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Vordiplomprojekt zum Thema „Grenzüberschreitungen“.Ich begleitet einen Studenten der Hochschule Darmstadt der zur dieser Zeit im offenen Vollzug eine Haftstrafe abzusitzen hatte. Tagsüber wie ein normaler Student in der Fakultät und abends in der Zelle. Ich dokumentierte seinen Alltag mit Fotografien verschiedener Lebenssituationen.Format: 148mm × 210mm, 36 Seiten Die Seiten der Printversion werden, wenn die beiden Lebenssituationen aufeinandertreffen, um 180 Grad gedreht. Die Broschüre hat somit zwei Einstiege und ermöglicht dem Leser sich dem Thema von beiden Seiten zu nähern.

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offener vollzugjva eberstadt

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zwischen vorlesung und zelle

im offenen vollzug

benjamin braun (27) studiert seit oktober 2008 architektur an der hochschule darmstadt.im august 2006, verletzt er bei einer auseinandersetz- ung unter alkoholeinfluß, sein gegenüber so schwer, dass dieser dauerhafte schäden davontrug.das amtsgericht stuttgart verurteilt ihn im januar 2008 wegen schwerer körperverletzung zu einer freiheitsstrafe von zwei jahren und neun monaten. am 17. februar 2009 stellt er sich zur strafvollstreckung in der jva weiterstadt.da bei der beurteilung des psychologischen gutachtens die aspekte, die für eine unterbringung im offenen vollzug sprechen, eindeutig überwogen, wird er im juni 2009 in den offenen vollzug der jva eberstadt versetzt.

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was mache ich hier eigentlich?urteil des amtsgerichtes stuttgarts

das amtsgericht stuttgart verurteilt am 31. august 2008 herrn benjamin fabian braun nach eintägiger verhand- lung wegen schwerer körperverletzung zu einer freiheits- strafe von zwei jahren und neun monaten. das revisionsbegehren wird zurückgezogen. das urteil erlangt am 05. november 2008 rechtskraft.

dem urteil liegt folgender sachverhalt zugrunde:

herr braun verlässt in den frühen morgenstunden des 25. august 2006 zusammen mit seiner freundin aida b. im angetrunkenen zustand eine diskothek in stuttgart. auf dem weg zu einer stadtbahnhaltestelle kommt es zu einer verbalen auseinandersetzung zwischen zwei so-maliern und herrn braun. da aida b. das aggressionspo-tenzial ihres freundes kennt und sie eine tätliche ausein-andersetzung fürchtet geht sie zu den security-männern vor der diskothek zurück und bittet diese um hilfe. diese kommen der bitte nach und herr braun und seine freundin können zunächst ihren weg unbehelligt fortsetzen.kurze zeit später gehen die zwei somalier ihren bei den „kontrahenten“ nach und erreichen sie an der haltestelle. dort kommt es zu einer rangelei und wechselseitigen her- umstossen. aida b. schlägt ahmed a. ein, in ihrer tasche befindliches gebundenes buch, auf den kopf, damit er ihren freund loslasse. sie wird daraufhin von dem zweiten somalier, mohamed a. weggestossen. dies wiederum ist für herrn braun anlass seine freundin zu verteidigen, da er sie bedroht wähnt. er versetzt mohamed a. einen faust-schlag ins gesicht, sodass dieser strauchelt, zu fall kommt und ohne sich abstürzen oder den sturz anderweitig ab-zubremsen, mit dem kopf aufs pflaster aufschlägt. herr braun geht neben seinem kontrahenten auf die knie und versetzt ihm fünf weitere faustschläge ins gesicht.

wieder stehend tritt er diesen und trifft ihn in der nähe der achselhöhle und im gesicht. mohamed a. ist bereits nach dem aufschlagen auf dem asphalt zu keiner gegen-wehr mehr in der lage. herr braun kann nur durch das entschiedene eingreifen dritter daran gehindert werden weiter auf sein opfer ein-zuschlagen. er verlässt den tatort mit seiner partnerin. seine festnahme erfolgt am 30. august 2006.

mohamed a. trägt ein schweres schädel-hirn-trauma davon, schwebt zunächst in lebensgefahr. er muss an- schließend basale dinge wieder erlernen. er ist nicht mehr in der lage seine persönlichen dinge eigenve- rantwortlich zu besorgen und steht deshalb inzwischen unter einer umfassenden betreuung. er ist auf dauer berufsunfähig.

das gericht hält herrn braun strafmildernd zugute, dass er bisher noch nicht vorbestraft ist und die vorwürfe eingeräumt hat. außerdem wird strafmildernd berücksichtigt, dass das verfahren sich ohne sein verschulden außerordentlich lange hingezogen hat.

als strafschärfend sieht das gericht an, dass das opfer auf dauer unter den folgen zu leiden haben wird, ebenso wie die in der tat zum ausdruck gekommene erhebliche aggression, auf einen bereits wehrlos am boden liegenden gegner weiterhin einzuschlagen …die tatsache, dass herr braun weiss, dass er unter alko- holeinfluss leicht dazu neigt aggressiv zu entgleisen, wirkt sich ebenfalls negativ aus. dieses zu wissen und trotzdem alkohol zu konsumieren könne nicht entlastend betrachtet werden, so das gericht unter verweis auf ein urteil des bundesgerichtshofes.

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du bist jetzt schon fast ein Jahr im offenen vollzug der jva darm-stadt. erzähl noch mal kurz wie es dazu gekommen ist.das ist eigentlich eine ganz simp-le geschichte. Ich bin mit meiner freundin aus einem club heimge-gangen, dann wurden wir von zwei typen angestresst. meine freundin hatte angst, dass ich mich mit den zwei prügele und hat vorsichtshal-ber zwei securitys des clubs geholt. die haben uns dann angeboten, dass sie die polizei rufen oder nichts weiter machen können. da es schon morgens war hatte ich keine lust mehr mir noch die ac-tion mit der polizei zu geben und habe dann gesagt, dass es o.k. sei und wir jetzt heimgehen. die zwei typen sind uns dann hinterherge-gangen haben weiter gestresst und sind dann auch verbal auf meine freundin losgegangen. der eine hat mich dann zur seite gepackt und wollte sich mit mir prügeln …hatte er aufjedenfall so gesagt. meine freundin fing darauf an ein bisschen rumzuschreien damit er mich in ruhe lässt. sein cousin ist dann auf meine freundin losgegangen und wurde ein bisschen handgreiflich … dann hab ich nicht mehr nur zugeschaut.für dich war deine freundin in gefahr und du hast zugeschlagen?ja. hab ich. mehrmals.

was ist ihm denn passiert?eine knappe woche später hab ich dann erfahren das er anschei-nend im koma liegt. er ist zwar aus ca. 1,90 m umgekippt und mit dem kopf aufgeschlagen aber als er auf dem boden lag hatte ich nicht gesehen das er so k.o. war.wolltest du dich dann der polizei stellen als du es erfahren hattest.nachdem ich es aus dem internet er-fahren hatte, habe ich mich mit mei-ner freundin darüber unterhalten, ob ich mich stellen soll oder ob ich zum anwalt gehen soll. das hatte sich aber dann erledigt weil die kri-po mich da schon gefunden hatte.wie ging es dann weiter?ich wurde zum haftrichter gebracht bzw. erstmal nimmt die kripo denn ganzen fall auf, meine aussage usw.,h dann wurde der fall an die staatsanwaltschaft weitergege-ben und die beantragte dann haft. der haftrichter entschied, dass ich sofort in untersuchungshaft muss.ich war dort 52 tage lang bis mein vater die kaution hinterlegt hatte.verurteilt wurdest du 2008 zu 2 jahren und 9 monaten.was war das für ein gefühl?da war ich erstmal kurz geschockt, weil ich eigentlich davon aus-gegangen bin das ich eine be-währungsstrafe bekomm weil ich das erste mal vor gericht stand.

» das beste daraus machen «interview

mein anwalt hat dann auch sofort mit mir geredet und gesagt das wir in revision gehen und dann hätte es immer noch auf eine bewäh-rungsstrafe hinauslaufen können.ich hatte ja lange zeit gehabt mich damit anzufreunden inhaftiert zu werden und es was dann auch eine mehr oder weniger freiwillige entscheidung, denn als wir dann ein jahr später in der revisionsver-handlung waren, hatte mein anwalt nach dem zweiten verhandlungs-tag mit der richterin telefoniert, um herauszufinden in welche richtung sie beim urteil tendiert. die richterin meinte dann, dass sie den fall an das schwurgericht als versuchten totschlag weitergeben wird und da wäre die mindeststrafe dann so um die 5 jahre gewesen. da hab ich zu meinem anwalt gesagt: »die 2 jahre und 9 mona-te sitze ich kurz ab. das über-leb ich. besser als 5 Jahre.«wie denkst du heute darüber?ja… ganz ehrlich gesagt ist das al-les ziemlich dumm gelaufen. die kompletten abläufe. das die uns noch hinterhergekommen sind. das ich nicht einfach weitergelau-fen bin oder doch nicht die polizei kommen lassen habe. damals hatte ich geglaubt meine freun-din beschützen zu müssen.

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sagt wurde. das hat dann aber irgendwie nicht so geklappt.du bist mittlerweile im of-fenen vollzug in eberstadt. fühlst du dich jetzt »freier«?ja. auf jedenfall. das ist jetzt ein ganz anderes gefühl, da man rausgehen kann. man hat anfangs 3 stunden ausgang pro tag und darf am wochenende nach hause fahren. und jetzt wo du wieder studierst?also wenn ich das jetzt verglei-che, war das mit den 3 stunden ausgang pro tag eigentlich voll für den arsch. trotzdem anfangs war die steigerung vom geschlossenen vollzug, dann 3 stunden ausgang zu jetzt, wo sich mein ausgang nach meinem vorlesungsplan rich-tet und ich auch sonst für einzelnen hochschulbetreffende projekte in-dividuell ausgangsverlängerung bekomme schon ziemlich gut.was bedeute dein studi-um mittlerweile für dich?studieren … ja ein stück meines ei-genen lebens zurückzuhaben. man ist draussen und ich mache das was mir spaß macht. ist ja auch schließlich das was ich mir raus-gesucht habe und ich kann meine freunde sehen.man hat fast wieder soetwas wie eine art altes, norma-les leben zurück. ich geh morgens immer so gegen 7 uhr aus der jva,

bis auf donnerstag da hab ich kei-ne fh, ansonsten hab ich immer zum ersten block d.h. ich geh um 7 uhr raus und darf bis 19 uhr draussen bleiben. davor als ich nur 3 stunden ausgang hatte bin ich gerade mal in die stadt gegangen, einkäufe erledigen und kurz an die fh, weil ich dort ins internet konnte …das war sehr wichtig für mich um kon-takt mit leuten zuhalten, vorallem mit meinen freunden aus stuttgart.wie gehst du anderen leuten ge-genüber mit deiner situation um?meine freunde wissen es eigent-lich alle und ich gehe damit auch sehr locker und offen um. bei fremden leuten kommt es immer auf die person an. ich hab eigent-lich kein problem damit es leuten zu sagen aber würde es jetzt nie-mals jemand auf die nase binden, dass ich im knast bin, da ich nicht wirklich stolz darauf bin … das gehört jetzt einfach zu meinem leben dazu und ich probiere das beste daraus zu machen.was bedeutet freiheit im ver-gleich zu früher für dich?ja also das ist schon ein extremer unterschied zu damals, da man halt nicht mehr völlig frei entschei-den kann wie lang man irgendet-was macht. es gibt halt immer eine punkt da ist dann halt vorbei, dann ist deine freiheit für heute vorbei.

am anfang warst du ja noch im geschlossenen vollzug im wei-terstadt. wie war das für dich?durch die untersuchungshaft wusste ich ja ungefähr was mich erwartet und u-haft ist schon noch mal ein stück stressiger wie in weiterstadt. man ist da 23 stunden in seiner zel-le und in weiterstadt hatte man zu-mindest drei stunden freizeit pro tag und eine stunde hofgang, zweimal die woche sport und man konnte schwimmen gehen. da kann man schon relativ gut seine zeit gesta-ten. es gibt natürlich auch zeiten wo es komplett langweilig ist und man den ganzen tag nur stupide fernsehn schaut und sich mit irgend-welchen leuten am fenster unterhält was einen aber eigentlich nicht wirklich interessiert. es war jetzt nicht wirklich schlimm für mich aber das gefühl nicht selber zu entschei-den wann man einen raum verlässt und immer nur auf befehl rauszu-kommen das ist schon … man muss so was nicht nochmal erleben.von der möglichkeit des offe-nen vollzuges wusstest du schon im vorfeld und es war auch ziemlich sicher das du dort hinkommst. ist das richtig?ja. wir hatten sogar erwartet das ich noch früher dahin komme, da meinem anwalt das damals so von der staatsanwaltschaft ge-

interview

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bemerkst du diese unfreiheit und ist das etwas was dich den ganzen tag begleitet?nein. sobald ich morgens rausge-he denk ich eigentlich schon gar nicht mehr daran und sobald der zeitpunkt erreicht ist wo ich weiß jetzt muss ich los damit ich zu mei-nem zug komme, damit ich noch rechtzeitig in der jva ankomm, da ist dann eigentlich schon der punkt zur unfreiheit überschritten.du schaust aber nicht stän-dig auf die uhr?nicht ständig aber ich würde sagen es ist auf jedenfall öfters als früher.wenn du dann in der jva bist. wie nützt du da zeit? du bist ja nie »richtig« eingesperrt.nein, komplett eingesperrt bin ich nie. meine zelle wird nicht hinter mir abgesperrt, aber ich bin nicht viel mit irgendwelchen anderen leuten zusammen. es gibt vielleicht 2–3 leute mit denen ich ab und zu mal rede, einen kaffee trinke oder eine rauche und das vielleicht für eine halbe stunde bis stunde. ansonsten bin ich in meiner zelle mache was für die uni oder schaue fernsehn. ja ich chill da halt einfach. was willst du anderes machen.was machst du wenn du nicht in der jva bist?ich versuch halt zunächst soviel wie möglich für die uni in der jva

zumachen, dass ich am wochen-ende soviel freizeit wie möglich mit meinen freunden und mei-ner familie verbringen kann. der kontakt zu freunden und fami-lie, ist eigentlich das wichtigste. wann wirst du entlassen?also momentan läuft ein antrag auf 2/3 strafe, dass ist so was wie haft-verkürzung aber ich denke, dass der antrag durchkommt, da mich die haft doch sehr stark einschränkt.ich darf keinen laptop mit in die jva nehmen und z.B. ein cutter zum model bauen wird mir nur zeit-weise erlaubt. alles dinge die ich für mein studium brauche. wenn der antrag durchkommt könnte ich schon im oktober draussen sein.wie denkst du über die zeit nach der entlassung?erstmal mal urlaub!wohin soll es denn gehen?keine ahnung … erstmal 1–2 wochen urlaub. mal schauen wohin ... mehr gedanken hab ich mir noch nicht gemacht.haben dich die 2 jahre verändert?nein. ich glaube nicht.also von meiner persönlichkeit nicht.

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freigang nach planein fast normaler student

nach jeder vorlesung und nach jedem kurs muss sich benjamin eine unterschrift auf seinem vorlesungsplan geben lassen, damit die jva kontrollieren kann ob er auch wirklich anwesend war.es kann auch sein, dass beamte der jva an die hochschu-le kommen, um sich von seiner anwesenheit zu überzeu-gen. er trifft sich dann mit den beamten etwas ausserhalb des hochschulgeländes. seine professoren und dozenten wissen von seiner situation und wundern sich nicht mehr, wenn er nach der vorlesung zu ihnen kommt, als letztes den raum verlässt oder wartet bis die anderen studenten weg sind um sich die unterschrift abzuholen.um 19:00 uhr muss er, wieder in der jva sein.

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fachbereich architekturein stück eigenes leben

seit märz diesen jahres konnte benjamin seit studium wie-der aufnehmen und verbringt nun den größten teil des tages im fachbereich architektur der hochschule darm-stadt. sein freigang richtet sich nach seinen vorlesungen. er trifft dort freunde, arbeitet an projekten und besucht vorlesungen, wie ein ganz normaler student.

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fachbereich architektur

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fachbereich architekturhochschule darmstadt

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