Upload
ngoduong
View
218
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Lehrstuhl für Zivilrecht, Wirtschaftsrecht, Geistiges Eigentum
Prof. Dr. Michael Hassemer
Unerlaubte Handlungen, §§ 823 ff. BGB
Deliktsrecht
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 2
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
§ 823 Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die
Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines
anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus
entstehenden Schadens verpflichtet.
Grundtatbestand
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zusätzlich: Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB analog.
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 3
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
1. Verletzung eines absoluten Rechts
2. durch kausale Handlung des Anspruchsgegners
(oder Unterlassen, dann Verkehrssicherungspflichten)
3. Rechtswidrigkeit der Rechtsverletzung (Rechtfertigungsgründe)
4. Verschulden (= Vorsatz oder Fahrlässigkeit)
Rechtsfolge: Schadensersatz (Integritätsschaden)
Voraussetzungen von § 823 I BGB
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 4
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
Bekannt: Besondere Haftung aus Schuldverhältnissen (§ 280 I BGB) und allgemeine Haftung aus §§ 823 ff. BGB („Jedermann-Haftung“)
Wer also in einem Schuldverhältnis ein absolutes Recht des anderen Beteiligten schuldhaft verletzt, kann sowohl aus § 280 I als auch aus § 823 I BGB haften. (Klausur: § 280 I BGB als besondere Haftung zuerst prüfen.)
Die Haftung aus Schuldverhältnissen nach § 280 BGB („geschäftlicher Kontakt“) ist stärker, da
keine absolute Rechtsverletzung erforderlich, sondern bloße Pflichtverletzung (auch Rücksichtnahme, § 241 II)
eigenes Verschulden nicht zwingend notwendig, sondern bloßes Vertretenmüssen (z. B. auch Verschulden des Erfüllungsgehilfen) ausreichend,
Vertretenmüssen wird vermutet, § 280 I 2 BGB, Verschulden grundsätzlich nicht.
Zweistufiger Aufbau des deutschen Haftungsrechts (vgl. bereits Folie 17)
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 5
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
1. Körper, Gesundheit
Äußerliche vs. medizinisch feststellbare
Beeinträchtigungen
Auch Schockschäden, wenn medizinisch
nachweisbar
2. Freiheit
3. Eigentum
4. Sonstige absolute Rechte
Verletzung absoluter Rechte
absolute Rechte
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 6
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
1. Körper, Gesundheit
2. Freiheit (als absolutes Recht)
physische Freiheit
…. sich von einem Ort weg zu bewegen
3. Eigentum
Substanzverletzung: jedenfalls
Nutzungsbeeinträchtigung: nur bei einiger
Dauer/Schwere des Eingriffs
Verletzung absoluter Rechte
absolute Rechte
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 7
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
1. Körper, Gesundheit
2. Freiheit
3. Eigentum
4. Sonstige absolute Rechte
a) Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb – aber nur, wenn der Eingriff zielgerichtet ist.
b) allgemeines Persönlichkeitsrecht
Nicht ausreichend: bloße Vermögensbeeinträchtigungen(Abwerben von Kunden, Stau, Bewertungsportale)
Verletzung absoluter Rechte
absolute Rechte
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 8
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
Veröffentlichung von Bildern/Filmen
Identifizierbarkeit einzelner Personen: Jodel, Facebook, Instagram etc.
Privatpersonen vs. Personen der Zeitgeschichte Abwägung mit Informationsinteresse der Öffentlichkeit und
Pressefreiheit
Wer selbst die Öffentlichkeit sucht, muss auch mehr Öffentlichkeit ertragen – Grenze: Intimsphäre
Videoüberwachung (öffentlich und privat)
Die Drohne über dem Nachbargrundstück
Der „Frustzwerg“
öffentliche Schmähkritik (Böhmermann/Erdogan)
Persönlichkeitsrechte von Unternehmen, Art. 19 III GG?
Sonstiges Recht 2: allgemeines Persönlichkeitsrecht
absolute Rechte
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 9
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
positives Tun und Unterlassen (bekannt)
Unterlassen: Verkehrssicherungspflichten
Wer eine Gefahrenquelle schafft, hat alle zumutbaren Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu treffen.
Zahllose Beispiele: Kaufhäuser, Schwimmbäder, Baustellen, Gebäudereinigung, Durchführung von Großveranstaltungen etc.
Kausale Handlung des Anspruchsgegners
„Unterlassen ist rechtlich nur dann von Bedeutung, wenn eine Pflicht zum Handeln bestand.“Handlung,
Unterlassen
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 10
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
Ein Motorradfahrer befuhr mit circa 25 km/h eine an ein Sportplatzgelände angrenzende Straße. Das Sportplatzgelände war an der zur Straße angrenzenden Seite von einem ca. 2 m hohen Maschendrahtzaun umgeben, welcher jedoch an verschiedenen Stellen Löcher aufwies.
An einer Stelle befand sich eine Durchgangsöffnung im Zaun, durch die Sportler auf die Straße gelangen konnten, um über den Zaun geflogene Bälle zurückzuholen. Hierdurch gelangte ein Fußball vom Sportplatzgelände auf die Straße vor das Motorrad. Der Motorradfahrer stürzte und zog sich nicht unerhebliche Verletzungen zu. Er verlangt vom Sportplatzbetreiber Ersatz seines Fahrzeugschadens, seiner beschädigten Schutzkleidung, der Bergungskosten und Schmerzensgeld.
Das Landgericht sah darin, dass der Zaun Durchgangsöffnungen aufweise, eine Verkehrssicherungspflichtverletzung. Der Durchgangsbereich hätte – zum Beispiel durch eine Tür – gegen den Austritt von Bällen gesichert werden müssen.
Verkehrssicherungspflichten: Der verirrte Fußball - LG Detmold, 20.10.10
Handlung, Unterlassen
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 11
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
In dem vom Beklagten betriebenen Mainzer Rheinstrand befindet sich eine breite Treppe, die in den Rhein führt. Oberhalb der Treppe hat der Betreiber das Rheinufer mit Sand aufgefüllt und führt dort einen Gastronomiebetrieb. Die Klägerin rutschte im Juni 2010 beim Betreten der vorletzten Stufe der Treppe aus, fiel auf ihren Unterarm und stürzte in den Rhein. Sie erlitt eine Handgelenksfraktur und begehrte vom Beklagten u.a. Schadensersatz (28.600 €) und Schmerzensgeld (3.000 €) mit der Begründung, er habe nicht ausreichend auf die Sturzgefahr hingewiesen.
Das OLG führte nun aus, der Gastwirt habe im Hinblick auf die nassen Stufen keinerlei Verkehrssicherungspflicht verletzt. Eine solche beginne erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage nicht ohne weiteres erkennbar sei. Wer eine Treppe betrete, die aufgrund des Wellengangs an den unteren Stufen nass sein müsse, habe sich auf diesen Zustand der Treppe einzustellen. Die damit verbundene Nässe sei von jedem unmittelbar zu erkennen. Die Gefahrenstelle „warne daher vor sich selbst“ und begründe keine darüber hinausgehende Verkehrssicherungspflicht für den Betreiber.
Rein in den Rhein! – OLG Koblenz, 31.05.2012
Handlung, Unterlassen
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 12
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
Die Rechtswidrigkeit ist durch die Rechtsverletzung „indiziert“. Sie liegt also nur ausnahmsweise nicht vor, und zwar bei Rechtfertigungsgründen.
Insbesondere
Notwehr, § 227 BGB
Einwilligung
Arzthaftungsrecht (ggf. mutmaßliche Einwilligung)
(Erinnerung: das Tattoo aus Folie 20)
Sportverletzungen: Neymar/Zuñiga (2014); Ballack/Boateng (2010)
• Professioneller Sport vs. Amateursport
Rechtswidrigkeit
Rechtswidrigkeit
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 13
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
Vorsatz oder Fahrlässigkeit (bekannt)
§ 276 II BGB (bekannt):
Jugendliche: §§ 827, 828 BGB
insbesondere § 828 III BGB: „Einsichtsfähigkeit“
Verschulden
Verschulden
„(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.“
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 14
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
Der 17-jährige Beklagte hatte auf eBay mehrere Bilder unerlaubt bei seinen Verkäufen eingebunden und wurde daraufhin vom Urheber auf Schadensersatz in Anspruch genommen.
Dem Gericht stellte sich nun die Frage, ob der Minderjährige nach §828 III BGB über die erforderliche Einsichtsfähigkeit verfügte.
Dies bejahte das AG Hannover: Da der Jugendliche seit mehreren Jahren bei eBay angemeldet sei, zudem über knapp 80 Auktions-Bewertungen verfüge und auch die Verkaufsanzeigen außerordentlich professionell von ihm gestaltet worden seien, zweifelte das Gericht nicht an seiner Einsichtsfähigkeit. Es verurteilte den Beklagten zur Schadensersatzzahlung von 100 € pro widerrechtlich genutztem Bild.
AG Hannover: Einsichtsfähigkeit eines 17-Jährigen
Verschulden
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 15
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
Einschließlich entgangener Gewinn, § 252 BGB (bekannt)
Berücksichtigung evtl. Mitverschuldens, § 254 BGB (bekannt)
(Erinnerung: „Junges Gemüse“)
Minderung des Schadensersatzanspruchs nach Quoten
Hierzu BGH, 17.6.2014: Kein Mitverschulden von Radfahrern ohne Helm, solange keine gesetzliche Helmpflicht besteht.
ggf.: Schmerzensgeld, § 253 BGB
Immaterielle Schäden (kein Vermögensschaden, darum auch nicht berechenbar)
Schmerzen, Kummer, psychische Beeinträchtigungen, „verminderte Heiratsaussichten“
Höhe: richterliches Ermessen („Knochentabelle“)
Rechtsfolge: Schadensersatz (Integritätsschaden)
Schadensersatz
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 16
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
1. Tierhalterhaftung, § 833 BGB: Gefährdungshaftung(bekannt)
Ausnahme: Nutztiereprivileg, Verschuldenshaftung (bekannt)
2. Produkthaftung, Produkthaftungsgesetz (ebenfalls verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung)
3. Haftung im Straßenverkehr:
Halterhaftung: verschuldensunabhängig, § 7 StVG (Gefährdungshaftung).
Fahrerhaftung: Verschuldenshaftung, § 18 StVG
Sondertatbestände – insbesondere verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung
Sondertatbestände
Grundtatbestand, § 823 I BGB
Zivilrecht 21 | Sommer 2017 | Prof. Dr. Michael Hassemer | 17
absolute Rechte
Handlung, Unterlassen
Rechtswidrigkeit
Verschulden
Schadensersatz
Sondertatbestände
Haftung für vermutetes eigenes Auswahl- oder Anleitungsverschulden
Damit bleibt es beim deliktsrechtlichen Grundsatz der Haftung für eigenes Verschulden (so schon „Eltern haften nicht für ihre Kinder“)
Anders die Haftung aus Schuldverhältnissen, §§ 280 ff. BGB
Deliktische Haftung für Verrichtungsgehilfen, § 831 BGB
§ 831: Haftung für den Verrichtungsgehilfen
(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens
verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten
widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der
Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu
beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung
oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der
Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Sondertatbestände