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Vol. 22 Nr. 4 2011 Inhaltsverzeichnis
Editorial
3· HochspezialisierteMedizininderPädiatrieundKinderchirurgieC.Kind
Standespolitik
4· EchoausdemVorstandC.Kind
5· UmsetzungvonQualitätsstrategiendurchdieSGPM.-A.Panchard
Empfehlungen
6· StationäremultiprofessionelleTherapiederschwerenAdipositasimKindes-und Jugendalter:KonsensusSchweizerischeGesellschaftfürPädiatrie
D.l’Allemand-Jander,B.Knöpfli,
Fortbildung
13· Hämophagozytose-SyndromeJ.PachlopnikSchmid
17· 10JahresbilanzeinerSerievonmisshandeltenodereinemsignifikanten MisshandlungsrisikoausgesetztenKindernundAuswirkungaufdiePädiater- Patientenbeziehung
G.Troxler,M.-C.Hofner,N.Lutz
Hinweise
21· EinführungderLebensmittelbeimSäuglingErnährungskommissionderSGP
22· SPSU-Jahresbericht2010SwissPaediatricSurveillanceUnit
23· PassivrauchausgesetzteKinder:BilanzderSensibilisierungskampagnenC.KhanhHuynh,A.Dubuis,M.Pasche,K.Zürcher
26· EinegesündereWeltohneTabakfürunsereKinder–BerichtausdemLibanonN.KairouzELKrab,P.Kairouz
27· KinderrechteundKinderschutz–FrühjahrsversammlungdesClubInternational dePédiatrieSociale(CIPS)inGenfvom3.und4.Juni2011
Y.Heller,F.Narring
28· BabyVision.chC.Guy,M.Zaugg
Aktuelles aus dem pädiatrischen Fachbereich
29· Gynea–SchweizerischeArbeitsgemeinschaftfürKinder-undJugendgynäkologieGyneaVorstand
Blickpunkt
30· StillenistkeinRugbymatch…R.Roch-Suzuki
Meinung der Leser
32· NeueWachstumskurven:FürSchweizerKindernichtrepräsentativU.Eiholzer,U.Meinhardt
35· NeueWachstumskurven:FürSchweizerKindernichtrepräsentativO.Jenni,C.Braegger,D.Konrad,L.Molinari,C.Kind
36· FMH-Quiz 45
41· Buchbesprechungen
44· Varia
RedaktionDr.R.Tabin,Sierre(Schriftleiter)Dr.M.Diezi,LausannePDDr.T.Kühne,BaselDr.U.Lips,ZürichDr.M.Losa,St.GallenProf.M.Mazouni,LausanneDr.M.-A.Panchard,VeveyDr.P.Scalfaro,LausanneDr.R.Schlaepfer,LaChaux-de-FondsProf.A.Superti-Furga,LausanneDr.R.vonVigier,Bern
Redaktionsadressec/oDr.R.TabinAv.duGénéralGuisan30Postfach942CH-3960SierreTel.0274550505Fax0274555955rene.tabin@swiss-paediatrics.org
Copyright©SchweizerischeGesellschaftfürPädiatrie
Verlag–HerausgeberSchweizerischeGesellschaftfürPädiatrie(SGP)www.swiss-paediatrics.org
Sekretariat/AdressänderungenSchweizerischeGesellschaftfürPädiatriePostfach13801701FribourgTel.0263503344Fax0263503303secretariat@swiss-paediatrics.org
LayoutundDrucks+z:gutzumdruck.Nellenstadel13902Brig-GlisTel.0279243003Fax0279243006info@sundz.ch
InserateEditionsMédecineetHygièneHélèneBourgeois/MichaelaKirschnerChemindelamousse461225Chê[email protected]
PaediatricaErscheint5xjährlichfürdieMitgliederderSGP.Nicht-MitgliederkönnenbeimSekretariatdiePaediatricagegendenBetragvonFr.120.–jährlichabonnieren.
Auflage1950Ex./ISSN0254-3354BestätigtdurchWEMF
NächsteNr.Redaktionsschluss:3.10.2011Erscheinungsdatum:Nr.5:21.11.2011
FürdenInhaltderTexteübernimmtdieRedaktionkeineVerantwortung.
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Vol. 22 Nr. 4 2011 Editorial
• GewährleistungeineradäquatenBeglei-tungindermuttersprachlichenLandes-sprachefürKind(inklusiveBeschulung,fallsangezeigt)undEltern.
• Nachbehandlung und -betreuung imAnschlussandiehochspezialisierteThe-rapie in enger Kooperation mit dernächstgelegenen Kinderklinik und demniedergelassenenKinderarzt,umdiesta-tionäre Behandlungsdauer und die Fre-quenz ambulanter Kontrollen am hoch-spezialisierten Zentrum so niedrig wiemöglichzuhalten.»
DasFachorganwirddieVorschlägeanhandderResultatederweitgestreutenVernehm-lassungüberarbeitenunddannandasBe-schlussorgan weiterleiten. Dieses kannMassnahmen zur Zentralisierung verbind-lich beschliessen, wenn je vier von fünfGesundheitsdirektoren aus den fünf Uni-versitätskantonen und fünf anderen, imBeschlussorganvertretenenKantonenzu-stimmen. Wir sind nun natürlich sehr ge-spannt, wie dieses Gremium die ZukunftpädiatrischerundkinderchirurgischerSpit-zenmedizin in der Schweiz beeinflussenwird.
Liebe SGP-Mitglieder
UnsereGesellschafthatGelegenheiterhal-tenzudenVorschlägenStellungzunehmen,die das Fachorgan für hochspezialisierteMedizin der Gesundheitsdirektorenkonfe-renzGDKfürdenBereichderPädiatrieundKinderchirurgieausgearbeitethat.WieSiewahrscheinlichgehörthaben,gehtesdabeiumdieausserordentlichschwierigeAufga-be, hochspezialisierte medizinische Be-handlungsformen, die aufgrund ihrer Sel-tenheit, Komplexität und AufwendigkeitbesserannurwenigenOrteninderSchweizangebotenwerdensollten,zuidentifizierenund Vorschläge zu ihrer Konzentration zumachen.DaszurVernehmlassunggegebe-ne Papier mit Vorschlägen zu dreizehnThemenbereichen wurde unter anderemaufgrund ausführlicher Diskussionen mitden Chefärzten der grossen Kliniken fürPädiatrieundKinderchirurgieerarbeitet.
DienunvorliegendenkonkretenVorschlägeergebenausSichtderSGPeingemischtesBild. InachtBereichenbestehtunterdenpädiatrischen Exponenten weitgehendeEinigkeit.VieledervorgeschlagenenZent-ralisierungen,z.B.fürdieLebertransplan-tation,dieBehandlungdesRetinoblastomsoderderangeborenenImmundefekte,sindbereitsheuteauffreiwilligerBasisweitge-hendumgesetztworden.InanderenBerei-chen gehen die Meinungen ziemlich weitauseinander.HierkonntedieSGPnatürlichnichtfürdieeineoderandereSeitevotie-ren,sondernhataufdieauspädiatrischerSicht wesentlichen Punkte, die bei einerpolitischen Durchsetzung von Zentralisie-rungenzubeachtensind,aufmerksamge-macht:
«DieSchweizerischeGesellschaftfürPädi-atrie(SGP)orientiertsichinihrerStellung-nahme an einer optimalen medizinischenVersorgung für alle Kinder und Jugendli-chen inderSchweiz.Dabei ist einemög-lichst hohe fachliche und menschlicheQualitätderBehandlungundBetreuungvonerstrangigerBedeutung.Ebensowichtigist
aber auch eine adäquate ZugänglichkeitmedizinischerLeistungenfüralle,unabhän-gigvomWohnort.DieSchweizerBevölke-rungistsichankleinräumigeVerhältnisseund kurze Anfahrtswege auch für relativspezialisiertemedizinischeLeistungenge-wohnt. Dieshat zur Entwicklung einer imVergleichzurBevölkerungszahlbeträchtli-chenAnzahlpädiatrischerZentrengeführt,diemedizinischeTertiärleistungenmitho-herKompetenzanbietenkönnen.
Für einige hochspezialisierte LeistungensindallerdingsdieFallzahlenfürdienach-haltigeErhaltungderQualitäteindeutigzuklein.IndiesemSinnbegrüsstdieSGPdieAnstrengungen zur Zentralisierung sehr.DiePädiatrieunddieKinderchirurgiehabenindiesemBereichauchbereits freiwilligeVorarbeit geleistet, in dem in den letztenJahren zahlreiche der in diesem PapiervorgeschlagenenZentralisierungsoptionendefactobereitsumgesetztwurden.
DieSGPsiehtaberauchdieNotwendigkeit,einenachhaltigeEntwicklungallerpädiatri-schenZentreninderSchweiznichtdurcheine übermässige Zentralisierung einesGrossteilsderhochspezialisiertenLeistun-genaneinemeinzigenOrtzugefährden.IndiesemSinnappelliertdieSGPandieOrga-nefürdiehochspezialisierteMedizin,denbereits gut fortgeschrittenen Zentralisie-rungsprozess inderPädiatrieundKinder-chirurgie zu konsolidieren und sorgsamweiterzuführenundnichtdurchzudrasti-sche Einschnitte den erreichten KonsensunddamitdieStabilitätdesVersorgungs-systemszugefährden.
InBereichen,indenenzusätzlicheKonzen-trationen auf ein Zentrum oder wenigeZentrenangestrebtwerden, istunbedingtdaraufzuachten,dassdieRahmenbedin-gungenfürFamilienausgrösserergeogra-phischerDistanzoptimiertwerden:• GarantierteUnterbringungderFamiliein
einemElternhauswährendderstationä-renBehandlungamhochspezialisiertenZentrum.
HochspezialisierteMedizininderPädiatrieundKinderchirurgieChristianKind,SGP-Präsident,St.Gallen
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Vol. 22 Nr. 4 2011Standespolitik
nommen in eine entsprechende Arbeits-gruppederFMH.AusserdemversuchenwirüberdieAktivitätenderAllgemeinmedizi-neraufdemGebietderPraxisinformatikaufdemLaufendenzubleiben.KürzlichwurdenunderSGP-VorstandgleichzeitigmitzweiAnfragen von verschiedener Seite zurSchaffung eines elektronischen Impfaus-weiseskonfrontiert.EinerseitsistdieGrup-peSGAM-Informaticsinteressiertdaran,andervergleichsweiseeinfachenDatenstruk-tur der Impfdaten die Anforderungen aneineschweizweiteStandardisierungzuer-proben. Andererseits möchte das GenferInstitutdeVaccinologieinteressiertenKrei-sen aus Ärzteschaft und Öffentlichkeitmöglichst rasch die Möglichkeit geben,ImpfdatenüberdasInternetzugänglichzumachen.DerVorstandbegrüsstbeideAn-liegen sehr, wünscht sich aber, dass diebeiden recht unterschiedlichen Vorhabenkoordiniertwerden,damiteinzukünftigerelektronischerImpfausweiswissenschaft-licheinwandfrei,volle-Health-kompatibel,einfachzugänglich,sicherundkostengüns-tigrealisiertwerdenkann.
Pädiatrische Medikamenten-datenbank
Eine Arbeitsgruppe der A-Klinikchefs undder SGPhat unter der Leitung von Chris-tophBerger,Zürich,aneinemKonzeptfürdieRealisierungeinerzentralenDatenbankfürpädiatrischeMedikamentegearbeitet.MitUnterstützungdesBAGhateineBera-tungsfirmadieExpertenausdenpädiatri-schenKlinikenkonsultiertunddarausUm-setzungsvorschläge erarbeitet. Diesewurden im Sommer an einem Experten-workshopsowieaneinerSitzungvonVer-treternderSGPundderA-Klinikchefsmitdem Direktor des BAG überprüft und be-wertet. Eine baldige Realisierung diesesallgemein als sehr nützlich angesehenenProjekteshängteinerseitsvomEntscheiddesBundesrats,andererseitsvondenMög-lichkeiteneineFinanzierungzufindenab.
Seit der Verfassung des JahresberichtshabeneineVorstandssitzungundeinTref-fen mit dem Direktor des BAG stattge-funden.
Weiterbildung
Nach langen und zeitweise schwierigenDiskussionenkonntenunendlichdieRevi-siondesWeiterbildungsprogrammesauchvom Vorstand des Schweizerischen Insti-tuts für ärztliche Weiter- und Fortbildung(SIWF)verabschiedetwerden.LetzteDiver-genzenmitdenSpezialistendesSIWFbe-züglicheinzelnerFormulierungensolleniminformellen Gespräch geklärt werden.NachdemdieseHürdenunendlichgenom-menwerdenkonnte,stehtdergewünsch-tenRevisiondesWeiterbildungsprogrammsfürdieNeuropädiatrienichtsmehrimWegeundzukünftigePraxispädiaterkönnensichlängerinderPraxisassistenzweiterbilden,so sie denn möchten und eine geeigneteStelle finden. Das katastrophal schlechteInteressefürdasausgeschriebeneSeminarzumThemaPraxisassistenzistdiesbezüg-lichjedenfallsnichtermutigend.DieKrite-rienfürdieEinteilungderWeiterbildungs-stätten sind sehr viel klarer und griffigergeworden.
Als Nächstes werden nun die Weiterbil-dungsstättenaufgefordert,dasneueLog-buchanzuwendenunddiearbeitsplatzba-siertenAssessmentsinFormvonmini-CEXundDOPSeinzuführen.Ausserdemerwar-tetdasSIWFvonderSGP,dasssieDauerund Inhalt der obligatorischen Weiterbil-dungskurseinEntwicklungspädiatrie,Neo-natologie und Notfallpädiatrie genauerspezifiziert.DerVorstandhatdieWeiterbil-dungskommissionbeauftragt,diesbezügli-che, bewusst auf ein absolutes MinimumabzielendeVorschlägeauszuarbeiten.
WieweitalldieseneuenFormalisierungenderWeiterbildungangesichtsdesnachwievorungelöstenFinanzierungsproblemstat-sächlichumgesetztwerdenkönnen, lässtsich zurzeit nicht absehen. Es ist jedochwichtig,zusehen,dassdieAuflagennicht
vomSIWFerfundenwerden,sonderndassdiesesseinerseitsdieVorgabenvomBunderhält, in dessen Auftrag die FMH ja dieärztlicheWeiterbildungorganisiert.
Erfreulich ist, dass das EidgenössischeDepartement des Innern den Weiterbil-dungsganginKinder-undJugendmedizinimRahmen des Akkreditierungsverfahrens2011 ohne Auflagen für weitere siebenJahreakkreditierthat.FürdiegrosseArbeitandieserÜbungseiallenBeteiligten, ins-besondereChristophRudinfürdieVerfas-sungdesSelbstbewertungsberichts,noch-mals herzlich gedankt. Mitgeschickt mitdem positiven Bescheid wurde allerdingseinelangeListevonEmpfehlungen,wiedieWeiterbildung noch verbessert werdenkönnte.Eserstauntnicht,dassVorschlägefüreineFinanzierungsolcherVerbesserun-genfehlen.
Initiative «Ja zur Hausarztmedizin»
DerGegenentwurfdesBundesratesstiessimVorstandderSGPaufeinhelligeAbleh-nung,daerkeinekonkretenMassnahmenzurVerbesserungderHausarztmedizinvor-sieht,dafürDingeregelnwill,diemitdemGrundgedankenderInitiativenichtszutunhaben.DieSGPschliesstsichderStellung-nahmevonMFEanundergänzt lediglich,dass in der Praxispädiatrie der Hausärz-temangelbereitssehrakutist,unddassdievom Gegenentwurf propagierte multipro-fessionelleZusammenarbeitinderGrund-versorgungfürdieKinderärztegelebteRe-alität ist, deren Gelingen aber von derkoordinierendenRolledesArztesabhängt.
e-Health/elektronischer Impfausweis
Die zunehmende Computerisierung desUmgangsmitmedizinischenDatenhataufden verschiedensten Ebenen planerischeAktivitätenhervorgerufen,dienichtimmeroptimalkoordiniertsind.UmhieralsSGPdenAnschlussnichtzuverpassenhatVor-standsmitglied Alexandra Goll Einsitz ge-
EchoausdemVorstandChristianKind,SGP-Präsident,StGallen
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Vol. 22 Nr. 4 2011 Standespolitik
ausgearbeitetwerden,z.B.mitderPädiatriebesserangepasstenFragen.
Ichmussgestehen,dassdieseÄusserungengemischteGefühlehinterlassen.DasNutzen-Kosten-Verhältnis erscheint auf den erstenBlicknichtsehrvorteilhaft.Diedahinterspür-bareTechnokratiehatetwasBeunruhigendesinsich.Andererseitsistesenttäuschendfestzustel-len,dassesEQUAM(wiedasDokumentzurQualitätsstrategie im Schweizerischen Ge-sundheitswesen) nur auf Deutsch gibt. DiefranzösischeÜbersetzungistgeplant…seitmehrerenMonaten!DiegesetzlichenVorgabensindjedochein-deutig,esistdeshalbklar,dassZertifizierun-gen geschaffen werden müssen. VielleichtbestehtdieMöglichkeit,Modellevorzuschla-gen,dieunserenBedürfnissenundunseremPraxisalltagbesserangepasstsind.Die FMH arbeitet daran, insbesondere imRahmen des Projektes Q-Monitoring, dasnachAbschlussderPilotphaseaufdengan-zenBereichderambulantenMedizinausge-weitetwerdensoll.Alljene,dieanderPilot-phase mitgearbeitet haben, könnenvergleichen,wieeinfachundkostengünstigdiesesModellimVergleichzudemvonPhlippJennybeschriebenenist!AndererseitsistdieArbeitsgruppeSGP/FPPim Begriff, ein Modell oder zumindest eineReihevonspezifischpädiatrischenArbeitshil-fenauszuarbeiten,diebeiBedarf,hoffenwir,benutzt werden könnten, um den gesetzli-chenVorschriftenzugenügen.ImGrundeistQualitäteinunendlichsicher-neuernderProzess.EineZertifizierungistnieendgültig, Rezertifizierungen sind deshalbnotwendig, wie im Interview erwähnt. DiesgiltfürSpitäler.WichtigeralseinereineZerti-fizierung ist für die Praxis wahrscheinlich,sichGedankenzuQualitätsfragenzumachen.Die Suche nach Qualität ist nicht nur einerster Schritt, sondern das Herzstück desProzesses, ein Antrieb der an sich schonFrüchteträgt,welchesauchimmerdasver-wendeteMittelist,vom«einfachen»ProjektQ-Monitoring (das Qualitätsstrategien er-fasst, neue vorschlägt und es erlaubt, mitzahlreichenKollegenErfahrungenauszutau-schenundVergleicheanzustellen)bishinzutechnokratischen Zertifizierungen wie ISOoderEQUAM.Esistmöglicherweisenochnichtzuspät,umdie Wahl der Massnahmen, die man unsschlussendlichauferlegenwird,zubeeinflus-sen.FMH,MFE,FPPundSGParbeitendaran.
Mehrere Lamal-Artikel präzisieren, dassQualitätsstrategien in den Pflegeprozessintegriertwerdenmüssen,seiesimSpitaloderimambulantenBereich(22,32,43,56,…unteranderen).DerBundesrathatdieseGesetzesartikel ineinemDokument (zweiJahre nach seinem Erscheinen weiterhinnuraufDeutscherhältlich…)festgehalten:«QualitätsstrategieimSchweizerischenGe-sundheitswesen» http://www.bag.admin.ch/themen/kr ankenver s icher ung/00300/00304/index.html?lang=de.EswerdenderzeitvonverschiedenenSei-ten (Versicherer,Ärzte,Politiker)Schritteunternommen, um das praktische Vorge-henbeiderKontrollevonQualitätsstrate-gien und ihrer Dokumentation/Zertifizie-rungfestzulegen.ZielderArbeitsgruppe«Qualität»derSGP/FPPistes,dieKinderärzteaufdieStrategienzurQualitätserhaltungund-verbesserungzusensibilisieren. Auf längere Sicht soll derEinsatz der SGP/FPP, zusammen mit derFMHundanderenFachgesellschaftendenÄrztenerlauben,dieKontrolleüberdieArtundWeisezubehalten,wieQualitätskontrol-leinderPraxisaussehensoll,undunange-brachte,komplizierte,technokratischeundinihrerSichtunseresBerufesgrobvereinfa-chendeLösungenzuvermeiden.IchhattedasVergnügen,PhilippJennyzutreffen und dank ihm die MechanismengewisserZertifizierungsorganismen,insbe-sonderevonEQUAM,zuverstehen.ZuerstseineAntwortenaufmeineFragen.
Was ist EQUAM?EshandeltsichumeineprivateOrganisation,diedieZertifizierungunsererPraxisvornahm.
Wie bist du dazu gekommen, an EQUAM teilzunehmen?UnserFamilien-undKinderärztenetzhatdiesbeschlossen,umunsereQualitätgegenüberdenVersicherernbeweisenzukönnen.
Wie fand die EQUAM-Zertifizierung statt?SiebestehtausdreiAbschnitten:Einper-sönlicherFragebogen,einFragebogenfür
PatientenundeinPraxisbesuch.Esbraucht75 Patientenfragebogen, wobei die Aus-wahltendenziösist.
Inwiefern hat EQUAM deine tägliche Praxis zum Guten verändert? Im Allgemeinen? In Bezug auf Qualität?DerPatientenfragebogenhatnichtvielge-bracht. Aus dem Ärztefragebogen ginghervor,dassderArzt(ich)sichungenügendbezahltvorkam!DerBesuchdesEQUAM-Mitarbeiters(einArzt)warnützlich,zeigteerdochgewisseUnzulänglichkeitenauf,dieich verbessern konnte (verschliessbarerMedikamentenkasten für Ritalin). AndereBemerkungen waren weniger nützlich(Teamzusammenkünfte,Protokolle…).Da-bei ist zu sagen, dass ich wegen meinerStellung innerhalb des Netzes als Allge-meinpraktikerevaluiertwurde.Esgibtei-nen speziellen Katalog mit ergänzendenAngabenfürPädiater,wovonmireinzelnemehrSchwierigkeitenalsanderegebotenhätten,z.B.dieNotwendigkeitzweiWarte-zimmerzuhaben,einesfürKinderundei-nesfürJugendliche!ImGanzengesehenhatesmirVerbesse-rungen erlaubt, die ich sonst nicht hättedurchführenkönnen.
Was hat EQUAM, deiner Meinung nach dei-nen Patienten gebracht?Ichglaubekaum,dassdasLabelEQUAManmeinem Praxiseingang meinen Patientenetwasbringt…
Was hat dich EQUAM an Zeit und Geld gekos-tet?CHF 1500.– pro Praxis, durch das Netzbezahlt.DieZeit,dieichfürdieseZertifizie-runggesamthaftaufwendete,kannaufei-nenArbeitstaggeschätztwerden.
Würdest du als Kinderarzt EQUAM deinen Kollegen empfehlen?SolltekeineeinfachereLösungbestehenodersollteesvonGesetzeswegenvorgeschriebenwerden,dannwäreeseineNotfalllösung.AufalleFälleabersollteeinverbesserterVertrag
UmsetzungvonQualitätsstrategiendurchdieSGPMarc-AlainPanchard,VeveyÜbersetzung:RudolfSchlaepfer,LaChaux-de-Fonds
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Vol. 22 Nr. 4 2011Empfehlungen
Einleitung
DieEmpfehlungenfürdiestationäreAdipo-sitas-TherapieprogrammesindeineErgän-zung zu den bereits publizierten Empfeh-lungen für die Adipositas-Therapie imKindes-undJugendalter1),2),welchefolgen-deKernelementeenthalten:• Besonderheiten der Adipositas im Kin-
desalter• KonsensuszurDefinitionvonÜbergewicht
undAdipositasimKindes-undJugendalter
StationäremultiprofessionelleTherapiederschwerenAdipositasimKindes-undJugendalter:KonsensusSchweizerischeGesellschaftfürPädiatrieDagmarl’Allemand-Jander,St.Gallen;BrunoKnöpfli,ZürichundDavosUnterMitarbeitvon:NathalieFarpour-Lambert,Genf;BettinaIsenschmid,Zofingen;JosefLaimbacher,St.Gallen;ChristophRutishauser,Zürich;RobertSempach,Zürich;MichaelSteigert,Chur
ZusammenfassungIm Auftrag der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie hat eine nationale Arbeitsgrup-pe im Konsens folgende Empfehlungen ausgearbeitet:
• Adipositas wird vom Bundesamt für Gesundheit und der Santésuisse als Krankheit anerkannt. Adipositas mit Komorbidität und extreme Adipositas (> 99.5 BMI-Perzenti-le) im Kindes- und Jugendalter sind schwerwiegende Krankheiten.
• Nachhaltige Adipositas-Therapien basieren auf einem multiprofessionellen Therapie-ansatz mit Fokus auf Ernährung, körperlicher Aktivität und Verhaltensmodifikation sowie der Behandlung allfälliger psychiatrischer oder psychosozialer Komorbiditäten.
• Der Stellenwert der verschiedenen situationsangepassten ambulanten und stationären Interventionsmöglichkeiten bei Adipositas im Kindes- und Jugendalter wird durch die Behandlungspyramide der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie wiedergegeben. Wenn eine ambulante Therapie ungenügend wirksam war, oder medizinisch nicht mög-lich ist, sind stationäre multiprofessionelle Therapieprogramme indiziert.
• Ziele der stationären Adipositas-Therapieprogramme sind die nachhaltige Reduktion des Körperfettes sowie die Reduktion von somatischer und psychosozialer Komorbidität.
• Die Indikationen für die stationäre Adipositas-Therapie sind festgelegt. Sie betreffen grundsätzlich Kinder und Jugendliche mit extremer Adipositas und Komorbidität.
• Die stationäre Adipositas-Therapie für Kinder und Jugendliche basiert auf den Behand-lungsempfehlungen der Arbeitsgruppe Adipositas im Kindes- und Jugendalter mit Vertretern der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP/SSP) sowie des Fach-verbands Adipositas im Kindes- und Jugendalter (akj) und muss in einem zertifizierten Zentrum erfolgen. Die Dauer eines stationären, ärztlich geleiteten multiprofessionellen Therapieprogramms beträgt in der Regel 6–8 Wochen und kann sowohl wohnortnah als auch -fern erfolgen.
• Eine unmittelbar anschliessende Nachsorge muss vorab und wohnortnah organisiert werden.
• Komplexe Essstörungen (ICD-10 F50.2/ 3/4/9) mit Adipositas sind eigene Krankeits-entitäten und stellen zusätzliche Anforderungen an den stationären Therapieprozess in einer psychosomatischen/psychotherapeutischen Institution. Sie werden in diesem Konsensus papier nicht weiter behandelt.
VernehmlassungdesKonsensuszurstationärenAdipositastherapieChristianKind,SGP-Präsident,St.Gallen
LiebeSGP-MitgliederDie Arbeitsgruppe Adipositas der SGPhatinihrerbeharrlichenArbeitzurdrin-gendnötigenVerbesserungderBehand-lungssituation für adipöse Kinder undJugendlicheinderSchweizeinenweite-renMeilensteinerreicht.NachdemderKonsensuszurambulantenmultiprofes-sionellenGruppentherapieentscheiden-de Grundlage war, um endlich eine Fi-nanzierungwenigstensfüreineFormderAdipositastherapieauchbeiKindernundJugendlichenzuerreichen,sollnundasGleicheauchfürdiestationäreTherapiebei besonders schweren, nicht anderszu beeinflussenden Fällen angegangenwerden.DieArbeitsgruppehateinsehrsorgfältigerarbeitetes,wissenschaftlicheinwandfrei abgestütztes Dokument,das die Grundlage für eine zukünftigeFinanzierung solcher Therapien bildensoll,vorgelegtundindieserNummervonPaediatricapubliziert.Füreineerfolgrei-che Eingabe beim BAG ist aber derKonsens innerhalb der SGP wichtigeVoraussetzung.AlleinteressiertenPäd-iatersinddeshalbeingeladen,denTextzustudierenundallfälligeKommentare,EinwändeundVerbesserungsvorschlägeinnertMonatsfristandieAutoreneinzu-senden.
orthopädischen7),8),hepatischen9)undkar-diovaskulären5) sowie metabolischen10)Krankheiten einhergeht. Die körperlichenSchädenkönnenbereitsimKindesalterzuinvalidisierenderBeeinträchtigungführen11).MitzunehmenderAusprägungderAdiposi-tasundsteigendemAlterwirddieBehand-lungschwieriger11)–13).
DiemultiprofessionellenAdipositas-Thera-pieprogrammesindaufbestimmteAlters-gruppenundSchweregradederAdipositasausgerichtet.DasbisherigeambulanteBe-handlungsangebotimKindes-undJugend-alterwirddenschwerenFormenderAdipo-sitas nicht gerecht; daher bedarf dasTherapieangebotderErweiterungaufsämt-liche Schweregrade der Adipositas. DiemultiprofessionellestationäreAdipositas-
• DiagnostikvonGrund-undFolgeerkran-kungenderAdipositas
• Psychologische,psychosozialeundVer-haltensdiagnostik
• Notwendigkeit eines multiprofessionel-len Therapieansatzes sowie einer lang-fristigenNachsorge
DieAdipositas isteinechronischeKrank-heit3), die auch in der Schweiz nach-gewiesenermassenbereitsimKindesaltermit morphologischen Schäden4)–6) bzw.
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Vol. 22 Nr. 4 2011 Empfehlungen
TherapiefürKinderundJugendlichedecktdiebestehendeTherapielücke.Siebasiertauf den Behandlungsempfehlungen derArbeitsgruppe Adipositas im Kindes- undJugendaltermitVertreternderSchweizeri-schenGesellschaftfürPädiatrie(SGP/SSP)sowie des Fachverbands Adipositas imKindes-undJugendalter(akj).Die Adipositas soll, wie jede chronischeKrankheit, überwiegend ambulant behan-deltwerden.Diemultiprofessionellestati-onäre Adipositas-Therapie ist im KontextderTherapiemöglichkeitenlediglichbeiei-ner schweren Adipositas oder Adipositasmit Begleiterkrankungen und folgendenKonstellationeninBetrachtzuziehen:• Unmöglichkeit der Teilnahme an ambu-
lanten Programmen infolge invalidisie-rendenKrankheitsgradesund/oderKo-morbiditäten,
• Dringlichkeit(z.B.Indikationzurpräope-rativenGewichtreduktionvoreinerdring-lichenOperation)oder
• nachungenügenderWirkungeineszerti-fizierten ambulanten Adipositas-Thera-pie-Programmes.
DerVorteileinerstationärenBehandlunginspezielleingerichtetenInstitutionenliegtinderkontinuierlichenexogenenKontrollederNahrungs- und Bewegungsangebote unddamitdesErnährungs-,Ess-undBewegungs-verhaltens. In dieser optimierten UmweltkanneinneuesVerhaltenerlerntundeinge-übt14)sowieeinerelevanteVerbesserungdersomatischen Parameter erzielt werden. IndenseltenenSituationen,indenenauchimJugendaltereinebariatrisch-chirurgischeIn-terventionerwogenwerdenmuss,kanneineunmittelbarvorangehendestationäreInter-ventionsinnvollsein,umdieVoraussetzun-genfürdenEingriffzuoptimieren.
ExtremeAdipositasunddieAdipositasmitKomorbidität können ohne rechtzeitigeTherapie zu bariatrischen InterventionenundFolgebehandlungenimErwachsenen-alter führen. Bariatrische Interventionenund ihre Folgebehandlungen sind jedochmit langfristigen Beeinträchtigungen derGesundheitundhohenfinanziellenKostenverbunden. Die frühzeitig im Kindes- undJugendaltereinsetzendeAdipositas-Thera-pie inklusive einer multiprofessionellenstationärenBetreuungalsintensiverFormder Therapie ist deshalb sowohl aus ge-sundheitsökonomischerSichtalsauchdenGesundheitsgrad des Individuums betref- Ta
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Vol. 22 Nr. 4 2011Empfehlungen
hinsichtlich Lebensmitteleinkauf und -an-geboteinbesonderesAugenmerkzulegenist. An eine stationäre Behandlung mussdahereineambulanteangeschlossenwer-denbzw.diestationäreBehandlungineineambulante Behandlung integriert wer-den37),38),damitdieAlltagsschwierigkeitenundRückfälleunterEinbindungderFamiliebesser berücksichtigt bzw. aufgefangenwerdenkönnen14).
DiestationärenmultiprofessionellenThe-rapieprogramme für adipöse Kinder undJugendlichewurdenbisherinderSchweiznur in der Alpinen Kinderklinik in Davosevaluiert19),26).DieResultatestimmenmitdeminternationalenVergleichgutüberein(Tabelle 1). Stationäre Behandlungspro-grammesindfürältereKinderundJugend-lichegeeignet;immittlerenAltervon13.5Jahren betrug der durchschnittliche BMIbeistationärerAufnahme32.3kg/m2,waseiner morbiden Adipositas bzw. Grad IVbeiErwachsenenentspricht(Tabelle 1).ImstationärenProgrammderSchweizlagdieAbnahmedesBMIundderrelativenFett-massenachAustrittweitüberdenErfol-gen der ambulanten Therapieprogram-men26) und auch nach 1 Jahr zeigte sicheine andauernde, klinisch relevante Ver-besserungdesBMIundderKörperzusam-mensetzung(Tabelle 1)19).Dieswurdeauchin internationalen Studien wie der APV-Erhebung http://www.a-p-v.de/ (Abbil-dung 1)12)undderdeutschenBzGA-Studiebestätigt13).
AlswichtigsterBefunddersomatischaus-gerichtetenstationärenProgrammeistdiedeutlicheundklinischrelevanteZunahmederLeistungsfähigkeitzuwerten:Derma-ximale Sauerstoffverbrauch unter Belas-tunglagvorTherapieimBereichderInva-lidität (25.5ml/min*kg: 52%26) resp.54.3%19)derNorm)undwurdeunterThera-piemonatlichum3ml/min*kgsoweitge-steigert, dass eine annähernd normalekörperliche Belastbarkeit resultierte(70.0%26) resp. 71.8%19) der Norm). Diesekurative Wirkung auf die BelastbarkeitbildetdieVoraussetzungfürregelmässigekörperlicheAktivität imAlltagslebenundermöglicht den zuvor dekonditioniertenextremadipösenJugendlicheneinesozialeReintegration sowie eine Teilnahme anSportprogrammenzurBewahrungdersta-tionär erreichten körperlichen Fitness(69.1%19)derNorm).Siewirktsichpositiv
fendvonentscheidenderBedeutung.DabeiistdieIndikationzurstandardisiertenstati-onärenTherapieimKontexteineslangfris-tigen Behandlungsplans inklusive eineskonsequenten ambulanten Nachbehand-lungsplanszusehen.
1. Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit der stationären multiprofessionellen Adipositas- Therapie bei Kindern und Jugendlichen
DassTherapieprogrammefüradipöseundübergewichtige Kinder und Jugendlichenotwendig und indiziert sind, wird durchaktuelleMetaanalysenbelegt15),16).Diesta-tionärenTherapieprogrammewerdenvor-wiegendinEuropaangebotenundinMeta-analysen kaum berücksichtigt, daherbehandelt die folgende Übersicht die Be-sonderheiten, die Wirksamkeit sowie denStellenwert stationärer Therapieprogram-mefüradipöseKinderundJugendlicheba-sierendaufderverfügbarenLiteratur.
Alle stationären Therapieprogramme (Ta-belle 1)wurdenmiteinempädiatrischaus-gebildeten, multiprofessionellen Teamdurchgeführt,zurintensivenSchulungvonkörperlicherAktivität,ErnährungundVer-halten.SiezielenaufeinenachhaltigeÄn-derungderLebensgewohnheitenab.Die Programme können in lang dauernde(über2–10Monate)undrelativkurzdauern-de(bis2Monate)unterteiltwerden.Diesestationären Kurzprogramme haben denSinn, die körperlichen und psychischenVoraussetzungen zu schaffen, um für diefolgendeambulantePhasederAdipositas-behandlungeinebessereAusgangssituati-onzuermöglichen.DiemeistenErfahrungenmitverhaltensthe-rapeutisch ausgerichteten Therapiepro-grammen liegen für eine stationäre Be-handlungsdauer von 6–8 Wochen vor14):DieserZeitraumerscheintadäquatfüreinenachhaltigeTherapiewirkungundsoauchkosteneffektiv. In umliegenden Ländern,z.B.Deutschland,werdendaherderartigestationäreTherapieneinschliesslichQuali-tätskontrollen von den Versicherungsträ-gernübernommen(http://www.a-g-a.de/kosten.pdf,17),18)).
DerGewichtsverlust inderZeitspanneei-ner stationären Therapie erfolgt im Ver-gleichzuambulantenKonzeptenschneller;
dies kann zu einer Motivationssteigerungführen14),19),20).Miteinemstationärenkogni-tiv-verhaltensorientierten Ansatz bei Kin-dernkonntenüberVerhaltensänderungendiesomatischenundpsychischenKonse-quenzenderAdipositassowiedasGewichtlangzeitlichreduziertunddieLebensquali-tätgesteigertwerden21).Sozeigten(Tabelle 1) stationäre Therapien signifikante Ge-wichtsabnahmen sowie VerbesserungendesLipidprofils,derFitnessunddespsy-chologischen Status (z.B. Selbstwertge-fühl)17)–30).
EinigeStudien27),31)(Tabelle 1)zeigen,dasswährendderSchulferiendurch intensivesTrainingundeinenumfassendenmultipro-fessionellenAnsatz,auchohnePräsenzderElternoderspezifischepsychologischeThe-rapieeinnachhaltigerTherapieerfolgerzieltwerdenkann.StationärwurdeninSimulati-ondeshäuslichenAlltags«gesunde»Verhal-tensmuster eingeübt, damit sie dauerhaftverinnerlichtundauchnachBeendigungderstationären Intervention im heimischenUmfeldangewandtwerden.UnabdingbareVoraussetzung für die Nachhaltigkeit desTherapieerfolges,derüberwiegendlänger-fristig(6Monatebis4,6Jahre)aufrechter-halten werden konnte19),21),31), ist dieKombinationderstationärenTherapiemiteiner mehrjährigen multiprofessionellenstrukturiertenWeiterbehandlung19),21),26),32)–
34).EntscheidendfürdieLangzeit-Wirksam-keitistdieArtderambulantenNachsorgenachstationärerTherapie35).Eineambulan-teNachsorgealleindurchmonatlicheBera-tungsgesprächebeiHausärzten,diedurcheinen Beratungsleitfaden instruiert wur-den, konnte die längerfristige Effektivitäteiner stationären Therapie nicht verbes-sern36),d.h.ohneprofessionelleambulanteWeiterbetreuunggehteinTeildesstationä-ren Therapieeffektes im weiteren Verlaufverloren36). Regelmässige Kontakte durchdasdemPatientenbekannteBehandlungs-teamnachstationärerTherapiehalfen,denBehandlungserfolgaufrechtzuerhalten25).Einekombinierte6-wöchigestationäreund10.5-monatigeambulanteBehandlung17),18)führtenach6Monatenbei85.8%allerTeil-nehmerzurAbnahmedesBMI-SDS17),18);eswurdesogareinguterTherapieerfolg(Ab-nahmedesBMI-SDS>-0.2)bei65.5%nach6Monatenverzeichnetundbei44.1%nacheinem Jahr (Tabelle 1)17),18). Diese Studiezeigtauch,dassinsbesondereaufdieprak-tische Schulung der Eltern bzw. Betreuer
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Vol. 22 Nr. 4 2011 Empfehlungen
AuchimLangzeitverlaufkonntendieLeis-tungsfähigkeitunddieLebensqualitätresp.Selbsteinschätzung 6–26 Monate nachAustritt aus der stationären Therapie aufdemverbessertenStandgehaltenwerden(auf Lebensqualität 73% und Selbstein-schätzung51%bzw.2.7Punkte)19).
2. Indikationen zur stationären multiprofessionellen Therapie der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen
DiestationäremultiprofessionelleAdipo-sitastherapie ist im Kontext der übrigenTherapiemassnahmenfüradipöseKinderundJugendlichezusehen(Abb. 21),2)).AlsintensivierteFormeinermultiprofessionel-lenBehandlungistdiestationäremultipro-fessionelle Therapie für eine restriktivausgewählteAnzahlKinderund Jugendli-chenvorzusehen,wennmindestenseinederfolgendenVoraussetzungenerfülltist:a) Extreme Adipositas (BMI >99.5 BMI-
Perzentile1))undVorliegenmindestenseiner der folgenden Krankheiten, de-renPrognosesichdurchdasÜberge-wichtverschlechtertoderdieFolgederAdipositas ist: Hypertonie, Diabetesmellitus Typ 2, gestörte Glukosetole-ranz, endokrine Störungen, SyndromderpolyzystischenOvarien,orthopädi-sche Erkrankungen, nicht alkoholbe-dingte Fettleberhepatitis, respiratori-sche Erkrankungen, Glomerulopathie oder
b) Adipositas (BMI > 97. BMI-Perzentile1))und Unmöglichkeit der Durchführungeiner ambulanten multiprofessionellenGruppentherapie,d.h.entwederfehlen-deregionaleambulantemultiprofessio-nelleGruppentherapieprogrammeoderAlterseinschlusskriteriumfürbestehen-demultiprofessionelleGruppentherapie-programmenichterfüllt;oderinvalidisie-rende Reduktion der körperlichenLeistungsfähigkeit, die eine TeilnahmeanambulantenProgrammenunmöglichmacht; oder Dringlichkeit für rascheGewichtabnahmepräoperativ,soferndieAdipositaseinennegativenEinflussaufdiepostoperativenErgebnissehat;undwenn mindestens eine der folgendenKrankheiten,derenPrognosesichdurchdasÜbergewichtverschlechtertoderdieeine Folge der Adipositas ist, vorliegt:Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2,gestörte Glukosetoleranz, endokrine
auf Ihre schulische und berufliche Ent-wicklung aus39)–43). Analog dazu wurde indenschweizerischenUntersuchungenwiein den internationalen18)–20),22),26),27) einedeutliche und signifikante Verbesserungder Lebensqualität bzw. Selbsteinschät-
zungerzieltvon56auf67%derNormbzw.2.4auf2.7Punkteoder23.6auf41.3%derNorm,wasdiegünstigeWirkungderstati-onären Programme auch auf die psychi-schenVoraussetzungenfüreinennachhal-tigenTherapieerfolgunterstreicht19),26).
Abbildung1:BMI-Reduktionnach1JahrinDeutsch-Schweizer-ÖsterreichischenAdipositas–zentrenmitambulantenundstationärenTherapieprogrammen,APV-Erhebunghttp://www.a-p-v.de
ErfolgederAdipositastherapie2010–APV-StudieVergleich:ReduktionBMI-SDSimVerlauf(Patientenmitmind.1JahrBeobachtungsdauer)
rot:ambulanteTherapie,blau:stationäreTherapie/Reha,grau:AGA-zertifiziert
Behandlungszentren(Median=-0.2)
KorrigiertfürEinflussfaktoren:AlterbeiErstvorstellung,Geschlecht,Ausgangs-BMI
Abbildung 2: Behandlungspyramide. Therapieoptionen für übergewichtige und adipöseKinderundJugendlicheinderSchweiz(mitErstattungdurchKostenträgerinGrün,andereinGrau)
BariatrischeChirurgie
StationäreProgramme
MultiprofessionelleambulanteProgramme:Gruppenprogramme
Individualprogramme&Module
NichtevaluierteInterventionenimRahmender
Verhaltens-&Verhältnisprävention
Interventionspyramidefüradipösebzw.übergewichtigeKinder
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Therapie
StrukturierteAdipositas-prävention
Gesundheits-förderung
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ÜbergewichtPlusKrankheit/Risikofaktor
Übergewicht
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Vol. 22 Nr. 4 2011Empfehlungen
damit klinische Verbesserung des Ge-sundheitszustandes
2.Erreichen einer Abnahme von BMI,TaillenumfangoderFettmasse
3.InitialisierungeinerlangfristigenVerbes-serungdesGesundheitsverhaltens
4.Einsicht in die Ursachen des eigenenÜbergewichts (Lebensbedingungen,persönliches Verhalten und familiäreSituation)
5.FörderungderkörperlichenAktivitätundKörperwahrnehmung,Verbesserungderkörperlichen Belastbarkeit auf einemNiveau,dasnormaleAlltagsaktivitätzu-lässt,sowieReduktionpassiverBeschäf-tigung(Fernsehen,Computerspieleusw.)
6.Nachhaltige Verbesserung von Ernäh-rungsgewohnheitenundEssverhalteninderFamilie(Nahrungsmittelauswahl,Zu-bereitung,Mahlzeitenrhythmus,Essstil)
7.FörderungdesSelbstwertgefühlsundderKonfliktfähigkeit
8.FörderungderErziehungskompetenzderEltern
5. Anforderungskriterien für multiprofessionelle stationäre Therapieprogramme für adipöse Kinder und Jugendliche (Quali-tätsmanagement)
StationäreProgrammemüssenkonzeptio-nell und personell gleichermassen multi-professionellaufgebautseinwieambulantemultiprofessionelleProgramme,wobeiderSchwerpunktaufdemErwerbpraktischerFähigkeiteninnerhalbeinesstrukturiertenRahmensliegt.
DieQualitätwirdinAnlehnungandiebe-reits existierende Qualitätssicherung fürdie ambulante multiprofessionelle Grup-pentherapie2),44),45) sichergestellt, indemdie Zentren durch die gemeinsame Kom-missionderSchweizerischenGesellschaftfürPädiatrie(SGP,ArbeitsgruppeAdiposi-tas) und des Schweizerischen Fachver-bandsAdipositasimKindes-undJugendal-ter zertifiziert und akkreditiert werden.A-undB-KinderklinikenwerdenunterEin-haltungderuntengenanntenQualitätsstan-dards anerkannt. Andere KinderklinikenreicheneinenAntragbeiderSGPein.Die6bis8WochendauerndestationäreTherapieistimRahmendesDRGzuvergüten.Dassdieser Einbezug der Qualitätskontrolle indie Pauschalfinanzierung von kombiniertstationärenundambulantenTherapiepro-
Störungen,SyndromderpolyzystischenOvarien, orthopädische Erkrankungen,nichtalkoholbedingteFettleberhepatitis,respiratorischeErkrankungen,Glomeru-lopathie oder
c) abgeschlossene ambulante multipro-fessionelleGruppentherapiederAdipo-sitasineinemzertifiziertenmultidiszip-linärenGruppentherapieprogrammmitungenügendemErfolg,definiertalsper-sistierende extreme Adipositas (BMI>99.5BMI-Perzentile)oderAdipositasmit persistierender Komorbidität ge-mässAuflistungunterAbsatzb.
Komplexe Essstörungen (ICD-10 F50.2/3/4/9)mitAdipositassindandereKrank-heitsensitätenundstellenspezifischeAn-forderungenaneinenstationärenTherapie-prozess in einer psychosomatischen/psychotherapeutischenInstitution.Siewer-denhiernichtweiterbehandelt.InEinzel-fällenschliesstdasVorliegeneinerkomple-xen Essstörung die stationäre Therapienicht aus. Jedoch ersetzt das Adipositas-therapieprogramm die Behandlung derkomplexen Essstörungen nicht, so dassunterdiesenUmständenzusätzlichadäqua-teMassnahmenzurBehandlungderEssstö-rungVoraussetzungsind.
3. Voraussetzungen seitens des Patienten zur Teilnahme an Therapieprogrammen
DiestationäremultiprofessionelleTherapieder Adipositas wird nur bei einer kleinenGruppevonKindernundjugendlichenPati-entenzurAnwendungkommen,welchedieunter2.genanntenIndikationenaufweisenmüssen.AngesichtsdergeringenFallzah-len und der hochspezifischen Vorausset-zungenfürdiestationärenBehandlungspro-grammeisteineZentrierungdesAngebotesnotwendig was u.U. eine wohnortferneBehandlung bedingt. Diese ist unter derVoraussetzung zulässig, dass die ElternauchwährendderstationärenBehandlungihresKindesaktivindieBehandlungeinge-bunden werden können, z.B. durch wö-chentlicheSchulungen.
FernermüssendiegemässLeitlinien1)undimAbschnitt5,Ergebnisqualität,genann-ten medizinischen und psychologischenVoruntersuchungenvorliegen.Insbesonde-remusseinVorgesprächerfolgtsein,umpsychosoziale Therapiehemmnisse bzw.
psychiatrischeErkrankungenoderpsycho-sozialeBelastungenzuerkennenundvor-gängigzusätzlicheMassnahmentreffenzukönnen.
DadiestationäremultiprofessionelleThe-rapieeinenachhaltigeUmstellungderLe-bensgewohnheitenanstrebt, isteineguteKooperationdesPatientenunddessenEl-ternbzw.derErziehungsbevollmächtigteneine zwingende Voraussetzung für einestationäreTherapie.
FüreinestationäremultiprofessionelleThe-rapiemüssenPatientensowieElternoderErziehungsbevollmächtigte folgende Vor-aussetzungenerfüllen:a) SchriftlicheWillenserklärungzurakti-
venTeilnahmeanallenBehandlungs-bestandteilensowiezurLebensstilum-stellung
b) EinhaltungdervorTherapiebeginnfest-gelegtenProgrammdauer
c) TeilnahmeandenTherapienunterEin-haltungdesStundenplans
d) Einhalten der Hausordnung sowie derStationsregeln
e) Einhalten von Rauch- und Alkoholver-bot;fürbisherigeRaucherBereitschaftzurTeilnahmeamRauchentwöhnungs-programm
f) EinhaltenderVereinbarungenundVer-pflichtung zur obligaten ambulantenNachbehandlungimSinnedermultipro-fessionellenProgrammeimambulantenGruppen-undEinzelsetting2)
g) Die ambulante multiprofessionelleNachsorgeistbereitsvorderstationä-renAufnahmeorganisiertundvondenEltern/ErziehungsbevollmächtigtenalsintegralerBestandteilderInterventionakzeptiert
h) DieKostengutsprachefürdiestationäreBehandlung und die ambulante multi-professionelleNachsorgeliegenvor
4. Ziele der stationären Therapie
GrundsätzlichgeltendieselbenTherapiezie-le fürdiestationärewiefürdieambulantemultiprofessionelleAdipositasbehandlung2),jedochunterintensiviertenTherapiebedin-gungen.DerFokus liegtstationäraufdemintensivenpraktischenEinübenvonneuenVerhaltensmusternmitdemZieldernach-haltigenVeränderungdesLebensstils:1.Verbesserung von Adipositas-assoziier-
terKomorbiditätundRisikofaktoren,und
11
Vol. 22 Nr. 4 2011 Empfehlungen
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grammen sinnvoll ist, konnte in einer er-folgreichenStudieinKooperationmiteinerdeutschen Krankenkasse gezeigt wer-den17),18).
Folgende Voraussetzungen müssen vondenAnbieternerfülltsein:
StrukturqualitätFolgende Angebote bzw. Einrichtungenmüssenvorhandensein:• Ärztlich geleitetes multiprofessionelles
TeambestehendausFachpersonenfol-gender Professionen: Pädiatrie, Kinder-undJugendpsychiatriebzw.-psychologie,Ernährungsberatung/–Wissenschaftbzw.Diätetik,Physiotherapiebzw.Sport-therapie; Pädagogik, PflegefachbereichsowieergänzendeProfessionenwiez.B.Sozialarbeit/Sozialpädagogik, Psycho-motorik,Ergotherapie,Kreativtherapie
• MöglichkeitderumfassendenDiagnostikbzw. Behandlung von Komorbiditäten(z.B.Laboratorien,Pneumologie,Ortho-pädie)
• InfrastrukturzurDurchführungdesmul-tiprofessionellen Behandlungsangebots(z.B. Räumlichkeiten, Ausstattung undMöglichkeitfürOutdoor-Aktivitäten)
• EinbezugvonEinrichtungenderambulan-tenNachsorge(multiprofessionelleGrup-pen-bzw.Einzelprogramme2)
• Weitere Anforderungen gemäss Check-liste,Paragraph7desZertifizierungsreg-lements45)müssenerfülltsein
ProzessqualitätDie Voraussetzungen und der Schulungs-prozess zum Erreichen der ZwischenzielewerdenwiefolgtineinemTherapiemanualbeschrieben:• EinschlusskriteriengemässderunterKa-
pitel2aufgeführtenIndikationsstellungen• VorProgrammbeginnüberprüfteMotiva-
tionderKinder/JugendlichenundElternbzw.Erziehungsbevollmächtigten
• Therapiedauerstationär6–8Wochen• AufstelleneineswöchentlichenStunden-
plansnachMass,zumGewährleistenei-nes strukturierten Tagesablaufs sowieder intensiven Zusammenarbeit zwi-schen Kind, Behandlungsteam und ein-malproWochemitdenElternoderErzie-hungsbevollmächtigten
• StandardisierteSchulungbasierendauffolgenden4Bausteinen:
1. Ernährungsumstellung (quantitativundqualitativ);
2. FörderungderkörperlichenAktivitä-ten(quantitativundqualitativ);Reduk-tionvonpassivemUnterhaltungskon-sum (z.B. TV, Computer-Games,Internet-Chatten);
3. Modifikation Krankheits-spezifischerVerhaltensmuster: Vermitteln undÜbenvonCoping-StrategienzurVer-hinderungvonproblematischemEss-verhalten; Vermitteln und Üben vonEntspannungstechniken; VermittlungundÜbenvonsozialenKompetenzen;
4. PlanungdesAlltagsnachderstationä-ren Behandlung und SicherstellungderambulantenmultiprofessionellenNachsorgeimSinnevonmultiprofes-sionellen Einzelprogrammen oderGruppenprogrammen2).
• Wissensvermittlung für Patienten undEltern
• BereitschaftzurTeilnahmeaneinervonden involvierten Fachgesellschaften er-arbeitetenEvaluationderTherapieresul-tateundQualitätskontrolle
ErgebnisqualitätBis36MonatenachdemAustrittnimmtdasstationäre Behandlungszentrum oder dieambulante Therapiestelle Nachuntersu-chungen zur Qualitätskontrolle vor, misstden erreichten Therapieerfolg und emp-fiehltdiefürdenPatientenzuoptimieren-den Prozesse. Die Verantwortung für dieDurchführung der Nachuntersuchungenliegt beim stationären Therapiezentrum,eineDelegationistmöglich.
1.UntersuchungsparameterDie in den Schweizer Leitlinien, Tabelle6.1–3genanntenParametermüssenzudenuntengenanntenZeitpunktensinngemässuntersuchtbzw.geprüftunddokumentiertwerden1).2.Untersuchungszeitpunktea.VorundamEndederstationärenTherapie.b.6,12,24und36MonatenachEndeder
stationärenTherapie.3.ArtderDokumentationZentralmittelsgekürzterErhebungsinstru-mentewieindernationalenpädiatrischenAdipositasevaluationsstudie KIDSSTEPObesity8).4.DieFinanzierungderNachuntersuchungenzurQualitätskon-trolle einschliesslich der Krankheitsnach-betreuungwirdausserhalbderPauschalegemässTARMEDvondenKrankenversiche-rernübernommen.
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KorrespondenzadressenProf.Dr.med.Dagmarl’Allemand-JanderPädiatrische Endokrinologie/DiabetologieOstschweizerKinderspitalClaudiusstr.6CH-9006St.Gallendagmar.lallemand@kispisg.ch
Dr.med.BrunoKnöpfli-BalmerFMHPädiatrie,Pneumologie&SportmedizinScalettastrasse3CH-7270Davosbruno.knoepfli@bluewin.chAlbisriederplatz10CH-8004Zü[email protected]
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Vol. 22 Nr. 4 2011 Fortbildung
1. Einführung/Hintergrund
Hämophagozytose-Syndrome zeichnensich durch eine überschiessende oderschlechtkontrollierteImmunreaktionaus,insbesondere der T-Lymphozyten undMakrophagen. Diese überschiessendeImmunantwort führt zu einem Zytokin-Sturm und einer übermässigen Entzün-dungsreaktion,welchedieentsprechendenklinischen Symptome und Laborverände-rungenhervorrufenundfataleFolgenha-benkönnen.Hämophagozytose-Syndromekönnen bei einer Reihe verschiedenerGrundkrankheitenauftreten.Indenletzten
JahrenhabensichdieHinweiseverdichtet,dass das von den Rheumatologen be-schriebene Makrophagenaktivierungs-Syndrom im Grunde genommen dieselbeklinische Entität darstellt wie das Hämo-phagozytose-Syndrombeider sogenann-tenhämophagozytärenLymphohistiozyto-se. Hämophagozytose-Syndrome könnenalso verschiedene Ursachen haben; dieEndstreckederpathogenetischenVorgän-gescheintaberallengemeinsamzusein.Ätiologisch wird zwischen angeborenenund erworbenen Hämophagozytose-Syn-dromenunterschieden.
2. Angeborene Hämophagozytose- Syndrome
2.1.GenetischeDefekteGrosse Fortschritte im Verständnis derPathogenesederHämophagozytose-Syn-drome wurden durch die Identifizierungvon Genmutationen erzielt, die für dieseltenen,hereditärenFormenverantwort-lich sind1). Fast alle bisher entdecktenGenmutationen führen zu einem Funkti-
Hämophagozytose-SyndromeJanaPachlopnikSchmid,Zürich
onsdefekt einiger T-Lymphozyten und/oder der natürlichen Killerzellen: DiesedefektenImmunzellensindzwarnachwievor fähig, infizierte oder maligne verän-derteZielzellenzuerkennenundsiesindebenfallsnachwievorfähig,Botenstoffe(Zytokine)auszuschütten,umweitereIm-munzellenanzulockenundzuaktivieren,aberes fehlt IhnendieFähigkeit zytoto-xischzuwirken,d.h.dieZielzelleabzutö-ten.
ZytotoxischeGranulaenthaltenPerforinundGranzyme,diebeimKontaktderzy-totoxischenZellemitderinfizierten(oderderantigenpräsentierenden)ZelleindeninterzellulärenRaumausgeschüttetwer-den(Abbildung 1).DieserVorgangähneltingewisserWeisederAusschüttungvonNeurotransmitterninneuronalenSynap-sen; deshalb wird die Kontaktzone derzytotoxischen Zelle mit der Zielzelle als«immunologische Synapse» bezeichnet.PerforinwirdvonderZielzelleaufgenom-men und induziert zusammen mit denGranzymendenZelltod,d.h.dieApopto-sederZielzelle.Mutationen,welchemiteinemPerforin-Defekteinhergehen,füh-renzueinemZytotoxizitätsdefekt.Zielzel-lenwerdennichtodernichteffektivge-nug entfernt und halten damit dieAktivierungderzytotoxischenLymphozy-tenaufrecht.
Abb1:BekanntemolekulareDefekte,diebeihereditärenHämophagozytose-Syndromenbeschriebensind.SiebetreffendieunterschiedlichenEtappendesExozytose-VorgangsderzytotoxischenGranula.CHS=ChediakHigashiSyndrom;FHL=FamiliäreHämopha-gozytischeLymphohistiozytose;GS2=GriscelliSyndromTyp2
Zusammenfassung• Hämophagozytose-Syndrome sind po-
tentiell fatal verlaufende Immunantwor-ten mit überschiessender Aktivierung und Vermehrung von Lymphozyten und Makrophagen, welche immer noch viel zu wenig bekannt sind. Lebensrettende Therapien werden oftmals zu spät oder gar nicht eingesetzt.
• Virale Infekte (vor allem durch Epstein Barr Virus, EBV) und andere Trigger vermögen sowohl angeborene als auch erworbene Hämophagozytose-Syndro-me auszulösen.
• Funktionsdefekte der zytotoxischen Lymphozyten bei angeborenen Hämo-phagozytose-Syndromen verunmögli-chen oder verzögern die Elimination von infizierten und antigenpräsentierenden Zellen. Dies könnte dazu führen, dass die Aktivierung der zytotoxischen Lym-phozyten aufrecht erhalten bleibt und es somit zur überschiessenden Immun-reaktion kommt, welche die Hämopha-gozytose-Syndrome auszeichnet.
• Hämophagozytose-Syndrom gehört zur Differentialdiagnose des Fiebers, wel-ches nicht oder ungenügend auf eine antiinfektiöse Therapie anspricht. Eine (Hepato-) Splenomegalie zusammen mit einer Bi-Zytopenie sollten an ein Hämo-phagozytose-Syndrom denken lassen und die Suche nach einer Hyperferritin-ämie, Hypertriglyzeridämie und Hypofi-brinogenämie veranlassen.
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Vol. 22 Nr. 4 2011Fortbildung
teMakrophagenkönntedazubeitragen.EineKnochenmarkspunktionsolltedurch-geführt werden zur Objektivierung derHämophagozytose,zumAusschlusseinermalignenErkrankungundzurSuchenachLeishmanien.
HepatischeManifestationen:Einehepa-tischeAffektionist in>50%derFällevor-handenundmanifestiertsichklinischdurcheineHepatomegalieund/odereinen Ikte-rus,eineErhöhungderTransaminasenund/oder eine hepatische Cholestase. ZudemkanneineHypalbuminämievorhandensein.Erhöhte Konzentrationen von TNF alphaundandereninflammatorischenZytokinenkönntendiehepatischeAlbuminproduktionvermindernundsomitdieHypalbuminämiebedingen.AuchdieHypofibrinogenämieisteinZeichenderhepatischenDysfunktion.Die erhöhten TNF-alpha-KonzentrationenhemmenzudemdieLipoproteinlipaseundbedingen dadurch eine Hypertriglyzeridä-mie.Das lymphozytäre Infiltratkann zumBildeinerchronischenHepatitismitFibrosederPeriportalfelderführen.
Neurologische Manifestationen: DieneurologischenSymptomesindsehrvari-abel und reichen von einer meningealenReizungbishinzueinemschwerenBefalldeszentralenNervensystemsmitKrampf-anfällen und Koma. Ein initial isolierterZNS-Befall,beidemsichdiesystemischenSymptome des Hämophagozytose-Syn-dromserstnacheinigenTagenbisWocheneinstellen,istmöglich.EineFazialispareseodereinBefallandererHirnnervenwurdenebenfallsbeschrieben.Einezerebrale In-filtrationdurchLymphozytenundeventuellMakrophagen könnte diese Symptomeerklären.TNFalphaundandereZytokineerhöhen die Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke und stimulieren die Sekretiondes antidiuretischen Hormons, wodurchsichdieEntstehungderhäufigvorhande-nenHyponatriämieerklärtunddieEntste-hung von zerebralen Krampfanfällenbegünstigtwird.ImGefolgedeshämatolo-gischen Befalls stellt die intrazerebraleBlutungeinewichtigeDifferentialdiagnosedar. Die Indikation zur diagnostischenLumbalpunktion ist in Abhängigkeit vomklinischen Kontext zu stellen (neurologi-scheSymptomatik,Verdachtaufhereditä-resHämophagozytose-Syndrom).DieBild-gebung (zerebrales MRI) kann in denFLAIR-SequenzenAnomalienderweissen
HereditäreHämophagozytose-Syndrome,welche mit einem Zytotoxizitätsdefekteinhergehen,könnenassoziiertseinmitPerforin-Mutationen oder mit anderenautosomal rezessiv vererbten Mutatio-nen, welche mit einer ungenügendenAusschüttungvonPerforin indie immu-nologischeSynapseeinhergehen,indenGenen,welchefürMunc13-4,Munc18-2,Syntaxin11(familiärehämophagozytäreLymphohistiozytose), Rab27a (GriscelliSyndromTyp2)undCHS1/LYST(ChediakHigashi-Syndrom) kodieren1)–4). BeimPurtilo-Syndrom(oder:X-linkedlympho-proliferativesyndrome,XLP)mitX-chro-mosomalemErbmodusscheintdieAkti-vierung der zytotoxischen Lymphozyten(XLPTyp1)unddieApoptose(XLPTyp2)einewichtigeRolleinderPathogenesezuspielen1),5),6).
2.2.PathophysiologieStudien an Mausmodellen haben gezeigt,dass vor allem die zytotoxischen CD8+-T-Zellen und das Zytokin Interferon gammaeinewesentlicheRolleinderPathogenesederHämophagozytosespielen.EinZytoto-xizitätsdefekt indenjenigenLymphozyten,welchespezifischdieinfiziertenodermali-gneverändertenZelleneliminierensollten,verhindertauchdieEliminationderantigen-präsentierenden Zellen. Es ist sehr wahr-scheinlich, dass gerade die Persistenzdieservirusenthaltendenantigenpräsentie-rendenZellendieAktivierungderzytotoxi-schen Lymphozyten aufrecht erhält unddasssomitdieZytokinausschüttunglängerundintensiververläuft.DieseZytokine,al-len voran Interferon gamma, aktivierenMakrophagenundinduzierenderenProduk-tionvonweiterenZytokinen(wiez.B.TNFalphaundIL-18).ZusätzlichkönntedieZyto-toxizitätbeidergegenseitigenEliminationvonzytotoxischenZellenundbeiderFunk-tion von regulatorischen T-Zellen gestörtsein.
2.3.DiagnostischeKriterienEs gibt keinen spezifischen Test, der dieDiagnose eines Hämophagozytose-Syn-dromsuntermauernoderwiderlegenkönn-te.GemässdereuropäischenStudiengrup-pe HLH 2004, die sich den hereditärenHämophagozytose-Syndromen widmet,basiertdieDiagnoseaufdemVorhanden-seinvon5derfolgenden8Kriterien7):1.Fieber2.Splenomegalie
3.Bi-Zytopenie:Hb<90G/l(beiNeugebore-nen<100G/l),Thrombozyten<100G/l,neutrophileGranulozyten<1G/l
4.Hypertriglyceridämie (≥3.0 mmol/l,nüchtern)und/oderHypofibrinogenämie(<1.5g/l)
5.Hämophagozytose im Knochenmark, inMilzoderLymphknoten
6.Hyperferritinämie(≥500µg/l)7.Erhöhter Spiegel von löslichem CD25
(≥2400UI/ml)8.ZytotoxizitätsdefektderNK-Zellen
WährendeinesHämophagozytose-Syndro-meskommteszurüberschiessendenAkti-vierungundVermehrungvonT-Zellen(vorallemderCD8positiven).DieseZellenkön-nenpraktischalleOrgane infiltrierenunddurchdievermehrteZytokinausschüttungeinederartstarkeAktivierungderortsan-sässigen (und vielleicht sogar neu ange-lockten)Makrophagenbewirken,dassdie-se andere Blutzellen zu phagozytierenbeginnen,waszumBildderHämophagozy-tose führt. Eine Aktivierung der T-ZellenkannbeispielsweisemittelsMessungvonlöslichem IL-2-Rezeptor (sCD25) objekti-viertwerden,eineAktivierungderMakro-phagen mittels Messung des löslichenCD163.DieresultierendenklinischenSym-ptomelassensichdurchdiesezelluläreIn-filtrationunddurchdieerhöhteZytokinkon-zentrationerklären.
SystemischeSymptome:Fieber(welcheskeinemspezifischenTagesverlauffolgt)undeinedeutlicheVerschlechterungdesAllge-meinzustandessindpraktisch immervor-handen.
Hämatologische Manifestationen: Zy-topeniengehörenebenfallszudenprak-tisch immer vorhandenen Zeichen undsind wahrscheinlich durch die erhöhtenKonzentrationenvonTNFalphaund IFNgammabedingt,dieeinenmyelosuppres-sivenEffekthabenkönnten.Wahrschein-lichspieltdieHämophagozytoseansicheine eher untergeordnete Rolle bei derEntstehungderZytopenien.DieInfiltrati-onderMilzundderLymphknotendurchLymphozyten(undeventuellauchMakro-phagen) tragen zur Splenomegalie undLymphadenopathiebei.EinHypersplenis-muskanndieZytopenienzusätzlichver-stärken.DieHyperferritinämie istwahr-scheinlich multifaktoriell bedingt; dieAusschüttungvonFerritindurchaktivier-
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dereHerausforderungdar,dadasHämopha-gozytose-Syndrom einige Symptome derGrundkrankheit imitieren kann: Beim SLEsindFieber,Splenomegalie,Zytopenienwäh-rendeinesKrankheitsschubeshäufig;Ähn-lichesgiltfürdieSystemischeJuvenileidio-pathische Arthritis (M. Still) in Bezug aufFieber,Splenomegalie,AnämieundHyper-ferritinämie. Eine abrupte Erhöhung derTransaminasen, ein Absinken des Fibrino-gens,eineVerschlechterungdesAllgemein-zustandes,eineNormalisierungderThrom-bozytoseoderderNeutrophilietrotzfebrilerErkrankung und eine starke Erhöhung desFerritinsstellenVerdachtsmomentedar.
3.2.PathophysiologiebeierworbenenHämophagozytose-SyndromenDieEntstehungsmechanismendererworbe-nenHämophagozytose-Syndromesindnichtgutverstanden.WahrscheinlichistdieKom-binationeinesUmweltfaktors(insbesondereeinerInfektion)undeinesDefektesoderei-nerDysregulationdesImmunsystems(gene-tischenodererworbenenUrsprungs)nötigfürdiePathogeneseeinesHämophagozyto-se-Syndroms.EineverminderteZytotoxizitätderNK-ZellenkonntebeiPatientenmitsys-temischerJuvenileridiopathischerArthritis(M.Still)gezeigtwerden.
4. Therapie
Die überschiessende Immunreaktion undderoftkritischeZustandderPatientener-forderneinenraschenTherapiebeginn,so-balddieDiagnoseeinesHämophagozyto-se-Syndroms gestellt ist. Meist kann dieFrage nach der Ätiologie zu diesem Zeit-punktnochnichtabschliessendbeantwor-tetwerden.HingegensollteeinesorgfältigeSuchenachinfektiösenErregernundeine(eventuell probatorische) antiinfektiöseTherapieeingeleitetwordensein.Einesym-ptomatischeTherapie(Thrombozyten-undErythrozytenkonzentrat-Transfusionen,ErsatzvonGerinnungsfaktorenwieFibrino-gen)mussdurchgeführtwerden.ImFolgen-den wird die Therapie des Hämophago-zytose-Syndroms abhängen von dessenSchweregradunddavon,obessichumeinehereditäreodererworbeneFormhandelt.
4.1.TherapiederhereditärenHämophagozytose-SyndromeDie Behandlung des hereditären Hämo-phagozytose-SyndromsbestehtauszweiPhasen.DasZieldererstenBehandlungs-
Substanz zeigen,meistensbefindensichdiese in den periventrikulären RegionenundimKleinhirn.
Gastrointestinale Symptome: Der Be-ginn eines Hämophagozytose-SyndromsistoftmalsgekennzeichnetdurchDiarrhöeund Abdominalschmerzen, Übelkeit undErbrechen.
Kardiovaskuläre Symptome: Bei sehrschwerenFormendesHämophagozytose-SyndromsbeobachtetmaneineHerzinsuf-fizienz, die einerseits auf den negativenEffekt von TNF alpha und wahrscheinlichIFNgammaaufdiemyokardialeFunktion,anderseits auf eine allfällige, durch dasKapillarleckbedingteHypovolämiezurück-zuführenseinkönnte.
Dermatologische Manifestationen: Bei10–25%derPatientenlässtsicheinmeistflüchtiger, unspezifischer Hautausschlag,meistinderFormvonErythemenoderabervon Purpura, beobachten. Bei schwerenFormenkommteszurBildungvonÖdemen(undAszites),welcheaufdieHypoalbumin-ämie, die erhöhte kapilläre PermeabilitätoderaufdieKardiomyopathiezurückzufüh-rensind.EineHautbiopsiesolltebeipersis-tierender,ekzematoiderDermatosemitderFrage nach Langerhans-Zell-Histiozytosedurchgeführtwerden.
Pulmonale Symptome: PleuraergüsseodereinLungenödemkönnenvorkommen.Manchmalkannradiologischeinzigeinin-
terstitielles Syndrom vorhanden sein. Beischweren Formen ist ein ARDS möglich.DerpulmonaleBefallbeiderHämophago-zytosewirdwahrscheinlichinseinerHäu-figkeitunterschätzt;dieskönntezumindestdienichtseltenvorkommendenpulmonalenKomplikationen (insbesonderediepulmo-naleHypertonie)beiPatientennachhäma-topoietischer Stammzelltransplantationerklären.
Seltene Symptome: Ein nephrotischesSyndrom wurde beschrieben; ebenso einfetalesHämophagozytose-Syndrom.
3. Erworbene Hämophagozytose-Syndrome
3.1.KlinischerKontextWichtigzuerkennen(undfrühzuerkennen)sinddievielhäufigerenreaktivenFormen,die vom leichten Hämophagozytose-Syn-drom bis zu einem fulminanten, innertStundentödlichverlaufendenZustandfüh-renkönnenundimmernochzuoftverpasstoderzuspätdiagnostiziertwerden.Erwor-bene Hämophagozytose-Syndrome sindmeistensassoziiertmiteinerInfektion,ei-ner malignen oder einer chronisch-ent-zündlichenErkrankung(Tabelle 1).BeidenInfektionen spielt das Epstein Barr Virus(EBV)einedominanteundbesondereRolle.
DieDiagnoseeinesHämophagozytose-Syn-droms (oder Makrophagenaktivierungs-Syndroms)beiPatientenmitsystemischenEntzündungskrankheitenstellteinebeson-
Chronisch-entzündlicheErkrankungen
•SystemischeJuvenileidiopathischeArthritis(M.Still)•SystemischerLupusErythematodes
MaligneErkrankungen •Non-Hodgkin-Lymphome•Hodgkin-Lymphome
Infektionen* •EpsteinBarrVirus(EBV)•HumanesImmundefizienzVirus(HIV)•Adenovirus•Mycobacteriumtuberculosisundavium•Leishmaniadonovani
Medikamente/Therapien •NichtsteroidaleEntzündungshemmer**•Immunsuppressiva**•Chemotherapeutika•ParenteraleErnährung(Lipide)
Tabelle1:HäufigsteGrundkrankheiten&TriggerbeisekundärenHämophagozytose-Syndromen* SowohlbeimangeborenenalsauchbeimerworbenenHämophagozytose-SyndromkanneineInfektionTrig-
gerfaktorsein.** InsbesonderebeiderSystemischenJuvenilenidiopathischenArthritis(M.Still)scheinteinTherapiewechsel
(z.B.UmstellungaufAnti-TNF-alpha-Antikörper)bereitszugenügen,uminmanchenFälleneinHämophago-zytose-Syndromauszulösen.
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Vol. 22 Nr. 4 2011Fortbildung
KorrespondenzadresseDr.medJanaPachlopnikSchmid,PhDOberärztinundForschungsgruppenleiterinAbteilungImmunologie/Hämatologie/KMTUniversitäts-KinderspitalSteinwiesstr.758032Zü[email protected]
phase ist die Remission. Die Patientensollten hierfür gemäss internationalenStudienprotokollen (HLH-2004 oder ab2012TREAT-HLH)behandeltwerden.BeimHLH-2004-ProtokollwirdimWesentlicheneineKombinationstherapieausEtoposide(VP-16)inKombinationmitKortikosteroi-den und Cyclosporin A7) eingesetzt. BeiderTREAT-HLH-Studiesolldiesechemo-therapeutischeBehandlungmitImmunthe-rapie-Protokollenbasierendaufanti-Lym-phozyten-Antikörpern8),9) verglichenwerden.Letzteresollenderpathophysio-logischenRollederT-ZelleninderPatho-genesederHämophagozytose-SyndromebesserRechnungtragen.IntrathekaleIn-jektionen (Kortikoide, Methotrexat) wer-den bei schwerem neurologischen BefallangewandtoderaberinFällen,beideneneinneurologischerBefallunterdersyste-mischen Therapie persistiert. Die zweitekurative Behandlungsphase besteht auseiner allogenen hämatopoietischenStammzelltransplantation mit dem ZieleinerHeilung.
4.2.TherapiedeserworbenenHämophagozytose-SyndromsDieTherapiebestehtinersterLinieinderBeseitigung des Auslösers: Behandlungder Infektion,AbsetzenvonMedikamen-ten, welche das Hämophagozytose-Syn-dromwahrscheinlichausgelösthaben,undIntensivierungderTherapiederentzündli-chen Grundkrankheit. Meist ist eine zu-sätzliche immunosuppressive Therapienotwendig, klassischerweise wird auchhiereineKombinationstherapieausKorti-kosteroidenundCyclosporinAeingesetzt.Einige Autoren empfehlen auch den Ein-satzvonintravenösenImmunglobulinen10).Im Rahmen der systemischen JuvenilenidiopathischenArthritis(M.Still)konnteineinigenFälleneineRemissiondesHämo-phagozytose-Syndroms mittels TNF-al-pha-InhibitorenodermittelsIL-1-Inhibito-ren erreicht werden11). Im Gegensatz zudenangeborenenHämophagozytose-Syn-dromen verlaufen die erworbenen meis-tens weniger schwer und eine zerebraleBeteiligung liegt meistens nicht vor. DerEinsatz von VP-16 respektive Anti-Lym-phozyten-Antikörpern ist deshalb seltennotwendig.
4.3.AusblickEine alternative Möglichkeit, um eineRemissionzuinduzierenkönntedieThe-
rapie mittels Anti-IFN-gamma-Antikör-pern bieten, die in Mausmodellen sehrvielversprechende Resultate gezeigthat12).StudienbezüglichkurativenThera-pien haben in vitro gezeigt, dass eineKorrekturdesZytotoxizitätsdefektesmit-tels gentechnischer Methoden erreichtwerdenkann.EineGentherapiederange-borenen Hämophagozytose-Syndromemit bekanntem Gendefekt wäre alsodenkbar.DieseexperimentellenStudienkönntenmöglicherweisezukünftigeThe-rapiekonzeptederHämophagozytosebe-einflussen.
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deutungvonFrüherkennunginderPraxiszusensibilisieren,unddieAufmerksamkeitderKinderärzte wie der Weiter- und Fortbil-dungsverantwortlichenaufdieimmernochaktuelle Problematik der Kindsmisshand-lungwachzuhalten.
1999wurdedurchdieUnitédepréventiondes Universitätsinstitut für Sozial- undPräventivmedizin(IUMSP)unddieMedizi-nische Universitätspoliklinik (PMU) eineUntersuchungzurKindsmisshandlung imKantonWaadtdurchgeführt.DieseUnter-suchung erlaubte es, über ein Netz von«Sentinella»-Pädiatern zu evaluieren, inwelchemAusmassdieEmpfehlungendesBundesrates umgesetzt wurden, die An-zahlderdurchFachpersonenwährendei-nemZeitraumvon3Monatenerkannten,misshandeltenodermisshandlungsgefähr-detenKinderzuerfassen,undschliesslichDurchführbarkeitundSinneinersystema-tischen Datensammlung zu überprüfen.Während6Monatenhabensich17,überdenganzenKantonWaadtverteilteKinder-ärzte auf freiwilliger Basis beteiligt, undbei jedemerwiesenenoderverdächtigenMisshandlungsfalleinUntersuchungspro-tokollausgefüllt.Eswurden30derartigeProtokolle erstellt und anschliessenddurch das Untersuchungsteam ergänztundanalysiert3).
DieseStudiewurde2009–2010imRahmeneinerMasterarbeitinHumanmedizinandermedizinischenFakultätLausannedurchge-führt und sollte den Verlauf der 1999 er-fasstenKinderdokumentieren.Eshandeltsichumdieersteschweizerische,pädiatri-sche Studie zur langfristigen Entwicklungvonmisshandeltenodermisshandlungsge-fährdetenKindern.
Material und Methode
NachValidierungdesForschungsprotokollsdurchdieethischeKommissiondermedizi-nischen Fakultät der Schule für Biologieund Medizin der Universität Lausanne,wurden 2009 die Literatur durchgesehenunddie30Dossiersausdem Jahre1999durcheinePersonanalysiert,dienichtandererstenStudieteilgenommenhatte(Er-stautor).EswurdenfolgendeInformationenzudenKindernuntersucht:Umstände,diezurEröffnungeinesDossiersführten,Risi-kofaktoren, familiäre Bedingungen, ProfildesTäters,ProfildesMinderjährigen,Ort
Einführung
DieschwerenAuswirkungenaufdiekörper-liche,geistigeundsozialeGesundheitdesIndividuums,aufFamilieundGesellschaft,machenKindsmisshandlungzueinemge-sundheitspolitischenFaktor1),2).
TrotzderBedeutungdieserProblematiksindinderSchweizwenigeDatenzuMisshand-lungundGewaltgegenüberMinderjährigenverfügbar.InsbesonderehatmanaufdiesemGebietnursehrseltenZugangzukatamnes-tischen Angaben. Daten, die belegen, wiemisshandelteKindersichinfolgedesEingrei-fensdesKinderarztesoderandererFachper-sonenentwickeln,sindaberwichtig,umdenEinflussunddieBedeutungdieserInterven-tionenzubeurteilen.DieseElementekönnendazubeitragen,PädiaterbezüglichderBe-
10-Jahres-BilanzeinerSerievonmiss-handeltenodereinemsignifikantenMisshandlungsrisikoausgesetztenKin-dernundAuswirkungaufdiePädiater-Patienten-BeziehungGéraldineTroxler*,Marie-ClaudeHofner**,NicolasLutz***Übersetzung:RudolfSchlaepfer,LaChaux-de-Fonds
* Medizinstudentin im 6. Ausbildungsjahr an derMedizinischenFakultätLausanne
** Médecin associée, MER, Unité de médecine desviolences,CentreUniversitaireRomanddeMéde-cineLégale,Lausanne
***Médecinadjoint,MER,Servicedechirurgiepédia-trique, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois,Lausanne
ZusammenfassungEinführungIm Jahr 1999 wurden, im Rahmen einer epidemiologischen Studie zur Kindes-misshandlung im Kanton Waadt, durch 17 Sentinella-Pädiater 30 misshandelte oder einem signifikanten Misshandlungsrisiko ausgesetzte Kinder identifiziert. Mit dieser 10 Jahre später unternommenen Studie sollen die Daten dieser Kinder und ihr Werden, sowie die Erfahrungen der Pädiater untersucht werden.
MethodeDie Studie wurde als Masterarbeit durch-geführt, durch Studium der Krankenge-schichten, telephonische Kontakte und Befragung der Pädiater. Die anfänglichen Angaben die Kinder betreffend, Risiko-faktoren und Art der Misshandlung, sozi-ale und Familienverhältnisse sowie Ge-richtsentscheide wurden aufgearbeitet. Für das Gespräch mit den Kinderärzten wurden zwei Tabellen im Sinne eines Leitfadens für halboffene Interviews aus-gearbeitet.
ResultateFür 19 der 30 anfänglich gemeldeten Kinder standen Verlaufsbeobachtungen zur Verfügung. Bei 9 der 16 nachbetreu-ten Kinder (56%) war der Verlauf günstig. Prognostisch günstig erwiesen sich durch die Mutter erfolgte Meldung, gute schuli-sche Integration und stabile familiäre und soziale Rahmenbedingungen. Intrafamili-äre Konflikte, häufiger Wohnortwechsel oder unstabile soziale Verhältnisse waren erschwerende Faktoren.
13 Pädiater haben an der zweiten Studie teilgenommen. Nur in 2 Fällen wurde die Pädiater-Eltern-Beziehung infolge der Meldung abgebrochen. Wichtigste Hin-dernisse waren fehlender Feedback in Anschluss an die Meldung und Schwierig-keiten bei der Zusammenarbeit mit den übrigen Fachpersonen.
SchlussfolgerungenDie Kinderarzt-Eltern-Beziehung wurde nur selten durch die Fallmeldung beein-trächtigt. Die Kinderärzte spielten bei Erfassen und Betreuung der einer Miss-handlung ausgesetzten Kinder eine Schlüsselrolle. Als notwendig erweist sich eine bessere Kommunikation zwi-schen den verschiedenen beteiligten Fachpersonen. Allein der günstige Ver-lauf bei etwas mehr als der Hälfte der Fälle, rechtfertigt die von den verschie-denen Fachpersonen erbrachten An-strengungen.
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dazu,habenKonflikteunterdenElternin4der7ungünstigverlaufenenSituationendieLebensbedingungenderKinderverschlech-tertundeineharmonischeBetreuungver-hindert.GünstigwarderVerlaufauchda,woguteschulischeRahmenbedingungenesden Kindern trotz des erlebten Traumaserlaubten,dieSchuleunteroptimalenBe-dingungenzubesuchen.NachAnsichtderKinderärztehattendieseKinderimVerlau-feihresWachstumswenigerpsychoaffekti-veStörungen.
InallenFällen,wosichdieEntwicklungdesKindes ungünstig gestaltete, wurde einegrosseZahlRisikofaktorenfestgestellt,wiepsychiatrischeKrankheitenoderintrafami-liäreGewalt,Suizidversuche,Alkoholmiss-brauch, Mangel an Zuneigung, Adoptionoder beschränktes intellektuelles NiveauderEltern.In8FällenerwiesensichhäufigeWohnortwechselundeinunstetesfamiliä-resUmfeldebenfallsalsHindernisfüreinekonstruktiveBetreuungdesKindes.Zuei-nemGerichtsentscheidkamesinderHälf-te aller Fälle, unabhängig vom weiterenVerlauf. Es konnte kein Zusammenhangzwischen der Schwere des Tatbestandesund der Resilienz des Kindes festgestelltwerden.
Kinderärzte13der17Sentinella-PädiaterhabensichanderStudiebeteiligt.EinPädiaterimRuhe-standundeinweiterer,nunmehrinAlgerientätig,wurdennichtmehrkontaktiert.ZweiKinderärzte haben die Teilnahme abge-
und Art der Misshandlung, Zeichen undSymptome,sowieStandderDingeamEndedererstenAbklärung.
Eswurde jedemKinderarztein Informati-onsblatt und eine Einwilligungserklärungsowie eine detaillierte Beschreibung derStudiezugestellt.NachErhalteinerpositi-ven Antwort von Seiten des Kinderarzteswurden Nachforschungen zur aktuellenSituationangestelltundmitderjenigenvon1999verglichen.
EswurdenzweihalboffeneInterviewbögenausgearbeitet um einerseits zu erfahren,wiedieanderStudiebeteiligtenKinderärz-tedieSituationenerlebthattenundande-rerseits, um den Einfluss der Studie von1999aufdiePädiater,diekeineFällegemel-det hatten, zu evaluieren. Am Ende jederBesprechung eines Falles wurde der Kin-derarztnachseinemallgemeinenEindruckzur Entwicklung des betreffenden Kindesgefragt.AlleKinderärztehabenihremper-sönlichenErlebenAusdruckgegebenunddieSituationinAnschlussandieMeldunggenerell beurteilt. Die Entwicklung einesKindeswurdealsgünstigeingestuft,wenndie Beurteilung der Situation durch denPädiaterpositivunddasKindausserGefahrwar,undderTätersichdemKindnichtmehrnähern durfte. Fehlender Gerichtsent-scheidzugunstendesKindes,psychsozialweiterhinungünstigeVerhältnisseundeinenegativeBeurteilungdurchdenKinderarztwurdenalsungünstigeEntwicklunggewer-tet. Ein Fall wurde als abgeschlossen be-
trachtet,wenndiejuristischenFragenge-klärt und die ärztlichsoziale Betreuunggeregelt waren (Kinderschutz, Vormund-schaft, Sorgerecht, psychosoziale Hilfe,Aufsicht,Besuchsrechtusw.),dasKinddiepädiatrische Altersgrenze erreicht hatteoderumgezogenwar.DieBesprechungenwurdenpersönlichodertelefonischdurch-geführt.
DieAuswertungdergesammeltenInforma-tionen fanddurcheinequalitativeund imWesentlichendeskriptiveMethodestatt.
Resultate
KinderEs konnten Informationen zu 19 der 30Kinder gesammelt werden. Der Beobach-tungsverlauf ist in Abb. 1 zusammenge-fasst.In2FällenhabendieElterndieBezie-hung zum Kinderarzt in Anschluss an dieMeldungabgebrochen.Inden4weiterhinvomKinderarztbetreutenFällenwurdeineinemFallMisshandlungausgeschlossen,in einem weiteren, ein behindertes Kindbetreffend, konnte die familiäre Situationstabilisiertwerden,inden2übrigenwurdeder ausserhalb der Familie lebende TätervomKindeferngehalten.DerVerlaufwarbei 9 Kindern (56%) in Anschluss an dieMeldung günstig, während er sich bei 7Kindern (44%)verschlimmerte. In6der9günstigenFällenhattesichdieMutteranden Kinderarzt gewandt. Von der Familiebesonders gut umsorgte Kinder zeigteneine günstige Entwicklung. Im Gegensatz
Abbildung1:Verlaufder1999gemeldeten30Misshandlungsfälle* 1KindanPsychiatergewiesen,keineVerlaufsangaben.2KindernachAbbruchderPädiater-Eltern-Beziehungweggezogen
** In1FallMisshandlungausgeschlossen,2TäteridentifiziertundKontaktzudenKindernuntersagt
***1KindmitneuromotorischemEntwicklungsrückstand
GünstigerVerlauf**N=3
AusdenAugenverloren*N=3
KeineInformationenverfügbarN=11
InformationenverfügbarN=19
NachbetreuungbeimKinderarztN=4
30Fälle
NachbetreuungbeendetN=12
UngünstigerVerlauf***N=1
GünstigerVerlaufN=6
UngünstigerVerlaufN=6
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Misshandlung zu suchen und WachstumundEntwicklungzuverfolgen.
Die Mehrzahl der Kinderärzte schätzte,dass sie durch die Beteiligung an dieserStudie vermehrt auf die Problematik derKindsmisshandlung aufmerksam wurden.DieeinfacheTatsache,siedazuzuintervie-wen,waransichschonvonNutzen.
ObwohldieFallmeldungimmerdurchdenKinderarzt stattfand, wurde die Eltern-Kinderarzt-Beziehung nur in zwei Fällenabgebrochen.Beiden26nichtmehrvomKinderarztbetreutenKindernwardieArzt-Patienten-BeziehungindenmeistenFällenaltershalberoderwegenWohnortwechselunterbrochenworden.DiebetroffenenKin-derärztehattennichtdasGefühl,dieBezie-hung sei vorzeitig infolge der Meldungabgebrochenworden.Diemeistenbestä-tigten,weiterhinguteBeziehungenunter-haltenundihrePatientennochJahrenachderMeldung,bisandiepädiatrischeAlters-grenzeweiterbetreutzuhaben.
Diskussion
WieschonindererstenStudiefestgehalten,widerspiegelndiemeistenMisshandlungs-fälleeineMischungvonphysischer,sexuel-lerundpsychologischerMisshandlungund/
lehnt.DieAngabenzuden13anderStudieteilnehmendenKinderärztesind inAbb. 2 dargestellt.
AlleKinderärztehabenerklärt,derAufbaueinesBetreuungsnetzesumdasmisshan-delteKindhabevielEnergiegekostet.DerallgemeineEindruckwar,dassdiebeteilig-ten Fachpersonen nicht immer genügendvernetztwaren,umihreInterventionengutzu koordinieren. Sie beklagten sich übermangelnde Rückmeldung, insbesonderewenndasKindparalleldurchanderemedi-zinische Spezialisten betreut wurde. IneinemFallwurdedieDiagnoseKindsmiss-handlung durch wiederholte Harnwegsin-fekte bei vesikoureteralem Reflux er-schwert.DieKinderärztebestätigtenauch,dassdieDiagnoseKindsmisshandlungauchdurch laufende Scheidungsverfahren er-schwertwurde.
Wennauchindiesen10JahrendieAnzahlderAnlaufstellenzurBetreuungvonmiss-handeltenKindernzugenommenhat,habendieKinderärztemanchmaldasGefühl,amRandedesBeziehungsnetzeszustehen.ImLaufederBesprechungenerinnertensieandie Bedeutung klinischer Kontrollen undregelmässiger Kontakte mit den Eltern inderPraxis,dieesermöglichen,denKörperganz zu untersuchen, nach Zeichen von
oder Vernachlässigung1). Zusätzlich zurSchaffungeinesBeziehungsnetzesundvonKinderschutzmassnahmen, wurde in derHälftederFälleeinGerichtsentscheidaus-gesprochen.DassderVerlaufbei9von13Kinderngünstigwar,isterfreulich,abernochungenügend.DieVielfaltderRisikofaktorenkompliziertingewissenFällendieBetreuungderbetroffenenKinder.DieseRisikofaktorenerweisen sich als prognostisch ungünstig.Alle Kinderärzte sagten aus, sich dessenbewusstgewesenzusein.EinebesondereBetreuungdieserFällewurdejedochnichtinsAugegefasst.DieserFragestellungkönn-tenochnachgegangenwerden.
ImVerlaufderStudiehabendieKinderärzteverschiedene Vorschläge gemacht, undauchWünschefürihretäglichPraxisange-bracht. Ein Grossteil der vorgebrachtenFragenundÜberlegungenfindensichauchinderLiteratur.
Hauptsorge der Kinderärzte waren dieSchwierigkeiten,mitanderenAnlaufstellenzusammenzuarbeitenunddasFehlenvonRückmeldungenimAnschlussaneineMel-dung.DieKomplexitätdieserZusammenar-beitwirdauchinverschiedenenamerikani-schen, mit Hilfe von praktizierendenKinderärzten durchgeführten Studien er-wähnt.AuchinanderenLändernbedauerndieKinderärztediefehlendeVerfügbarkeitundmanchmalunangebrachtenAntwortenderbetroffenenKinderschutzstellen4).DasVorhandenseineinesNetzesgenügtnicht,esmussauchfunktionieren.
DiebeidenPädiater,welchedieMitarbeitablehnten,gehörten1999zudenammeis-tenmotivierten.AusdenangeführtenBe-gründungen haben die Autoren geschlos-sen, dass Entmutigung, Müdigkeit undfehlende Ressourcen nach vieljährigemEinsatzGrundihrerVerzichteswaren.
MehrereAutorenneuererArbeitensuchennach Möglichkeiten, Kinderärzte für dieProblematik der Kindsmisshandlung zusensibilisieren. Sie stellen alle möglichenÜberlegungen zu Warnzeichen an, die zubeachten sind, zur Art und Weise, eineumfassendeAnamneseaufzunehmenundklinischeUntersuchungdurchzuführen,zurMöglichkeit,inkompliziertenFällenExper-tenzuzuziehenoderzurNotwendigkeit,mitHilfeklinischerDarstellungenaufdieProb-lematik aufmerksam zu machen5)–7). Alle
Abbildung2:AnderStudie2009beteiligteKinderärzte,aufgeschlüsseltnachTätigkeitundAnzahlbetreuterFälle
17PädiaterimKantonWaadt
1PädiaterinsAuslandgezogen 16angefragtePädiater
3nichtteilnehmendePädiater•1PädiaterimRuhestand,
0Fälle•2aktivePädiater,5Fälle
10aktivePädiater,25Fälle 3aktivePädiater,keineFälle
5aktivePädiater,BesprechunginderPraxis•2Pädiater,je3Fälle•2Pädiater,je2Fälle•1Pädiater,8Fälle
5Pädiater,BesprechungperTelefon•3aktivePädiater,je1Fall•2PädiaterimRuhestand,
je2Fälle
13teilnehmendePädiater,25Fälle
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dieseAspektewurdenauchvondenKinder-ärzten,dieanunsererStudieteilnahmen,erwähnt,inderMehrzahlkamensiejedochzumSchluss,dassdiewesentlichsteHilfezurAufdeckungvonMisshandlungsfälleninihrereigenen,alspraktischerArzterworbe-nenErfahrungliegt.
ObwohldieMeldung immerdurchdenKin-derarztstattfand,wurdeimRahmenunsererStudiedieKinderarzt-Eltern-BeziehunginderMehrheit der Fälle nicht gefährdet. DieseProblematikisteinehäufigeBefürchtungdespraktizierendenArztes4).UnsereStudiesollteeserlauben,diebehandelndenÄrzte,dieimKantonWaadtFällevonKindsmisshandlungmelden,inBezugaufdieErhaltungihrerArzt-Patient-Eltern-Beziehungzuberuhigen.
Schlussfolgerung
Zahlreiche Arbeiten unterstreichen diegrundlegende Rolle des Kinderarztes beider Früherkennung von Kindsmisshand-lung4),6),7).UnsereUntersuchungbestätigt,dass die Waadtländer Kinderärzte solcheFälleerkannthabenundwertvolleundwe-sentliche Informationen zur Betreuungsammelnkonnten.ÜberdieHälfteder1999gemeldeten Fälle haben einen günstigenVerlauf genommen. Dieses Ergebnis istnicht zu vernachlässigen und zeigt, dassdergrosseEinsatzderbeteiligtenFachleu-te nicht nutzlos ist. Notwendig ist eineverbesserteKommunikationunterdenver-schiedenen,amNetzbeteiligtenPersonen.
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KorrespondenzadresseMarie-ClaudeHofner,MD,MERMédecinassociéeDépartementUniversitairedeMédecineetdeSantéCommunautaireUnitédeMédecinedesViolencesCentreUniversitaireRomanddeMédecineLégaleRueCé[email protected]
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Vol. 22 Nr. 4 2011 Hinweise
EinführungderLebensmittelbeimSäuglingErnährungskommissionderSGP
4Monatealt 6Monatealt 1Jahralt
1.–4.Monat 5.Monat 6.Monat 7.Monat 8.Monat 9.Monat 10.Monat 11.Monat 12.Monat abdem13.Monat
MuttermilchoderSäuglingsanfangsnahrung
MuttermilchoderSäuglingsanfangsnahrungoderFolgenahrung MuttermilchoderFolgenahrungoderKuhmilch
FrüchteundGemüse
Getreide,KartoffelnundHülsenfrüchte
Fleisch,FischundEier
ÖleundFette
Milchprodukte:InkleinenMengenJoghurtundVollmilch(zurZubereitungvonBrei)
Joghurt,Vollmilch,Quark,Käse
TäglicherVerzehrempfohlen
Quelle:SchweizerischeGesellschaftfürErnährung,SchweizerischeGesellschaftfürPädiatrie,2011
SchrittweiseEinführung
EsbestehtseiteinigerZeiteinbreitgeäu-sserterWunschfüreineNeubearbeitungder tabellarischen Darstellung zur «Ein-führungderLebensmittelbeimSäugling».
Basierendaufden«EmpfehlungenfürdieSäuglingsernährung2009»hatdieErnäh-rungskommission der SchweizerischenGesellschaftfürPädiatrie(SGP)inZusam-
menarbeit mit der Schweizerischen Ge-sellschaft für Ernährung (SGE) eine sol-chetabellarischenDarstellungentwickelt.DieSGEwirdEnde2011zumThema«Er-nährung von Mutter und Kind im erstenLebensjahr»eineBroschürepublizieren,die für eine breite Öffentlichkeit be-stimmt sein wird. Die darin enthaltenetabellarischeDarstellungfürdie«Einfüh-rungderLebensmittelbeimSäugling»istabsofortaufderHomepagederSGPver-fügbar.
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Vol. 22 Nr. 4 2011Hinweise
erschienenundistaufderHomepagederSGPeinzusehen:http://www.swiss-paedi-atrics.org.
Dank: Wir danken allen Verantwortlichen in den Kliniken für die wertvolle Mitarbeit, die für das Funktionieren und den Erfolg des SPSU-Meldesystems entscheidend ist.
Bitte: Das Projekt «akute schlaffe Läh-mung» sieht eine Stuhluntersuchung in einem Referenzlabor vor, die kostenlos durchgeführt wird. Wir bitten Sie, bei ent-sprechenden Fällen das bezeichnete Labor zu bedienen.
FürdasSPSU-Komitee:C. Rudin, Basel (Präsident); V. Bernet-Büttiker,Zürich;K.PosfayBarbe,Genf;B.Laubscher,Neuchâtel;G.Simonetti,Bern;M.Mäusezahl,Bern;D.Beeli,Bern.
Die Swiss Paediatric Surveillance Unit(SPSU)isteinseit1995bestehendesnati-onalesErhebungssystem,dasgemeinsamvonderSchweizerischenGesellschaft fürPädiatrieunddemBundesamtfürGesund-heitbetriebenwird.ImRahmenderSPSUwurdenimJahr2010von26der33betei-ligten pädiatrischen Ausbildungsklinikeninsgesamt159sichereKrankheitsfällege-meldet:100FällevonExtended-Spectrum-Beta-Lactamase-produzierendemgramne-gativem Erreger, 30 Fälle von schwererHyperbilirubinämie, 9 Fälle von akuterschlafferLähmungalsIndikatorderPolio-
myelitisüberwachung,7FällevonAnaphy-laxie(bisApril2010),5Fällevonhämoly-tisch-urämischem Syndrom (bis März2010), 5 Fälle von Pertussis (bis März2010),2FällevonkonnatalerToxoplasmoseund1FallvonakutemrheumatischemFie-ber. Es sind keine Fälle von Vitamin-K-Mangelblutung und von kongenitalen Rö-telngemeldetworden.
DieAnzahlFällederabgeschlossenenundlaufendenStudiensindinderTabellewie-dergegeben.DervollständigeJahresberichtistimBulletindesBAGNr.38vom19.9.2011
SPSU-Jahresbericht2010SwissPaediatricSurveillanceUnit
SPSUStudien Dauer sichereFälle
KongenitaleToxoplasmose 1/1995bis12/1998und6/2009bis5/2014 20
Vitamin-K-Mangelblutung 1/1995bis12/2000und7/2005bis6/2011 27
Zyst.periventrikuläreLeukomalazie 1/1996bis12/1997 48
Hämolytisch-urämischesSyndrom 4/1997bis3/2003und4/2004bis3/2010 249
Frühsommer-Meningoenzephalitis 1/2000bis2/2003 23
Varizellen-Zoster 1/2000bis3/2003 235
AkutesrheumatischesFieber 6/2000bis5/2010 24
Neuralrohrdefekt 1/2001bis12/2007 258
SchwereRSV-Infektionen 10/2001bis9/2005 462
Schütteltrauma 7/2002bis6/2007 50
NeonatalerHerpes 7/2002bis6/2008 5
Invagination 4/2003bis3/2006 243
Pertussis 4/2006bis3/2010 127
Anaphylaxie 5/2007bis4/2010 58
AkuteschlaffeLähmung 1/1995läuftweiter 177
KongenitaleRöteln 1/1995läuftweiter 2
SchwereHyperbillirubinämie 10/2006bis12/2011 151
Extended-spectrum-lactamase(ESBL)-produzierendergramnegativerErreger 7/2008bis6/2012 253
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PassivrauchausgesetzteKinder:BilanzderSensibilisierungskampagnenCongKhanhHuynh,Lausanne;AlexandreDubuis,Sion;MyriamPasche,Chavannes-près-Renens;KarinZürcher,Chavannes-près-RenensÜbersetzung:RudolfSchlaepfer,LaChaux-de-Fonds
Eine wenig thematisierte Exposition
DieAuswirkungenvonPassivrauchaufdieGesundheitderKindersindseitlangembe-kanntundgutdokumentiert.NurwurdedieExpositionimprivatenBereichniealsprio-ritäresgesundheitspolitischesProblemthe-matisiert. Zahlreiche Schweizer KantonekennengesetzlicheRegelungenzumPassiv-rauchinöffentlichenLokalen–womitBedie-nungspersonal und Kunden dieser Lokalevon unfreiwilliger Rauchexposition befreitwurden–,dieFragenachdemSchutzderKinderinihremLebensraumbeginntjedocherstaufzukommen.AufGrundoffensichtli-cher Schwierigkeiten (methodologischenundethischen)beiderDatensammlung,istesderzeitsehrschwer,dieAnzahltabakrau-chexponierterKinderzuschätzen.Undvorallem ist es schwer, diese Exposition, wovorhanden,zuquantifizieren.
In der Prävention von Tabakmissbrauchengagierte Fachleute haben diese Schät-zungenjedochnichtabgewartet,umAktio-nen zu starten. An ein breites Publikumgerichtete Sensibilisierungskampagnen
wurden von den Informationszentren fürTabakprävention (CIPRET) einiger West-schweizerKantonedurchgeführt;«Kevin11ansnon-fumeur» inGenfund«RauchfreieKinder»imWallis.ImRahmendieserAktio-nen wurden die Eltern nicht nur über diedurch Passivrauchen hervorgerufenenSchädeninformiert,sonderneswurdeih-nenauchGelegenheitgeboten,inZusam-menarbeitmitdemUniversitätsinstitutfürArbeit und Gesundheit, Institut universi-taireromanddeSantéauTravail,IST),ob-jektivdieTabakrauchexposition ihrerKin-derzumessen.
Eine einfache und zuverlässige Messmethode: Der MoNIC Badge
Es gibt derzeit wenige wissenschaftlicheMethoden, um die PassivrauchexpositioneinesIndividuums,einesKindes,zuerfas-sen.WiemehrereneuereStudienbeweisen(Huynh et al. 2008, Jaakola et al. 2003),widerspiegelt der Kotininspiegel von UrinundSpeichelnichtunbedingteinezigaret-tenrauchbedingte Nikotinexposition. Ab-hängig von individueller Clearance undMetabolismus,könnengewisseNahrungs-mittel,z.B.AubergineundgewisseGeträn-ke den Kotininspiegel erhöhen. Um dieseLückezufüllen,hatdasISTeineMethodezur passiven Nikotinmessung entwickelt,genannt «Moniteur de Nicotine» (MoNIC).Dieser Badge misst den Passivrauch mitHilfeeinesmiteinemReaktionsmittel im-prägnierten Glasfaserfilters, gemäss denvon Hammond (1987) und Ogden (1992;1997)entwickeltenMethoden.Diegemes-seneNikotinmengewirdinZigarettenäqui-valente, die während der Expositionszeitpassivinhaliertwurden,umgerechnet.
DerBadgekannvomKindgetragenwerden,oder er wird in einem Zimmer hinterlegt.DasISTuntersuchtdenTestundliefertei-nenAnalysebericht.IndiesemBerichtwirddieAnzahldervomKindunfreiwillig inha-lierten Zigarettenäquivalente angegeben.
Unter 10-jährige Kinder rauchen passiv 14 Zigaretten!
VonApril2010bisApril2011wurdedieExpositionvon148Kindern(81Knabenund67Mädchen)untersucht:10Kinderwarenwenigerals1Jahralt,251–5-jäh-rig,195–10-jährige,3010–15-jährigund6415–18-jährig.Darunterwaren10Rau-cher, die jüngste, ein 14-jähriges Mäd-chen,rauchte10ZigarettenimTag.DieEltern,odermanchmaldieJugendlichenselbst, haben den kostenlosen Badgefreiwillig, via Internet bei den CIPRETWallis,WaadtundGenfbestellt.DieEr-gebnissebetreffendTabakrauchexpositi-ondieserKindererstaunenundverdienenes,beachtetzuwerden.GesamthaftwardiemittlereNikotinkon-zentration für alle Kinder, gemessen inihrerWohnungmittelsMoNICBadges,0.5mg/m3, mit Maxima bis 21 mg/m3. Fürdas Kollektiv der unter 10-Jährigen (26Knabenund28Mädchen,alleNichtrau-cher)wardieNikotinkonzentrationerheb-lich (Mittel 0.069 mg/m3, min. 0, max.0.583mg/m3).RechnetmandieseWerteinpassivgerauchteZigarettenäquivalenteum,soergibtdiesZahlenvon0bis14Zi-garetten/Tag*,beieinemMittelwertvon1.6 Zigaretten/Tag. Noch überraschen-der, Kinder unter einem Jahr (4 Knabenund6Mädchen)inhalierenpassiv,zuhau-se,imMittel1Zigarette/Tag(min.0,max.2.2). Für die beiden übrigen Kollektive,10–15- und 15–18-Jährige, grenzen dieWertean22Zigaretten/Tag.Esmussal-lerdingsberücksichtigtwerden,dassdie-serWertdurchdieTatsachebeeinflusstwird,dassdieseJugendlichenmanchmalselbstrauchen,wasfürdiejüngerenAl-tersgruppennichtderFallist.
* WenndieExpositionsdauer1Tag(8Stunden)über-schritt,wurdedieAnzahlStundenimmerdurch8geteilt.DaserhalteneResultatgibtdaswährend8StundenpassivgerauchteZigarettenäquivalentan.Es handelt sich damit um einen Mittelwert, wasbedeutet, dass die Kinder während diesem Zeit-raumunregelmässigWertenausgesetztwaren,dieüberoderunterdiesemMittellagen.
EinBegleitschreibenerklärtdenTest.DasSetwirddenEinwohnerndesbetreffendenKantons von den verschiedenen, an derAktionteilnehmendenCIPRETzugestellt.
Auf Grund dieser breit angelegten AktionverfügenPräventionsorganisationensowie
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tonale Gesetze zum Schutz der Bevölke-rungvorPassivrauchinöffentlichenGebäu-dengeradeerstinKraftgetretensind.ZuRecht könnte gegenüber solchen Aufklä-rungskampagnen mit dem Argument ge-drohtwerden,dieindividuelleFreiheitderFamilie werde beeinträchtigt. Sagt nichtdasgeflügelteWort,dassdieFreiheitdeseinendaaufhört,wodiejenigedesNach-bars beginnt? Wie steht es denn um dieFreiheitderKinder,insbesonderederjüngs-tenunterihnen,diekeineMöglichkeitha-ben,sichgegeneinepotentiellschädlicheUmweltzuschützen?Wiestehtesumdas«Recht des Kindes auf die bestmöglicheGesundheit»,dasunserLandmitderRatifi-zierungderUNO-KonventionüberdieRech-tedesKindes**anerkanntundzuverwirk-lichensichverpflichtethat?
DieseFragenzeigenauf,dassdieSensibili-sierung aller durch Passivrauch Betroffe-nen überlegt werden muss, nicht nur inBezug auf die letztliche Zielsetzung, son-dern auch in Bezug auf die angewandtenMittel. IndiesemSinnstellendieMoNIC-BadgesunddieWalliserundGenferSensi-bilisierungskampagneneinenerstenSchrittdar;sieöffnendieTürzueinerDiskussionunterallenBeteiligten,umnachWegenzusuchen,KindervordendurchPassivrauchin der Privatsphäre bedingten Risiken zuschützen.ImKantonWaadtwurdeeinan-derer Weg erforscht: Die Sensibilisierungund Ausbildung der Angehörigen von Ge-sundheitsberufen, insbesondere solchen,die mit Kleinkindern zu tun haben, darin,wie Passivrauchexposition im nächstenUmfeld der Kinder thematisiert werdenkann.
dasISTnunüberquantifizierteAngabenzurPassivrauchexposition von Kindern; eineSchweizerPremiere.
Die Ergebnisse der MoNIC-Analysen zei-gen, dass zahlreiche Kinder unbewusstPassivrauch ausgesetzt sind. WichtigsteAussagederimRahmendieserSensibilisie-rungskampagnenerhobenenDaten,istdieObjektivierung der PassivrauchexpositionvonKindern.DieDatenhabenaberinihrerAnwendunggewisseGrenzen.SokanndiequantitativgemesseneExpositionnichtmitden unmittelbaren Auswirkungen auf dieGesundheitdesKindeskorreliertwerden;dieseKorrelationistallerdingsinderLite-raturausgiebigbeschrieben.DadieMoNIC-BadgeswährendderStudiedurchdieBe-troffenen(Eltern)selbstundnichtdurcheinMitglied der Studiengruppe gehandhabtwurden,musseingewissesMassanUnge-nauigkeiten bezüglich Anwendung und
Überwachungberücksichtigtwerden.Mankannsichauchfragen,inwieweitdasAus-mass der Passivrauchexposition von Kin-dern nicht unterschätzt wird, ist es dochwahrscheinlich, dass Leute, die spontaneinensolchenTestbestellen,sichbereitsmitdieserProblematikauseinandersetzen,im Gegensatz zu anderen, die sich nichtdurch Vorbeugemassnahmen angespro-chenfühlen.Rauchfreie Umwelt: Eine Freiheitsgefährdung?
DieGefahrenderPassivrauchexpositionfürdieGesundheitderKindersindreell,selbstin ihrer häuslichen Umgebung. Informa-tions-undAufklärungsarbeitscheintdem-nachunerlässlich. IndenAugengewisserLeutekanndiesaberauchalseinSchrittzuvielinRichtungIntim-undPrivatsphärederFamiliengelten.Insbesonderedakan-
** DieVertragsstaatenderUNO-Kinderrechtskonven-tion,die1997vonderSchweizratifiziertwurde,
• verpflichtensich,demKind,unterBerücksichti-gungderRechteundPflichtenseinerEltern,denSchutzunddieFürsorgezugewährleisten,diezuseinemWohlergehennotwendigsind(…)
• anerkennendasRechtdesKindesaufdaserreich-bareHöchstmassanGesundheitsowieaufInan-spruchnahmevonEinrichtungenzurBehandlungvon Krankheit und zur Wiederherstellung derGesundheit.
• DieVertragsstaatenbemühensich,dievolleVer-wirklichung dieses Rechts sicherzustellen, undtreffeninsbesonderegeeigneteMassnahmen,um
a) dieSäuglings-undKindersterblichkeitzuver-ringern;
b) sicherzustellen,dassallenTeilenderGesell-schaft, insbesondere Eltern und Kindern,Grundkenntnisse über die Gesundheit undErnährungdesKindes,(…)dieHygieneunddieSauberhaltung der Umwelt sowie die Unfall-verhütungvermitteltwerden(…).
100.0
10.0
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Abbildung1:TäglichpassivgerauchteAnzahlZigarettenäquivalenteinFormvon«Boxplot»,aufgeteiltnachAltersklassen.DiehorizontalenLiniengeben,vonuntennachoben,die10.,25.(Median),75.und95.Perzentilean.Die«whiskers»gebendenBereichder1.5Inter-quartileunddieSternchen(*)dieWerteausserhalbdieserBereichean.
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undwirdnurmöglichdurchdiegemeinsa-me und engagierte Aktion aller Betroffe-nen: Präventionsorganisationen wie dieCIPRET, Forschungsinstitute wie das ISTundFachleuteausdenBereichenKleinkin-desalter, Sozial- und Gesundheitswesen.DieerstenErgebnissedieser,inderSchweizeinmaligenAufklärungskampagnen,erlaub-ten,eineersteDatenbankzurtatsächlichenPassivrauchexposition von Kindern zu er-stellen.Siezeigenauch,dassdieThemati-sierungdesPassivrauchenszuhausefort-gesetzt werden muss, um zu vermeiden,dass Passivrauchen weiterhin banalisiertundimGegenteilalsdasangesehenwird,wases inWirklichkeit ist:EinechtesUm-weltgift. Eine Wohnstube kann in der TatmehrverpestetseinalseineStrassenkreu-zungzuSpitzenstunden!
Referenzen• HammondSK,LeadererBP,RocheACandSchen-
ker M. Collection and analysis of nicotine as amarkerforenvironmentaltobaccosmoke.Atmos.Environ.1987;21:457–462.
• HammondSKandLeadererBP.Adiffusionmonitortomeasureexposuretopassivesmoking.Environ.Sci.Technol.1987;21:494–497.
• Huynh CK, Moix J, Dubuis A. Développement etapplicationdumoniteurdetabagismepassifMo-NIC.RevMedSuisse2008;144(4):430–3.
• JaakkolaMS,MaJ,YangG,etal.Determinantsofsalivarycotinineconcentrations inChinesemalesmokers.PreventiveMedicine2003;36:282–290.
• OgdenWMandMaioloKC.Comparativeevaluationofdiffusiveandactivesamplingsystemsfordeter-miningairbornnicotineand3-ethylpyridine.Envi-ron.Sci.Technol.1992;26:1226–1234.
• OgdenWMandMartinP.Theuseofcigaretteequiva-lentstoassessenvironmentaltobaccosmokeexpo-sure.EnvironmentInternational1997;23:123–138.
• SametJM.,SockriderM.(2010)Secondhandsmokeexposure:Effectsinchildren.OfficialreprintformUpToDate(literaturereview).
KorrespondenzadresseAlexandreDubuisGesundheitsförderungWallis(GFW)Informationszentrum für Tabakprävention(CIPRETWallis)RuedesCondé[email protected]
NacheinemJahristdieBilanzdieserAuf-klärungskampagneninverschiedenerHin-sichterfreulich.Erstenshaben148ElterndenTestbestellt,einBeweisdafür,dasssiesich um die Auswirkungen des Passiv-rauchs auf die Gesundheit ihrer Kindernsorgen.ZweitenswurdendieKampagneninderregionalenundLandespressewahrge-nommen.ImWallisundinGenfwurdedasErscheinenindenMediendurchPlakateanöffentlichen, durch Familien besuchtenOrten(Einkaufszentren,unterirdischePark-plätze)ergänzt.ImRahmenderKampagne«Rauchfreie Kindheit» haben sowohl dieFrage«Raucht Ihr Kind?»alsauchdiever-wendetenBilder («Schoppen»mitZigaret-tenstummelngefüllt,«Legoaschenbecher»),dieBevölkerungnichtgleichgültiggelassen.Drittens, sicher der eindeutigste Tatbe-stand,habendieAufklärungskampagnenzueiner fruchtbaren Zusammenarbeit zwi-schen verschiedenen, in der Präventionaktiven Organisationen und im BereicheGesundheit und Kleinkindesalter (Kinder-ärzte, Ärzte und KrankenpflegefachleutevonGeburtsabteilungen,Mütterberatungs-stellenusw.)sowieimSozialbereichtätigenFachleuten(Erzieherusw.)geführt.
Die Tatsache, dass die Bevölkerung sichgesamthaft der Gefahren des Passivrau-chensbewusstwird,unterstreichtdieBe-deutungunsererAktionenund trägtdazubei,gesundheitspolitischeundpräventiveAktionen in die Tat umzusetzen. Dies ist
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nach wie vor grosse Bedürfnisse, sowohltechnischer,alsauchfinanziellerArt.
DieTFIistmotiviert,durchAustauschvonErfahrungenzurTabakkontrollemitOrgani-satoren inderSchweiz,sowieansolchenFrageninteressiertenÄrztenzusammenzuarbeiten.
FürweitereInformationenkanndieWebsitewww.tfi-lb.org oder per E-Mail: [email protected]ürKontakteinderSchweiz,kannauchPierreKairouzun-ter der E-Mail-Adresse [email protected].
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt oder persönliches finanzielles Interesse im Zusammenhang mit diesem Artikel besteht.
3500MenschensterbenjedesJahrimLiba-nonandenFolgendesRauchens.80%derKindersindPassivraucher,leidenunterdenFolgendesRauchenszuHause,inderSchu-le,inRestaurants.60%vonihnen(dieRateliegtbei6%inEngland!)habenbereitsein-malZigarettenoderWasserpfeifegeraucht.22%derJugendlichenzwischen13und15JahrensindRaucher.Bedenktman,dassdieZahlchemischerBestandteilevonZigaret-ten4600ist,dass30%derJugendlichenindiesem Alter regelmässig Wasserpfeiferauchen,dasseinesolcheShishamehralseiner Packung Zigaretten entspricht, unddass bei jeder Inhalation 6800mg Bleifreigesetztwerden,dann istesunschwernachzuvollziehen,wieernsthaftSexualitätundHirnleistungvonrauchendenJugendli-chenbeeinträchtigtwerdenkönnen.
LeidergibteszurzeitkeinGesetzimLiba-non zum Schutz der Rechte von Kindern.TrotzAnträgenundVerordnungenvomMi-nisteriumdesInnernunddemMinisteriumfürBildung,istderenAnwendungfraglich.
DieseinakzeptableSituationrechtfertigtdieBemühungenderTobaccoFree Initiative(TFI)imLibanon,welcheseit10Jahrenbe-steht.UnterstützungkommtvonderWeltge-sundheitsorganisation,demGeneralsekre-tariat katholischer Schulen, von privatenSchulen, vom Ministerium für Bildung undvonderAmericanUniversityofBeirut.Ge-gründet wurde die TFI im Mai 2000, vonAntoineKairouzsFamilie,einAnwaltderanLungenkrebs starb. Die TFI wird nunmehrvoneinerGruppevonÄrzten,Journalisten,Rechtsanwälten, Psychologen, Geschäfts-leutenundanderengetragen.DieArbeitderTFIwurde2008vonderWHO inGenfmitdem1.PreisfürdenNahenOstengekrönt.
25000Kinderwurdendurcheineeinzigar-tige,originelleKampagnewirksaminmehr
als100 laizistischenundreligiösenSchu-len,muslimischenundchristlichen,priva-tenundöffentlichen,angesprochen.Promi-nente junge Stars aus Medien undFernsehen, Miss Libanon, Sportler habensichmitJugendlichenzumThemaRauchenauseinandergesetzt.InWorkshopswurdenKinderaktiveinbezogen,ihrWissendamitgefestigt.
Ein Netzwerk von 50 «Tabakprävention»-Clubs wurde mit Unterstützung der Welt-bankaufgebaut,um jungenMenschen zuerlauben,AkteureundnichtmehrOpferimKampfgegendasRauchenzusein.
DieTFIarbeitetheutemitgrossemErfolgdaran,inöffentlichenOrtenRauchfreiheitzu erlangen: In Schulen, Unternehmen,Banken,UniversitätenundMinisterien.
KürzlichisteineerfolgreicheAufklärungs-kampagneimganzenLibanondurchgeführtworden. In Anwesenheit der Medien (dieVeranstaltung wurde von mehreren TV-Sendern übertragen) brachten DutzendevonKindernunterdemSymbolderTFIimBeiruterInternationalAirportdenFluggäs-teneineFruchtimTauschgegenihrPäck-chenZigaretten.EineFrucht,alsSymbolfürGesundheitundVitalität,anstattderschäd-lichenZigaretten.
UmdierechtlichenRahmenbedingungenzuverbessernwirdeinintensivesLobby-ingerbracht.DieTFIversuchtseitmeh-rerenMonaten,mitHilfevonAbgeordne-ten ein Gesetz zur Abstimmung zubringen,dasimEinklangmitderinterna-tionalen Rahmenkonvention zur Tabak-kontrollestehenwürde.DerLibanonhatdieseKonventionimJahr2005ratifiziertundnuneinGesetzverabschiedet,wel-chesdasRaucheningeschlossenenöf-fentlichen Räumen sowie Werbung undVerkaufsförderungvonTabakuntersagt.DieTFIversuchtLibanondurchMentoringundPartnerschafteninderSchweiznützli-cheBeziehungenzuschaffen.Esbestehen
EinegesündereWeltohneTabakfürunsereKinder–BerichtausdemLibanonNadineKairouzELKrab*undPierreKairouz**Übersetzung:PietroScalfaro,Cully
* GründerinundPräsidentinvonTobaccoFreeIniti-ativeTFI
** GründerundMitglied
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solcheVerläufezuverhindern.Ansätze,diesichfürunsKinderärzteinmanchenSitua-tionen unserer täglichen Praxis nützlicherweisenkönnen.Die«Resiliencesupports»sindRessourcen,diemanseinganzesLebenlangentdeckenundschaffenkann.Dasindunteranderemdie«richtigeBegegnungzumrichtigenZeit-punkt», das Vorhandensein eines rotenFadensunddieWichtigkeit,Ausrastenzuvermeiden.WeraberkannsoeinroterFa-densein:EineInstitutionodereinMensch?EineFachpersonodereinePrivatperson?Eswurde unterstrichen, wie wichtig es ist,Bindungen zu haben, dazu zu gehören,Würdezubewahren,wiewichtigesist,dasLeideneinerPersonzuerfassen.Schulbil-dung, Ausbildung und Kultur sind weitereStützenderResilienz.EinKindohneKom-petenzengibtesnicht.DerBegriffderMitspracheerlaubtesdenKindern,ihreZukunftimRahmenderdurchGesellschaftundJustizgesetztenGrenzenmitzubestimmen;daherdieBedeutungderKinderrechtskonvention und eines Om-budsmannesfürKinderrechte.InsolchenSituationen istdieGegenüber-stellungvonBehandlungundErziehungfüralle,dieKinderbetreuen,nichteinfach,dajederBeteiligteseineIdentitätzuverlierenfürchtet.DiesunterstreichtdieBedeutungpluridisziplinärer Arbeit, damit der roteFadenbestehenkannundeinZerstückelnder Betreuung vermieden wird. Wie kannderEinsatzderverschiedenen,mitderBe-treuungeinundderselbenPersonBetroffe-nenbesserkoordiniertwerden?Beipluri-disziplinärer Arbeit ist der Zeitbegriff einzentralesElementfüreinequalitativhoch-stehendeBetreuung.
Esliegtanuns,dieUNO-Kinderrechtskon-ventioninunseretäglicheArbeitzuübertra-gen,ohnedenkritischenBlickzuverlieren.
http://www.pediatrie-sociale.org/http://www.childsrights.org/html/site_fr/http://www2.ohchr.org/french/law/crc.htmhttp://www.netzwerk-kinderrechte.chhttp://www.who.int/social_determinants/fr/
KorrespondenzadresseDrYvonHellerPé[email protected]
DieseTagunghatgezeigt,wiewichtigesist,dieBegriffeKinderrechtundKinderschutzbesser in den Praxisalltag zu integrieren.Sie erlauben der Pädiatrie, nicht nur immedizinischen Bereich, sondern auch imBereichderSozialmedizinpräsentzusein.DieserscheintsowohlfürdieZukunftderambulanten Pädiatrie wichtig als auch inHinblick auf die Herausforderungen, wel-che die Gesundheit von Kindern und Ju-gendlichen heute und in Zukunft an unsstellt. Es liegt an uns, die UNO-Kinder-rechtskonvention in unserem Praxisalltagentsprechendanzuwenden.DieTagungwurdevomClub internationaldepédiatriesociale(CIPS),inZusammen-arbeitmitdemInternationalenInstitutfürRechtederKinder(IDE)undderSchweize-rischenJanusz-Korczak-Gesellschaftorga-nisiert.Eswirdhier ingrossenZügenzu-sammengefasst,waswährenddieserzweiTagebesprochenwurde.
Die1989vondenVereintenNationenange-nommeneKinderrechtskonventionwurdean-handdererreichtenFortschrittepräsentiert:• DieUNO-Kinderrechtskonventionwurde
in die Verfassung zahlreicher Staatenaufgenommen.
• Das strafrechtliche Mindestalter wurdeindenmeistenStaatenangehoben.
• KindersindinHeimenbessergeschützt.• EswurdedieStelleeinesOmbudsman-
nesfürKinderrechtegeschaffen.• Art.12derUNO-Kinderrechtskonvention
erwähntausdrücklichdiefreieMeinungs-äusserung,d.h.eineechteKonsultationdesKindes,unddamiteine«childfriend-lyjusticeforminors».
Die UNO-Kinderrechtskonvention bringtFortschritte, kann aber auch Fallstrickebergen. So ist z.B. das «Recht auf freieMeinungsäusserung» nicht ein Zweck ansich.DiefreieMeinungsäusserung,wiesieinderKinderrechtskonventionvorgesehenist,istvorallemeinwesentlichesElementimBestreben,weitereRechtevoranzutrei-ben.DurchdasEinführendesBegriffesder
Mitsprache,führtArt.12zuverbessertemSchutz. Das Kind wird vom SchutzobjektzumKindalsPartner.DieUNO-KinderrechtskonventionmussalsGanzesbetrachtetwerden,einzelneArtikeldürfennichtausdemZusammenhangge-nommenwerden.EshandeltsichumeinenText,anwelchemmanweiterhinarbeitenmussundfürwelchenmansichimmerwirdeinsetzenmuss.Vielzutunistunterande-rem noch, um die UNO-Kinderrechtskon-ventionindiePraxisumzusetzen,seiesimstaatlichen Bereich als auch in all jenenBerufen,diemitKindernundJugendlichenzu tun haben. Nationale Netzwerke fürKinderrechte sind Ansprechpartner, dieman öfter zuziehen sollte (http://www.netzwerk-kinderrechte.ch).Zum Thema soziale Faktoren, welche dieGesundheitbeeinflussen,wurdehervorge-hoben, dass die Gesundheit des Kindesnichtnureinklinisches,sondernaucheinpolitischesProblemist.WiekannsichdieSchule (Art. 28 und 29 der UNO-Kinder-rechtskonvention) der unterschiedlichenHerkunftderFamilienanpassen!ImVerlau-federletztendreiJahrzehntenhatsichdieFamiliestarkgewandelt,imGegensatzzurSchuleineinerGesellschaft,diesichnichtinFragestellt.DerBeauftragtefürKinderrechtederfran-zösischsprachigen Gemeinschaft Belgiensunterstrich die Notwendigkeit, dem Om-budsmannfürKinderrechtevolleHandlungs-freiheitzugewährenunddieMitsprachederKinder ihrem Entwicklungsstand entspre-chend zu gewährleisten. Die Tagungsver-sammlung unterstützt die Schaffung vonOmbudsmannstelleninderSchweiz.ImletztenTeilunsererTagungkonntenwirdieGeschichteeinestatsächlicherlebten,tragischenLebenslaufesmitverfolgen,wosichGewalt,kleinereVergehen,Ausrasten,fehlendeAusbildungundVerhaltensstörun-gen mischten. Durch die Gegenüberstel-lungverschiedenerAnsichten(Kinderarzt,Psychiater,Kinderadvokat,Soziologe,Rich-ter)undReaktionenderTeilnehmerhabenwir nach möglichen Ansätzen gesucht,
KinderrechteundKinderschutzFrühjahrsversammlungdesClubInternationaldePédiatrieSociale(CIPS)inGenfvom3.und4.Juni2011YvonHeller,Nyon;FrançoiseNarrig,GenfÜbersetzung:RudolfSchlaepfer,LaChaux-de-Fonds
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CorrespondanceCarolineGuyBachelorenoptométrieNeuhofstrasse10A,[email protected]/[email protected]
Enpédiatrie,unepréventionetundépis-tageprécoceetefficacereposentsouventsur les observations des parents eux-mêmes.C’estdans lebutde leur fourniruneinformationcomplèteetfiablequelesite«www.babyvision.ch»aétédéveloppépar deux étudiantes de l’Institut d’Opto-métried’Olten (MurielZauggetCarolineGuy),encollaborationavecGeorgesKlain-gutietPierre-FrançoisKaeser,médecinsdel’unitédestrabologieetécoled’orthop-tiquedel’hôpitalophtalmiqueJules-Gonin,service universitaire d’ophtalmologie deLausanne.
Lesite«www.babyvision.ch»estdiviséentrois parties principales, qui offrent auxparents un tour d’horizon de la vision del’enfant (figure 1). La section «Connaître»décritledéveloppementnormaldelafonc-tion visuelle de l’enfant, et fait découvriraux parents l’évolution de la vision grâcenotamment à des simulations photogra-phiques.
Lasection«Dépister»exposelesfacteursderisqueet lessignesd’appelprincipauxdesgrandespathologiesvisuelles,quide-vraient conduire les parents à consulterleurpédiatre.Lessignesd’appelliésàl’as-pectdesyeuxetaucomportementvisueldel’enfantsontdécrits(Figure 2).Chaquepathologie visuelle est détaillée ensuiteindividuellement. Un langage simple,concis, et dénué de terme technique estutilisé tout au long des descriptions, quisontàlafoiscomplètesetfacilementcom-préhensibles.
Finalement,lapartie«Orienter»énoncelesrôleset lesspécificitésdesdifférentsac-teursimpliquésdanslapriseencharged’unenfantatteintd’undéficitvisuel.
Lesite«www.babyvision.ch»offredoncuneinformationfacilementaccessible,concise,etdequalité,auxparentsdésireuxdedé-couvrir l’aspect visuel du développementdeleurenfant.Ladescriptiondesfacteursderisqueetdessignesd’appeldespatho-logiesvisuellesdevraitpermettred’amélio-
rerledépistagedesatteintesoculaires,etdonc leur prise en charge. Pour les pé-diatres,ils’agitd’unesourcefiableàindi-quer aux parents en complément de leurconsultation.
BabyVision.chCarolineGuy,MurielZaugg,Lenzburg
Figure1:Paged’accueildusite,quipermetl’accèsaux3sections:«Connaître»,«Dépister»et«Orienter».
Figure2:Lesdifférentespathologiesoculairesinfantilesexpliquéesd’unemanièresimpleetconciseauxparents.
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Gynea-Symposium
AllezweiJahreorganisiertGyneaeinSym-posium.Dasdiesjährige Symposium fandam17.September2011imInselspitalBernstatt,dasnächstewirdimSeptember2013stattfinden.
FürmehrInformationenzurFachgruppeso-wieaktuellenVeranstaltungsterminen,besu-chenSieunsereWebseitewww.gynea.ch.
GyneavertrittdieAnliegenderKinder-undJugendgynäkologie in der Schweiz. DerVerein (Schweizerische Arbeitsgemein-schaft fürKinder-und Jugendgynäkologieresp. Groupement Suisse de gynécologiedel’enfantetdel’adolescente)wurde1992inMontreuxgegründetundistseit2005einVereininnerhalbderSGGG.GyneaistMit-gliedderFIGIJ(FédérationInternationaledeGynécologiedel’Enfantetdel’Adolescente)undistinternationalvernetzt(v.a.Deutsch-land,Nordamerika).
DerVorstandbestehtgleichermassenausGynäkologinnen und Kinder- und Jugend-medizinerinnenausdergesamtenSchweiz.
Vorstand• IrèneDingeldein,FMHGynäkologieund
Geburtshilfe,Bern,Kopräsidentin• RenateHürlimann,FMHKinder-undJu-
gendmedizin,Zürich,Kopräsidentin• Saira-ChristineRenteria,FMHGynäkolo-
gieundGeburtshilfe,Lausanne,wissen-schaftlicheSekretärin
• MarinaCosta,FMHKinder-undJugend-medizin,Zürich
• RuthDraths,FMHGynäkologieundGe-burtshilfe,Luzern
• StefanieEichenberger-Studer,FMHKin-der-undJugendmedizin,Suhr
• Christiane Kluckert, FMH GynäkologieundGeburtshilfe,St.Gallen
• FrancescaNavratil,FMHKinder-undJu-gendmedizin,Zürich
• Sibil Tschudin, FMH Gynäkologie undGeburtshilfe,Basel
SekretariatGyneaNoëlleMüller-TscherrigBreitingerstr.238002Zü[email protected]
Homepagewww.gynea.ch
Mitglieder128
Zweck der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendgynäkologie
1. DieKinder-undJugendgynäkologiefülltdieLücke,dieinderBetreuungvongy-näkologischenErkrankungen,Sympto-men, Fragestellungen und ProblemenbeikleinenundheranwachsendenMäd-chenbesteht.Dabeispieltdieinterdis-ziplinäreZusammenarbeitmitanderenFachgebieteneinewesentlicheRolle.
2. FörderungvonKontaktenundderZu-sammenarbeit zwischen den Mitglie-dern.
3. FörderungderForschungundLehreimBereichderKinder-undJugendgynäko-logie,sowiediepraktischetherapeuti-scheundpräventiveAnwendungdieserKenntnisse.
4. Organisation von Weiter- und Fortbil-dungsveranstaltungensowieKongressen.
5. Etablierung von diagnostischen undtherapeutischenRichtlinienundderenVermittlung.
Aktivitäten
GyneaistvorallemmitderdeutschenAr-beitsgemeinschaftfürKinder-undJugend-gynäkologievernetztundempfiehltderenlehrreicheIntensivkurseIundIIinKinder-undJugendgynäkologie,diesewerdenjähr-lichinMünchen(Herbst)undFinsterbergen(Sommer)angeboten.GyneapubliziertaufderWebseitealleFort-bildungeninderSchweiz,EuropawieauchÜbersee(NASPAG=NorthAmericanSocietyofPediatricandAdolescentGynecology).
DieVorstandsmitgliederhalten regelmäs-sigVorträgezuaktuellenThemenundaufder neu gestalteten Homepage werdenFachartikelsowieGuidelinesimBereichderKinder-undJugendgynäkologiepubliziert.
Gynea–SchweizerischeArbeitsgemein-schaftfürKinder-undJugendgynäkologieGyneaVorstand
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Vol. 22 Nr. 4 2011Blickpunkt
6Wochen,entgegenmeinerErwartungwirdJules weiterhin voll gestillt, ungefähr alledreiStunden,seinGewichtnimmtzu,bleibtaberunterderdrittenPerzentile,dieMuttersagtmirohnebeunruhigtzusein,dasserden Schoppen verweigert. Sie erinnertmichdaran,dassichihrgeratenhabe,20MinutenzustillenbevorsieihmdenSchop-pen gebe, was mich erstaunt, ich habenichtsdergleicheninderKrankengeschich-tefestgehalten.Ichbinbetreten,habeichsoetwasgesagt?Wennschon,wichtigist,dassdiesesKindzuessenbekommt,dassdiese Mutter es ernährt … dass die Bin-dungzwischendenbeidenWesensichbil-det.DieHirnzellensindsichamvermehren,Vernetzungen bilden sich … es ist keineZeitzuverlieren,derZeitwertistindiesemAlterexponentiell.Ichweiss,dassWachs-tumsrückstandFolgenfürdieZukunftha-benkann;kognitiveStörungen,hoherBlut-druck,Diabetes…dochwelchenGewinnbringtes,siezusätzlichzubeunruhigen,wosie schon von der Sorge überwältigt ist,ihremKindnichtzugenügen?UndgenauindiesemAugenblickwirdJuleszumRugby-ball, den es aufzublasen gilt; sie stillt ihnmir gegenüber, sein Kopf liegt unter derrechtenBrust,festgehaltendurchdierech-te Hand, der kleine Körper eingeklemmtzwischen Seite und Vorderarm und dieBeine strampeln in der Luft … Ich habeLust,ihrzusagen,dasBabyistkeinRugby-ball,StillenistkeinRugbymatch.SeinKindnichtstillenzukönnen,heisstnichtverlie-ren,seinKindstillenzukönnen,bedeutetnichtgewinnen.
Ich muss standhalten, zwischen meinenGefühlen für diese Mutter, die nicht aufmichhörenkannundwill,undmeinenGe-fühlenfürdiesesmagere,seltsamfestge-halteneBaby.DiemütterlicheDepressionist wahrscheinlich nicht mehr fern. ZumGlück sind Grösse und Kopfumfang aufPerzentile25angestiegen,ichbeglückwün-schesie zudieser schönenZunahme;siestellt einen Diskussionsansatz dar, ichsage,diesesKindseiwahrscheinlichnichtdazubestimmt,mitseinemGewichtunterder dritten Perzentile zu bleiben und ichwünschte mir, die Gewichtskurve ebensowiediejenigedesKopfumfangsansteigenzu sehen. Unser Gedankenaustausch lo-ckertsich.Mit8WochensteigtdieKurvemitetwasZusatznahrungleichtan.
Pause.Acupoftea…
Konsultationinder6.Lebenswoche,nichtganzeinfach,ichgeheaufunsicheremGe-lände. Jules weint, die Mutter legt ihn,währendwirmiteinandersprechen,andieBrust. Jules’ Kopf liegt unter der rechtenBrust,festgehaltendurchdierechteHandderMutter,seinKörpereingeklemmtzwi-schenSeiteundVorderarmseinerMutter…DasBilderinnertmichaneinenRugby-manmitseinemBallundichempfindetiefeTraurigkeit.
JulesistdasersteKindverheirateterEltern,beidequalifizierteBerufsleute,umdiedreis-sig.Erwurdemiteinemunklaren,harmoni-schenWachstumsrückstandgeboren,hatteeinetransitorischeHypoglykämie,dieFrü-hernährung erforderlich machte, konnteabernachkurzerZeitausdemSpitalentlas-senwerden.
BeidererstenKonsultation,mit2Wochen,war die Gewichtszunahme knapp an derunteren Grenze, Jules hatte gerade seinGeburts(unter)gewichterreicht.DieMut-terstillteihnhäufigundbenutztezusätz-lich die Milchpumpe, was viel Zeit undEnergie kostete. Der anwesende Vaterhattevorsichtigangedeutet,dasLebenzudritt sei kompliziert, dass das Stillen fürdie Mutter sehr wichtig sei und es ihrschwerfallenwürde,ihreMeinungzuän-dern. Ich versuche im Laufe des Ge-
sprächs, die Situation etwas zu lockern,indemichdaraufhinweise,dassdurchdashäufigeStillendieBrüstegenügendstimu-liertwürdenunddasAbpumpenderMilchvielleicht keinen grossen Sinn mehr ma-che. Dass sie wahrscheinlich mehr vonihremBabyhabe,wennsiesich,fallsnötig,zueinergemischtenErnährungentschlös-se.Ichversuchezuerklären,dassZunei-gungals«NahrungdesWohlbefindens»fürihr Baby, für sie selbst und für ihr Paarebensowichtigsei,wiedieleiblicheNah-rung.DieMutterantwortetmir,siehabeviel Milch, die gar fliesse. Ich formuliereanders:MitihrereigenenMilchergänzen,fallssiegenügendhatoderdannmitPul-vermilch,fühleaberAblehnung.
Mit4WochenteiltmirdiestrahlendeMut-termit,Julesgeheesgut;siekommtallei-ne.JulesGrössehatdie25.Perzentileer-reicht, Gewicht und Kopfumfang liegenweiterhinunterderdrittenPerzentile.Ichweiss,dassesfürdieseMutterschwierigist,ihremKindenichtgenügenzukönnen;siemöchte,dassesmitihrerMilchwächst,wasichbegreifenkann,aberdiehängendeHautanJules’Oberschenkelntutmirwehund sagt mir, dass er mehr Nahrungbraucht,dasserHunger leidet. Ichspre-che beim Untersuchen zu ihm, «Du wür-destgerneetwasmehressen,deineMut-terwirddirgeben,guteMilchwirdsiedirgeben…».AlsichmitderUntersuchungzuEnde bin, setze ich mich an meinenSchreibtisch, die Mutter mir gegenüberundwir redenmiteinander.Natürlichun-terstreicheichdieBedeutungdieserNeu-geborenenzeitfürdasWachstumdesKin-des.IchschlageeinegemischteErnährungvor,mitPulvermilch inAnschlussandasStillen,einfachmalumzusehen,wievielernochmöchte,auchumsicherzusein,dasswir,dieErwachsenen,ihmgenügendgeben,dawirnichtwissenkönnen,obesvorgesehenist,dasseraufeinersotiefenPerzentile wächst und auch nicht, ob ergenugzuessenbekommt,obwohlsiedasGefühlhat,genügendMilchzuhaben.DieDiskussionziehtsichdahin.
StillenistkeinRugbymatch…RisakoRoch-Suzuki,ChambésyÜbersetzung:RudolfSchlaepfer,LaChaux-de-Fonds
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dasKind,inseinengrundlegendenBedürf-nissenundseinemDrangnachKontinuität,nach Existenz unbefriedigt, setzte sichseinerseitsGefahraus,wennaucheinge-wissesWachstumvorhandenwar.DerVaterzögertundistebenfallsunglücklich.MeinWusch,Pulvermilcheinzuführen,kamnichtan und ich fand keinen Einstieg, um einepsychologischeHilfevorzuschlagen.
Esscheintmir, dassderKinderarzt seineZweifelfürsichbehaltenundseineMühenertragenmuss,unddasserdieSituationimGriffbehalten,d.h.aushaltenmuss,dennderVerlaufistimmerextremvariabel.Re-gelmässig kontrollieren um Sicherheit zugewährleisten,inKenntnisundAbwägungdervielseitigenRisiken,umdemAuftretenvon Krankheiten möglichst vorzubeugen:«BeiKrankheitenzweiDingeimAugebehal-ten: hilfreich sein oder zumindest nichtschaden».(Hippokrates).
OftgeheichdurchdieWäldervonVersoixundmeinHundKumo(Wolkeaufjapanisch)schweiftfreudigherum;dochvonAprilbisMitteJulimussichihnanderLeinehalten,auchwennermichbittendanschaut:«Lassmich doch». Denn ein Gesetz in GenfschütztdieimWaldlebendenTiere,dieimFrühjahr geboren wurden, es schützt dieMutter-Kind-Beziehung,dienichtdurchfreiherumstreunende Hunde gestört werdensoll.GesetzM345.01…
Referenzen• D.W.Winnicott.MaturationalProcessesand the
FacilitatingEnvironment:StudiesintheTheoryofthe Emotional Development. London: HogarthPress,1965.
• B.Golse.Ducorpsàlapensée.LefilrougePUF.
KorrespondenzadresseDrR.Roch-SuzukiFMHPédiatrie33Av.Foretaille1292Chambé[email protected]
IndieserSituationmachteichschwerfass-bareundschwierigeMomentedurch.
Esbestandein reellesRisiko,homogenerintrauterinerWachstumsrückstand,neona-taleHypoglykämie,schliesslichungenügen-de Gewichtszunahme und das Unvermö-gen,ihrKindzuernähren.Warichunfähig?WardieMutterunfähig?WarderVaterun-fähig?WarJulesunfähig?Eswarebennichtmöglich.
Winnicottbetont,dasseinBabyohneseineUmweltnichtexistiertunddassdasBabyimstandeseinmuss,anseineUmweltge-richtete Signale auszusenden. Seine Um-weltistseineMutter,aberhinterderMuttergibt es einen Vater, die Familie, Freunde,Therapeuten,dieGesellschaft…DieMut-terentwickeltinderZeitumdieGeburtih-resKindesundnocheinigeWochendanacheinen besonderen psychischen Zustand,denWinnicottprimarymaternalpreoccu-pation nennt. In diesem Zustand ist dieMutter fähig, ihr Kind auf fast magischeWeisezuverstehenundsichseinenBedürf-nissenanzupassen.Sieistformbar,flexibel,wie Fruchtwasser einer Gebärmutter, diederVaterseinkönnte,innerhalbeinesKör-pers,derdieFamilieseinkönnteundinner-halb einer Gesellschaft, die alle übrigenumfasst.EsgibtsicherMütter,welchedie-seprimarymaternalpreoccupationnichtzuentwickelnvermögen,dochWinnicottemp-fiehlt,dieMutterindiesenfrühenPhasennichtzustören.
Ichdenke,meineTraurigkeitbeiderSprech-stundemit6WochenberuhteaufmeinerMachtlosigkeit angesichts der MagerkeitvonJules,dessenNaseinderAchselhöhleseiner Mutter verschwand. Was war ge-schehen? Die Mutter hatte gelernt, dassMuttermilchdasBestefürihrKindsei,siehattegelernt,ihreMilchabzupumpenundsiehattedieRugbyballstellungbeimStillenerlernt. Um Idealen gerecht zu werden,greiftmanzurTechnikundumeinerTech-nik gerecht zu werden, riskiert man, dasWesentlichezuverlieren,dieGrundlagedesMenschseins, das Zwischenmenschliche,dieBeziehungzumAnderen.IndieserSitu-ation konnte die allzu ängstliche Mutterkeineprimarymaternalpreoccupationent-wickeln,siekonntedenHungerihresKin-des nicht mehr wahrnehmen. Die MutterkonntejaJules’Blicknichtsehen,undJuleskonntedenBlickseinerMutternichtsehen.
Wo istderBlick,derSpiegel, inwelchemmansichsieht?WoistdasHolding,diesesGefühl,vonberuhigendenArmengetragenzuwerden,diemichnichtfallenlassen,denKopfanetwasWeiches,Warmesgebettet,dasdenSockelunseresGefühlszuexistie-rendarstellt.SpontanbegegnensichzweiVerliebteAugeinAuge…ichhaltedich,duhältstmich,ichsehedich,dusiehstmich,ichlesedichindeinenAugen,duliestmichin meinen Augen und wir schliessen dieAugen und ertrinken in demselben Blick.BeidewiederholeninderTatnur,wassieinsichaufgenommenhaben.DasBabyschautseineMuttermitforschendenAugenan,dieMutterblicktzurück,esnimmtdieBrust-warzeindenMund,kanndabeiseineMut-ternochanschauen,dochsobalddasSau-genOberhandgewinnt,schliesstesAugenundFäusteundkonzentriertsichganzaufdasSaugenundseinenGenuss.DieMutterspürt,dassessaugt(oderdasseszusichnimmt,wassieihmfreudiggibt)undeinegrosseGefühlsregungüberwältigtsie.
DasBabyistindieserfrühenPhasedoppeltabhängig, physisch und psychisch, dannwirdeswachsenundeinesTagesunabhän-gigwerden.NachundnachmussdieMutterdieseprimarymaternalpreoccupationver-lieren, sie muss schrittweise einen Frei-raumschaffen,eineTrennungzwischenihmundihr,eineFrustrationfürdasKind,damitesalsIchexistierenkann,anders,getrenntvomAnderen,vonihr.EinesTageswirdsichdiese, ihrem Kind völlig ergebene Mutterwieder ihren früheren Beschäftigungenwidmen, den übrigen Kindern, dem Ehe-mann, ihrem Beruf usw., eine Zensur derLiebendengenanntePhase.
Wasgeschieht,wenndasKinddieseHülle,dieseMembrane,dieseFlüssigkeit,diemanprimary maternal preoccupation nennt,nichtbekam?WenneinsogrundlegendesBedürfniswieHungernichtgestilltwerdenkonnte?Lebtees«amAbgrundeinerAngstvonderwirkeineAhnunghaben»?WelcheSpurenwerdenverbleiben?
Man soll auf der Hut sein, sagt B. Golse.MansollnichtVoraussagenmachen,son-dernVorbeugung.DerSpielraum,denmanmiralsKinderarztliess,warindieserSitu-ationgering.DieMutter,sobesorgt,keinegute Mutter zu sein, lief Gefahr, in einepostpartale,fürdieEntwicklungdesKindesschädliche Depression zu verfallen, und
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DiebisherigenWachstumskurvenbasie-renaufDatenZürcherKinder,dieneuenhingegenzueinemgrossenTeilaufDa-tenamerikanischerKinder.DiesesindinfolgeethnischerUnterschiedekleinerund ihre Pubertät beginnt früher. Dieneuen Wachstumskurven stellen vorallemimBereichedesspäterenKindes-undPubertätsalterseineVerschlechte-rungdar.
VorkurzemhabendasZürcherKinderspitalund die Schweizerische Gesellschaft fürPädiatrie neue Wachstumskurven publi-ziert. Die bisherigen Wachstumskurvenstammten von Zürcher Kindern, währenddie neuen aus verschiedensten in- undausländischen, vor allem amerikanischenDatenbestehen.FürdieleichteVerbesse-rung dieser neuen Kurven für das ersteLebensjahr wird eine gravierende Ver-schlechterung im späteren Kindes- und
Pubertätsalters in Kauf genommen. Diehauptsächlichzugrundeliegendenamerika-nischenKindersindinfolgevonethnischenUnterschiedenkleiner.AuchfindetderPu-bertätswachstumsspurtmehralszweiJah-re früher als bei den Schweizer Kindernstatt, was bei genauem Vergleichen derbisherigenundneuenKurvenoffensichtlichwird(vergleicheauchwww.pezz.ch).
Die Unterschiede zwischen den bisherigen und den neuen Kurven
ErstesLebensjahrDie neuen roten Säuglingskurven sinddenen der bisherigen schwarzen Kurvensehrähnlich.DiemaximaleDifferenzder50.LängenperzentilebeträgtimAltervondreiMonatenknapp1cm.BeimGewichtzeigt sich bei den neuen Kurven ein ra-scherer Anstieg und aber eine frühereAbflachung.
Grösse1–18JahreDie Unterschiede zwischen den neuenund den bisherigen WachstumskurvenbeginnenimAltervoneinbiszweiJahrenund bleiben bis zum Pubertätswachs-tumsspurtbestehen.MädchenundFrau-ensindaufdenneuenWachstumskurven2cmkleineralsaufdenbisherigen.Die-serUnterschiedverschwindetwegenderfrüheren Pubertät der Amerikanerinnenvorübergehend. Knaben sind auf denneuenKurvensogar4cmkleineralsaufdenbisherigen.AuchdieserUnterschiedverschwindet mit 10 Jahren wegen derfrüherenPubertätderAmerikaner.
Gewicht1–18JahreDieoberenPerzentilenderneuenKurvenliegendeutlichüberdenbisherigen–wahr-scheinlich zu hoch. Die Normwerte deramerikanischenRealitätanzupassen,führtzu einem problematischen permissivenEffekt. Tendenziell führen diese Kurvendazu,einerhöhtesGewichtfälschlicherwei-sealsnormalanzusehen.
NeueWachstumskurven:FürSchweizerKindernichtrepräsentativ–eineReplikUrsEiholzerundUdoMeinhardt
Dass die Frage der Repräsentativitätvon Wachstumskurven nicht nur eineakademischeDiskussiondarstellt,zeigtfolgendestypischesBeispiel:
Tim wurde von seinem Kinderarzt im Alter von 8.3 Jahren (Grösse 120 cm, Gewicht 22.3 kg) zugewiesen, weil seine Grösse unter die 3. Perzentile gefallen war. Zwei Jahre vorher (Grösse 112 cm mit 6.5 Jahren) lag seine Grösse noch über P. 3. Trotz der ungenügenden Wachstumsgeschwindigkeit von 3.8 cm pro Jahr würde Tim auf den neuen, inad-äquaten Kurven erst im Alter von 11.5 Jahren unter die 3. Perzentile fallen und in aller Regel erst dann weiter abgeklärt. Die schlussendliche, sich nur mit der ungenügenden Wachstumsentwicklung manifestierende Diagnose Zöliakie wür-de bei ihm wegen der neuen Wachstums-kurven erst im Alter von 11.5 Jahren, also 3 Jahre später gestellt und Tim hätte dabei wahrscheinlich zusätzlich an End-grösse verloren.
DiefürdiebisherigenKurvenverwendetenDaten0–18JahreGrösseGewicht,BMI,Kopf-umfang,Sitzhöhe(Körperproportionen),Wachstumsgeschwindigkeit,Hautfalten-dickenusw.:Datender1.ZürcherLongi-tudinalstudie,1.ZLS(1955–1975)
DiefürdieneuenKurvenverwendetenDaten1.0–5 Jahre: Grösse, Gewicht, BMI:
WHO-DatenausBrasilien,Ghana,In-dien,Norwegen,OmanundUSA
2.5–10 Jahre: Grösse, Gewicht, BMI:Unbearbeitete amerikanische Datenvon1977 (Weisse,Schwarze,Hispa-nos,Asiaten)
3.11–18Jahre:Grösse,Gewicht,BMI:Bear-beiteteamerikanischeDatenvon1977(Weisse,Schwarze,Hispanos,Asiaten)
4.0–18Jahre:Kopfumfang:Neuberech-neteDatenausder2.ZürcherLongi-tudinalstudie,2.ZLS(1975–1995)
5.1–18 Jahre: Wachstumsgeschwindig-keit:UnbearbeiteteKurvender1.Zür-cherLongitudinalstudie,1.ZLS(1955–1975)
6.1–18Jahre:Körperproportionen:Unbe-arbeiteteDatender1.ZürcherLongitu-dinalstudie,1.ZLS(1955–1975)
Die neuen Kurven sind für Schweizer Kinder nicht repräsentativ
SchweizerKinder sind indenmeistenAl-tersgruppengrösseralsdieneuenKurvenangeben.DieneuenKurvenliegenaberimPubertätsaltervorübergehendzuhochwe-gen des deutlich früheren Pubertätsbe-ginnsderamerikanischenKinder.
DieneuenKurvenbringenausschliesslichimerstenJahreinegewisse,insgesamtje-doch ungenügende Verbesserung. DieneustenSchweizerDatenderZAPP-Studie(ZürcherArbeitsgemeinschaftpraktizieren-der Pädiater, Eur J Pediatr, Eiholzer et al.1998)zeigennämlich,dassSchweizerKin-der mit einem Jahr noch etwas schwererundgrössersind.
DassdiebisherigenKurvenbesserundfürdieheutigenSchweizerKinderrepräsenta-tiversind,zeigenfolgendeÜberlegungen:1.Das Grössenwachstum einer Gesell-
schaftwirdmitzunehmendemWohlstand
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GewichtKnaben0–48Jahre GewichtMädchen0–48Jahre
bis zu einem genetisch vorgegebenenMaximum optimiert. Dieser sekuläreTrendkanngutandenDatenderRekru-tenaushebungen verfolgt werden. AufGrundderneuenWachstumskurvenwä-rendieheutigenSchweizerKnabenundMädchen/Frauenkleineralsvor50Jah-ren. Die Logik des sekulären TrendssprichtaberfüreineZunahmederGrös-se:SosinddieMänner(Aushebung2009)im Durchschnitt 178.2 cm gross, alsoetwas grösser als nach den bisherigen
und den neuen Wachstumskurven (50.Perzentile:176cm).
2.DieUrsachedessekulärenTrendsliegtinder besseren Ernährung und besserenmedizinischenVersorgung.WeildieDa-ten der 1. ZLS aus der Mittelschichtstammen und sich in der ZwischenzeitderWohlstandaufbreiteKreiseverteilthat, sind diese Daten auch heute nochrepräsentativ.
3.Für grössere Schweizer Kinder sprichtaucheineneueArbeit,diezeigt,dassder
KopfumfangsehrgutmitderKörpergrös-se korreliert. Der Kopfumfang der US-KinderwarnämlichfürdieneuenSchwei-zerKurvenzuklein.DeshalbwurdenfürdieneuenKurvendieDatender2.ZLSverwendet.
4.Gerade wegen des Timings des Puber-tätswachstumsspurtes,welcheraufdenneuen Kurven rund 2 Jahre zu früh er-folgt, fordern Wachstumsspezialisten,dassbevölkerungsspezifischeDatenver-wendetwerden.
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LängeKnaben0–48Monate LängeMädchen0–48Monate
KurvenvergleichSchwarz:BisherigeWachstumskurven;Rot:NeueWachstumskurven;jeweils3.,50.und97.Perzentile.Grün:AufSäuglingskurve:ZAPP-Kurve,50.Perzentile(ZürcherArbeitsgemeinschaftpraktizierenderPädiater).
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schaftlicheZweckeverwendetundsindinDeutschland und andernorts weiterhin inGebrauch.
Eswäredurchausmöglich,diebisherigenWachstumskurvenmitpunktuellenKontrol-lenzuüberprüfenundanzupassen.Indie-sem Sinne haben wir 1998 das erste Le-bensjahr im Rahmen der ZAPP-StudieüberprüftundneueZahlenpubliziert.Ähn-licheswäreinanderenAltersgruppenmög-lich.MankönntefürdieÜberprüfungauchDatenverwenden,welchevonverschiede-nen Schulärzten gesammelt wurden. Im
Wie weiter?
WirhabenesbeidenneuenZürcherKurvenmit einer Collage von verschiedenstenausländischenund inländischenDaten zutun,derenRepräsentativitätfürSchweizerKinder alles andere als gesichert ist. ImGegenteil,dieTatsache,dassbeiunserenKinderndiePubertätsentwicklungdeutlichspätereintrittalsbeidenamerikanischenKindern,welchedieBasisderneuenKurvenbilden, zeigt bereits klar, dass die neuenKurven für Schweizer Kinder nicht reprä-sentativseinkönnen.VieleAnhaltspunkte
sprechendafür,dassdiebisherigenKurvenfürSchweizerKinderrepräsentativersindalsdieneuenKurven.
DieZürcherLongitudinalstudiewurdevomweltberühmtenSchweizerWissenschaftlerundKinderarztAndreaPradergleichzeitigmitandereneuropäischenWachstumsstu-dien begonnen. Sie gilt bis heute alsbeispielhaft. Die daraus konstruiertenWachstumskurven gelten als SchweizerPräzisionsprodukt wie beispielsweise dieSchweizer Uhr und die Schweizer Eisen-bahn. Sie werden weltweit für wissen-
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von Schweizer Kindern zweckmässig. Siesind ein pragmatischer Kompromiss undwerdenvondenmassgeblichenFachgesell-schaftenanerkannt.FürdieBeurteilungdesGewichtes in den ersten LebensjahrenbringensieunbestritteneVorteile.FürdieVergütung der Adipositastherapie bei Ju-gendlichenwerdenseitdiesemSommerdieLimitenderneuenWachstumskurvenvondereidgenössischenLeistungskommissionanerkannt,dasienurunwesentlichvondenvorherverwendetendeutschenKurvenvonKromeyeretal.abweichen.BeiderHöhen-beurteilungimSchulalterkannmangeteil-ter Meinung sein. Die Unterschiede sindjedochvonhöchstensmässigerklinischerRelevanz. Die neuen Kurven ermöglichenzudem eine einheitliche Lösung für dieganze Schweiz, nachdem bisher in ver-schiedenenLandesteilenunterschiedlicheDatensätzegebrauchtwurden.EinheitlicheKurvensindeinVorteil,dadieMobilitätderSchweizerBevölkerunggross ist,dieNei-gungderElternalleszuhinterfragenwächstundMissverständnisseunterKollegenver-miedenwerdenkönnen.EinKonsensunterdenKinderärztinnenundKinderärztenver-schiedenster geographischer und fachli-cherHerkunftliegtimInteressederKinderundihrerFamilien.
KorrespondenzadressePDDr.med.OskarJenniLeiterAbteilungEntwicklungspädiatrieKinderspitalZürichSteinwiesstrasse758032Zü[email protected]
EiholzerundMeinhardtvertretendieMei-nung,dassdieneuenWachstumskurvenfürSchweizer Kinder «nicht repräsentativ»sind.Tatsächlichgibteskeinerepräsenta-tivenWachstumskurvenfürSchweizerKin-der. Weder die neuen WachstumskurvennochdieKurvender1.ZürcherLongitudi-nalstudie(1.ZLS)erfüllendiedafürnotwen-digen Eigenschaften von Zufallsstichpro-ben. Das Studienziel der 1. ZLS war diegenaue Dokumentation und Analyse vonindividuellen Wachstumsverläufen undnichtdieErhebungvonReferenzdaten.FürletzteresistdieStichprobeder1.ZLSmitje137KnabenundMädchenzuklein.Soberuhen beispielsweise die Extremwerte(3.oder97.Perzentile)aufDatenvonje4(sic!) Kindern. Aus diesem Grund könnendievonEiholzerundMeinhardtvorgebrach-tenUnterschiedeindenPerzentilenkurvenzum Teil als zufällige Variabilität erklärtwerden.Esistdarumverwunderlich,dassdie Autoren die Wachstumskurven der 1.ZLS als Schweizer Präzisionsprodukt wiebeispielsweisedieSchweizerUhroderdieSchweizerEisenbahnbezeichnen.
Eiholzer und Meinhardt präsentieren einBeispiel aus ihrem klinischen Alltag. Tat-sächlichkanndieAnwendungvonNormkur-venzufalschenoderverzögertenklinischenEntscheidungenführen.EntsprechendeBei-spielegibtesbeiderAnwendungallerNorm-kurven.DieQualitätvonWachstumskurvenkannallerdingsnurüberstatistischeGüte-kriterienwieSensitivitätundSpezifitätbe-urteiltwerden.SolcheStudiengibtesnicht.WachstumskurvenwerdeninderklinischenBeurteilungzusammenmitderAnamnese,denkörperlichenBefundenunddemKrank-heitsverlauf verwendet. Sie sind ein klini-schesHilfsmittel.
Die neuen Wachstumskurven sind für dieBeurteilung der körperlichen Entwicklung
NeueWachstumskurven:FürSchweizerKindernichtrepräsentativOskarJenni*,ChristianBraegger*,DanielKonrad*,LucianoMolinari*undChristianKind**
WeiterngibtesjaauchdieneuenZürcherDaten der 2. Zürcher Longitudinalstudie(1975–1995) und der Generationenstudie,für deren Auswertung der NationalfondsbeträchtlicheMittelzurVerfügunggestellthatundwelche2005nochgelobtwurden(R.LargoundO.JenniaufderWebsitedesZürcherKinderspitals).DieseDatenkönn-tenmiteinfachenMittelnzurstatistischenPrüfung der neuen und der bisherigenWachstumskurvenbenutztwerden,indemman für spezifische Altersgruppen zählt,wievieleFällesich innerhalbbeziehungs-weise ausserhalb eines bestimmten Per-zentilenbereichesbefinden–zumBeispielmüssten theoretisch3ProzentderStich-proben auf oder über der 97. Perzentileliegen.Wirwärengernebereit,beidieserPrüfungderKurvenmitzuhelfen.
ZusammenfassendsindwirderMeinung,dassdiebisherigenWachstumskurvenfürSchweizerKinderauchheutenochreprä-sentativersindalsdieneuenKurven.Wirschlagendeshalbvor,vorerstdiebisheri-gen Kurven weiterhin zu verwenden undsich nicht dazu verleiten zu lassen, miteinerderwichtigstenQualitätenderkin-dermedizinischenArbeit,nämlichderBe-urteilung der somatischen Entwicklung,leichtfertigumzugehen.
VollständigerTextdesArtikelsundDis-kussionsforumaufwww.pezz.ch
KorrespondenzadresseProf.UrsEiholzerundDr.UdoMeinhardtPädiatrisch-Endokrinologisches ZentrumZürichPEZZMöhrlistrasse698006Zürich
* ArbeitsgruppeWachstumskurvendesKinderspitalsZürich
** Präsident der Schweizerischen Gesellschaft fürPädiatrie
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Fallvorstellung
Gérard ist ein termingeborenes Kind der38. Schwangerschaftswoche mit einemGeburtsgewicht von 2940g und einemApgar-Score von 7/9/10. Es handelt sichumdasersteKindeinergesunden29-jäh-rigenPrimigravida,Primipara.SerologischliessensichbeiderMutterkeineAnhalts-punktefüreineInfektionmitCytomegalie-virus, HIV, Hepatitis-B- oder Hepatitis-C-Virus nachweisen. Die Blutgruppe derMutteristORhesuspositiv.ImerstenTri-menontratenmehrmalsvaginaleBlutungenauf. Gérard fällt im Alter von 9 StundendurcheinenIkterusauf.Siewerdenzuge-zogenundstelleneinengeneralisiertenIk-terusderHautundderSklerenfest.ImBlutfalleneinHämoglobinvon143g/LundeinTotalserumbilirubinvon164µmol/Lauf.
Frage1Welche 3 Argumente sprechen im vorlie-genden Fall für einen nicht physiologi-schenIkterusneonatorum?
Frage2Die Blutgruppe des Kindes ist A, Rhesusnegativ, der direkte Coombs-Test ist ++.WelcheistdiewahrscheinlichsteUrsachedieserHyperbilirubinämie?
Frage3Trotz intensiver Phototherapie steigt dieBilirubinkonzentration weiter an und dieHämoglobinkonzentration fällt weiter ab.Welche Grössenordnung des Bilirubinan-stiegs(inµmol/LproStunde)indizierteineBlutaustauschtransfusion?
Frage4WelcheBlutgruppewürdenSiefürdievor-geseheneAustausch-Transfusionwählen?
Frage5NennenSie4GruppenvonKomplikatio-nen, die während oder nach einer Aus-tauschtransfusionauftretenkönnen(nen-nen Sie bitte nicht als Antwort dieMöglichkeit einer falschen Blutgruppen-wahl).
FMHQuiz45
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(HämolyseoderinnereBlutung),Lethargie,Trinkschwäche,ErbrechenundFieber.Dunk-lerUrinoderhelleStühleweisenaufeinencholestatischenIkterushin.Eine in den Jahren 2007–2008 in derSchweizdurchgeführtenationaleStudieimRahmenderSPSUhatgezeigt,dass10der60 aufgetretenen Situationen mit sehrschwerer Hyperbilirubinämie (totales Se-rumbilirubin über der Austauschgrenze)wahrscheinlich hätten vermieden werdenkönnen, wenn diese einfachen klinischenZeichenrichtiginterpretiertwordenwären.SowurdeindiesenFälleneinIkteruszwarklinisch diagnostiziert und als solcher imPatientenblattmittelsEintragfestgehalten,eineersteBilirubinbestimmungjedocherstnacheinerLatenzzeitvon24–80Stundendurchgeführt.In8dieser10Fällelagdiesererste Wert dann bereits über der Aus-tauschtransfusionsgrenze1).
LaborchemischeHinweiseLaborchemischeHinweiseaufeinenpatho-logischenIkterussindeinmassiverhöhtes(über Phototherapiegrenzwert) oder einfrühzeitigerhöhtes(indenersten24Stun-den)Totalserumbilirubin,einrascherBiliru-binanstieg (≥10µmol/l pro Stunde), einpositiverdirekterAntiglobulin-Test (s.un-ten)sowiedasVorliegenvonanti-D,anti-A,anti-B oder anderen irregulären mütterli-chenAntikörpern.
Differentialdiagnose der hämolytischen Anämie
HämolytischeAnämienDieKombinationvonAnämieundfrühzeiti-ger, schwerer Hyperbilirubinämie deutet
Antwort1• Icteruspraecox(=AuftretenimAltervon
wenigerals24Stunden)• SchweregradderHyperbilirubinämie• LeichtgradigeAnämie
Antwort2ABO-Inkompatibilität
Antwort3Bilirubinanstieg≥10µmol/LproStunde
Antwort4BlutgruppeO,Rhesusnegativ
Antwort5• Kardiopulmonale Komplikationen: Ar-
rhythmien, Herzinsuffizienz, Apnoen,Herzstillstand.
• Elektrolytstörungen:Hypokalzämie;Hy-perkaliämie.
• HämorrhagischeDiathese:Thrombocyto-penie,MangelanGerinnungsfaktoren.
• Metabolische Entgleisungen: Azidose,Hypoglykämie.
• Gefäss-undKatheter-assoziierteKompli-kationen: Embolien, Thrombosen, Va-sospasmen.
• Infektionen(selten).• Hypothermie.
KommentarMatthiasRoth-Kleiner,Lausanne
Physiologischer versus pathologischer Ikterus
EinIkterustrittbeirund60%allerNeuge-borenenaufundistdeshalbapriorikeine
Abnormität.Manmusssichjedochbeije-dem ikterischenNeugeborenendieFragestellen,obessichhierbeiumeinenphysio-logischenodereinenpathologischenIk-terushandelt:
AnamnestischeundklinischeRisikofaktorenRisikofaktoren, die auf einen pathologi-schenIkterusmitbestehenderoderzuer-wartender schwerer Hyperbilirubinämiehinweisendsind:• SchwereHyperbilirubinämiebeiälteren
GeschwisternoderbeieinemElternteil.• Vorliegen einer potenziellen Rhesus-
oder ABO-Konstellation aufgrund dermütterlichenBlutgruppe.
• VorhandenseinvonmütterlichenAntikör-pern.
• ZeichenvonfetalerAnämiewährendderSchwangerschaft, wie: PathologischeDoppleruntersuchungderfetalenA.ce-rebrimedia,tachycardesCTGoderHin-weiseauffetaleHerzinsuffizienzimUlt-raschallwiePleura-oderPerikarderguss,AszitesoderHautödem.
• Frühgeburtlichkeit.• TraumatischeExtraktionmitHämatomen.• Polyglobulie.
KlinischeZeichenFüreinenpathologischenIkterussprechenzudemfolgendeklinischenZeichen:Icteruspraecox = Auftreten der Gelbfärbung derHaut am ersten Lebenstag. AusgeprägterIkterus mit Einbezug der Hände und/oderder unteren Extremitäten (der Ikterus be-ginntnormalerweiseinderKopfregionundbreitetsichincaudalerRichtungaus).Wei-tereklinischeZeichensind:Apathie,Blässe
Rhesus ABO Kell
BlutgruppenkonstellationMutterKind
RhesusnegativRhpositiv(D,evtC,E,c)
O(seltenA)AoderB
KellK-negativKellK-positiv
FamiliäreKonstellationErstesKindbetroffenSchweregradbeifolgendenKindern
sehrseltenzunehmend
inbiszu40–50%unvorhersehbar
seltenmeistzunehmend
HäufigkeitundSchweregradIntrauterineAnämie+/-HydropsHyperbilirubinämiePostnataleAnämieKorrelation:mütterlicheAKzuSchweregrad
+++frühund++++++++
(+)frühund+++(+)
+++(+)+++(+)
BlutbildSphärozytenRetikulozyten/Erythroblasten
++++
+++
(-)(-)
Tabelle1:VergleichderwichtigstenUrsachenvonimmunhämolytischerAnämieundHyperbilirubinämiedesNeugeborenen
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ABO-InkompatibilitätwenigerdieAnämieklinischrelevant,alsvielmehrdiepostna-tale schwere Hyperbilirubinämie. Diesliegt daran, dass auf den ErythrozytendeutlichwenigerA-,respektiveB-Antigen-bindungstellen vorhanden sind im Ver-gleichzurPräsenzvonRhesus-D-Antige-nen.Daskanndazuführen,dassderDATnegativ sein kann auch wenn eine ABO-Inkompatibilität vorliegt3). Mittels Elu-tions-TestkönnendieAntikörperimmüt-terlichen Serum nachgewiesen undidentifiziertwerden.DiehoheDichtevonRhesus-D-Antigenen auf der Erythrozy-tenoberflächebeiderRhesusinkompatibi-litätführtdazu,dassdievonAntikörpernbefallenenErythrozytenraschhämolysie-ren und eine massive Neubildung vonErythrozyten bewirken. Bei der ABO-In-kompatibilität mit vergleichsweise weni-gerA-resp.B-Antigenbindungstellenhä-molysieren die Erythrozyten auch nachAntikörperbefallwenigerschnellundblei-beninZirkulationinFormvonosmotischwenigerresistentenSphärozyten.SozeigtderBlutausstrichvonNeugeborenenmitABO-Inkompatibilität typischerweisemehrSphärozyten,aberdeutlichwenigerReticulozytenundErythroblastenimVer-gleichzujenembeieinerRhesus-Inkom-patibilität.AlsAusnahmehierzubleibtzuerwähnen,dassEinzelfällevonschwererpostnatalerundsogarfötalerAnämiebeiABO-Inkompatibilitätbeschriebenwordensind. Es handelte sich in diesen Fällenmeist um afrikanische Frauen, die sehrhoheTitervon(meistens)anti-B-Antikör-pernaufwiesen3).
BeidemimQuizbeschriebenenFalldeutenBlutgruppenkonstellation, positiver DATunddieschwere,frühzeitigeHyperbilirubin-ämiemitabernurleichtgradigerAnämieaufeineABO-Unverträglichkeithin.
Kell-InkompatibilitätDie dritthäufigste Gruppe von hämolysie-renden Antikörpern sind die anti-Kell-AK.Siehabennebeneinereherleichtgradigenhämolysierenden Wirkung insbesondereeinen supprimierenden Effekt auf daserythropoietischeSystem4).DiesführtbeibetroffenenFötenzueinerschweren,typi-scherweise aregenerativen Anämie. DaauchmyeloideVorläuferzellendurchanti-Kell-Antikörperbetroffenseinkönnen,kannauch eine begleitende Thrombozytopenieund/oderLeukozytopenievorliegen.
aufeinhämolytischesGeschehenhin.DerimvorliegendenFallpositivedirekteAnti-globulin-Test (DAT)oderdirekteCoombs-Test,istcharakteristischfüreineimmuno-logischeUrsacheundlässtdeshalb–auchwennSensitivitätundSpezifitätnichtopti-mal sind – die anderen Aetiologien derhämolytischen Anämie (Enzymmangel-krankheiten wie Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-MangeloderPyruvatkina-se-Mangel; Hämoglobinopathien oderErythrozyten-Membranschädigungen) inden Hintergrund treten. Der DAT ist derNachweis von hämolysierenden mütterli-chenIgGaufneonatalenErythrozyten.DiehäufigstenimmunologischenUrsachenfüreinenhämolytischenIkterussindBlutgrup-peninkompatibilitäten, insbesondere desRhesussystems, der ABO-Antigene, undseltener aufgrund von anti-Kell-Antikör-pern. Eine Gegenüberstellung dieser dreiBlutgruppenunverträglichkeitenistinTabel-le 1zusammengestellt.
Rhesus-InkompatibilitätUnterRhesus-Positivitätverstehtmandasgenetisch determinierte VorhandenseinvonD-Rhesus-AntigenenaufdenErythro-zyten.EineRhesus-Alloimmunisationkannauftreten,wenneineRhesus-negativeMut-termitErythrozytenihresRhesus-positivenFöteninKontaktkommt.Fürdasmütterli-cheImmunsystemsinddieD-Antigeneaufden fötalen Erythrozyten Fremdantigene,wasimmunologischeProzessezurBildungvonanti-D-Antikörpernauslöst.Diesoer-lernte Fähigkeit der anti-D-Antikörper-Produktion führt bei einer künftigenSchwangerschaftmitentsprechenderBlut-gruppenkonstellation zum raschen Titer-AnstiegvonIgG-Antikörpern,derenPassa-geviaPlazentaindenfötalenKreislauf,zurHämolyse der fötalen Erythrozyten unddamitzurAnämieundderFreisetzungvonindirektemBilirubin.DieAnämiekann fürden Föten lebensbedrohlich werden mitAuftretenvonHerzinsuffizienzbishinzumHydropsfötalis.DasbeieinersolchenHä-molysealsAbfallproduktdesHäm-Katabo-lismusanfallende indirekteBilirubinstelltfürdenFötenjedochimAllgemeinenkeineGesundheitsgefährdungdar.AlslipophilesMolekülistesplazentagängig,wirdalsoinden Kreislauf der Mutter transferiert undreichertsichsomitnichtinhohenKonzen-trationenimfötalenBlutan.Indermütter-lichen Leber wird das indirekte Bilirubinzumdirekten,hydrophilenBilirubingluku-
ronisiert und via Gallenwege im mütterli-chenGastrointestinaltraktausgeschieden.
EineRhesus-positiveMutter(perDefinitionRhesus-D-Antigenpositiv)wirdalsoniedieklassischeRhesus-D-Alloimmunisationma-chen,dadasRhesus-D-AntigenfürsiekeinFremdantigen ist. Daneben gibt es abernochweitereAntigenedesRhesussystems(C, c, E, e usw.). Eine Rhesus-D-positiveMutterkannAntikörpergegendieseande-renAntigenedesRhesussystemsbildenbeiKontakt mit Blut einer entsprechendenRhesus-Untergruppe. Ein direkter Nach-weissolcherAntikörpererfolgtimElutions-Test.DieserwirdindenmeistenBlutgrup-penlabors routinemässig durchgeführt,wenneineentsprechendeBlutgruppenkon-stellationvorliegt,unabhängigdesResulta-tesdesDAT.
Seit der Einführung der prophylaktischenVerabreichungvonanti-D-IgGanRhesus-negative Frauen in der 28. Schwanger-schaftswocheundnachderGeburt, odernachEreignissenwährendderSchwanger-schaftmiterhöhtemRisikovonfoeto-ma-ternalemBlutkontakt(Amniozentese,müt-terlichem Bauchtrauma, Metrorrhagie,Abort usw.) konnte die Häufigkeit derschwerenRhesusinkompatibilitätdeutlichvermindert werden. Die verbesserte Be-treuung der Schwangeren mittels Ultra-schallundDoppleruntersuchungsowiedieEntwicklungvon intrauterinen therapeuti-schenInterventionenwiederfötalenBlut-transfusionhatdenMorbushaemolyticusneonatorum zu einer Seltenheit werdenlassen.
ABO-InkompatibilitätIn unseren Breitengraden ist heute dieABO-InkompatibilitätdiehäufigsteAetio-logie der schweren Hyperbilirubinämie.1)BeidertypischenKonstellationeinerABO-InkompatibilitäthatdieMutterBlutgruppeOundderFötusBlutgruppeA,respektiveB. Es sind aber auch seltene Fälle be-schrieben von hohen anti-B-Antikörper-TiternbeiMütternmitBlutgruppeA,diezuschwerer Hyperbilirubinämie bei ihrenNeugeborenenderGruppeBgeführtha-ben2).DasAuftretenvonschwererHyper-bilirubinämieisthäufigerbeiderKonstel-lation AO als bei BO. Im Gegensatz zurRhesusinkompatibilität, die schon intra-uterineineschwereHämolysemitausge-prägterAnämiebewirkenkann,istbeider
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eingesetzt werden (0.5–1g/kg Körperge-wicht).DieWirkungsweiseistnichtimDe-tailbekannt.Eswirdangenommen,dassdieIVIGmitdentransplazentärpassierenden,mütterlichenAntikörpernkompetitierenumdieAntigenbindungsstellenaufdenkindli-chenErythrozytensowiedenFc-Rezepto-renderMacrophagen.DadurchwerdendieErythrozytenwenigerantikörperbeschich-tet, respektive durch die Macrophagenverlangsamtdegradiert.InzweiMetaanaly-sendiverserkleinererrandomisierterStu-dienzeigtederEinsatzvonIVIGeinesigni-fikante Reduktion des Bedarfs vonAustauschtransfusionenundeinengewis-senTrendzurVerkürzungvonPhotothera-pie- und Hospitalisationsdauer11),12). Einekürzlich erschienene randomisierte,kontrollierteStudieausdenNiederlandenkonnte diese Resultate allerdings nichtbestätigen13). Als sehr seltene, jedochschwerwiegendeKomplikationnach IVIG-GabewurdedasAuftretenvonnekrotisie-
Therapeutische Interventionen
PhototherapieSeitdererstenwissenschaftlich-klinischenBeschreibungdesEffektesvonSonnenlichtaufdasSerumbilirubinikterischerNeuge-borener durch Cremer et al Ende der1950erJahre,hatdiePhototherapieschnelleine wichtige Rolle eingenommen und istheutenochderGrundpfeilerderHyperbili-rubinämie-Behandlung5).DiversesehrguteÜbersichtsartikelsindhierzuverfasstwor-den6),7).DasTherapieprinzipbasiertaufderTransformationdesimsubkutanenFettge-webe eingelagerten lipophilen, indirektenBilirubins in hydrophilere Substanzen, seies durch Spaltung oder durch Konfigura-tions- oder Struktur-Isomerisation. Diedaraus resultierenden Moleküle könnenanschliessend via Galle oder Urin ausge-schiedenwerden,ohneindernochimma-turenLeberdesNeugeborenenglukuroni-siertwerdenzumüssen.DieIndikationzurPhototherapie wird aufgrund des totalenSerumbilirubinwertesgestellt.EineZusam-menstellung der PhototherapielimitenabhängigvonGestations-undpostnatalemAlter findet sich in den Richtlinien derSchweizerischenGesellschaftfürNeonato-logie8).PraktischalleheuteaufdemMarktbefindlichen Therapielampen zeigten inmultiplenStudieneinehoheEffizienz,ge-messen an ihrer Strahlungsintensität(>30µW/cm2/nmimtherapeutischenWel-lenlängenbereichvon460–490nm),sowieanhandvondiversenklinischenundlabor-chemischenKriterien9),10).LED-LampenundfiberoptischeGerätezeigeneinevergleich-bareEffizienzwiediekonventionellenBlau-lichtleuchtstoffröhren. Wichtig beim Ein-satz der Phototherapie ist vor allem dieBerücksichtigungfolgenderGrundprinzipi-en:1.MöglichstgrosseKörperflächeexpo-nieren(kleineWindeln,keineFrühgebore-nen-LampenmitkleinemBestrahlungsfeldfürTermingeboreneverwenden).2.Minima-leDistanzanstrebenzwischenLampeundKind(LichtintensitätnimmtimQuadratderEntfernungab).3.EinsatzderPhotothera-pielampennurgemässdenRichtlinienderHersteller, mit entsprechender WartungundunterBerücksichtigungdermaximalenEinsatzdauer. Nur in Ausnahmefällen istBedarfzurTherapiemiteinerZweitlampe,mitdemZielderMaximierungderbestrahl-tenKörperberfläche,z.B.wenneinrascherBilirubinanstiegvorliegt(>8–10µmol/lproStunde),wenneinhoherBilirubinwertunter
funktionsgerechtem Einsatz einer Ein-zellampenichtgesenktwerdenkannoderalsInitialtherapiebeiBilirubinwerteninderNähe der Austauschtransfusionsgrenze.Hierzu eignet sich beispielsweise eine«Sandwichtherapie» mit einer fiberopti-schen Leuchtmatratze unter und einerleuchtintensivenPhototherapielampeüberdemKind.NurindenerwähntenExtremsi-tuationenmussdiePhototherapiekontinu-ierlich und ohne Unterbrechung durchge-führtwerdenbiszurdeutlichenReduktiondesSerumbilirubins.InallenanderenSitu-ationendürfenStill-undPflegepausener-folgen.DieZufuhrvonzusätzlicherFlüssig-keit unter Phototherapie muss individuellabgewogenwerden,istjedochkeineRouti-nemassnahme.
IntravenöseImmunglobulineZurTherapieeinerimmunologischbeding-tenHyperbilirubinämiekönnenauchintra-venös applizierte Immunglobuline (IVIG)
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15)DenneryPA.Pharmacologicalinterventionsforthetreatment of neonatal jaundice. Semin Neonatol2002;7(2):111–9.
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KorrespondenzadressePDDr.med.MatthiasRoth-KleinerLeitenderArztKlinikfürNeonatologieUniversitätsspital(CHUV)[email protected]
renderEnterokolitis(NEC)beschrieben4),14).AusdiesenGründenkannkeinegenerelleEmpfehlungzurIVIG-Gabeabgegebenwer-den. Im Einzelfall muss eine Risikoabwä-gungerfolgen.
WeiteremedikamentöseTherapiekonzepteIndenletztenJahrzehntenwurdendiverseMedikamente zur Prophylaxe respektiveTherapie der neonatalen Hyperbilirubinä-mie vorgeschlagen: 1. D-Penicillamin undMetalloporphyrinezurHemmungderHäm-Oxygenase und damit der Reduktion derBilirubin-Produktion.2.AlbuminzurErhö-hung der Bilirubin-Transportkapazität imBlut mit dem Ziel der Verminderung derKonzentration an freiem, unkonjugiertemBilirubin im Blut, dem gefürchteten toxi-schenMoleküldesHäm-Katabolismus.3.Phenobarbital,Clofibrate,wieauchchine-sischeKräuterpräparatezurInduktionderGlucuronyl-Transferase. 4. Agar zur Bin-dungvonBilirubinimGastrointestinaltraktunddamitzurReduktiondesenterohepati-schenKreislaufesdesBilirubins15).Dieak-tuellamvielversprechendstenMedikamen-te mit nachgewiesener Wirksamkeit sindClofibrateundMetalloporphyrine16)–18).Ins-besondere für Clofibrate bestehen abererheblicheBedenkenbezüglichpotenziellerNebenwirkungen, sodass zuerst ausge-dehnte Verträglichkeitsstudien ihre kurz-undlangfristigeSicherheitbeweisenmüs-sen,bevorsieanStelleoderbegleitendzurnebenwirkungsarmenPhototherapieindenklinischenEinsatzkommenkönnen.
AustauschtransfusionDieDurchführungeinerAustauschtransfu-sion(ATF)alsultimaratioinderHyperbili-rubinämiebehandlung hat mit den obenbeschriebenenFortschrittenderPerinatal-medizinindenletztenJahrendeutlichab-genommen19). Während in früheren Jahr-zehnten in fast jeder pädiatrischen KlinikmiteinerAbteilungfürkrankeNeugeboreneATFfastzurTagesordnunggehörten,wur-denindenJahren2007–2008alleder13inder Schweiz noch erfolgten ATF in Zent-rumsspitälernmitneonatologischerInten-sivstationdurchgeführt1).Diesistsicherlichsinnvoll,daeinerseitsinsolchenZentrums-spitälerneinTransfusionszentrummitdemerforderlichenKnow-howderBlutkompati-bilitätstestung und eine entsprechendeBlutbankvorhandensindundandererseitsdieATFmitbeachtlicherMorbidität(biszu
12%schwereKomplikationen)undMortali-tät(2%)assoziiertist20).AlshäufigsteKom-plikationensindin30–50%derFälleHypo-calzämie und Thrombozytopeniebeschrieben19). Als weitere Nebenwirkun-genaufzulistensindKrämpfe,NEC,Apno-en,Bradycardien,Hyperkaliämie,Hypogly-kämie und katheterassoziierteKomplikationen19),21). Austauschtransfusi-onslimiten können den Richtlinien derSchweizerischenGesellschaftfürNeonato-logieentnommenwerden8).
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Vol. 22 Nr. 4 2011 Buchbesprechungen
AlsEckpfeilerderDBTgeltendasTrainingso genannter «Skills» der Bereiche Acht-samkeit (dem Zen-Buddhismus entlehnt),Stresstoleranz, Emotionsregulation, zwi-schenmenschlicher Fertigkeiten und des«Walking the middle path». Letzteres ist
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DieAutorengeltenalsausgewieseneVer-treterderuniversitärenKinder-undJugend-psychiatrischenSzeneimdeutschsprachi-gen Raum und können auf eine langePublikationslistezuverschiedenenThemenverweisen.IhreimJahr2010erschieneneErstausgabe des Therapiemanuals DBT-Astützt sich im Wesentlichen auf die vonMarshaLinehan(1993)entwickelteThera-pieform zur Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung.DiesebestehtauseinerKombinationvonWut-, Leeregefühl,para-/suizidalenVerhaltensweisen,Impul-sivität, Entwertung/Idealisierung, Identi-tätsstörungundinstabilerStimmungslage;undgiltdaheralsschwerbehandelbar.
Gegenüber herkömmlichen TherapienkonntenverschiedeneStudiendieÜberle-genheit der DBT nachweisen, so dass sieauchbeianderenStörungsbildernwieDis-soziationoderEssstörungAnwendungfin-det. Für jugendliche Borderline-PatientenwurdeschliesslicheineAdaptationentwi-ckelt(AlecL.Miller,JillH.Rathus),dievonderFreiburgerArbeitsgruppeinsDeutscheübertragenundandieVerhältnisseinderBundesrepublikangepasstwurde (Böhmeetal.2002;Fleischackeretal.2005).AuchinderSchweizfindetdieseRichtungzuneh-mendAnerkennungundwirdu.a.auchbeiJugendlichen mit Anorexie oder Schizo-phreniemodifizierteingesetzt.
DBT-A:Dialektisch-behavioraleTherapiefürJugendlicheAutoren:ChristianFleischhaker,BarbaraSixt,EberhardSchulzISBN:978-3-642-13007-6HannesBielas,Zürich
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Vol. 22 Nr. 4 2011Buchbesprechungen
Laufengehaltenwird.MitHilfevonzahlrei-chenFallbeispielenbietetSteinerweitereinreichesundkreativesHandwerkszeug fürdenUmgangmitherausforderndenSituati-onen wie unfreiwillige, unmotivierte Ju-gendlicheoder lügende,stehlendeKinderoderElterndieversuchen,dieTherapeutinaufihreSeitezuziehenoderElterninÜber-forderungssituationen.
DiesesBuchrichtetsichanPersonenallerFachrichtungen, die mit Kindern und Ju-gendlichenarbeiten:ErfahreneTherapeu-tenkönnenvieleneueIdeenfürihreArbeitgewinnen.Erzieher,Pädagoginnen,Sozial-arbeiter,KinderärztinnenoderBerater,dienachanderenMethodenmitKindernarbei-ten, können von diesem Buch ebenfallsprofitieren.Dashilfreicheundumfangrei-cheAnschauungsmaterialisteinewunder-bare Unterstützung für jeden Praktiker.DiesesBuchkannsomitvorbehaltlosauchfürjedenKinder-undJugendarzt–seierinAusbildung,inderstationärenoderambu-lantenPraxistätig–empfohlenwerden!
KorrespondenzadresseSabineZehnderSchlapbachKinder-undJugendmedizinFMHJuki-PraxisAarbergergasse6,[email protected]
NachihremBestseller«Handbuchlösungs-orientiertes Arbeiten mit Kindern» (2005)erzähltdieSchweizerFachärztinfürKinder-undJugendpsychiatrie,ThereseSteinerindiesemerneutsehrpraxisorientiertenneu-enHandbuchmehrüberihrefantasievolle,kreative, respektvolle, würdigende undsehrwirkungsvolleArbeitmitKindern,Ju-gendlichenundihremSystem.
ThereseSteinerstellt indiesemBuchdiebesondere Art der Kommunikation in dersystemisch-lösungsorientierten und res-sourcenfokussiertenBeratung indenMit-telpunkt: Lösungssprache, nonverbaleKommunikationsformen, Haltung desNicht-Wissens, Würdigen und UtilisierenkleinsterRessourcenoderFortschritte.Sievermitteltanschaulich,wieeintherapeuti-sches resp. pädagogisches Gesprächlösungsorientiert aufgebaut, der Bera-tungsprozesserfolgreichgestaltetunder-folgreich bis zum Erreichen des Ziels am
Jetztmalangenommen…AnregungenfürdielösungsfokussierteArbeitmitKindernundJugendlichenThereseSteiner,2011,Carl-Auer-Systeme,Heidelberg.249Seiten,ISBN978-3-89670-766-6SabineZehnderSchlapbach,Bern
charakteristischfürdieseTherapiemixtur:Die Dialektik als Balance von Akzeptanzund Veränderung – und Veränderung alsKonstante verseht. Zwei Dinge, die wieGegensätzescheinen,könnenbeidewahrsein.
DieseGrundhaltungundtheoretischenAs-pekte werden in dem vorliegenden Buchkaumausgeführt.DieAutorenfokussierenaufdieEinführungundpraktischeAnwen-dungsvorschläge.SiestellendemmitderMaterievertrautenLesereineReihehilfrei-cher Arbeitsblätter («handouts») für dasGruppen-undEinzeltherapeutischeSettingzurVerfügung,dieübereinebeiliegendeCDjederzeitvervielfältigtwerdenkönnen.Die-sepraktischenAspektesindvonunschätz-baremWert,wobeiderUmgangdamiteinerSchulung und Reflektion bedarf, die andieser Stelle gewissermassen vorausge-setzt wird. Fazit: Für Therapeuten einesinnvolleInspirationsquelle.
KorrespondenzadresseDr.med.HannesBielasOberarztPsychiatrie/PsychosomatikKinderspitalZürichUniversitäts-KinderklinikSteinwiesstrasse758032Zü[email protected]
Pharma-News
70% des menschlichen Immunsystems be-findet sich im Darm. Deshalb ist eine gesun-de Darmf lora für Babys besonders wichtig. Vor allem zwei Inhaltsstoffe der Mutter-milch sind dabei entscheidend: Probiotische Milchsäurekulturen und präbiotische Bal-laststoffe.
Natürliche Milchsäurekulturen (Probi-otika) siedeln sich im Darm des gestillten Säuglings an und wehren dort unerwünschte Keime ab. Dadurch erfüllen sie eine Barrie-refunktion, die das Baby vor Allergien und Krankheiten schützen kann. Präbiotische Ballaststoffe (Präbiotika) dienen als «Nahrung» für die Probiotika und tragen dadurch zu einer gesunden Darmf lora bei.
Eine gesunde Darmf lora hilft, Abwehrkräfte zu stärken und Allergien zu vermeiden. Da-her sind gestillte Babys besonders gut ge-schützt.
Aufbauend auf neuesten Erkenntnissen der Muttermilchforschung hat die HiPP Ernäh-rungswissenschaft mit HiPP Combiotik® ei-ne neue Generation Milchnahrung entwi-ckelt, die genau auf die besonderen Ernährungsbedürfnisse Ihres Babys abge-stimmt ist. Nur HiPP Combiotik® Folge-nahrungen enthalten nach dem Vorbild Muttermilch die einzigartige Kombination aus:• Natürlichen Milchsäurekulturen, die
ursprünglich aus Muttermilch gewonnen
wurden. Muttermilch enthält eine Vielzahl probiotischer Kulturen, die individuell un-terschiedlich sein können.
• Präbiotischen Ballaststoffen (GOS) Diese präbiotischen Ballaststoffe unterstüt-zen eine gesunde Darmf lora.
• Mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren, wie sie auch in Muttermilch enthalten sind. Sie sind besonders wichtig für Gehirn- und Nervenzellen, können vom Körper selbst jedoch nicht hergestellt werden.
Mehr Informationen finden Sie unter www.hipp.ch oder www.combiotik.ch
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Stillen ist das Beste für Ihr BabyStillen ist das Beste für Ihr Baby, denn Muttermilch enthält alles, was es für ein gesundes Wachstum braucht. Leicht ver-dauliches Eiweiss schont den empfindli-
chen Organismus, mehrfach ungesättigte Fettsäuren unterstützen die Entwicklung des Sehvermögens und von Gehirn- und Nervenzellen.
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Vol. 22 Nr. 4 2011Varia
KollegiumfürHausarztmedizinKHM
KHMForschungspreisHausarztmedizin2012GestiftetvonMEPHA
Fachgebiet Hausarztmedizin
Arbeiten/Kriterien AbgeschlossenewissenschaftlicheArbeitenausderSchweizodervonimAuslandtätigenSchweizer-Innen,diewichtigeAspektehausärztlicherGrundversorgungthematisieren,insbesondere:
• DieQualitätderBehandlungundderBetreuunghausärztlicherPatientInnen. • DiepraktischeArbeitdeshausärztlichenGrundversorgers(valid,relevant,umsetzbarimRahmen
derPraxis). • DieSicherstellungderhausärztlichenGrundversorgung(ErforschungderGrundlagen,Arbeits-
bedingungen,RessourcenlageundVersorgungssituation).
Preissumme CHF30000.— • EskönneneineodermehrereArbeitenausgezeichnetwerden. • BeiderPreisvergabeanmehrereArbeitenwirddiePreissummeaufgeteilt.
DerRechtswegistausgeschlossen.
TeilnehmerInnen AutorinnenundAutorenausderSchweizodervonimAuslandtätigenSchweizerInnen,dieindenvergangenendreiJahreneinebedeutendehausärztlicheArbeitabgeschlossenhaben.
Eingabetermin 1.Dezember2011(bittedenneuen,früherenTerminbeachten)
Preisverleihung Am21.Juni2012anlässlichKHM-FortbildungskongressLuzern(21./22.6.2012)undam30.Aug.2012beidenJournéesdeformationCMPR/SwissFamilyDocsConferenceinLausanne(30./31.8.2012).
Preiskomitee EineunabhängigeJury,eingesetztvomStiftungsratKHM.
Teilnahmebedingungen EinzureichensindinelektronischerFormperE-MailoderCD(keineDisketten)undaufPapier: • Anmeldeformular(www.kollegium.ch/rd/d.html) • CurriculumvitaedesHauptautors • Manuskript • Begleitschreiben«BedeutungdereingereichtenArbeitfürdieHausarztmedizin»
SchoneinmalunterbreiteteArbeitenkönnennichtberücksichtigtwerdenundüberdiePreisnominie-rungwirdkeineKorrespondenzgeführt.
Auskunft KollegiumfürHausarztmedizinKHM SekretariatForschungHausarztmedizin,Landhausweg26,3007Bern [email protected];www.kollegium.ch/rd/d.html
WegleitungfürAutorenklinischerFälle
Unterbreitung eines klinischen FallesDasManuskriptistderRedaktionperE-Mailzuunterbreiten:[email protected]:Dr.R.Tabin,ChefredaktorPaediatrica,Av.GénéralGuisan30,Postfach942,CH-3960Sierre
AutorenJederArzt,derKinderbetreut,istberechtigt,derRedaktionvonPaediatricaeineninteressantenundoriginellenklinischenFallzurPublikationzuunterbreiten.
EmpfehlungenTitel• PräzisundkurzgefassterTitel,ohneAbkürzungen• VornameundNameallerAutoren,ohneAbkürzungen,sowieihreAdresse• VollständigeAdressederbeteiligtenAbteilungenundLabors• Korrespondenzadresse• Name,AdresseundTelefon-oderFaxnummersowieE-Mail-Adresseder
Person,anwelcheKorrespondenzundKorrekturabzügegehen
Schrift und Darstellung des Manuskriptes• DieBeiträgekönneneinekurzeAnamnese,AbbildungenguterQualität,
eineknappeDiskussionundhöchstens10Referenzenenthalten.
• SiesollenimPrinzipnichtmehralseineZeitschriftseiteumfassen (5000Druckzeichen).• AbbildungensollenimFormatJPEGoderPNG(300dpi)(maximal2MB)
undvomTextgetrennteingereichtwerden.• DerTexterscheintenglischoderaberdeutschundfranzösisch.
Einwilligung der FamilieDieEinwilligungderFamiliemussvorUnterbreitungeinesFotosdesFalleseingeholt und durch ein schriftliches, von den Eltern unterschriebenesDokumentdesErstautorsbelegtwerden.
AbzügeNachAnnahmedesArtikelserhaltenalleAutoreneinenAbzugfürdas«GutzumDruck».EswerdenkeineSeparatagedruckt,derArtikelstehtdemAutorjedochimFormatPdfzurVerfügung.
Eigenschaften der Autoren, finanzielle BeiträgeJederunterzeichnendeAutormussenganderAusarbeitungdervorgeleg-tenArbeitbeteiligtgewesensein.Interessenkonfliktemüssenunbedingtangegebenwerden.ExternefinanzielleBeiträgesowiepersönlichefinan-zielleoderpersönlicheBeziehungensindineinerAnmerkungzuerwähnen.ArtikelmitWerbeinhalt(Publicrelationsartikel)werdennichtpubliziert(esseidennalsklarerkennbareWerbebeilagen).
WirverweisenimÜbrigenaufdieallgemeineWegleitungfürAutoren.