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Differentialdiagnose endokriner Laborbefunde
Winfried G. RossmanithFrauenklinik
Diakonissenkrankenhaus Karlsruhe
Leitfaden der Labordiagnostik Auf jeden Fall eine komplette Anamnese erheben!
Pubertätsentwicklung Zeitgleiche Körperveränderungen (Gewicht? Behaarung?) Zusätzliche Begleiterkrankungen oder -symptome Medikamente? Familiäre Häufung von Erkrankungen
Dann kompletten körperlichen und gynäkologischen Status erheben!
Erst dann steht die Abklärung von Leitsymptomen durch rationelle Labordiagnostik!
Leitfaden der Labordiagnostik
Immer möglichst genaue klinische Angaben aus Anamnese und Befundung an den Laborarzt!
Teilen Sie dem Laborarzt mit, welche Fragestellungen Sie durch die Laborbefunde abklären wollen!
Differentialdiagnostische Überlegungen müssen sich in der Auswahl der zu bestimmenden endokrinen Parameter wiederspiegeln!
Zur rationellen Abklärung Grundlagen der endokrinen Regulation als gedankliches Basisgerüst nehmen!
Leitfaden der Labordiagnostik
Die Bestimmung der endokrinen Serumwerte zunächst immer auf die Basisdiagnostik beschränken!
Erst bei auffälliger oder nicht eindeutiger Basisdiagnostik eine erweiterte endokrine Diagnostik (Funktionsteste) erwägen!
Der Einsatz der Bildgebung (Ultraschall, CT) ergänzt erhobene Laborbefunde und bestätigt zusätzlich die schon bestehende Vermutungsdiagnose!
Vorgeschlagener Leitfaden:Endokrine Laborbefunde
Hypothalamus
Hypophyse
Ovar
Uterus
Vagina
„Extrahypothalamisch“
- Größe, Gewicht- Körperliche Auffälligkeiten- Sportliche Aktivität- Mögliche Infektion- Diabetes- Schilddrüse- Nebenniere
GnRH-TestTRH-TestMCP-Test
GonadotropineProlaktin, TSHSelten: STH, ACTH
Sexualsteroide und PräkursorenInhibin
ProstaglandineHb, FerritinGestagen-TestÖstrogen-Gestagen-Test
Differentialdiagnose
Prognose Therapie-notwendigkeit
DifferenzierteTherapie
Therapie-möglichkeiten
Zuordnung zurKrankheit
Feststellung derEbene der Störung
durch endokrine Laborbefunde
Definition derEbene der Störung
VermuteteStörung
Feststellung deLeitsymptoms
Entscheidungskaskade
Therapiekontrolle durchdifferenzierte endokrine Befunde
Klinische Frage
Dieses 18-jährige Mädchen stellt sich mit mangelnder Brustentwicklung vor. Sie erheben eine ausführliche Anamnese und führen eine komplette körperliche und gynäkologische Befundung durch. Welche der Angaben sind für den Laborarzt für die Interpretation der Befunde wichtig?
• Alter• Größe, Gewicht• Leitbeschwerde: Mammahypoplasie• Pubertätsentwicklung: Habitus?• Pubesbehaarung: Fehlend?• Letzte Periode?
Klinische Frage
Nun veranlassen Sie endokrine Serum-Bestimmungen. Welche basalen Parameter sind sinnvoll?
LH FSH E2 Progesteron 17 OH Progesteron Testosteron Androstendion DHEAS Prolaktin Schilddrüse (TSH) Cortisol
Klinische Frage
Es liegen jetzt folgende Befunde vor LH, FSH, E2, Testosteron sehr niedrig Schilddrüse, Prolaktin, Cortisol normal.
Aufgrund dieser Laborbefunde treffen nun welche Aussagen zu?
Die Befunde stimmen mit einer idiopathischen Pubertas tarda überein
Es könnte sich auch um eine isolierte verzögerte Thelarche handeln
Es könnte ein isolierter Gonadotropinmangel vorliegen - weitere Hypophysenhormone abklären!
Es könnte sich um eine Gonadendysgenesie handeln - laparoskopieren!
Da Testosteron sehr niedrig zu finden ist, eine Nebennierenrindeninsuffizienz bedenken!
Differentialdiagnose: Pubertätsstörung
Familiäre Verzögerung Fehlernährungszustände (z.B. Leistungssport) Genetische Aberrationen (z.B. Gonadendysgenesie)
Metabolische Störungen (Schilddrüse) Hypothalamisch-hypophysärer Defekt Steroidproduzierende Tumoren (Ovar, NNR)
Wie sehen dazugehörige endokrine Befunde aus?
Klinische Frage
Klinische Angaben: 30-jährig, sekundäre Amenorrhoe, einseitige Galaktorrhoe rechts
Woran denken Sie differentialdiagnostisch? Bei einseitiger Galaktorrhoe Mammatumor Bei Galaktorrhoe immer Prolaktin bestimmen!
Bei einseitiger Galaktorrhoe ist das Prolaktin normal, auf Bestimmung deshalb verzichten!
Das klinische Bild der Patientin könnte einer Hyperthyreose entsprechen
Die Patientin leidet an einer primären Hyperthyreose
Differentialdiagnose: Hyperprolaktinämie Hypothalamische oder hypophysäre Erkrankungen Hypothalamische Fehlfunktionen: sek. Hyperthyreose Hypophysenstielerkrankungen Hypophysäre Adenome: Prolaktinom
Weitere Endokrinopathien Primäre Hypothyreose Östrogen-sezernierende Tumore
Prolaktinstimulierende Medikamente Chronische Niereninsuffizienz
Klinische FrageWeitere Befunde: - Hyperprolaktinämie (100 ng/ml)- Gonadotropine niedrig, E2 niedrig- Serum-Androgene normal
Wie klären Sie weiter ab? MCP-Stimulationstest Basales TSH, freie Schilddrüsenhormone GnRH-Doppelstimulationstest Auf alle Fälle Mammographie und gegebenen-falls Galaktographie
NMR Sellaregion und angrenzende Hirnareale
Diagnostik: Prolaktin Basale Diagnostik
Basales Prolaktin Basales TSH, FT4 E2
Erweiterte Diagnostik(nur bei auffälliger basaler
Diagnostik) MCP-Test: Fragwürdig TRH-Test: Fragwürdig NMR Sella (keine CT-Untersuchungen!) Nur bei Verdacht auf Arrosion des
Sellabodens: Zielaufnahme der Sella
Perimetrie bei nachgewiesenem Hypophysentumor
Differentialdiagnose: Prolaktin Prolaktin im Serum
normal
keine weitereDiagnostik
mäßig erhöht stark erhöht
BildgebendeDiagnostik (CT, NMR)
Stimulationstest(MCP, TRH)
WiederholtePRL-Bestimmungen
Diagnostik: Schilddrüse Basale Diagnostik
Basales TSH Bei Auffälligkeit: Freies Thyroxin (FT4) Ggf. Freies Triiodthyronin (FT3)
Erweiterte Diagnostik(nur bei auffälliger basaler
Diagnostik) Stimulation mit Thyrotropin-Releasing-
Hormon (TRH)• 200 µg TRH intravenös• 2 mg TRH intranasal
Autoantikörper gegen Thyrosinperoxidase (TPO-AK)
Autoantikörper gegen TSH-Rezeptor (TRAK)
Interpretation: Schilddrüsenwerte Basales TSH normal
FT4, FT3 normal:Keine Funktionsstörung
FT4, FT3 erhöhtTSH-produzierende Hypophysentumoren(sehr selten)
Interpretation: Schilddrüsenwerte
Basales TSH erniedrigt
FT4, FT3 normal:Substitution mit SD-HormonPräklinische Hyperthyreose
FT4, FT3 erhöht:Manifeste Hyperthyreose
FT4, FT3 erniedrigt:Sekundäre Hypothyreose
Klinische Frage
Klinische Angaben: 56 Jahre, Hitzewallungen
Woran denken Sie differentialdiagnostisch, was bestimmen Sie deshalb?
Hyperthyreose: TSH, freie Schilddrüsenwerte!
Klimakterium: FSH, E2 Alkoholabusus: Leberenzyme, Bilirubin
Infektion: BSG, Blutbild, Cortisol Depression: Prolaktin, Cortisol Phäochromozytom: Vanillinmandelsäure und
Katecholamine im 24-Stunden-Urin
Differentialdiagnose: Klimakterische Beschwerden
Schilddrüsenfehlfunktionen (auch bei Struma!)
Iatrogene Hyperthyreose Phäochromozytom Medikamentenabusus Nikotin- und Koffeingebrauch Antihypertensiva DepressionWie klären Sie labormäßig diese Differentialdiagnosen näher ab?
Diagnostik: Klimakterische Beschwerden
Basale Diagnostik FSH, E2 TSH, FT4 (FT3) Inhibin (vor allem bei onkologischen Fragestellungen)
Ovarsonographie
Erweiterte Diagnostik (selten!) Vanillinmandelsäure im 24-Stunden-Urin Katecholamine im Serum oder Urin
Endokrine Differentialdiagnose :Hinweise für die Praxis
Für die Interpretation von Laborbefunden sind Auffälligkeiten in der Anamnese und klinischen Befundung wichtig(eigene, familiäre, Entwicklung, Medikamente)
Deshalb immer komplette klinische Angaben und Fragestellung für die präzise Interpretation der Laborergebnisse!
Die Bestimmung endokriner Serumparameter unterstützt zusätzlich die klinische Vermutungsdiagnose!
Als wesentliches bildgebendes Hilfsmittel in der endokrinen Diagnostik dient der Ultraschall!
Weitere bildgebende Verfahren oder nicht-endokrine Serumdiagnostik sind nur selten notwendig!
Jede Bestimmung von Laborbefunden sollte rationell und begründet sein
Für die Auswahl der zu bestimmenden Parametern ist eine differentialdiagnostische Kaskade sinnvoll (Vorschlag: Physiologie der endokrinen Regulation)
Entscheidungsschritte dann schrittweise durchgehen Einfache Serumuntersuchungen lösen die meisten differentialdiagnostischen Probleme!
Nur bei Auffälligkeiten in der Basisdiagnostik sind weiterführende Schritte wie Funktionsteste notwendig!
Denken Sie immer zuerst an das häufige, das seltene kommt auch wirklich selten vor!
Endokrine Differentialdiagnose:Hinweise für die Praxis
A. Da eine hypothalamische Ovarialinsuffizienz besteht,ist zusätzliche Kontrazeption unnötig.
B. Da die Patientin die niedrigdosierte Pille einnimmt, wäre eine höherdosierte in jedem Fall wirksamer.
C. Kontrazeption sollte besser mechanisch erfolgen (IUD).D. Die Gabe von L-Thyroxin stellt keine ausreichende
Versorgung mit Schilddrüsenhormonen dar.E. Nimmt die Patientin noch weitere Medikamente ein?
Welche Überlegungen haben Sie?
NormLH 0.47 mIU/ml (2-10)FSH 1.8 mIU/ml (2-10)E-2 21 pg/ml (> 40)
Prolaktin 377 mIU/ml (100-450)Testosteron 0.2 ng/ml (0.2-0.5)DHEAS 0.33 g/ml (0.8-3.6)SHBG 56 nmol/l (30-90)TSH 74 IU/ml (0.4-3.0)fT4 7.42 pmol/l (10-25)
Klinische Angaben:35-jährige Patientin, primäre Sterilität, Polymenorrhoe
Folgende Laborbefunde:
NormLH 48 mIU/ml (2-10)FSH 12 mIU/ml (2-10)E-2 299 pg/ml (> 40)Progesteron 1.3 ng/ml (CLP > 5)Prolaktin 43 ng/ml (100-450)Testosteron 0.29 ng/ml (0.2-0.5)DHEAS 1.73 g/ml (0.8-3.6)SHBG 58 nmol/l (30-90)TSH 4.0 IU/ml (0.4-3.0)fT4 11.1 pmol/l (10-25)
Sie sind gefragt!
Was schliessen Sie aus diesen Befunden? A. Es besteht eine hypergonadotrope OvarialinsuffizienzB. Da das Prolaktin erhöht ist, ist eine Therapie mit
Dopaminagonisten (z.B. Pravidel®, Dostinex®, Norprolac®) empfehlenswert
C. Zunächst sollte die latente Hypothyreose mit L-Thyroxineingestellt werden
D. Es besteht ein anovulatorischer Zyklus mit FollikelpersistenzE. Angaben über den Zyklustag nötig!
NormLH 48 mIU/ml (2-10)FSH 12 mIU/ml (2-10)E-2 299 pg/ml (> 40)Progesteron 1.3 ng/ml (CLP > 5)Prolaktin 43 ng/ml (< 15)-Testosteron 0.29 ng/ml (0.2-0.5)DHEAS 1.73 g/ml (0.8-3.6)SHBG 58 nmol/l (30-90)TSH 4.0 IU/ml (0.4-3.0)fT4 11.1 pmol/l (10-25)