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(Aus dcr Chirurg. Univers.-Klinik Kick [Direktor: (leh.-Rat Prof. Dr. iV. Anschtitz.]) Bcitrag zur Coxa vara adnata chondrodystrophica. Volt Dr. reed. K~ite Freund. Vol. As~istentin (ice 171inik. ~li~, ti Textabbihhmgea. (Eing. exjangen am 6. gan~ulr 19o,~.) Das KrankheitsbiM der Chondrodystrophia foetalis ist besonders naeh den eingehenden Untersuchungen Kaufmanns ldinisch und pat.hologiseh- anat.omiseh so seharf umsehrieben, da[3 es dem Keuner kaum differentialdiagno- stisehe Sehwierigkeiten berei*en sollte. In der ]Ateratur ist allerdings mehrfaeh darau[ hingewiesen worden, dab leiehte For,nee yon Chondrodystrophi,~ foetalis nicht in rive als solehe erkanng wurden und nur bei der Sektion dureh die angesteltt~ mikroskopische Unter,suehung einen Zufalksbefund boten. Unter ,,leicht" wurde an f~er de~t geringcn in (lie Augen fallenden ldinisehen Erschei- nungen der geringe t)athologiseh-anatomisehe Befund verstanden. Wir mSehte~x nun im folgenden vier yon uns beobachtete 1,'511e yon Chon- drodystrophia foet.alis sehilderu, die trotz ihres ldiniseh mchr oder weniger leiehten Verlaufes zum Tell hoehgradige lokale Knochenvergnderungen zeigten, (lie wit allerdings nieht mikroskopisch-anatomisch, sondern nur dutch den r6nt- genologischen Befund naehweisen konnten. Interessant ist bei diesen l."itllen ferner, dal] es sieh um 4 Fi~lle aus einer Familie handelt, in der sieh vermutlich -- wenn wir die subjektiven Ang,~ben beriieksiehtigen -- die Erkrankung durch g Gene- rationen hindureh vererbt hat, und da[3 bei den yon uns untersuehten 4 Fitllen dermit der Krankheit behaftete Vat.er dies(; wieder auf 3 seiner 6 Kinder weiter- vererbt hat, wghrend die 3 anderen v611ig normale Knoehenen~wieklung zeigen. Wenn wit die zu schildernden Fitlle als kliniseh leieht oder vielleieht besser als atypiseh bezeiehnen, so denken wit hauptsiiehlieh an da.s Fehlei1 des sons~ bei allen Chomlrodystrophikern stets vorhandenen und als typiseh fiir diese Erkrankung geltenden Mil3verhhltnisses zwisehen der Gr61ie des Rumples und der Ex'~remigSten, der UnproportionalitSt des Zwergenwaehstums. Auf dem Bilde (vgl. Abb. 1), das die 6 Gesehwister in der Reihenfolge des Alters geor(hlet zei~, fgllt wohl sofort das Zwergenwaehstum der Geschwister 1, 4 und in geringem Mate yon 5 auf, abet dieses Zwergenwachstum glmelt, mehr dem eines raehitisehen Zwerges, der aueh h/~tffig die hoehgradigen Ver- biegungen der Knoehen im Sinne der Genua vara (wie Kind 1 und 4) zei~, als dem einer typisehen Chondrodystrophie. Aueh vermissen wir die fiir

Beitrag zur Coxa vara adnata chondrodystrophica

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Page 1: Beitrag zur Coxa vara adnata chondrodystrophica

(Aus dcr Chirurg. Univers.-Klinik Kick [Direktor: (leh.-Rat Prof. Dr. iV. Anschtitz.])

Bcitrag zur Coxa vara adnata chondrodystrophica.

Volt

Dr. reed. K~ite F r e u n d . Vol. As~is tent in (ice 171inik.

~li~, ti Textabbihhmgea.

(Eing. exjangen am 6. gan~ulr 19o,~.)

Das KrankheitsbiM der Chondrodystrophia foetalis ist besonders naeh den eingehenden Untersuchungen K a u f m a n n s ldinisch und pat.hologiseh- anat.omiseh so seharf umsehrieben, da[3 es dem Keuner kaum differentialdiagno- stisehe Sehwierigkeiten berei*en sollte. In der ]Ateratur ist allerdings mehrfaeh darau[ hingewiesen worden, dab l e i e h t e For,nee yon Chondrodystrophi,~ foetalis nicht in r ive als solehe erkanng wurden und nur bei der Sektion dureh die angesteltt~ mikroskopische Unter,suehung einen Zufalksbefund boten. Unter , , le icht" wurde an f~er de~t geringcn in (lie Augen fallenden ldinisehen Erschei- nungen der geringe t)athologiseh-anatomisehe Befund verstanden.

Wir mSehte~x nun im folgenden vier yon uns beobachtete 1,'511e yon Chon- drodystrophia foet.alis sehilderu, die trotz ihres ldiniseh mchr oder weniger leiehten Verlaufes zum Tell hoehgradige lokale Knochenvergnderungen zeigten, (lie wit allerdings nieht mikroskopisch-anatomisch, sondern nur dutch den r6nt- genologischen Befund naehweisen konnten. Interessant ist bei diesen l."itllen ferner, dal] es sieh um 4 Fi~lle aus einer Familie handelt, in der sieh vermutlich -- wenn wir die subjektiven Ang,~ben beriieksiehtigen -- die Erkrankung durch g Gene- rationen hindureh vererbt hat, und da[3 bei den yon uns untersuehten 4 Fitllen de rmi t der Krankheit behaftete Vat.er dies(; wieder auf 3 seiner 6 Kinder weiter- vererbt hat, wghrend die 3 anderen v611ig normale Knoehenen~wieklung zeigen.

Wenn wit die zu schildernden Fitlle als kliniseh leieht oder vielleieht besser als atypiseh bezeiehnen, so denken wit hauptsiiehlieh an da.s Fehlei1 des sons~ bei allen Chomlrodystrophikern stets vorhandenen und als typiseh fiir diese Erkrankung geltenden Mil3verhhltnisses zwisehen der Gr61ie des Rumples und der Ex'~remigSten, der UnproportionalitSt des Zwergenwaehstums.

Auf dem Bilde (vgl. Abb. 1), das die 6 Gesehwister in der Reihenfolge des Alters geor(hlet zei~, fgllt wohl sofort das Zwergenwaehstum der Geschwister 1, 4 und in geringem Mate yon 5 auf, abet dieses Zwergenwachstum glmelt, mehr dem eines raehitisehen Zwerges, der aueh h/~tffig die hoehgradigen Ver- biegungen der Knoehen im Sinne der Genua vara (wie Kind 1 und 4) ze i~ , als dem einer typisehen Chondrodystrophie. Aueh vermissen wir die fiir

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5 3 2 1,2 ii.t e I r r e u n d :

Cho,idrodystrophie bezeiehnende kretineniihnliehf' Physiognomie m[t ~ler ein- gezogenen Nasenwurzel; viehnehr nu~eh/~ (b~s Ce,~icht, (los K i n d e s t einen akro- megMen Eindruck, der sonst fill" eine ( 'hondrodystrophie nicht aLs Lvpiseh gilt.

Auf Grtmd welchen Bt.,fundcs sind wit nun doch bei diesen 3 Kindcrn auf die Diagnose Chondrody.-:l;rophie geftihrt wordml ?

AtLe 3 Geschwist, er fielen ut~s bc ide r Untersuchung dm'eh ihren watsc'heln- den Gang auf, (let' bei t{ind 1 am ausgepriigtesten, bei Kin~t -I nur a.ngedeutet war. Der Troehant, erhoehst~md, die behinderte Abduct, ion des H/iftg~'lcnke>, das positive T rcnde l e i l bu l ' g ; s ehe Phiinomen liegen tins zu der Diagnose (;oxa. vara kommen, (lie wit in allen 3 FMlen a.uch r6nt.genologisch bes/iitigt, sahen.

Abb. I.

B('i dcm Kinde 1 (Abb. 2) fimim~ wir auf (h,m [l~intaenbil, te an b~.i,l(,n H~iften ein nnhezu vSlligcs I"ehl~'n des Kopfes uud Schmtkelhalse,s. yon c lem mir g~mz geringe L~berrcst.e za sehcn siml.

Bet dent Kinde 4 (Abb. 3) fmden wit bei&,rseits ebenfMts hoehgradigc Veriin&.rungeu ant Hiiftgelenk. Der Schenkelha.ls ist kurz. plump, dcr Sch~'nkel- hMswinkel verklemert, die Epiphyse selber ;zuff~dlend ldein. Die Epiphysenlinie zeigt besonders links einen zackigen, mm'gehniil3~gen \.rertauf.

Bei dem ](inde ;3 (Abb. 4) ist, der Sehenkelhals b;qderseits gut erha.lt.en. der SehenlielhMswiuktq ka.unl l:ermindt'rg. I)(~t:h isL a.uclt hicr die Kopfepil)hyse 8Ia.rk gegeniiber der Norm ver]ileinert.

])iese pathologisehen Veriinderm~gen des H iiftg(q('nkes, besonders die volt Khtd 1 und 4 sl.ehen mm viillig im Einkkmg mit den Befmld(,n, (tie bet ehondro-

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Bci~rag zur (~ox~ vara adnat~ chondrodyst.rophica. 533

A b b . o

A bb. 3.

d y s t r o l a h i s e h e n I n d i v i d u e n iu de r I , i t , - :ratur g c s c h i l d e r t w in ' den --- wir e r i n n e r n n u t a n F a l l 6 u n d 8 de r K a u f n : a n ~ s c h e n M o n o g r a p h i e - - u n d wie ~ie ~Bosse

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534 Kitte :Freund:

als Coxa var~ admm~ chondrodyst,rophiea eingehend beschrieben ha.t. Es ha.ndelt, sieh hierbei bekanntlich um St6rungen der Waehstumsverhitltnisse der Femur- epiphyse, wie sic dutch einc ung(miigcmde enehondrale Ossifikation, die ihre

r f r , . Ursaehe in einer mangelhaftml "~ ucherun~, einer Dvstrophie des Primordi~l- knorpels hat, bcditlgt, wird. Diese StSmmgen kSrmen nun graduell schr ver,schiedea sein: sic kOnnen blo13 eine Verkleinerung der ganzeJl Femurepiphyse und des Sehenkelhalswinkels bewirkcn, sie kSnnmt ~ber auch, wie in unserem Fallc bei

..\ bt). 4.

Kind 1, zu eincm viilliKen Fvhten dc.s Schcnkclhalscs und Sohenlcelkolffos bi,~ auf geringe I 'berres te fiilu'en,

I)ic r6n~genologische Untersuchung dcr {ibrigen I~6hrenlomchen der Kinder I u n d 4 zeigt als kTrsache dcr (;ep, u~ vara eine immerhin deutliohe 17m'egel- miil3igkeit, besonders der obm'en Til)iaepii~hysenlinien als Ausd, 'uck ehlcr 81,6rltng ill tier endoehondralen Ossifikattion, einen Befund, wie wir ihn auch z. B. in. dem El lbogcngdenk yon Kind 4 (Ahb. 5) nachweisen k6nnen. Doeh seheinen diese Veriinderungen nicht hoehgradig genug zu sei.n, um das Limg(m- waehstum der R.6hrenknochen .-_'o stark herabzusetzen, d~t3 das bei einem Chon- drodyst.rophiker sonst typisehe 3Ii~3verhSltnis zwischen Rumpf mM Extrerni- tiiten resultiert. Anffa.llend ist, ~lhn'diugs bei d.en K.indern [ und 4 (tie st~rke Verkiirzm~g des Oberarms gegeniiber dem Vorderarm (2S em zu 35 em und 22 cm zu 31 era). Die l?ingerspitzen der ph,mpen, ;~ber nich'~ typischen Dreizaek-

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Beitrag zur C'ox~ v~ra ~ulnat~t ehondrodystrophica . 535

oder Vierz,~ekhimde reichen star t wie normal })is zur Mitte nur bis zum oberen Drittel des Ober.~ehenkels.

Der Schhdel zeigg bei beiden Kinclern nicht die sonst ffir Chondrodystrophie typisehen Veriin,terungen. Es fehlt (lie Verkleinermlg und Kyphose der Sehadel- basLs: die Sclla turciea und l iypophyse weisen normMe \"erh~ltnisse auf. Die N,~senwurzel ist nieht deutlich eingezogen, abet ~uch nicht ahgeplat.tet,, so dab eine Unt.erbringung weder in die crste noch in (lie zw~ite Grupt)e der I ( a u f m a n n - schen I~in~eihmg mbglich ist,. ~;

[)it' Wirl)els~iule zcigt, bei Kind 1 einc d orsMe gechtsskoliose mit kompen- sal.orisc.her linksseifiger Lumbalskoliose, at k~rdem ei ~e starke Lendmlemsattehmg.

Bei Kind 4 fiudet sich etne gerina'e Reehtsdrehm~g der Wirbelsiude im Brust- anteil, aui3erdem ebenfalks eine L(,nden- lordoso.

Die g ippen sind p lump, wciseu aber sonst= keine, besonderen Ver/i.nde-

Am Bo.cken ist cine gewisse Platt- heir des Beekeneingangs festzustelh'n. l)as Krenzbein ist itt bcktcn FMlen sch real.

Bei Kind. 5 ist ncbe, n den 1)cschrie- benea VerhMtnissen am Hiiftgelenk aul3er eint'r Plumpheil, dor / ibrig 'n .Exiremi- t, itten ke.ine besondere Vcr/mderung ~,t den Knoehe~t zu Se}t(_!ll. "~'VJr to.(ichict) .

M}er aueh bier trotz{letn annehmen, d aI3 �9 {lie ( 'oxa vara ~mf Veriinderungcn im Sinne eiu('r Chondrodyst.rophie beruht., die ebenso wie bei den a.ndcren (.k'- schwisl, ern vor aliem alas H/iftg,,h,nk beta'if f t,.

l ) e n s e l b e n g e r i n g e n Be fund . b i e t e t a u v h d e r 44j i i .hr ige Vat .er d e r K i n d e r . Aut!h bei ibm fi,.q bei d.er iiul3ercn. Beirachtung die geringe abet proportionierte KSrp,rgri.il~e (It;0 era) Abb. 5. und der leicht wat.schehute (:;~mg auf.

r "~{ l)a.~ tltiftgehmk (Abb. 6) zci~,~ ~meh Ix'i ibm dic Veri~uderuugm~ einer (., ~xa va,'~ chondro(lystrophi(;a. ]Der Sehenkelha.lswinkel t el.riigt crwa 90 ~. 8chenkclhals und K.o I,f sind ~(~(,~'n die Norm verldcin eft iltld z('i~en, um'egehnii ltiae.. Knochenzeich 11 tlllg.

An ,len iibrigen Kuochen fehlt ein deutlteher pMhob~gischer Knochenbefund.

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536 K iite F r e u n d : Beitrag zur Coxa vara adnata ehondrodystrophiea.

Die :Mitteihmg des V~rers, dM3 schon die Mutter seines \ 'ater~, sein Vat.er und dessen Bru~[cr, sehlieBlic.h a.uch sein eigetmr Brudcr ebenfalls aul3erg,~w6hnlich klein ge~ve.~('a sind und gewat.sehclt, habt'n, machen mas auch hicr riickschliel3end die l)i~gnf~se einer Coxa vara chondrody.-:t, rophic~ wahrscheinlich.

,ledenfalls handelt, cs sich in allen yon uns beobachteten 4 l.,'iillen um eim' Erl<ralakung im Sinne der Chondrodyst, rophi~ foetMis, die M)er insofern cinch atypischen Vcrlauf zeig~,, ais sic sich bier fa.sr ausschhebh~h ~m der o )ere,~ Femurdiaphy.<eepiphysengrenze ahspielt, die Fmtstelmng eincr ('oxa var~, bewirkt, a.b~w die. iibrigen epiphysiiren ~VaehstAa'nszonen in nur geringem .Mal3e oder ~a:a:h gar nicht~ ergwift, so da/5 es zu l~einer Unproportionalitii . t rh,s ~Vac.hstmns

:\l~b. 6.

kommt. Wahrscheinlicdl wiirc aus diesom (ZrmMe bei dem \'at, er und d,'m Kinde ,'3 die l)iagnose Cox~ var,~ ehondrodyst, r.l~hiea, nicht~ gestellt w~wden, were1 uns nieht, die ganz hochgradigen und rim" },~,i Chondrody~trophikern v~M~ommenden Veriinderungen de,~ Hiift.gelenkes bei Kind t u n d 4 in diesen bciden Fiilh, n t.rotz des im iibrigen atypischen gefimdcs (tie Diagnose als gesichert erseheinea liel.k,n mM mls deshalb zu der Vermuttmg fiihrten. (IM3 es ,sieh bei dem Vator d.or K inde r mM bci Kind 5 um dieselbe, nu t gnuh,t ' l l sieh m~t, erschcidcnde Erkranlcung hmMelte.

Es empfiehlr sich darum, in Fiillen yon C~xa v;~ra a ueh die Coxa var,~ adna ta chondrodystrophie~ differentia ldiagnosti~ch mit in Erwiigmlg zu ziehen, ~uch wetm der sonstige iibrigu Knochenl~eftmd un(l der /iul.~ere Aspekg tier be- treffenden hMividuen nioht im Sinne dieser Erkrankm~g spreehen.

Lit.era t ur.

Siehe bei F reund : f~re}l, f. Kinderheilk. t3d. 59. 1926.--- Bosse: Arch. f. kiln. Chirurg. Bd. 81. 190~i.