben. Den Be- griff des Skalar- und Vektorfeldes haben wir im Kapitel 5.5 schon ausführlich behandelt. Zur erinnerung nochmals die Definition. Ordnet eine skalare oder vektorielle Funktion φ(x 1 ,x 2 ,x 3 ) bzw. jedem Punkt P im Raum einen Skalar bzw. Vektor zu, dann wird diese ein Skalarfeld, resp. ein Vektorfeld genannt. Wir haben auch angesprochen, dass solche Felder in der Physik enorm wich- tig sind. Beispiele dafür wären Temperaturverteilungen, elektrostatische oder Gravitationspotentiale etc. In diesem Kapitel setzten wir die Stetigkeit und Differenzierbarkeit von Ska- larfeldern φ(~x) und Vektorfeldern ~a(~x) generell voraus. 266

Differentiation von Skalar- und Vektorfeldernhomepage.univie.ac.at/ingo.philipp/Downloads/8_DiffVek.pdf · KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN270 ˚einen kovarianten

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Kapitel 8

Differentiation von Skalar- undVektorfeldern

Bevor wir uns im Detail mit speziellen Koordinatensystemen auseinandersetz-ten, möchten wir hier die Differentiation von Feldern einschieben. Den Be-griff des Skalar- und Vektorfeldes haben wir im Kapitel 5.5 schon ausführlichbehandelt. Zur erinnerung nochmals die Definition. Ordnet eine skalare odervektorielle Funktion φ(x1, x2, x3) bzw. jedem Punkt P im Raum einen Skalarbzw. Vektor zu, dann wird diese ein Skalarfeld, resp. ein Vektorfeld genannt.Wir haben auch angesprochen, dass solche Felder in der Physik enorm wich-tig sind. Beispiele dafür wären Temperaturverteilungen, elektrostatische oderGravitationspotentiale etc.

In diesem Kapitel setzten wir die Stetigkeit und Differenzierbarkeit von Ska-larfeldern φ(~x) und Vektorfeldern ~a(~x) generell voraus.

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KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN267

8.1 Der Nabla-Operator

Da wir in diesem Kapitel sehr viel mit Differentiationen zu tun haben, führen wirals erstes eine weit verbreitete Kurznotation ein (die uns auch nebenbei dasRechnen extrem erleichtern wird), den Nabla Operator ~∇.

Definition 8.1.1. Der Vektor-Differentialoperator

~∇ :=

∂∂x1

...∂∂xn

≡ ∂x1

...∂xn

≡ ∂1

...∂n

≡ e1∂

∂x1+ e2

∂x2+ e3

∂x3+ . . .

(8.1.1)genannt ”Nabla” oder ”Del”, ist der ”Vektor”, der als Komponenten kei-ne Zahlen, sondern Differentiationsbefehle hat.

Das Symbol ∂i haben wir hier als Kurzschreibweise für ∂∂xi

verwendet. Es istrelativ leicht ersichtlich, dass dieser Vektoroperatur sich wie ein kontravarianterTensor verhält. Er ist also invariant gegenüber Transformationen, somit kannseine Transformationseigenschaft wie folgt geschrieben werden

∂i . . . = Λij∂j . . . (8.1.2)

wobei Λij = ∂xj

∂xieine beliebige Transformationsmatrix sein kann, wie zum

Beispiel die Drehmatrix (siehe auch 6.4.3). Als Differentialoperator wirkt er aufalles was rechts von ihm steht partiell differenzierend. Im Prinzip ist er nichtsanderes, als eine grosse Fressmaschine. Anscheinend sollte schon Sir JamesJeans gesagt haben: ”~∇ is hungry for somthing to differentiate...”. Dies illu-striert recht schön, wie man mit dem Nabla-Operator umgehen muss.

Eine direkte Konsequenz aus dem obigen ist, dass für den Nabla-Operatorkeine Kommutativität gilt. Somit ist

~∇ · ~a 6= ~a · ~∇ (8.1.3)

da ~∇ · ~a ”satt” ist. Hingegen bei ~a · ~∇ ist der Nabla-Operator noch ”hungrig”...

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN268

8.2 Der Gradient

Ein sehr wichtiges und immer wieder verwendetes mathematisches Konstruktist der Gradient. Dieser stellt grob gesprochen die Ableitung eines Skalar- oderVektorfeldes dar. Hier wie im folgenden betrachten wir hinreichend oft diffe-renzierbare Skalar- und Vektorfelder. Wir wissen, dass partielles Ableiten ∂

∂xi

angibt, wie stark sich ein Skalarfeld (Funktion) φ(~x) in eine bestimmte Koordi-natenrichtung xi ändert. Dies ist direkt aus der Definition der partiellen Ablei-tungen ersichtlich, deren Existenz wir hier als vorausgesetzt betrachten. Darinliegt im wahrsten Sinne des Wortes eine gewisse Einseitigkeit, lässt dies dochnur die Änderungen in eine vorgegebene Richtung zu. Wir sind aber wie im-mer an allgemeinen Fällen interessiert. Also wollen wir die Änderung einesSkalarfeldes φ(~x) in einer beliebigen Richtung beschreiben können und nichtnur entlang der Koordinatenachsen.

Um eine allgemeine Form aufzufinden, betrachten wir folgenden Sachver-halt:

2

r

1

Abbildung 8.2.1: Veranschau-lichung des Gradienten einesSkalarfeldes φ(~r)

Sei φ(~r) ∈ R3 und ein stetig differenzierbares Skalarfeld. Ferner sei e =∆~r|∆~r| der Einheitsvektor in Richtung des Differenzenvektors ∆~r normiert auf dieLänge 1. Die Feldänderung eines beliebigen Skalarfeldes entlang ∆~r ist

∆φ := φ(~r + ∆~r)− φ(~r)

∆~r kann natürlich in eine beliebige Richtung zeigen, doch nehmen wir jetzt an,

es zeige in die Richtung einer Koordinatenachse, z.B. ∆~r =

∆x1

00

. Wir

entwickeln die kleine Änderung ∆φ in eine Taylor-Reihe bis zur 1. Ordnung:

∆φ(x1) =∂φ

∂x1∆x1 +O(∆

(x1)2)

Wenn wir nur hinreichend kleine Verschiebungen betrachten, können wir Ter-me zweiter Ordnung und höher vernachlässigen. Dann wird infinitesimal be-trachtet aus dem ∆~r ein d~r. Doch wie ist es nun, wenn d~r in einer beliebigen

Richtung liegt, d.h. wenn d~r =

dx1

dx2

dx3

?

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN269

Um den allgemeinen Fall leicht beschreiben zu können, verwenden wireinen Trick. Wir starten mit dem oben genannten Fall, dass der infinitesimaleVerschiebungsvektor d~r genau in einer Koordinatenachse liegt. Dies geschiehtohne Beschränkung der Allgemeinheit, denn ein beliebiger Verschiebungsvek-tor d~r in einem entsprechenden Skalarfeld φ kann immer so transformiert wer-den, dass d~r in einer Koordinatenachse zu liegen kommt. Dies dürfen wir tun,da Skalarfelder invariant gegenüber Transformationen sind (wie wir schon kurzim Kapitel über Tensoren gesehen haben).

In unserem transformierten System K wird der Einheitsvektor e zu einemEinheitsvektor in x-Richtung ex. Somit wird dann

d~r =

dx1

00

⇒ dφ′

= dφ =∂φ

∂x1dx1 (8.2.1)

dφ′

= dφ, da ja das Skalarfeld bei der Transformation invariant bleiben muss.Nachdem wir jetzt wissen, wie die transformierte Form aussieht, können

wir uns dem allgemeinen Fall nähern, indem wir 8.2.1 von Knach K transfor-mieren. Für eine beliebige Transformation xi = Λ1

ix1 und xi = xi(x1) (alsojede Koordinate in K ist nur eine Funktion von x1, da wir das System extra sogewählt haben) folgt dann

∂φ

∂x1 =∂

∂x1φ(x1, x2, x3) =∂φ

∂x1

dx1

dx1 +∂φ

∂x2

dx2

dx1 +∂φ

∂x3

dx3

dx1 (8.2.2)

Aufgrund von 7.3.23 und 7.3.24 identifizieren wir

dxi

dx1dx1 = Λ1

idx1 = dxi (8.2.3)

Es ist dabei die Stellung der Indizes und die Summenkonvention zu beachten.Wenn wir nun 8.2.2 in 8.2.1 einsetzen und 8.2.3 verwenden, folgt

dφ =∂φ

∂x1

dx1

dx1dx1 +

∂φ

∂x2

dx2

dx1dx1 +

∂φ

∂x3

dx3

dx1dx1

=∂φ

∂x1dx1 +

∂φ

∂x2dx2 +

∂φ

∂x3dx3

=∂φ

∂xidxi (8.2.4)

Die Feldänderung in beliebiger Richtung setzt sich also additiv aus den Ände-rungen in den drei Koordinatenrichtungen zusammen, wie auch zu erwartenwar. Dass der Gradient diese Form annimmt ist im Prinzip nicht verwunderlich,wie ein Vergleich mit dem totalen Differential eines Skalarfeldes φ(x1, x2, x3)zeigt

dφ(x1, x2, x3) =∂φ

∂x1dx1 +

∂φ

∂x2dx2 +

∂φ

∂x3dx3.

Wie wir im Kapitel über Tensoren schon gesagt haben, ist der Gradient nichtein normaler Vektor, sondern eine 1-Form, denn er generiert aus einem Skalar

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN270

φ einen kovarianten Vektor und hat als Argument einen Vektor. Im euklidischenFall ist diese Fallunterscheidung nicht nötig und deswegen interpretiert manden Gradienten oft einfach als Vektor, ohne sich näher bewusst zu sein, was erdenn wirklich ist. Erst im gekrümmten Raum wird dies von Bedeutung. Wie wirgesehen haben, erhalten wir den Vektorgradienten durch eine entsprechendeTransformation mit Hilfe der Metrix (siehe 7.3.7).

Mit 8.2.4 kann nun die Definition des Gradienten gefunden werden:Definition 8.2.1. Gegeben sei ein stetig differenzierbares Skalarfeldφ(~r). Diesem kann an jeder Stelle ~r ein rein vektorielles Feld zugeord-net werden mit den Komponenten

gradφ(~r) :=(∂φ

∂x1,∂φ

∂x2,∂φ

∂x3, . . .

)= ~∇φ

Man nennt es Gradientenfeld von φ(~r). Der Gradient von φ ist der-jenige Vektor, dessen i-te Komponente gerade die partielle Ableitungvon φ nach xi ist: ∂iφ mit (i = 1, 2, 3, . . . , n).Der Gradient zeigt immer in die Richtung der größten Änderung einesSkalarfeldes φ.

Abbildung 8.2.2: Plot des Skalar- und Gradientenfeldes der Aufgabe Nr. 2

Einige Beispiele

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN271

1. Sei φ(~r) = ~a·~r wobei ~a ein konstanter Vektor sei, d.h. nicht von ~r abhäng.Gesucht sei der Gradient ~∇φ

~∇φ = ~∇ (~a · ~r) = (∂1, ∂2, ∂3)(a1x

1 + a2x2 + a3x

3)

= (a1, a2, a3)

oder in Indexschreibweise (für eine beliebige Komponente)

∂iφ = ∂i(ajx

j)

= aj∂ixi = ajδi

j = ai (8.2.5)

2. Gesucht ist der Gradient des Feldes φ = 2xz3 +√yx2

~∇φ =(

2z3 + 2√yx,

12√yx2, 6xz2

)In Abbildung 8.2.2 ist sowohl das Skalarfeld, als auch das zugehörigeGradientenfeld geplottet. Die Sphären stellen das Skalarfeld dar. SowohlGröße als auch Farbe der Sphären kodieren den Skalarwert. Die Vek-toren veranschaulichen das Gradientenfeld. Dort wo sich die Sphärennicht groß verändern, gibt es auch nur schwache Vektoren. Das Gradien-tenfeld ist dort schwach, weil sich das Skalarefeld auch nicht verändert.Umgekehrt ist es an Stellen, wo sich etwas ändert. Dort ist das Gradi-entenfeld sehr groß, was an der Länge der Vektoren abgelesen werdenkann.

3. Gesucht sei der Gradient des Feldes φ(r) = r. Wir betrachten also nurden Betrag eines Vektors ~r.

grad r = ~∇r = (∂1, ∂2, ∂3)√x2

1 + x22 + x2

3

=12(x2

1 + x22 + x3

3

)−1/2 · (2x1, 2x2, 2x3) =1r· ~r ≡ er

4. Ganz analog zu Aufgabe 1, kann Aufgabe 3 auch wie folgt gerechnetwerden:

~∇r =∂

∂~r(~r · ~r)1/2 =

12

(~r · ~r)−1/2

(∂~r

∂~r~r + ~r

∂~r

∂~r

)=

12 |~r|

· 2~r =~r

r

5. Was ist nun grad[(~r × ~a) ·~b

]=? wobei ~a und~b nicht von ~r abhängig sind.

Unter Zuhilfenahme von 5.2.41 (Spatprodukt) löst man:

grad[(~r × ~a) ·~b

]=

∂~r

[~r ·(~a×~b

)]=∂~r

∂~r·(~a×~b

)+ ~r

∂~r

(~a×~b

)=(~a×~b

)

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN272

6. φ(~r) = 1r . Dies kann man z.B. komponentenweise lösen,

~∇ 1√x2

1 + x22 + x2

3

=∂

∂x1

1√x2

1 + x22 + x2

3

e1 + . . .

= −12

1(x2

1 + x22 + x2

3

)3/2 2 (x1e1 + . . .) =1r3~r

oder direkt über r mit Hilfe der Kettenregel (in Indexschreibweise).

~∇1r

= ∂ir−1 = −r−2∂ir = − 1

r2

xi

r= − ~r

r3

7. Eine häufig gebrauchte physikalische Anwendung in der Kraftfelder oderPotentiale nur von r = |~r| abhängen ist die folgende: Wie lautet der Gra-dient einer beliebigen Funktion, die nur vom Radius r abhängig ist.

φ(~r) = f(r) = f(|~r|)

⇒~∇f(r) = ∂if(r) =∂f

∂r

∂r

∂xi= f

′(r)

xi

r= f

′(r)

~r

r(8.2.6)

Beachte: hier wurde die oft verwendete aber nicht ganz saubere Schreib-weise benutzt, in der ein Vektor ~r durch seine Komponenten xi darge-stellt wird.

8.2.1 Eigenschaften

Bis jetzt haben wir eigentlich nicht gesagt, was der Gradient darstellt. Wir ha-ben nur gesagt, dass der Gradient eine bestimmte Art der Richtungsableitungeines Skalarfeldes ist. Nun wollen wir sehen, was man sich unter dem Gradi-enten genauer vorstellen soll.

Wir wollen gleich die wichtigste Eigenschaft des Gradienten vorwegneh-men. Der Gradient steht immer normal auf den Niveauflächen eines Skalar-feldes. Eine Niveaufläche ist jene Fläche, auf der φ = const. ist (siehe Ab-bildung 8.2.3). Anders gesagt, der Gradient zeigt immer in die Richtung dessteilsten Anstieges bzw. Abfalls. Um dies zu zeigen, wird der letzte Schritt inder Herleitung des Gradienten 8.2.4 genauer betrachtet.

dφ =∂φ

∂xidxi =

∂φ∂x1

...∂φ∂xn

· dx1

...dxn

= ~∇φ · d~r

Dies beschrieb uns die Änderung des Feldes entlang des infinitessimalen Ver-schiebungsvektors d~r. Liegt nun d~r in einer Niveaufläche (zeigt also in dieRichtung, in der sich φ nicht ändert), so ist die Änderung des Feldes dφ = 0.Damit nun das Skalarprodukt auch wirklich Null ergibt, müssen die beiden Vek-toren normal aufeinander stehen. Der Gradient steht daher immer normal aufden Niveauflächen.

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN273

y

x

Abbildung 8.2.3: Darstellung derNiveauflächen (resp. Niveaulinien)eines radialen Feldes φ(~r) = r2 =x2 + y2. Die Niveaulinien beschrei-ben φ = const.

Will man nun wissen, wie groß die Änderung normal zu den Niveauflächenist, wird der Betrag des Gradienten betrachtet. Somit gibt uns die Gradienten-bildung im Skalarfeld φ Auskunft über die Stärke und Richtung der Änderungin φ. In der Tensoranalysis (Kapitel 7) hatten wir die Richtungsableitung an-schaulich als die Anzahl der Niveauflächen (der 1-Form dφ) dargestellt, diedurch den Vektor d~r durchstoßen werden.

Für den Gradienten gelten die üblichen Rechenregeln der linearen Opera-toren und jene der partiellen Differentiation. (Sei c = const, φ, ψ differenzier-bare Skalarfelder)

1. grad c = 0 (8.2.7)2. grad(cφ) = c(gradφ) (8.2.8)3. grad(φ+ c) = gradφ (8.2.9)4. grad(φ+ ψ) = gradφ+ gradψ (8.2.10)5. grad(φ · ψ) = (gradφ)ψ + φ(gradψ) (8.2.11)

8.2.2 Richtungsableitung

So ganz beim allgemeinen Fall sind wird noch nicht angelangt. Wir wissen jetztzwar, wie stark sich das Feld in Richtung der Koordinatenachsen ändert undin welche Richtung es den steilsten Anstieg hat, aber noch nicht, wie stark essich in eine bestimmte Richtung ~a ändert.

Um die Änderung eines Skalarfeldes φ(~r) in Richtung des Richtungsvek-tors ~a zu erhalten, wird der Vektor des Gradienten auf den Richtungsvektorprojiziert und wir erhalten die gewünschte Grösse. Dabei müssen wir beach-ten, dass der Richtungsvektor zu normieren ist.

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN274

Definition 8.2.2. Die Richtungsableitung eines Skalarfeldes φ(~r) inRichtung des Richtungsvektors ~a ist durch die Projektion des Gradien-tenvektors auf den normierten Richtungsvektor gegeben.

∂s=

1|~a|

gradφ · ~a (8.2.12)

wobei s die Strecke in Richtung ~a ist.

Anhand dieser Definition sieht man wieder, dass die Änderung in Richtungder Niveauflächen Null ergibt. Zeigt der Richtungsvektor in Richtung des Gra-dienten, erhalten wir genau dessen Betrag.

Ein Beispiel: In Anlehnung an Beispiel 2 im vorhergehenden Kapitel sei dieRichtungsableitung am Punkt P = (1, 1, 2) in Richtung ~a = (1, 2, 2) des Skalar-feldes φ = 2xz3 +

√yx2 gesucht. Zunächst ist |~a| = 1/3

ds=

13

2z3 + 2√yx

12

1√yx

2

6xz2

P

·

122

=13

2 · 23 + 2 ·√

1 · 112

1√112

6 · 1 · 4

· 1

22

=

13

181/224

· 1

22

=13

(18 + 1 + 48) =673

8.2.3 Gradient für Fortgeschrittene

Wir wollen nun unsere Kenntnisse des Gradienten etwas weiterentwickeln.Wir haben gesehen, dass der Gradient einmal auf ein Skalarfeld angewendeteinen Vektor generiert. Einen Vektor, mit allen zugehörigen Transformationsei-genschaften,bezeichnen wir auch als Tensor erster Stufe.

Ist der Gradient also ein Mittel, mit dem auch Tensoren höherer Stufe er-zeugt werden können? Für den Tensor nullter Stufe (das Skalarfeld) haben wirdas bereits gezeigt. Wir bräuchten also nur den Gradienten eines Vektors zubilden und schauen, ob wir ein höherstufiges Objekt erhalten, also eine Matrix,bzw. ein Tensor zweiter Stufe.

Sicherlich hatte man in der ein oder anderen Vorlesung gehört, dass manvon Vektoren keinen Gradienten bilden kann. Doch dies stimmt nicht. Betrach-ten wir die Definition des Gradienten in Indexschreibweise etwas genauer.

~∇φ→ ∇iφ = ∂iφ

Die Definition an sich verbietet uns nicht, den Gradienten eines Vektors zubilden. Nun haben wir aber das Problem, dass die Nabla-Schreibweise nichtmehr eindeutig interpretierbar ist und auch keine gängige Konvention besteht,wie dieser Misstand gelöst werden kann. Ist nun mit ~∇~r die Divergenz (siehe8.4) eines Vektorfeldes in schlampiger Schreibweise gemeint (richtig müsste~∇ · ~r stehen), oder der Gradient des Vektors? Um Verwirrung zu vermeiden,

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN275

werden wir die Operatoren ausschreiben und die Nabla-Schreibweise nur inder Indexschreibweise verwenden, wo es klar ist, welche Form gemeint ist.Also können wir wieder in Indexschreibweise schreiben

grad~r → ∇irj = ∂irj (8.2.13)

Der Gradient wird also nicht mit einem Skalarprodukt (inneres Produkt, also~∇ · ~r) mit dem Vektor ~r verknüpft (dies hätte zur Folge, dass in der Index-schreibweise nicht∇irj stünde, sondern∇iri), sondern er wirkt auf den Vektor~r . Stattdessen müssen wir das äußere Produkt bilden, d.h. ∂irj was eine 3x3Matrix im R3 darstellt.

Eine Matrix erhalten wir ebenfalls, wenn der Gradient zweimal auf ein Ska-larfeld φ angewendet wird.

grad (gradφ) = ∂j∂iφ

wobei ∂j∂i nun ein Matrix angewandt auf φ

grad (gradφ) =

∂1∂1 ∂1∂2 ∂1∂3

∂2∂1 ∂2∂2 ∂2∂3

∂3∂1 ∂3∂2 ∂3∂3

φ (8.2.14)

darstellt. Es ist schnell ersichtlich, dass erneutes Anwenden des Gradientenauf das obige Gebilde einen Tensor dritter Stufe erzeugt. Wir haben also gese-hen, dass der Gradient durchaus auch auf Vektoren, ja sogar auf jeden belie-bigen Tensor angewendet werden kann, und dass daraus ein Tensor höherer

Stufe resultiert. Es ergibt sich also aus einem(MN

)-Tensor durch Gradien-

tenbildung ein(

MN + 1

)-Tensor.

Quasi in Symmetrie dazu reduziert die Divergenzbildung die Stufe von Ten-soren oder präziser: die Divergenz eines Tensors n-ter Stufe erzeugt wieder

einen Tensor n-1-ter Stufe, d.h. ein(M − 1N

)-Tensor.

Diese Eigenschaft des Gradienten werden wir bei der Taylor-Entwicklungvon Feldern verwenden müssen. Aber zuerst noch ein konkretes Rechenbei-spiel.

Beispiel Wir betrachten das Beispiel Nr. 2 beim Gradienten. Gesucht sei nungrad (gradφ) des Feldes φ = 2xz3 +

√yx2. Benützen wir 8.2.14 erhalten wir:

grad (gradφ) = grad

2z3 + 2√yx

12

√yx2

6xz2

=

~∇(2z3 + 2

√yx)

~∇(

12

√yx2)

~∇(6xz2

)

=

2√y 2

2x1√y 6z2

22x√y 1

212

1√yx

2 06z2 0 12xz

=

2√y x 1√

y 6z2

x√y 1

41√yx

2 06z2 0 12xz

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN276

8.3 Taylor-Entwicklung von Feldern

8.3.1 Taylor-Entwicklung von Funktionen

Die Taylor-Entwicklung von Funktionen sollte den meisten bekannt sein. Nach-dem dies in der Astrophysik und Physik generell ein so fundamental wichtigesInstrument ist, wollen wir die Entwicklung von Funktionen kurz wiederholen.

In physikalischen Problemen benötigt man oft kleine Änderungen einerFunktion, resp. einer Vektorfunktion, an interessanten Stellen. Dazu sucht maneine Approximation der Funktion an dieser Stelle. Eine einfache Methode, einesolche zu finden, ist die Taylor-Entwicklung.

f(x+∆x) = f(x)+∆x1!f′(x)+

∆x2

2!f′′(x)+. . .+

∆xn

n!f (n)(x)+Rn+1(x), (8.3.1)

wobei das Restglied wie folgt definiert ist

Rn+1(x) =∆xn+1

(n+ 1)!f (n+1)(x+ θ∆x), 0 < θ < 1 (8.3.2)

Meistens werden Funktionen in der Physik nur bis zur ersten oder zweitenOrdnung entwickelt. Der Einfluss des Restglieds auf das Resultat ist dann mei-stens schon verschwindend klein, vorausgesetzt die Reihe konvergiert. Dassdem auch so ist, sollte man sich immer vorher vergewissern, bevor einfach Ter-me weggelassen werden. Konkret bedeutet das eine Abschätzung des Rest-gliedes, um sicherzustellen, dass die Taylorreihe konvergiert.

Wird das Restglied 8.3.2 verschwindend klein, lässt sich also eine Funktiondurch eine Taylor-Reihe darstellen.

Wir wollen hier ein paar wichtige Reihenentwicklungen angeben. Die Listeist alles andere als komplett und für ausführlichere Auflistungen möchten wirauf eine Formelsammlung verweisen. Diese Reihen wurden alle um den Punktx = 0 entwickelt. In diesem Fall nennt man dies auch eine Maclaurin-Reihe.Dann nämlich ergibt sich 8.3.1 zu f(x) ≈ f(0) + f

′(0)x+ 1

2!f′′(0)x2 +O(x3).

• f(x) = 11−x ⇒f

′(x) = −(1− x)−2, f

′′(x) = +2(1− x)−3, ...

f(x) ≈ 1− x+ x2 ∓ . . .

• f(x) = (1 + x)n⇒f ′(x) = n(1 + x)n−1, f′′(x) = n(n− 1)(1 + x)n−2, ...

f(x) ≈ 1 + nx+ n(n− 1)x2

2+ . . .

• f(x) = (1 + x)nm⇒f ′(x) = n

m(1 + x)nm−1, f

′′(x) = n

m( nm − 1)(1 + x)nm−2,

...f(x) ≈ 1 +

n

mx+

n(n−m)2m2

x2 + . . .

• f(x) =√

1 + x⇒f ′(x) = 12(1 + x)−1/2, f

′′(x) = −1

4(1 + x)−3/2, ...

f(x) ≈ 1 +12x− 1

8x2 + . . .

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN277

• f(x) = sin(x)⇒f ′(x) = cos(x), f′′(x) = − sin(x), ...

f(x) ≈ 0 + x− x3

3!+ . . .

• f(x) = cosx⇒f ′(x) = − sin(x), f′′(x) = − cos(x), ...

f(x) ≈ 1− 12!x2 +

14!x4 − . . .

• f(x) = ex⇒f ′(x) = ex, f′′(x) = ex, ...

f(x) ≈ 1 + x+x2

2!+ . . . ≡ ex

8.3.2 Entwicklung von Feldern

Wir wollen nun die Taylor-Entwicklung auf Felder übertragen. Dabei werdenwir wieder auf bekannte Tricks aus unserer Trickkiste zurückgreifen müssen.

Es ist ein Ausdruck für φ(~r + ∆~r) gesucht, der nur aus φ(~r) und dessenAbleitungen besteht. Diese Idee übernehmen wir direkt von jenem Fall derFunktionen 8.3.1, wo f(x+ ∆x) durch f(x) und dessen Ableitungen beschrie-ben wurde. Es ist vielleicht ersichtlich, dass unsere Aufgabenstellung jener derHerleitung des Gradienten gleicht und die Ausgangslage diesselbe ist.

Deswegen starten wir gleich mit dem alten Trick und wählen unser Koordi-natensystem wieder so, dass ∆~r in Richtung der Koordinatenachse ∆x1 liegt.Dies erweist sich als geschickt, denn nun ist φ(~r + ∆~r) bei konstantem ~r nureine Funktion von ∆~r = ∆x1, also einer einzigen Variablen.

φ(~r + ∆~r) ≡ φ(∆x1)

Da wir das Problem auf eine einzige Variable reduzieren konnten, können wireine normale Taylor-Entwicklung anwenden, wie sie in 8.3.1 beschrieben wur-de. Somit ist dann

φ(~r + ∆~r)(∼= φ(~r + ∆x1)

)= φ(~r) +

∆x1

1!dφ

dx1 +

(∆x1

)22!

d2φ

d(x1)2 + . . . (8.3.3)

Wie beim Gradienten transformieren wir nun das Koordinatensystem wie-der in seine ursprüngliche Lage zurück. Somit ist ganz analog zur Gradien-tenherleitung ∆~r = (∆x1,∆x2,∆x3) wegen ∆xj = Λ1

j∆x1 wieder eine reineFunktion von ∆x1. Es gilt dann wieder

dx1 =∂φ

∂xjdxj

dx1 =∂φ

∂xjΛ1

j

und nun weiters (Achtung, innere Ableitung von xk(x1) beachten)

d2φ

d(x1)2 =

d

dx1

(∂φ

∂xjΛ1

j

)=

∂xk

(∂φ

∂xjΛ1

j

)dxk

dx1 =∂2φ

∂xk∂xjΛ1

jΛ1k

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN278

Höhere Terme werden analog gefunden. Diese höheren Ableitungen von un-serem Feld φ setzten wir in 8.3.3 ein. Wir erhalten eine erste Form der Reihen-entwicklung

φ(~r + ∆~r) = φ(~r) +∂φ

∂xjΛ1

j∆x1 +12!

∂2φ

∂xk∂xjΛ1

jΛ1k(∆x1

)2 + . . .

Dies ist noch etwas umständlich geschrieben. Da die TransformationsmatrixΛ1

j vom einen System ins andere transformiert, erkennen wir, dass Λ1j∆x1 =

∆x1 sein muss. Weiters ist dann Λ1jΛ1

k(∆x1

)2 = Λ1j∆x1·Λ1

k∆x1 = ∆xj∆xk,usw. Damit kommen wir nun auf die endgültige Form der Taylor-Entwicklungeines Skalar-Feldes

φ(~r + ∆~r) = φ(~r) +∂φ

∂xj∆xj +

12!

∂2φ

∂xj∂xk∆xj∆xk + . . .

= φ(~r) +∇jφ∆xj +12!∇j∇kφ∆xj∆xk + . . . (8.3.4)

Wir wollen an dieser Stelle nochmals ausdrücklich an die Einstein’scheSummenkonvention erinnern, die besagt, dass obige Formel immer über dieIndizes j, k, . . . summiert wird! D.h., die ganze Sache wird schnell sehr um-fangreich.

Vergleicht man diese Reihe nun mit der Reihenentwicklung der Exponen-tialfunktion ex um eine beliebige Stelle (nicht wie in 8.3.1 angegeben um denPunkt Null), so kommt man darauf, dass folgendes gelten muss

φ(~r + ∆~r) = exp ((∆~r · ∇)φ(~r)) (8.3.5)

Wir können (und müssen) natürlich auch das Restglied angeben. Dieses ist

Rn+1 =1

(n+ 1)!∇j . . .∇n+1∆xj . . .∆xn+1φ(~r + θ∆~r) (8.3.6)

Betrachtet man 8.3.4 genauer, findet man auch wieder Gradienten von Vek-toren, Matrizen usw. Das sind die ∇j∇k . . . Terme.

Wir wollen nun noch die ausgeschriebene lineare und quadratische Nä-herung eines Feldes angeben. Die lineare, d.h. alles ab einschließlich demquadratischen Term wird weggelassen

φ(~r + ∆~r) ≈ φ(~r) +∂φ

∂x1∆x1 +

∂φ

∂x2∆x2 +

∂φ

∂x3∆x3 = (∇iφ) ∆xi (8.3.7)

Die entsprechende quadratische Näherung ist dann

φ (~r + ∆~r) ≈ φ(~r) +∂φ

∂x1∆x1 +

∂φ

∂x2∆x2 +

∂φ

∂x3∆x3 +

12!

((∆x1

)2 ∂2φ

∂ (x1)2

+ 2∆x1∆x2 ∂2φ

∂x1∂x2+ 2∆x1∆x3 ∂2φ

∂x1∂x3+ 2∆x2∆x3 ∂2φ

∂x2∂x3

+(∆x2

)2 ∂2φ

∂ (x2)2 +(∆x3

)2 ∂2φ

∂ (x3)2

)(8.3.8)

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN279

Beispiel Wir entwickelnφ(~r) =

α

|~r − ~r0|2

um |~r| = 0 bis zur zweiten Ordnung.Der Term der nullten Ordnung lässt sich ziemlich direkt hinschreiben.

φ0 = φ(~r)|~r=0 =α

r20

Die erste Ordnung verlangt schon einen beachtlichen Arbeitsaufwand.

φ1 = ∇i(

α

|~r − ~r0|2

)~r=0

∆xi =∂

∂xi

|~r − ~r0|2

)~r=0

∆xi

=(−2α|~r − ~r0|3

∂xi|~r − ~r0|

)~r=0

∆xi

=

−2α|~r − ~r0|3

∂xi

(∑i

(xi − xi0

)2)1/2~r=0

∆xi

=

−2α|~r − ~r0|3

2(xi − xi0

)2(∑

i

(xi − xi0

)2)1/2

~r=0

∆xi

=

(−2α|~r − ~r0|3

(xi − xi0

)|~r − ~r0|

)~r=0

∆xi

⇒ φ1 =−2αr4

0

~r0 ·∆~r

Wenn das noch nicht genug war, dann kommt jetzt die zweite Ordnung.Dabei nützen wir aus, dass ∂

∂xj

(xi − xi0

)= 1 für i = j, also ∂

∂xi

(xi − xi0

)= δij

ist.

φ2 =12!∇j∇i

|~r − ~r0|2

)~r=0

∆xi∆xj

=12!

∂xj

(−2α|~r − ~r0|4

(xi − xi0

))~r=0

∆xi∆xj

=12!

8α|~r − ~r0|5

(xj − xj0

)|~r − ~r0|

(xi − xi0

)− 2α|~r − ~r0|4

δij

~r=0

∆xi∆xj

=12

(8αr6

0

xj0xi0 −

2αr4

0

δij

)∆xi∆xj =

12

(8α (~r)2

r60

− 2αr3

0

)(∆~r)2

⇒ φ2 =α

r60

(4 (~r ·∆~r)2 −∆r2r3

0

)Setzen wir das alles nun zusammen, bekommen wir als Näherung

φ(~r) =α

|~r − ~r0|2= α

[1r2

0

+2~r0 ·∆~rr4

0

+4 (~r · ~r0)2 −∆r2r3

0

r60

+ . . .

]

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN280

8.4 Die Divergenz

In 8.2.3 haben wir gesehen, was geschieht, wenn wir Nabla mittels einem äus-seren Produkt auf einen Vektor, resp. einen Tensor n-ter Stufe anwenden. Nunwollen wir auch die andere Möglichkeit der Verknüpfung von Nabla mit einemVektor betrachten, dem inneren Produkt. Dies wird uns auf die Divergenz füh-ren, dessen mathematische, und auch physikalische Bedeutung wir ausführ-lich betrachten wollen.

Definition 8.4.1. Gegeben sei ein stetig differenzierbares Vektorfeld

~a (~r) =

a1 (~r)...

an (~r)

Ihm wird mittels des inneren Produkts

~∇ · ~a (~r) =∂a1

∂x1+∂a2

∂x2+ . . .+

∂an

∂xn= ∂ia

i (~r) =: div~a (8.4.1)

ein Skalarfeld, nämlich ~∇·~a, zugeordnet. Dieses Skalarfeld wird Diver-genz oder auch Quellenfeld des Vektorfeldes ~a (~r) genannt.

Soweit die reine mathematische Definition. Damit diese Definition auch wirk-lich sinnvoll ist, müssen wir kurz zeigen, dass div~a tatsächlich ein Skalarfeldist, denn ein Skalarfeld ist ja invariant gegenüber Transformationen. Dies mussnicht zwingend der Fall sein, da sich ja ein Vektorfeld je nach verwendetem Ko-ordinatenfeld anders präsentiert.

Wird ein Vektorfeld transformiert, ändern sich sowohl die Koordinaten xi,die den Punkt im Raum beschreiben, als auch der dort ansetztende Vektor~a (~r). Für eine Transformationen Λl i gilt

xk = Λl kxl

aj = Λi jai

=⇒ ak = Λjkaj (8.4.2)

Nun wollen wir das Vektorfeld mittels Kettenregel, den oben aufgestellten Re-lationen und 8.4.1 differenzieren.

∂ai

∂xi=

∂xiΛj

iaj (x) = Λji ∂a

j

∂xk∂xk

∂xi

Λji konnten wir vor das Differential ziehen, da dieses nicht von x oder x ab-

hängig ist (die Λji sind einfache Matrixelemente). Wir rechnen weiter

= Λji ∂a

j

∂xk∂

∂xiΛl kxl = Λj

i ∂aj

∂xkΛl kδi l = Λj

iΛi k∂aj

∂xk

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN281

Aufgrund der Orthogonalitätsbedingung ΛjiΛi k = δj

k (siehe z.B. 6.4.5) wirdobiges zu

=∂aj

∂xkδjk =

∂ak

∂xk, q.e.d

In der Tat, das Divergenzfeld transformiert sich so wie ein Skalarfeld. Es bleibtalso invariant unter Koordinatentransformationen.

8.4.1 Eigenschaften

Vieles in der Vektoranalysis hat ihren Ursprung in der Hydrodynamik. Dort hatman die ganze Zeit mit Skalar- und Vektorfeldern zu tun und deswegen mus-ste in dieser Disziplin auch das ganze mathematische Grundgerüst gebautwerden. Nachdem die Hydrodynamik die Grundlage für viele astrophysikali-sche Prozesse bildet, möchten wir die Divergenz ganz klassisch anhand einerStrömung illustrieren.

Zuerst müssen wir eine Strömung charakterisieren. Dazu führen wie dieStromdichte ~j ein. Eine Strömung hat sowohl eine Stärke, als auch eine Rich-tung. Um die Stärke einer Strömung zu beschreiben, zählen wir einfach dieAnzahl der Teilchen, die in einem bestimmten Zeitintervall eine Fläche durch-fließen. Die Einheit der Stromdichte ist also

[∣∣∣~j∣∣∣] = Teilchenm2·s . Die Richtung des

Stromdichte-Vektors zeigt in die Flussrichtung der Teilchen. Somit wird dieStromdiche mit ~j = n · ~v definiert, wobei n die Anzahl der Teilchen ist, dieeine bestimmte Fläche mit der Geschwindigkeit ~v durchströmen.

n

j

j||

j

Abbildung 8.4.1: Strömung ~j durchein Flächenelement ∆F mit demNormalvektor ~n

Nun müssen wir uns noch genauer ansehen, wie die Teilchenzahl mit derdurchflossenen Fläche zusammenhängt. Die Ausrichtung der Fläche wird mitdem zugehörigen Normalvektor ~n beschrieben. Den Stromdichte-Vektor kön-nen wir in zwei Komponenten zerlegen, eine parallel zum Normalvektor ~j‖und eine senkrecht dazu ~j⊥. Die Geometrie ist in Abbildung 8.4.1 dargestellt.Die gesamte Stromdichte setzt sich aus den beiden Komponenten zusammen~j = ~j‖+~j⊥. Somit kann die Flüssigkeitsmenge, die durch die Fläche fließt, wiefolgt beschrieben werden: (es muss dabei beachtet werden, dass ~j⊥ · ~n = 0)∣∣∣~j‖∣∣∣ ·∆F = ~j‖~n ·∆F =

(~j‖ +~j⊥

)~n ·∆F = ~j · ~n∆F =: ~j ·∆~F

Dazu haben wir noch den Flächenvektor (gerichtetes Flächenelement) ∆~F :=~n∆F definiert.

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN282

Allgemein können wir sagen, dass der Fluss eines Feldes ~a durch ein Flä-chenelement ∆~F mit ~a ·∆~F gegeben ist.

j

Abbildung 8.4.2: Fluss einer Strömung durch einen infinitessimalen Quader anzwei verschiedenen Stellen.

Nun wollen wir eine Strömung etwas genauer anschauen. In Abbildung8.4.2 ist eine mögliche Strömung mittels Stromlinien dargestellt. Vor dem Hin-dernis in der Strömung und danach, sind alle Stromlinien parallel - die Strö-mung ist laminar. Im Hindernis selbst sind die Stromlinien auch wieder par-allel, doch verengen sie sich kurz vor der Öffnung. Dies zeigt an, dass sichdie lokale Teilchendichte n (~r, t) = ∆N

∆V verändert, wobei hier N die Anzahl derFlüssigkeitsteilchen ist und V das Volumen.

Nachdem Flüssigkeitsteilchen weder spontan entstehen noch vernichtetwerden können (also zumindest in der Physik die wir hier betrachten), musseine lokale Änderung der Teilchendichte bei gleichbleibendem Volumen ∂n(~r,t)

∂tkompensiert werden. Dies geschieht entweder durch Ein- oder Ausströmenvon Flüssigkeit in das betrachtete Volumen.

Um nun der Divergenz auf die Schliche zu kommen, betrachten wir einsolches Ein- oder Ausströmen. Im stationären Fall ist das alles unspektakulär,denn da fließt genausoviel ein, wie ausfließt - die Teilchendichte verändertsich nicht. Also betrachten wir lieben den nichtstationären Bereich hinter demHindernis.

Wir wollen eine sogenannte Strömungsbilanz erstellen, damit wir wissen,was in dem Volumselement wirklich vor sich geht. Dies ist übrigens eine oftverwendete Vorgehensweise bei astrophysikalischen Problemstellungen. Wir

betrachten unser Volumselement an der Stelle ~r =

xyz

. Wir betrachten

zunächst nur den Nettofluss durch die linke Begrenzungsfläche, also ∆y ·∆z.

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN283

Auf den Nettofluss kommen wir, indem wir den Fluss durch die linke Fläche,mit dem Fluss durch die rechte Fläche vergleichen. Dazu brauchen wir nur diex-Komponente eines Stromdichtevektors ~j zu betrachten.

∆Q1 = [j1 (x, y, z)− j1 (x+ ∆x, y, z)] ∆y ·∆z ≈ −∂j1 (x, y, z)∂x

∆x∆y∆z

= −∂j1∂x

∆V (8.4.3)

Um den approximativen Ausdruck zu erlangen, haben wir eine Taylorentwick-lung vorgenommen und wie nicht anders zu erwarten Terme höherer Ordnungvernachlässigt, da wir nur sehr kleine ∆x betrachten. Die Teilchenzahlände-rung pro Volumen ist somit ∆Q1

∆V = −∂j1∂x .

Analog können die y und z-Komponente betrachtet werden. Addieren wirnun die Nettoflüsse der drei Strömungsrichtungen, erhalten wir den Nettoflussdurch das ganze Volumen ∆V oder anders ausgedrückt, die zeitliche Verän-derung der lokalen Teilchendichte.

∂n (~r, t)∂t

= −∂j1∂x− ∂j2∂y− ∂j3∂z

= −div~j (8.4.4)

Die Teilchenzahldichte nimmt also mit der Zeit zu wenn div~j < 0 ist, d.h. mehrhinein- als hinausströmt (Senke). Umgekehrt gibt div~j > 0, dass der Aus-strom größer als der Einstrom ist (Quelle). Ein kurzer Vergleich mit 8.4.1 zeigt,dass der obige Ausdruck, bis auf das Vorzeichen, gleich der Divergenz ist. DieDivergenz gibt somit an, wie gross die Ab- bzw. Zunahme der Teilchenzahlpro Zeiteinheit (im Bild der Hydrodynamik) ist. Dies nennt man allgemein dieQuellstärke eines Vektorfeldes ~j (~r, t), also wie stark ein Vektorfeld an einembestimmten Punkt stärker oder schwächer wird.

Rechenregeln Für das Rechnen mit der Divergenz sind folgende Rechen-regeln zu beachten (c, resp ~c stehen für Konstanten bzw. konstante Vektoren,und φ für ein differenzierbares Skalarfeld):

1. div~c = 0 (8.4.5)2. div(c~a) = c(div~a) (8.4.6)3. div(~a+~b) = div~a+ div~b (8.4.7)4. div(φ · ~a) = gradφ · ~a+ φ · div~a (8.4.8)5. div(~a×~b) = ~b rot~a− ~a rot~b (8.4.9)

Für 8.4.8 wollen wir noch den Beweis liefern, denn dieser zeigt sehr schön,wie mit dem Nabla Operator gerechnet werden muss.

div(φ · ~a) = ~∇r (φ (~r) · ~a (~r)) = ~∇φ (~r) · ~a (~r) + φ (~r) · ~∇ · ~a (~r)= gradφ · ~a+ φ · div~a

Man muss den Operator einfach durch den ganzen Ausdruck durchziehen.

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN284

Rechenbeispiele

1. Sei ~r =

x1

x2

x3

ein Vektorfeld das den Ortsvektor beschreibt. Gesucht

ist dessen Divergenz.

div~r = ~∇ · ~r =∂x1

∂x1+∂x2

∂x2+∂x3

∂x3= 3 (8.4.10)

2. Um das Rechnen mit dem Epsilon-Tensor wieder aufzugreifen: Gesuchtsei die Lösung für ~∇ ·

(~B × ~r

), wobei ~B = const.

~∇ ·(~B × ~r

)→ ∇l · (εijkBjxk) δli = ∂iεijkBjxk = εijk (xk∂iBj +Bj∂ixk)

= εijk (xk∂iBj +Bjδik) = εijkxk∂iBj

Dabei wurde εijkδik = εiji = 0 verwendet. Nachdem nun ~B = const. ist∂iBj = 0 und somit

~∇ ·(~B × ~r

)= 0

8.4.2 Laplace-Operator

Ein wichtiger und spezieller Fall ist die Bildung der Divergenz eines Gradien-tenfeldes. Ein solches Feld gibt die Quellstärke eines Gradientenfeldes an undbeschreibt also, wie stark das Gradientenfeld zu- oder abnimmt.

Nehmen wir ein Vektorfeld ~c(~r) welches durch Gradientenbildung einesSkalarfeldes φ zustande gekommen ist: ~c(~r) = ~∇φ (~r). Wie sieht nun hier dieDivergenz ~∇ · ~c (~r) aus? Einfaches Einsetzten liefert uns

~∇ · ~c = ~∇ ·(~∇φ)

=∂

∂xi

(∂φ

∂xi

)=: ∆φ

Daraus folgt direkt die Definition des Laplace-Operators.Definition 8.4.2. Die Divergenz eines Gradientenfeld wird mittels desLaplace-Operator ∆ berechnet.

∆ :=∂2

∂ (x1)2 +∂2

∂ (x2)2 + . . .+∂2

∂ (xn)2 (= div (grad)) (8.4.11)

Auch beim Laplace-Operator gilt die Merkregel ”Laplace is hungry for some-thing to eat...”.

Beispiele

1. Wir betrachten wieder das Skalarfeld φ des Beispieles Nr. 2 im KapitelGradient. Das Gradientenfeld ist uns da ja schon bekannt und es war

~c = ~∇φ =

2z3 + 2√yx

12√yx

2

6xz2

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN285

Die Divergenz dieses Feldes ist nun

∆φ = ~∇ ·(~∇φ)

= ~∇ · ~c = 2√y − 1

4y−3/2x2 + 12xz

2. Was ergibt der Ausdruck div (ϕ gradψ − ψ gradϕ), wobei ϕ und ψ Ska-larfelder sind?

~∇ ·(ϕ~∇ψ − ψ~∇ϕ

)= ϕ~∇ ·

(~∇ψ)

+ ~∇ϕ · ~∇ψ

−ψ~∇ ·(~∇ϕ)− ~∇ψ · ~∇ϕ

= ϕ~∇ ·(~∇ψ)− ψ~∇ ·

(~∇ϕ)

= ϕ∆ψ − ψ∆ϕ (8.4.12)

8.5 Rotation

Bei der Divergenz haben wir den Nabla Operator mittels des inneren Produktsmit einem Vektorfeld ~a(~r) verknüpft. Es mag nun naheliegend sein, dass wirNabla mittels Kreuzprodukt mit dem Vektorfeld verknüpfen wollen. Wir werdensehen, dass dabei die Rotation herauskommen wird. Deswegen wollen wirgleich die Definition der Rotation liefern, denn diese ergibt sich direkt aus ~∇×~a(~r).

Definition 8.5.1. Gegeben sei ein stetig differenzierbares Vektorfeld

~a(~r) =

a1(~r)a2(~r)a3(~r)

. Durch den Nabla-Operator weisen wir ~a ein weite-

res Vektorfeld zu:

~∇× ~a ≡ rot~a :=

∂2a3 − ∂3a2

∂3a1 − ∂1a3

∂1a2 − ∂2a1

(8.5.1)

Gleichbedeutend sind auch die Schreibweisen

~∇× ~a =

∣∣∣∣∣∣e1 e2 e3

∂1 ∂2 ∂3

a1 a2 a3

∣∣∣∣∣∣ (8.5.2)

(~∇× ~a

)i= εijk∂

jak (8.5.3)

Der Ausdruck ~∇ × ~a wird als Rotation von ~a oder als Rotor von ~abezeichnet. In älteren Büchern ist auch der Ausdruck Wirbelfeld zufinden. In der Englischen Literatur wird in den Formeln nicht rot ge-schrieben, sondern curl. Entsprechend heißt dann die Rotation auchCurl ~a.

Beachte: hier wurde die Summenkonvention in der allgemeinen Form verwen-det, wobei über jeweils doppelt auftretende Indizes unten und oben summiert

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN286

wird. In kartesischen Koordinaten (und euklidischer Metrik - siehe Kapitel überTensoren) gilt wie gehabt (

~∇× ~a)i

= εijk∂jak

Ganz analog zur Divergenz wollen wir besprechen, welche Bedeuntung dieRotation besitzt. Zuerst wollen wir aber noch kurz zeigen, dass die Rotationwirklich einen Vektor produziert und sich daher wie ein solcher transformiert.

Es muss also(~∇× ~a

)l= Λi l

(~∇× ~a

)isein, wobei Λi l wieder eine beliebige

Transformation darstellt.Wir rechnen also mit ak = Λn kan und 8.1.2:

Λi l(~∇× ~a

)i= Λi lεjk i∂jak = Λi lεjk i∂jΛn kan

= Λi lεjk iΛm j∂mΛn kan

=Λi lΛm jΛn kεjk i∂man

Nachdem der Epsilon-Tensor ein Tensor 3. Stufe ist, erkennt man die Transformations-Eigenschaft eines solchen Tensors εmn l = Λi lΛm jΛn kεjk i. Direkt aus der De-finition des Epsilon-Tensors folgt εmn l = εmn

l. Somit wird die Transformationder Rotation zu

⇒ Λi lΛm jΛn kεjk i∂man = εmn

l∂man =

(~∇× ~a

)lq.e.d.

8.5.1 Eigenschaften

Wir wollen nun die Rotation anschaulich darstellen. Dazu werden wir einigemathematische Schritte machen müssen, um dies klar darzulegen. Am Endeunserer Betrachtung werden wir aber auch ein hoffentlich griffiges und nichtnur formal mathematisches Bild liefern.

Der Name ”Rotation” lässt schon erahnen, dass sich da irgendwas drehenmuss. Also bleiben wir wieder im hydrodynamischen Bild und betrachten einenWirbel in einer Flüssigkeit. Das Strömungsbild und die Geometrie in einemsolchen Wirbel ist in Abbildung 8.5.1 skizziert. Die Wirbelachse befindet sichim Zentrum.

r

v(r)

Abbildung 8.5.1: Strömungsbild ei-nes Wirbels, mit der Wirbelach-se ~ω im Zentrum. ~ω ist derWinkelgeschwindigkeits-Vektor

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN287

Der Wirbel möge sich mit der Drehfrequenz ν = ω2π drehen. ~ω ist dabei der

Winkelgeschwindigkeits-Vektor, dessen Betrag |~ω| = ω die Winkelgeschwin-digkeit angibt. In Abbildung 8.5.1 zeigt der Vektor ~ω aus der Zeichenebeneheraus (wie im perspektivischen Bild angedeutet ist) und er beschreibt eineRechtsschraube (Rechte-Hand-Regel). ~r sei der Ortsvektor zu einem beliebi-gen Punkt im Wirbel. Dessen Ursprung liegt auf der Drehachse.

Es ist nicht schwer ersichtlich, dass die Vektoren des Geschwindigkeitsfel-des ~v (~r) normal auf ~r stehen müssen. Weiters müssen sie auch normal zu ~ωsein. Somit ist also

~v (~r) = ~ω × ~r

Dass ~v in der Tat auch eine Geschwindigkeit ist, sieht man schnell an den Ein-heiten. Mittels ω = 2πν = 2π/t berechnen wir die Einheit wie folgt: [~ω × ~r] =[ω] · [r] = 2π [r] / [t] = [v], wobei hier [. . .] hier die physikalische Einheit desAusdrucks bedeutet. Wir sehen, dass ~ω × ~r tatsächlich die Einheit einer Ge-schwindigkeit besitzt. Dabei ist t die Umdrehungsdauer des Wirbels und 2πrder Umfangs des Wirbels.

Es kann nun gezeigt werden, dass ~ω die Bedeutung (mathematisch) einerWirbelstärke hat und somit, bis auf einen Faktor, das Rotationsfeld von ~v (~r)darstellt. Dies wollen wir nun deutlich machen. Die Rotation des Geschwindig-keitsfeldes in unserem Wirbel ist

~∇× ~v (~r) = ~∇× (~ω × ~r) (8.5.4)

Formulieren wir dies in Indexschreibweise aus (und lösen mittels 7.10.8 auf),bekommen wir

~∇× (~ω × ~r) → εlmi ∂mεijkω

jxk = ∂mωjxkεijkε

lmi

= ∂mωjxk

(δljδ

mk − δmj δlk

)= ∂mω

lxm − ∂mωmxl

= xm∂mωl + ωl∂mx

m − xl∂mωm − ωm∂mxl

⇒ ~∇× (~ω × ~r) =(~r~∇)~ω + ~ω

(~∇ · ~r

)− ~r

(~∇ · ~ω

)−(~ω~∇)~r (8.5.5)

Nachdem nun ~ω = const. sein soll, folgt (mit der Relation 8.4.10 und 8.2.5)

~∇× (~ω × ~r) = ~ω(~∇ · ~r

)−(~ω~∇)~r = 3~ω − ~ω = 2~ω (8.5.6)

Somit haben wir gesehen, dass die Rotation bis auf einen Faktor die Winkel-geschwindigkeit angibt. Sie ist also ein Maß dafür, wie schnell ein Vektorfeldrotiert.

Soweit mal die formale Erklärung. Nun wie versprochen ein etwas an-schaulicheres Bild. Wir wollen uns irgendein Vektorfeld vorstellen. Am bestennehmen wir dazu einen Fluss. Aufgrund der Reibungskräfte ist die Strömungam Rande des Flusses geringer, als in der Mitte. Dies ist auch in Abbildung8.5.2 dargestellt.

Nun wollen wir in dieses Strömungsfeld infinitesimal kleine Schaufelräd-chen einfügen. Fangen wir mal in der Mitte an. Wir platzieren das Schaufelradexakt in der Mitte, wie in Abbildung 8.5.2 angedeutet. Was wird passieren?

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN288

Abbildung 8.5.2: Strömungsbild ei-nes Flusses. Darin eingebettet sindinfinitessimal kleine Schaufelräd-chen, welche je nach Strömungs-feld sich drehen oder nicht.

Das Schaufelrad wird sich nicht drehen, da sich die Kräfte (in einer idealisier-ten Welt) aufheben.

Was passiert nun, wenn wir unser Schaufelrad am Rand positionieren?Dann wird es zu drehen beginnen, weil die Strömung auf der einen Seite desRädchens kleiner ist, als auf der anderen. Insbesondere ist sie exakt am RandNull. Nun ist die Rotation genau ein solches ”mathematisches Schaufelrad”.In der Mitte des Strömungsfeldes ist keine Drehung zustande gekommen, dieRotation ist dort also Null. Am Rand hingegen hat sich unser Schaufelrad ge-dreht, also verschwindet dort die Rotation nicht.

Allgemein treten rotierende Geschwindigkeitsfelder typischerweise in so-genannten Scherströmungen auf. Die Größe ~∇ × ~v bezeichnet man auch alsVortizität (engl. vorticity).

Rechenregeln Auch für die Rotation möchen wir wieder alle Rechenregelnaufschreiben. Hierbei ist ~c ein konstanter Vektor, c ein Skalar und ϕ (~r) einmindestens einfach differenzierbares Skalarfeld.

1. rot~c = ~0 (8.5.7)2. rot(c~a) = c(rot~a) (8.5.8)3. rot(~a+~b) = rot~a+ rot~b (8.5.9)4. rot(ϕ(~r) · ~a) = (gradϕ)× ~a+ ϕ · rot~a (8.5.10)

Den Beweis zu 8.5.10 wollen wir liefern.

~∇× (ϕ · ~a) → εijk∂j(ϕak

)= εijk

(ak∂jϕ+ ϕ∂jak

)= εijk

(∂jϕ

)ak + ϕεijk∂

jak

⇒(~∇ϕ)× ~a+ ϕ~∇× ~a

q.e.d.Der Unterschied zwischen Vektoren und Komponente muss dabei beachtet

werden.

Weitere Eigenschaften:

KAPITEL 8. DIFFERENTIATION VON SKALAR- UND VEKTORFELDERN289

• Gradientenfelder sind stets wirbelfrei.Sei ϕ(~r) zweimal stetig differenzierbar, ansonsten ein beliebiges Skalar-feld, dann ist rot (gradϕ(~r)) = ~∇×

(~∇ϕ)

= 0, da ~∇× ~∇ = 0. Aufgrundder Vertauschbarkeit der Ableitungen ist nämlich

εijk∂j∂kϕ = εikj∂

k∂jϕ (8.5.11)

Da nun aber aufgrund der Eigenschaften des Epsilon-Tensors

εikj∂k∂jϕ = −εijk∂j∂kϕ (8.5.12)

impliziert diesεijk∂

j∂kϕ = −εijk∂j∂kϕwas natürlich nur erfüllt ist, wenn der Ausdruck Null ergibt. q.e.d.

• Es gilt auch die Umkehrung. Wenn gilt, dass rot~a = ~∇ × ~a = 0, dannexistiert ein Skalarfeld ϕ(~r), so dass ~a = gradϕ = ~∇ϕ ist.

• Wirbelfelder sind stets quellenfrei.Sei~a(~r) zweimal stetig differenzierbar. Dann ist div (rot~a) = ~∇·

(~∇× ~a

)=

0. Wieder analog zum Beweis über die Wirbelfreiheit des Gradientenfel-des ist

~∇ ·(~∇× ~a

)→ ∂iεjk

i∂jak = ∂iεijk∂jak = ∂jεjik∂

iak

= −∂iεijk∂jak = −∂iεjk i∂jak = 0

Die Indizes werden wieder mit Hilfe des metrischen Tensors herauf- undheruntergezugen.

• Und auch hiervon gilt die Umkehrung. Ist ein Vektorfeld ~B quellenfrei,d.h. ~∇· ~B = 0, dann muss es ein geeignetes Vektorfeld ~a geben, so dassgilt ~B = ~∇× ~a.Es ist sogar möglich, an ~a noch ein Gradientenfeld additiv anzuhängen,d.h. ~a

′= ~a+ ~∇φ. Es ist dann

~∇× ~a′ = ~∇×(~a+ ~∇φ

)= ~∇× ~a+ ~∇×

(~∇φ)

= ~∇× ~a

Beispiele

1. Berechne rot~r

rot~r = ~∇× ~r → εjki∂jxk = εjk

iδkj = εkk

i = 0

2. An dieser Stelle möchten wir den Beweis von 8.4.9 nachliefern:

div(~a×~b

)→ ∇i

(εjk

iajbk)

= ∂iεjkiajbk = ∂iεijka

jbk

= εijk∂i(aj)bk + εijka

j∂i(bk)

= bkεkij∂iaj − ajεjik∂ibk

→ ~b rot~a− ~a rot~b