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  • Bauhaus Universitt Weimar Fakultt Gestaltung

    Die Bedeutung der Freiheit

    in der Gestaltung

    Leonie Wendel Produktdesign, 4. Semester

  • Inhaltsverzeichnis

    Die Bedeutung der Freiheit in der Produktgestaltung 3 Einleitung 3

    Die Freiheit des Menschen 3

    Mgliche und ausgebte Freiheit 3

    Bedeutung der Freiheit fr den Menschen 4

    Freiheit als Urteil und Brde 5

    Der mhsame Weg der Freiheit 6

    Die negativen Konsequenzen der Freiheit 7

    User Centred Design- Freiheit gebende und Freiheit nehmende Gestaltung 8

    Die Chancen der Freiheit 9

    Der mhsame Weg der Freiheit: But I like inconveniences 10

    Die negativen Konsequenzen der Freiheit: I'm claiming the right to be unhappy 11

    Die Zukunft der Freiheit: Grenzen des User Centred Design 12

    Optimism in Abuse Erweiterung der Gestaltung durch Freiheit 13

    Non intentional design 14

    Das nicht intentioniertes Gestalten 15

    Fazit 15

    Quellenangaben 16

    Anhang 18

  • Die Bedeutung der Freiheit in der Produktgestaltung

    Einleitung

    Diese Arbeit setzt sich kritisch mit dem Verhltnis der Produktgestaltung zur Freiheit

    auseinander. Produkte als Erweiterung des Menschen prgen uns ebenso wie wir sie

    prgen1 und so ist nahliegend, die Freiheit als Grundbedrfnis des Menschen und

    Grundproblem der Philosophie im Bezug auf die Gestaltung von Produkten und deren

    Einfluss auf den Menschen zu untersuchen. Dabei wird zunchst der Begriff der Freiheit

    erlutert und ihre Bedeutung fr den Menschen. Anschlieend wird der Versuch

    unternommen, die Erkenntnisse des ersten Teils auf Produkte zu beziehen und

    verschiedene Aspekte der Gestaltung im Hinblick auf die Freiheit zu untersuchen.

    Hierbei liegt ein besonderer Fokus auf dem nutzerzentrierten Design (user centered

    design), das sich als anerkannte Methode zur Gestaltung von Produkten etabliert hat -

    und dessen Grenzen.

    Die Freiheit des Menschen

    Mgliche und ausgebte Freiheit

    Zunchst einmal ist es wichtig die Freiheit als Begriff zu definieren. Freiheit wird in der

    Philosophie meist getrennt in zwei Kategorien betrachtet: Grundlage der Freiheit ist

    zunchst die sog. objektive Freiheit, die als freie Mglichkeit, als Spielraum 2 zu

    verstehen ist. Darauf aufbauend und ohne die objektive Freiheit nicht denkbar, existiert

    die subjektive Freiheit.3 Sie ist zu verstehen als freie Selbstbestimmung4, also der

    Freiheit zu etwas. Weitere Bezeichnungen dieser beiden Freiheitsdefinitionen sind u.a.

    mgliche und ausgebte Freiheit5, sowie die negative und positive Freiheit.6

    1 Vgl. Papanek, Victor(1971) Design for the real world: Anleitung fr eine human kologie und sozialen Wandel, Springer- Verlag: Wien, (2009), S. 112 2 Titze, Hans (1981) Die Unfhigkeit, Freiheit zu ertragen, Freidenker, 64/1/1981, 5-6, S.5 3vgl. Falk, Johanna (2012) Freiheit als politisches Ziel: Grundmodelle liberalen Denkens bei Kant, Hayek und Bckenfrde, Campus Verlag GmbH: Frankfurt am Main, S.47 4 Titze, Hans (1981) Die Unfhigkeit, Freiheit zu ertragen, Freidenker, 64/1/1981, 5-6, S.6 5 vgl. Hersch, Jeanne (1979) Die Unfhigkeit, Freiheit zu ertragen, Benziger Verlag, Zrich, Kln, S.18 6 vgl. Falk, Johanna (2012) Freiheit als politisches Ziel: Grundmodelle liberalen Denkens bei Kant, Hayek und Bckenfrde, Campus Verlag GmbH: Frankfurt am Main, S.47-48

  • Die grundlegende berlegung ist zum einen ob die mgliche Freiheit erffnet wird und

    ob wir anschlieend in der Lage sind diese Freiheit auch zu Nutzen. Whrend das

    vorhanden sein der mglichen Freiheit relativ einfach festzustellen ist (habe ich die

    Mglichkeit dieses oder jenes zu tun?), ist die ausgebte oder positive Freiheit schon

    wesentlich schwerer zu deuten, da sie in uns selber, in Form der Selbstbestimmung und

    Selbstverwirklichung, begrndet ist.7 Selbstbestimmung scheint zwar zunchst in erster

    Linie mit dem Denken verbunden zu sein, jedoch wird sie gerade in unseren Handlungen

    sichtbar. Hier lsst sich die ausgebte oder eben auch nicht ausgebte Freiheit

    nachverfolgen8.

    Bedeutung der Freiheit fr den Menschen

    Das Verlangen nach Freiheit im Sinne von Selbstbestimmung ist ein Wesensmerkmal

    des Menschen. Im Gegensatz zu anderen Lebewesen ist der Mensch in seinem Verhalten

    durch Instinkte, Triebe und Umwelt bei weitem nicht so festgelegt. Er ist dadurch in

    seinem wesentlich offener, anpassungs- und entwicklungsfhiger, er kann sich in der

    Antarktis wie in den Tropen verwirklichen. Die Freiheit befhigt den Menschen erst zu

    geistigen Leistungen. 9

    Gerade wenn die mgliche Freiheit nicht vorhanden ist, merkt man, wie schmerzlich sie

    einem fehlt. Sie beschreibt das Gegenteil von Zwngen10 und war gerade zu Zeiten der

    Monarchie ein stets angestrebter Zustand.11 Ohne die mgliche Freiheit ist man

    gefangen in seinen ueren Umstnden, das Ziel ist ein Entkommen aus der

    Gefangenschaft und den mit ihr verbundenen Zwngen. Denn wer unter Zwang steht,

    abhngig ist oder an der Ausfhrung seiner Absichten gehindert wird, dessen

    Bedrfnisse mssen vielfach unbefriedigt bleiben.12

    Doch die Illusion, dass eine Besserung eintritt, wenn die mgliche Freiheit, also die

    Freiheit von Zwang vorhanden ist, geht verloren, wenn man den Bezug zu dem Zustand,

    in dem sie fehlte, verloren hat.13 Denn dann stellt sich die Frage nach der ausgebten

    7 vgl. Titze, Hans (1981) Die Unfhigkeit, Freiheit zu ertragen, Freidenker, 64/1/1981, 5-6, S.6 8 Titze, Hans (1981) Die Unfhigkeit, Freiheit zu ertragen, Freidenker, 64/1/1981, 5-6, S.6 9 Battisti, Dr. Siegfried (1987) Freiheit und Bindung, Dunke und Humblot: Berlin S. 12,13 10 vgl. Hersch, Jeanne (1979) Die Unfhigkeit, Freiheit zu ertragen, Benziger Verlag, Zrich, Kln, S.19 11 vgl. de Botton, Alain (24.2.2010), the limits of freedom in: the guardian online, http://www.theguardian.com/commentisfree/2010/feb/24/morality-motivation-dogmatism-judgement 12Battisti, Dr. Siegfried (1987) Freiheit und Bindung, Dunke und Humblot: Berlin S. 194 13 vgl. Hersch, Jeanne (1979) Die Unfhigkeit, Freiheit zu ertragen, Benziger Verlag, Zrich, Kln, S.24

  • Freiheit, die Freiheit, etwas zu tun und damit die Frage nach dem Selbst und dem Sinn,

    da ein Ziel nicht objektiv definierbar ist. Gerade wenn der Mensch in seinem Verhalten

    grundstzlich frei ist, verfgt er ber eine Flle von Verhaltensmglichkeiten, unter

    denen er die fr ihn richtige auswhlen kann und muss.

    Albert Camus beschreibt diesen Zustand wie folgt: Der Mensch hat alle Mglichkeiten,

    doch wei er sie nicht zu handhaben. Er kann seine Freiheit nicht Nutzen und muss

    schlielich noch mit den Konsequenzen der Freiheit leben14. Der Mensch ist zur Freiheit

    verurteilt15 whrend die Grenzen der Freiheit (the limits of freedom)16 offensichtlich

    werden.

    Was das Bedrfnis des Menschen nach Freiheit aber auch das Problem des Menschen

    mit der Freiheit ist, gilt es im Bezug auf Produkte zu klren, ebenso wie die Frage, ob

    Produkte die Freiheit des Menschen erweitern und ihm das Leben damit schwerer

    machen sollten oder ob sie dem Menschen dienlicher sind, wenn sie sein Leben

    vereinfachen und jegliche Komplexitten so weit wie mglich reduzieren.

    Freiheit als Urteil und Brde

    Sartre behauptete, der Mensch [sei] dazu verurteilt, frei zu sein17, da er zwar nie die

    Wahl hatte, ob er in diese Welt wolle oder nicht, doch ihm anschlieend alle

    Handlungswege offen stehen. 18 Die Freiheit wird hier zu einem negativ besetzten

    Schicksal, denn die Freiheit ist schwierig und anstrengend (...) Man kann gewinnen,

    man kann aber auch scheitern.19

    14 Camus, Albert (1956) Der Fall, Rohwolt Verlag GmbH: Reinbek bei Hamburg, (1968), S.110 15 Vgl. Sartre, Jean- Paul (1946) Der Existentialismus ist ein Humanismus, Der Existentialismus ist ein Humanismus und andere philosophische Essays: 1943-1948, Rowholt Taschenbusch Verlag: Reinbek bei Hamburg (2002), S.155 16de Botton, Alain (24.2.2010), the limits of freedom in: the guardian online, http://www.theguardian.com/commentisfree/2010/feb/24/morality-motivation-dogmatism-judgement 17 Sartre, Jean- Paul (1946) Der Existentialismus ist ein Humanismus, Der Existentialismus ist ein Humanismus und andere philosophische Essays: 1943-1948, Rowholt Taschenbusch Verlag: Reinbek bei Hamburg (2002), S.155 18 Vgl. Sartre, Jean- Paul (1946) Der Existentialismus ist ein Humanismus, Der Existentialismus ist ein Humanismus und andere philosophische Essays: 1943-1948, Rohwolt Taschenbusch Verlag: Reinbek bei Hamburg, (2002), S.155 19 Gauck, Johannes (2010), Freiheit ist anstrengend, denn man muss sie whlen Interview in Die Welt http://www.welt.de/7922299, 26. Sep. 2015, 10:27

  • Damit sind die zwei wesentlichen Aspekte angesprochen: Freiheit kann mhsam sein

    und Freiheit kann negative Konsequenzen haben.

    Der mhsame Weg der Freiheit

    Hersch stellt in ihrem Buch Die Unfhigkeit Freiheit zu ertragen fest, dass dem

    Menschen existenziell die Mglichkeit gegeben ist, frei zu sein, dass es aber viele

    Schwierigkeiten gibt, die Freiheit richtig auszuntzen.20

    Sind wir also unfhig unsere Freiheit richtig zu nutzen und knnen sie daher nicht

    ertragen? Haben wir zwar vielfltige Mglichkeiten Freiheit ein Produkt zu nutzen,

    scheitern aber, weil wir es nicht richtig nutzen knnen, nmlich so wie es fr uns in

    diesem Moment sinnvoll ist?

    Bezogen auf die Produktgestaltung liefert Donald Norman, der den Begriff des

    nutzerzentrierten Designs prgte, an dieser Stelle ein anschauliches Beispiel. Er

    beschreibt, dass ein Freund ihm sein Auto geliehen hat. Als er in das Auto stieg, war am

    Lenkrad ein Zettel befestigt. Dieser besagte, dass man den Rckwrtsgang einlegen

    msse, um den Zndschlssel drehen zu knnen.21 Norman wre, ohne diesen Hinweis,

    wahrscheinlich niemals in der Lage gewesen, das Auto zu starten. Jedoch nicht aufgrund

    der vielen Mglichkeiten die er htte ergreifen, der vielen Schalter die er bewegen

    knnen, sondern gerade wegen der Freiheit sie alle zu bedienen. Wesentlich einfacher

    wre es gewesen, wenn Norman nach dem Einsteigen in das Auto nur eine Option

    gehabt htte; er also keine Wahl gehabt htte was er als nchstes machen knnte.

    Das berangebot an Nutzungsmglichkeiten, stellt uns immer wieder vor hnliche

    Probleme. Von der Ingenieursausbildung beim MIT um eine Mikrowelle zu bedienen22

    ber das Nutzen einer Fernbedienung bis hin zum richtigen Halten eines Filzstiftes23.

    Eine Einschrnkung der Freiheit bzw. Handlungsvorgaben wrde uns in solchen Fllen

    das Leben erleichtern. Der Designer wrde uns die Freiheit, unter verschiedenen

    Nutzungsmglichkeiten zu whlen, durch die Gestaltung des Produkts abnehmen, 20 Titze, Hans (1981) Die Unfhigkeit, Freiheit zu ertragen, Freidenker, 64/1/1981, 5-6, S.6 21 vgl. Norman, Donald A. (1988) Dinge des Alltags: gutes Design und Psychologie fr Gebrauchsgegenstnde, Campus Verlag: Frankfurt am Main (1989), S.71 22 vgl. Norman, Donald A. (1988) Dinge des Alltags: gutes Design und Psychologie fr Gebrauchsgegenstnde, Campus Verlag: Frankfurt am Main, (1989) S.11 23 vgl. Norman, Donald A. (1988) Dinge des Alltags: gutes Design und Psychologie fr Gebrauchsgegenstnde, Campus Verlag: Frankfurt am Main, (1989) S.42

  • sodass das Produkt nur noch in der von ihm als richtig festgelegten Art und Weise

    genutzt werden kann.

    Die negativen Konsequenzen der Freiheit

    Doch die Freiheit hat noch eine weitere negative Komponente, denn der Zwang zu

    entscheiden bedeutet immer auch Verzicht auf alle anderen, mglicher Weise besseren

    Optionen24. Albert Camus beschreibt dieses Problem der Freiheit wie folgt: Am Ende

    jeder Freiheit steht ein Urteilsspruch, das macht sie so schwer zu ertragen.25

    Folgendes Beispiel soll das verdeutlichen: Eine Person, ohne Erfahrung im Eier kochen,

    wrde sich gerne einige Frhstckseier zubereiten. Dafr knnte sie entweder einen

    klassischen Topf oder einen Eierkocher verwenden beispielsweise den besonders

    nutzerfreundlich gestalteten Eierkocher von Severin.26 (Bild im Anhang)

    Sollte sich die Person nun fr die Zubereitung mit Hilfe eines Kochtopfes entscheiden,

    steht sie vor einem Problem. Denn sie hat mit dem Kochtopf ein Produkt vor sich, dass

    ihr eine Vielzahl von Nutzungsmglichkeiten erffnet vom Zubereiten von Eiern oder

    Nudeln bis hin zum Topfschlagen spielen. Aber wie genau das jeweils geht, wei sie

    nicht. Die Person knnte im Internet oder in Bchern nachschlagen wie man Eier kocht.

    Sie knnte auch andere Menschen Fragen, ob sie ihr helfen knnten. Doch ohne Hilfe von

    auen, ist die Person hnlich wie Herr Norman zuvor im Auto nicht in der Lage das

    Ei zuzubereiten.

    Nun wird das passieren, was im nutzerzentrierten Design tunlichst vermieden werden

    soll: der Nutzer wird sich dumm vorkommen, und die Schuld bei sich selber suchen.27

    Vielleicht wird er auch versuchen die Eier ohne Vorwissen zuzubereiten. Das wiederum

    knnte zur Folge haben, dass sie zu weich sind, platzen oder der Nutzer sich verbrennt.

    24 Hasler, Ludwig (2011) Raffinierter Leben: Macht Freiheit partout glcklich? Du:Die Zeitschrift der Kultur 71/814/2011-2012, S.816 25 Camus, Albert (1956) Der Fall, Rohwolt Verlag GmbH: Reinbek bei Hamburg (1968) ,S.110 26 im Anhang: http://www.severin.de/fruehstueck/eierkocher/eierkocher-ek-3134 27 vgl. Norman, Donald A. (1988) Dinge des Alltags: gutes Design und Psychologie fr Gebrauchsgegenstnde, Campus Verlag: Frankfurt am Main, (1989) S. 48-49

  • Mit dem Eierkocher msste er sich diesen Mglichkeiten, den damit verbundenen

    Entscheidungen, dem Handlungsprozess und seinen Folgen nicht stellen.

    Der Eierkocher ist einfach und intuitiv zu benutzen gewesen. Es ist klar, wie die Eier zu

    platzieren sind. Es gibt nur einen Schalter, dessen Bedienung durch Symbole

    verdeutlicht wird. Der Nutzerhtte sich bei der Eierzubereitung nicht dumm gefhlt und

    wre etwas schief gegangen, htte er, statt sich selber, den Eierkocher verantwortlich

    machen knnen. Der Nutzer ist lediglich Nutzer, nicht eigenstndig denkendes Wesen

    und das Produkt (der Eierkocher) erfllt seine Funktion, oder eben nicht. Der Nutzer

    selber trgt fr sich keine Konsequenzen. Diese Ansicht vertritt zumindest Donald

    Norman und behauptet, dass nicht der Nutzer bei Handlungen scheitert, sondern

    lediglich das Produkt nicht gut gestaltet ist und die entstehenden Fehler vermieden

    werden knnten. 28Die fehlerhafte Nutzung des Kochtopfes ist dementsprechend nicht

    auf menschliches Versagen beim Eierkochen zurckzufhren, sondern auf schlechte

    Gestaltung.29

    User Centred Design- Freiheit gebende und Freiheit nehmende Gestaltung

    Norman ist der Meinung, dass der Nutzer Hilfe braucht.30 Diese Hilfe bieten die Produkte

    selber, indem sie eindeutig zeig(en), welche Operationen ntig sind.31 Das bedeutet

    aber auch, dass Freiheit eingeschrnkt wird um dem Nutzer zu helfen, indem nur noch

    eine einzige Handlung mglich32 ist. So zumindest beschreibt Donald Norman wichtige

    Eigenschaften nutzerzentrierten Designs. Die Problematik dieser Definition wird im

    Vergleich mit der Beschreibung des human centred designs in Die semantische Wende

    deutlich: Dort setzt der ethische Leitsatz der Gestaltung voraus, dass Produkte die

    Mglichkeiten des Nutzers erweitern sollten, indem sie dem Nutzer verstndlich sind

    und ihm dadurch neue Bereiche zugnglich machen, die ihm sonst aufgrund zu

    komplexer Spezialisierung gerade in der Technischen Produktwelt verschlossen

    geblieben wren.33 Das nutzerzentrierte Design muss die Zahl wnschenswerter

    28 Norman, Donald A. (1988) Dinge des Alltags: gutes Design und Psychologie fr Gebrauchsgegenstnde, Campus Verlag: Frankfurt am Main, (1989) S.251 29 Norman, Donald A. (1988) a.a.0., S.251 30 vgl. Norman, Donald A. (1988) a.a.O. S.18 31 Norman, Donald A. (1988) a.a.O., S.251 32 Norman, Donald A. (1988) a.a.O., S.251 33 vgl. Krippendorf, Klaus (2006), Die semantische Wende, Birkhuser Verlag GmbH: Basel (2013), s.107

  • Optionen fr andere erhhen.34 Doch wer bestimmt welche Optionen wnschenswert

    sind? Es stellt sich die Frage, wie weit man dem Menschen im ersten Schritt durch das

    Einschrnken von Handlungsmglichkeiten und der Vorgabe von Verhalten seine

    Freiheit nehmen sollte, um ihm im zweiten Schritt weitere Freiheiten in der Nutzung der

    Artefakte zu erffnen. Kann man hier tatschlich noch von Freiheit sprechen, oder

    handelt es sich nicht eher um ein Diktat der Produzenten und Gestalter, das unter dem

    Deckmantel der Erweiterung von Handlungsmglichkeiten, die Freiheit der Nutzer

    einschrnkt?35 Denn der Nutzer ist zunchst unfhig und unfrei in der Nutzung der

    Artefakte und nur durch knstlich geschaffene Vorgaben und Symboliken, wird er

    handlungsfhig Vorgaben, die er selber nicht gestaltet, denen er aber, sofern er die

    Produkte nutzen will, unterworfen ist. Er nutzt die ausgefhrte, positive Freiheit, um

    seine mgliche Freiheit einzuschrnken und anschlieend nicht mehr in der Lage zu

    sein die, auf der negativen Freiheit basierende36 positive Freiheit zu haben.

    Nun knnte man sagen, in irgendeiner Weise binden wir uns immer, und warum soll

    sich einer nicht in eine selbst gewhlte Abhngigkeit von etwas begeben, das ihm Spa

    macht, ihn beglckt oder eine Lebensqualitt verschafft, ohne die sein Leben rmer

    wre. Das Problem dabei ist die Unfreiheit, die langfristig die Ausgangsbedingungen

    freier Selbstbestimmung aushebelt und die Person eben zum Sklaven ihrer selbst

    macht.37

    Die Chancen der Freiheit

    34 Krippendorf, Klaus (2006), Die semantische Wende, Birkhuser Verlag GmbH: Basel (2013), S.107 35 Zakkas, Alex, et al. (2011) Product- Friendly User Design: A Critical Discours on User- Centered- Methodology Diversity and Unity: Proceedings of IASDR2011, the 4th World Conference of Design Research, Herausgeber: N.F.M. Roozenburg, L.L. Chen and P.J. Stappers: Delft (Niederlande), S.4 36 vgl. Falk, Johanna (2012) Freiheit als politisches Ziel: Grundmodelle liberalen Denkens bei Kant, Hayek und Bckenfrde, Campus Verlag GmbH: Frankfurt am Main, S.47 37 Pieper, Annemarie (2007) Schwerpunktbeitrag: Grenzen der Freiheit, fiph-Journal Nr. 10/2007, S. 1 sowie 3-8.

  • We prefer to do things comfortably.

    But I dont want comfort. I want God, I want poetry, I want real danger, I want freedom, I

    want goodness. I want sin. - In fact, (...) your claiming the right to be unhappy.38

    Geschichten wie Brave New World, der Groinquisitor oder die Hhlen von Misraim, in

    denen der Freie leidet, mit dem Tode gedroht wird oder sogar stirbt hinterlassen einen

    bitteren Nachgeschmack. Denn die unter Drogen (vgl. GUL39 in Das Gefngnis der

    Freiheit oder Soma40 in Brave New World) oder einer Religion erzeugte, stumme

    Abhngigkeit erscheint dem Leser als falsch oder zumindest sehr bedenklich.

    Der mhsame Weg der Freiheit: But I like inconveniences41

    Die Frage die sich aber im Bezug auf die Produktgestaltung stellt ist, ob wir uns nicht

    durch das Folgen bestimmter Vorgaben der Nutzung schon auf einem hnlichen Weg

    begeben. Die Gestaltung ermglicht uns, nicht das Opfer gegebener Bedingungen zu

    sein,42 doch ebenso knnen wir freiwillige Opfer der Gestaltung werden. Wenn wir eine

    komplexe Welt schaffen, die wir selber nicht mehr verstehen, die uns aber durch

    geschicktes, nutzerfreundliches Design nher gebracht wird, sind wir dann nicht auch

    abhngig von den Produkten und noch mehr von jenen, die Produkte gestalten? Zwar

    whnen wir uns frei, doch auch Produkte knnen die uerung des freien Willens in

    einem so hohen Grade (...) neutralisieren, dass er sinnlos wird.43 Die intuitive

    Interaktion mit Produkten, die im nutzerfreundlichen Design eine wichtige Rolle spielt,

    knnte dementsprechend dazu fhren, dass wir Produkte unbewusst und ohne jegliche

    Reflektion nutzen. Doch die Nutzung wirkt sich dennoch auf unsere Handlungsroutinen,

    unser Verhalten und unsere Werteinstellungen aus44. Ob wir diesen Einfluss derart

    38 Huxley, Aldous (1932)Brave New World, Ernst Klett Sprachen GmbH Stuttgart (2007), S.207 39 Ende, Michael (1992) Die Hhlen von Misraim, Das Gefngnis der Freiheit, Weitbrecht Verlag in K. Thienemanns Verlag, Stuttgard & Wien, S. 167 40 Huxley, Aldous (1932)Brave New World, Ernst Klett Sprachen GmbH Stuttgart (2007), S.191 41 Huxley, Aldous (1932)Brave New World, Ernst Klett Sprachen GmbH Stuttgart (2007), S.207 42 vgl. von Borries, Friedrich; Fezer, Jesko (2013) Weil Design die Welt verndert, machen wir... Texte zur Gestaltung, gestalten: Berlin, S.3

    43 Hersch, Jeanne (1979) Die Unfhigkeit, Freiheit zu ertragen, Benziger Verlag, Zrich, Kln, S.21 44 vgl. Hielscher, Sabine, Fisher, om., Cooper, Tim (2007) How often do you wash your hair? Design as disordering : Every day Routines, Human Object Theories, Probes and Sustainability, Sheffield Hallam University: Sheffield, S.3

  • unreflektiert zulassen sollten ist fraglich.45 Dunne spricht an dieser Stelle von eine

    subtilen Versklavung durch einen flieenden Kreislauf zwischen Produkt und Nutzer,

    der anderweitige oder eigen angeeignete Gewohnheiten und Werte auer Kraft setzt.46

    Kritik an den Produkten auszuben, die Freiheit zu nutzen auch in Form einer nicht

    intentionierten Nutzung ist hier nie verboten, aber dennoch nicht mehr mglich.

    Die Einfachheit wird zur Droge und folgende Aussage aus Das Gefngnis der Freiheit

    knnte dann auch von Vertretern des human centred Designs stammen: Zu keinem

    Zeitpunkt haben wir euch gefangen gehalten, nein, euer eigener Wille war es, dem wir

    gehorcht haben47.

    Die negativen Konsequenzen der Freiheit: Im claiming the right to be unhappy48

    Der Mensch eignet sich seit je her Wissen und Verstndnis an um eigenstndig und

    reflektiert Handeln zu knnen. Es stellt sich demnach ebenfalls die Frage, ob dem

    Menschen tatschlich geholfen werden muss, damit er Freiheiten, die ihm komplexe

    Produkte ermglichen, auch ergreifen kann, oder ob er das bentigte Verstndnis nicht

    auch eigenstndig erwerben kann. Norman behauptet, es ist erstrebenswert, durch

    Einschrnkungen (...)[,]die Menge der zu lernenden Informationen auf ein vernnftiges

    Ma49 zu reduzieren. Was ein vernnftiges Ma ist, bleibt dabei jedoch offen. Kommen

    wir hier zurck auf das Beispiel des Eierkochers. Die meisten Menschen in Deutschland

    wissen wohl auch ohne Eierkocher, wie man Eier zubereitet. Das wissen sie, weil es so

    weiter gegeben wurde, weil das Wissen ber die Zubereitung der Eier ohne Eierkocher

    (noch) weit verbreitet ist. Und auch sonst htten sie vielleicht Interesse daran, sich

    dieses Wissen aneignen und zudem die weiteren Mglichkeiten des Kochtopfes zu

    entdecken und zu nutzen. Es ist vielleicht nicht der einfachste Weg, aber man wrde

    dadurch die eigene Freiheit erweitern. Kocht man jedoch ausschlielich und von Anfang

    an Eier mit einem intuitiv zu bedienenden Eierkocher, fehlt einem die Notwendigkeit

    sein Wissen und Verstndnis zu erweitern. Man wrde niemals lernen Eier ohne einen 45 vgl. Zakkas, Alex, et al. (2011) Product- Friendly User Design: A Critical Discours on User- Centered- Methodology Diversity and Unity: Proceedings of IASDR2011, the 4th World Conference of Design Research, Herausgeber: N.F.M. Roozenburg, L.L. Chen and P.J. Stappers: Delft (Niederlande) S.4 46 Zakkas, Alex et al. (2011), a.a.O. S.5 47 Ende, Michael (1992) Die Hhlen von Misraim, Das Gefngnis der Freiheit, , Weitbrecht Verlag in K. Thienemanns Verlag, Stuttgard & Wien, S. 187 48 Huxley, Aldous (1932)Brave New World, Ernst Klett Sprachen GmbH Stuttgart (2007), S.207 49 Norman, Donald A. (1988) Dinge des Alltags: gutes Design und Psychologie fr Gebrauchsgegenstnde, Campus Verlag: Frankfurt am Main (1989), S.80

  • Eierkocher zu kochen und immer abhngig sein vom Eierkocher und dessen Vorhanden

    sein, da das tiefere Verstndnis des Prozesses fehlt.50 Freiheit und Gemtlichkeit

    beissen sich sowieso. 51

    Doch ist der Anspruch an Freiheit tatschlich nur, unser Leben einfacher zu machen?

    Die Zukunft der Freiheit: Grenzen des User Centred Design

    Das nutzerfreundliche Design orientiert sich mageblich an den Mensch, so ist die

    Kernfrage der Usability ist, ob der Nutzer in der Lage ist das Produkt zu Nutzen.52 Dazu

    gehrt im wesentlichen das genaue Beobachten (bestimmter) Personen bei einer

    Handlung und die Bemhung um ein Verstehen zweiter Ordnung.53 Doch Was

    angeschaut werden kann ist lngste geschehen54. Das wiederum hat zur Folge, dass die

    Gestaltung nicht mehr als zukunftsgerichtete Ttigkeit zu verstehen ist, sondern nur im

    Rahmen bestehender Normen entsteht.55 Dies knnte aufgefangen werden durch einen

    weiteren Motor stndiger Verbesserung: Kritik und Fehler sind meist dafr

    verantwortlich, dass Systeme, Produkte, Ideen etc. zukunftsfhig sind und bleiben. So ist

    laut Hersch eine wichtige Funktion der Freiheit, Kritik zu ermglichen, damit die

    Chancen der Freiheit unaufhaltsam wachsen.56 Doch Kritik am Produkt und Fehler sind

    im Nutzerfreundlichen Design keine wnschenswerten Variablen. Innovation und Neue

    Wege sind somit stark eingeschrnkt, da sich ausschlielich an der Vergangenheit und

    der Gegenwart orientiert wird, whrend die Mglichkeiten zur unberechenbaren,

    unvorhersehbaren Nutzung nicht formuliert werden knnen.

    Das Nutzerzentrierte Design gibt dem Menschen dem entsprechend

    Nutzungsmglichkeiten vor, kann aber von Natur aus selber nur an dem orientiert sein,

    50 Zakkas, Alex, et al. (2011) Product- Friendly User Design: A Critical Discours on User- Centered- Methodology Diversity and Unity: Proceedings of IASDR2011, the 4th World Conference of Design Research, Herausgeber: N.F.M. Roozenburg, L.L. Chen and P.J. Stappers: Delft (Niederlande), S.4 51 Hasler, Ludwig (2011) Raffinierter Leben: Macht Freiheit partout glcklich? Du:Die Zeitschrift der Kultur 71/814/2011-2012, S.816 52 vgl. Zakkas, Alex et al. (2011), a.a.O. S.3 53 vgl. Krippendorf, Klaus (2006), Die semantische Wende, Birkhuser Verlag GmbH: Basel (2013), S.96-98 54 R.D. Brinkmann, in: Erlhoff, Michael (2013) Theorie des Designs, Wilhilm Fink Verlag GmbH: Basel S.210 55 vgl. Selle, Gert (1973) Montage 1: Ideologie und Utopie des Design, Verlag M. DuMont Schauberg: Kln, S.31 56 Hersch, Jeanne (1979) Die Unfhigkeit, Freiheit zu ertragen, Benziger Verlag, Zrich, Kln, S.20

  • was bereits existiert57. Wenn der Mensch stur der Gestaltung folgt und die Gestaltung

    nur der Vergangenheit und Gegenwart dienen kann, so wrden wir uns sehr schnell in

    einem fatalen Teufelskreis befinden. Freiheit lassen kann hier ein Weg sein um diesen

    negativen Aspekt des Nutzerfreundlichen Designs aufzufangen. Denn Freiheit bedeutet

    Fehler machen knnen und Kritik ermglichen (s.o.), Zuflle zulassen und so neue Wege

    finden und gehen knnen.

    Optimism in Abuse Erweiterung der Gestaltung durch Freiheit

    Grundlegende Frage ist abschlieend, ob wir als Nutzer von nutzerfreundlichen

    Objekten, nicht die Fhigkeit verlieren, eigenstndige Erfahrungen mit Produkten zu

    machen, sie selbstndig gebrauchen und missbrauchen zu knnen und sie individuell an

    uns und unser Umfeld anzupassen. 58 Mit dem Ziel den Nutzer nicht das Gefhl zu geben

    dumm zu sein,59 passiert es schnell, dass der Nutzer in der Gestaltung behandelt wird als

    ob er sehr dumm wre, damit auch der dmmste unter ihnen sich nicht dumm fhlen

    muss. Dass der Nutzer nicht dumm ist, sehen wir in Fllen in denen der Nutzer Objekte

    anderes Nutzt oder eigenstndig umgestaltet um sie der jeweiligen Situation

    bestmglich anzupassen. Optimism in Abuse60 ist hier ein durchaus sehr angebrachter

    Ausdruck. Denn auch bei allen Versuchen die Nutzerszenarien zu analysieren, und

    Handlungsprozesse vorher zu sagen, Benutzung kann man nicht vorausplanen, strikt

    entwerfen, in einem gewissen Sinne! Denn das Um-zu ist frei!.61 Das ist jedoch gut so,

    denn nur auf diesem Wege bewahrt man sich eigenstndig denken und handelnde

    Menschen. Eine vollkommen analysierter Nutzer entspricht in der Wirtschaft etwa dem

    homo konomicus nach der Auslegung von Adam Smith. Doch auch dort haben viele

    Kritiker festgestellt, dass es nicht mglich ist den Menschen so stark rational zu

    reduzieren.62

    57 vgl. Zakkas, Alex et al. (2011), a.a.O. S.3 58 vgl. Zakkas, Alex; Boes, Stella; Kuijer, Lenneke (2011) Product- Friendly User Design: A Critical Discours on User- Centered- Methodology Diversity and Unity: Proceedings of IASDR2011, the 4th World Conference of Design Research, Herausgeber: N.F.M. Roozenburg, L.L. Chen and P.J. Stappers: Delft (Niederlande), S.4 59 vgl. Cooper, Alan; Reimann, Robert; Cronin, David (3. Aufl. 2007) About face: The essentials of interaction Design, John Wiley & Sons: New Jersey, S.97 60 Zakkas, Alex et al. (2011), a.a.O., S.5 61 van der Boom, Holger in: Brandes, Uta; Stich, Sonja; Wender, Miriam (2009) Design durch Gebrauch: Die alltgliche Metamorphose der Dinge, Birkhuser Verlag AG: Basel, S.55 62 vgl. Sedlcek, Thoms (2009) Die konomie von Gut und Bse, Wilhelm Goldmann Verlag: Mnchen (2013), S.334

  • Non intentional design

    Wie Produkte genutzt werden, ist in erster Linie von den sozialen, kulturellen und

    gesellschaftlichen Assoziationen abhngig, die sie hervorrufen. Dementsprechend ist es

    kaum mglich Produkte gem einer sich stndig verndernden Gesellschaft zu

    gestalten, wenn man dabei versucht Absolutes in jener, zum Zeitpunkt des Entwurfes

    bestehenden Gesellschaft, zu finden.63 Da die Gestaltung nie vollkommen alle

    individuellen Bedrfnisse befriedigen kann, und zudem immer der eben genannten

    zeitlichen Entwicklung untergeordnet ist, wird die, zu einem bestimmten Zweck

    ausgelegte Gestaltung, von Menschen hufig anders interpretiert und umfunktioniert.64

    Man spricht hier von nicht (vom Gestalter) intentionierter Gestaltung und Nutzung:

    Non intentional Design oder nicht intentionales Design (NID) (...) bezeichnet die

    alltgliche Umgestaltung des Gestalteten.65 So wir das Feuerzeug zum Flaschenffner66,

    der Stuhl zum Nachttisch, der Schlssel zum Briefffner67 und die Treppen vor der

    Kirche zur Sitzgelegenheit.68 Der Nutzer selber ist in der Nutzung frei, sofern es mglich

    ist, das Objekt umzugestalten und es dem Nutzer den Freiraum lsst.

    Zu stark spezialisierte Produkte, die wenig alternativen Handlungsspielraum lassen

    schrnken die Mglichkeiten des Nutzers seine persnliche gestalterische Freiheit

    auszuleben ein. Normans zuvor beschriebene positive Eigenschaft nutzerfreundlicher

    Objekte die Reduktion auf eine einzige Mgliche Handlung69 nimmt dem Nutzer seine

    Freiheit und Eigenstndigkeit. Durch Non intentional Design, gewinnt der Nutzer diese

    Fhigkeit zu Handeln zurck. Non intentional Design ist eine selbstbewusste Antwort der

    Nutzer auf die Bevormundung durch Hersteller und Gestalter. Dennoch kann sie nur

    entstehen, wenn sie gegen eine vorgegebene Intention verstt.70 Somit wird die

    Gestaltung nicht berflssig, sondern muss nur erneut eine Vernderung durchlaufen,

    um sich vernderten Bedingungen anzupassen.

    63 vgl. Brandes, Uta; Stich, Sonja; Wender, Miriam (2009) Design durch Gebrauch: Die alltgliche Metamorphose der Dinge, Birkhuser Verlag AG: Basel, S.10 64 vgl. Brandes, Uta, et al.(2009) a.a.O. S.10 65 Brandes, Uta, et al.(2009) a.a.O., S.10 66 vgl. Brandes, Uta, et al.(2009) a.a.O., S.11 67 vgl. Brandes, Uta, et al.(2009) a.a.O., S.55 68 vgl. Brandes, Uta, et al.(2009) a.a.O., S.145 69 vgl. Norman, Donald A. (1988) Dinge des Alltags: gutes Design und Psychologie fr Gebrauchsgegenstnde, Campus Verlag: Frankfurt am Main (1989), S.251 70 vgl. Brandes, Uta, et al.(2009) a.a.O., S.10

  • Das nicht intentioniertes Gestalten

    Doch was bedeutet das fr den Gestalter? Denn whrend das Gestalten nach User

    Centred Design klare Vorgaben hat (die Orientierung am Nutzer, seinen Handlungen und

    Bedrfnissen), ist es sehr schwierig Design offen zu gestalten. Doch eben darum geht

    es, denn designers shouldnt try to predict and exclude misuses of objects71, sondern

    sollen viel eher bewusst Raum zum improvisieren lassen. Die Gestaltung soll darauf

    ausgelegt sein, anders genutzt zu werden, das kann im Rahmen der bisherigen

    Interpretation stattfinden, aber auch in einem, vom Designer vollkommen unbeachteten,

    neuem Bereich. Das Design soll de facto niemals beendet sein und als Perfekt oder

    Absolut dargestellt werden. Viel eher soll bewusst auf die permanente Vernderung und

    Vernderungsmglichkeiten der Objekte Hingewiesen werden. Statt den Nutzer zu

    demotivierten Sklaven zu machen (vgl. Dunne), sollen sie frei handelnden und immer

    weiter gestaltenden Nutzern werden, die sich ihre Freiheit nicht zuteilen lassen,

    sondern sie selber ergreifen und damit neue Realitten schaffen.

    Fazit

    Die Freiheit ist fr den Menschen eine vielseitige und paradoxe Angelegenheit. Sie kann

    als hchstes Gut betrachtet werden, aber auch als grte Last. Realisiert man, dass man

    unfrei ist, ist meist ersteres der Fall. Ist die Freiheit hingegen gegeben, gibt man sie

    leichtfertig auf, um sich der Diktatur der Einfachheit72 hinzugeben. Das stellt die

    Gestaltung vor eine schwierige Frage. Denn whrend viele sich einig sind, dass

    Gestaltung dem Menschen dienen soll (Bsp. im Codex des VDID73), so ist doch unklar,

    wann sie dem Menschen dient: Wenn sie Komplexitten reduziert und das Leben

    mglichst einfach macht, oder wenn sie ihn fordert und dadurch immer weiter bringt?

    Eine klare Antwort gibt es nicht, jedoch hoffe ich, dass ich im Rahmen dieser Arbeit

    71 Zakkas, Alex, et al. (2011) Product- Friendly User Design: A Critical Discours on User- Centered- Methodology Diversity and Unity: Proceedings of IASDR2011, the 4th World Conference of Design Research, Herausgeber: N.F.M. Roozenburg, L.L. Chen and P.J. Stappers: Delft (Niederlande), S.4 72Rauterberg, Hanno (2012) Die Diktatur der Einfachheit Die Zeit, 33/2012, http://www.zeit.de/2012/33/Apple-Design-Ideologiekritik 73 vgl. Stefan Eckstein et al. (2012) Industriedesign. Herausforderung & Verantwortung: VDID Codex der Industriedesigne:. Leitbild und ethische Werte des Berufstandes, VDID Verband deutscher Industriedesigner e.V. : Berlin, S. 12f.

  • darauf Hinweisen konnte, dass es meist sehr einfach ist den offensichtlichen Weg der

    Nutzerzentrierten Gestaltung und der Nutzung eben solcher Objekte zu gehen, doch dass

    man dabei schnell aus dem Auge verliert, wie viel Freiheit und Eigenstndigkeit man

    damit aufs Spiel setzt.

    Dabei will ich nicht behaupte, nutzerfreundliches Design sei menschenfeindlich oder

    nicht zukunftsfhig, es muss lediglich eine Erweiterung erfahren und mehr Freiheit

    zulassen. Denn Freiheit, wo auch immer sie existiert, ist meist eine lange erkmpfte

    Errungenschaft. Sie aus Bequemlichkeit aufzugeben ist allein aus dem Grund kritisch zu

    sehen, dass einmal verloren, sie schwer ist wiederzuerlangen. Denn wie sollen wir

    Frhstckseier machen, wenn pltzlich berall der Strom ausgeht?

    Quellenangaben

    Literatur/ Bcher:

    Battisti, Dr. Siegfried (1987) Freiheit und Bindung, Dunke und Humblot: Berlin

    von Borries, Friedrich; Fezer, Jesko (2013) Weil Design die Welt verndert, machen wir... Texte zur

    Gestaltung, gestalten: Berlin

  • Brandes, Uta; Stich, Sonja; Wender, Miriam (2009) Design durch Gebrauch: Die alltgliche Metamorphose

    der Dinge, Birkhuser Verlag AG: Basel

    Camus, Albert (1956) Der Fall, Rowohlt Verlag GmbH: Reinbek bei Hamburg (1968)

    Cooper, Alan; Reimann, Robert; Cronin, David (3. Aufl. 2007) About face: The essentials of interaction

    Design, John Wiley & Sons: New Jersey

    Ende, Michael (1992) Die Hhlen von Misraim, Das Gefngnis der Freiheit, Weitbrecht Verlag in K.

    Thienemanns Verlag, Stuttgart & Wien

    Eckstein, Stefan, et al. (2012) Industriedesign. Herausforderung & Verantwortung: VDID Codex der

    Industriedesigne:. Leitbild und ethische Werte des Berufstandes, VDID Verband deutscher Industriedesigner

    e.V. : Berlin

    Erlhoff, Michael (2013) Theorie des Designs, Wilhilm Fink Verlag GmbH: Basel

    Falk, Johanna (2012) Freiheit als politisches Ziel: Grundmodelle liberalen Denkens bei Kant, Hayek und

    Bckenfrde, Campus Verlag GmbH: Frankfurt am Main

    Hersch, Jeanne (1979) Die Unfhigkeit, Freiheit zu ertragen, Benziger Verlag, Zrich, Kln

    Huxley, Aldous (1932)Brave New World, Ernst Klett Sprachen GmbH Stuttgart (2007),

    Krippendorf, Klaus (2006), Die semantische Wende, Birkhuser Verlag GmbH: Basel (2013)

    Norman, Donald A. (1988) Dinge des Alltags: gutes Design und Psychologie fr Gebrauchsgegenstnde,

    Campus Verlag: Frankfurt am Main (1989)

    Papanek, Victor(1971) Design fort he real world: Anleitung fr eine human kologie und sozialen Wandel,

    Springer- Verlag: Wien (2009)

    Sartre, Jean- Paul (1946) Der Existentialismus ist ein Humanismus, Der Existentialismus ist ein

    Humanismus und andere philosophische Essays: 1943-1948, Rowholt Taschenbusch Verlag: Reinbek bei

    Hamburg (2002)

    Sedlcek, Thoms (2009) Die konomie von Gut und Bse, Wilhelm Goldmann Verlag: Mnchen (2013)

    Selle, Gert (1973) Montage 1: Ideologie und Utopie des Design, Verlag M. DuMont Schauberg: Kln

  • Publikationen:

    Hielscher, Sabine, Fisher, om., Cooper, Tim (2007) How often do you wash your hair? Design as disordering :

    Every day Routines, Human Object Theories, Probes and Sustainability, Sheffield Hallam University:

    Sheffield

    Zakkas, Alex; Boes, Stella; Kuijer, Lenneke (2011) Product- Friendly User Design: A Critical Discours on

    User- Centered- Methodology Diversity and Unity: Proceedings of IASDR2011, the 4th World Conference

    of Design Research, Herausgeber: N.F.M. Roozenburg, L.L. Chen and P.J. Stappers: Delft (Niederlande)

    Zeitschriften:

    Hasler, Ludwig (2011) Raffinierter Leben: Macht Freiheit partout glcklich? Du: Die Zeitschrift der Kultur 71/814/2011-2012, S.816 Rauterberg, Hanno (2012) Die Diktatur der Einfachheit Die Zeit, 33/2012, http://www.zeit.de/2012/33/Apple-Design-Ideologiekritik Titze, Hans (1981) Die Unfhigkeit, Freiheit zu ertragen, Freidenker, 64/1/1981, 5-6

    Pieper, Annemarie (2007) Schwerpunktbeitrag: Grenzen der Freiheit, fiph-Journal Nr. 10/2007, S. 1

    sowie 3-8.

    Internetquellen

    de Botton, Alain (24.2.2010), the limits of freedom in: the guardian online,

    http://www.theguardian.com/commentisfree/2010/feb/24/morality-motivation-dogmatism-judgement

    Gauck, Johannes (2010), Freiheit ist anstrengend, denn man muss sie whlen Interview in Die Welt http://www.welt.de/7922299, 26. Sep. 2015, 10:27

    Anhang http://www.severin.de/fruehstueck/eierkocher/eierkocher-ek-3134

  • Im Beigefgten Ordner als PDF auerdem:

    de Botton, Alain (24.2.2010), the limits of freedom in: the guardian online,

    http://www.theguardian.com/commentisfree/2010/feb/24/morality-motivation-dogmatism-judgement

    http://pdf.zeit.de/2012/33/Apple-Design-Ideologiekritik.pdf

    Gauck, Johannes (2010), Freiheit ist anstrengend, denn man muss sie whlen Interview in Die Welt http://www.welt.de/7922299, 26. Sep. 2015, 10:27