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ACTA OPHTHALMOLOGICA VOL.42 1964 Aus rler Universitats-Augenklinik, Helsinki (Direktor: Prof. Dr. med. Salme Vannas) ANGEBORENE KUGELLINSE ALS URSACHE HOCHGRADIGER MYOPIE:") VON Henrik Forsitis und Christina Ruitta Der erste bekannte Fall, wo eine hochgradige Myopie ihre Erklarung in einer abnorm kleinen, kugelformigen Linse fand, wurde von Cordiale (1901) be- schrieben. In seinem Fall kam die Kugellinse als isolierte Erscheinung vor und war ausserdem einseitig. Die Spharophakie ist oft mit verschiedenen Anomalien der Augen und Systemerscheinungen verbunden, d. h. Ektopie der Linse und der Pupille, Cataract, Ektropium Uveae, Aniridie, Iriscolobome und Megalocornea (Ascher 1941; Lisch 1942, 1956; Dayal und Mehra 1960). Auch findet man regelmassig bei dem von Marchesani (1939) beschriebenem Syndrom und in 40010 bei dem Marfanschen Syndrom (Marfan 1896) eine Spharophakie (Weve 1931). Die Spharophakie ist in diesen Falle die Ursache der Myopie, obwohl ausser der Linsenmyopie oft auch eine Achsenmyopie vorliegt (Franceschetti 1930; Lisch 1942). Der Erbgang der Spharophakie als isolierte Erscheinung ist rezessiv (Fleischer 1916; Franceschetti 1930; FranGois 1958). Ueber den Entstehungsmechanismus dieser Anomalie liegen verschiedene Theorien vor. Eine will sie als eine mesodermale Dysgenesie erklaren (Weve 1931; Marchesani 1939). Gegen diese steht die Theorie des ektodermalen Ur- sprungs (Franceschetti 1930; Vogt 1931; Mann 1958). Lisch (1942 und 1956) erklart sie als eine Stijrung der Tunica vasculosa Lentis, und sieht in dem Pigment an der Hinterflache der Linse den Beweis. Wir haben in der Universitats-Augenklinik von Helsinki seit 1960 drei Falle mit Spharophakie naher untersucht. Fall 1. Krankengeschichte 2248160. Aslak J., 11 Jahre, Schiiler der Blindschule in Helsinki. Das Kind stammt aus den nordlichsten Teilen Finnlands. Seine Familiengeschichte ist unbekannt. Durch die *) Eingegangen am 24. Januar 1964. 812

ANGEBORENE KUGELLINSE ALS URSACHE HOCHGRADIGER MYOPIE

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Page 1: ANGEBORENE KUGELLINSE ALS URSACHE HOCHGRADIGER MYOPIE

ACTA OPHTHALMOLOGICA VOL. 42 1964

Aus rler Universitats-Augenklinik, Helsinki (Direktor: Prof. Dr. med. Salme Vannas)

ANGEBORENE KUGELLINSE ALS URSACHE HOCHGRADIGER MYOPIE:")

VON

Henrik Forsitis und Christina Ruitta

Der erste bekannte Fall, wo eine hochgradige Myopie ihre Erklarung in einer abnorm kleinen, kugelformigen Linse fand, wurde von Cordiale (1901) be- schrieben. In seinem Fall kam die Kugellinse als isolierte Erscheinung vor und war ausserdem einseitig.

Die Spharophakie ist oft mit verschiedenen Anomalien der Augen und Systemerscheinungen verbunden, d. h. Ektopie der Linse und der Pupille, Cataract, Ektropium Uveae, Aniridie, Iriscolobome und Megalocornea (Ascher 1941; Lisch 1942, 1956; Dayal und Mehra 1960). Auch findet man regelmassig bei dem von Marchesani (1939) beschriebenem Syndrom und in 40010 bei dem Marfanschen Syndrom (Marfan 1896) eine Spharophakie (Weve 1931). Die Spharophakie ist in diesen Falle die Ursache der Myopie, obwohl ausser der Linsenmyopie oft auch eine Achsenmyopie vorliegt (Franceschetti 1930; Lisch 1942). Der Erbgang der Spharophakie als isolierte Erscheinung ist rezessiv (Fleischer 1916; Franceschetti 1930; FranGois 1958).

Ueber den Entstehungsmechanismus dieser Anomalie liegen verschiedene Theorien vor. Eine will sie als eine mesodermale Dysgenesie erklaren (Weve 1931; Marchesani 1939). Gegen diese steht die Theorie des ektodermalen Ur- sprungs (Franceschetti 1930; Vogt 1931; Mann 1958). Lisch (1942 und 1956) erklart sie als eine Stijrung der Tunica vasculosa Lentis, und sieht in dem Pigment an der Hinterflache der Linse den Beweis.

Wir haben in der Universitats-Augenklinik von Helsinki seit 1960 drei Falle mit Spharophakie naher untersucht.

Fall 1 . Krankengeschichte 2248160.

Aslak J., 1 1 Jahre, Schiiler der Blindschule in Helsinki. Das Kind stammt aus den nordlichsten Teilen Finnlands. Seine Familiengeschichte ist unbekannt. Durch die

*) Eingegangen am 24. Januar 1964.

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Fig. I. Aslak J., 8 Jahre alt. Das Bild zeigt den brachymorphen Habitus des Jungen.

soziale Fiihrsorge wurde er wegen kongenitaler Schwachsichtigkeit zur Blindschule, wo der eine von uns (H. F.) tatig war, iibersandt. Ueber Schwangerschaft und Geburt liegen keine naheren Angaben vor.

Bei der Aufnahme ins Krankenhaus war der Junge 8 Jahre alt und iusserlich normal entwickelt. Ausser den Augenanomalien konnten keine Organanomalien festgestellt werden. Zu seinem Typ war er brachymorph (Bild 1). Sein Gewicht ist heute mit 11 Jahren 41 kg und die Lange 139 cm. Im Uebrigen war er gesund, Herz, Lungen und Nieren waren ohne Befund, die Seroreaktionen auf Syphilis waren negativ.

Augenbefund: Das Sehvermogen war schwer zu beurteilen, und schien es mit Korrektion 0.08 bds

Untersuchung in Narkose: Brechkraft des rechten Auges: - 26 D (Skiaskopiewert). Brechkraft des linken Auges: - 20 D (Skiaskopiewert). Die Hornhaut war ungetriibt und hatte einen Durchmesser von 14.5 mm rechts und

13.5 mm links. Bindehaut und Sklera waren normal. Die Vorderkammer war normal tief und optisch leer. Der intraokulare Druck war rechts 13 mm Hg und links 16 mm

zu sein.

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Fig. 2. Fall 1, Aslak J. Rechtes Auge. Auf dem Bild kann man deutlich die Grenzen der Kugellinse erkennen. Ausserdem geht aus diesem Bild die partielle Aniridie

und das Ektropium Uvcae hervor.

Fig. 3. Fall 1, Aslak J. Das Bild zeight deutlich den grossen Durchmesser der Cornea.

*

Hg. Der Augenhintergrund war gleich in beiden Augen. Die Papille wies einen kleinen temporalen Conus auf, der Fundus war sonst ohne Befund.

Rechtes Auge: Die kleine kugelformige Linse war ausser einigen weissen Punkten im Kern ungetriibt. Es lag beiderseits ein Ektropium Uveae vor. In Richtung 4 2 bis

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4 Uhr und 7 bis 10 Uhr war eine vordere Synachie vorhanden. Von dem Umschlags- rand der I n s verlief ein breiter Strang in Richtung 5 Uhr bis zu der hinteren FlPche der Hornhaut. Ueberall sah man eine sparliche, hypoplastische Zonula. Die Farbe der Iris war schmutzig und ihre Konfiguration netzformig.

GoniosRopie: Ein normaler Kammerwinkel fehlte iiberall. In Richtung 12 Uhr war Schwalbes vorderer Grenzring deutlich sichtbar. Die Iris war an dieser Stelle krypten- formig eingebuchtet, ahnlich wie bei einer Zyklodialyseoffnung. Im Uebrigen war der Kammerwinkel zum grossten Teil von zeltformigen Irissynachien, die teils zu Schwalbes vorderem Grenzring, und teils zu periferen Teilen des Winkels verliefen, bedeckt. Diese Adharenzen waren am deutlichsten in den unteren Teilen des Auges. Zwischen 4 6 und 4 7 Uhr war der Winkel offen und einige Blutgefasse waren deutlich sichtbar.

Das linke Auge wies ein analoges Bild auf, nur waren die Veranderungen schwPcher. Die Brechkraft der Hornhaut betrug: 38.25 : 42.25 Ax. 140° rechts und 40.75 : 41.5 Ax. 90° links.

Im Juni 1961 wurde eine intrakapsulare Linsenextraktion links ausgefiihrt. Die Operation verlief ohne Komplikationen, die Zonula war sehr schwach, und die Linse wurde ohne ausseren Druck mit dem Erisophagen extrahiert. Das Sehvermogen war postoperativ 0.2 mit + 12.5 D. Drei Monate spater wurde eine epitheliale Invasion in der Vorderkammer fcstgestellt, die langsam zu Erblindung des Auges fiihrte.

Im Januar 1962 wurde rechts eine Discission der vorderen Linsenkapsel ausgefiihrt. und eine Woche spater Extraktion der Linsenmassen. Der postoperative Verlauf war unkompliziert. Das Sehvermogen ist heute 0.25 mit + 10 D Zyl. + 3.0 Ax. 65O

Fall 2. Krankengeschichte 1758/62.

Anita V., 1 Jahr alt aus Oulu, jiingste Tochter eines Chauffeurs. Sie hat 8 Ge- schwister die nach den Angaben der Mutter keinerlei Beschwerden der Augen haben sollen. Ein Bruder des Vaters ist geisteskrank.

Die Geburt unserer Patientin verlief normal, obwohl die Mutter wahrend der Schwangerschaft von einer Nephrogestose litt. Das Geburtsgewicht war 4460 g.

Das Kind wurde vom stellvertretendem Augenarzt wegen eines grauen Scattens in der Pupille, der seit einem Monat von der Mutter beobachtet worden war, in die UniversitPts-Augenklinik von Helsinki iibersandt.

Bei der Aufnahme ins Krankenhaus war das Gewicht mit 4 Monaten 7000 g. Piidia- trische Konsultation ergab keinen pathologischen Befund. Herz, Lungen, Nieren und Leber waren gesund. Die Seroreaktionen auf Syphilis waren negativ. Gewicht heute: 12 kg, Lange 89 cm, Armspanne 81.5 cm.

Augenbe fund: Das Kind fixiert nur mit seinem rechten Auge. Reagiert auf Lichtreize mit seinein

Linken ohne zu fixieren. Das linke Auge schielt etwa 10' nach aussen. Die Augenlider, Tranenorgane und Bindehaut sind normal.

Untersuchung in Narkose: Das rechte Auge ist vollig normal. Die Brechkraft der Hornhaut ist 42 : 44 D

(horizontal : vertikal), der Durchmesser 11.2 mm. Linkes Auge: Die Hornhaut ist ungetriibt und hat einen Durchmesser von 11.2 mm.

Die Pupillendistanz betragt 55 mm. Die Brechkraft der Hornhaut ist 47 : 45 D. Die Vorderkammer ist zentral seicht und optisch leer. Die Iriskonfiguration ist C, nach der Skala von Waardenburg, wie auch rechts.

Die Linse ist klein und hat Kugelform, perifer oben liegt ein Linsencolobom. Die Linse liegt zentral und hat eine kuchenformige Triibung, die sich von der hinteren

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Kapsel ins Parenchym aushreitet. Die Breite der Linse ist schatzungsweise 6 mm. Die Zonulafasern sind temporal sichtbar und weisen einen anomalen Verlauf auf indem sie bis in unmittelbare Nahe des hinteren Linsenpols inserieren.

Temporal von der Linsentriibung ausgehend verlauft ein Strang (eine persistierende A. hyaloidea), der sich- in eine graue Masse, die sich vom Fundus erhebt, verliert. Zu dieser Masse verlaufend die Netzhautgefasse und verschwinden in ihr. Man kann an der Linsentriibung vorbei drei Netzhautgefasse verfolgen. Ein normale Papille ist nicht ersichtlich. Der Augendruck ist normal: 8 / 5 3 g rechts und 6/53 g links (Schietz Standard).

Gonioskopie: Der Kammerwinkel ist weit, und kann auch oAne Gonioskopieglus betrachtet werden. Durch die erweiterte Pupille lassen sich der Corpus Ciliare sowie die anomale Zonula betrachten.

Die Refraktion betragt - 30 Dioptrien.

Fall 3. Hannu S.

2 Jahre 10 Monate, Junge. Das Kind wurde auf Wunsch der Mutter vom Provinzial- arzt iibersandt, da er Bilder und Gegenstande sehr nahe betrachte.

Er ist der jiingere Sohn eines Pelzhandlers. Die Elten stammen aus verschiedenen Gegenden Finnlands und sind nicht verwandt. Das Kind wurde nach einer normal aus- getragenen Schwangerschaft geboren, das Gewicht bei der Geburt war 3300 g, iiber seine Linge liegen keine Angaben vor. Die Geburt verlief ohne Komplikationen. Bald nach der Geburt wurde er wegen einer hypertrofischen Pylorusstenose operiert. Sein drei Jahre alterer Bruder war wegen der gleichen Krankheit operiert worden.

Unsere Untersuchungen. Ein fur sein Alter ungewohnlich langer Junge mit grazilen Fingern und schmalem

Schadel wird in die Poliklinik gebracht. Padiatrische Untersuchung: Ein asthenischer, sonst normaler Junge, rnit langen Fin-

gern, jedoch ohne Hyperextensibilitat. Schadel, H e n und Lungen sind normal. Die Genitale sind normal entwickelt.

Die Sehschlrfe ist nicht zu bestimmen. Man beobachtet deutliche Orientierungs- schwierigkeiten in der fremden Umgebung des Untersuchungsraums. Die Deckprobe erweist eine kleine Exophorie. Kein Nystagmus. Die Pupille ist zentral, beide sind gleich gross und reagieren normal auf Lichtreize. Die Hornhaut ist ungetriibt mit einer Brechkraft von 39.5 : 41 D horizontal : vertikal. Der Hornhautdurchmesser ist 9 mm bds. Der Linsendiameter berechnet von der Photographie ist 4.7 mm. Die Vorderkam- mer ist normal tief und optisch leer. Die Linse ist stark gekriimmt und spharisch und temporal nach oben luxiert. In Mydriase liegt eine leichtes Irisschlottern vor. Die Iris ist hypoplastisch aber nicht durchleuchtbar. Die Refraktion der Augen ist - 14.0 D c Zyl. - 2.0 D Ax. Oo bds. Der Augenhintergrund: Rechts sieht man eine kleine, helle Sichel an der Papille, im Uebrigen ist die hugenhintergrund normal. Der linke Augen- hintergrund ist vollstandig normal.

Auch die iibrigen Familienmitglieder wurden von uns untersucht. Bei der Mutter fanden wir eine hochgradige Myopie rcchts mit typischen myopischer Veranderungen des Augenhintergrundes. Sonst waren keinerlei Anomalien der Augen festzustellen. Die Brechkraft der Hornhaut betrug: 43 : 45 D.

Der Vater hatte normale Augen, mit einer Brechkraft der Hornhaut von 44.5 : 45 D. Seine Eltern und Geschwister sollen gut sehen.

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Der Bruder des Hannu S. hatte normale Augen. Die Brechkraft der Hornhaut war 44 : 45 D. Dieser Junge war fur sein Alter normal gewachsen.

DISKUSSION

Die Spharophakie ist als isolierte Anomalie selten (Fransois 1958). Das haufig- ste Begleitsymptom ist eine Ektopie der Linse (Weve 1931; Lisch 1942 und 1956). Ausserdem kommen Aniridie, Iriscolobome und Megalocornea vor. Bei dem Marfanschen Syndrom mit Ektopie der Linse liegt regelmassig eine Spharophakie vor. Die Augenanomalien kommen teils in Strukturen mesoder- maler Genese - Ektropium Uveae, Aniridie - teils in ektodermalen Geweben vor - Megalocornea, anomale Insertation der Zonula.

Von unseren drei Fallen konnte man Fall 1, Aslak J. sowohl als eine Storung der mesodermalen Gewebe, wie auch als eine Storung der ektodermalen Struk- turen erklaren. D. h. im ersten Fall partielle Aniridie und zeltformige Syna- chien im Kammerwinkel und Megalocornea und zweitens Ektropium Uveae und schwach entwickelte Zonulafasern. Alle diese Veranderungen lassen sich durch die induktive Wirkung einer Storung des ektodermalen Keimblatts des Auges erklaren. Dieser Fall zeigte einen typisch brachymorphen Habitus (Bild 1).

Die Brechkraft der Hornhaut war im rechten Auge klein, fast wie bei der Cornea plana. Man hatte deswegen eine grossere postoperative Korrektion der Aphakie als die jetzt Vorhandene (+ 10 D Zyl. + 3.0 D Ax. 65O) erwartet. Wahrscheinlich war darum ausser der Linsenmyopie auch eine Achsenmyopie vorhanden. Der kleine Conus (myopicus) diirfte wohl diese Tatsache bestatigen. Eine Achsenmyopie wie auch eine Megalocornea ist friiher von Lisch (1942) beschrieben worden. Bei Messungen auf der Photographie (Bild 2), wo der Linsenrand deutlich sichtbar ist, ergibt sich der Linsendurchmesser als 8.3 mm. Die Vergrosserung in der Irisebene wird gewohnlich auf 1/8 berechnet. Wird der obige Wert mit dieser Zahl reduziert, erhalten wir den Wert des Linsen- durchmessers, d. h. 7.25 mm.

Fall 2, Anita V., der einzige von unseren Fallen mit einseitiger Spharopha- kie, hat eine ektodermale Genese. Fur diese Tatsache spricht die anomale Insertation der Zonula. In diesem Fall konnte eine Storung wahrend der Schwangerschaft die Anomalie hervorgerufen haben. Bei dieser Patientin war der Linsendurchmesser etwa 6 mm.

In mitten der kuchenformige Triibung in der Peripherie der hinteren Kap- sel sahen wir einen Bluterguss. Nach einer Blutung in der Vorderkammer, sieht man nach Resorption des Blutes oft Pigment an der Hinterflache der Hornhaut. Die Pigmentbeschlage auf der Hinterflache der Linse, die 1956 von Lisch beschrieben worden sind, konnten eine ahnliche Genese haben. Pigment- beschlage wurden auch von G. Meyer (1941) beschrieben. Interessant schien

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uns die Tatsache, dass wir den Kammerwinkel ohne Gonioskopieglas betrach- ten konnten. Bei Versuchen den Kammenvinkel zu ophtalmoskopieren hat Salzmann (1914) die theoretische Grundlage dieser Miiglichkeit ausgerechnet. Die Tiefe der Vorderkammer muss in diesen Fallen 1/4 des Hornhautradius betragen. Werner (1932) hat einen Fall von Megalocornea mit von aussen ohne Gonioskopieglas sichtbarem Kammerwinkel beschrieben. Ascher (194 1 ) hat zwei Falle beschrieben, und Burian, Rice und Allen haben 1957 zusammen eine Familie beschrieben.

Der Fall 3, Hannu S., konnte eine “Forme fruste” (Weve 1931) des Marfan- schen Syndroms sein. Er ist der einzige von unseren Fallen mit Ektopie der Linsen. Der Linsendurchmesser betragt 4.7 mm (Bild 4). Die Brechkraft der Hornhaut ist klein, liegt aber in normalen Grenzen mit 39.5 : 41 D.

In keinem von unseren Fallen konnte ein Erbgang nachgewiesen werden. Keines der Augen zeigte einen erhohten intraokularen Druck. Ausser den beschriebenen Fallen haben wir einen Fall von vollentwickeltem

Marfanschen Syndrom mit Spharophakie gesehen, wo in dem einem Auge eine Linsenextraktion eine postoperative Ablation der Netzhaut hervorgerufen hat.

SUMMARY

Three cases of spherophakia are described. The first case was an 11 year old boy with bilateral spherophakia, partial

aniridia, ectropium uveae and goniosynechias. A lens extraction changed the refraction from about -26 D to + 12 D and in the other eye from - 2 0 D to + 10 D.

Fig. 4. Fall 5, Hannu S. Rechtes Auge. Auf dem Bild erkennt man den dunklen Schatten,

nasal unten, sowie die temporal nach oben luxierte Kugellinse.

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T h e second case was a gir l with unilateral spherophakia, lens opacities and an anomalous insertion of t h e zonula of Zinn, she also showed a lens coloboma and a persistent hyaloid artery. The chamber angle was seen without gonio- scopic mirror.

The third case was a “forme fruste” of Marfan’s syndrome with subluxation of the lens.

SCHRIFTTUM

Ascher, K . W.: Partial colobonia of the scleral-limbus zone with visible Schlemm’s canal. Am. J. Ophth. 1941: 24: 615-619.

Burian, H . M., Rice, H . and Allen, L.: External visibility of the region of Schlemm’s canal. Report on a family with developmental anomalies of the cornea, iris and chamber angle. A.M. A. Arch. Ophth. 1957: 57: 6.51458.

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Franpis, /.: L‘hCrtditC en ophthalmologie. Masson et Cie., Paris 1958. S. 183. Franceschetti, A.: Mikrophakie und deren Erbgang. Klin. Monatsbl. Augenh. 1930: 85.

Lisch, K.: Ueber Mikrophakie (Spharophakie) mit Ektopia lentis. Graefes Arch. Ophth.

Lisch, K.: Ueber kongenitale Formanomalien der Linse. Graefes Arch. Ophth. 1956:

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Klin. Monatsbl. Augenh. 1939: 103: 392-406. Mmfan, A . B.: Un cas de dtformation congtnitale des 4 membres, plus prononcke aux

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Meyer, G.: Marfanscher Symptomenkomplex und spontane Linsenluxation. Klin. Mo- natsbl. Augenh. 1941: 107: 580-5S4.

Salrmann, M.: Die Ophthalmoskopie der Kammerbucht. Ztschr. Augenh. 1914: 31; 1-10.

Vogt, A.: Lehrbuch und Atlas der Spaltlampenmikroskopie. Teil 11. Enke, Stuttgart 1931, 144-746.

Weve, H.: Ueber Arachnodaktylie (Dystrophia mesodermalis congenita. Typus Marfan.

Werner, S.: Gonioskopische Untersuchungen bei Glaucoma primarium. Med. Diss.,

schwisterpaaren. Arch. Augenh. 1916: 80: 248-258.

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1942: 144: 628-642.

157: 287-293.

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Helsingfors 1932. Acta ophth. 1932: 10: 429-563, see p. 443.

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