10
Analyse des Inbetriebnahmeaufwandes von industriellen Produktionsanlagen anhand von Anwendungsbeispielen Lars Dürkop 1 , Lukasz Wisniewski 1 , Sascha Heymann 2 , Benedikt Lücke 1 , Philip Priss 1 , Jürgen Jasperneite 1,2 1 Hochschule Ostwestfalen-Lippe inIT – Institut für industrielle Informationstechnik Liebigstr. 87 32657 Lemgo 2 Fraunhofer-Anwendungszentrum Industrial Automation (IOSB-INA) Langenbruch 6 32657 Lemgo [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected]

Analyse des Inbetriebnahmeaufwandes von industriellen ......Manufacturing: 4th International Conference on Industrial Applications of Holonic and Multi-Agent Systems, HoloMAS 2009,

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • Analyse desInbetriebnahmeaufwandes von

    industriellen Produktionsanlagenanhand von Anwendungsbeispielen

    Lars Dürkop1, Lukasz Wisniewski1, Sascha Heymann2, Benedikt Lücke1,Philip Priss1, Jürgen Jasperneite1,2

    1Hochschule Ostwestfalen-LippeinIT – Institut für industrielle Informationstechnik

    Liebigstr. 8732657 Lemgo

    2Fraunhofer-Anwendungszentrum Industrial Automation (IOSB-INA)Langenbruch 632657 Lemgo

    [email protected]@hs-owl.de

    [email protected]@[email protected]

    [email protected]

  • Abstract: In der industriellen Automatisierung könnte ein Paradig-menwechsel von zentralisierten, statischen Strukturen hin zu rekonfi-gurierbaren Produktionssystemen (reconfigurable manufacturing sy-stems (RMS)) bevorstehen. RMS werden als Schlüsseltechnologie fürdie erforderliche Wandlungsfähigkeit zukünftiger produzierender Un-ternehmen angesehen, da sie die notwendigen Engineering-Aufwändefür die Rekonfiguration bestehender oder die Inbetriebnahme neuerAnlagen maßgeblich reduzieren können sollen. Wie die Unternehmenvom RMS-Prinzp im Detail profitieren können, ist jedoch noch un-klar. So kann die erreichbare Reduzierung der Engineering-Aufwändebislang nicht in konkreten Zahlen ausgedrückt werden. Solche Fak-ten sind jedoch notwendig, um die Industrie von den Vorteilen die-ser neuen Technologie zu überzeugen. Um die Vorteile des RMS-Paradigmas analysieren zu können, müssen als Vergleichsbasis zu-erst die Engineering-Aufwände für heutige automatisierungstechni-sche Systeme erfasst werden. Dies ist das Ziel dieser Arbeit, in deranhand eines Fallbeispiels die Aufwände für die Inbetriebnahme einestypischen Produktionssystems analysiert werden.

    1 EinleitungAufgrund kürzerer Produktlebenszyklen und des Trendes hin zur individualisiertenMassenfertigung wird die Wandlungsfähigkeit ein zentraler Faktor in der Wettbewerbs-fähigkeit von produzierenden Unternehmen werden [WEN+07]. Der Begriff Wand-lungsfähigkeit zielt dabei auf alle Ebenen der Wertschöpfungskette einer Firma ab- von der angebotenen Produktpalette bis hin zu den einzelnen in der Produktioneingesetzten Werkzeugen. Einen wesentlichen Bestandteil eines wandlungsfähigen Un-ternehmens bilden dabei rekonfigurierbare Produktionssysteme (reconfigurable manu-facturing systems, RMSs). Diese werden von Anfang an dafür entworfen, um bei plötz-lichen Änderungen der Marktanforderungen schnelle Änderungen in ihrer Hardware-und Software-Struktur zu ermöglichen [KHJ+99].Mögliche Architekturen zur Realisierung von RMSs werden seit über 15 Jahren inder Produktionsforschung diskutiert. Die verbreitetsten Ansätze sind dabei service-orientierte Architekturen und Multiagentensysteme [MLRC09]. Beide Vorschläge ba-sieren auf der verteilten Kontrolle von Produktionsprozessen – im Gegensatz zu derzentralistischen und statischen Struktur heutiger Automatisierungssysteme. Tatsäch-lich stellt die Anpassung existierender Automatisierungslösungen einen zeitaufwändi-gen und damit kostenintensiven Vorgang dar. Daraus resultiert die Situation, dassAutomatisierungssysteme –bzw. zumindest die Steuerungssoftware– bei notwendigenAnpassungen oft von Grund auf neu geplant werden anstatt dass die vorhandenenAnlagen modifiziert werden [MJG11].Trotz dieser Aufwände haben sich RMSs in der industriellen Praxis bis heute nicht

    2

  • durchgesetzt. In [CKT10] werden dafür vor allem technologische (ungenügende Re-chenleistung der Automatisierungskomponenten, ungenügende Unterstützung durchEngineering-Werkzeuge, ...) sowie menschliche (Einarbeitungsaufwand, Skepsis gegen-über neuen Technologien, ...) Gründe aufgeführt.Eine weitere Ursache liegt darin begründet, dass sich die Mehrwerte der neuen Auto-matisierungskonzepte für die Unternehmen nicht in konkrete Zahlen fassen lassen. Sowürde eine Umstellung der gesamten Produktion auf z.B. service-orientierte Architek-turen erhebliche Anfangsinvestitionen fordern, ohne dass die langfristigen Ersparnisseeiner derartigen Umgestaltung im Voraus bekannt wären. Daher müssen Untersuchun-gen durchgeführt werden, welche es erlauben, den zentralen Vorteil des RMS-Prinzips–die Reduzierung des Zeitaufwandes für die Inbetriebnahme neuer Produktionssystemeoder die Rekonfiguration bestehender Systeme– quantitativ zu erfassen.

    2 Beitrag dieser ArbeitEine Voraussetzung für die Angabe der Mehrwerte des RMS-Ansatzes ist die Analysedes Engineeringaufwandes für herkömmliche automatisierungstechnische Anlagen. ImRahmen dieser Arbeit wurden daher systematische Untersuchungen durchgeführt, umdie Aufwände, welche für die Inbetriebnahme derzeitiger industrieller Produktionsan-lagen geleistet werden müssen, zu erfassen. Als Anwendungsbeispiel wurde dafür einTeilsystem der SmartFactoryOWL der Hochschule Ostwestfalen-Lippe genutzt. DieSmartFactoryOWL ist von Anfang an im Sinne des RMS-Prinzips als modulares Sy-stem aufgebaut worden. So sollen zukünfitg neue Produktvarianten in ihr produziertwerden, welche in der ursprünglichen Planung nicht vorgesehen waren.Nichtsdestotrotz wurden für die Erst-Inbetriebnahme standardisierte Komponentenaus der Automatisierungstechnik verwendet, sodass der Engineeringaufwand für dieInbetriebnahme mit dem herkömmlicher Systeme verglichen werden kann. Dazu wur-den parallel zur Inbetriebnahme des Teilsystems alle Zeitaufwände erfasst, die in denverschiedenen Bereichen der Errichtung einer Automatisierungslösung (mechanischerAufbau, Entwurf der Steuerungslogik, Verknüpfen der Logik mit den Feldgeräten, Pa-rametrierung der Feldgeräte, ...) anfallen. Anschließend wurden diese ins Verhältniszum Gesamtaufwand gesetzt, um ein realistisches Bild davon zu erhalten, welche Ein-zelschritte welchen Anteil am Inbetriebnahmeaufwand einer Produktionsanlage aus-machen. Die Ergebnisse dieser Studie werden, nach einer Vorstellung des untersuchtenTeilsystems der SmartFactoryOWL in Kapitel 3, in Kapitel 4 vorgestellt.

    3 Die SmartFactoryOWLDie SmartFactoryOWL ist eine Forschungs- und Demonstrationsfabrik, welche gemein-sam vom Institut für industrielle Informationstechnik der Hochschule Ostwestfalen-Lippe sowie dem Fraunhofer-Anwendungszentrum Industrial Automation in Lemgobetrieben wird. In der Anlage sollen unter dem Motto „Fabrik der Zukunft“ aktu-elle Forschungsthemen wie Adaptivität, Ressourceneffizienz und kognitive Mensch-

    3

  • Maschine-Interaktion im praktischen Einsatz gezeigt werden. Zusätzlich zur Rolle alsForschungs-, Test- und Lernlabor für Wissenschaftler und Studenten wird die Smart-FactoryOWL von kleinen und mittelständischen Unternehmen genutzt, um ihre Pro-duktionsprozesse unter Nutzung von Industrie 4.0-Themen zu optimieren und um dasPersonal im Umgang mit neuen Technologien zu schulen.Die Montagelinie als das in dieser Arbeit betrachtete Teilsystem der SmartFactory-OWL besteht aus drei Bearbeitungszellen und den zugehörigen Transportbändern(siehe Abbildung 1). Die Montagelinie ist in mechatronischer und aus Software-Sichtmodularisiert aufgebaut: Werkstückträger befördern die zu fertigenden Produkte, wel-che mit einem digitalen Produktgedächtnis ausgestattet sind, innerhalb des Systems.Das Produktgedächtnis enthält neben einer Bestell- und Artikelnummer auch eineProzessbeschreibung, welche die für die Fertigung des Produktes notwendigen Schritteenthält. Dadurch wird die Montagelinie in die Lage versetzt, gleichzeitig verschiedeneProdukte herzustellen.

    Abbildung 1: Montagelinie der SmartFactoryOWL

    Die erste Bearbeitungszelle enthält einen Roboter, welcher das Produkt dynamisch ausmehreren Einzelteilen zusammensetzt. Die Angaben über benötigte Bauteile liest derRoboter aus dem Produktgedächtnis aus. Eine manuelle Bearbeitungsstation bildetdie zweite Zelle. Der Arbeiter wird hier durch Augmented Reality unterstützt, indemeine Datenbrille die Montageanweisungen direkt in sein Blickfeld projiziert. In derdritten Zelle graviert ein Laser schlussendlich produktindividuelle Logos und Textein das Produkt ein. Während der Konstruktionsphase dieses Teilsystem wurden alleInbetriebnahmeschritte und die jeweils aufgebrachten Zeitaufwände notiert.

    4

  • 4 Ergebnisse der StudieEin automatisierungstechnisches System ist ein komplexes Gebilde verschiedener Hard-und Software-Komponenten, welche jeweils den verschiedenen Ebenen der Automati-sierungspyramide (siehe Abbildung 2) zugeordnet werden können. Der Fokus dieserArbeit liegt dabei mit der Feld- und der Steuerungsebene auf den beiden unterstenEbenen. Diese sind integraler Bestandteil eines jeden Automatisierungssystems, wäh-rend die höheren Ebenen nicht in jedem System realisiert werden. Insbesondere sind dieBetriebs- und Unternehmensleitebenen oftmals nur in komplexen Anlagen vorhanden.

    MES

    SCADA

    4:mBetriebsleitebene

    3:mProzessleitebene

    2:mSteuerungsebene

    1:mFeldebeneSensorenfmAktoren

    Komponenten Ebenen

    PhysikalischermProzess

    ERP

    SPS

    5:mUnternehmensleitebene

    0:mProzessebene

    SPS:mSpeicherprogrammierbaremSteuerungSCADA:mSupervisorymControlmandmDatamAcquisitionMES:mManufacturingmExecutionmSystemERP:mEnterprisemResourcemPlanning

    Abbildung 2: Automatisierungspyramide

    Die Studie basiert auf den Aufzeichnungen des für die Inbetriebnahme verantwortlichenPersonals sowie auf Interviews. Als erster Auswertungsschritt wurden alle Engineering-Tätigkeiten während der Inbetriebnahme in bestimmte Kategorien eingeteilt. Die dar-aus resultierende Klassifikation ist in Abbildung 3 dargestellt.In einem zweiten Schritt wurde die Komplexität der jeweiligen Kategorien in Hinblickauf die aufgewendete Zeit und der verwendeten Werkzeuge analysiert und es wurdenbesondere Schwierigkeiten bei einzelnen Schritten identifiziert. Die Ergebnisse sowieeinzelne Verbesserungsvorschläge sind in den nächsten beiden Unterkapiteln beschrie-ben, der relative Anteil der einzelnen Kategorien am Gesamtaufwand ist in Abbildung4 dargestellt.

    4.1 Software-bezogene Aspekte

    Nach Auswertung der Studie betrugen die Software-bezogenen Aufwände 50 - 60 %des gesamten Engineerings. Für die Programmierung der Kontrolllogik wurden sie-ben verschiedene Engineering-Werkzeuge eingesetzt. Insbesondere musste die Logik

    5

  • Inbetriebnahme-AufwändeLvonautomatisierungstechnischenLAnlagen

    zhier:LSmartFactoryOWLN

    Hardware Software

    Verkabelung MechanischeArbeitenKontroll-

    logikProzessdaten-

    zuordnung SafetyNetzwerk-

    konfiguration

    Abbildung 3: Klassifizierung von Engineering-Aufwänden

    für die Steuerung des Roboters, der Transportbänder, des Lasers und für die Inte-gration der Komponenten in die Haupt-SPS erstellt werden. Zusätzlich musste dieSafety-Funktionalität (z.B. Not-Aus) erstellt und der Roboter angelernt werden. Alseine der wichtigsten Herausforderungen hat sich der Umgang mit den zahlreichenSoftware-Tools und die Versionsverwaltung der unterschiedlichen Software-Stände derKontrolllogiken der einzelnen Komponenten ergeben. Unterschiedliche Stände führteninsbesondere zu Kompatibilitätsproblemen zwischen den Komponenten, wenn mehrerePersonen parallel an der Anlage gearbeitet haben. Hier kann durch weitere Dezen-tralisierung und eine losere Kopplung von Funktionalitäten der Entwicklungsprozessvereinfacht werden.DieNetzwerkkonfiguration umfasst Aufgaben wie Adress- und Namenszuweisungensowie die Erstellung einer Netzwerktopologie. Zur Ausführung dieser Tätigkeiten wur-den fünf verschiedene Tools verschiedener Hersteller eingesetzt. Besondere Problemegab es bei der Integration der für die Echtzeitkonfiguration notwendigen Gerätebe-schreibungsdateien (z. B. Generic Station Description (GSD)-Dateien bei Profinet) indie entsprechenden Engineering-Tools. So waren die Dateien oftmals nicht kompatibelzum eingesetzten Tool oder zur Hardware-Revision des Feldgerätes. Eine automatischeErkennung der eingesetzten Geräte mit folgendem automatischen Download der Ge-rätebeschreibung (z.B. aus dem Internet) und Import in das Engineering-Tool könntediesen Inbetriebnahme-Schritt vereinfachen.Ein weiterer Schritt besteht in der Prozessdatenzuordnung zwischen Steuerungslo-gik und den Feldgeräten. Hier müssen die externen Variablen des Programmcodes mitden physikalischen Ein- und Ausgängen der Feldgeräte verknüpft werden. Der Zeit-aufwand dieser Aufgabe hängt stark von der Größe der Anlage und der Qualität derDokumentation ab. Insbesondere bei vielen Sensoren/Aktoren gleichen Typs ist dieIdentifizierung des korrekten Gerätes schwierig und fehleranfällig. Ein gewisse Abhil-fe kann hier mittels Selbstbeschreibungsmechanismen geschaffen werden, mit denenVariablen und Feldgeräte semantisch beschrieben werden. Ein Vergleich auf semanti-sche Übereinstimmungen kann so (teil-)automatische Zuordnungen treffen oder demInbetriebnahme-Personal Vorschläge für Zuordnungen machen [DTOJ14].Bei der Implementierung der Safety-Funktionalitäten muss die sicherheitsrelevante

    6

  • 0%

    5%

    10%

    15%

    20%

    25%Verkabelung

    MechanischeNArbeiten

    Kontrolllogik

    Prozessdatenzuordnung

    Safety

    Netzwerkkonfiguration

    Abbildung 4: Aufteilung des Engineerings-Aufwandes

    Kontrolllogik –getrennt von der übrigen Steuerungslogik– definiert werden. Hier han-delt es sich beispielsweise Notaus-Funktionen, wenn die Bearbeitungszellen für denRoboter oder den Laser nicht vollständig geschlossen sind. Bei diesem Schritt sindkeine nennenswerten Probleme aufgetreten.

    4.2 Hardware-bezogene Aspekte

    Der Anteil der Hardware-bezogenen Aufwände für die Inbetriebnahme betrug 50 - 40%. Die mechanischen Arbeiten umfassen dabei den kompletten physikalischen Auf-bau der Komponenten und ihrer mechanischen Verbindungen. Die Komplexität diesesSchrittes ist abhängig von der Kompatibilität der einzelnen Komponenten. So sindSystembausteine eines Herstellers meist auf einfache Kombinierbarkeit ausgelegt. Hierwurden jedoch Komponenten verschiedener Hersteller miteinander kombiniert, wasbeispielsweise zu Montageproblem der Motoren an die Transportbänder geführt hat.Ebenfalls erforderten die Verbindungen der Transportbänder mit den einzelnen Pro-duktionszellen aufgrund mechanischer Inkompatibilitäten teilweise einen hohen manu-ellen Anpassungsaufwand.Nach dem mechanischen Aufbau der Montagelinie folgte die Verkabelung, wobei in derbetrachteten Anlage nur elektrische Verbindungen für die Stromversorgung, für denAnschluss von Sensoren/Aktoren an Buskoppler sowie für das Netzwerk hergestelltwerden mussten. In anderen Anwendungsfällen sind beispielsweise auch zusätzlicheLeitungen für Hydraulik oder Druckluft zu verlegen. Der Aufwand dieses Schrittesist in besonderem Maße abhängig von der vorhergehenden Planungsphase. Wurdenbeispielsweise vor der Inbetriebnahme Verkabelungspläne in Tools wie ePlan erstellt,

    7

  • kann dies die für die Verkabelung notwendige Arbeit erheblich reduzieren.

    4.3 Integration neuer Module

    Die Integration der Roboterzelle in die Gesamtanlage wurde im Rahmen der Studiegesondert betrachtet. Dieses Modul kann als ein eigenständiges System betrachtetwerden, sodass die Inbetriebnahmeschritte dieser Zelle incl. deren Integration in dieMontagelinie gesondert analysiert wurden.Typischerweise werden Module auf der Basis eines Pflichtenhefts von externen Zu-lieferern gefertigt. Dem Anlagenbetreiber obliegt die Integration des Moduls in seineAnlage, wobei insbesondere mechanische, elektrische und kommunikationsspezifischeAspekte berücksichtigt werden müssen. Im Idealfall wurden die Anforderungen an dieIntegration bereits im Pflichtenheft so detailliert beschrieben, dass diese ohne größereAufwände durchgeführt werden kann.Auch in der Montagelinie der SmartFactoryOWL musste mit der Roboterzelle ein ex-ternes Modul integriert werden. Der Roboterarm soll Flaschen, die mit verschiedenenFlüssigkeiten gefüllt sind, von einem Transportband greifen und diese je nach Inhalt indie entsprechende Lagerbox stellen. Die Art der Flüssigkeit wird dabei über einen ander Flasche angebrachten RFID-Tag erkannt. Vom Hersteller wurde nur die die Robo-terzelle ohne weitere Programmierung geliefert, sodass insgesamt drei Komponentenfür die Integration angepasst werden mussten: Der Roboter selber, die Ventilinsel fürdie Pneumatik und das System für die Betriebssicherheit der Zelle.Für die softwareseitige Inbetriebnahme des Moduls wurden drei verschiedene Toolseingesetzt. Ungefähr 30 % des gesamten Aufwandes wurde dabei für den Roboter ver-wendet. Im Einzelnen musste der Roboter programmiert, parametriert und angelerntwerden. Als größte Herausforderung hat sich dabei die Anpassung der Kommunika-tionstreiber des Roboters an das in der Montagelinie verwendete Profinet-Protokollherausgestellt. Dieses Problem hat zu einer Verzögerung von mehreren Stunden ge-führt und konnte nur durch Unterstützung des Herstellers gelöst werden. Im Falle desim Greifarm integrierten RFID-Moduls gab in der Dokumentation einen Tippfehler,welcher ebenfalls erst nach mehreren Stunden entdeckt wurde.Weitere 30 % des Inbetriebnahmeaufwandes für die Roboterzelle wurde für die Konfigu-ration des Safety-Systems aufgebracht. Obwohl der Hersteller ein entsprechendes Toolmit einer benutzerfreundlichen Oberfläche mitgeliefert hat, fehlten oftmals notwendigeGerätebeschreibungsdateien. Diese mussten dann dem Tool manuell hinzugefügt wer-den, wobei insbesondere auf die richtige Version der Dateien geachtet werden musste.Schwierigkeiten sind ebenfalls durch die nur rudimentär vorhandene Dokumentationdes Safety-Systems entstanden.Im Falle der Ventilinsel musste mit einem Anteil von 5 % nur ein geringer Inbetrieb-nahmeaufwand geleistet werden. Hier musste vor allem die Logik zur Ansteuerung undRegulierung der vier Druckaktoren programmiert werden.Die letzte Software-relevante Aktivität betraf die Integration der drei Einzelmoduleder Roboterzelle in die Hauptsteuerung der Montagelinie. Die Entwicklung der not-wendigen Kontrolllogik hat ca. 20 % des gesamten für die Inbetriebnahme der Zelle

    8

  • notwendigen Aufwandes in Anspruch genommen. Die Konfiguration der Kommuni-kation zwischen Zelle und Hauptsteuerung benötigte einen Anteil von 5 %. Der ver-bleibende Anteil von ca. 10 % wurde für mechanische Arbeiten wie Verkabelungen,Verschraubungen usw. aufgewendet.Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass bei der Integration eines neuen Moduls in einebestehende Anlage vor allem Software-bezogene Aspekte im Vordergrund stehen. Imbetrachteten Anwendungsfall hat sich als besonders vorteilhaft erwiesen, dass die Ro-boterzelle im Prinzip als ein eigenständiges System betrachtet werden kann. Es gabnur wenige Schnittstellen zur Außenwelt, was Änderungen in der bestehenden Anlageauf ein Minimum reduziert hat. Allerdings musste aufgrund der genannten Problememehr Zeit für die Integration des Robotermoduls aufgewendet werden als geplant.

    5 Zusammenfassung und zukünftige ArbeitRekonfigurierbare Produktionssysteme gelten als die Zukunft der industriellen Pro-duktion. Durch sie soll der notwendige Engineering-Aufwand für die Inbetriebnahmeoder die Modifikation von Produktionsanlagen maßgeblich gesenkt werden. Allerdingshaben sich die bestehenden Konzepte für eine rekonfigurierbare Produktion in der Pra-xis noch nicht durchgesetzt. Ein Grund dafür ist, dass der Hauptvorteil dieser neuenSysteme –der reduzierte Engineering-Aufwand– bislang noch nicht in konkreten Zahlenausgedrückt werden kann.Um diese Zahlen zu bestimmen, muss in einem ersten Schritt der Engineering-Aufwandfür heutige Produktionssysteme ermittelt werden, damit dieser als Vergleichsgrundlagedienen kann. Dazu wurde in dieser Arbeit der Aufwand für die Inbetriebnahme einesTeilsystems der SmartFactoryOWL ermittelt. Diese Zahlen können als Grundlage fürmögliche Verbesserungen im Engineering-Prozess dienen. So machten beispielsweise dieArbeitsschritte Netzwerkkonfiguration und Prozessdatenzuordnung 25 % des gesamtenInbetriebnahme-Aufwandes aus – dementsprechend können Ansätze für die automa-tische Konfiguration der Kommunikation wie in [DTOJ14] den Engineering-Aufwandum bis zu 25 % reduzieren.In unserer zukünftigen Arbeit soll die SmartFactoryOWL durch eine Rekonfigurati-on der vorhandenen Anlage auf einen neuen Anwendungsfall angepasst werden. Derdabei eingesetzte Aufwand wird ebenfalls systematisch erfasst werden. Als Ergebniswerden sich die einzelnen Aufwände der Rekonfiguration mit der Erstinbetriebnahmevergleichen lassen. Daraus kann eine erste Schlussfolgerung gezogen, welche Vorteilesich in Form von geringerem Zeitaufwand aus der Gestaltung von Produktionsanlagenals rekonfigurierbare Systeme ergeben können.

    Danksagung und HinweiseDiese Arbeit wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung(BMBF) im Rahmen des Spitzenclusters „Intelligente Technische Systeme OstWestfa-lenLippe (it’s OWL)“ gefördert. Sie basiert auf dem Beitrag [DWH+15] und ergänzt

    9

  • diesen um zusätzliche Aspekte.

    Literaturverzeichnis[CKT10] Cannata, Alessandro ; Karnouskos, Stamatis ; Taisch, Marco: Evalua-

    ting the potential of a service oriented infrastructure for the factory of thefuture. In: 8th IEEE International Conference on Industrial Informatics(INDIN), 2010

    [DTOJ14] Dürkop, Lars ; Trsek, Henning ; Otto, Jens ; Jasperneite, Jürgen: Afield level architecture for reconfigurable real-time automation systems. In:10th IEEE International Workshop on Factory Communication Systems(WFCS), 2014

    [DWH+15] Dürkop, Lars ; Wisniewski, Lukasz ; Heymann, Sascha ; Lücke, Be-nedikt ; Jasperneite, Jürgen: Analyzing the engineering effort for thecommissioning of industrial automation systems. In: 20th IEEE Internatio-nal Conference on Emerging Technologies & Factory Automation (ETFA),2015

    [KHJ+99] Koren, Y. ; Heisel, U. ; Jovane, F. ; Moriwaki, T. ; Pritschow, G.; Ulsoy, G. ; van Brussel, H.: Reconfigurable Manufacturing Systems.In: Annals of the CIRP 48 (1999), Nr. 2, S. 6–12

    [MJG11] Magar, Camelia R. ; Jazdi, Nasser ; Göhner, Peter: Requirements onEngineering Tools for Increasing Reuse in Industrial Automation Automa-tion. In: 16th IEEE International Conference on Emerging Technologies& Factory Automation (ETFA), 2011

    [MLRC09] Mendes, J. M. ; Leitão, Paulo ; Restivo, Francisco ; Colombo, Arman-do W.: Service-Oriented Agents for Collaborative Industrial Automationand Production Systems. In: Mařik, Vladimir (Hrsg.) ; Strasser, Tho-mas (Hrsg.) ; Zoitl, Alois (Hrsg.): Holonic and Multi-Agent Systems forManufacturing: 4th International Conference on Industrial Applications ofHolonic and Multi-Agent Systems, HoloMAS 2009, Linz, Austria, August31 - September 2, 2009. Springer, 2009, S. 13–24

    [WEN+07] Wiendahl, H.-P. ; ElMaraghy, H. A. ; Nyhuis, P. ; Zäh, M. F. ;Wiendahl, H.-H. ; Duffie, N. ; Brieke, M.: Changeable Manufacturing- Classification, Design and Operation. In: CIRP Annals - ManufacturingTechnology 56 (2007), Nr. 2, S. 783–809

    10