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Das Akustikusneurinom Das Akustikusneurinom Eine Informationsschrift der VereinigungAkustikus Neurinom e.V. - VereinsregisterAmtsgericht Hannover Nr. 5557 gegr. 1987 - Internet: www.akustikus.de 5. Auflage / 2004 / II.

Das Akustikus-Syndrom A5 PDF · 6 Abb.1 zeigteinsolches,nochkleinesNeurinom,dasimVerlaufdesWachstums deninnerenGehörgangaufweitetundsichimGleichgewichtsnervinden

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Das AkustikusneurinomDas Akustikusneurinom

Eine Informationsschrift derVereinigung Akustikus Neurinom e.V.

- Vereinsregister Amtsgericht Hannover Nr. 5557 gegr. 1987 -Internet: www.akustikus.de

5. Auflage / 2004 / II.

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Inhaltsverzeichnis:Seite

1. Vorwort 42. Das Wichtigste vorweg zusammengefasst 53. Was versteht man unter einem Akustikusneurinom? 54. Was sind die typischen Symptome eines Akustikusneurinoms? 95. Mit welchen diagnostischen Maßnahmen erkennt man ein 11

Akustikusneurinom?6. Die Behandlung des Akustikusneurinoms - Therapie und Prognose 136.1. Die neurochirurgische Operationstechnik 146.2. Die HNO-chirurgische Operationstechnik mit möglichem Hörerhalt 186.3. Die HNO-chirurgische Operationstechnik bei Verzicht auf Hörerhalt 207. Nach der Operation 227.1. Kurz- und langfristige Probleme 237.1.1. Schwächung oder Lähmung des Gesichtsnervs (Facialisparese) 237.1.2. Augenprobleme 257.1.3. Gehörverlust 257.1.4. Ohrgeräusche (Tinnitus) 267.1.5. Schutz für das gesunde Ohr 267.1.6. Gleichgewichtsstörungen /Schwindel 267.1.7. Kopfschmerzen 277.1.8. Müdigkeit 277.1.9. Zahn- und Mundpflege 277.1.10. Erhöhter Speichelfluss/laufende Nase/ 28

Geschmacksstörungen/Mundtrockenheit7.1.11. Schluck-, Hals- und Stimmprobleme 287.1.12. Bewältigung der psychischen Probleme 288. Radiochirurgie /Strahlentherapie 298.1. Gamma-Knife 308.2. Linearbeschleuniger (Linac = Linear Accelerator) 318.2.1. Fraktionierte stereotaktische Konformationsbestrahlung 319. Vergleich der Methoden 329.1. Einzeitbestrahlung (Radiochirurgie) versus fraktionierte Bestrahlung 329.2. Radiochirurgie/Strahlentherapie versus Operation 3210. Langfristige Überwachung ohne Therapie 3311. Anmerkung zur „von-Recklinghausen-Krankheit“ 34

(Neurofibromatose)12. Danksagung 36

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1. Vorwort

Diese Schrift ist bestimmt für Menschen, bei denen ein Akustikusneuri-nom festgestellt wurde und die über diese Erkrankung und deren Behand-lungsmöglichkeiten informiert sein wollen.

Die Informationen sollen das Gespräch zwischen Patient und Arzterleichtern, aber nicht ersetzen.

Nicht zuletzt wendet sie sich an Patienten, bei denen die Therapie nochbevorsteht. Wenn Sie die nachstehende Aufzählung all der Beeinträchti-gungen und Spätfolgen lesen, die nach der Operation oder Bestrahlungbestehen bleiben können, dann mag Ihnen der Mut sinken. Aber das wärenicht gerechtfertigt. Im Gegenteil, mit dieser Schrift wollen wir Mutmachen. Es ist eine Tatsache, dass kein Patient alle die Leiden und Pro-bleme nach der Therapie hat, die hier aufgezählt werden. Die meistenPatienten haben nur geringfügige gesundheitliche Probleme. Und in neu-ester Zeit gibt es dank der immer besseren Diagnose- und Operations-und Bestrahlungstechniken sogar nicht wenige Patienten, denen nach derTherapie nichts fehlt, die noch voll hören können, deren Gesicht normalist und wo auch sonst alles in Ordnung ist. - Deshalb nur Mut!

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2. Das Wichtigste vorweg zusammengefasst:

1. Das Akustikusneurinom (auch unter der Bezeichnung „Vestibula-ris-Schwannom“ geläufig) ist eine Geschwulst, die sich am VIII.Hirnnerven, dem Hör- und Gleichgewichtsnerven, bildet. DieseGeschwulst ist gutartig, hat also nichts mit Krebs zu tun und bil-det keine Tochtergeschwülste (Metastasen).

2. Neben der mikrochirurgischen Operation hat sich in den letztenJahrzehnten die Radiochirurgie /Strahlentherapie zu einer aner-kannten Therapiealternative entwickelt.

3. Wegen des Ursprungs des Tumors aus einem Hirnnerven, wegenseiner Lage im inneren Gehörgang und seiner innigen Nachbar-schaft zum Kleinhirn und Hirnstamm können bei größeren Tumo-ren die vor der Therapie bestehenden Funktionsstörungen alsDauerfolgen zurückbleiben, bei kleineren Tumoren kann dagegenoft erreicht werden, dass es entweder erst gar nicht zu Funktions-störungen kommt, oder dass diese nur geringfügig sind.

3. Was versteht man unter einem Akustikusneurinom?

Neurinome sind gutartige Nervenfasergeschwülste, die von der Nerven-hüllschicht, der so genannten Schwannschen Scheide, ausgehen. Sie kön-nen an Hirnnerven wie auch an peripheren Nerven oder auch an den Rük-kenmarkswurzeln entstehen.

Die Bezeichnung „Akustikusneurinom“ geht auf die frühere Bezeich-nung des VIII. Hirnnervs als Nervus statoacusticus zurück; von seinenzwei Teilen vermittelt der Nervus vestibularis den Gleichgewichtssinnund der Nervus cochlearis das Gehör.

Das Akustikusneurinom ist eine Geschwulst, die im inneren Gehörgangund/oder im Kleinhirnbrückenwinkel, einem Bereich des Schädelinneren,wächst. Vom VIII. Hirnnerv ausgehend, und zwar fast immer vom Ner-vus vestibularis, beginnt das Wachstum im inneren Gehörgang des Fel-senbeines.

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Abb.1zeigt ein solches, noch kleines Neurinom, das im Verlauf des Wachstumsden inneren Gehörgang aufweitet und sich im Gleichgewichtsnerv in denBereich des Kleinhirnbrückenwinkels ausdehnt, wobei es den Hörnerv

und denGesichtsnerv(Nervus faci-alis) ver-drängt.Der Klein-hirnbrücken-winkel wirdseitlich durchdas Felsen-bein und diemit Hirnwas-ser gefüllte

Kleinhirnbrückenwinkel-Zisterne, zur Mitte hin durch das Kleinhirn undden Hirnstamm und nach oben hin durch das Hirnzelt (das Tentorium)begrenzt.

Abb. 2azeigt das Schädelinnere vonunten, wie es nach Entfer-nung der Knochenteile aus-sehen würde. Es ist dort eingroßes, den Kleinhirnbrük-kenwinkel fast vollständigausfüllendes Akustikus-Neurinom gezeigt, das zueiner seitlichen Verlagerungdes Hirnstammes und meh-rerer Hirnnerven und teil-weise auch zu ihrer Quet-schung geführt hat.

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Abb. 2b

zeigt das Kern-spintomogrammeines großenAkustikusneuri-noms in zweiSchichtebenen.

Akustikusneuri-nome wachsen inder Regel lang-sam, es kannmehr als ein

Jahrzehnt dauern, bis die ersten Symptome auftreten, die die Betroffenenveranlassen, einen Arzt aufzusuchen. Da der Tumor meist am Gleichge-wichtsnerv entsteht, können die ersten Störungen das Gleichgewichtbetreffen. Allerdings kann das Gleichgewichtsorgan im anderen Ohr dieStörung soweit kompensieren, dass der Betroffene nichts davon merkt.Wenn der Tumor größer wird, füllt er den inneren Gehörgang aus unddrückt zunehmend auf den Hörnerv.Dementsprechend treten daher in der Regel Hörstörungen auf, dazu gehö-ren Ohrgeräusche (Tinnitus) und einseitige Schwerhörigkeit. Häufig tre-ten Symptome auf, die einem plötzlichen „Hörsturz“ zugeordnet werden,der mit durchblutungsfördernden Medikamenten und Infusionen behan-delt wird, ohne dass der Arzt die tatsächliche Ursache erkennt. Die Hör-minderung kann sich aber auch im Laufe der Zeit ganz langsam entwik-keln.Selten drückt der Tumor auf den Gesichtsnerv (Nervus facialis) und führtzu Irritationen in Form einer Gesichtslähmung. Vom inneren Gehörgangaus dehnt sich das Akustikusneurinom in den Kleinhirnbrückenwinkelaus, wo es über längere Zeit an Volumen zunehmen kann, bis es die Brük-kenregion erreicht; während dieser Zeit kommt es zu einer zunehmendenAusziehung und Abflachung der begleitenden Nerven (Hörnerv undGesichtsnerv), später auch des V. Hirnnerven. Dieser Nervus trigeminus,auf deutsch auch „Drillingsnerv“ genannt, versorgt mit seinen drei

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Hauptästen die Stirn, das Mittelgesicht und die Unterkieferregion bezüg-lich der Empfindungswahrnehmungen. Mit einem weiteren Ast steuert erdie Kaumuskulatur. Eine Schädigung dieses Nervs führt zu entsprechen-den Ausfallerscheinungen.

Beim Wachstum des Neurinoms im Kleinhirnbrückenwinkel entsteht diegrößte Gefährdung durch die seitwärts gerichtete Verdrängung des Brük-kenbereiches, wobei Druckschädigungen in dieser außerordentlich wich-tigen und empfindlichen Region schwere gesundheitliche Folgen habenkönnen. Die Verlagerung des Kleinhirns nach oben und unten verursachtvergleichsweise kaum Störungen. Der Druck auf die benachbarten Hirn-nerven wächst so langsam, dass er erst sehr spät gesundheitliche Störun-gen hervorruft.

Die Neurinome sind von einer festen Kapsel umhüllt. Von daher ist esverständlich, dass der Tumor die Nachbarschaft nur verdrängt und inso-fern als gutartig bezeichnet wird, während bösartige Tumoren die Nach-barschaft infiltrieren und Tochtergeschwülste (Metastasen) bilden. Aller-dings kann die Kapsel mit den Hirnhäuten in der Kleinhirnbrückenwin-kel-Zisterne verwachsen, so dass eine Abgrenzung erschwert wird.

Die Ursache für das Entstehen von Akustikusneurinomen ist unbekannt.Mancherorts wird vermutet, dass es ein Überbleibsel aus der Embryo-nalzeit ist, in der das Nervensystem sich bildet und zusammenwächst.

Nur bei einer kleinen Gruppe von Betroffenen liegt ein genetischerDefekt als Ursache für diese Erkrankung vor. Hierbei handelt es sich umdie sogenannte „von-Recklinghausen-Krankheit“ (Morbus Recklinghau-sen), auch als „Neurofibromatose“ bezeichnet. Bei diesen Patienten kön-nen auch Akustikusneurinome auf beiden Seiten auftreten, so dass dieBehandlungsstrategie besonders sorgfältig abgewogen werden muss.

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4. Was sind die typischen Symptome eines Akustikusneurinoms?

Tatsächlich gibt es keine „typischen“ Symptome des Akustikusneuri-noms. Das ist verständlich, weil bei jedem Betroffenen die Lage und dieGröße des Tumors verschieden sein können.

Es ist deshalb eine schwierige Aufgabe für die mit dieser Erkrankungkonfrontierten Ärzte, frühzeitig eine sichere Diagnose zu stellen, damitdie Behandlung möglichst bald eingeleitet werden kann. Das ist praktischunmöglich, solange der Arzt nur die Beschwerden in seine Überlegungeneinbezieht, die ihm von dem Betroffenen geschildert werden.

In vielen Fällen erleben Betroffene einen langsam zunehmenden einseiti-gen Hörverlust, der sich über viele Monate bis Jahre hinzieht undbesonders bei hohen Tönen (Frequenzen) ausgeprägt ist. In wenigen Fällenwird auch über eine plötzliche Hörverschlechterung wie beim so genann-ten Hörsturz berichtet. Beide Arten der Hörverschlechterung hängendamit zusammen, dass das Neurinom in der Regel in dem vestibulärenAnteil des VIII. Hirnnervs, also dem für den Gleichgewichtssinn zustän-digen Teil dieses Nervs, zu wachsen beginnt und dadurch sehr bald denbenachbarten, für das Hören zuständigen cochlearen Anteil des Nervszusammendrückt und seine Versorgung mit Blut behindert.

Daneben kann es zu Ohrgeräuschen kommen wie etwa einem ständigenSausen, Rauschen oder Pfeifen, die der Mediziner als „Tinnitus“ bezeich-net. Dabei ist Tinnitus, für sich genommen, kein deutlicher Hinweis aufein Akustikusneurinom, denn von den vielen Tausenden, die an Tinnitusleiden, wird nur bei einem ganz geringen Prozentsatz nach Durchführungweiterer Untersuchungen tatsächlich ein Akustikusneurinom diagnosti-ziert. Die Ohrgeräusche sind oft sehr unangenehm und tragen dazu bei,dass der langsam einsetzende Hörverlust unbeachtet bleibt, zumal dieserHörverlust nicht mit Schmerzen oder anderen quälenden Erscheinungenverbunden ist. Allzu häufig suchen dann die Betroffenen nicht den Hals-Nasen-Ohrenarzt auf, sondern behelfen sich mit Kompromissen, zumBeispiel, indem sie den Telefonhörer an das „gute“ Ohr halten.

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Gleichgewichtsstörungen, die durch Reizung des vestibulärenAnteils desVIII. Hirnnervs verursacht werden können, treten seltener als Folge desAkustikusneurinoms auf. Es kann dann zu unsystematischem Schwindelkommen. Die Betroffenen sind dann nicht in der Lage, koordiniert gera-deaus zu gehen. Sie torkeln regelrecht, vergleichbar mit jemandem, derdem Alkohol übermäßig zugesprochen hat. Zuweilen besteht die Nei-gung, nach der erkrankten Seite hin zu fallen.

Größere Tumoren können auf den Drillingsnerv (Trigeminus) drücken.Dadurch können Gesichtsschmerzen, Gefühlsstörungen der Gesichtsregionoder eine Schwäche der Kaumuskulatur auftreten. Zudem kann sich derLidreflex am Auge abschwächen und die Hornhautempfindlichkeit beein-trächtigt sein.

In manchen Fällen treten in einem sehr frühen Stadium Kopfschmerzenauf, die meistens im Bereich des Hinterkopfes lokalisiert werden. Nichtselten strahlen diese Schmerzen in Schultern und Arme aus. Zuweilenzeigt sich, dass die Patienten den Kopf zur gesunden Seite neigen. Einbettlägeriger Patient ruht häufig auf der Seite, auf der sich der Tumorbefindet.

Erst in einem fortgeschrittenen Stadium kommt es zu psychischen Beein-trächtigungen. Es zeigt sich ein Verlust an Initiative und oft eine depres-sive Verstimmung. Gelegentlich können Störungen des Erinnerungsver-mögens hinzukommen. Diese psychischen Störungen ergeben sich vor-wiegend aus dem erhöhten intrakraniellen Druck (dem Druck im Schä-delinneren), der seinerseits durch die Verlagerung des Hirnstammes unddie damit verbundene Abflussstörung des Liquors (der Hirnkammerflüs-sigkeit) verursacht wird. Der höchste Grad dieser Störungen sindBewusstseinstrübungen. Diese Erscheinungen gehören zu dem letzten,schon lebensbedrohenden Stadium der Symptome. Fast jedes der genann-ten Symptome kann aber auch eine andere Ursache haben. Das macht dieDiagnose eines Akustikusneurinoms so schwierig. Der wichtigste Hin-weis auf diese Erkrankung ist eine einseitige Hörminderung. Liegt einesolche vor, dann müssen weitere diagnostische Maßnahmen vorgenom-men werden, um beurteilen zu können, ob ein Akustikusneurinom dieUrsache für die Beschwerden ist oder ob eine andere Erkrankung vorliegt.

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5. Mit welchen diagnostischen Maßnahmen erkennt man ein Akusti-kusneurinom?

Beim Auftreten von Schwerhörigkeit, Schwindel und/oder Ohrgeräu-schen sollte man als ersten Ansprechpartner einen Hals-Nasen-Ohrenarztaufsuchen. Dieser wird die äußerlich zugänglichen Teile des Ohres inspi-zieren, um sichtbare krankhafte Veränderungen zu erkennen oder auszu-schließen, und er wird einen Hörtest (Audiometrie) durchführen.Findet er dabei eine Beeinträchtigung des Hörvermögens, kann durch einSprachaudiogramm festgestellt werden, inwieweit das Sprachverständnisbeeinträchtigt ist. Darüber hinaus sollte die Funktionsfähigkeit des Hör-nervs überprüft werden. Bei dieser Untersuchung, "BERA" oder "AEP"(= akustisch evozierte Potentiale) genannt, werden dem Ohr akustischeReize zugeführt und die entsprechenden im Hörnerv und Hirnstammerzeugten elektrischen Potentiale gemessen. Wenn diese Potentiale nichtoder später als normal auftreten, so ist damit eine Schädigung der Hör-bahn nachgewiesen. Dabei gibt die Methode keine Auskunft über dieUrsache der Störung. Dazu müssen weitere Untersuchungen veranlasstwerden.

In diesem Zusammenhang wird das Gleichgewichtsorgan im Rahmeneiner so genannten Elektronystagmographie mit einer kalorischen Prü-fung getestet. Dazu wird das Ohr abwechselnd mit warmem und kaltemWasser gespült. Bei gesundem Gleichgewichtsorgan führt dieser Tempe-raturwechsel im Ohr zu einer bestimmten Bewegung des Auges mit einerkurzzeitigen Schwindelerregung, die bei einem geschädigten Organunterbleibt oder gering ist.

Die genannten Untersuchungen verursachen keine Schmerzen und sieerlauben recht sichere Aussagen über eine Schädigung von Hör- undGleichgewichtsnerv. Im Einzelfall wird der HNO-Arzt den Patientennoch zu einem Neurologen schicken. Dieser hat die Aufgabe, festzustel-len, ob weitere Schädigungen im Bereich anderer Hirnnerven vorliegen.Endgültige Gewissheit bringt dann die Abklärung durch den Radiologen.Ein computergestütztes bildgebendes Diagnoseverfahren, die „Kernspinto-mographie“ - auch „MRT“ (= Magnet-Resonanz-Tomographie) genannt -

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erlaubt ohne Röntgenstrahlung eine mehrdimensionale Darstellung desKopfes und der Hirnstrukturen und ermöglicht einen frühzeitigen Nach-weis eines Akustikusneurinoms. Die früher als erste bildgebende Unter-suchungsmethode durchgeführte „Computertomographie“ (CT) wirdheute meist erst in der Planungsphase der Therapie eingesetzt, weil in derComputertomographie die knöchernen Strukturen im Bereich der Schä-delbasis besser dargestellt werden können, während die Kernspintomo-graphie in der Darstellung des Tumorgewebes selbst geeigneter ist.

Bei beiden bildgebenden Ver-fahren wird dem Patienten imVerlauf der Untersuchung einKontrastmittel injiziert, das fürdie Kernspintomographie Gado-linium enthält, für die Compu-tertomographie Jod, welchesden Röntgenkontrast des Neuri-noms abhebt. Abb. 3 zeigt dasKernspintomogramm einesAkustikusneurinoms.

Abb. 3

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6. Die Behandlung des Akustikusneurinoms - Therapie und Prognose

Die Möglichkeiten der Behandlung eines Akustikusneurinoms werdenvon verschiedenen Faktoren bestimmt. Zu diesen Faktoren gehören dieGröße, Lage und Art des Tumors, sowie die Symptome, die er bis zurErkennung verursacht hat.

Zurzeit besteht die einzige den Tumor beseitigende Behandlung in deroperativen Entfernung. Durch die Fortentwicklung der mikrochirurgi-scher Operationstechniken haben sich die Ergebnisse in den letzten Jah-ren entscheidend verbessert. Hierzu gehören insbesondere die Einführungdes Operationsmikroskops, eine prophylaktische antibiotische Behand-lung, der Einsatz von elektrophysiologischen Methoden zur Funktions-überwachung der beteiligten Hirnnerven (Neuromonitoring), des Ultra-schallabsauggerätes bei größeren Tumoren, der Neuronavigation zur Pla-nung des optimalen Operationszuganges sowie als Grundvoraussetzungdie moderne Narkosetechnik. Dieser Einsatz komplexer Technik hat dazugeführt, dass nach neurologischen Symptomen vor der Operation undGröße des Tumors nicht nur gehörerhaltend, sondern durchaus auchgehörverbessernd operiert werden kann, d.h. eine vor der Operationbestehende Einschränkung des Hörvermögens sich durchaus verbessernlassen kann. Eine Schädigung des Gesichtsnervs mit der unangenehmenGesichtslähmung ist, wenn überhaupt, in den meisten Fällen auch nurnoch vorübergehend.

Die operative Beseitigung von Akustikusneurinomen ist die Aufgabe vonspeziell in der Mikrochirurgie ausgebildeten Neuro- und HNO-Chirur-gen, die bei der Operation feinste Instrumente und das Operationsmikro-skop verwenden. Der Stand der Operationstechnik ist heute so, dassTodesfälle so gut wie überhaupt nicht eintreten. Die Neuro- und HNO-Chirurgen sind ferner in der Lage, die Berührung und damit eine even-tuelle Beschädigung der an den Tumor angrenzenden Nerven und desumgebenden Gewebes bei der Entfernung des Tumors weitgehend zu ver-meiden, so dass die Erfolgsaussichten der Operation heute gut bis sehrgut sind. Im Einzelnen hängen sie natürlich auch von der Erfahrung undGeschicklichkeit des Operateurs ab.

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ImAllgemeinen sind die Behandlungsergebnisse um so günstiger, je klei-ner der Tumor ist und je früher er operiert wird. Das zeigt, wie wichtigeine möglichst frühe Diagnose des Akustikusneurinoms ist.

Es gibt drei verschiedene operative Zugangswege für die Entfernung desAkustikusneurinoms. Die Entscheidung, welche Operationstechnikgewählt wird, ist unter anderem von dem noch vorhandenen Hörvermö-gen, der Tumorgröße, der Lage des Tumors und dem allgemeinenGesundheitszustand des Patienten abhängig. Zunächst wird hier die Ope-rationstechnik beschrieben, mit der die Neurochirurgen die Operationeines Akustikusneurinoms angehen. Zwei weitere Operationsverfahren,die die HNO-Chirurgen anwenden, werden danach beschrieben.

6.1. Die neurochirurgische Operationstechnik

Diese kann sowohl bei großen wie auch bei kleinen Tumoren angewandtwerden und erlaubt einen Erhalt des Gehöres.Bei Operationsbeginn wird der Schädelam Hinterkopf eröffnet, wie inAbb. 4 angedeutet. In der medi-zinischen Fachsprache sprichtman vom suboccipitalen oderretrosigmoidalen, manchmalauch vom retromastoidalenZugang. Manche Operateuresetzen das ausgefräste Schä-delstück am Ende der Opera-tion wieder ein, andere verzich-ten darauf. In diesem Fall bleibtdas Schädelinnere durch die sehrfeste Nacken-/Kopfmuskulaturgeschützt.

Abb. 4

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Die harte Hirnhaut (dura) wird eröffnet. Bei einer entsprechenden Nar-koseführung und seitlicher Lagerung des Kopfes sinkt das Kleinhirnsoweit zurück, dass der Kleinhirnbrückenwinkel mit dem inneren Gehör-gang sichtbar wird, wo der Tumor liegt.Wird der Kopf des Patienten dagegen in senkrechter Lage festgehalten, somuss das Kleinhirn zur Seite abgeschoben werden, wie das in Abb. 5gezeigt ist. Nach Lösen von Verwachsungen des Tumors wird zunächstfestgestellt, ob Fasern der Hirnnerven in der Tumorkapsel verlaufen.Hierzu dient das sogenannte Neuromonitoring, das sind elektrophysiolo-gische Untersuchungsverfahren, mit denen man die einzelnen Nervenfa-sern identifizieren und während der Operation in ihrer Funktion überwa-chen kann. Im nächsten Schritt wird die feste Kapsel, die den Tumorumgibt, in einem nervenfaserfreien Bereich geöffnet. Das ist schwierig,weil reichlich Arterien und Venen auf der Kapsel verlaufen. Wenn solcheGefäße durchtrennt werden, können Schädigungen im Hirnbereich ein-treten. Nach der Eröffnung wird der Tumor von innen her verkleinert,wozu bei größeren Tumoren das Ultraschallabsauggerät sehr hilfreichsein kann.

Hat man den Tumor nun soweit verkleinert, dass der innere Gehörgangerkennbar wird, wird die hintere Begrenzung des Gehörgangs, die ausFelsenbeinanteilen besteht, mit einer hochtourigen Diamantfräse abgetra-gen und der Gehörgang über seine ganze Länge freigelegt, um denTumorzapfen im Gehörgang identifizieren und präparieren zu können,nachdem die entsprechenden Nervenanteile abgegrenzt sind.

Dadurch, dass der Tumor in seinem Ursprung im inneren Gehörgang dar-gestellt und von hier aus in Richtung auf den Hirnstamm präpariert wird,hat man eine bessere Chance, den Tumor einerseits vollständig zu entfer-nen und damit einem Rezidiv vorzubeugen, andererseits die ebenfalls imGehörgang laufenden Nerven zu schonen, d.h. den Gesichtsnerv (Nervusfacialis) sowie den Hörnerv (Nervus acusticus). Diese Vorgehensweisehat es in den letzten Jahren immer häufiger ermöglicht, gehörerhaltendoder gehörverbessernd zu operieren.

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In den Abbildungen 5, 6 und 7 sind die geschilderten Schritte der Opera-tion bei suboccipitalem Zugang dargestellt. Es handelt sich um Bilder auseinem medizinischen Atlas, in dem die Verhältnisse stark schematisiertwurden, damit das Wesentliche deutlich wird. Tatsächlich gibt es im Ope-rationsgebiet noch viele kleine Adern und andere Gewebeteile, die demOperateur die Übersicht erschweren.

Abb. 5.

Bei großen Tumoren ist die Trennung des Tumors von dem Gesichtsnerv(Nervus facialis) äußerst schwierig, weil dieser sich oft in einzelne Strän-ge aufgefächert hat und teilweise innerhalb der Tumorkapsel verläuft.Zudem ist es bei großen Tumoren fast immer unmöglich, den Gehörnervzu erhalten, da er durch den Tumor schon stark geschädigt worden ist.Eine weitere Schwierigkeit kann sich ergeben, wenn ein großer TumorVerbindungen zum Hirnstamm und zum Kleinhirn gebildet hat.

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Dann muss der Tumor in oft stundenlanger Arbeit von diesen Strukturenabgelöst werden. Eine Verletzung von Hirnstamm oder Kleinhirn kannernste Folgen für den Patienten haben. Diese Schwierigkeiten könnenvermieden werden, wenn das Akustikusneurinom diagnostiziert und ope-riert wird, solange es noch klein ist. (Abb. 6)

Abb. 6

Eine Komplikationsmöglichkeit ergibt sich bei der sitzenden Position desPatienten während der Operation. Unter Umständen kann Luft in denBlutkreislauf eintreten und zu einer Luftembolie führen. Die erfahrenenAnästhesisten, die immer bei einer solchen Operation tätig sind, überwa-chen daher den Kreislauf mit Mikrophonen, um die durch Luft im Blutverursachten Geräusche frühzeitig wahrzunehmen, und sie messen stän-dig den Kohlendioxydgehalt des Blutes. Durch diese Maßnahmen könnendie vor einigen Jahrzehnten noch gefürchteten Komplikationen, die letzt-lich von Durchblutungsstörungen am Herzen oder Hirn herrühren, raschabgewendet werden.

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6.2. HNO-chirurgische Operationstechnik mit möglichem Hörerhalt

Dieser Operationszugang ist geeignet für kleinere Tumoren, die nicht zuweit aus dem inneren Gehörgang herausgewachsen sind. Er wird in derFachsprache als transtemporal und primär extradural bezeichnet, d.h.,der Operateur geht durch den Schläfenbereich vor und bleibt weitgehendaußerhalb der Hirnhaut. Die Operation wird am liegenden Patientendurchgeführt.Der Hautschnitt liegt imHaarbereich weitgehendunsichtbar oft ohne Haarra-sur leicht bogig vor demOhr. Es folgt die Bildungund Entnahme eines 5 x 4cm großen Schädelknochen-deckels, der nach Beendi-gung der Operation wiedereingesetzt wird, so dass keingrößerer Knochendefektbestehen bleibt.

Danach wird die Fel-senbeinpyramide ander Schädelbasis dar-gestellt, in der dasInnenohr, der innereGehörgang mit Tumor-anteilen liegen, sowieder Nervus vestibulo-cochlearis und Nervusfacialis münden undweiter durch den inne-ren Gehörgang verlau-fen (Abb. 8).

Abb. 8

Abb. 7

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Dazu muss der Hirnschläfenlappen mit der bedeckenden Hirnhautgeringfügig angehoben werden. Mit Hilfe von anatomischen Landmarken

wird der innere Gehörgangaufgesucht und von obenmit dem Bohrer eröffnet.Somit kann der gesamteTumor dargestellt werden,besonders auch seineAnteile im inneren Gehör-gang.

Abb. 9

Es herrscht eine besonders gute Übersicht über den Gesichts- und Hör-nerv. Wie schon beim suboccipitalenZugang beschrieben, wird dieTumorkapsel eröffnet, die Tumor-masse herausgeschält und dann derangrenzende Gleichgewichtsnerv mitder Tumorkapsel vollständig entfernt(Abb. 10). Die dort beschriebenenProblematiken bestehen natürlichauch bei diesem operativen Zugangs-weg.

Diese Operationsmethode wird nurfür kleine und mittlere Akustikusneu-rinome (bis etwa 15-20 mm Durchmesser) empfohlen. Die Erfolgsaus-sichten sind genau so gut wie bei der zuvor beschriebenen neurochirurgi-schen Methode, insbesondere was die Möglichkeit des Hörerhalts und dieVermeidung einer Gesichtslähmung betrifft.

Abb. 10

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Der Zugangsweg hat Vorteile, wenn ein kleiner Tumor weit seitlich iminneren Gehörgang liegt, da er an dieser Stelle über den neurochirurgi-schen Zugang schlechter erreichbar ist.

6.3. Die HNO-chirurgische Operationstechnik bei Verzicht auf Hörerhalt

Dieser Operationszugang heißt in der Fachsprache der transmastoide undtranslabyrinthäre. Der Operateur geht in diesem Falle durch das Innen-ohr, durch das Labyrinth vor, deshalb kann diese Operationstechnik nurangewandt werden, wenn vor der Operation kein verwertbares Hörver-mögen vorhanden ist. Wenn das der Fall ist, bietet diese Operationstech-nik den großen Vorteil, dass sie den Patienten wenig belastet und andereHirnnerven nicht gefährdet.

Der Hautschnitt erfolgt hinter dem Ohr und ist somit später kaum sichtbar.Der Warzenfortsatzknochen (mastoid) wird dargestellt und mit dem Boh-rer alle wabenartig angeordneten Zellen eröffnet und entfernt, bis dasInnenohrlabyrinth herausgeformt ist.Bereits im Mastoidknochen sieht man den Gesichtsnerv liegen. Zur wei-teren Darstellung des inneren Gehörganges muss das Innenohrlabyrinthzerstört werden, was mit einer definitiven Ertaubung einhergeht.

Abb. 11

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Da dieser Zugang im Allgemeinen bei Patienten gewählt wird, die durchden Tumor bereits praktisch ertaubt sind, haben die Patienten postopera-tiv wenig zusätzliche Probleme. Der Tumor wird dann in der bereitsbeschriebenen Weise Schritt für Schritt reseziert

Abb. 12 Abb. 13

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7. Nach der Operation

In der Regel wird der Patient für einen oder zwei Tage auf der Intensiv-station weiter beobachtet. Dort wird das Aufwachen aus der Narkoseüberwacht und eventuelle Komplikationen wie die Bildung von Blutge-rinnseln oder Nachblutungen können sofort erkannt und entsprechendbehandelt werden. Schmerzen als Operationsfolge spielen bei dieser Ope-ration eine untergeordnete Rolle. Einen bis zwei Tage nach der Operationsind die Patienten in der Lage, sich aufrecht hinzusetzen, aufzustehen undselbständig zu essen.Nach der Entfernung großer Tumore, die bis zu den unteren Hirnnervenreichen und diese verlagert haben, können für einige Tage Schluckbe-schwerden auftreten, so dass beim Essen die Hilfe vom Pflegepersonalnötig ist.

Nach der Operation kann es vorkommen, dass klare Flüssigkeit aus derNase tropft, wenn der Patient sich bückt oder nach vorne neigt. Hierbeihandelt es sich um Gehirnflüssigkeit (Liquor), die aus dem Operations-feld durch das Innenohr und einen Verbindungsgang, die sogenannteEustachische Röhre, in den Nasenraum fließt. Es besteht dann Infek-tionsgefahr durch Keime, die auf dem umgekehrtenWeg in den Hirnraumvordringen können. Deswegen muss die bestehende Undichtigkeit unbe-dingt so bald wie möglich beseitigt werden, unter Umständen durch eineweitere Operation. Manchmal hilft jedoch auch die Ableitung von Hirn-wasserüberdruck über einen Wirbelsäulenkatheter, der ohne Narkose imLendenwirbelbereich zeitweilig eingeführt wird. Während der stationärenBehandlung wird üblicherweise veranlasst, dass die Patienten physiothera-peutisch begutachtet und je nach Beschwerdebild therapiert werden.Sollte es zu einer Gesichtslähmung gekommen sein, so müssen die Übun-gen in diesem Bereich besonders intensiv vorgenommen und ggf. auchlängere Zeit nach Beendigung des Krankenhausaufenthaltes fortgesetztwerden. Ist der Gesichtsnerv während der Operation nur leicht gereiztworden, so ergeben sich vorübergehende Unregelmäßigkeiten in derGesichtsmimik, die aber mit Krankengymnastik und eigenen Übungenmeistens bald überwunden werden können. Gleichgewichtsstörungenkönnen in den meisten Fällen mit speziellen Übungen gebessert werden,

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die eventuell auch nach der Entlassung aus der Klinik fortgesetzt werdenmüssen. Bei unkompliziertem Verlauf des Heilungsprozesses erfolgt dieEntlassung aus dem Krankenhaus in der Regel 10 bis 14 Tage nach derOperation. Die Wundfäden oder Klammern werden üblicherweise eineWoche nach der Operation fast schmerzlos entfernt.

7.1. Kurz- und langfristige Probleme

Je kleiner der Tumor zum Zeitpunkt der Operation war, desto wenigersind kurz- und langfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwar-ten. Wenn der Tumor größer war, dann waren meistens schon vor derOperation solche Beeinträchtigungen vorhanden. Diese können durch dieOperation gelindert worden sein, können aber auch zum Teil fortbeste-hen. Es können auch neue Beschwerden auftreten, das ist besondersdann der Fall, wenn der Tumor schon angrenzende Hirnnerven geschä-digt hatte.

Nach der Operation wird der Patient imAllgemeinen ein verändertes kör-perliches oder psychisches Befinden erleben. Unmittelbar nach der Ope-ration ist oft eine Euphorie festzustellen, verursacht durch das Bewusst-sein, von einer bedrohlichen Gefahr befreit zu sein und im Besitz der vol-len geistigen Fähigkeiten weiterleben zu dürfen. Andererseits verspürenmanche Patienten in dieser Zeit Kopfschmerzen und eine Desorientiert-heit, die darauf zurückzuführen sind, dass sich die Hirndurchblutung unddie Zirkulation der Hirnflüssigkeit (Liquor) wieder normalisieren müs-sen. Dies kann auch zu vorübergehenden seelischen Tiefs führen.

7.1.1. Schwächung oder Lähmung des Gesichtsnervs (Facialisparese)

Im Operationsgebiet verläuft der Gesichtsnerv, der die Gesichtsbewegun-gen steuert, unmittelbar neben dem Hörnerv. Der Chirurg muss deshalbwährend der Operation besonders auf den Gesichtsnerv achten. Mit Hil-fe eines Nerven-Monitorings kann während der Operation die Funktiondes Gesichtsnervs überprüft werden. Dazu werden vor Beginn der Ope-ration Elektroden an der Stirn, am Ober- und Unterlid und an der Ober-und Unterlippe angelegt, so dass der Operateur während des Eingriffes

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durch elektrische Reizungen des Gesichtsnervs seine Funktion überprü-fen kann. Es kommt vor, dass der Operateur bei der Entfernung desTumors den Gesichtsnerv durchtrennen muss oder diesen durch Berüh-rung schädigt. In manchen Fällen kann es, ohne dass der Gesichtsnervgeschädigt wurde, zu Lähmungserscheinungen in Folge der plötzlichenDruckentlastung bei der Operation kommen, die aber meistens allmählichabklingen. Für das weitere Vorgehen ist es wichtig zu wissen, ob derGesichtsnerv durchtrennt oder nur leicht geschädigt wurde. Ein durch-trennter Gesichtsnerv kann durch eine Operation wieder hergestellt wer-den. Dazu wird ein Stück Nerv aus einem anderen Körperteil evtl. nochwährend der Akustikusneurinom-Operation anstelle des herausgeschnit-tenen Stückes eingesetzt oder aber bei einer späteren, zweiten Operationzwischen Zunge und Wange. Diese zweite Operation muss bei einersicheren Durchtrennung bald, spätestens zwei Jahre nach der ersten erfol-gen. Es dauert aber lange, bis zu einem Jahr, ehe ein transplantierter Nervseine Funktion übernimmt, und meistens steuert er die Gesichtsbewegun-gen dann nicht gleich gut wie früher der Nervus facialis. Auf jeden Fallsind nach einer Nerventransplantation ebenso wie bei einer leichten Schä-digung des Gesichtsnervs regelmäßige krankengymnastische Übungenüber einen längeren Zeitraum hin erforderlich. Dann sind aber aucherstaunliche Erfolge zu erreichen.Bei ausgeprägter Facialisparese kann das Auge nicht geschlossen wer-den. Es tränt und kann schmerzen, es ist zugempfindlich. Durch Austrok-knung besteht die Gefahr einer Hornhautschädigung. Um die Austrok-knung zu verhindern, wird in den ersten Tagen ein so genannter Uhrglas-verband getragen und es werden Salben oder Gels verordnet, die dasAuge schützen.Sollte eine aktive Gesichtsbewegung durch den Gesichtsnerven odereinen Nervenersatz nicht erreichbar sein, so kann durch plastische Ope-rationen im Gesicht eine kosmetische und teilweise funktionelle Verbes-serung erreicht werden. Es können Mundwinkel und Brauen gehobenwerden, auffällige Faltenbildungen können reduziert werden.

Über Entstehung und Behandlung der Facialisparese gibt es ein Merk-blatt der Vereinigung Akustikus Neurinom e.V.

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7.1.2. Augenprobleme

Bei einem Teil der Operierten treten langfristig Augenprobleme auf. Beidiesen Patienten war der Tumor zuvor schon groß oder mittelgroß. Es istdann erforderlich, einen Facharzt für Augenkrankheiten heranzuziehen.Im Zusammenhang mit Gesichtslähmung wird die Augenfunktion undTränenproduktion beeinträchtigt. Durch den Mangel an Tränenflüssigkeitläuft das Auge Gefahr, auszutrocknen und sich zu entzünden. Es gibt ver-schiedene Möglichkeiten, das Auge davor zu schützen, so durch Einträu-feln von künstlicher Tränenflüssigkeit oder durch Raffung derAugenliderdurch einen kleinen operativen Eingriff. Außerdem besteht die Möglich-keit, ein Implantat (Platin, Gold, Titan) in das Oberlid zu legen und so denLidschluss zu erreichen. Bei Wind sollte das Auge durch eine Schutzbril-le mit Seitenteil und bei Nacht durch einen Uhrglasverband geschütztwerden.

Doppeltes Sehen kann auftreten, wenn der VI. Hirnnerv, der die seitlicheAugenbewegung steuert, geschädigt wurde. Das kann die Folge einessehr großen Tumors, der auf diesen Nerv Druck ausgeübt hat, oder aucheine Operationsfolge sein.

7.1.3. Gehörverlust

Die meisten Akustikusneurinom-Patienten hatten schon vor der Opera-tion einen gewissen einseitigen Hörverlust oder waren unter Umständenbereits einseitig ertaubt. Bei kleineren Tumoren, etwa unter 10-15 mmDurchmesser, ist es in bestimmten Fällen möglich, den Hörnerv unddamit das noch vorhandene Hörvermögen zu erhalten. Um dies nochsicherer zu erreichen, wird - wie bei den verschiedenen mikrochirurgi-schen Operationstechniken dargestellt - über das Neuromonitoring eineTechnik angewandt, mit der das Hörvermögen während der Operationüberwacht werden kann. Bei mittleren oder großen Tumoren, die vominneren Gehörgang schon weit in den Kleinhirnbrückenwinkel hineinge-wachsen sind, ist gewöhnlich der Hörnerv so stark geschädigt, dass ernicht erhalten werden kann. Damit wird der Patient einseitig taub. Mitdieser Behinderung kann man fast normal leben. Allerdings ist man nichtmehr in der Lage, die Richtung einer Schallquelle zu erkennen. Man kannsich nur noch schlecht mit einem Gesprächspartner unterhalten, der sichauf der tauben Seite befindet, und man hat Schwierigkeiten, in einerUmgebung mit vielen Nebengeräuschen einer Unterhaltung zu folgen.

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Die Versorgung mit einem CROS-Hörgerät (Contralateral Routing ofSignals) oder einem knochenverankerten Hörgerät zur CROS-Versorgungkann hier hilfreich sein. Mit diesen Hörgerätetechniken wird dafürgesorgt, dass der Schall, der das taube Ohr erreicht, zu dem gesunden Ohrweitergeleitet wird.

7.1.4. Ohrgeräusche (Tinnitus)

Ohrgeräusche, die vor der Operation bestanden haben, bleiben leider mei-stens auch danach bestehen. Allerdings kann sich deren Tonlage und Stär-ke verändern, zum Guten, wie zum Schlechten. Manchmal ergibt sichTinnitus erst nach der Operation. Tinnitus ist ein sehr verbreitetes, in sel-tenen Fällen auch sehr quälendes Leiden. Viele Patienten können ein vor-handenes Geräusch verdrängen, so dass es ihnen im täglichen Umgangwenig störend erscheint. Es gibt wenige rein medizinische, aber einigelebenspraktische Maßnahmen, mit denen die Beschwerden jedenfallsetwas gelindert werden können. Informationsmaterial hierüber verbreiteteine sehr aktive Patientenselbsthilfeorganisation, die Deutsche-Tinnitus-Liga e.V. (www.dtl.de)

7.1.5. Schutz für das gesunde Ohr

Es versteht sich von selbst, dass man nach dem Verlust des Gehörs aufeiner Seite das gesunde Ohr vor Schädigungen bewahren muss. Es soll-ten daher besonders laute und plötzliche Geräusche am gesunden Ohrvermieden werden. Deshalb ist Zurückhaltung bei Silvesterknallereien,beim Schießen und beim Discobesuch zu empfehlen. Wenn man sich lau-ten Geräuschen nicht entziehen kann, dann sollte man wenigstens einenOhrenschutz aufsetzen. Bei Entzündung oder Verletzungen empfiehlt essich, besonders frühzeitig ärztlichen Rat oder Hilfe zu suchen.

7.1.6. Gleichgewichtsstörungen, Schwindel

Der Vestibularanteil des VIII. Hirnnervs wird so gut wie immer bei derOperation entfernt. Normalerweise ist dieser Teil des Nervs schon vorherzerstört, so dass der Patient, ohne dass ihm das bewusst wurde, gelernthatte, mit dem anderen Gleichgewichtsnerv zu leben.Das Gleichgewichtsempfinden des Menschen ergibt sich durch einSystem aus den Gleichgewichtsorganen im Ohr, den sehendenAugen undden fühlenden, stützenden Gliedmaßen. Bei Ausfall des Gleichgewichts-nervs auf einer Seite übernehmen die anderen Teile des Systems nach

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einer Gewöhnungszeit (evtl. schon vor einer Behandlung) diese Aufgabe.Der Patient lernt, Lageänderungen und Drehbewegungen des Körperslangsam durchzuführen, und verschafft sich, sozusagen als Ersatz für denfehlenden Gleichgewichtssinn, durch das Sehen zusätzliche Orientie-rungshilfe. Die Besserung der Gleichgewichtsstörungen kann dadurchunterstützt werden, dass bewusst gegen dieses unangenehme Gefühlantrainiert wird. Über ein solches "Schwindeltraining" gibt es mancherleiBücher oder Broschüren als Anleitungen.

7.1.7. Kopfschmerzen

Kopfschmerzen können nach einer Akustikusneurinom-Operation auftre-ten. Dafür kommen verschiedene Ursachen in Betracht.Die starre aufrechte Haltung des Kopfes während der Operation kann zuvorübergehenden Kopfschmerzen führen, letztlich dann verursacht durchVerspannungen im Schulter-Nacken-Bereich, denen mit physiotherapeu-tischen Maßnahmen begegnet werden kann. Schließlich ist es möglich,dass durch ein großes Neurinom und durch die Operation Veränderungenim Hirnraum verursacht wurden. Postoperativ entstehen Kopfschmerzenauch durch die verkrampfte Kopfhaltung, durch die der Patient Schwin-delgefühle zu überwinden sucht. Auf jeden Fall sollte ein Facharzt kon-sultiert werden, wenn sich die Kopfschmerzzustände nach längerer Zeitnicht von allein bessern.

7.1.8. Müdigkeit

Viele Patienten stellen nach einer Akustikusneurinom-Operation eineleichtere Ermüdbarkeit und eine geringere geistige Leistungsfähigkeitfest. Zuweilen wird auch das Schlafbedürfnis größer. Eine medizinischeUrsache hierfür lässt sich meistens nicht angeben. Dieses Problem bleibtgewöhnlich bestehen, wenn die anderen Beschwerden längst abgeklun-gen sind. Es ist daher wichtig, dass man in einem solchen Falle geplantsein Arbeitspensum und -tempo dementsprechend reduziert.

7.1.9. Zahn- und Mundpflege

Wenn eine Gesichtslähmung vorliegt, kann die Wangenmuskulatur nichtmehr beim Verschieben der Nahrung im Mund helfen. Es bleiben dannleicht Nahrungsreste zwischen Wange und Zähnen zurück. Das kann zu

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Entzündungen des Zahnfleisches und der Mundhöhle führen. Daher ist eswichtig, den Mund immer gründlich auszuspülen, und die Zähne mög-lichst nach jeder Mahlzeit zu putzen.

7.1.10. Erhöhter Speichelfluss/laufende Nase/Geschmackstörungen/Mundtrockenheit

Bei manchen Patienten kommt es nach der Operation dauerhaft zu erhöh-ter Tränenproduktion beim Essen und daher zu laufender Nase. Unsereamerikanischen Mitpatienten nennen das "Krokodilstränen". Ähnlichbeobachten andere behandelte Patienten eine erhöhte Speichelproduktionbeim Kauen.

Nach der Operation kann es kurzzeitig zu Änderungen des Geschmack-sinnes oder zu Mundtrockenheit wegen verringerter Speichelproduktionkommen. Aber diese Veränderungen gehen meist bald vorbei.

7.1.11. Schluck-, Hals- und Stimmprobleme

In ganz seltenen Fällen kann es vorkommen, dass bedingt durch denTumor oder als Operationsfolge die Nerven beeinträchtigt sind, die denHals, den Schultergürtel, das Schlucken und die Stimme beeinflussen.Erfahrungsgemäß gehen insbesondere die Schluckbeschwerden nacheiniger Zeit zurück und verschwinden ganz.

7.1.12. Bewältigung der psychischen Probleme

Für viele Patienten ist es nicht leicht, mit den Veränderungen fertig zuwerden, die nach der Akustikusneurinom-Operation bleiben. Außer demschlechteren Hörvermögen - bis hin zur Taubheit auf der operierten Seite- geringerer körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit ist es bei einerGesichtslähmung vor allem das entstellte Äußere, welches das Selbstbe-wusstsein von betroffenen Patienten nachhaltig schwächt. Darüber hinausgibt es weitere gesundheitliche Schädigungen, die den Betroffenen jenach ihrer inneren Einstellung zu schaffen machen.

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Die Erfahrung zeigt, dass operierte Patienten oft ihre eigene körperlicheund geistige Leistungsfähigkeit ganz anders einschätzen, als sie tatsäch-lich ist. Es gibt Pessimisten, die sich wenig zutrauen und eigentlich vielkönnten, und es gibt Optimisten, die ihre Behinderung ignorieren unddann auch tatsächlich viel leisten. Jedenfalls muss jeder Patient nach derOperation, den für ihn richtigen Lebensrhythmus selbst finden, eine Rück-kehr zum bisherigen Lebensstil ist nicht immer möglich.

Sehr viel hängt von einer positiven Einstellung ab. Es hat sich als ausge-sprochen hilfreich erwiesen, sich auf die verbliebenen Stärken und Fähig-keiten zu konzentrieren.Das einschneidende Ereignis, mit der Erkrankung an einem Akustikus-neurinom konfrontiert zu werden, sollte ein Anstoß sein, neue Fähigkei-ten in den verschiedensten Lebensbereichen zu entdecken und zu entwik-keln. Es hilft nichts, den früheren und nun nicht mehr vorhandenenFähigkeiten nachzutrauern.

Positiv wird erfahren, die eigenen Erlebnisse mit der Erkrankung, mit derOperation und mit der Überwindung der Operationsfolgen weiterzugebenan andere, die von der gleichen Erkrankung betroffen sind. - Das ist auchein Ziel der Vereinigung Akustikus Neurinom e.V.

8. Radiochirurgie /Strahlentherapie

Abb. 14

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Bei dieser Behandlungsmethode wird der Tumor nicht im herkömm-lichen Sinne operiert, das heißt, der Schädel wird nicht eröffnet. Einerelativ hohe Strahlendosis wird sehr genau auf das Zielgebiet, den Tumor,konzentriert, während die umgebenden Bereiche nur schwache Bestrah-lung abbekommen. Die moderne dreidimensionale Bestrahlungsplanungintegriert Kernspintomographie und Computertomographie zur optima-len Definition des zu behandelnden Gebietes. Die Anpassung an dasBestrahlungsfeld erfolgt mit Hilfe von modernen Computersystemen aufdie individuelle Tumorform und ermöglicht eine homogene Dosisabdek-kung des Akustikusneurinoms bei optimalem Schutz des umgebendengesunden Gewebes.Durch die Bestrahlung wird der Tumor nicht beseitigt. In der Regelschwillt er nach der Bestrahlung durch eine vorübergehende Wasserein-lagerung bei verminderter Blutzufuhr sogar erst ein wenig an, um dannallmählich zu schrumpfen oder wenigstens, auch das zählt als Erfolg,nicht weiter zu wachsen. Die Tumorzellen werden genetisch so verändert,dass sie sich nicht mehr teilen können, und durch Verödung von Adernwird die Versorgung des Tumorgewebes gestört, so dass es absterbenkann. Diese Effekte brauchen ihre Zeit, es ist daher erst nach etwa zweiJahren möglich, den Erfolg der Behandlung zu beurteilen. Die Behand-lung erfolgt ambulant oder kurzstationär.

Es gibt zwei verschiedene Gerätetypen für die Strahlenchirurgie:

8.1. Gamma-Knife

Im so genannten Gamma-Knife dient radioaktives Kobalt, ein Nebenpro-dukt der Kernenergie, als Quelle von Gammastrahlen mit einheitlicherWellenlänge. Aus 201 Kobaltpräparaten wird jeweils ein Strahl von 1oder 2 mm Durchmesser durch je ein Schwermetallröhrchen so ausge-blendet, dass alle Strahlen auf den Tumor zielen. Zur genauen Ortsfestle-gung wird dem Patienten unter örtlicher Betäubung ein stereotaktischerMetallrahmen am Kopf befestigt. Es ist bisher üblich, die geplante Strah-lendosis in einer Anwendung aufzubringen. Ein Vorteil des Gamma-Kni-fe ist es, dass Geräte und Bestrahlungspläne weltweit seit Jahren standar-disiert sind.

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Man darf daher die gleichen Behandlungserfolge erwarten, wie sie seitlangem und auch in anderen Ländern mit Hunderten von Patienten erzieltwurden. Nach moderner Gamma-Knife-Radiochirurgie ist bei erneutemWachstum und Operation des Tumors kein negativer Effekt der Vorbe-strahlung mehr erkennbar.

8.2. Linearbeschleuniger ( LINAC = Linear Accelerator)

Durch elektrische Wechselspannungen werden Elektronen im Vakuumauf hohe Geschwindigkeit gebracht und prallen auf einen Schwermetall-block, das Target. Dort werden sie abgebremst und erzeugen dabei wie ineiner Röntgenröhre die sogenannte Bremsstrahlung, die im Tumor diegleiche Wirkung hat wie die Gammastrahlen. Ein dünner Strahl wirdmittels eines Schwermetallröhrchens ausgeblendet. Durch Drehbewegun-gen der Apparatur um den Tumor als Mittelpunkt erreicht man, dass derStrahl aus verschiedenen Richtungen den Tumor erreicht, so dass diesereine hohe, das umgebende Gewebe dagegen nur eine geringe Dosiserhält.Für die Behandlung eines Akustikusneurinoms ist der Gerätetypus weni-ger wichtig als Erfahrungen und Fähigkeiten des behandelnden Teams.Dazu gehören Strahlentherapeuten, Neurochirurgen und Strahlenphysi-ker, die gemeinsam den Bestrahlungsplan gemäß Größe und Form desTumors ausarbeiten. Klinische Unterschiede beider Bestrahlungstechni-ken sind bislang nicht wissenschaftlich belegt.

8.2.1. Fraktionierte stereotaktische Konformationsbestrahlung

In neuerer Zeit wird die Bestrahlung mit dem Linearbeschleuniger häufigfraktioniert, d.h., in mehreren Sitzungen verabreicht. Durch die Gabekleiner Einzeldosen, über mehrere Tage bis Wochen verteilt, nutzt mandie unterschiedlichen Verhaltensweisen von Tumorzellen und gesundenZellen aus. Die Tumorzellen haben sich von dem Bauplan des normalenKörpers entfernt und positive Eigenschaften von Körperzellen, wieReparaturmechanismen, verloren. Sie sterben bei Erreichen einerbestimmten Dosis ab bzw. werden inaktiviert.

Dagegen können sich die gesunden umgebenden Zellen wieder reparie-ren, wie z.B. bei einem Sonnenbrand oder einer normalen Wundheilung.

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Die vorliegenden Ergebnisse dieser Bestrahlungstechniken sind sehr vielversprechend. Es fehlen jedoch hierzu noch die Langzeitergebnisse, unddie Ergebnisse verschiedener Therapiezentren lassen sich nur bedingtvergleichen.Die Lokalisation erfolgt in bekannten stereotaktischen Techniken, aller-dings nicht mit einer sogen. „scharfen Fixation“ des Kopfes, sondern mitHilfe von Aufbiss- oder Maskensystemen.

9. Vergleich der Methoden

9.1. Einzeitbestrahlung (Radiochirurgie) versus fraktionierteBestrahlung

Nach allem, was man über die Strahlentherapie bisher weiß und was auchim Rahmen der Bestrahlung von Akustikusneurinomen bisher nachge-wiesen werden konnte, scheint der Fraktionierung, insbesondere für grö-ßere Neurinome, die Zukunft zu gehören. Nur die Langzeitergebnisse von10- und 20-Jahreskontrollen wie bei Gamma-Knife-Behandlungen oderbei den chirurgischen Ergebnissen liegen mit dieser neuen Methode nochnicht vor.

Nach derzeitigem Wissensstand können kleine (< 20 mm) Akustikus-neurinome in der Hand von erfahrenen Radiochirurgen sowohl mit demGamma-Knife als auch mit dem modifizierten Linearbeschleuniger mitvergleichbaren Ergebnissen wie bei mikrochirurgischer Entfernung durchEinzeitbestrahlung behandelt werden. Größere und komplex geformteAkustikusneurinome (bis etwa 25 mm Durchmesser) sollten jedochzukünftig, wenn sie nicht operiert werden, mit der fraktionierten stereo-taktischen Konformationsbestrahlung angegangen werden.

Einem Patienten, der vor der Frage steht, mit welcher Technik er sichbestrahlen lassen soll, kann nur empfohlen werden, sich bei den entspre-chenden Zentren nach den Behandlungserfolgen zu erkundigen und dieBehandlung dem Ärzteteam zu übertragen, zu dem er das meiste Ver-trauen hat.

9.2. Radiochirurgie /Strahlentherapie versus Operation

Die noch bis vor wenigen Jahren bestehende Übereinstimmung zwischenden Ärzten der verschiedenen Fachrichtungen, dass Strahlentherapie nurdann die angemessene Behandlungsform ist, wenn (1.) der Patient sehr

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alt ist, (2.) sein allgemeiner Zustand eine längere Narkose nicht erlaubenwürde, (3.) der Tumor sehr klein ist oder (4.) der Patient eine unüber-windliche Abneigung gegen eine Operation hat, muss nach den vorlie-genden Berichten von Radiochirurgen, Strahlentherapeuten und Patientenin Frage gestellt werden.Nach übereinstimmenden Ergebnissen ist unabhängig von der Art derBestrahlung die Kontrolle des Tumors in etwa 95 % zu erreichen unddamit den Ergebnissen der Operation vergleichbar. Es ist festzustellen,dass sich die Erfolgsrate der Strahlenbehandlung in den letzten Jahrendeutlich verbessert und stabilisiert hat. In der Regel sind Schwindel undGleichgewichtsstörungen nach den Behandlungen gering und abhängigvon der Dosis und bzw. deren Fraktionierung.Eine Rehabilitation ist nach einer Strahlenbehandlung meist nicht nötig.In etwa 30 % der Fälle muss mit einer Hörminderung bis hin zur Taub-heit auf dem bestrahlten Ohr gerechnet werden. Erst nach ca. 1 ½ bis 2Jahren kann das Ergebnis abschließend beurteilt werden.Eine Schädigung des Nervus facialis mit den Folgen einer Gesichtsläh-mung ist eine äußerst seltene Komplikation nach einer Bestrahlung.

Der für den Patienten kaum belastenden Behandlung steht allerdings ent-gegen, dass man danach mit einem Tumor weiterleben muss, der nichtbeseitigt wurde, nur bestenfalls schrumpft oder nicht weiter wächst unddeshalb regelmäßig durch Kernspinaufnahmen überwacht werden muss.Je nach psychischer Verfassung des Patienten kann das eine schwere,vielleicht nicht erträgliche Belastung sein. Eine nachträgliche Operationzur Beseitigung des Tumors, wenn dieser doch wächst oder weil die see-lische Belastung zu groß ist, kann schwieriger sein als die Operationeines nicht bestrahlten Tumors, weil sich Narben gebildet haben können.Das Risiko auf Schädigung der Nervenbahnen bei solchen Rezidivopera-tionen wird von manchen Operateuren höher eingeschätzt.

10. Langfristige Überwachung ohne Operation oder Bestrahlung

Durch die verbesserte Diagnosetechnik werden kleinere Akustikusneuri-nome häufiger als früher durch Zufall entdeckt, wenn aus anderen Grün-den Kernspinaufnahmen gemacht werden. Sie können dann noch so klein

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sein, dass sie keinerlei Beschwerden verursachen. In solchen Fällen oderbei Patienten ohne Schwindelbeschwerden und mit normalem Gehör mages empfehlenswert sein, den Tumor zunächst über längere Zeit durchwiederholte Kernspinaufnahmen zu überwachen, ohne sogleich eineBehandlung zu veranlassen. Ist das Wachstum des Tumors so gering, dasser voraussichtlich während der Lebenserwartung des Patienten nichtgefährlich wird, dann kann man auf Operation oder Bestrahlung ganzverzichten. Umgekehrt besteht bei rascherem Wachstum Handlungsbe-darf.

Eine ähnliche Problematik ergibt sich, wenn während der Akustikusneu-rinom-Operation der Tumor nicht vollständig entfernt wird. ManchePatienten und ihre Chirurgen verzichten bewusst auf die vollständige Ent-fernung, wenn der Tumor mit lebenswichtigen Strukturen verwachsen ist,es kann aber auch sein, dass sich dies erst während der Operation her-ausstellt und der Operateur deshalb auf die vollständige Beseitigung ver-zichtet. In diesen Fällen besteht das Risiko, dass der Tumor wieder nach-wächst (man nennt das ein „Rezidiv“).Auch dann sind regelmäßige Kontroll-Kernspinaufnahmen erforderlich,um rechtzeitig Gegenmaßnahmen (Nachoperation oder Bestrahlung desRezidivs) einzuleiten.

11. Anmerkung zur „von-Recklinghausen-Krankheit“(Neurofibromatose Typ 2)

Der Text dieser Broschüre bezieht sich auf die häufigeren sporadischenAkustikusneurinome. Wie eingangs erwähnt, treten Akustikusneurinomeauch bei einer Erbkrankheit auf, die früher unter dem Namen „von-Rek-klinghausen-Krankheit“ bzw. „Morbus Recklinghausen“ aber heute als„Neurofibromatose Typ 2“ bekannt ist. Bei dieser Krankheit, die durchMutation im NF2-Gen verursacht wird, treten Akustikusneurinome oftim Bereich beider Hörnerven auf und verursachen meistens im Alter ab20 Jahren klinische Beschwerden. Akustikusneurinome müssen keines-wegs das erste Merkmal dieses Krankheitsbildes sein. In seltenen Fällentreten aber auch einseitige Akustikusneurinome bei NF2 auf. Bei diesenPatienten finden sich dann andere Merkmale einer NF2.

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Neben den Akustikusneurinomen treten Tumore im Bereich der Wirbel-säule, Augenveränderungen - insbesondere im Sinne einer Linsentrübung- sowie Hauttumore (Schwannome) auf. Im Bereich des Gehirns tretenMeningiome und Hirnnerventumore auf. Neurofibromatose Typ 2 wirdmit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % an Nachkommen weitergegeben.Molekulargenetische Diagnostik (Mutations- und Kopplungsanalyse)erlaubt heute den Nachweis der Erkrankung bei etwa 80 % der Betroffe-nen.

Die klinische Betreuung von Patienten mit NF2 sollte an Zentren gebun-den sein, die sich eingehend mit der Erkrankung beschäftigen. DiesePatienten werden außer in der Vereinigung Akustikus Neurinom e.V.(VAN) in der „VON RECKLINGHAUSEN GESELLSCHAFT e.V.“(VRG) betreut (www.neurofibromatose.de).

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12. DanksagungDie erste Ausgabe dieser Broschüre von 1987 bestand in einer Überset-zung aus dem Amerikanischen. Wir danken unserer Schwesterorganisa-tion Acoustic Neuroma Association (ANA) für die Erlaubnis zum Nach-druck und darüber hinaus für vielfältige Förderung unserer Arbeit.Bei der Abfassung der zweiten Auflage 1991 unterstützten uns ProfessorDr. Jensen und Dr. Braunsdorf (Neurochirurgische Universitätsklinik,Kiel). Die Firma Ciba-Geigy erlaubte uns den Nachdruck von Abbildun-gen aus dem medizinischen Atlas von Netter.Für die Neufassung der dritten Auflage von 1996 durften wir Textverbes-serungen und Ergänzungen von Professor Dr. Draf und Frau Dr. Denner-lein (Städtisches Klinikum, Fulda) und von Professor Dr. Mehdorn (Neu-rochirurgische Universitätsklinik, Kiel) entgegennehmen.In der vierten von 2001 und in der nun vorliegenden fünften Auflagehaben wir insbesondere die Absätze über langfristige Überwachung undzur Radiochirurgie /Strahlentherapie überarbeitet.Wertvolle Beiträge erhielten wir von PD Dr. Becker (Klinik für Radioon-kologie und Strahlentherapie, Göppingen), Professor Dr. Deitmer (HNO-Klinikum, Dortmund), Professor Dr. Gademann (Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg), Professor Dr. Maurer (Katholisches Klinikum,Koblenz), PD Dr. Mautner (Klinikum Nord, Hamburg) undPD Dr. Wowra (Gamma-Knife-Zentrum, München).Auch bei Ihnen bedanken wir uns herzlich.

Vereinigung Akustikus-Neurinom e.V.Verantwortlich für den Inhalt und Kontaktadresse:

Dieter M a r t e nLeinenweberstr. 1331655 StadthagenTel./Fax: 05721 76366

e-mail: [email protected]: www.akustikus.de