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1
Aus der Klinik und Poliklinik für Neurologie
(Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h.c. Christof Kessler)
Universitätsklinikum der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Vergleich des Durchmessers des III. Ventrikels des Gehirns mittels
Magnetresonanztomographie und transkranieller B-Bild-Sonographie bei
Multipler Sklerose
Inauguraldissertation
zur
Erlangung des akademischen
Grades
Doktors der Medizin
der
Universitätsmedizin
der Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Greifswald
2016
Vorgelegt von
Leif Lorenz
Geb. am 18.06.1971
in Bad Salzungen
2
Dekan: Prof. Dr. rer. nat. Max P. Baur
1. Gutachter: Prof. Dr. med. Ulf Schminke
2. Gutachter: Prof. Dr. med. Stephan Schreiber
3. Gutachter:
Ort, Raum: Klinikum der Universitätsmedizin Greifswald, Seminarraum Kinderklinik
Tag der Disputation: 19.12.2016
3
Inhaltsverzeichnis
1. Multiple Sklerose als Erkrankung
1.1 Allgemeines und Epidemiologie
1.2 Pathologie und Pathogenese
1.3 Bildgebende Verfahren
1.3.1 MRT
1.3.2 Sonographie
1.4 Studienlage zur Messung der Ventrikelweite
1.5 Studienlage zur Messung der Ventrikelweite bei Multipler Sklerose
1.6 Fragestellung dieser Arbeit
2. Methoden
2.1 Patienten
2.2 Methoden
3. Resultate
4. Diskussion
5. Zusammenfassung
6. Referenzen
4
Abkürzungsverzeichnis
APC antigenpräsentierende Zellen
APP Amyloid-Precursor-Protein
BDNF brain-derived neurotropic factor
BHS Blut-Hirn-Schranke
BPF brain parenchymal fraction
CT Computertomographie
DMSG Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft
DTI diffusion tensor imaging
EAE experimentelle autoimmune Encephalomyelitis
ED Encephalomyelitis disseminata
EDSS expanded disability status scale
FSMC Penners Fatigue Scale for motor and cognitive function
GMF gray matter fraction
ICAM Inter-Cellular adhesion molecule
ICC Intra-Class Correlation
IL Interleukin
INF Interferon
MAG Myelin assoziiertes Glykoprotein
MBP myelin basic protein = Basisches Myelinprotein
MMP Matrixmetalloproteinasen
MOG Myelin-Oligodendrozyten-Glycoprotein
MRI Magnet Resonance Imaging
5
MRT Magnetresonanztomographie
MS Multiple Sklerose
MTI magnetization transfer imaging
NAA N-Acetyl-Aspartat
NAWM normal appearing white matter
NO Stickstoffmonoxid
PLP Proteolipidprotein
PPMS primär progrediente MS
RRMS schubförmig remittierende MS
SPMS sekundär-progredient verlaufende MS
TCCS Transcranial Color-Coded Duplex Sonography
TCS Transcranial Doppler Sonography
TCR T-Zell-Rezeptor
TNF Tumor Nekrose Faktor
US Ultraschall
VCAM Vascular cell adhesion molecule
WMF white matter fraction
ZNS Zentralnervensystem
1H-MRS proton MR spectroscopy
6
1. Einleitung
1.1 Allgemeines
Die Multiple Sklerose (MS, syn. Encephalomyelitis disseminata) ist eine chronisch-
entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Die weltweite
Prävalenz zeigt eine deutliche Abhängigkeit von der geographischen Lokalisation, der
ethnischen Zugehörigkeit und der Exposition gegenüber Umweltfaktoren und dem
Geschlecht [Pugliatti 2006]. Für Deutschland wird eine Prävalenz von ca. 120-150
Erkrankten pro 100.000 Einwohner [Hein, 2000] und eine Inzidenz bis 5
Neuerkrankungen pro Jahr pro 100.000 Einwohner angenommen [Grehl, 2002;
Poser, 1994; Pugliatti, 2006]. Insgesamt geht man von etwa 130.000 Erkrankten in
Deutschland und ungefähr 2,5 Millionen Menschen weltweit aus [Noseworthy, 2000].
Durch ein von der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) initiiertes MS-
Register erhofft man sich in der Zukunft genauere Zahlen zur Epidemiologie.
Bei Diagnosestellung beträgt das Alter der Patienten zum großen Teil zwischen 20
und 40 Jahren, so dass die MS eine der häufigsten Ursachen von körperlicher
Behinderung im frühen Erwachsenenalter ist und daher auch aus
volkswirtschaftlicher Sicht eine erhebliche Relevanz aufweist [Compston und Coles,
2002; National Multiple Sclerosis Society, 2011]. Bei den meisten Patienten (ca.
60%) [DMSG, 2009; Confavreux, 2006] verläuft die Erkrankung zunächst
schubförmig mit teilweiser oder vollständiger Rückbildung der Symptome im
Intervall. Mit fortschreitender Dauer geht die Krankheit häufig in die sekundär
7
progrediente Verlaufsform über. Seltener werden die prognostisch ungünstigeren
primär progredienten Verläufe beobachtet [Weinshenker, 1989].
Benigne Verläufe der Multiple Sklerose, bei der die Patienten 15 Jahre nach
Erkrankungsbeginn ohne wesentliche Einschränkungen im Alltag aktiv sein können,
sind wesentlich seltener [Confavreux, 2000], bei Kindern aber häufiger beschrieben.
Schon seit Jahrhunderten sind die Symptome der MS bekannt [Pearce, 2005, Firth
1948], die klinische Geschichte der MS beginnt, nach früheren Beschreibungen, mit
dem deutschen Internisten Frerichs, der im Jahre 1849 eine Arbeit über Hirnsklerose
veröffentlichte. Er stellte erstmals die Diagnose bei einem lebenden Patienten
[Frerichs, 1849; zitiert nach Rae-Grant, 2013].
J.M. Charcot lieferte 1868 die erste umfassende Beschreibung eines
Krankheitsverlaufes. Er beschrieb bei MS Läsionen (Plaques) mit Demyelinisierungen
und Astrogliosis [Charcot, 1868; zitiert nach Rae-Grant, 2013].
In der Folge wurde MS vorrangig als eine Autoimmunerkrankung angesehen, in
welcher autoreaktive, gegen Myelin gerichtete T-Zellen einen Entzündungsprozess
induzieren. Dieser würde sekundär durch eine Makrophagen-Aktivierung verstärkt
und zu einer fortschreitenden Myelin-Zerstörung und folglich zu einer zunehmenden
Atrophie des Gehirns führen [Rae-Grant, 2013].
8
1.2 Pathologie und Pathogenese
Kenntnisse über die histopathologischen Veränderungen des Gehirns resultieren im
Wesentlichen aus Biopsien von Patienten mit differentialdiagnostisch unklaren
Manifestationen oder Verläufen sowie aus mittels Autopsie gewonnenem
Gewebsmaterial, das häufig von Patienten in späten Krankheitsstadien stammt.
Hingegen sind Gewebeproben von Patienten in frühen Krankheitsstadien eher selten
und beruhen auf Patienten, die akzidentiell verstorben sind oder deren Erkrankung
einen akut-fulminanten Verlauf, wie beispielsweise bei der Marburg-Variante,
genommen hatte.
Histopathologisch sind die Läsionen bei Multipler Sklerose durch entzündlich-
entmarkende Veränderungen charakterisiert, welche einen neuronalen Verlust und
eine gliöse Veränderung im zentralen Nervensystem (ZNS) nach sich ziehen [Prineas,
1985; Lassmann 1998].
Historisch gesehen wurde zur Erklärung der Pathogenese der Multiplen Sklerose ein
Modell herangezogen, bei dem frühe Stadien der Erkrankung durch inflammatorische
Attacken mit T-Zell-lnfiltration, Gliose und Demyelinisierung charakterisiert wurden.
Die zusätzlich in histologischen Untersuchungen nachgewiesene axonale Schädigung
wurde im Wesentlichen als Folge der Demyelinisierung interpretiert [Lassmann,
2007; Palace, 2007].
Der Beginn der Symptome bei MS-Patienten ist häufig assoziiert mit einer gestörten
Funktion der Blut-Hirn-Schranke. Inflammatorische Mediatoren blockieren die
Nervenleitung und lösliche sowie zelluläre Effektoren führen zu einer Zerstörung des
Myelins. Die Intensität dieser Prozesse, ihre zeitliche Limitierung und eine mögliche
9
Re-Myelinisierung bestimmen Ausmaß und Dauer der klinischen Symptome sowie die
Möglichkeit der Rückbildung. Akute Krankheitsausbrüche reagieren auf Steroide, was
eine inflammatorische Komponente an der Pathogenese der MS unterstreicht [Trapp,
1998; Prineas, 1981].
Der Nachweis einer Entzündung stützt sich auf das Vorhandensein von
inflammatorischen Infiltraten in MS-Läsionen bestehend aus CD8- positiven und CD4-
positiven T-Lymphozyten, wenigen B-Lymphozyten und Plasmazellen sowie
Aktivierung von Makrophagen und Mikroglia-Zellen [Prineas, 2002]. Als initialer
Schritt bei der Entwicklung einer MS-Plaque wird die Aktivierung zirkulierender
autoreaktiver T-Lymphozyten durch Mechanismen, die bisher nicht ausreichend
geklärt sind, angesehen. Diskutiert werden Infektionen, Superantigen-Stimulation,
reaktive Metaboliten oder sog. „metabolic stress“. Aktivierte T-Lymphozyten können
durch Interaktion mit endothelialen Oberflächenproteinen, vermittelt durch Matrix-
Metalloproteinasen (MMP-9) und später durch Expression von Adhäsionsmolkülen
(ICAM, VCAM, E-Selectin) die Blut-Hirn-Schranke passieren [Correale und Bassini,
2003; Owens, 2005]. Durch einen trimolekularen Komplex aus TH1-Zell-Rezeptor,
MHC (major histocompatibility complex) -Molekül und Antigen kommt es zur
Aktivierung Antigen-spezifischer T-Zellen. Hierbei erfolgt die Antigenerkennung von
CD4-positiven T-Zellen in Assoziation mit MHC-Klasse II-Molekülen und die
Antigenerkennung von CD8-positiven T-Zellen in Assoziation mit MHC-Klasse I-
Molekülen. CD4-positive T-Zellen können in zwei Subtypten von T-Helferzellen
differenzieren: TH1-Zellen produzieren vorwiegend proinflammatorische Zytokine wie
IL-2, TNF-alpha und INF-gamma, während TH2-Zellen überwiegend anti-
inflammatorische Zytokine wie IL-4, IL-5, IL-6, IL-1O und IL-13 produzieren [Canella,
10
1995]. In diesem Modell entwickeln CD4-positive T-Zellen ein TH1- dominantes Profil
mit proinflammatorischen Zytokinen, die wiederum Makrophagen aktivieren, die
direkt eine Demyelinisierung bewirken [Frohman, 2006; Charo, 2006; Hemmer,
2006]. Ziele der Autoimmunreaktion können Proteine sein, die von Oligodendrozyten
exprimiert werden, wie unter anderem Myelin-basisches Protein (MAB),
Proteolipidprotein (PLP), myelin-assoziiertes Glycoprotein (MAG) und Myelin-
Oligodendrozyten-Glycoprotein (MOG) [O Connor, 2005]. Weitere Komponenten der
zur Demyelinisierung führenden inflammatorischen Reaktion sind: Demyelinisierende
Antikörper, Toxizität von proinflammatorischen Zytokinen, Chemokinen und anderen
löslichen Mediatoren sowie CD8-positive MHC-vermittelte Zytotoxizität, reaktive
Sauerstoff- und Nitratverbindungen sowie exzitatorische Aminosäuren wie Glutamat.
[Bitsch, 2000 ; Pitt, 2000; D-Souza, 1996; Selmaj, 1991; Jurewicz, 1998].
In Abhängigkeit vom Typ der entzündlichen Reaktion und des
Remyelinisierungsverhaltens wurde folgende Klassifizierung vorgenommen
[Lassmann, 2001]:
1. Makrophagen-assoziierte Entmarkung
2. Makrophagen-assoziierte Entmarkung mit Nachweis von Immunglobulinen und
Komplementkomponenten (antikörper-mediierte Entmarkung)
3. Entmarkung mit distaler Oligodendrogliopathie und
Oligodendrozytenapoptose, Verlust von MAG
4. Oligodendrozytenuntergang in der periläsonären weißen Substanz
Da bei keinem untersuchten Fall ein Mischbild zweier Typen beobachtet wurde,
wurde das Konzept der interindividuellen Heterogenität aufgestellt, welches besagt,
11
dass bei homogenem Schädigungsmuster bei einem Patienten eine Heterogenität
zwischen den Schädigungsmustern verschiedener Patienten besteht [Lucchinetti,
2000].
Bei mehr als der Hälfte der Patienten kommt es nach 10 – 15 Jahren nach dem
Erkrankungsbeginn zu einer progredienten Verschlechterung der Beschwerden, die
wesentlich schlechter auf eine anti-inflammatorische Therapie anspricht. Studien der
letzten 20 Jahre des 20. Jahrhunderts zeigen, dass axonale Schädigungen von
Neuronen dieser permanenten Dysfunktion zugrunde liegen können [Ferguson, 1997;
Trapp, 1998; Kornek, 1999; Bjartmar, 2001; Rieckmann, 2001; Rieckmann und
Mäurer 2002]. Obwohl die axonale Schädigung bereits in Arbeiten von Charcot
beschrieben wurde, trat ihre Erforschung gegenüber der Erforschung der
Oligodendrozytenschädigung in den Hintergrund, da die axonalen Schädigungen als
Folge der Myelinschädigung aufgefasst und einem späteren Krankheitsstadium mit
bereits progressivem Verlauf zugeordnet wurden [McDonald 1969].
Verbesserte Nachweismethoden, insbesondere der Nachweis von „axonal ovoids“
oder von Amyloid Precursor Protein (APP) als Ausdruck eines gestörten axonalen
Transports ermöglichen den Nachweis von axonalen Schädigungen bereits in frühen
Krankheitsstadien. Als Ursache dieser axonalen Schädigung werden diverse
Pathomechanismen diskutiert [Bjatmar und Trapp 2001; Bjatmar, 2003]:
(1) Histopathologische Studien an Patienten in der Frühphase der Erkrankung
konnten axonale Schädigungen im Bereich von aktiven inflammatorisch-
demyelinisierenden Läsionen nachweisen, wobei das Ausmaß der axonalen
Schädigung mit der Schwere der inflammatorischen Aktivität korreliert, so dass die
axonale Schädigung als direkte Folge der Entzündung gewertet wird. [Kornek, 2000].
12
Die axonale Schädigung wird hierbei durch die exotoxische CD8-T-Zell-vermittelte
inflammatorischen Prozesse, insbesondere proteolytische Enzyme, Zytokine, oxidative
Produkte und freie Radikale bewirkt. Darüber hinaus wurde tierexperimentell eine
Glutamat-vermittelte Exotoxizität [Pitt, 2000] sowie eine oxidative Schädigung
mitochondrialer DNA [Lu F, 2000] nachgewiesen. Der Nachweis von axonalen
Schäden in inaktiven und remyelinisierenden Läsionen sowie außerhalb der
inflammatorischen Läsionen in der normal erscheinenden weißen Substanz [Bitsch,
2000; Ganter, 1999, Lovas, 2000, Evangelou, 2000] ist diesem pathogenetischen
Modell zufolge Ausdruck einer Wallerschen Degeneration von Axonen, die weiter
proximal innerhalb von inflammatorischen Läsionen geschädigt werden.
(2) Selbst wenn es innerhalb demyelinisierender Läsionen nicht zu einer
gleichzeitigen axonalen Schädigung kommt, zeigen tierexperimentelle Arbeiten, dass
chronisch demyelinisierte Axone aufgrund des Wegfalls von trophischen Faktoren der
Myelinscheide bzw. der myelinisierenden Zellen absterben. Die axonale Schädigung
wird in diesem Erklärungsmodel also durch den Wegfall von trophischen Faktoren als
Folge der Myelinscheidenzerstörung gewertet.
(3) Da in späteren Krankheitsstadien, in denen keine offenkundige inflammatorische
Aktivität mehr besteht und die Krankheit in eine sekundär-progrediente Verlaufsform
eingetreten ist, die axonale Schädigung dennoch weiter fortschreitet, legt dies
vorprogrammierte neurodegenerative Mechanismen nahe [Bjartmar, 2000, Lovas,
2000, Bitsch, 2000, Confavreux, 2000]. Für diese Hypothese spricht die relativ
konstante Zeitspanne, in der die Krankheit, nachdem sie einen sekundär-
progredienten Verlauf eingenommen hat, von einem Behinderungsgrad 4 der
Expanded Disability Status Scale (EDSS; Kurtzke, 1983) zu einem Grad 7 der EDSS
13
fortschreitet. Durch den Wegfall von Axonen in frühen Krankheitsstadien durch die in
Punkt 1 und 2 beschriebenen Mechanismen kommt es bei den noch verbliebenen
gesunden Neuronen zu einem Wegfall von prä- und/oder postsynaptischer
Stimulation, wodurch eine Kaskade von neurodegenerativen Prozessen getriggert
wird [Bjartmar, 2003]. In diesem Modell wird also angenommen, dass, sobald das
Ausmaß der axonalen Schädigung eine individuelle Schwelle überschreitet,
vorprogrammierte neurodegenerative Pathomechanismen ausgelöst werden, die
wiederum zu weiterem neuronalen und somit auch axonalen Verlust führen.
(4) Neuere histopathologische Arbeiten und bildgebende Arbeiten mit dem 7-Tesla
MRT zeigen ein häufigeres Vorkommen von kortikalen inflammatorischen Herden als
bisher vermutet, da sich diese Läsionen im 1,5- und 3-Tesla MRT dem Nachweis
entziehen. Es wird vermutet, dass die Aktivierung der Inflammation der Astrozyten
die metabolischen Gene, welche für die neuronale Selbstregulierung notwendig sind,
herunterreguliert werden [Zeis, 2011]. Ektope B-Zell-Follikel-ähnliche Strukturen
wurden in 40% (49 von 123) der Patienten mit sekundär progredienter MS gefunden,
diese waren assoziiert mit einer diffusen meningealen Entzündung, einer Mikroglia-
Aktivierung und einer Demyelinisierung der grauen kortikalen Substanz [Howell,
2011]. Hierbei kommt es zu neuronalen Schädigungen mit Schwellung der
Nervenfortsätze sowie dendritischer und axonaler Schädigung mit nachfolgender
Wallerscher Degeneration. Letztere wiederum trägt weiter distal zum Verlust von
Axonen in der normal erscheinenden weißen Substanz bei. Außerdem könnten diese
kortikalen Herde die häufig im Verlauf auftretenden kognitiven Einbußen, Fatigue
und epileptischen Anfälle bei Patienten mit MS besser als die subkortikalen Herde
erklären. Außerdem war der Grad der meningealen und perivaskulären Entzündung
14
umgekehrt proportional zu dem Zeitpunkt des Eintretens der sekundären Progression
der Krankheit, dem Zeitpunkt des Eintretens der Rollstuhlmobilität und dem
Todeszeitpunkt [Howell, 2011].
Während des schubförmig-reversiblen Verlaufs beträgt das Verhältnis von klinisch
stummen zu klinisch apparenten Läsionen 10:1 [McFarland, 1992]. Dabei
entstehende axonale Schädigungen können noch gut kompensiert werden. Diese
Kompensation ist im funktionellen MRT durch Vergrößerung von motorischen Arealen
bei MS-Patienten im Vergleich zu den Arealen bei gesunden Kontrollpatienten
nachweisbar [Reddy, 2000]. Erst wenn das Ausmaß der axonalen Schädigung
zunimmt, ist eine Kompensation nicht mehr möglich, und es kommt zu einer
zunehmenden klinischen Verschlechterung bzw. zu einem Übergang von einer
schubförmig reversiblen in eine sekundär progrediente Verlaufsform.
Somit ist die irreversible kumulative axonale Degeneration der wichtigste
Determinant von progredienten neurologischen Ausfällen und Zunahme der
Behinderung.
In neueren Studien wurde diesem auch Rechnung getragen, so dass bei Patienten
mit MS das Konzept NEDA-4 entwickelt wurde, welches zur Beurteilung der
Krankheitsaktivität neben der Schubrate, dem Nachweis von Läsionen in der MRT,
dem Fortschreiten der Behinderung nun auch die Hirnatrophie als viertes Kriterium
berücksichtigt [Bevan, 2014].
15
1.3 Bildgebende Verfahren
1.3.1 MRT
Hyperintensitäten in den T2- oder Fluid Attenuated Inversion Recovery (FLAIR)-
Sequenzen zeigen einen erhöhten Flüssigkeitsgehalt des Gewebes. Diese sind
unspezifisch, können sowohl Ausdruck eines entzündlichen Ödems, einer
Demyelinisierung, aber auch eines kompletten Gewebsuntergangs mit Untergang von
Axonen und Gliagewebe darstellen. Letzteres kann durch Nachweis von
Hypointensitäten in der T1-Wichtung (sog. „schwarzen Löchern“) von ödematösen
Prozessen abgegrenzt werden. Durch Gabe von Kontrastmittel können zusätzlich in
den T1- gewichteten Sequenzen frische Kontrastmittel aufnehmende von älteren
nicht Kontrastmittel aufnehmenden Läsionen unterschieden werden.
Diffusionsgewichtete Sequenzen können darüber hinaus zwischen frischen und
älteren Läsionen differenzieren, da frische Läsionen eine Diffusionsstörung aufweisen
können, während ältere Läsionen eine erhöhte Diffusion der Wassermoleküle
aufweisen. Mit diesen Wichtungen kann die Läsionslast bestimmt werden, die im
zeitlichen Verlauf zunehmen kann. Außerdem können neu aufgetretene frische
Läsionen erfasst werden. Diese Sequenzen werden in der klinischen Routine und in
klinischen Studien zum Monitoring des Erfolgs einer immunmodulatorischen Therapie
eingesetzt. Die Korrelation von routinemäßig erhobenen Befunden der cerebralen
MRT, insbesondere die Korrelation der Volumina der Läsionen im T2-gewichteten Bild
mit klinischen Parametern wie Schubhäufigkeit oder Behinderung ist schlecht. Auch
stimmt die Zahl der Kontrastmittel aufnehmenden Läsionen in der MRT mit der
16
Krankheitsprogression oder der Behinderung nicht gut überein [Kappos, 1999].
Aussagen über eine axonale Degeneration können mit diesen Wichtungen nicht
getätigt werden.
Hinweise für eine axonale Degeneration liefert hingegen die MR-Spektroskopie. N-
Acetyl-Aspartat (NAA) kumuliert im Falle einer axonalen Unterbrechung im distalen
Stumpf abgestorbener Axone und lässt sich mittels MR-Spektroskopie feststellen.
Mittels MR-Spektroskopie konnte NAA sowohl im Bereich von
Demyelinisierungsherden als auch in der unauffällig erscheinenden weißen Substanz
(NAWM; normal appearing white matter) nachgewiesen werden. Die NAA-Spiegel in
der NAWM zeigen einen deutlichen Zusammenhang mit der Behinderung. Der
reduzierte NAA-Spiegel in akuten Läsionen ist teilweise reversibel. Allerdings ist die
MR-Spektroskopie ein aufwändiges Verfahren, das nicht das Gehirn in Gänze,
sondern nur einzelne ROI (regions of interest) untersuchen kann. Daher ist dieses
Verfahren für die klinische Routine nicht geeignet.
Eine bessere Korrelation der klinischen Behinderung wurde im Gegensatz dazu mit
dem primär wenig spezifisch erscheinenden Marker Hirnatrophie, der Atrophie des
zervikalen Myelons sowie mit dem Volumen hypointenser Herde in der T1-Wichtung
beschrieben [Lycklama a Nijeholt, 1998; Lukas, 2011].
Sowohl die Demyelinisierungen als auch die axonalen Schädigungen, wie zum
Beispiel der reduzierte Axondurchmesser [Trapp, 1998, Lovas, 2000] werden für den
zunehmenden Substanzverlust des zerebralen Gewebes, des Rückenmarks und des
Kleinhirnes verantwortlich gemacht. Als Marker für die globale Hirnatrophie wird die
brain parenchymal fraction (BPF) verwendet. Diese ist definiert als Gehirnvolumen
pro Schädelvolumen [Rudick, 1999].
17
Die so gemessene Hirnatrophie kann also auch als Parameter der axonalen
Degeneration dienen, da ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Veränderung
des EDSS-Wertes und der Atrophierate gefunden wurde [Sánchez, 2008; Popescu,
2011].
Ob die Atrophie vorrangig die weiße Substanz (white matter fraction, WMF) oder den
zerebralen Kortex (gray matter fraction, GMF) betrifft, in dem ebenfalls
inflammatorische Prozesse in großem Maße stattfinden, bleibt ungeklärt [Reddy
2000; Chard, 2002; Tiberio, 2005; Tedeschi, 2008; Valsasina, 2005; Jackson, 2011;
Ruggieri 2015].
Insgesamt erscheint die Messung der BPF ein gut messbarer Parameter zur
Verlaufskontrolle und zur Beurteilung des axonalen Schadens bei MS- Patienten. Es
kann damit die Dynamik der Krankheitsprozesse beurteilt werden, zumal eine
Hirnatrophie früh im Krankheitsverlauf bei Patienten nachgewiesen wurde [Brex,
2000]. Hierbei wird eine jährliche Atrophierate von 0,3-0,8% angenommen [Fox,
2000], die auch als Parameter in Medikamentenstudien genutzt werden kann
[Hardmeier, 2005].
Als weitere, wesentlich einfacher durchführbare Methode zur Quantifizierung der
Atrophie kommt die Bestimmung der Weite des III. Ventrikels in Frage. Da die
Anzahl der im MRT auffindbaren Läsionen der weißen und grauen Substanz in der
Nähe des dritten Ventrikels niedrig ist, wird angenommen, dass nicht nur in der Nähe
des III. Ventrikel gelegene Läsionen dessen Weite beeinflussen [Minagar, 2013;
Varosanec, 2015], sondern dass die Zunahme der Weite des Ventrikels auf einen
sekundären Volumenverlust des Gehirns zurückzuführen ist. Daher ist anzunehmen,
18
dass die Weite des dritten Ventrikels ein guter Parameter für die
Krankheitsentwicklung ist [Martola, 2008].
Die Krankheitsentwicklung kann auch deshalb an der Weite des dritten Ventrikels
quantifiziert werden, da dort die Änderungsdifferenz besonders deutlich ausfällt. So
erschien in einer Untersuchung die Weite des dritten Ventrikels als guter Indikator
für die kognitiven Funktionseinbußen [Benedict, 2006]. Für die Weite des dritten
Ventrikels wurde auch eine hohe Korrelation mit dem Ausmaß der motorischen
Behinderung (z.B. dem EDSS-Wert) berichtet [Tekok-Kilic, 2007].
19
1.3.2 Hirnparenchym-Sonographie
Nachdem die Brüder Curie bereits 1880 den piezoelektrischen Effekt als Grundlage
des Ultraschalles beschrieben, erfolgte die erste diagnostische Anwendung in der
Medizin durch den österreichischen Neurologen Dussik, der 1942 seine Methode der
„Hyperphonographie“ zur Beurteilung der Gehirnventrikel veröffentlichte [Dussik,
1942; zitiert nach Frentzel-Beyme, 2005]. Eine Untersuchung der intrakraniellen
Strukturen durch die intakte Schädelkalotte mittels Ultraschalldiagnostik galt dann bis
1954 als schwierig, da Ultraschall durch die Schädeldecke reflektiert wird und
darunterliegende Strukturen vom Ultraschall nicht erreicht werden könnten (Güttner,
1952; zitiert Schiefer 1967). Erst nachdem 1953 Edler und Hertz die Darstellung
intrakardialer Strukturen gelang, konnte 1954 der schwedische Neurochirurg Leksell
mit diesem Ultraschallgerät im A-Mode die Mittellinie darstellen und somit bei
Patienten mit raumfordernden intrakraniellen Prozessen Mittellinienverlagerungen
nachweisen und Komplikationen von Schädel-Hirn-Verletzungen aufdecken [Edler
und Hertz, 1953; Leksell, 1954; zitiert nach Frentzel-Beyme, 2005].
1967 wurde das erste Echtzeitgerät, der sog. „schnelle B-Scan“, von Krause und
Soldner vorgestellt [Krause & Soldner 1967; zitiert nach Frentzel-Beyme, 2005].
Sonographische Untersuchungen im B-Mode bei Kindern unter Verwendung der
vorderen Fontanelle als akustisches Fenster sind schon seit 1979 bekannt und in der
Routine eingeführt [Johnson, 1979; Bliesener, 1980]. Besonders die frühzeitige
Erkennung eines Hydrozephalus mittels Ventrikel-Hirn-Quotienten spielt dabei eine
Rolle. Die Messung des dritten Ventrikels dient zur Verlaufskontrolle eines
Hydrozephalus.
20
In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts konnte dann die Darstellung von
Blutgefäßen bei transkraniellen Ultraschalluntersuchungen verbessert werden. Seit
Aaslid stellt die transkranielle Dopplersonographie der intrakraniellen Gefäße der
Schädelbasis ein wichtiges Untersuchungsverfahren in der neurologischen Diagnostik
von zerebrovaskulären Erkrankungen dar [Aaslid, 1982].
Durch kontinuierliche Verbesserung von Ultraschallköpfen gelang seit 1990 die
Verwendung der Duplexsonographie, einer Kombination aus einem Puls-Echo-
Verfahren (B-Bild) zur Darstellung von Geweben bzw. intrakraniellen Strukturen
sowie einem gepulsten Dopplerverfahren zur Erkennung von Strömungen und zur
farbcodierten Messung von Strömungsgeschwindigkeiten, die dem B-Bild überlagert
werden (Bogdahn, 1990).
Neben vielen Publikationen zur Untersuchung der intrakraniellen Gefäße wurden aber
auch erste Arbeiten publiziert, die die transkranielle B-Bild Sonographie (TCS) für die
Untersuchung des Hirnparenchyms verwendeten (Becker, 1994; Seidel, 1995; Walter
2004). Die Untersuchung des Gehirns erfolgt hierzu durch die Temporalschuppe, bei
der die beiden Lagen des Compacta-Knochens parallel verlaufen und nur durch
wenig Spongiosa voneinander getrennt sind, so dass der Anteil der akustischen
Energie, der durch Reflexion und Streuung an der Spongiosa verbraucht wird, hier
geringer ist. (Becker und Griewing, 1998). Die Region des Schädels, die besonders
durchlässig für den Ultraschall ist, wird transtemporales Knochenfenster genannt.
Seine exakte Lokalisation und Ausdehnung variieren erheblich. Sie ist bei jungen
Individuen meist relativ groß und gut auffindbar, bei älteren Patienten schwerer zu
finden und manchmal auch völlig fehlend (Jarquin‐Valdivia, 2004).
22
Bei der Untersuchung des Hirnparenchyms durch das transtemporale Schallfenster
können je nach Beschallungswinkel unterschiedliche Untersuchungsebenen
dargestellt werden. Bei der Schnittebene, die durch das Mesencephalon verläuft, ist
der Hirnstamm die zentrale Struktur, an der im Ultraschallbild eine Orientierung
möglich ist. Er stellt sich als eine schmetterlingsförmige Struktur von mittlerer
Echogenität dar, bei der das Crus cerebri der jeweiligen Seiten die beiden Flügel des
Schmetterlings darstellen. Dadurch gelingt eine Abgrenzung des Mesencephalons
gegenüber dem Pons und des Diencephalons. Der Sylvius´sche Aquädukt stellt sich
als eine ringförmige Struktur im hinteren Teil des Mittelhirns dar. Sowohl Aquädukt
als auch die mediane Raphe zeigen sich hyperechogen. Die Silhouette des superioren
Collicolus formt den hinteren Teil des Mittelhirns. Die gute Abgrenzung dieser
Strukturen im US beruht auf einem hohen Impedanzunterschied zwischen den
benachbarten basalen Zisternen und dem Gehirngewebe.
Eine Schnittebene durch das Diencepalon kann man erreichen, indem der Schallkopf
in kranialer Richtung gekippt wird. Auch wenn die Schnittebene dadurch etwas
verkippt ist und nicht exakt der axialen Schnittebene im MRT entspricht, sind die
dadurch gewonnenen Bildinformationen weitgehend vergleichbar mit einer axialen
Schnittebene des MRT in Höhe des Thalamus und des III. Ventrikels (Abb. 1.1,
Vergleich zwischen MRT und Sonographiebild).
In der B-Bild-Sonographie erscheint das Lumen des dritten Ventrikels echoarm und
ist durch zwei echoreiche Linien eingerahmt. Diese Linien entstehen durch die
Reflexion der Wellen an der Grenze zwischen dem Liquor und dem periependymalen
Gewebe, da dort ein hoher Impedanzunterschied besteht. Der Thalamus erscheint als
eine eiförmige Struktur von mittlerer Echogenität mit hyperdensen Einschlüssen im
23
hinteren Teil. Diese Einschlüsse sind wahrscheinlich ein Ergebnis der Reflexion von
den hinteren Arterien. Die Thalamuskerne sind nicht voneinander zu unterscheiden.
Striatum und Pallidum werden vom Thalamus durch das hintere Horn der leicht
hyperdensen Capsula interna getrennt. Eine Unterscheidung im Ultraschall zwischen
den umliegenden Strukturen wie Caudatum, Claustrum und vorderem Horn der
Capsula interna kann aufgrund der gleichen Echogenität nicht getroffen werden. Die
Zirbeldrüse kann als hyperechogene Struktur in Verbindung mit dem dritten Ventrikel
bei guten Bedingungen abgegrenzt werden, bei schlechten Bildbedingungen ist die
Glandula pinealis nicht sichtbar. Die Vorderhörner der lateralen Ventrikel sind als
echoarme Struktur beidseits des Septum pellucidum darstellbar. Die Darstellung der
Gyri und Sulci ist unter Normalbedingungen nicht möglich. Knochen und Meningen
sind nicht voneinander abgrenzbar. Die weiße Substanz des Gehirns wird etwas
echoreicher und mit verschiedenen, unregelmäßig verteilten Echosignalen durchsetzt
dargestellt. Eine tiefer gehende Differenzierung ist weitgehend unmöglich. Genauso
wenig ist eine Differenzierung zwischen weißer und grauer Substanz des Gehirns
möglich. Die Fissura Sylvii, die aufgrund der sich darin befindlichen A. cerebri media
als pulsierende hyperechogene Struktur abgebildet wird, befindet sich über den
basalen Zisternen und bildet die mediale Grenze des Temporallappens.
Durch Impedanzunterschiede zwischen benachbarten Strukturen können der III.
Hirnventrikel und die Vorderhörner der Seitenventrikel als echofreie Areale erkannt
werden, welche von echoreichen Linien umgeben sind, wenn der Ultraschallstrahl
orthogonal auf das Ependym trifft. Die Weite des III. Ventrikels kann ausgemessen
werden, indem eine streng vertikale Verbindungslinie der inneren Begrenzung des
Ependyms bestimmt wird. Dagegen kann die Ausmessung der Vorderhörner der
24
Seitenventrikel über eine streng vertikale Verbindungslinie zwischen innerer
Begrenzung des Septum pellucidum und lateraler Ventrikelwand erfolgen. So kann
die Ventrikelweite quantifiziert werden und es konnten auch Tumoren visualisiert
werden [Becker 1994].
Abb. 2.1 Schema zur Verdeutlichung intrakranieller Strukturen in der Thalamusebene
Thalamus
Thalamus
III. Ventrikel
25
Es folgten die Nachweise, dass strukturelle Veränderungen mesenzephaler Bahnen
bei Patienten mit unipolarer Depression als Echogenitätsverlust der Hirnstamm-
Raphe im Ultraschall sichtbar gemacht werden können [Becker, 1994] und dass bei
Parkinson-Patienten als wesentlicher Befund eine leichte bis deutliche
Hyperechogenität der Substantia nigra vorliegt [Becker, 1995]. Seitdem hat die
Untersuchungstechnik rasante Fortschritte gemacht, so dass heute eine Auflösung
vergleichbar mit dem der MRT zu erreichen ist [Walter, 2008]. Bei der
Differenzierung der Parkinsonsyndrome kann die TCS eine Hilfe sein [Berg und
Walter 2008; Walter 2014].
Klinische Bedeutung hat weiterhin die mittels B-Bild-Sonographie darstellbare
Mittellinienverlagerung bei raumfordernden supratentoriellen Prozessen, wobei eine
hohe Korrelation zur Schnittbilddiagnostik besteht. Hierbei können – vor allem bei
instabilen Patienten - wiederholte Ultraschallmessungen in der Frühphase
ischämischer Insulte bzw. intrakranieller Blutungen zum Monitoring der
Mittellinienverlagerung eingesetzt werden [Gerriets, 2001].
Der III. Ventrikel kann besonders gut sonographisch dargestellt werden,
hauptsächlich wegen der Impedanzunterschiede zwischen Liquor und
Hirnparenchym. Die Darstellung der Seitenventrikel gestaltet sich wegen der
teilweise ungünstigen Beschallungswinkel schwieriger.
26
1.4 Studienlage zur Messung der Ventrikelweite
Insbesondere die schnelle und kostengünstige Messung von flüssigkeitsgefüllten
Hohlräumen bietet sich mittels Ultraschalldiagnostik an. Durch die gute
Darstellbarkeit des III. Ventrikels ist zu erwarten, dass eine Messung der Weite hier
relativ zuverlässig möglich ist. Bisher sind trotz dieser zu erwartenden Vorteile nur
wenige Studien durchgeführt worden, die sich mit der Messung der Weite der
intrakraniellen Ventrikel beschäftigten. In einer ersten Studie an 26 Patienten zu
dieser Fragestellung wurde 1994 eine sehr gute Korrelation (r = 0,96) der Messwerte
der Ventrikelweite, die in der CCT erhoben wurden, und denen, die in der TCS
festgestellt wurden, ermittelt. [Becker, 1994]. Neuere Studien an Patienten mit
diversen neurologischen Krankheiten oder an Patienten mit einer HIV-Infektion
konnten ebenfalls eine gute Korrelation der Messwerte der Weite des dritten
Ventrikels von MRT und TCS feststellen [Seidel, 1995; Hernandez, 2007; Yaldizli,
2006].
Eine weitere Studie verwendete die TCS für das Monitoring eines Hydrozephalus als
Verlaufsbeurteilung bei Patienten mit intracerebraler Blutung, um die
Strahlenbelastung durch CT-Untersuchungen zu minimieren, [Kiphuth, 2011].
Außerdem wurde die TCS zur Verlaufsuntersuchung der Zunahme der Ventrikelweite
bei Patienten mit progredienten kognitiven Beeinträchtigungen binnen eines Follow-
up-Zeitraums von 5 Jahren eingesetzt [Wollenweber, 2011].
27
1.5 Studienlage zur Messung der Ventrikelweite bei Patienten mit Multipler
Sklerose
In Zusammenschau dieser Vorarbeiten erscheint die Messung der Weite des III.
Ventrikels mittels TCS eine einfach durchzuführende Methode zur Beurteilung des
Verlaufs der MS. Bisher gibt es zwei prospektiv angelegte Beobachtungsstudien zu
dieser Fragestellung aus der Würzburger Arbeitsgruppe [Berg, 2000; Kallmann,
2004]. Diese beiden Publikationen konnten eine gute Korrelation der Messwerte der
Ventrikelweite zwischen der Messung mittels TCS und MRT feststellen. Die
Ventrikelweite von MS-Patienten war signifikant größer als die von vergleichbaren
gesunden Kontrollpersonen. Es bestand eine gute Korrelation zum Ausmaß der
Behinderung gemessen durch den EDSS-Wert. Hierbei zeigte sich eine stärkere
Korrelation des EDSS-Wertes mit der Weite des III. Ventrikels als mit der der
Seitenventrikel [Berg, 2000]. In der follow-up-Untersuchung wurde nach 2 Jahren
erneut eine TCS und ein MRT zur Messung des III. Ventrikels durchgeführt und die
Weite des III. Ventrikels mit dem Wert auf der EDSS und dem Multiple Sclerosis
Functional Composite (MSFC)-Wert als Maß der Behinderung verglichen. In dieser
Studie wurde eine gute Korrelation zwischen TCS und MRT bezüglich der Weite des
III. Ventrikels festgestellt (r=0.9). Schlussfolgernd wurde die TCS als reliable
Methode zur Verlaufsuntersuchung der Patienten empfohlen [Kallmann, 2004]. Diese
Studien ließen vermuten, dass damit Verlaufskontrollen der Hirnatrophie auch im
klinischen Alltag erfolgen können.
28
1.6 Fragestellung
Vor dem Hintergrund, dass bis zum Beginn der vorliegenden Arbeit nur in einer
prospektiv angelegten Studie an ausgewählten Patienten mit einer MS eine gute
Korrelation für die Messung des Durchmessers des III. Hirnventrikels zwischen den
Verfahren MRT und transkranieller B-Bild Sonographie gefunden wurde [Berg, 2000;
Kallmann, 2004], ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit zu überprüfen, ob sich diese
Ergebnisse auch in die klinische Routine übertragen lassen. Die primäre und die
sekundären Fragestellungen der vorliegenden Arbeit lauten daher:
Primäre Fragestellung:
Wie gut ist die Übereinstimmung zwischen der Messung der Weite des III. Ventrikels
zwischen transkranieller B-Bild Sonographie und MRT bei MS-Patienten, die sich im
Rahmen der klinischen Routine in einer neuroimmunologischen Ambulanz vorstellen?
Sekundäre Fragestellungen:
Besteht in diesem Patientenkollektiv eine Assoziation zwischen der Weite des III.
Ventrikels und dem Grad der Behinderung (bestimmt durch den EDSS-Wert und dem
MFSC-Wert), der Symptomdauer bzw. dem Alter der Patienten?
29
2. Patienten und Methoden
2.1 Patienten
In die vorliegende Beobachtungsstudie wurden in den Jahren 2003 und 2004
insgesamt 29 Patienten der Neuroimmunologischen Ambulanz der Klinik und Poliklinik
für Neurologie der Universitätsmedizin Greifswald mit der Diagnose einer MS gemäß
der im Folgenden genannten Ein- und Ausschlusskriterien eingeschlossen.
Einschlusskriterien:
1. Gesicherte Diagnose einer MS oder eines klinisch isolierten Syndromes (CIS)
2. Durchführung einer transkraniellen B-Bild Sonographie im Rahmen der
klinischen Routine-Diagnostik
3. Durchführung einer MRT Untersuchung des Kopfes im Rahmen der klinischen
Routine-Diagnostik
4. zeitlicher Abstand zwischen MRT und Sonographie maximal 2 Monate
5. Alter > 18 Jahre
Ausschlusskriterien:
1. Bildqualität der TCS nicht ausreichend zur Beurteilung des III. Ventrikels
2. Kontraindikationen bezüglich einer MRT-Untersuchung (Herzschrittmacher,
ferromagnetische Implantate oder Fremdkörper, Klaustrophobie, Adipositas
permagna)
3. Fehlende axiale T1-Wichtung im MRT
30
Der Prüfplan für diese retrospektive wissenschaftliche Verwendung von klinischen
Daten sowie für die Vermessung von MRT und Ultraschallbildern, die im Rahmen der
klinischen Routine erhoben wurden, wurde von der Ethikkommission an der
medizinischen Fakultät der Ernst- Moritz- Arndt- Universität Greifswald geprüft und
zustimmend bewertet. Die erhobenen Daten wurden im Anschluss an die
Untersuchung pseudonymisiert in eine Datenbank eingetragen. Alle
Studienunterlagen werden über einen Zeitraum von 15 Jahren nach Ende der Studie
in der Universitätsmedizin Greifswald aufbewahrt.
Insgesamt konnten 29 Patienten, die den Ein- und Ausschlusskriterien entsprachen,
in die vorliegende retrospektive Beobachtungsstudie eingeschlossen werden (Tabelle
2.1).
31
Tabelle 2.1 Numerische Aufzählung der Patienten, Alter der Patienten zum Zeitpunkt
der Untersuchung, bisherige Krankheitsdauer (definiert als zeitlicher Abstand
zwischen Erstdiagnose der Erkrankung zur TCS-Untersuchung in Monaten, MSFC-
Wert, EDSS-Wert der Patienten.
Pat.-Nr. Alter
(Jahre) Krankheitsdauer
(in Monaten) MSFC EDSS
1 37 1 0,55 1,0
3 21 1 0,29 2,0
4 31 5 0,33 2,0
5 34 2 0,44 4,5
6 54 1 5,0
7 32 2
8 41 5 0,39 2,0
9 42 15 -0,07 4,0
10 43 7 0,44 4,0
11 22 5 -0,90 3,5
12 35 20 0,62 1,5
13 24 0 0,49 0,0
14 44 29 0,85 2,0
15 19 0 -0,20 1,5
16 24 10
17 28 7 -0,40 1,0
18 38 6 0,56 2,0
19 38 2 0,98 2,0
20 56 2 2,0
21 37 3 -1,70 4,0
22 18 7 0,48 1,0
23 35 2 0,56 0,0
24 43 2
25 31 1 0,54 1,5
26 46 9 -1,10 6,0
28 44 1
29 49 28 0,48 1,5
32
2.2 Klinische Daten
Aus der Patientenakte wurden folgende im Rahmen der klinischen Routinediagnostik
erhobene Befunde ermittelt und pseudonymisiert in eine Datenbank in Microsoft
Excel eingepflegt. Die Datenbank umfasst die folgenden Variablen:
Patienten-Nummer, Alter, Geschlecht, Verlaufsform der MS, Krankheitsdauer seit
Symptombeginn, EDSS-Score, MSFC-Score, Weite des III. Ventrikels gemäß MRT und
transkranieller B-Bild-Sonographie.
Die EDSS ist ein erstmals von Kurtzke 1983 vorgestellte Skala, welche das Ausmaß
der Behinderung eines Patienten anhand der Einschränkungen in funktionellen
Systemen mit Hilfe von Zahlenwerten von 0,0 bis 10,0 darstellt (Kurtzke, 1983).
Hierbei ist eine Einteilung in 0,5-Schritten vorgegeben, 0,0 bedeutet normale
neurologische Funktion und 10,0 Tod infolge MS.
In Weiterentwicklung der EDSS wird der von der National Multiple Sclerosis Society
1994 veröffentliche MSFC verwendet.
Der MSFC ist ein Test, welcher aus drei Teilen besteht. Im 9-Hole-Peg-Test werden
die Fähigkeiten der oberen Extremität dargestellt, wobei 9 Stäbchen in ein Steckbrett
gesteckt werden und wieder heraus gezogen werden müssen. Im T25W (fastest time
to walk 25 feet) wird mittels der Dauer des Gehens einer bestimmten Strecke die
Funktion der unteren Extremität untersucht. Der PASAT (paced auditory serial
addition test) bildet die kognitiven Funktionen ab, wobei wieder gegebene Zahlen
addiert werden müssen. Da die Werte der einzelnen Tests unterschiedliche
Dimensionen aufweisen, werden nach der Formel
33
individueller Score – Score der Referenzpopulation z-Score = --------------------------------
SD der Referenzpopulation
die z-Scores gebildet (Fischer, 1999).
Die z-Scores der Untertests werden zum Gesamtwert zusammengefasst, wobei die
Anzahl Standardabweichungen des PASAT und des Kehrwertes vom 9-Hole-Peg-Test
addiert und die Anzahl Standardabweichung des T25W subtrahiert werden. Daraus
ergibt sich nach der Formel
Z (1/ 9HPT) - Z T25W + Z PASAT MSFC= --------------------------------------------
3 der Gesamt - MSFC. Ein größerer Wert oder ein positiverer Gesamt – MSFC - Wert stellt damit ein
besseres Abschneiden im Test dar.
2.3 MRT-Untersuchung:
Die MRT-Untersuchung wurde mit einem Siemens Magnetom Impact Expert 1.0 T
durchgeführt. Zur Messung wurden axiale T1-gewichtete Bilder (5,0 mm Dicke, TR
570, TE 14,0 mit 192*256 Field of View) ausgewählt, die nicht
kontrastmittelverstärkt sind. Die Filme wurden eingescannt, wobei das Bild zur
Auswahl kam, welches den dritten Ventrikel in seiner vollen Ausdehnung zeigt. Es
wurden, wenn möglich, mehrere Messungen der Weite des Ventrikels durchgeführt.
34
Es wurde das Programm Adobe Photoshop CS verwendet (Adobe Systems, San Jose,
CA, USA). Dabei wurde angestrebt, im anterioren, posterioren und mittleren Anteil je
eine Messung durchzuführen.
Da die Sonographie nur parallel zueinanderstehende Grenzflächen darstellen kann,
entspricht der mittlere Abschnitt des III. Ventrikels am ehesten dem Ort der
Messung. Daher wurde für alle weiteren Analysen nur der mittlere Abschnitt des
dritten Ventrikels herangezogen.
Abb. 2.1 MRT eines Patienten mit Angabe der Messpunkte
35
Abbildung 2.1 zeigt beispielhaft, wo die Messungen erfolgten. Zur Auswertung kam
nur der mittlere Messwert, da die Messung in der Mitte des Ventrikels den
Bedingungen der TCS am ehesten vergleichbar war. Dieser Messwert wurde in der
Mitte der longitudinalen antero-posterioren Ausdehnung des dritten Ventrikels
gemessen. Es wurde versucht, den Messfehler durch mehrmaliges Messen und
Mittelwert-Bildung zu minimieren. Der Untersucher, der die MRT- Messwerte erhob,
war gegen die Messwerte, welche mittels TCS erhoben wurden, verblindet.
2.4 Transkranielle B-Bild-Sonographie (TCS)
Die transkranielle B-Bild Sonographie erfolgte bei Patienten mit Multipler Sklerose in
Rahmen der Routine-Diagnostik im Ultraschall-Labor der Klinik und Poliklinik für
Neurologie der Universitätsmedizin Greifswald durch einen einzelnen in dieser
Methode erfahrenen Untersucher (zertifiziert nach DEGUM-Stufe III). Die
sonographische Untersuchung erfolgte mit jeweils einem der beiden Ultraschallgeräte
des Ultraschall-Labors: 1. Gerät General Electrics (G.E.) Vingmed, System Five und 2.
Gerät G.E. vivid i. Die transkranielle B-Bild Untersuchung erfolgte mit einem
Breitband-Sektorschallkopf mit kleiner Auflagefläche und einer operierenden
Sendefrequenz des Ultraschalls von entweder 2,25 MHz oder 2,0 MHz. Für die
Untersuchung wurde der Schallkopf an die Temporalschuppe rechts und links
gehalten, so dass intrakranielle Parenchymstrukturen über das transtemporale
Schallfenster dargestellt wurden. Es wurde eine axiale Schnittebene gewählt, in der
die Wände des 3. Ventrikels exakt parallel zueinanderstehen.
36
Dabei wurden in der Untersuchung zuerst die anatomischen Strukturen von
Mesencephalon und Glandula pinealis dargestellt. Danach folgte durch langsame
Aufwärtsbewegung die Darstellung des Diencephalons und des III. Ventrikels. Die
Messung der Weite des III. Ventrikels erfolgte an einem eingefrorenen Bild direkt am
Bildschirm des Ultraschallgerätes unter Verwendung der Messfunktion des Gerätes.
Dabei wurde der Abstand zwischen den zwei hyperechogenen Linien, die die
Begrenzung des dritten Ventrikels darstellen, gemessen. Diese beiden Linien
entstehen durch Impedanzunterschiede zwischen dem Ependym, das den III.
Ventrikel auskleidet, und dem Liquor cerebrospinalis.
Abb. 2.2 Ultraschallbild mit der Angabe des Messpunktes
37
Abbildung 2.2. zeigt beispielhaft, an welcher Stelle die Messung der Weite des dritten
Ventrikels erfolgte.
Die Messungen wurden nur durchgeführt, wenn eine optimale und zweifelsfreie
Darstellung der Wände des III. Ventrikels mit einer klaren Grenze zwischen
Hirnparenchym und Liquor erreicht werden konnte.
Alle Patienten, deren Daten in die Studienergebnisse einflossen, wurden nur einmal
sonographisch untersucht, da die Untersuchung parallel zu den
Routineuntersuchungen anderer Patienten erfolgte und somit realistische
Bedingungen des klinischen Alltags gegeben waren. Nach der Messung am Bildschirm
erfolgten der Papierausdruck und die Archivierung. Der Sonographeur war nicht nur
gegenüber den Ergebnissen der MRT-Untersuchung, sondern auch gegen die
klinischen Daten der Patienten während der gesamten Studiendauer verblindet.
2.5 Reproduzierbarkeit der Messung des III. Ventrikels mittels
transkranieller B-Bild Sonographie
Zur Bestimmung der Reproduzierbarkeit wurden insgesamt 15 Freiwillige untersucht,
die stationär in der Klinik für Neurologie aufgrund zerebrovaskulärer oder
neuroimmunologischer Erkrankungen behandelt wurden. Vor Beginn der
Untersuchungen wurde der Prüfplan der Studie, die Teilnehmerinformation und die
Einverständniserklärung für Patienten und Probanden von der Ethikkommission an
der medizinischen Fakultät der Ernst- Moritz- Arndt- Universität Greifswald geprüft
und zustimmend bewertet. Sämtliche Teilnehmer wurden mithilfe eines für Patienten
38
bzw. Kontrollen standardisierten Aufklärungsbogens über den Ablauf und die Ziele
der Studie informiert und bekundeten ihr Einverständnis zur Teilnahme schriftlich.
Die erhobenen Daten wurden im Anschluss an die Untersuchung pseudonymisiert in
eine Datenbank eingetragen. Alle Studienunterlagen werden über einen Zeitraum von
15 Jahren nach Ende der Studie in der Universitätsmedizin Greifswald aufbewahrt.
Alle Patienten wurden zweimal mit einem Abstand von mindestens 24 Std. mittels
transkranieller B-Bild-Sonographie untersucht. Die Untersuchung erfolgte am ersten
Tag mit beiden Ultraschallgeräte des Ultraschall-Labors (G.E. Vingmed, System Five
und G.E. vivid i) und am zweiten Tag nur mit dem portablen Gerät (G.E. vivid i). Die
Messung erfolgte wie oben beschrieben direkt am Ultraschallgerät, allerdings nach
Überkleben der Anzeige am Bildschirm, so dass der Untersucher die gemessenen
Werte nicht lesen konnte. Außerdem wurden die Bilder digital gespeichert und im
Abstand von einer Woche sowohl vom Untersucher, der die B-Bild Sonographie
durchgeführt hat, als auch von einem zweiten, in der Sonographie erfahrenen
Experten der III. Ventrikel erneut vermessen.
2.6 Statistische Methoden
Die statistischen Analysen wurden mit Statsoft Statistica (Version 12) und Analyse It
for Excel (Version 2.05) durchgeführt.
Zur statistischen Auswertung der Reproduzierbarkeit der Ergebnisse wurden für die
Intra-Untersucher-Reliabilität (intra-investigator Reliabilität), Intra-Auswerter-
Reliabilität (intra-reader Reliabilität), Inter-Auswerter-Reliabilität (inter-reader
39
Reliabilität) und für die Reliabilität der Untersuchung mit zwei verschiedenen
Ultraschall-Geräten die Variationskoeffizienten und Intraklassen-
Korrelationskoeffizienten mittels Varianzanalysen (one way random effect ANOVA)
errechnet und Bland-Altman-Diagramme erstellt, um eine systematische Abweichung
zu verdeutlichen und die 95%-Grenzen der Übereinstimmung beider Methoden
darzustellen.
Zum Vergleich der Messung des III. Ventrikels in MRT und TCS wurden die Pearson
Korrelation berechnet und ebenfalls Bland-Altman-Diagramme erstellt [Bland und
Altman, 1986].
Die Korrelation III. Ventrikel mit EDSS- und MSFC-Werten wurde mit dem nicht-
parametrischen Spearman-Rang-Korrelationstest untersucht. Die Assoziation
zwischen EDSS-Werten und der Weite des III. Ventrikel nach Adjustierung für Alter
und Erkrankungsdauer wurde mit einer multivariablen linearen Regression
untersucht.
Ein p-Wert <0,05 wird für alle Fragestellungen als klinisch signifikant angesehen. Bei
den sekundären Fragestellungen werden keine Korrekturen für multiples Testen
vorgenommen. Somit sind die sekundären Analysen als exploratorisch und nicht als
konfirmatorisch anzusehen.
40
3. Ergebnisse
3.1 Reproduzierbarkeit
Zur Beurteilung der Reproduzierbarkeit der Ultraschall- Ergebnisse wurden sowohl
Untersuchungen hinsichtlich der Genauigkeit der Werte durch denselben Untersucher
zu unterschiedlichen Zeitpunkten (Intra-Untersucher-Reliabilität) als auch
Untersuchungen der Auswertegenauigkeit bei gleichen Bilder zu zwei verschiedenen
Zeitpunkten (Intra-Auswerter-Reliabilität) in einer separaten Studie durchgeführt.
Auch wurden die gleichen Bilder durch zwei verschiedene Auswerter ausgewertet
(Inter-Auswerter-Reliabilität) sowie die Übereinstimmung zwei verschiedener
Ultraschallgeräte überprüft.
41
3.1.1 Intra-Untersucher-Reliabilität
Zur Bestimmung der Reliabilität der Untersuchung wurde die sonographische
Untersuchung zweimal vom gleichen Untersucher, aber zu unterschiedlichen
Zeitpunkten durchgeführt. Die Weite des III. Ventrikels betrug bei der ersten
Messung durchschnittlich 5,2mm (SD: 2,0mm) und bei der 2. Messung 5,0mm (SD:
2,1mm). Der Variationskoeffizient betrug 12,3% und der Intraklassen-
Korrelationskoeffizient 99.4%. Somit beträgt der Anteil der Varianz der Messungen,
die durch den Messfehler erklärt werden kann, nur 0,6%.
Zur Visualisierung werden die Messwerte der Untersuchungen im Bland-Altman-
Diagramm dargestellt, in dem die Differenzen der Variablen der beiden
Messmethoden gegenüber dem Mittelwert der Variablen aufgetragen werden. So
kann festgestellt werden, wie hoch die Schwankungsbreite ist, wobei weit
auseinanderliegende Grenzen eine geringe Übereinstimmung der Variablen anzeigen.
Das Bland-Altman-Diagramm (Abb. 3.1) zeigt den Mittelwert der Differenz der beiden
Messungen bei -0,17mm, so dass der systemische Messfehler sehr gering ist. Die
Differenz der beiden Messungen liegt in 95% der Messungen zwischen -1,4mm und
+1,0mm. Das Diagramm zeigt außerdem, dass die Abweichung zwischen den beiden
Messungen größer ist bei geringen Ventrikelweiten und geringer wird bei höheren
Ventrikelweiten.
42
Abb. 3.1: Band-Altman-Diagramm bei wiederholter Untersuchung durch denselben
Untersucher zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten
Scan 1: Messung der Weite des III. Ventrikels zum Zeitpunkt 1 in mm
Scan 2: Messung der Weite des III. Ventrikels zum Zeitpunkt 2 in mm.
-2
-1,5
-1
-0,5
0
0,5
1
1,5
2 4 6 8 10
Dif
fere
nc
e (
Sc
an
-2 -
Sc
an
-1)
Mean of All
Difference Plot Identity
Bias (-0.2)
95% Limits ofagreement(-1.4 to 1.0)
43
3.1.2 Intra-Auswerter-Reliabilität
Im nächsten Schritt wurden die gespeicherten Bilder des III. Ventrikel offline vom
gleichen Untersucher, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgemessen. Der
Variationskoeffizient betrug 6,1% und der Intraklassen-Korrelationskoeffizient
97,8%. Im Bland-Altmann-Diagramm werden der Differenzen der Messungen der
Weite des III. Ventrikels bei wiederholter Ausmessung der Weite des III. Ventrikels
anhand von gespeicherten Bilder durch denselben Untersucher, aber zu zwei
unterschiedlichen Zeitpunkten dargestellt. Die 95%-Schranken der Übereinstimmung
waren hier deutlich enger (-0,7mm – 0,6mm) als bei der wiederholten Untersuchung
durch den gleichen Untersucher (Abb. 3.2).
44
Abb. 3.2: Band-Altman-Diagramm bei wiederholter Ausmessung durch denselben
Untersucher zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten
TCCS 1: Messung der Weite des III. Ventrikels zum Zeitpunkt 1 in mm
TCCS 2: Messung der Weite des III. Ventrikels zum Zeitpunkt 2 in mm
-1,4
-0,9
-0,4
0,1
0,6
1 3 5 7 9
Dif
fere
nc
e (
TC
CS
-2 -
TC
CS
-1)
Mean of All
Difference Plot Identity
Bias (-0.0)
95% Limits ofagreement(-0.7 to 0.6)
45
3.1.3 Inter-Auswerter-Reliabilität
Danach wurden die gespeicherten Bilder des III. Ventrikel offline von einem zweiten
Untersucher ausgemessen. Hier lag die Messung des 2. Auswerters durchschnittlich
0,1mm über der des ersten Auswerters. Der Variationskoeffizient betrug 4,4% und
der Intraklassen-Korrelationskoeffizient 98,9%. Das Streudiagramm stellt die
Korrelation zwischen den Messungen der Weite des III. Ventrikels bei wiederholter
Ausmessung der Weite des III. Ventrikels anhand von gespeicherten Bilder durch
zwei unterschiedliche Untersucher dar (Abb. 3.3). Die 95%-Schranken der
Übereinstimmung, Darstellung im Band-Altman-Diagramm, waren hier ähnlich weit
(-0,5mm bis 0,7mm) wie bei der wiederholten Messung durch den gleichen
Auswerter (Abb. 3.4).
46
Abb. 3.3 Korrelation zwischen den Messungen bei wiederholter Ausmessung durch
zwei unterschiedliche Untersucher
Reader 1: Messung der Weite des III. Ventrikels durch Auswerter (Reader) 1 in mm
Reader 2: Messung der Weite des III. Ventrikels durch Auswerter (Reader) 2 in mm
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
1 3 5 7 9
Re
ad
er
2
Reader 1
Scatter Plot
Identity
47
Abb. 3.4: Band-Altman-Diagramm bei wiederholter Ausmessung durch zwei
unterschiedliche Untersucher
Reader 1: Messung der Weite des III. Ventrikels durch Auswerter (Reader) 1 in mm
Reader 2: Messung der Weite des III. Ventrikels durch Auswerter (Reader) 2 in mm
-0,6
-0,4
-0,2
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1 3 5 7 9
Dif
fere
nc
e (
Re
ad
er
2 -
Re
ad
er
1)
Mean of All
Difference Plot
Identity
Bias (0.1)
48
3.1.4 Übereinstimmung zweier verschiedener Ultraschallgeräte Da während des Erhebungszeitraumes zwei verschiedene Ultraschall-Geräte
verwendet wurden, wurde vom gleichen Untersucher die transkranielle Untersuchung
beim gleichen Probanden mit unterschiedlichen Ultraschall-Geräten durchgeführt und
mit jedem der beiden Geräte die Weite des III. Ventrikels ausgemessen. Der
Variationskoeffizient betrug 5,1% und der Intraklassen-Korrelationskoeffizient
97,3%. Das Streudiagramm stellt die Korrelation zwischen den Messungen der Weite
des III. Ventrikels bei einer Untersuchung mit zwei verschiedenen Ultraschall-Geräten
dar (Abb. 3.5). Das Bland-Altman-Diagramm zeigt, dass die Messungen mit dem
Gerät System-V durchschnittlich 0,3mm höher waren als die des Gerätes vivid-i. Die
95% Schranken der Übereinstimmung lagen zwischen -0,9mm und 0,4mm (Abb.
3.6).
49
Abb. 3.5: Streudiagramm zwischen den Messungen der Weite des III. Ventrikels bei
einer Untersuchung mit zwei verschiedenen Ultraschall-Geräten in mm
2
3
4
5
6
7
8
2 3 4 5 6 7 8
Viv
id i
System V
Scatter Plot Identity
50
Abb. 3.6: Band-Altman-Diagramm der Differenzen der Messungen der Weite des III.
Ventrikels bei einer Untersuchung mit zwei verschiedenen Ultraschall-Geräten in mm
-1,2
-1
-0,8
-0,6
-0,4
-0,2
0
0,2
0,4
2 3 4 5 6 7 8
Dif
fere
nc
e (
Viv
id i
- S
ys
tem
V)
Mean of All
Difference Plot Identity
Bias (-0.3)
95% Limits ofagreement(-0.9 to 0.4)
51
3.2 Vergleich B-Bild Sonographie und MRT
3.2.1 Patienten-Charakteristika
Insgesamt wurden 29 Patienten in die Studie eingeschlossen. Aufgrund nicht
ausreichender Bildqualität konnte der dritte Ventrikel nur bei 27 von 29 untersuchten
Patienten zweifelsfrei dargestellt werden (93,1%). Die nachfolgenden Analysen
erfolgten anhand der Daten von 27 Patienten. Davon waren 9 männliche und 18
weibliche Patienten, das durchschnittliche Alter betrug 35,7 Jahre. Die Daten der
Patientengruppe sind in Tabelle 3.1 zusammengefasst.
52
Tabelle 3.1 Klinische Charakteristika der Patienten
Alter 35.7 (SD: 10.3) Jahre
Geschlecht
Männlich
weiblich
7 (26%)
20 (74%)
Verlaufsform
CIS
Schubförmig
Primär progredient
7 (26%)
18 (67%)
2 (7%)
EDSS 2 (IQR 1,5 - 3,75)
MSFC 0,44 (IQR -0,07 - 0,55)
Krankheitsdauer 6 (SD: 7,9) Jahre
Transkranielle B-Bild Sonographie
Weite des 3. Ventrikel
4,4 (SD: 1,72) mm
MRT
Weite des 3. Ventrikel
Anteriore Messung
Mittlere Messung
Posteriore Messung
5,9 (SD: 2,2) mm
4,0 (SD: 1,7) mm
6,2 (SD: 2,1) mm
SD = Standardabweichung (Standard Deviation)
IQR = Interquartilen Abstand (Interquartile Range)
53
Zur Verdeutlichung der Altersverteilung und der Krankheitsdauer wurde jeweils ein
Histogramm angefertigt. Im Histogramm für die Altersverteilung wurden die
Patienten in Gruppen unterteilt, die jeweils 5 Jahre umfassen.
Histogramm für Alter
10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60
Alter
0%
4%
7%
11%
15%
19%
22%
26%
Pro
zent der
Beob.
7%
15%
4%
22%
15%
22%
7%
4% 4%
Abb. 3.7 Altersverteilung der Stichprobe
54
Bei der Darstellung der Krankheitsdauer ist deutlich zu erkennen, dass es sich bei
den Patienten der Stichprobe zum größten Teil um Patienten mit einem kurzen
Krankheitsverlauf handelt (78% der Patienten hatten eine Krankheitsdauer von max.
7 Jahren).
Histogramm für Krankheitsdauer
7 14 21 29
Krankheitsdauer
0%
7%
15%
22%
30%
37%
44%
52%
59%
67%
74%
81%
Pro
ze
nt
de
r B
eo
b.
78%
7% 7% 7%
Abb. 3.8 Verteilung der Krankheitsdauer der Stichprobe in Jahren.
55
Histogramm für EDSS
0 1 1,5 2 3,5 4 4,5 5 6
EDSS
0
1
2
3
4
5
6
7
8
Anz. B
eob.
Abb. 3.9 Verteilung der EDSS-Werte der Patienten
Die Verteilung der EDSS-Werte zeigt, dass ca. zwei Drittel der Patienten einen
leichten Grad der Behinderung aufwies mit einem EDSS-Wert ≤2.
56
MSFC
-1,700 -1,432 -1,164 -0,896 -0,628 -0,360 -0,092 0,176 0,444 0,712 0,980
MSFC
0%
5%
10%
14%
19%
24%
29%
33%
38%
43%
Pro
zent
de
r B
eob
.
Abb. 3.10 Verteilung der MSFC-Werte der Patienten
Auch die Verteilung der MSFC-Werte zeigt ein überwiegend leichtgradiges Ausmaß
der Behinderung an, wenn auch nicht ganz so deutlich wie die Verteilung der EDSS-
Werte. Zu erkennen ist aber insgesamt, dass die komplette Patientengruppe mit
einem medianen EDSS-Wert von 2 und einem medianen MSFC-Wert von 0,44 klinisch
gute Ergebnisse hatte und somit nur einen geringen Grad der Behinderung
aufwiesen.
57
3.2.2 Vergleich zwischen MRT und transkranieller B-Bild Sonographie bezüglich der
Messung der Weite des III. Ventrikels
Bei der Messung mittels transkranieller B-Bild Sonographie betrug die Weite des III.
Ventrikels im arithmetischen Mittel 4,4mm (SD: 1,7mm). Bei der Messung mittels
MRT betrug sie durchschnittlich 4,0mm (SD: 1,7mm). Der Pearson
Korrelationskoeffizient r betrug 0.71 (95% CI: 0.45-0.86; p < 0.0001; Abbildung
3.4). Somit bestand eine gute Korrelation zwischen den beiden Messmethoden.
Korrelation
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Ventrikelw eite in mm mittels TCCS
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Ve
ntr
ike
lwe
ite in
mm
mitt
els
MR
T
Abb. 3.11 Streudiagramm zur Darstellung der Korrelation zwischen der mittels TCS
und MRT gemessenen Weite des III. Ventrikels
58
Zur Darstellung wurden die Messwerte der Untersuchungen im Bland-Altman-
Diagramm dargestellt (Abb. 3.12) Die obere und untere 95%-Schranke der
Übereinstimmung lagen bei 2,93mm (95%Konfidenzintervall: 2.08 bis 3.78mm) und -
2,23mm (95%Konfidenzintervall: -3.08 bis –1.38mm). Die mittels TCS gemessene
Weite des III. Ventrikels war durchschnittlich 0,35 mm größer als die im MRT-Bild
gemessene Ventrikelweite (95%Konfidenzintervall: -0.17 bis 0.87mm). Es scheint,
dass insbesondere bei geringerer Weite des III. Ventrikels die Differenz zwischen den
beiden Messmethoden größer ist als bei größeren Ventrikelweiten.
Abb. 3.12: Bland-Altman-Diagramm der Differenzen der Messungen der Weite des
III. Ventrikels mittels TCS und MRT in mm.
-4
-3
-2
-1
0
1
2
3
1 3 5 7 9 11
Dif
fere
nc
e b
etw
een
meth
od
s
Mean of all methods
59
3.2.3 Vergleich zwischen MRT und transkranieller B-Bild Sonographie bezüglich der
Messung der Weite des III. Ventrikels in Abhängigkeit der Ventrikelweite.
Um zu überprüfen, ob ein Unterschied bezüglich der Abweichung zwischen TCS und
MRT zwischen geringeren und größeren Ventrikelweiten besteht, wurde in einer
Subgruppenanalyse die Korrelation zwischen beiden Methoden bei Patienten mit
einer Ventrikelweite <4,5mm und solchen mit einer Weite >4,5mm gemäß Messung
im MRT-Bild separat analysiert.
Bei 19 Patienten betrug die im MRT gemessene Weite des III. Ventrikels <4.5mm
und bei 8 Patienten >4,5mm. Bei den 8 Patienten, welche eine Ventrikelweite von
>4,5mm aufwiesen, betrug der Pearson Korrelationskoeffizient r = 0.80 (p =
0.0176). Bei den 19 Patienten, bei denen die Ventrikelweite <4,5mm war, war der
Pearson-Korrelationskoeffizient deutlich schlechter (r = 0.58; p = 0.0088). Die 95%-
Schranken der Übereinstimmung sind aber in beiden Subgruppen ähnlich weit
auseinanderliegend (Abb. 3.13 und Abb. 3.14).
60
Abb. 3.13 Bland-Altman-Diagramm der Differenzen der Messungen der Weite des III.
Ventrikels mittels TCS und MRT in mm bei Patienten mit einer Ventrikelweite
<4,5mm
Zero bias
-1,5
-1
-0,5
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
1 2 3 4 5 6 7
Dif
fere
nc
e b
etw
een
meth
od
s
Mean of all methods
61
Abb. 3.14 Bland-Altman-Diagramm der Differenzen der Messungen der Weite des III.
Ventrikels mittels TCS und MRT in mm bei Patienten mit einer Ventrikelweite
>4,5mm
Zero bias
-4
-3
-2
-1
0
1
2
3
2 4 6 8 10
Dif
fere
nc
e b
etw
een
meth
od
s
Mean of all methods
62
3.2.4 Korrelation zwischen Ventrikelweite und klinischen Parametern
Als sekundäre Fragestellung wurde der Zusammenhang zwischen der Weite des III.
Ventrikels mit dem Alter, der Krankheitsdauer seit Symptombeginn und dem Grad
der Behinderung, ausgedrückt durch die EDSS- und MSFC-Werte, untersucht. Die
entsprechenden Korrelationskoeffizienten der Spearman Rang-Korrelation sind
Tabelle 3.2 gelistet.
Tabelle 3.2 Spearman Rang-Korrelationskoeffizienten ρ für die Korrelation zwischen
Weite des III. Ventrikels und Alter, der Krankheitsdauer seit Symptombeginn und den
EDSS- und MSFC-Werten.
Ventrikelweite
transkranielle Sonographie
Ventrikelweite
MRT
Alter ρ = 0,47 (p<0,05) ρ = 0,64 (p<0,001)
Krankheitsdauer ρ = 0,11 (n.s.) ρ = 0,08 (n.s)
EDSS-Wert ρ = 0,40 (p=0,059) ρ = 0,55 (p<0,01)
MSFC-Wert ρ = -0,05 (n.s.) ρ = -0,11 (n.s.)
n.s. = nicht signifikant
Es besteht eine signifikante, aber mäßige Korrelation zwischen der Ventrikelweite
und dem Alter der Patienten sowie dem EDSS-Wert. Die Korrelation ist stärker, wenn
die Ventrikelweite mittels MRT als mittels TCS bestimmt wird. Es besteht keine
Korrelation zwischen der Ventrikelweite und dem MSFC-Wert.
63
Zur Beantwortung der Frage, ob der Grad der Behinderung durch die Ventrikelweite
vorhergesagt werden kann, wurde eine multiple lineare Regressionsanalyse mit dem
EDSS als abhängige Variable und dem Alter der Patienten, der Krankheitsdauer nach
Symptombeginn und der Ventrikelweite als unabhängige Variablen berechnet.
Berechnet wurden 2 Modelle, wobei bei dem ersten Modell die mittels MRT
gemessene und bei dem zweiten Modell die mittels TCS gemessene Ventrikelweite
verwendet wurde (Tabelle 3.3). Es besteht eine positive Assoziation zwischen
Ventrikelweite und dem mittels EDSS bestimmten Grad der Behinderung, und zwar
unabhängig vom Alter der Patienten und der Krankheitsdauer seit Symptombeginn.
Dabei ist sowohl die Effektstärke β der Ventrikelweite als auch das Bestimmtheitsmaß
R2, also der Anteil der durch das Modell erklärten Varianz des EDSS größer, wenn die
Ventrikelweite mittels MRT statt mittels TCS gemessen wird.
Tabelle 3.3 Multiple lineare Regression für die Assoziation zwischen EDSS und der
Ventrikelweite.
Modell 1:
Ventrikelweite gemessen mittels MRT
Modell 2:
Ventrikelweite gemessen mittels TCS
Effektstärke Signifikanz Effektstärke Signifikanz
Alter β= 0,01 n.s. Alter β= 0,03 n.s.
Krankheitsdauer β= -0,001 n.s. Krankheitsdauer β= -0,02 n.s.
Ventrikelweite β= 0,57 P<0,05 Ventrikelweite β= 0,38 P=0,0552
adj. R2 = 0,32 adj. R2 = 0,23
n.s. = nicht signifikant; adj. = adjustiertes
64
4. Diskussion
4.1. Die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit
1. Auch wenn Ultraschall-Untersuchungen in der klinischen Routine durchgeführt
werden, besteht eine gute Korrelation (Korrelationskoeffizient 0,7) zwischen
der Messung der Weite des III. Ventrikels mittels transkranieller B-Bild-
Sonographie und dem in der vorliegenden Arbeit verwendeten Goldstandard
einer axialen Schicht des T1-gewichteten MRT durch den dritten Ventrikel.
2. Allerdings sind in den Bland-Altman-Plots die Schranken der Übereinstimmung
relativ weit, so dass die Übereinstimmung der beiden Messmethoden eher
mäßig ist.
3. Die Übereinstimmung zwischen der Messung mittels transkranieller B-Bild
Sonographie und der Messung mittels MRT ist umso größer, je größer die
Ventrikelweite ist.
4. Die Weite des III. Ventrikel ist mit dem EDSS-Wert nach Adjustierung des
Alters der Patienten und der Erkrankungsdauer assoziiert, wobei der Anteil der
durch das jeweilige Modell erklärten Varianz größer ist, wenn die Weite des
III. Ventrikel mittels MRT als mittels transkranieller B-Bild Sonographie
bestimmt wurde.
65
4.2. Diskussion der Ergebnisse im Kontext der aktuellen Literatur
Die vorliegende Arbeit zeigt, dass die Messung der Weite des III. Ventrikels mittels
TCS und MRT gut miteinander korrelieren (Pearson Korrelationskoeffizient r = 0,7).
Bisher wurden zwei Arbeiten publiziert [Berg, 2000 und Kallmann, 2004], die
ebenfalls eine Korrelation der Messung der Weite des III. Ventrikels mittels B-Bild
Sonographie und MRT bei Patienten mit MS berechnet hatten. Beide Publikationen
berichten jedoch eine stärkere Korrelation (r = 0,9 bzw. r = 0,92) zwischen den
beiden Messungen des III. Ventrikels als die vorliegende Arbeit.
Der wesentliche Unterschied zwischen diesen Studien und der vorliegenden Arbeit
ist, dass die Patienten dieser Studien bereits länger erkrankt waren (9,5 Jahre
[Kallmann, 2004] versus 6 Jahre in der vorliegenden Arbeit), einen höheren Grad der
motorischen Behinderung (Median des EDSS-Wertes 4 [Kallmann, 2004] versus
Median des EDSS-Wertes 2 in der vorliegenden Arbeit) und eine größere Weite des
III. Ventrikel (7,2mm (SD: 2,0mm) [Berg, 2000] bzw. 5,83mm (SD: 2,97mm)
[Kallmann, 2004] versus 4,37mm (SD: 1,7mm) in der vorliegenden Arbeit)
aufwiesen. Außerdem wurden in diesen Studien zu 43,3% bzw. 39,5% Patienten mit
sekundär progredienter Verlaufsform eingeschlossen, bei denen eine besonders stark
ausgeprägte Hirnparenchymatrophie zu erwarten ist [Kalkers, 2002].
Einen Einfluss der durchschnittlichen Ventrikelweite der Patientenstichprobe auf die
Stärke der Korrelation zwischen TCS und MRT bzw. CT wurde auch in Publikationen
66
beschrieben, die die Ventrikelweite bei Patienten mit anderen neurologischen
Erkrankungen untersuchten. Bei einer Studie an 47 Patienten mit HIV-Infektion mit
einer durchschnittlichen Ventrikelweite von 4,4mm (SD: 2,5mm) betrug der
Korrelationskoeffizient zwischen Sonographie und MRT oder CT ebenfalls 0,7
[Yaldizli, 2005]. Bei einer weiteren Studie an 44 Patienten mit diversen
neurologischen Erkrankungen und größeren Ventrikelweiten (Alter <60 Jahren:
4,8mm (SD: 1,9mm); Alter >60 Jahre 7,6mm (SD: 2,1mm) betrug der
Korrelationskoeffizienten 0,83 für den Vergleich von TCS und CT [Seidel, 1995].
Lediglich bei einer Publikation an 30 Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen
wurde auch bei geringeren durchschnittlichen Ventrikelweiten von 3,97mm (SD:
2,58mm) ein Korrelationskoeffizient von 0,85 berichtet [Hernandez, 2007].
Insgesamt ist aber Korrelation zwischen den beiden Messmethoden offenbar umso
stärker, je weiter die Atrophie des Hirnparenchyms bereits fortgeschritten ist. Diese
Schussfolgerung kann auch in der vorliegenden Arbeit bestätigt werden. Eine
Subgruppenanalyse der vorliegenden Arbeit zeigt, dass der Korrelationskoeffizient bei
Patienten mit einer Ventrikelweite >4,5mm deutlich höher ist (r = 0,8) als bei
Patienten mit einer Ventrikelweite <4,5mm (r = 0,58). Die stärkere Korrelation
zwischen den Messmethoden bei Patienten mit größerer Ventrikelweite spiegelt sich
aber nicht in den Bland-Altman-Diagrammen wider, die das Maß der
Übereinstimmung bzw. die absolute Abweichung der Messungen in mm angibt. Hier
sind die Schranken, in denen 95% der Abweichungen liegen, bei beiden Subgruppen
ähnlich weit. Auffällig ist allerdings, dass bei Patienten mit einer Ventrikelweite
<4,5mm die TCS in der Tendenz höhere Werte misst, während bei Patienten mit
67
einer Ventrikelweite >4,5mm die TCS in der Tendenz niedrigere Werte misst. Die
Unterschiede zwischen Korrelationsberechnungen und der Bland-Altman-Diagramme
liegen darin begründet, dass die Korrelation die Stärke und die Richtung eines
Zusammenhanges beurteilt (niedrige Werte in der einen entsprechen niedrigen
Werte in der anderen bzw. hohe Werte in der einen entsprechen hohen Werte in der
anderen Messung), während die Bland-Altman-Diagramme die tatsächliche
Übereinstimmung der Messwerte angibt. Für den Vergleich der Messgenauigkeit ist
somit die Darstellung der Abweichungen in Bland-Altman-Diagrammen die
geeignetere Methode. Bland-Altman-Diagramme werden allerdings in den
Publikationen von Berg et al. [Berg, 2000] und Kallmann et al. [Kallmann, 2004]
nicht angegeben, so dass diesbezüglich ein Vergleich mit der vorliegenden Arbeit
nicht möglich ist.
Die Abweichungen der Messwerte der Ventrikelweite im Vergleich von TCS und MRT
kann auch durch die anatomische Konfiguration des III. Ventrikel begründet sein.
Wie im MRT zu sehen war, gibt es eine hohe Variabilität der anatomischen
Konfiguration des III. Ventrikel bei den individuellen Patienten. Die Form des III.
Ventrikel ist in vielen Fällen nicht schlitzförmig mit parallelen Wänden, sondern weist
häufig pentagon- oder sanduhrförmige Konfiguration auf. Da eine
Ultraschalluntersuchung auf der Reflexion von Wellen an Grenzflächen beruht,
gelingt diese am besten bei parallel zueinander stehenden Wänden. An nicht parallel
stehenden Wänden, z.B. kurvigen oder pentagonalen Strukturen ist eine
Identifizierung der Ventrikelwand nicht immer zweifelsfrei möglich, so dass eine
Messung nur an den Stellen erfolgen kann, an denen die Wände des III. Ventrikels
68
weitgehend parallel zu einander stehen. Dies ist zwar häufig im mittleren Abschnitt
des III. Ventrikels der Fall. Dennoch ist es denkbar, dass die Messung des III.
Ventrikels im MRT-Bild und im TCS-Bild nicht an exakt den gleichen Stellen
vorgenommen werden konnte und dadurch eine Abweichung der Messwerte
zwischen TCS und MRT entsteht. Je mehr die Weite des III. Ventrikels zunimmt,
desto mehr nimmt der Ventrikel eine Konfiguration mit parallel zueinander stehenden
Wänden an, so die Messung mittels TCS einfacher wird.
Ein weiterer Unterschied der vorliegenden Arbeit im Vergleich zu den beiden
Vorarbeiten [Berg, 2000 und Kallmann, 2004] ist, dass in der vorliegenden Arbeit
retrospektiv klinische Routinedaten ausgewertet wurden, während die früheren
Arbeiten prospektiv Studienpatienten untersuchten. Prospektive Datenerhebungen
weisen in der Regel eine höhere Standardisierung des Messvorgangs, eine gezieltere
Auswahl der Probanden und ein speziell auf den zu erhebenden Messwert
abgestimmten Untersuchungsablauf auf, während klinische Routine-Untersuchung
eher auf die Unterscheidung zwischen krank und gesund abzielen, Messungen
deshalb weniger standardisiert durchführen und häufig auch die zur Untersuchung
zur Verfügung stehende Zeit limitiert ist. Die üblichen Gründe, die dazu führen, dass
die Qualität von Routine- Daten in der Regel schlechter sind als prospektiv erhobene
Studienuntersuchungen, dürften in diesem Fall nicht zutreffen. Die
Ultraschalluntersuchungen, deren Befunde für die vorliegende Arbeit verwendeten
wurden, wurden speziell mit dem Ziel durchgeführt, die Weite des III. Ventrikels zu
messen, um einen Ausgangswert für serielle Untersuchungen zur Beurteilung der
fortschreitenden Hirnparenchymatrophie zu generieren. Alle Ultraschall-
69
untersuchungen wurden vom selben Untersucher durchgeführt, der eine mehrjährige
Erfahrung in transkranieller Duplexsonographie und der eine gute Intra-Untersucher-
Reliabilität aufweist. Es wurden lediglich unterschiedliche Ultraschall-Geräte
verwendet, wobei auch hier die Variabilität der Messung zwischen diesen Geräten
gering war. Die Unterschiede im Vergleich zu den früheren Arbeiten sind somit in
erster Linie in der Auswahl der Patienten zu suchen. Im Rahmen der klinischen
Routine wurden überwiegend MS-Patienten mit geringem Grad der Behinderung
untersucht, während nur wenige Patienten einen höheren Behinderungsgrad
aufwiesen. Dagegen waren die Patienten in den vorherigen Arbeiten deutlich
schwerer betroffen.
In der vorliegenden Arbeit konnte eine mäßige Korrelation (ρ = 0,55) zwischen der
mittels MRT gemessenen Weite des III. Ventrikels und den EDSS-Werten als Maß der
klinischen Behinderung nachgewiesen werden. Der Spearman Rang-
Korrelationskoeffizient ρ war etwas geringer, wenn die Ventrikelweite mittels TCS
gemessen wurde (ρ = 0,40 versus ρ = 0,55). Eine neuere Publikation, die eine
vergleichbare Patientenstichprobe untersuchte wie die vorliegende Arbeit
(Krankheitsdauer 6 Jahre, Median des EDSS 2, durchschnittliche Weite des III.
Ventrikels 3,8mm), konnte ebenso eine mäßige Korrelation (ρ = 0,45) zwischen
Ventrikelweite und EDSS-Werten feststellen [Müller, 2013a]. Obwohl die beiden
früheren Arbeiten von Berg et al. und Kallmann et al. [Berg, 2000 und Kallmann,
2004] Patienten in deutlich weiter fortgeschritten Krankheitsstadien untersuchten,
waren bei deren Arbeiten die Korrelationen zwischen Ventrikelweite und dem EDSS
(ρ = 0,40 [Berg, 2000] bzw. ρ =0,57 [Kallmann, 2004]) ebenfalls eher mäßig.
70
Während die Bewertung des Ausmaßes der Behinderung nach der EDSS von der
Einschätzung des Untersuchers abhängig ist, die Beinfunktion überproportional stark
gewichtet und nur langsam auf Veränderungen des neurologischen Befundes
anspricht [Whitaker, 1995; Noseworthy, 1990; Hobart, 2000], graduiert der seit 1994
verwendete MSFC neben den motorischen Einschränkungen mit dem 9-Hole-Peg-
Test und dem T25W (fastest time to walk 25 feet) auch die kognitiven Funktionen
mittels PASAT (paced auditory serial addition test). Während die vorliegende Arbeit
keine signifikante Korrelation zwischen der Ventrikelweite und den MSFC-Werten
feststellen konnte, zeigen zumindest 3 Studien auch einen Zusammenhang mit
psychischer/kognitiver Beeinträchtigung [Kallmann, 2004; Walter, 2009 und Müller
M, 2013 b]. Bei Patienten mit fortgeschrittener Hirnparenchymatrophie konnte eine
mäßige inverse Korrelation (ρ = -0,41) zwischen Ventrikelweite und MSFC erhoben
werden [Kallmann, 2004]. Auch in den Studien an Patienten mit weniger weit
fortgeschrittener MS (d.h. vergleichbar mit der der vorliegenden Arbeit) konnte eine
signifikante mäßige bis schwache Korrelation zwischen der Ventrikelweite und
diversen Test zur kognitiver Beeinträchtigung nachgewiesen werden [Walter, 2009
und Müller M, 2013 b]. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Ventrikelweite
und dem Fatigue Scale for motor and cognitive function (FSMC) (Penner, 2009)
konnte jedoch nicht festgestellt werden [Müller M, 2013 b].
71
4.3 Ausblicke und Konsequenzen
Da demyelinisierende Prozesse und axonale Schädigungsmechanismen parallel und
unabhängig voneinander bereits in frühen Krankheitsstadien auftreten können, ist es
erforderlich, dass diagnostische Untersuchungen nicht nur das Neuauftreten von
demyelinisierenden Herden, sondern auch eine in-vivo-Messung von axonaler
Schädigung beinhalten [Bitsch, 2000], um festzustellen, ob eine
immunmodulatorische Therapie auch eine Reduktion der axonalen Schädigung
bewirken würde [Rieckmann, 2002]. Neuere Publikationen konnten zeigen, dass
mittels die MRT gemessene Hirnparenchymatrophie durch unterschiedliche Therapien
beeinflusst werden kann [Calabrese, 2012; Bendfeldt, 2010; Zivadinov, 2007].
Neuere Publikationen zeigen, dass bei Patienten mit MS mittels TCS auch
Veränderungen tiefer gelegene Hirnstrukturen untersucht werden können. In den
Studien von Horowski et al. und Walter et al. wurde der Zusammenhang zwischen
Änderungen der Echogenität von tiefen Hirnstrukturen mit Krankheitssymptomen bei
Patienten mit MS untersucht [Walter, 2009; Horowski, 2011]. Hierbei konnte
festgestellt werden, dass neurodegenerative Veränderungen im Hirnstamm und in
den Basalganglien mit Symptomen der Krankheit häufig verknüpft sind. So war eine
Hyperechogenität in den Nuclei lentiformes mit einer längeren Krankheitsdauer und
ausgeprägteren motorischen Behinderung assoziiert. Die Hyperechogenität der
Substantia nigra war relativ stabil im Krankheitsverlauf und mit einer
Krankheitsprogression verbunden. Eventuell hängen diese bildmorphologischen
Veränderungen in der Substantia nigra mit einer frühen Eisenakkumlation, ähnlich
72
der bei der Parkinsonerkrankung, und im Krankheitsverlauf mit einer Gliosis im
Nucleus lentiformis zusammen und sie unterstreichen die exponierte Rolle, die diese
Strukturen bei exekutiven Funktionen und Handlungsplanung sowie bei der
Einschränkung dieser Funktion bei der MS spielen. Auch konnte eine Beteiligung
dieser Strukturen in Verbindung mit dem Auftreten einer Urininkontinenz bei MS-
Patienten nachgewiesen werden. Dies legt insgesamt nahe, dass die fortschreitende
Schädigung tiefer Hirnstrukturen mit dem Krankheitsprogress assoziiert ist.
In den vergangenen Jahren sind auch MRT-basierte Methoden zum Nachweis von
Schädigung der Basalganglien und zur Bestimmung des Hirn- bzw. Myelon-Volumen
entwickelt worden. Lokale Veränderungen in der grauen Substanz, nachgewiesen in
T2-Wichtungen im MRT, korrelieren gut mit kognitiven Defiziten bei MS-Patienten
[Brass, 2006; Zhang 2010]. Sowohl für die globale Hirnatrophie als auch für lokale
Atrophien wurde ein guter Zusammenhang zur Behinderung beschrieben. So
beschrieb Ruggieri bei 26 Patienten mit primär progredienter MS ein signifikant
niedrigeres Hirn- und Myelonvolumen als bei Gesunden, wobei die Minderung sowohl
die weiße als auch die graue Substanz, das Volumen des Neokortexes als auch des
Myelons betrafen und das Volumen des Thalamus mit der Läsionslast korrelierte
[Ruggieri, 2015]. Eine Atrophie, vornehmlich der grauen Substanz, ließ sich auch bei
einer MRT-Verlaufsuntersuchung von Patienten mit schubförmig verlaufender MS, die
nach initialer Präsentation eines CIS eine signifikante Volumenminderung der weißen
und grauen Substanz zeigten, messen.
73
Zur Untersuchung der grauen Substanz sind wahrscheinlich neuere MRT Verfahren
besser geeignet. Z.B. wäre die Detektion von Läsionen in der grauen Substanz
mittels double inversion recovery (DIR) Sequenz eine neue Hilfe bei follow-up-
Untersuchungen von MS-Patienten, auch wenn diese momentan noch nicht
standardisiert genug sind. Auch scheint die volumetrische Messung der Atrophie der
grauen Substanz ein vielversprechender Ansatz zur Messung der
Behinderungsprogression zu sein. Die neueren MRT- Techniken magnetization
transfer imaging (MTI), diffusion tensor imaging (DTI), and proton MR spectroscopy
(1H-MRS) könnten in näherer Zukunft gute Marker zum Monitoren von
Neurodegeneration und Neuroprotektion werden [Inglese, 2011]. Nachteil all dieser
Techniken ist aber der deutlich höhere Untersuchungs- und Zeitaufwand.
4.4 Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass unselektierte Patienten aus einer
MS-Sprechstunde überwiegend Patienten mit einem niedrigen Behinderungsgrad
sind. Diese Patienten haben dementsprechend noch keine wesentliche
Hirnparenchymatrophie. Bei diesen Patienten ist die Korrelation zwischen
transkranieller B-Bild Sonographie und MRT zwar gut, aber die Schranken im Bland-
Altman Plot sind relativ weit, so dass die Messungen von TCS und MRT bis zu 2-3mm
voneinander abweichen. Insofern erscheint eine Messung der Hirnatrophie durch
Weite des III. Ventrikels an diesen unselektierten Patienten im Rahmen der Routine
mittels TCS als nicht gut geeignet, um in diesem Setting frühe Stadien der Atrophie
74
zu untersuchen und den Axonverlust früher Krankheitsstadien nachzuweisen. Aber
aufgrund der variablen Konfiguration des III. Ventrikels ist auch das MRT hier nicht
allzu gut geeignet, anhand der Weite des III. Ventrikels die Hirnatrophie zu
bestimmen. Insofern ist die Messung des III. Ventrikels gerade in frühen
Krankheitsstadien nicht gut geeignet, obwohl gerade hier eine zuverlässige
Messmethode gefragt wäre, um eine frühe Atrophie zu erkennen.
In Anbetracht der zumindest bei Patienten mit weiter fortgeschrittener Atrophie
(Ventrikelweite > 4,5mm) guten Korrelation zwischen TCS und MRT könnte jedoch
bei diesen Patienten die sonographisch gemessene Ventrikelweite als
Surrogatparameter für eine Atrophie des Hirnparenchyms verwendet werden, auch
wenn die sonographisch gemessene Ventrikelweite bis zu 2-3mm von der im MRT
gemessenen Ventrikelweite abweicht.
In Zusammenschau der vorliegenden Arbeit mit den weiteren zu diesem Thema
publizierten Studien besteht eine Korrelation zwischen der Ventrikelweite und der
motorischen Behinderung sowie wahrscheinlich auch der kognitiven
Beeinträchtigung, die allerdings in der vorliegenden Arbeit mit alleiniger
Untersuchung des MSFC nicht dargestellt werden konnte. Die Stärke des
Zusammenhangs ist hierbei übereinstimmend sowohl in frühen als auch in
fortgeschrittenen Krankheitsstadien der MS allerdings nur mäßig ausgeprägt, was
dafür spricht, dass nicht nur die Hirnparenchymatrophie, sondern auch andere
Pathomechanismen der MS zur motorischen und kognitiven Beeinträchtigung
beitragen.
75
5. Zusammenfassung
wissenschaftlicher Hintergrund: Multifokale Demyelinisierung und axonale
Degeneration gelten als die wichtigsten Pathomechanismen der Multiplen Sklerose
(MS). Letzteres resultiert in einer globalen zerebralen Atrophie, wobei die mittels
MRT gemessene Weite des III. Ventrikels als Maß der zerebralen Atrophie mit dem
Grad der klinischen Behinderung korreliert. Unter Studienbedingungen besteht eine
gute Korrelation für die Messung des Durchmessers des III. Ventrikels zwischen den
Verfahren MRT und transkranieller B-Bild Sonographie (TCS).
Fragestellung: In dieser Arbeit wurde bei MS-Patienten einer
neuroimmunologischen Ambulanz im Rahmen der klinischen Routine untersucht, wie
gut die Messungen der Weite des III. Ventrikels mittels TCS und MRT
übereinstimmen. Außerdem wurde die Assoziation zwischen der Weite des III.
Ventrikels und dem Grad der Behinderung (bestimmt durch den EDSS-Wert und dem
MFSC-Wert), der Symptomdauer und dem Alter der Patienten untersucht.
Methoden: In die vorliegende Beobachtungsstudie wurden 29 Patienten mit der
Diagnose einer MS eingeschlossen. MRT- und TCS-Untersuchung erfolgten im
Rahmen der klinischen Routinediagnostik. Außerdem wurde an 15 Freiwilligen die
Intra-Untersucher-Reliabilität, Intra-Auswerter-Reliabilität, Inter-Auswerter-Reliabilität
der Messung des III. Ventrikels mittels TCS sowie die Reliabilität der Untersuchung
mit zwei verschiedenen Ultraschall-Geräten anhand von Variationskoeffizienten und
Intraklassen-Korrelationskoeffizienten bestimmt.
Zum Vergleich der Messung des III. Ventrikels mittels MRT und TCS wurden Pearson
Korrelationskoeffizienten berechnet und das Maß der Übereinstimmung in Bland-
76
Altman-Diagrammen dargestellt. Die Korrelation von III. Ventrikel mit EDSS- und
MSFC-Werten wurde mit dem Spearman-Rang-Korrelationstest bestimmt.
Ergebnisse: Aufgrund nicht ausreichender Bildqualität konnte der dritte Ventrikel
nur bei 27 von 29 untersuchten Patienten zweifelsfrei dargestellt werden (93,1%).
Die Intraklassen- Korrelationskoeffizienten betrugen für die Intra-Untersucher-
Reliabilität 99.4%, für die Intra-Auswerter-Reliabilität 97,8% und für die Inter-
Auswerter-Reliabilität 98,9%. Auch wenn Ultraschall-Untersuchungen in der
klinischen Routine durchgeführt wurden, bestand insgesamt eine gute Korrelation der
beiden Messmethoden (Pearson-Korrelationskoeffizient 0,7). Allerdings lagen die
obere und untere 95%-Schranke der Übereinstimmung im Bland-Altman-Diagramm
bei 2,93mm (95%-Konfidenzintervall: 2.08 bis 3.78mm) und -2,23mm (95%-
Konfidenzintervall: -3.08 bis –1.38mm). Die mittels TCS gemessene Weite des III.
Ventrikels war durchschnittlich 0,35 mm größer als die im MRT-Bild gemessene
Ventrikelweite (95%-Konfidenzintervall: -0.17 bis 0.87mm). Die Übereinstimmung
der Messungen von TCS und MRT war umso größer, je größer die Ventrikelweite war.
Schlussfolgerungen: Unselektierte Patienten aus einer MS-Sprechstunde sind
überwiegend Patienten mit einem niedrigen Behinderungsgrad ohne wesentliche
Hirnparenchymatrophie. Bei diesen Patienten ist die Korrelation zwischen TCS und
MRT zwar gut, aber die Schranken im Bland-Altman Plot sind relativ weit, so dass die
Messungen von TCS und MRT bis zu 2-3mm voneinander abweichen. Insofern
erscheint eine Messung der Hirnatrophie durch Weite des III. Ventrikels an diesen
unselektierten Patienten im Rahmen der Routine mittels TCS als nicht gut geeignet,
um in diesem Setting frühe Stadien der Atrophie zu untersuchen und den Axonverlust
früher Krankheitsstadien nachzuweisen.
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