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Virtuelle Sensoren für Dieselmotoren Moderne Pkw-Dieselmotoren verfügen über eine Vielzahl von Freiheitsgraden, die einen effizienten Betrieb bei gleichzeitig niedrigen Emissionen ermöglicht. Um das Potenzial dieses komplexen Systems permanent zu nutzen, müssen Emissionen künftig optimal vorgesteuert und geregelt werden. An der ETH Zürich wurden im Rahmen eines FVV-Forschungsvorhabens modellbasierte virtuelle Emissionssensoren hergeleitet, die Informationen über die Emissionen des Motors schneller und günstiger zur Verfügung stellen als herkömmliche physische Emissions- sensoren. Diese virtuellen Sensoren erlauben sowohl eine modellbasierte Vorsteuerung als auch eine Integration in einen Regelkreis. Am Prüfstand wurde gezeigt, dass die virtuellen Sensoren im transienten Motorbetrieb als Ersatz für physische Sensoren geeignet sind. AUTOREN Dr. Christophe Barro ist leitender wissen- schaftlicher Mitarbeiter am Laboratorium für Aerothermochemie und Verbrennungssysteme (LAV) an der ETH Zürich und Mitbegründer von Vir2sense GmbH (Schweiz). Prof. Dr. Konstantinos Boulouchos ist Leiter des Laboratoriums für Aerothermochemie und Verbrennungs- systeme (LAV) an der ETH Zürich (Schweiz). © ETH Zürich FORSCHUNG DIESELMOTOREN 68

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Virtuelle Sensoren für Dieselmotoren

Moderne Pkw-Dieselmotoren verfügen über eine Vielzahl von Freiheitsgraden, die einen effizienten Betrieb bei gleichzeitig niedrigen Emissionen ermöglicht. Um das Potenzial dieses komplexen Systems permanent zu nutzen, müssen Emissionen künftig optimal vorgesteuert und geregelt werden. An der ETH Zürich wurden im Rahmen eines FVV-Forschungsvorhabens modellbasierte virtuelle Emissionssensoren hergeleitet, die Informationen über die Emissionen des Motors schneller und günstiger zur Verfügung stellen als herkömmliche physische Emissions-sensoren. Diese virtuellen Sensoren erlauben sowohl eine modellbasierte Vorsteuerung als auch eine Integration in einen Regelkreis. Am Prüfstand wurde gezeigt, dass die virtuellen Sensoren im transienten Motorbetrieb als Ersatz für physische Sensoren geeignet sind.

AUTOREN

Dr. Christophe Barro ist leitender wissen-

schaftlicher Mitarbeiter am Laboratorium für

Aerothermochemie und Verbrennungssysteme

(LAV) an der ETH Zürich und Mitbegründer von

Vir2sense GmbH (Schweiz).

Prof. Dr. Konstantinos

Boulouchosist Leiter des

Labora toriums für Aero thermochemie und Verbrennungs-

systeme (LAV) an der ETH Zürich (Schweiz).

© ETH Zürich

Dieselmotoren

FORSCHUNG DIESELMOTOREN

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1 MOTIVATION

Die Gesetzgebung zur Regulierung der Schadstoffemissionen von Dieselmotoren wird sukzessive verschärft. Insbesondere ist zu erwarten, dass die gesetzlichen Grenzwerte auch während dem tatsächlichen Betrieb eingehalten werden müssen. Sowohl für die Überwachung und Regelung von Abgasnachbehandlungssystemen, als auch für die optimierte Emissionsregelung, sind entsprechende Emissionssensoren nötig. Allerdings stellt der Betrieb von Emissi-onssensoren im heißen, verrußten Abgas restriktive Anforderungen an Überwachung und Diagnose der Sensorik. Zudem können die Sensoren die tatsächliche Entstehung der Emissionen nicht direkt detektieren, sondern nur die entsprechenden Konzentrationen im Abgas messen – mit einer zeitlichen Verzögerung.

Diese Gründe sprechen für die Entwicklung von virtuellen Emis-sionssensoren – physikalisch motivierte, phänomenologische Modelle, welche die Emissionsbildung in Abhängigkeit aller relevan-ten Einflussgrößen in einer Form beschreiben, die die Evaluation der Modelle auf dem Motorsteuergerät erlaubt. Im Gegensatz zu rein empirischen Modellen sollen die virtuellen Emissionssensoren auf physikalischen Zusammenhängen basieren und daher extrapo-lationsfähig sein. Am Beispiel von Ruß konnte in der Literatur gezeigt werden, dass mit einer sukzessiven Reduktion der Dimen-sionen um die räumlichen Komponenten [1, 2] und um die zeitliche Komponente [3], sogenannte null-dimensionale Modelle eine geeig-nete Genauigkeit erreichen. Diese Klasse von Modellen kann mit sehr geringem Rechenaufwand ausgewertet werden und ist daher geeignet für die Verwendung in den virtuellen Sensoren.

In [4] wurde ein virtueller Rußsensor entwickelt und validiert. Es wurde gezeigt, dass der virtuelle Rußsensor für die Feedback-regelung geeignet ist. Allerdings wurde davon ausgegangen, dass eine Messung des Zylinderdruckverlaufs verfügbar ist. In dieser Publikation wird erläutert, dass sich die Rußemissionen auch ohne innerzylindrische Messdaten in geeigneter Genauigkeit vorhersa-gen lassen, und dass sich das Konzept des virtuellen Sensors auch auf die Stickoxidbildung übertragen lässt.

2 MODELLBILDUNG

Da für dieses Vorhaben der Zylinderdruck nicht zu Verfügung steht, muss ein Heizverlaufsmodell die nötigen Eingänge für die Emissi-onsmodelle liefern.

2.1 HEIZVERLAUFAus dem Heizverlauf (durchgezogene Kurve in BILD 1; Motor: Daim-ler OM 642 mit 3 l Hubraum) ist zu sehen, dass die Verbrennung grob in drei Phasen gegliedert werden kann: Pilotverbrennung, kraft-stoffgesteuerte Verbrennung und Ausbrand. Das Heizverlaufsmodell approximiert jede der drei Phasen durch eine Vibefunktion der Form:

Gl. 1 dQ

___ dφ ≈ k∙ (-a) ∙ ( m v +1) ∙ ( φ ___ Δφ v )

m v

∙exp {a∙ ( φ ___ Δφ v )

( m v +1)

}

Dabei steht die Variable φ für den Kurbelwinkel in Grad nach dem oberen Totpunkt und die Variable Q für die während der Verbren-nung freigesetzte Wärmemenge. Die Summe der drei Vibefunktio-nen bildet bei geeigneter Parametrierung den Heizverlauf der Ver-brennung nach, BILD 1. Jede der drei Vibefunktionen hat drei Para-meter: Der Normierungsfaktor für den Kurbelwinkel Δφv bestimmt die Ausdehnung der Funktion in Kurbelwinkelrichtung (Verbrennungs-dauer), der Exponent mv bildet die Form der Funktion (mv = 2 resul-tiert in einer symmetrischen Form, für mv < 2 verschiebt sich das Maximum nach links), und der Faktor k skaliert die gesamte Form. Der Faktor a wurde auf einen Wert von -6,9 l/°KW festgelegt [5].

Im hier verwendeten Modell wird davon ausgegangen, dass eine Piloteinspritzung verwendet wird. Diese führt üblicherweise zu einem vernachlässigbar kurzen Zündverzug in der Hauptverbren-nung, die somit vereinfacht als reine Diffusionsverbrennung ohne Vormischanteil modelliert werden kann. Für eine Verbrennung ohne Piloteinspritzung sind die hier vorgeschlagenen Modelle daher nur bedingt gültig.

Für die Pilotverbrennung wird vereinfachend angenommen, dass die Form mit mv,PI = 2 symmetrisch ist, und dass die Dauer konstant Δφv,PI = 8 °KW beträgt. Die die in der Pilotverbrennung umgesetzte Kraftstoffmenge ist üblicherweise verhältnismäßig klein, daher führt diese Vereinfachung nur zu geringfügigen Fehlern. Der Skalierungs-

1 MOTIVATION

2 MODELLBILDUNG

3 VALIDIERUNG DER EMISSIONSMODELLE

4 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

BILD 1 Aus dem gemessenen Druckverlauf abgeleiteter Heizverlauf (durch-gezogen) sowie der modellierte Heizverlauf (gestrichelt und gepunktet), die drei Vibefunktionen für Pilot- (grau, fett) sowie die Haupteinspritzung (gepunktet und gestrichelt) (© ETH Zürich)

Dieselmotoren

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faktor für die Vibefunktion der Pilotverbrennung ist abhängig von der während der Piloteinspritzung eingebrachten Kraftstoffmenge.

Gl. 2 k PI = ( m f,PI _____ m f,TOT ) - (

m f,U _____ m f,TOT )

Der erste Term gewichtet dabei die Menge des während der Pilot-einspritzung eingebrachten Kraftstoffs mf,PI gegen die Gesamt-menge mf,TOT in Gramm pro Zylinder und Zyklus. Der zweite Term berücksichtigt, dass nicht immer die gesamte Menge der Pilotein-spritzung in der Pilotverbrennung umgesetzt wird. Der unver-brannte Anteil mf,U wird hier als linear Abhängig vom Zündverzug ΔφID approximiert:

Gl. 3 ( m f,U _____ m f,TOT )  ≈  p PI ∙ (

Δ φ ID _____ Δ φ ID,ref )

Der Zündverzug wurde nach dem Modell von Hardenberg und Hase abgeschätzt [6]. Der Referenz-Zündverzug wurde konstant als ΔφID,ref = 1° angenommen. Die auf die Haupteinspritzung folgende Diffusionsverbrennung wird in zwei Teile gegliedert. Für den ers-ten, kraftstoffgesteuerten Teil wird vereinfachend angenommen, dass der Formfaktor konstant mv,1 = 1,6 beträgt und die Funktion somit fast symmetrisch ist. Zusätzlich wird angenommen, dass die Brenndauer des kraftstoffgesteuerten Teils doppelt so lang wie die Dauer der Haupteinspritzung ist:

Gl. 4 Δφ v,1 =2 ∙ Δφ MI

Das Maximum des kraftstoffgesteuerten Teils wird so mit dem Ende der Haupteinspritzung erreicht. Die Skalierungsfaktoren k1 und k2 müssen gemeinsam bestimmt werden. Dabei wird zuerst die Summe der Skalierungsfaktoren

Gl. 5 k= k 1 + k 2

über die Energiebilanz

Gl. 6 m f,MI ⋅ H u = Q 1 + Q 2

ermittelt. Dabei ergibt das Produkt der Einspritzmenge der Haupt-einspritzung mf,MI und dem unteren Heizwert Hu (linke Seite) die eingebrachte Energie, die der Integration der beiden Vibe-funktionen der Hauptverbrennung (rechte Seite) entsprechen muss. Die Berechnung der beiden einzelnen Skalierungsfaktoren geschieht nach

Gl. 7 k 1 =k ∙ (1 - ζ)

Gl. 8 k 2 =k ∙ ζ

wobei ζ das Gewichtungsverhältnis der Vibefunktionen für den kraftstoffgesteuerten Teil und den Ausbrand bezeichnet. Das Gewichtungsverhältnis wird als Funktion von Einspritzmenge der

BILD 2 Gemessene (durchgezogen) versus modellierte (gestrichelt) Heizverläufe von drei verschiedenen Lastpunkten (schwarz, rot, grün) (oben links), drei Lastpunkte im Kennfeld (oben rechts) sowie Vergleich der resultierenden Druckkurven (unten rechts) (© ETH Zürich)

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Haupteinspritzung, der Einlasskanalabschaltung uEKAS, der stöchi-ometrischen AGR-Rate xBG und dem unverbrannten Anteil aus der Piloteinspritzung modelliert:

Gl. 9 ζ ≈ 0.6+ p 1 ∙ (

m f,MI ______ m f,MI,ref ) + p 2 ∙ ( u EKAS ______ u EKAS,ref ) + p 3 ∙ x BG + p 4 ∙ (

m f,U _____ m f,TOT )

Dabei wurden die Nominalwerte für die Menge der Haupteinsprit-zung festgelegt auf

Gl. 10 m f,MI,ref =1 g _________ Zyl . Zyklus

und der Einlasskanalabschaltung auf

Gl. 11 u EKAS,ref =100 %

Der zweite Teil der Hauptverbrennung, der sogenannte Ausbrand, berücksichtigt die Sauerstoffverfügbarkeit (über die stöchiometri-sche AGR-Rate) und die Turbulenz im Zylinder (über die Motor-drehzahl n und die Einlasskanalabschaltung u_EKAS). Die Form-faktoren für die Vibefunktion für den Ausbrand wurden wie folgt modelliert: Gl. 12 m v,2 =0.3 - p 5 ∙ (

m f,MI ______ m f,MI,ref ) + p 6 ∙ ( n ___ n ref ) + p 7 ∙ ( u EKAS ______ u EKAS,ref )

Gl. 13 φ v,2 = 30° + p 8 ∙ ( m f,MI ______ m f,MI,ref ) ∙ 1° + p 9 ∙ (

u EKAS ______ u EKAS,ref ) ∙ 1° + p 10 ∙ x BG ∙ 1° + p 11 ∙ ( u SOI + 4°)

Hierbei wurde der Nominalwert für die Motorendrehzahl konstant auf nref = 1000/min gesetzt. Die Modellparameter pPI und p1 bis p11 müssen über eine Parameteridentifikation bestimmt werden. Hier wurde die Parameteridentifikation anhand von sieben Arbeits-punkten durchgeführt, wobei in jedem Arbeitspunkt die Stellgrö-ßen uEKAS, uAGR und uSOI variiert wurden. Insgesamt wurden so 130 Betriebspunkte zur Identifikation verwendet.

BILD 2 (links) zeigt den Vergleich des gemessenen und modellier-ten Heizverlaufs in drei verschiedenen Betriebspunkten, BILD  2 (rechts oben). Der modellierte Heizverlauf wurde anschließend nach dem ersten Hauptsatz in einen modellierten Zylinderdruck umgerech-net. BILD 2 (rechts unten) zeigt eine gute Übereinstimmung zwischen dem gemessenen und modellierten Verlauf des Zylinderdrucks.

BILD 3 zeigt den gemessenen (rot) und modellierten (schwarz) Maximaldruck (oben) und Mitteldruck (unten) für einzelne Para-meter-Variationen (links) und über den gesamten Arbeitsbereich (rechts). Es ist eine gute Übereinstimmung zwischen Modellvor-hersage und Messung zu sehen.

2.2 STICKOXIDBILDUNGDas hier entwickelte Modell verwendet eine mittlere, repräsenta-tive NOx-Bildungsrate über die Dauer des gesamten Ausbrands. Da davon auszugehen ist, dass die Reaktion fernab vom Gleich-gewichtspunkt stattfindet, wurde hier vereinfachend angenommen, dass die Kinetik der Vorwärtsreaktion den Prozess in ausreichen-der Genauigkeit abbilden kann:

BILD 3 Charakteris-tische Verbrennungs-größen aus den gemessenen (rot) und berechneten (schwarz) Druckver läufen (© ETH Zürich)

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Gl. 14 d [NO] * ______ dφ = k + ⋅ p NO,1 ⋅ ( p NO,2 (1 - x BG ⋅ p NO,3 ) ) 0.5 ⋅ exp { E a ____ R ⋅ T }

Dabei bezeichnet die Variable k+ = 4.68 · 1013 °KW–1 die Reak-tionsgeschwindigkeit der Vorwärtsreaktion. Die Faktoren pNO,2 beziehungsweise pNO,3 repräsentieren die lokalen Konzentrationen von Sauerstoff beziehungsweise Stickstoff. Der Parameter pNO,1 ist ein Proportionalitätsfaktor und könnte auch in Kombination mit pNO,2 ausgedrückt werden. Der Faktor E a __

R  = -67838 K ist die

Aktivierungsenergie geteilt durch die Gaskonstante. Die am Ende des Ausbrands erreichte Stickoxidkonzentration wird durch die Integration der Bildungsrate über die Dauer des Ausbrands φv,2 berechnet

Gl. 15 [NO]= d[NO] * ⋅ φ v,2 ⋅ V NO

___ V cyl

wobei das repräsentative Volumen beziehungsweise das Verhältnis zwischen dem Volumen mit stickoxidbildungsfördernden Bedin-gungen und dem Gesamtvolumen des Zylinders im repräsentativen Zeitpunkt

φv,2 ___

2 wie folgt approximiert wurde:

Gl. 16 V NO

___ V cyl = (1 - ζ) ⋅ (

m f ____ m f,ref ) p NO,4

⋅ ( n ref ___ n ) p NO,5

⋅ ( p IVC ____ p amb )

p NO,6

⋅ p NO,7

Dabei bezeichnet die Variable pIVC den Druck im Zylinder zum Zeit-punkt, an dem das Einlassventil vollständig geschlossen wird, und die Variable pamb den Umgebungsdruck. Die Nominalwerte von Einspritzmenge und Motorendrehzahl wurden dabei auf die Werte

Gl. 17 m f,ref  =1 g __________ Zyl . Zyklus

und

Gl. 18 n ref = 1000 / min

gesetzt. Die Modellparameter pNO,1 bis pNO,7 müssen über eine Parameteridentifikation bestimmt werden.

2.3 RUSSBILDUNG Das verwendete Rußmodell wurde bereits in [4] entwickelt. Es wurde lediglich soweit angepasst, dass die Modelleingänge nicht mehr aus einer Druckverlaufsanalyse, sondern aus dem Verbrennungsmodell stammen. BILD 4 zeigt das Konzept des Modells, welches das Ziel verfolgt, den gemessenen Rußverlauf (kL-Verlauf, gemessen mittels Pyrometer) nachzubilden. Der Verlauf wird in drei Phasen unterteilt: eine erste bildungsdominante Phase, eine Haltephase und eine oxi-dationsdominante Phase. Die Dauer der Phasen ist abhängig von charakteristischen Zeiten des Heizverlaufs (Δφ1–3). Grundsätzlich hängt die Gesamtmenge an gebildetem Ruß ab von der Brennstoff-menge, die an der Diffusionsverbrennung teilnimmt:

Gl. 19 m PM = p PM,1 ⋅ ( m f,U + m f,MI ) p PM,2

Während der Haltephase befinden sich Bildung und Oxidation im Gleichgewicht, daher ändert sich die Menge an Rußpartikeln nicht. Während der oxidationsdominanten Phase verringert sich die Gesamtmenge an Rußpartikeln in einem annäherungsweise expo-nentiellen Verlauf:

Gl. 20 m PM,end = m PM,init ⋅ (0.01 + exp {-B ⋅ Δ φ 6 } )

Hierbei korreliert die Dauer der oxidationsdominanten Phase mit der Dauer des Ausbrands Δφ3, die aus dem modellierten Heizverlauf abgeschätzt werden kann:

BILD 4 Einspritzprofil, Heizverlauf und Leucht-verlauf mit einer Überlagerten Darstellung der drei Phasen der Rußbildung (schematische Darstellung) [4] (© ETH Zürich)

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Gl. 21 Δ φ 6 ≈

p PM,3 ⋅ Δ φ 3 ________ φ ref

Der Exponentialfaktor B berücksichtigt die Einflussfaktoren Tem-peratur (Tox aus Heizverlauf), Sauerstoffverfügbarkeit (über die stöchiometrische AGR-Rate und λ), die Turbulenz (über den Ein-spritzdruck prail, die Einlasskanalabschaltung (EKAS) und die Dreh-zahl des Motors) sowie die eingespritzte Kraftstoffmenge:

Gl. 22 B ≈ ( T ox ___ T ref

) p PM,4

⋅ (1 + p PM,5 x BG ) - p PM,6 ⋅ ( 1 __ 2 ⋅ p PM,7

⋅ λ) p PM,8

( p rail _____ p rail,ref )

p PM,9

⋅ ( 5 _________ sin ( u EKAS

π __ 2 ) )

p PM,10

⋅ ( n ___ n ref ) p PM,11

⋅ m f,TOT p PM,12

Hierbei wurden folgende Nominalwerte verwendet: Tref = 1600 K und prail,ref = 1000 bar. Die Modellparameter pPM,1 bis pPM,12 müs-sen über eine Parameteridentifikation bestimmt werden.

3 VALIDIERUNG DER EMISSIONSMODELLE

Um die Genauigkeit und Extrapolationsfähigkeit der virtuellen Sensoren sicherzustellen, wurden diese sowohl statisch als auch dynamisch validiert. Die Datensätze, die zur Validierung verwendet wurden, sind dabei jeweils grundsätzlich unter-schiedlich von denjenigen, die zur Parameteridentifikation ver-wendet wurden.

3.1 STATIONÄRE VALIDIERUNGBILD 5 zeigt die Korrelationen von Modellausgang und Messresul-tat für die statischen Messdaten. BILD 5 (links) zeigt dabei die Stickoxidemissionen, der rechte Graph die Rußemissionen in nahezu 2000 Betriebsbedingungen mit teilweise extremen Werten für AGR oder SOI. Das Modell zu den Stickoxidemissionen erreicht trotz einzelner Ausreißer eine gute durchschnittliche Genauigkeit

über den gesamten Betriebsbereich: Die Wurzel der mittleren qua-dratischen Abweichung (RMSE) beträgt weniger als 3 %.

Bei den Rußemissionen kommt es bei hohen AGR-Raten natur-gemäß zu einer sehr großen Volatilität, da die Rußbildung in die-sen Betriebspunkten extrem sensitiv auf die lokalen Unterschiede der Sauerstoffverfügbarkeit reagiert. Aufgrund der hohen Volatili-tät lassen sich die Rußemissionen in den Betriebspunkten mit hohen AGR-Raten schlecht voraussagen. Für Betriebspunkte mit niedrigeren Rußemissionen sind sinnvolle Vorhersagen möglich: Die RMSE beträgt weniger als 6 %.

3.2 DYNAMISCHE VALIDIERUNGFür die dynamische Validierung der virtuellen Sensoren wurden diese auf dem Motorsteuergerät implementiert und während dem Betrieb des Motors ausgewertet. BILD 6 zeigt die gemessenen (rot) und modellierten (schwarz) Verläufe der Ruß-, BILD 6 (oben), und Stickoxidemissionen, BILD 6 (zweiter Graph von oben), für einen Ausschnitt des WLTC. Es ist zu sehen, dass die virtuellen Sensoren auch während den transienten Phasen sinnvolle Vor-

BILD 5 Korrelation von Modellausgang (y-Achse) und Messung (x-Achse) für Stickoxide (links) und Ruß (rechts) (© ETH Zürich)

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aussagen über die Emissionen treffen. Weiter ist sichtbar, dass die Ergebnisse der virtuellen Sensoren ungefähr eine Sekunde vor der Messung und unmittelbar vor dem gemessenen Zyklus verfügbar sind.

BILD 6 (dritter und vierter Graph) zeigt die über die gesamte Dauer des Fahrzyklus kumulierten Werte der Ruß- (dritter Graph) und Stickoxidemissionen (vierter Graph). Es ist zu sehen, dass Modellvorhersagen der virtuellen Sensoren gut mit der Realität korrelieren.

4 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Moderne Dieselmotoren bieten eine Vielzahl an Aktuatoren, die dazu verwendet werden, um die Rohemissionen des Motors zu beeinflussen. Die Applikation der Steuergeräte ist ein zeitaufwen-diger und arbeitsintensiver Schritt des Gesamtprozesses. Her-kömmliche, intuitive Methoden sind hierbei nicht zielführend. Für eine optimale Kalibration und Regelung der Emissionen können künftig virtuelle Sensoren verwendet werden. In dieser Arbeit wurden modellbasierte virtuelle Emissionssensoren hergeleitet, welche die Emissionen des Motors schneller und günstiger zur Verfügung stellen als herkömmliche, reale Emissionssensoren. Am Motorenprüfstand wurde demonstriert, dass die virtuellen Sensoren als Ersatz von realen Sensoren geeignet sind.

Weitere Anstrengungen auf diesem Forschungsgebiet werden die Emissionsmodelle mit der optimalen Steuergeräteapplikation in einer modellbasierten Optimierung verbinden, mit dem Vorteil, dass wertvolle Prüfstandszeit eingespart werden kann. Zusätzlich sollte untersucht werden, inwiefern sich das Verfahren auf Kalt-startszenarien übertragen lässt.

LITERATURHINWEISE[1] Schubiger, R.; Boulouchos, K.; Eberle, M.: Rußbildung und Oxidation bei der dieselmotorischen Verbrennung. In: MTZ 63 (2002), Nr. 5, S. 342–353[2] Warth, M.: Vorausberechnung von Brennverlauf, NO- und Russemissionen beim Dieselmotoroptimierung und Validierung eines neuen Ansatzes. 9. Tagung Arbeitsprozess des Verbrennungsmotors, Graz, 2003[3] Kirchen, P.; Boulouchos, K.: Phänomenologisches Mittelwertmodell für Ruß in transientem Motorbetrieb. In: MTZ 69 (2008), Nr. 7–8, S. 624–631[4] Barro, C.; et al.: Entwicklung eines virtuellen Rußsensors für Dieselmotoren. In: MTZ 75 (2014), Nr. 6, S. 60–67[5] Vibe, I. I.: Brennverlauf und Kreisprozess von Verbrennungsmotoren. Berlin: VEB Verlag Technik, 1970[6] Heywood, J. B.: Internal combustion engine fundamentals. New York: McGraw-Hill, 1988

BILD 6 Vergleich der auf dem Prüfstand gemes-senen (rot) und vor her-gesagten (schwarz) Ruß- und Stickoxid-emissionen (die obere zwei Graphen zeigen einen Ausschnitt des WLTC, die unteren zwei Graphen zeigen die kumulativen Werte über den gesamten Zyklus) (© ETH Zürich)

DANKEDas FVV-Vorhaben Nr. 1140 Emissionsoptimierter Dieselmotor wurde durch die

FVV und das Schweizerische Bundesamt für Energie unterstützt. Die Autoren

danken den Institutionen für die Ermöglichung des Vorhabens. Ein besonderer

Dank geht auch an den FVV-Arbeitskreis mit dem Obmann Pedro Macri-Lassus

(Daimler AG), weiter an Dr. Alois Amstutz und Dr. Philipp Elbert vom Institut für

Dynamische Systeme und Regelungstechnik der ETH Zürich.

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