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AUSGEWÄHLTE SCHRIFTEN BAND 3 echter Erik Peterson Johannesevangelium und Kanonstudien

AUSGEWÄHLTE SCHRIFTEN AUSGEWÄHLTE SCHRIFTEN … fileeindruckender Meister und Lehrer der Kir-che, den es erst noch zu entdecken gilt. Karl Kardinal Lehmann Der Autor: Erik Peterson

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A U S G E W Ä H LT E S C H R I F T E NAUSGEWÄHLTESCHRIFTEN

3 BAND 3

echterISBN 3-429-02560-5

Erik PetersonJohannesevangelium

und Kanonstudien

Erik

Peter

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Joha

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n

JohannesevangeliumDer Evangelist Johannes trägt in der östli-chen Kirche seit alters den Ehrentitel „derTheologe“. Sein Evangelium bietet Erik Peterson 1927/29 unzählige Anknüpfungs-punkte, in die Tiefe theologischer Fragenvorzustoßen: Das Verhältnis des göttlichenWortes zum Kosmos bewegt seine Ausle-gung ebenso wie die Frage, wie der Menschin Gottesdienst und Sakramenten in eineneue, endzeitliche Welt einbezogen wird.Bezugspunkte für die aktuelle ökumenischeDiskussion werden dabei allenthalben deut-lich. Aber auch in der Auseinandersetzungum die historischen Probleme der Verfasser-schaft und Entstehung des vierten Evange -liums bezieht Peterson deutlich Stellung.

KanonstudienZentral ist die Rolle, die Peterson dem jo-hanneischen Schrifttum beim Werden desKanons des Neuen Testaments insgesamtzuerkennt. Das erweisen bislang völlig unbe-kannte Vorträge mit markanten Positionenaus Petersons Zeit seiner Lehrtätigkeit inRom. Dem Übergang von der mündlichenzur schriftlichen Überlieferung in der frühenKirche widmet er hier besondere Aufmerk-samkeit – ein Thema, das auch in der Gegen-wart einen Schwerpunkt der Forschung bil-det.

„An der Kralle erkennt man den Löwen“,sagt eine alte Sentenz. Sie gilt auch für dieVorlesungen Erik Petersons. Man kann ausihnen erahnen, was diesen Historiker, Exe-geten und Theologen bewegte und welcheimmensen Kenntnisse er hatte. Er ist ein be-eindruckender Meister und Lehrer der Kir-che, den es erst noch zu entdecken gilt.

Karl Kardinal Lehmann

Der Autor: Erik Peterson (1890–1960) lehrte zwischen1924 und 1929 als Professor an der Evange-lisch-Theologischen Fakultät in Bonn dieFächer Kirchengeschichte und Neutesta-mentliche Exegese. 1930 konvertierte er zurkatholischen Kirche, lebte seit 1933 in Romund befasste sich später als Ordinarius amPäpstlichen Institut für Christliche Archäo-logie besonders mit dem Verhältnis von An-tike und Christentum.

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ERIK PETERSON

AUSGEWÄHLTE SCHRIFTEN

Mit Unterstützung des Wissenschaftlichen BeiratsBernard Andreae, Ferdinand Hahn, Karl Lehmann,

Werner Löser, Hans Maier

herausgegeben vonBarbara Nichtweiß

Band 3

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ERIK PETERSON

JOHANNESEVANGELIUMUND

KANONSTUDIEN

Aus dem Nachlass herausgegebenvon Barbara Nichtweiß

unter Mitarbeit von Kurt Anglet und Klaus Scholtissek

echter

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Übersetzung der Texte in Teil II aus dem Italienischen von Barbara Nichtweiß.

© Echter Verlag WürzburgUmschlaggestaltung: Ernst LoewDruck und Bindung: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, RegensburgISBN 3-429-02560-5

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Nichtweiß
Schreibmaschinentext
2003

Gewidmet

MICHELE CARDINALE PELLEGRINOErzbischof von Turin

(1903–1986)

und

PROF. DR. FRANCO BOLGIANIUniversität Turin

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INHALT

ZUM GELEIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIIIKarl Kardinal Lehmann

EINFÜHRUNG IN DIE EDITION. . . . . . . . . . . . . . . . . XVIIBarbara Nichtweiß

I. AUSLEGUNGEN DES JOHANNESEVANGELIUMS

1. Ort und Entstehung der Vorlesungen . . . . . . . . . . . . . XVII2. Zur Bedeutung der exegetischen Vorlesungen für die

Theologie Petersons. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII3. Einleitungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XX4. Zur Textgestalt und ihrer Wiedergabe. . . . . . . . . . . . . XXII5. Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIV6. Quellen der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIV7. Frühe Johannes-Fragmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVIII8. Spätere Auslegungsspuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIX

II. KANONSTUDIEN

1. Italienische Vorlesungen der 1940er Jahre. . . . . . . . . . XXIX2. Die Entstehung des neutestamentlichen Kanons . . . . XXX3. Texte zu den zwölf Aposteln als Traditionsträger,

Papias von Hierapolis, den Quellen des Irenäus so-wie Caius von Rom, die Aloger und die Kirchenväter XXXIII

Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVI

EINFÜHRUNG IN DIE JOHANNESVORLESUNG ERIK PETERSONS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVIIKlaus Scholtissek

1. Einleitungsfragen zum Johannesevangelium. . . . . . . . . . XXXVIII2. Das eschatologische Denken Petersons in der

Auslegung des Johannesevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . XLIII3. Beobachtungen zum kanonischen Anspruch des

Johannesevangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLIV4. Israel und „die Juden“ in der Johannesauslegung

Erik Petersons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLV

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5. Zur Schrifthermeneutik Erik Petersons . . . . . . . . . . . . . XLVII 5.1. Phänomenologische und johanneische Sehweise . . . XLVIII 5.2. Patristische und kanonische Schriftauslegung . . . . XLIX

(a) Kanonische Schriftauslegung . . . . . . . . . . . . . . . LII(b) Texte und ihre „Sinnkarriere“. . . . . . . . . . . . . . . LIII

Erik Peterson

TEIL IAUSLEGUNGEN DES JOHANNESEVANGELIUMS

VORLESUNG ÜBER DAS JOHANNESEVANGELIUM (KAP. 1 – 7,30)

Literatur zum Johannesevangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

I. Das vierte Evangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Symbolik des Vierevangelienkanons . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Begriff der Inspiration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12Begriff des Evangeliums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Johannes und die Synoptiker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Gattung der Aretologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

II. Kanonizität und Verfasserschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27Aufnahme in den Kanon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Kirchenrecht und heiliges Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 272. Die Apostolizität des Verfassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28Identität des Verfassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301. Der Presbyter Johannes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312. Der Sohn des Zebedäus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

III. Herkunft, Umfeld und Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36Syrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

VIII

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Mandäerfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371. Hypothesen zur Mandäerfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382. Johannes der Täufer und Jesus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443. Mandäer und Judenchristentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45Sprachcharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

IV. Das Johannesevangelium im Kontext des Urchristentums . 48Zeugnis prophetischen Charismas . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48Streitfall zwischen Rom und Ephesus. . . . . . . . . . . . . . . . 50

V. Der Apostel Johannes als Verfasser des vierten Evangeliums 52Der Lieblingsjünger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52Das hellenistische Umfeld in Galiläa . . . . . . . . . . . . . . . . 53

VI. Der Inhalt im Vergleich zu den Synoptikern . . . . . . . . . . . . 55

Auslegung

1,1–18 Prolog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57Die Bedeutung des Anfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57Stimme, Mythos, Spruch, Rede und Logos . . . . . . . . . . . . . . 62Der Logos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76Der Kosmos I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81Die Gotteskindschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

1,19–34 Das Zeugnis Johannes des Täufers . . . . . . . . . . . . . . . . 971,35–51 Die Berufung der ersten Jünger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Das „Amen“ des Sohnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1132,1–12 Die Hochzeit zu Kana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Das Weinwunder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1232,13–22 Die Austreibung der Händler aus dem Tempel . . . . . . 124

Irdischer und himmlischer Leib Christi . . . . . . . . . . . . . . . . 1282,23–25 Die erste Wirksamkeit Jesu in Jerusalem . . . . . . . . . . . 131

Die Erkenntnis des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1333,1–15 Das Gespräch mit Nikodemus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

Die Taufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138Fleisch und Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139Der Menschensohn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145Anschauliche Christologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

3,16–21 Gottessohn und Kosmos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149Der Kosmos II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

IX

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Der Glaube an den Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154Licht und Finsternis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

3,22–36 Die Stellung des Täufers zu Jesus . . . . . . . . . . . . . . . . . 161Jesus und Johannes der Täufer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

4,1–44 Jesus und die Samariterin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177Die Anbetung im Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185Der christliche Gottesdienst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

5,1–18 Die Heilung des Gelähmten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1965,19–47 Jesu Verhältnis zum Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

Das christliche Schriftprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211Die Ehre von einander annehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213Zur Beurteilung des Judentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

6,1–13 Die Speisung der Fünftausend. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2196,14–21 Jesu Wandeln auf dem See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2256,22–59 Das Brot des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Taufe und Eucharistie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242Jesus Christus in Fleisch und Blut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245Sakramentale und kirchliche Kommunion . . . . . . . . . . . . . . 255

6,60–66 Der Abfall der Jünger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259Das Fleisch des Menschensohnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

6,67–71 Das Petrusbekenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266Das Petrusbekenntnis bei Johannes und bei den Synoptikern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268Die Zwölf und die Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

7,1–30 Jesus beim Laubhüttenfest in Jerusalem . . . . . . . . . . . . . 273Öffentlichkeit und „Zeit“ Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

FRÜHE AUSLEGUNGEN

Joh 13,1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291Joh 16, 12–24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

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TEIL IIKANONSTUDIEN

DIE GESCHICHTE DER ENTSTEHUNG DES NEU-TESTAMENTLICHEN KANONS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

Die Bücher und der Kelch des Neuen Testaments . . . . . . . . . . . 303Die Schriften des Neuen Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305Kleine Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307Das Alte und das Neue Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308Die Entstehung der Evangelien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310Herrenworte bei Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312Kannte Paulus ein schriftliches Evangelium? . . . . . . . . . . . . . . . 314Apostolische Verkündigung und schriftliches Evangelium . . . . 318Entstehung der Evangelien aus der apostolischen Predigt . . . . . 319Die Sammlung der apostolischen Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321Apostelgeschichte und Apokalypse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321Transformierungen des Apostolats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323Öffentliche Verlesung und Katholizität apostolischer Schriften 324Kanonisierung des Neuen Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328Folgen der Kanonisierung des Neuen Testaments . . . . . . . . . . . 330

DIE ZWÖLF APOSTEL ALS TRADITIONSTRÄGER . . . . 333

PAPIAS VON HIERAPOLIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

Zur Person des Papias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335„Exegesen“ und „Logien“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337Traditionen und ihre Unterscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340Traditionen der „Schüler des Herrn“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343Das Problem von Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345Die johanneische Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347Jüdische Traditionsformen und die Bedeutung des Papias . . . . 348

KLEINASIATISCHE QUELLEN DES IRENÄUS . . . . . . . . 350

CAIUS VON ROM UND DIE ALOGER . . . . . . . . . . . . . . . 352

GEIST UND LOGOS DER KIRCHENVÄTER . . . . . . . . . . 354

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ZUM GELEIT

In den „Ausgewählten Schriften“ von Erik Peterson werden einerseitsschon früher veröffentlichte Texte, die zum Teil heute schwer erreich-bar sind, wieder neu zugänglich. Andererseits stand von Anfang anfest, dass auch bisher unveröffentlichte Texte aus dem Turiner Nach-lass veröffentlicht werden sollen. Ein herausragendes erstes Beispieldafür ist „Der Brief an die Römer“ (Band 6, Würzburg 1997). Dies isteine Vorlesung, an der zwar 1925 bzw. 1927/28 relativ wenige Hörerteilnahmen, die aber dennoch eine ganz erstaunliche Wirkung entfal-tet hat.

Im Zusammenhang der gesamten Edition kommen nun auch nochandere, bisher weitgehend unbekannte größere Vorlesungen in denVordergrund, die zumeist unvollständig geblieben sind. Als derNachlass näher erschlossen wurde, ist ihre Bedeutung auf überra-schende Weise offenbar geworden. Erik Peterson hatte ja biblisch-exegetische Vorlesungen in regelmäßiger Folge nur wenige Jahre, vorallem an der Universität Bonn (1924–1929), vortragen können. Eineperiodische Wiederholung zur laufenden Vertiefung und späterenVeröffentlichung blieb ihm versagt. Dennoch sind diese Texte es wert,heute noch veröffentlicht zu werden. Bisher kannte man außerdemden Exegeten Erik Peterson vor allem in der Auslegung paulinischerSchriften und Theologie. Auch in dieser Hinsicht wird sich noch vie-les vertiefen lassen, wie zum Beispiel die für später vorgesehene Ver-öffentlichung der Vorlesungen zum Ersten Korintherbrief erweisenwird. Aber es ist doch eine beträchtliche Erweiterung des Horizonts,dass nun auch das Johannesevangelium und die Offenbarung des Jo-hannes eindrucksvoll Zeugen der exegetisch-theologischen Arbeit Pe-tersons werden. In absehbarer Zeit kann auch das Lukasevangeliumhinzukommen. Diese neue Etappe der Edition soll hier vorgestelltwerden.

Man kann in diesen Texten noch stärker in die Werkstatt Erik Pe-tersons hineinschauen. Man kann entdecken, welche Kommentareverschiedener Epochen er vorzugsweise herangezogen und wie er siegebraucht hat. Neben sehr guten Einzelanalysen mit philologischerTreffsicherheit und religionsgeschichtlichen Klärungen, aufschlussrei-chen archäologischen Hinweisen und Interpretationen mit einemgroßen theologischen Scharfsinn gibt es plötzlich hellsichtig und ge-radezu genial formulierte Aphorismen, die man auch heute noch mitGenuss liest und die manches vorwegnehmen, was erst im Lauf derfolgenden Jahrzehnte offenkundiger werden sollte.

XIII

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Neben diesen Texten aus der Zeit der Forschung und Lehre andeutschen Universitäten gibt es auch spätere Vorlesungen in italieni-scher Sprache aus der römischen Zeit. Sie sind in einer relativ einfa-chen italienischen Sprache formuliert, die ganz die Spuren der Her-kunft aus der deutschen Sprache und Mentalität verrät. Dieser Bandbringt aus diesem Bestand in Ergänzung der Auslegung des Johannes-evangeliums eine erste Auswahl von Überlegungen vor allem zur Ka-nonfrage. Auch wenn etliche Gesichtspunkte dieser Darlegungen inden einschlägigen Handbüchern gefunden werden können und man-ches sich in der Forschung heute anders präsentiert, sogar da und dortüberholt sein mag, so bleibt doch vieles in Petersons Skizze originellund zeigt Probleme auf, die bis heute wenig Beachtung oder wenigs-tens noch keine zufrieden stellende Lösung gefunden haben, wie zumBeispiel die Rolle des Johannesevangeliums und der übrigen johan-neischen Schriften bei der Bildung des neutestamentlichen Kanon.Ähnliches gilt für die Darlegung der Erkenntnisse und Probleme, diesich aus den Papias-Fragmenten ergeben.

Damit erfolgt auch ein Vorblick auf die in späteren Jahren Petersonsentstandenen Nachlasstexte, die – wenn überhaupt – erst in einigerZeit in größerem Umfang veröffentlich werden können. In dieser Wei-se werden auch andere exegetische Bände wenigstens zum Teil thema-tisch benachbarte und eng zusammenhängende kleinere Texte rechtunterschiedlicher Art enthalten, die die Arbeitsweise Erik Petersons,besonders aber den Reichtum und die Vielfalt seiner Ideen noch mehrerhellen als bis jetzt. Immer wieder fällt die methodische Strenge auf,die ihn auch gegenüber eigenen Hypothesen vorsichtig sein lässt.

Durch die vorliegenden Texte wird man in eine Zeit geführt, die 60bis 80 Jahre zurückliegt. In dieser Hinsicht sind sie, auch wenn man-ches heute anders gesehen wird, theologie- und zeitgeschichtlich auf-schlussreich. Es gibt aber auch viele noch heute aktuelle Aussagen.Der Mut zur Theologie besticht. Freilich zeigt sich auch manche Ver-engung, die uns heute manchmal befremdlich erscheinen kann. Diesgilt für manche Aussagen zur Ökumene und besonders zum Juden-tum. Diese Äußerungen dürfen jedoch nicht isoliert herausgegriffenwerden. Die sehr vielschichtigen, manchmal auch fast erschreckendenAussagen bedürfen einer sorgfältigen Gesamtdarstellung und Inter-pretation, bevor eine abschließende Wertung möglich ist. Dabei darfman die theologischen Hintergründe nicht übersehen, die fast immerdas entscheidende Motiv sind. Peterson unterliegt keinem billigenAntisemitismus. Eine solche Untersuchung ist besonders dringlich.

„Ex ungue leonem“: An der Kralle erkennt man den Löwen, sagteine alte Sentenz. Dies muss man auch zu den fragmentarischen

XIV Karl Kardinal Lehmann

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Äußerungen und Vorlesungen Petersons sagen. Man kann aus diesenTexten erahnen, was diesen Historiker, Exegeten und Theologen be-wegte und welche immensen Kenntnisse er hatte. Hätte er in ruhige-ren Zeiten und unter anderen Umständen, finanziell gesichert unddurch Mitarbeiter unterstützt, diesen Anfängen länger nachgehenkönnen, wäre die Wissenschaft gewiss sehr reich beschenkt worden.Dennoch bleibt er auch so ein beeindruckender Meister und Lehrerder Kirche, den es erst noch zu entdecken gilt.

Der Leser verdankt diese Eindrücke ganz besonders Frau Ordina-riatsrätin Dr. theol. Barbara Nichtweiß, die bisher durch ihre hervor-ragenden Kenntnisse des gesamten Turiner Nachlasses wohl als einzi-ge in der Lage ist, diese verborgenen Schätze zu heben, und die imvorliegenden Band den größten Teil der redaktionellen und bibliogra-phischen Arbeiten geleistet hat. Nicht weniger erfreulich ist es, dass inden vergangenen Jahren immer wieder auch neue Freunde Erik Peter-sons gewonnen werden konnten, die bei dieser Entdeckungsreise, dienun auch anderen zugute kommt, dankenswerterweise behilflich ge-wesen sind und weiterhin sein werden.

Der Leser wird durch die Widmung auf die „Biblioteca Erik Peter-son“ in Turin aufmerksam gemacht. Bibliothek und Nachlass Erik Pe-tersons kamen nach seinem Tod (26.10.1960) in Abstimmung mit sei-ner Witwe nach Turin.1 Es gab bereits während der zweiten Hälfteder 50er Jahre Kontakte zwischen Peterson und dem Patristiker Mi-chele Pellegrino (25.4.1903 – 10.10.1986), damals Professor für Ge-schichte der altchristlichen Literatur an der Universität Turin und imSeptember 1965 Erzbischof von Turin (bis 1977) und in dieser Eigen-schaft Kardinal; sein Geburtstag jährt sich gerade zum 100. Mal. EinJahr nach dem Tod Petersons, nämlich im Oktober 1961, kam derUmzug der Bibliothek und vor allem auch der berühmten Zettelkar-tei nach Turin zustande. An Pellegrinos Stelle trat als Nachfolger Pro-fessor Dr. Franco Bolgiani. Es gab umfangreiche Pläne für einen wei-teren Ausbau zur Nutzung des Peterson-Nachlasses, der aber nicht

Zum Geleit XV

1 Ausführlicher mit Literatur dazu Giancarlo Caronello, Zur Rezeption Erik Petersonsin Italien, in: Barbara Nichtweiß (Hg.), Vom Ende der Zeit. Geschichtstheologie undEschatologie bei Erik Peterson, Symposium Mainz 2000 (= Religion–Geschichte–Gesellschaft. Fundamentaltheologische Studien 16), Münster 2001, S. 275-336, bes.318-323. Vgl. außerdem von Franco Bolgiani die lange Zeit maßgebende Darstellung:Dalla teologia liberale alla escatologia apocalittica: Il pensiero e l’opera di Erik Peter-son, in: Rivista di storia e letteratura religiosa 1 (1965), S. 1-58, sowie neuerdings: ErikPeterson e il giudeocristianesimo, in: Giovanni Filoramo / Claudio Gianotto (Hg.),Verus Israel. Nuove prospettive sul giudeocristianesimo. Colloquio di Torino 1999(= Biblioteca di cultura religiosa 65), Brescia 2001, S. 339-374; vgl. außerdem FrancoBolgiani (Hg.), Una città e il suo vescovo. Torino negli anni dell’episcopato diMichele Pellegrino, Bologna 2003.

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mehr zustande kam. Wenn jedoch heute eine vielbändige Publikationaus dem Nachlass möglich ist, verdanken wir dies nicht zuletzt dendamals in Turin geschaffenen Voraussetzungen der „Biblioteca ErikPeterson“.

Mainz, Ostern 2003 Karl Kardinal Lehmann

XVI Zum Geleit

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EINFÜHRUNG IN DIE EDITIONBarbara Nichtweiß

I. AUSLEGUNGEN DES JOHANNESEVANGELIUMS

1. Ort und Entstehung der Vorlesungen zum Johannesevangelium

Erik Petersons (1890–1960) universitäre Laufbahn als Exeget desNeuen Testaments dauerte insgesamt nur zehn Semester: Vom Win-tersemester 1924/25 bis zum Sommersemester 1929 übte er in Bonnneben seiner Professur für Kirchengeschichte vertretungsweise auchdie vakante Professur für Neues Testament aus. Die Tatsache, dassman ihm die Lehre der neutestamentlichen Exegese seitens des Berli-ner Ministeriums nicht auf Dauer anvertrauen wollte, sondern sichum eine anderweitige personelle Besetzung des neutestamentlichenLehrstuhls bemühte, gehörte mit zu den äußerlich ausschlaggebendenFaktoren, die Peterson schließlich im Herbst 1929 zum Verlassen derTheologischen Fakultät bewegten, denn er wollte sich nicht mehr nurin den Bereich der Kirchengeschichte zurückdrängen lassen1.

Innerhalb dieser fünf Jahre in Bonn gehört die Vorlesung über dasJohannesevangelium zu den späteren Vorlesungen. Peterson las lautVorlesungsverzeichnis über dieses Evangelium vierstündig im Som-mersemester 1927 und noch einmal dreistündig im Sommersemester1929; es handelt sich somit zugleich um die letzte exegetische Vorle-sung, die er als evangelischer Theologe gehalten hat, und dies schonim Bewusstsein, dass sein Abschied aus diesem Fach nicht mehr ab-zuwenden war. Vorausgegangen waren umfangreiche exegetische Vor-lesungen über die „Neutestamentliche Bedeutungslehre“, den Römer-brief, den 1. Korintherbrief, das Lukasevangelium und die Offenba-rung Johannis.

Bei Petersons Vorlesung über das Johannesevangelium handelt essich also einerseits – wie bei allen Vorlesungen dieser kurzen Zeit sei-ner neutestamentlichen Professur – um den ersten Anlauf eines „An-fängers“ in diesem Metier, innerhalb dieser Abfolge von verschiede-nen Vorlesungen jedoch wiederum um ein eher „reiferes“ Werk, dembereits das eingehendere Studium anderer neutestamentlicher Büchervorausgegangen war. Wie alle neutestamentlichen Vorlesungen Peter-

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1 Vgl. dazu näher Barbara Nichtweiß, Erik Peterson. Neue Sicht auf Leben und Werk,Freiburg / Basel / Wien 21994, S. 521.

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sons – mit Ausnahme der 1997 aus dem Nachlass publizierten Rö-merbriefvorlesung und einer späteren kleinen Auslegung des Philip-perbriefs von 1938/1940 – ist auch seine Auslegung des Johannes-evangeliums Fragment geblieben: Sie umfasst nur Joh 1,1 – Joh 7,30,also gerade einmal ein gutes Drittel dieses Evangeliums, wobei Peter-son auch auf eine Behandlung von 4,46–54 verzichtet hat. Anders alsim Falle seiner Paulusauslegungen gibt es im Nachlass auch keinenHinweis darauf, dass Peterson sich damals in irgendeiner Form mitPlänen zu einer Publikation seiner Auslegungen des Johannesevange-liums getragen hätte. Sieht man einmal von der Mandäerdiskussion(vgl. dazu unten S. XXII), von johanneischen Passagen in „Zeuge derWahrheit“ sowie von späten Lexikonartikeln zum weiteren Themen-umfeld ab (vgl. dazu unten XXXIVff), hat Peterson überhaupt nichtsüber die „johanneische Frage“ bzw. das Evangelium des Johannes pu-bliziert. Er verfasste also das Manuskript dieser Vorlesung nicht imBlick auf eine Rezeption bei seinen Fachkollegen der exegetischenZunft, sondern nur im Blick auf das – sehr überschaubare und imübrigen gemischt konfessionelle – Auditorium seiner Studenten undStudentinnen, was sich auch in der häufigen direkten Anrede dieserPersonengruppe zeigt. Nach allem, was wir wissen, hat sich Petersonin der Vorlesungsstunde dann auch immer genau an seine ausformu-lierten Texte gehalten.

2. Zur Bedeutung der exegetischen Vorlesungenfür die Theologie Petersons

Unter diesen Voraussetzungen muss man sich bei einer posthumenEdition dieser exegetischen Vorlesungen Rechenschaft über derenSinn ablegen. Immerhin tritt ja ein solches Auslegungswerk – auchwenn es nur fragmentarisch ist – mit einer Edition ein in den Kreiszahlreicher umfangreicher Johanneskommentare der Vergangenheitund Gegenwart, die zumeist aus einer jahre-, wenn nicht jahrzehnte-langen Beschäftigung ihrer Verfasser mit der Materie erwachsen sind.Würde es darum nicht ausreichen, aus diesen deutschen VorlesungenPetersons nur ausgewählte Teile von besonderer theologischer Rele-vanz zu veröffentlichen, wie es in einem früheren Stadium der Edi-tionsplanung auch vorgesehen war? Wenn nun doch nicht nur derRömerbrief-Kommentar und demnächst die von Peterson selbst zurPublikation vorbereitete Apokalypseauslegung, sondern auch seineanderen exegetischen Vorlesungen komplett der Öffentlichkeit vorge-stellt werden, so waren dafür folgende Gründe ausschlaggebend:

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1. Sämtliche exegetische Manuskripte der Bonner Zeit wurden in-zwischen von Vertretern der exegetischen Fachwelt begutachtet mitdem Ergebnis, dass es sich durchweg um sehr eigenständige Annähe-rungen an das Schrifttum des Neuen Testaments handelt, die auch vie-le Jahrzehnte nach ihrer Niederschrift in weiten Teilen noch eine Be-reicherung, zum Teil auch eine Herausforderung für das Feld der neu-testamentlichen Exegese und biblischen Theologie darstellen.2

2. Für die historischen wie exegetischen Vorlesungen sowohl ausPetersons Dozentenzeit in Göttingen (1920–1924) wie vor allem ausseiner Professorenzeit in Bonn (1924–1929) ist eine enge Verknüpfungvon historischer bzw. exegetischer Darlegung und theologischer Deu-tung charakteristisch. Wenn man also den weiteren Hintergrund unddie Quellen seiner damaligen immer nur ebenso knappen wie „stei-len“ theologischen Traktat-Publikationen3 eruieren möchte, ist manunabdingbar auf die umfangreichen Vorlesungsmanuskripte jener Zeitangewiesen. Gerade bei einer Behandlung des Evangeliums von Jo-hannes, dem „Theologen“ unter den Evangelisten, lassen sich vonvornherein auch besonders tief reichende theologische Überlegungenauf Seiten seines Auslegers Peterson erwarten. Eine nur partielle Ver-öffentlichung theologisch besonders interessanter Ausführungen inseinen exegetischen Vorlesungen würde jedoch die biblische Veranke-rung dieser Überlegungen lösen und damit auch eine kritische Über-prüfung dieser Wurzeln sehr erschweren. Außerdem finden sich auchin jenen Passagen der Vorlesungen, in denen Peterson den biblischenStoff eher kursorisch und insgesamt nicht besonders intensiv behan-delt, immer wieder einzelne wertvolle Beobachtungen und Formulie-rungen, die bei einer nur ausgewählten Publizierung der Vorlesungenfür die öffentliche Wahrnehmung auf längere Sicht verloren wären.

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2 Vgl. zum bereits edierten „Brief an die Römer“ (= Ausgewählte Schriften Bd. 6,Würzburg 1997) die Ausführungen von Ferdinand Hahn und Eduard Lohse, in: Bar-bara Nichtweiß (Hg.), Vom Ende der Zeit. Geschichtstheologie und Eschatologie beiErik Peterson. Symposion Mainz 2000, Münster/Hamburg/London 2001, S. 75–84und S. 85–100; zum Johannesevangelium: Klaus Scholtissek, Zwischen Buchstabeund Geist. Impulse der Johannesinterpretation Erik Petersons, in: ebd. S. 101–121;zur Johannesapokalypse: Klaus Berger, Die Beiträge Erik Petersons zur Erforschungder Offenbarung des Johannes, in: ebd. S. 122–136. Die Veröffentlichung der Vorle-sungen über die Johannesapokalypse sowie politisch-theologischer Texte (hg. vonWerner Löser und Barbara Nichtweiß) ist in Kürze zu erwarten. Die Manuskriptezum Lukasevangelium (1925–1928) werden von Reinhard von Bendemann (Kiel) zurEdition vorbereitet. Auch die Vorarbeiten zu einer Drucklegung der umfangreichenVorlesung zum 1. Korintherbrief (1926–1929) haben inzwischen begonnen.

3 Vgl. Erik Peterson, Theologische Traktate (1951) (= Ausgewählte Schriften Bd. 1),Würzburg 1994.

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3. Mit der Edition des Römerbriefkommentars wurde das auchdurch Petersons eigene Publikationstätigkeit gegebene Gewicht derpaulinischen Theologie in seinem theologischen Werk noch weiter be-tont. Es wäre aber auf Dauer eine unzutreffende Verkürzung seinerTheologie, wenn man sie als eine hauptsächlich aus paulinischenQuellen erwachsene betrachten würde. Dem nichtpaulinischenSchrifttum kommt in seinen Bonner Vorlesungen nicht nur quantita-tiv, sondern auch qualitativ ein ebenso großes Gewicht zu: Immerhinhat Peterson damals nicht nur zwei Evangelien ausgelegt (Lukas undJohannes), sondern vor allem dem johanneischen Schrifttum seine be-sondere Aufmerksamkeit geschenkt, indem er sich nicht nur demEvangelium, sondern in zwei Anläufen auch intensiv der Johannes-Apokalypse widmete; Peterson setzte zeitlebens voraus, dass Johan-nes-Evangelium, Johannesbriefe wie auch die Apokalypse von einund demselben Verfasser stammen. Gerade in Petersons späterer Dar-legung von Geschichte und Theologie des neutestamentlichen Ka-nons (vgl. dazu unten S. XXXff) tritt diese doppelte Perspektive –Paulus und Johannes – deutlich hervor.

3. Einleitungsfragen

Die besondere Bedeutung, die Peterson nicht nur dem johanneischenSchrifttum, sondern auch der Gestalt ihres Verfassers beimaß, schlägtsich im Vergleich zu seinen anderen neutestamentlichen Auslegungenauch in der Tatsache nieder, dass er der Einzelauslegung eine sehr aus-führliche Einleitung von 69 Manuskriptseiten vorangestellt hat, ob-wohl er sich ansonsten nicht gerade als Freund von Einleitungsfragenzu erkennen gegeben hat: Zu Beginn seiner Römerbriefauslegung hat-te er sich von ihnen mit einigen ironischen Bemerkungen zum (Un-)Sinn solcher Übungen komplett dispensiert4, was ihm sicher auchvom Umstand erleichtert wurde, dass Paulus als der unbestritteneVerfasser dieser Schrift gelten kann und die Gemeinde in Rom Paulusselbst nur vom Hörensagen bekannt war. In der Vorlesung zum1. Korintherbrief finden sich als „Einleitung“ nur einige knappe Be-merkungen zur Situation in Korinth. Der Auslegung des Lukasevan-geliums stellt Peterson einige Überlegungen voran, was es bedeute,dass man es hier einerseits mit einem „heiligen“, andererseits mit ei-nem in griechischer Sprache verfassten Text zu tun habe. Seinen Aus-legungen der Johannes-Apokalypse ging offenbar erst anlässlich von

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4 Vgl. Erik Peterson, Der Brief an die Römer, a.a.O. S. 2.

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Heidelberger Vorträgen im Jahr 1934 ein längerer Text über den „Kai-serkult“ in hellenistischer Zeit voraus.

Einzig also dem Johannesevangelium hat Peterson eine „Einlei-tung“ im klassischen Sinne vorangestellt, die jene Fragen behandelt,die man von einer Einleitung erwartet: Gattung, Verfasserschaft, Ortund Zeit der Abfassung, Verhältnis zu den synoptischen Evangelien,Quellenfragen, und dies alles jeweils in Verbindung mit Hinweisenauf neuere Forschungsansätze. Man braucht nicht lange darüber zuspekulieren, warum Peterson hier von seinen sonstigen Gepflogen-heiten so deutlich abgewichen ist; vielmehr gilt hier eine FeststellungRudolf Schnackenburgs: „Jeder Kommentar zum Johannesevange-lium stellt eine Entscheidung dar, die nicht unabhängig vom Urteilüber diese ,Einleitungsfragen‘ gewonnen wird, und ist andererseits jenach dem Maße, in dem er dieses Werk von innen her aufhellt undverständlich macht, ein Beitrag zu ihnen.“5

Peterson hat sich schon sehr früh mit diesen grundsätzlichen Fra-gen der Bewertung und Einordnung des Johannesevangeliums be-schäftigt, wie einige Passagen in seiner ersten Vorlesung in Göttingenüber die „Religionsgeschichte des Hellenismus“ zeigen: „Die neuereKritik des Johannesevangeliums seit der Aufklärung befindet sichmeiner Meinung nach auf einem Holzweg. Ich glaube, dass das Jo-hannesevangelium von bedeutendem historischem Wert ist, den Syn-optikern in nichts nachsteht und dass die kritischen Erörterungen, indenen die Tatsache der so genannten Menschensohn-Dogmatik im Jo-hannesevangelium ihres Wertes entkleidet werden soll, selber ganzwertlos ist.“6

Die Einleitung bot Peterson außerdem die Möglichkeit, auf dasseinerzeit gerade heiß diskutierte Problem des Verhältnisses zwischendem Schrifttum der Mandäer und den Evangelien – und hier vor allem

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5 Rudolf Schnackenburg, Das Johannesevangelium (= Herders Theologischer Kom-mentar zum Neuen Testament IV), I. Teil, Freiburg / Basel / Wien 71992, S. 1.

6 Peterson hielt diese immer wieder überarbeitete Vorlesung in Göttingen 1920/21 so-wie 1923 und dann noch einmal in Bonn 1925; bei einer dieser Überarbeitungen (ver-mutlich 1923) erhielt der zitierte Passus folgende neue Gestalt: „Die neuere Kritik amJohannesevangelium ist seit der Aufklärung vielfach weit über das Ziel hinausge-schossen, wenn sie den historischen Wert des vierten Evangeliums so stark einge-schränkt hat. Schon die literarkritischen Arbeiten von Wellhausen und Schwartz stel-len eine Reaktion gegen die übliche Art der historischen Kritik dar. Vor allem aberbedeutet Reitzensteins Abhandlung über das Mandäische Buch des Herrn der Größeund die urchristliche Überlieferung (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie)eine aus religionsgeschichtlichen Erwägungen sich ergebende bedeutungsvolle Modi-fikation der bisherigen historischen Arbeit. In diesen Zusammenhang gehört es auch,dass der Terminus ‚Menschensohn‘ im Johannesevangelium unmöglich zur Diskre-ditierung des vierten Evangeliums verwendet werden kann.“

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gerade dem Johannesevangelium – einzugehen. Geschichte und Be-deutung dieser Kontroversen sind im Blick auf die StellungnahmenPetersons bereits mehrfach dargestellt worden7. Peterson hat sich imKontext des wissenschaftlichen Diskurses dreimal öffentlich dazugeäußert8, vor dem universitären Auditorium im Semester 1926/27vor den Johannesvorlesungen auch schon im zweiten Teil seiner„Neutestamentlichen Bedeutungslehre“ über das „Mysterium desMenschensohnes“.

4. Zur Textgestalt und ihrer Wiedergabe

Der Einleitung mit ihren 69 Blättern folgt im Manuskript weiterdurchnummeriert die Auslegung mit weiteren 344 Blättern. Sie sindhandschriftlich jeweils nur halbseitig beschrieben. Der Text wirft hin-sichtlich seiner Lesbarkeit für eingearbeitete Kenner kaum Problemeauf, der Stil ist flüssig, so dass für die Drucklegung nur eine leichteÜberarbeitung hinsichtlich Phrasierung bzw. Interpunktion, der Ein-fügung von Absätzen sowie gelegentliche Korrekturen offenkundigerVersehen nötig war. Die Rechtschreibung wurde weitgehend der nachder Herausgabe des letzten Editionsbandes 1997 (Der Brief an die Rö-mer) inzwischen in Deutschland in Kraft getretenen Rechtschreibre-form angepasst. Bezüglich der nachgelassenen Texte Petersons wirftdas kaum Probleme auf, da Peterson ohnehin eher der Auseinander-schreibung zusammengesetzter Wortfügungen zuneigte und sich inder Interpunktion einige Freiheiten erlaubte.

Anders als bei anderen Vorlesungsmanuskripten wurde der Textvon Peterson anlässlich des zweiten Vortrags dieses Manuskriptes imSommersemester 1929 nicht sonderlich stark überarbeitet. An denRändern finden sich gelegentlich Hinzufügungen, die für die Editionzumeist in den Haupttext integriert wurden. Als eigens gekennzeich-nete Fußnoten wurden alle Passagen dokumentiert, die von Petersonselbst gestrichen worden sind.

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7 Vgl. Nichtweiß, Erik Peterson, a.a.O. S. 319–339; Christoph Markschies, HeisTheos? Religionsgeschichte und Christentum bei Erik Peterson, in: Nichtweiß (Hg.),Vom Ende der Zeit, a.a.O. S. 38–74; bes. 51–60.

8 Bemerkungen zur mandäischen Literatur, in: Zeitschrift für neutestamentliche Wis-senschaft 25 (1926), S. 236–248; wieder in: Geo Widengren (Hg.), Der Mandäismus(= Wege der Forschung 167), Darmstadt 1982, S. 319–331; Urchristentum und Man-däismus, in: Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 27 (1928), S. 55–98,auszugsweise wieder in: G. Widengren, Mandäismus, a.a.O. S. 372–377; Der gegen-wärtige Stand der Mandäerfrage, in: Theologische Blätter 7 (1928), Sp. 317–323.

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Zitaten in fremder Sprache, die Peterson selbst nicht übersetzt hat,wurden jeweils in Klammern deutsche Übersetzungen hinzugefügt.Das gleiche gilt für Petersons Angewohnheit, in seinen exegetischenVorlesungen griechische Begriffe und Wendungen der neutestament-lichen Verse häufig unübersetzt zu lassen. Im universitären Kontextwar das gewiss die einfachste Lösung, sei es, dass es sich um so viel-schichtige Begriffe wie ����� (Doxa = Herrlichkeit, Macht, Ehre,Ruhm, Glanz, Abglanz, Schein, Meinung) handelte, sei es, dass Peter-son auch an sich unproblematische Begriffe wie ����� (Sarx = Fleisch)oder ��� (Haima = Blut) über längere Passagen unübersetzt ließ,wohl um zu verhindern, dass sich während der Entwicklung ihrerspezifisch sakramentalen Bedeutung bei seiner Hörerschaft anderwei-tige unliebsame Assoziationen einschlichen. Für das Verständnis ge-rade seiner theologischen Exkurse bei Lesern, die des Griechischenweniger kundig sind, würden diese griechischen Begriffe jedochgrößere Schwierigkeiten mit sich bringen, und das gilt auch für even-tuelle spätere Zitationen. Darum wurden diesen griechischen Begrif-fen – wie auch schon bei der Edition des Römerbriefs – entweder inKlammern deutsche Übersetzungen beigefügt oder sie wurden bei ih-rer wiederholten Anwendung durch von Peterson selbst nahe gelegtedeutsche Begriffe ersetzt. Bei einigen Ausführungen ist das jedochnicht ganz unproblematisch, z. B. im Blick auf den (nicht nur) in die-ser Vorlesung zentralen Begriff ����� (Aion /Äon). Im Kontext etwasallgemeinerer Erörterungen ist eine Übersetzung mit „Weltalter“ oder„Zeitalter“ möglich. Am Ende der Auslegung von Joh 7,6 wählt Pe-terson in der Konfrontation von ������� (Kairos; Zeit) und ����� (Äon)die Übersetzung „Ewigkeit“; in der Spannung von altem und neuemÄon tauchen sonst bei ihm aber auch solche Begriffe auf wie: escha-tologische Zeit, Endzeit, letzte Zeit, Zeit der Entscheidung, Christus-Zeit.9 Vor allem bei längeren Exkursen waren darum bezüglich der je-weiligen Übersetzung griechischer Begriffe unvermeidlich einige Ent-scheidungen zu treffen; in problematischen Fällen wird in Fußnoteneigens darauf aufmerksam gemacht.

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9 Petersons Zeitbegriffe fanden in letzter Zeit verstärkt Beachtung, vgl. Kurt Anglet,Der eschatologische Vorbehalt. Eine Denkfigur Erik Petersons, Paderborn 2001, inKurzfassung auch in: Nichtweiß (Hg.), Vom Ende der Zeit, a.a.O. S. 217–239; Gabi-no Uríbarri, Der neue Äon bricht im alten an. Zur Auffassung der eschatologischenZeit bei Erik Peterson, in: ebd. S. 194–216; vgl. auch die inzwischen überarbeitetenund erweiterten Reflexionen von G. Uríbarri: La reserva escatológica: Un conceptooriginario de Erik Peterson, in: Estudios Eclesiásticos 78 (2003), S. 29–105.

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5. Gliederung

Alle Zwischenüberschriften wurden von der Herausgeberin in denText eingefügt. Peterson hat sich in seinen Manuskripten wie auch oftin seinen Publikationen wenig Mühe gegeben, dem Leser durch eineauch in Form von Überschriften ersichtliche Gliederung die Orien-tierung zu erleichtern. So läuft der lange Einleitungstext bei ihm ein-fach durch, lediglich Absätze markieren hin und wieder einen neuenSinnabschnitt. In der Tat bedeutet es auch einige Mühe, gerade im ers-ten Teil der Einleitung mit ihren spiralenförmig kreisenden Denkbe-wegungen neue Inhaltsabschnitte eindeutig zu bestimmen.

Beim Auslegungsteil hat Peterson – abgesehen vom Prolog – auf ei-ne gliedernde Übersicht für das ganze Evangelium verzichtet. DerEinsatz der Behandlung neuer Perikopen wird bei ihm jedoch zumin-dest in Form der Angabe von Verszahlen signalisiert, oft verbundenmit überleitenden Bemerkungen, denen nach Möglichkeit eine Über-schrift für die jeweilige Perikope entnommen wurde. Es bleibt im Ma-nuskript freilich häufig undeutlich, wie Peterson die Zugehörigkeitjohanneischer Übergangsbemerkungen gesehen hat.

Zur besseren Orientierung von Lesern, die vor allem an einemÜberblick über die von Peterson behandelten theologischen Themeninteressiert sind, wurde im Auslegungsteil seitens der Redaktion eineganze Reihe von Exkursen mit eigenen Überschriften sichtbar ge-macht. Einen Teil dieser Exkurse hat Peterson selbst als solche klassi-fiziert, indem er an deren Ende der Zuhörerschaft zu verstehen gab,er wolle jetzt wieder zum auszulegenden Text „zurückkehren“. Sol-che für den mündlichen Vortrag bestimmten Bemerkungen, die sichim Manuskript auch stereotyp jeweils im Übergang von der Ausle-gung des einen Verses zum nächsten finden, konnten bei der Druck-legung entfallen.

6. Quellen der Auslegung

Welche Quellen, welche Kommentare, welche anderen Beiträge derForschung hat Peterson seiner Auslegung zugrunde gelegt? Die Be-antwortung dieser Fragen in Form einer Literaturliste bzw. von bi-bliographischen Nachweisen galt es ebenfalls für die Edition zuberücksichtigen, können sich darin doch entscheidende Hinweise zurnäheren Bestimmung von Petersons Position in der damaligen For-schungsgeschichte ergeben. Peterson selbst liefert am Ende seinerEinleitung unter der Überschrift „Literatur“ nur wenige Stichworte,

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die jedoch kaum das erwähnte Desiderat erfüllen können. Für die – sowörtlich – „alte Zeit“ gibt er mit nur sehr abbreviatorischen Werkbe-zeichnungen folgende Autoren an: Herakleon Gnost. bei Origenes,Origenes, Chrysostomos, Cyrill von Alexandrien und Augustinus;für die „neue Zeit“: Luther, Melanchthon, Calvin, Zahn, Holtzmann-Bauer, W. Bauer, Lietzmann, Heitmüller sowie Loisy und Lagrange.Bei näherer Hinsicht zeigt sich jedoch, dass diese Liste mit den vonPeterson im weiteren Verlauf seiner Vorlesung tatsächlich in größe-rem Maße zu Rate gezogenen Kommentarwerken keineswegs iden-tisch ist: Einerseits fehlen Namen von Kommentatoren wie Thomasvon Aquin und Maldonado, die in der laufenden Auslegung auftau-chen, andererseits spielen die in der Liste vermerkten reformatori-schen Autoren als Johannesausleger in Petersons Vorlesung nichtmehr die geringste Rolle.

Die jetzt Petersons Johannes-Kommentar vorangestellte Literatur-liste musste also aus seinen Texten selbst zusammengestellt werdenund beinhaltet vor allem die einschlägigere Literatur aus Antike undNeuzeit in älteren und neueren Ausgaben, wobei damit noch nichtentschieden ist, welche Werke ihm tatsächlich damals auch aus eige-nen Studien näher bekannt waren und welche Hinweise er – zumin-dest im Rahmen dieser Vorlesung – nur aus der Sekundärliteratur ent-nommen hat (vgl. dazu unten S. XXXVIf). Unspezifischere Bezügeauf andere Autoren wurden an Ort und Stelle im laufenden Text nach-gewiesen. Solche nachträglichen bibliographischen Nachweise, dienicht von Peterson selbst stammen, wurden jeweils in eckige Klam-mern gesetzt.

Eine ganze Reihe von Quellen bzw. neueren Forschungswerkenhat Peterson in der Einleitung relativ häufig und eindeutig, im Ausle-gungstext zumindest gelegentlich referiert bzw. zitiert und nachge-wiesen. Diese Hinweise wurden von der Redaktion überprüft undvervollständigt, wobei sich mitunter jedoch einerseits zeigte, dass Pe-terson ein einmal genanntes Werk auch noch häufiger als angegebenbenutzt hat, andererseits, dass er sich bei der Wiedergabe anderer For-schungsmeinungen offensichtlich nicht (nur) des genannten Werkesbediente, sondern diesbezügliche Informationen auch noch anderenBeiträgen entnommen haben muss (etwa im Fall der Argumente vonEduard Schwartz bezüglich der „Söhne Zebedäi“), die nicht immereindeutig identifiziert werden konnten.

Immerhin gewinnt man aus diesen bibliographischen Fragen fürdie laufende Auslegung ein deutliches Bild: Wie auch die zahlreichenteils zustimmenden, teils kritischen Bezüge von Peterson selbst zei-gen, hatte er sich als durchgängige Gesprächspartner Walter Bauer mit

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seinem 1925 in überarbeiteter Auflage erschienenen Kommentar so-wie den Dominikaner Marie-Joseph Lagrange mit seinem 1927 gera-de in vierter Auflage erschienenen Kommentar ausgewählt. WalterBauer war neben Nathanael Bonwetsch (lobender) Zweitgutachter fürPetersons Dissertations- und Habilitationsschrift „Heis Theos“(1920/1926) gewesen. Peterson stand in seiner Göttinger Zeit mit ihmin gutem Kontakt, folgte ihm dann aber nicht in der Verwendung vonreligionsgeschichtlichem bzw. mandäischem Material zur Deutungdes Neuen Testaments. In der überarbeiteten 2. Auflage seines Kom-mentars machte Bauer von solchen religionsgeschichtlichen Quellenreichlich Gebrauch und vertrat im übrigen auch die Kritik an der tra-ditionellen Ansicht einer Verfasserschaft des Johannesevangeliumsdurch den Zebedäiden Johannes. Lagrange bot demgegenüber eine ander katholischen Tradition orientierte Auslegung, was nach dem Res-ponsum IV der Päpstlichen Bibelkommission 1907 „Joannem Apos-tolum et non alium quarti Evangelii auctorem esse“10 (Der Apostel Jo-hannes und kein anderer ist der Verfasser des vierten Evangeliums)auch für die Frage der Verfasserschaft gelten musste.

Diese beiden Exegeten dienten Peterson nicht nur als abwechs-lungsreiche Gesprächspartner, vielmehr hat er sich mit Hilfe ihrerKommentare auch bei der text- und sachkritischen Behandlung desneutestamentlichen Textes sowie der Wiedergabe sonstiger For-schungsmeinungen entlastet: Die Bemerkungen zu diversen Hand-schriftenvarianten des neutestamentlichen Textes sowie zu verschie-denen Lesarten bei den Vätern und schließlich auch die meisten Re-ferenzen auf andere moderne Kommentarwerke stellen also keineEigenleistungen Petersons dar; diese beginnen erst bei der Beurteilungder verschiedenen Lesarten und Meinungen und erstrecken sich dannvor allem auf die weitere theologische Auslegung.

Die text- und sachkritischen sowie forschungsgeschichtlichen Pas-sagen, die Peterson entweder von Bauer oder von Lagrange oder vonbeiden zum Teil sogar in wörtlicher Anlehnung übernommen hat,wurden bei der vorliegenden Edition jeweils nachgewiesen11. Anhanddieser beiden Vorlagen konnten außerdem die selbst für einen Peter-son-Kommentar ungewöhnlich zahlreichen, aber oft nur pauschalformulierten Referenzen auf die patristische Literatur mit präzisen

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10 Vgl. den Text „De quarto evangelio“ vom 29. August 1907 in: Enchiridion Biblicum,Bologna 1993, Nr. 187–189, S. 240–243; Zitat Nr. 187, S. 240f.

11 Für die Nachweise aus dem Kommentar bei Bauer wurde die leicht überarbeitete underweiterte Auflage von 1933 zugrunde gelegt, die in den Bibliotheken leichter aufzu-finden ist. Hinsichtlich der Stellen, auf die Peterson Bezug nimmt, hatte sich in die-ser Auflage nichts Wesentliches geändert.

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Stellennachweisen ergänzt und zum Teil auch anhand der Original-Quellen überprüft werden.

Neben den Werken von Bauer und Lagrange lag noch ein drittes„Kommentarwerk“ eigener Art aufgeschlagen auf dem SchreibtischPetersons, nämlich die Textsammlungen aus Talmud und Midraschvon Strack-Billerbeck zum Johannesevangelium (1924) und zum Mat-thäusevangelium (1926), die in den Kommentaren von Lagrange undBauer nicht bzw. kaum mehr berücksichtigt werden konnten. Dieserelativ häufigen Bezugnahmen Petersons auf die jüdische Literaturanhand von Strack-Billerbeck sind für die damalige Zeit nicht ganzselbstverständlich, insofern Peterson in diesen Jahren durchaus nichtin besonderem Maße das Studium jüdischer Vorstellungen zur Vo-raussetzung seiner Exegese machte; so ist beispielsweise bei seinerAuslegung der Johannes-Apokalypse, für die es freilich kein entspre-chendes Kommentarwerk aus der Werkstatt Strack-Billerbeck gabund gibt, die Bevorzugung griechisch-römisch-hellenistischer Deu-tungsmuster gegenüber alttestamentlich-jüdischen an einigen Stellenauffallend12.

Gelegentlich hat Peterson in der laufenden Johannes-Auslegungaußerdem explizit wie implizit die damals neuen Untersuchungen vonKarl Kundsin über „Topologische Überlieferungsstoffe im Johannes-evangelium“ (1925) sowie von Hans Windisch über „Johannes unddie Synoptiker“ (1926) zu Rate gezogen.

Vor diesem Hintergrund heben sich nun umso deutlicher die Pas-sagen ab, in denen Peterson unabhängig von den genannten Kom-mentaren und Beiträgen operierte bzw. eigene Quellen beibrachte.Dies ist vor allem in den Erörterungen zum Logos-Begriff der Fall,bei denen Peterson einen eigenständigen Zugang wählt. Statt, wiehäufig anzutreffen, lange philosophische und religionsgeschichtlicheAbleitungen und Parallelen (etwa aus Philo) ins Feld zu führen,nähert er sich dem Begriff durch eine Reihe von Abgrenzungen desLogos-Begriffs gegenüber ähnlichen Begriffen. Hier hat Peterson et-wa bezüglich der Bedeutung von sermo selbst zum patristisch reichgesättigten lateinischen Kommentarwerk des spanischen JesuitenMaldonado gegriffen (Lagrange erwähnt dieses Werk zwar gelegent-lich, macht aber an den betreffenden Stellen keinen ausführlichen Ge-brauch davon). Zur Unterscheidung zwischen ������ (Logos) und�� ��� (Stimme) führt Peterson eine Reihe von Quellen an, die nichtden Kommentaren von Bauer und Lagrange oder anderen einschlägi-

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12 Vgl. dazu die Beobachtungen von Klaus Berger, in: Nichtweiß (Hg.), Vom Ende derZeit, a.a.O. S. 125.

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gen Werken entnommen sind, ebenso wenig die besonders ausführli-chen Augustinus- und Thomas-Zitate.

Auch bei den anderen theologischen Erläuterungen und Exkursenlassen sich keine sekundären Quellen eruieren; hier hat man es un-mittelbar mit der „ipsissima vox“ Petersons zu tun.

7. Frühe Johannes-Fragmente

Peterson ist bei seinen Bonner Johannes-Vorlesungen nicht über Joh7,30 hinausgekommen. In seinem Nachlass findet sich allerdings eineMappe mit den Auslegungen einzelner Verse verschiedener neutesta-mentlicher Schriften, darunter auch Texte zu Joh 13,1 sowie Joh16,12–24. Diese undatierten Texte werden bei der vorliegenden Editi-on im Anhang zum großen Auslegungstext aus der Bonner Zeit ver-öffentlicht. Sie entstammen allerdings, wie Handschrift und vor allemAuslegungsstil zeigen, einer früheren Zeit und sind vermutlich für Bi-belstunden der pietistisch geprägten „Deutschen Christlichen Studen-tenvereinigung“ (DCSV) entstanden. Es ist belegt, dass Peterson sol-che Bibelstunden bis zum Ende seiner Göttinger Zeit 1924 mit Refe-raten bereicherte, obwohl er selbst bereits 1917 aus dieser Vereinigungausgetreten war und bald auch theologisch Abschied nahm von einempietistisch geprägten Glauben.13 Ob die Texte in diesen ersten Jahrennach 1920, in denen Peterson bereits Privatdozent war, oder dochschon etliche Jahre früher verfasst wurden, ist allerdings schwer zuentscheiden. Die kleinen Johannes-Auslegungen sind jedenfalls nochspürbar geprägt von der Perspektive des „Betkämmerleins“, die Pe-terson später bei seinen Auslegungen des Neuen Testaments vor ei-nem universitären Auditorium ausdrücklich ausblendete14. Allerdingswerden in der Auslegung von Joh 16 zugleich auch schon spätere exe-getisch-dogmatische Positionen erkennbar. Peterson hatte diesemVersuch besondere Aufmerksamkeit gewidmet, insofern er eine ersteFassung teilweise nochmals überarbeitete und ins Reine schrieb; die-se zweite Fassung liegt der Edition zugrunde. In der Wiedergabe derBibelverse folgte Peterson mit leichten Abwandlungen der Überset-zung Martin Luthers.

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13 Vgl. Nichtweiß, Peterson, a.a.O. S. 58–98, zu den Bibelstunden in Göttingen S. 86.14 Vgl. die Vorbemerkungen Petersons zum „Brief an die Römer“ (Würzburg 1997),

a.a.O. S. 2.

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8. Spätere Auslegungsspuren

In den Jahren nach seiner Konversion zur katholischen Kirche (1930)und der endgültigen Übersiedelung nach Rom (1933) versuchte Pe-terson seine Auslegungstätigkeit des Neuen Testaments im Rahmenfreier Vorträge und Vortragsreihen vor katholischem Publikum inDeutschland (Tagungen und Veranstaltungen des Katholischen Aka-demikerverbandes, Salzburger Hochschulwochen etc.) weiterzu-führen. In diesem Kontext war nun freilich weniger eine wissen-schaftliche Behandlung der neutestamentlichen Schriften gefragt, son-dern eine auf die politischen Nöte der Zeit bezogene theologischeAuslegung. Hinsichtlich des johanneischen Schrifttums sind hier be-sonders die im Traktat „Zeuge der Wahrheit“ (1937) zusammengefass-ten Vorträge von Bedeutung mit Auslegungen der Apokalypse sowieder Befragung Jesu durch Pilatus im Johannesevangelium (Joh 18 und19).15

II. KANONSTUDIEN

1. Italienische Vorlesungen der 1940er Jahre

1937 erhielt Erik Peterson dank eines – sehr bescheiden dotierten –Stipendiums die Möglichkeit, in Rom am Päpstlichen Institut fürchristliche Archäologie einen kleinen Lehrauftrag für die Geschichteder antiken christlichen Literatur auszuüben. Dieses kleine Deputatvon anfänglich nur je einer Vorlesungs- und Übungsstunde proWoche konnte er nur langsam und gegen große Widerstände ausbau-en: zunächst durch die Übernahme einer Vertretung für KunibertMohlberg OSB ab 1942, sodann 1947 durch die Übernahme einesneu geschaffenen (Extra-)Ordinariats für den Bereich „Antike undChristentum“. Dieser mühselige Weg war mit einer expliziten Ein-schränkung der Lehrtätigkeit Petersons auf den historischen Sektorverbunden, da die Institutsleitung ihm als Laien nach damaligenÜberzeugungen kein zentraleres kirchlich-theologisches Fach meinteanvertrauen zu können16. Dies hatte zur Folge, dass wir zum einen inden italienischen Manuskripten von Vorlesungen am Päpstlichen In-stitut für christliche Archäologie nicht mehr das für die deutschenVorlesungen charakteristische Ineinander von wissenschaftlicher Dar-

Einführung in die Edition XXIX

15 Vgl. Theologische Traktate (1994), S. 118ff.16 Vgl. Nichtweiß, Peterson, a.a.O. S. 866–869.

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