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Algorithmen zur On-Board-Diagnose von Fahrwerksschäden an Schienenfahrzeugen vorgelegt von Dipl.-Ing. Yong Guo Von der Fakultät III - Prozesswissenschaften der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Ingenieurwissenschaften - Dr.-Ing. - genehmigte Dissertation Promotionsausschuss Vorsitzender: Prof. Dr.-Ing. Günter Wozny Berichter: Prof. Dr.-Ing. Rudibert King Berichter: Prof. Dr.-Ing. Dieter Filbert Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 24.05.2005 Berlin 2005 D 83

Algorithmen zur On-Board-Diagnose von Fahrwerksschäden an … · 2017-10-26 · kosteneffektive Instandhaltung realisiert wird, [DIN ISO 13373-1]. Derzeit angebotene Diagnosesysteme

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Algorithmen zur On-Board-Diagnosevon Fahrwerksschäden an

Schienenfahrzeugen

vorgelegt von

Dipl.-Ing. Yong Guo

Von der Fakultät III - Prozesswissenschaften

der Technischen Universität Berlin

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der Ingenieurwissenschaften

- Dr.-Ing. -

genehmigte Dissertation

Promotionsausschuss

Vorsitzender: Prof. Dr.-Ing. Günter Wozny

Berichter: Prof. Dr.-Ing. Rudibert King

Berichter: Prof. Dr.-Ing. Dieter Filbert

Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 24.05.2005

Berlin 2005D 83

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Abstract

Mit der Erhöhung der Fahrtgeschwindigkeit auf der Schiene gewinnt grundsätzlich auch derSicherheits- und Instandhaltungsaspekt immer mehr an Bedeutung. Schienenfahrzeuge werdenheutzutage noch überwiegend konventionell instandgehalten, d.h. in der Regel nach vorgegebenenzeit- oder laufleistungsabhängigen Fristen kontrolliert und ggf. instandgesetzt. Trotz bereitserheblicher Erhöhung des Anteils an zustandsorientierten Instandhaltungsmethoden –insbesondere im Hochgeschwindigkeitsverkehr – fehlt bis heute eine umfassende kontinuierlicheOn-Board-Diagnose mechanisch stark beanspruchter Fahrwerkskomponenten, welche einegeeignete Basis für die Einsparung von Instandhaltungskosten darstellt.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Algorithmenentwicklung für eine On-Board-Diagnose vonSchäden an sicherheitsrelevanten Fahrwerkskomponenten sowie eine schnelle Entgleisungs-detektion. Im Rahmen der Arbeit werden zunächst die statistischen Eigenschaften derBeschleunigungsdaten bis hin auf ihre Modellierbarkeit untersucht. Anschließend werdengeeignete Diagnoseverfahren für Radsatz und Radsatzlager, Schlingerdämper sowieRadsatzführungsbuchse erläutert. Umfangreiche Messungen an intakten und gezielt geschädigtenFahrwerkskomponenten belegen die Eignung der Diagnoseverfahren. Abschließend wird dasThema Entgleisungsdetektion kurz behandelt und ein Lösungsansatz vorgestellt.

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit reihen sich in die bisherigen positivenEntwicklungsergebnisse der DB AG in Sachen On-Board-Fahrwerksdiagnose ein und zeigengleichfalls, dass mit geeigneten online fähigen Algorithmen, gepaart mit moderner Mess- undRechentechnik, eine Systemrealisierung prinzipiell möglich ist. Mit wenigen Sensoren pro Fahrwerkkönnen die Beschleunigungsdaten an den markanten Punkten während der Zugfahrt kontinuierlicherfasst werden. Durch Einsatz spezieller Algorithmen, welche auf einem On-Board-Rechner zuimplementieren sind, kann ein auftretender Fehler zeitnah und sicher detektiert werden.

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Inhaltsverzeichnis

SYMBOLVERZEICHNIS ......................................................................................... I

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ............................................................................. III

1 EINLEITUNG ....................................................................................................1

2 ALLGEMEINE ANFORDERUNGEN AN DIE ON-BOARD-FAHRWERKSDIAGNOSE......................................................................................4

3 STAND DER TECHNIK ....................................................................................5

3.1 Industrielle On-Board-Fahrzeugmesstechnik................................................................................5

3.2 On-Board-Diagnose in der Verkehrstechnik .................................................................................73.2.1 Allgemeine On-Board-Diagnose für Fahrzeuge.........................................................................73.2.2 Aufgabenstellungsspezifische Diagnosetechnik.........................................................................9

3.3 Intercity Express ............................................................................................................................113.3.1 Lauftechnik für Hochgeschwindigkeitsverkehr........................................................................123.3.2 Instandhaltung ..........................................................................................................................123.3.3 On-Board-Diagnose der ICE2-Flotte........................................................................................14

3.4 Relevante Wissensgebiete zur Algorithmenentwicklung für eine Diagnose..............................15

4 AUFGABENSTELLUNG ................................................................................19

5 MESSDATENGEWINNUNG AN EINEM ICE2-MITTELWAGEN....................20

5.1 Sensoren und Messpositionen........................................................................................................22

5.2 Messdatenverwaltung ....................................................................................................................23

6 METHODEN ...................................................................................................24

6.1 Die modellgestützte Diagnose ........................................................................................................246.1.1 Möglichkeit der physikalischen Modellierung .........................................................................256.1.2 Möglichkeit der datengetriebenen Modellierung......................................................................26

6.1.2.1 Ablauf und Werkzeuge der datengetriebenen Modellierung ................................................266.1.2.2 Statistische Eigenschaften der Beschleunigungsdaten .........................................................27

6.1.2.2.1 Test auf Normalverteilung..............................................................................................27

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6.1.2.2.2 Berechnung lokaler Ausreißerraten ................................................................................286.1.2.2.3 Stationarität ....................................................................................................................286.1.2.2.4 Linearität ........................................................................................................................30

6.1.2.3 Berechnung der Informations- und Komplexitätsmaße........................................................316.1.2.3.1 Theoretische Grundlagen ...............................................................................................316.1.2.3.2 Messdatenauswahl und –vorverarbeitung ......................................................................366.1.2.3.3 Künstlich generierte Referenzdaten ...............................................................................376.1.2.3.4 Vergleich zwischen Messdaten und Referenzdaten .......................................................37

6.1.2.4 Probleme der datengetriebenen Modellierung......................................................................406.1.3 Schlussfolgerung ......................................................................................................................42

6.2 Die signalgestützte Diagnose..........................................................................................................436.2.1 Support Vektor Maschine (SVM) ............................................................................................43

6.2.1.1 Grundlage der SVM .............................................................................................................436.2.1.1.1 Lineare Trennung zwischen zwei Klassen .....................................................................436.2.1.1.2 Erweiterung auf nicht trennbare Klassen........................................................................456.2.1.1.3 Erweiterung auf nichtlineare Probleme ..........................................................................466.2.1.1.4 Schelle Lernalgorithmen ................................................................................................47

6.2.1.2 SVM für Ein-Klassen-Klassifikation....................................................................................486.2.1.3 Inkrementelles Lernen mit SVM ..........................................................................................50

6.2.2 Prinzip der Algorithmenentwicklung .......................................................................................526.2.2.1 Merkmalskonstruktion..........................................................................................................526.2.2.2 Merkmalsselektion ...............................................................................................................576.2.2.3 Klassifikation .......................................................................................................................60

6.3 Die regelbasierte Diagnose.............................................................................................................62

7 DIAGNOSEKONZEPTE FÜR FAHRWERKSKOMPONENTEN.....................65

7.1 Radlauffläche..................................................................................................................................657.1.1 Experimentelle Schadenssimulation.........................................................................................667.1.2 Algorithmenentwicklung..........................................................................................................68

7.1.2.1 Merkmalsgrobauswahl .........................................................................................................707.1.2.2 Normierung der Merkmale ...................................................................................................717.1.2.3 Automatisierte Merkmalsselektion.......................................................................................717.1.2.4 Automatisierte Regelgenerierung.........................................................................................72

7.1.3 Verifikation ..............................................................................................................................74

7.2 Radsatzlager ...................................................................................................................................777.2.1 Experimentelle Schadenssimulation.........................................................................................787.2.2 Algorithmenentwicklung..........................................................................................................80

7.2.2.1 Hüllkurvenanalyse................................................................................................................807.2.2.2 Automatisierte Merkmalsselektion.......................................................................................82

7.3 Radsatzführung ..............................................................................................................................84

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7.3.1 Experimentelle Schadenssimulation.........................................................................................857.3.2 Algorithmenentwicklung..........................................................................................................857.3.3 Verifikation ..............................................................................................................................88

7.4 Schlingerdämpfer ...........................................................................................................................907.4.1 Experimentelle Schadenssimulation.........................................................................................917.4.2 Algorithmenentwicklung..........................................................................................................927.4.3 Verifikation ..............................................................................................................................94

7.5 Rad/Schiene-Kontakt (Entgleisungsdetektion)............................................................................957.5.1 Plausibilitätsbetrachtung ..........................................................................................................957.5.2 Algorithmenentwicklung..........................................................................................................967.5.3 Ablauf der Entgleisungsdetektion ............................................................................................98

8 AUSBLICK ...................................................................................................100

9 ZUSAMMENFASSUNG................................................................................102

10 LITERATURVERZEICHNIS.......................................................................104

ANHANG ............................................................................................................114

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I

Symbolverzeichnis

Zur besseren Übersicht werden die meist verwendeten Symbole hier aufgelistet. Die Erklärungender restlichen Symbole befinden sich im jeweiligen unmittelbaren Kontext.

1-SVM Support Vektor Maschine für Ein-Klassen-Klassifikation

¿ Alphabet von Symbolen

« Hilbertraum

Ù Menge der Integer

— Menge von Realzahlen

—+ Menge von positiven Realzahlen

—d Menge von Realzahlenvektoren der Dimension d

“ Symbolsatz

F Abbildung des Merkmalsvektors xi in einen hochdimensionalen Raum

γ Kernelparameter (Konstante)

ν Benutzerdefinierte Ausreißerrate in 1-SVM

ρ Bias in 1-SVM

σ Null/Eins-Vektor für Merkmalsselektion

l Alphabetgröße, |¿|

α Ordnungsparameter

ai Lagrange-Multiplikator für Merkmalsvektor xi

xi Maß des Klassifikationfehlers für den Merkmalsvektor xi

⁄j Buchstabe des Alphabets

Ïi Symbol aus dem Symbolsatz zum Zeitschritt i

[A,B] Wertebereich der Daten, Minimum A, Maximum B

|| ||2 Euklidischer Abstand

a Beschleunigungssignal

b Bias

C Kapazität der Support Vektor Maschine

CG Fluktuationskomplexität

CR Rényi-Komplexität

d Dimension des Merkmalsvektors xi

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II

f Frequenz

fs Abtastfrequenz

Gij Informationsgewinn

h(xi) Ausgabe der SVM bezüglich des Merkmalsvektors xi

HG mittlerer Informationsgewinn, bedingte Entropie

HM mittlere wechselseitige Information

HR Rényi-Entropie

HS Shannon-Entropie

i, j Laufindex

K Kernelfunktion

L Wortlänge

Lij Informationsverlust

N Anzahl der Daten / Zeitschritte

nK Anzahl der Knoten eines Baumes

nk,i Anzahl der Wörter durch Knoten i aus Schicht k in Baumstruktur

Ns Anzahl der Support-Vektoren

pi relative Häufigkeit des i-ten Wortes bekannter Länge

piØj relative Übergangshäufigkeit von Wort i nach Wort j bei bekannter Länge

pL,i relative Häufigkeit des i-ten Wortes der Länge L

pL,iØj relative Übergangshäufigkeit von L-Wort i nach L-Wort j

pL,ij rel. Häufigkeit für das aufeinanderfolgende Auftreten von L-Wort i und j

R Radius einer Hyperkugel im Hilbertraum

s Support-Vektoren

sign Vorzeichen

t Zeit

Tij Netto-Informationsgewinn

V Fahrtgeschwindigkeit

w Normale der Hyperebene

xi Merkmalsvektor

yi Klassenbezeichnung von xi

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III

Abkürzungsverzeichnis

ANFIS Adaptive Network Based Fuzzy Inference System

DGD Drehgestelldiagnoseeinrichtung

DIRECT Dividing Rectangles-Algorithmus

EMV Elektromagnetische Verträglichkeit

FFT Fast Fourier Transformation

FWS Frühwarnsystem

HOA Heißläuferortungsanlage

HOS Higher Order Spectrum

ICE Intercity Express

Kfz Kraftfahrzeug

KKT Karush-Kuhn-Tucker Bedingungen

LDG Laufdrehgestell

LVQ Learning Vector Quantisation

PDFC Positive Definite Fuzzy Classifier

PSD Leistungsdichtespektrum

RBF Radial Basis Function

RS Radsatz

RSFB Radsatzführungsbuchse

RWCOMOS Railway Condition Monitoring System

SMO Sequentielle Minimale Optimization

Std Standardabweichung

SVM Support Vector Machine

TK Triebkopf

TSI Technical Specification for Interoperability

UIC Union internationale des chemins de fer, 1922 gegründeter Eisenbahnverband

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IV

Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als Doktorand am Forschungs- undTechnologiezentrum der DB AG sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Prozess-und Anlagentechnik der Technischen Universität Berlin.

Für die Unterstützung und Betreuung meiner Dissertation möchte ich Herrn Prof. Dr.-Ing. R. Kingbesonders herzlich danken. Eben so gilt mein Dank Herrn Dr.-Ing. M. Säglitz für die DB AG seitigeBetreuung und für viele wertvolle Informationen und Anregungen während der Durchführung derArbeit. Nicht zuletzt bin ich den Verantwortlichen der DB AG sehr dankbar, ohne derenZustimmung diese Arbeit nicht in der vorliegenden Form hätte gebracht werden können.

Herrn Prof. Dr.-Ing. D. Filbert und Prof. Dr.-Ing. G. Wozny danke ich herzlich für die Durchsicht unddie Begutachtung meiner Arbeit.

Bei allen Mitarbeitern des Instituts (TU Berlin) und Kollegen der DB AG (Kirchmöser) bedanke ichmich für das gute Klima und die ständige Hilfsbereitschaft.

Ditzingen 2005 Yong Guo

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1

1 Einleitung

Die Deutsche Bahn AG (DB AG) befindet sich im Wandel zum effizientenDienstleistungsunternehmen. Für den Kunden sind die Parameter Komfort, Sicherheit,Zuverlässigkeit, Fahrzeit, Pünktlichkeit und Preis Entscheidungsgrößen zur Wahl desVerkehrsmittels. Daraus leiten sich für das Verkehrsunternehmen die Forderung nach maximalerVerfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit ab. Um die Bahn attraktiver zu gestalten und mehr Kunden aufder Schiene zu gewinnen, wurde u.a. ab 1991 der ICE (Intercity Express) als Regelfahrzeug miteiner maximal zulässigen Fahrtgeschwindigkeit von 280 km/h in Deutschland in Betriebgenommen. Mit der Geschwindigkeitserhöhung werden auch die Instandhaltungskosten gesteigert,da zum einen Verschleißprozesse beschleunigt ablaufen können, zum anderen strengereSicherheitsmaßnahmen einzuhalten sind. Ein Zugunfall bei hoher Fahrtgeschwindigkeit kannverheerende Folge haben und muss mit allen Mitteln verhindert werden. Besonders diesicherheitsrelevanten Fahrwerkskomponenten werden, unabhängig von ihrem Zustand, nachbestimmten Laufleistungen ausgetauscht. Die restlichen Nutzungpotenziale solcher Komponentenwerden zugunsten der Sicherheit nicht ausgeschöpft.

Auch die DB AG ist – wie jedes andere wirtschaftlich arbeitende Unternehmen – daran interessiert,die laufenden Betriebskosten zu senken. Dieser Umstand gilt als Triebfaktor dafür, dass Prozesseoptimiert und auch neue Technologien eingeführt werden. Ein Beitrag kann z.B. durch dieFortführung des Übergangs von bisher überwiegend fahrleistungsabhängiger Instandhaltung zueiner zustandsabhängigen geleistet werden.

Eine Schlüsselrolle zur Optimierung der Instandhaltung spielt die technische Überwachung oderDiagnose der Betriebsmittel. Diagnose ist die Erkennung und Beurteilung einer Abweichung vomSollzustand. In einem Diagnosesystem soll durch logische Verknüpfung aller relevantenInformationen auf direktem Wege die Fehlerursache bestimmt werden, [VDI 2889]. Die(Schwingungs-)Überwachung unterstützt die Beurteilung der „Gesundheit“ einer Maschine und wirdbei laufendem Betrieb durchgeführt. In Abhängigkeit von der Maschinenart und den zuüberwachenden kritischen Komponenten sind eine oder mehrere Messgrößen und dazu passendeÜberwachungssysteme auszuwählen. Das Ziel dieser Aktivität ist, einen „ungesunden“ Zustandrechtzeitig zu erkennen, sodass noch Abhilfemaßnahmen vor einer spürbaren Einschränkung derBetriebsfähigkeit einer Anlage oder der vorgesehenen Maschinen-Einsatzdauer sowie vor einemTotalausfall durch bestimmte Schäden in Maschinenteilen möglich sind und gleichzeitig einekosteneffektive Instandhaltung realisiert wird, [DIN ISO 13373-1]. Derzeit angeboteneDiagnosesysteme entsprechen im Großen und Ganzen nicht der Sollvorgabe; sie erfüllen lediglichdie Funktion der Fehleranzeige. Die Ursache liegt im Aufwand für die notwendige Sensorik und dieProjektierung der Systeme. Auch in der Literatur und in der Umgangssprache wird häufig nichtzwischen Diagnose und Überwachung unterschieden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnteebenfalls keine strenge Trennung eingehalten werden.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind hauptsächlich stationäre Anlagen für Diagnose vonFahrwerkskomponenten im industriellen Einsatz. Es sind nur wenige On-Board-Systeme fürFahrwerksdiagnose in der Bahnpraxis eingesetzt. In den Patentschriften und

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2

Eisenbahnzeitschriften sind zwar zahlreiche Veröffentlichungen erschienen, die sich mit derThematik On-Board-Fahrwerksdiagnose befassen, die meisten Verfahren wurden aber aus denunterschiedlichsten Gründen bis heute nicht industriell angewandt.

Dank der rasanten Entwicklung der Elektronik ist aber die Realisierung eines On-Board-Diagnosesystems heutzutage vorstellbar. Die Elektronik spielt eine immer wichtigere Rolle in derFahrzeugindustrie. In der Automobilindustrie beträgt z. Z. der Anteil der Elektronik über 20% an derGesamtwertschöpfung eines Fahrzeuges und diese Entwicklungstendenz nimmt in absehbarer Zeitnoch kein Ende. Ein elektronisches System im Fahrzeug hat bestimmte Aufgaben zu erfüllen undes besteht typischerweise aus Sensoren, Informationsverarbeitungseinheiten, Aktoren und einemmehr oder weniger komplexen Datenübertragungsnetzwerk. Die Komponenten der ProzessketteMessen – Rechnen – Reagieren müssen untereinander optimal abgestimmt werden, um dietechnischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Produktspezifikation einzuhalten.

Die Entwicklung eines On-Board-Diagnosesystems für ICE-Fahrwerke stellt eine sehr komplexeAufgabe dar. Eine Aufteilung der gesamten Aktivitäten in unterschiedliche Bereiche verschafft einebessere Übersicht und ist auch sehr hilfreich bei der Definition der verschiedenen Arbeitspakete. InAbb. 1 ist eine vereinfachte Aufteilung als Beispiel gezeigt. Der Entwicklungsprozess fängt mit derProduktdefinition an, durchläuft in der Pfeilrichtung eine Reihe untergeordnete Teilprozesse undendet bei der On-Board-Diagnose oder Optimierung des Instandhaltungsprozesses. Einenetzartige Struktur kann die Realität des Entwicklungsprozesses besser abbilden als die hiergezeigte kreisförmige, da z.B. einige Unterprozesse parallel zueinander ablaufen können. Fernerist zu erwähnen, dass der Entwicklungsprozess in sich ein iterativer Prozess ist, was zugunstender Übersichtlichkeit hier ebenfalls nicht dargestellt ist.

Produkt-definition

Datenerfassung

Algorithmen-entwicklung

Test und Verifikation

Mech. / elekt. Engineering an Drehgestell und

Wagenkasten

Hardware-entwicklung

Software-entwicklung

Einbindung in die Fahrzeug-/

Zugleittechnik

Montage und Inbetriebsetzung

On-Board Diagnoseund Offline-

Datenhandling

Optimierung des Instandhaltungs-

prozesses

Fahrzeug-spezifische

Parametrierung

Ziele

Abb. 1: Ablaufübersicht

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3

Die DB AG hat zusammen mit Fa. ISTec (Institut für Sicherheitstechnologie GmbH) in denvergangenen Jahren umfangreiche Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der On-Board-Fahrwerksdiagnose getätigt. Ein wesentliches Ziel war hierbei die Übertragung der bereits seitJahrzehnten in der Kraftwerkstechnik eingesetzten schwingungsanalytischen Diagnose- undÜberwachungsmethodik auf das System Bahn. Wesentliche Entwicklungsergebnisse sindpatentrechtlich geschützt und können in folgenden Schriften nachgelesen werden: [Sunder et al.A], [Sunder et al. B], [Sunder et al. C] und [Sunder et al. D]. Zeitparallel dazu wurde im Rahmen dervorliegenden Dissertation auf mögliche alternative Algorithmen eingegangen, die auf einerfundierten wissenschaftlichen Analyse der vorhandenen Diagnosemethoden basiert und inErgänzung zu ISTec-Algorithmen eher eine Zukunftsperspektive für die Anwendung in derBahntechnik darstellen.

Vorrangiges Ziel eines möglichen zukünftigen Einsatzes von Fahrwerk-Monitoringsystemen ist dieOptimierung von aktuellen Instandhaltungsprozessen durch Erhöhung des Anteils anzustandsorientierten Instandhaltungsmethoden. Für die vorliegende Arbeit steht allerdings die inAbb. 1 grau hinterlegte Algorithmenentwicklung und nicht die hieraus ableitbare Instandhaltungs-optimierung im Vordergrund. Letztere erfordert selbstverständlich eine über den Umfang dieserArbeit hinausgehende Erprobung der Algorithmen - eingebettet in eine entsprechende on-boardHard- und Softwarestruktur - zum abschließenden Nachweis der Betriebstüchtigkeit.

In der vorliegenden Arbeit wird auf die Suche nach den bestgeeigneten Diagnosealgorithmenfokussiert. Dabei steht nicht die theoretische wissenschaftliche Untersuchung, sondern dieingenieurmäßige Anwendung im Vordergrund. Die dabei produzierten Parameter und Grenzwertesind nur als Beispiel zu verstehen und nicht direkt auf andere Schienenfahrzeuge übertragbar.

Die Arbeit wurde von der DB AG / Systemtechnik finanziert und gemeinsam mit der TechnischenUniversität Berlin, Institut für Prozess- und Anlagentechnik, wissenschaftlich betreut. DieErgebnisse sind teilweise durch nationale sowie internationale Patente geschützt.

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4

2 Allgemeine Anforderungen an die On-Board-Fahrwerksdiagnose

Das UIC-Merkblatt 557 stellt die Grundlage für die Fahrwerksdiagnose dar. Die bei Auflaufstößenund betriebsbedingter Beanspruchung auftretenden Kräfte sind gemäß UIC-Merkblatt 566 bei derGesamtanlage und bei den eingebauten Komponenten zu berücksichtigen. Ferner sind dieUmweltbedingungen im Schienenfahrzeugbetrieb nach EN 60529 und EN 50121 zu beachten.Zusammenfassend wurden aus Sicht der Technik, Wirtschaftlichkeit, Sicherheit sowieInstandhaltbarkeit die folgenden wesentlichen Anforderungen an das zu entwickelndeDiagnosesystem gestellt [Sä99]:

• Wartungs- und verschleißarm innerhalb eines Revisionsabschnittes

• Selbstdiagnosefähigkeiten des Systems

• Minimaler Einbauraum und minimale Masse

• Keine Einschränkung der Fahrwerksfunktion (z.B: Befahrbarkeit des minimalen Bogenradius)

• Minimaler Energieverbrauch

• Nachrüstbarkeit ohne grundlegende konstruktive Änderungen am Fahrwerk

• Minimale Anzahl von geeigneten Sensoren im Fahrwerk

• Minimale Reaktionszeit des Systems

• Sicherung der Weiterverwendbarkeit der Sensorik nach Tausch von Bauteilen beiInstandhaltungsarbeiten

• Keine manuelle Kalibrierung der Sensoren nach Sensor- oder Bauteiltausch

• Möglichst Nutzung von vorhandenen Komponenten des Datenübertragungs- und Informations-systems der ICE Triebzüge

• Beachtung der Forderungen für den Brandschutz

• Beachtung der gültigen Normen und Vorschriften zu Funkstörbeeinflussung

• Sicherung der EMV (Elektromagnetische Verträglichkeit) zu anderen Systemen im Fahrzeug

• Das System darf sich akustisch nicht störend bemerkbar machen

• Einhaltung gültiger Umweltrichtlinien

• Erweiterungsfähiges System

• Keine Behinderung üblicher Instandhaltungsarbeiten

• Hohe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit

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5

3 Stand der Technik

In diesem Kapitel ist ein Überblick der bezüglich der Diagnosesystementwicklung relevantenInformationen gegeben. Im Folgenden wird schwerpunktmäßig auf die industrielle On-Board-Fahrzeugmesstechnik, Diagnose in der Verkehrstechnik, den Hochgeschwindigkeitszug IntercityExpress und relevante Wissensgebiete für Algorithmenentwicklung kurz eingegangen.

3.1 Industrielle On-Board-Fahrzeugmesstechnik

Kraftfahrzeug-Sensoren sind im Gegensatz zu marktüblichen, universellen Sensoren auf dieAnforderungen aufgrund des Einsatzes im Fahrzeug zugeschnitten. Sie unterliegen fünfgravierenden Anforderungen, [Bo01]:

• Hohe Zuverlässigkeit

Die Zuverlässigkeit wird im Wesentlichen durch konstruktive Maßnahmen gewährleistet, d.h. durchEinsatz zuverlässiger Komponenten und Materialien sowie Anwendung robuster und bewährterTechniken. Des Weiteren werden Systeme konsequent integriert, um lösbare undausfallgefährdete Verbindungsstellen weitgehend zu vermeiden. Wenn nötig, werden auchredundante Sensorensysteme oder Systeme mit integrierter Selbstdiagnose eingesetzt.

• Geringe Herstellkosten

Es ist heutzutage selbstverständlich, alle möglichen Maßnahmen zur Kostenreduktion zu ergreifen.In der Messtechnik bestimmen die Messgröße sowie die angewandten Messprinzipien dieSensorkosten maßgeblich. Eine Beschleunigungsmessung ist in der Regel weniger aufwändig alseine Wegmessung. So sind auch mechanische Messverfahren oft kostengünstiger zuimplementieren als die optischen. Nicht zuletzt hilft die Verwendung weit verbreiteter Sensoren, dader Preis pro Sensor bei großer Stückzahl erheblich reduziert werden kann.

• Harte Betriebsbedingungen

Wegen der damit verbundenen Vorteile werden Sensoren vorzugsweise vor Ort direkt an derinteressierenden Stelle (häufig an den besonders exponierten Stellen des Fahrzeugs) angeordnet.Dementsprechend sind sie extremen Belastungen ausgesetzt und müssen vielerleiBeanspruchungen standhalten:

a) mechanisch (Vibration, Stöße),

b) klimatisch (Temperatur und ihre Änderungsrate, Feuchte),

c) chemisch (z.B. Reinigungsmittel, Öl),

d) elektromagnetisch (Einstrahlung, elektromagnetische Bremse).

Die Belastungen können vereinzelt oder auch, wie in der Realität häufig der Fall ist, kombinierterfolgen, wodurch der Mess- und Prüfaufwand für die Spezifikation der Umweltbedingungenerheblich gesteigert werden muss. Gegen die genannten Belastungen müssen Schutzmaßnahmengetroffen werden, die ein hohes Maß an Know-how in der Verpackungstechnik (Packaging) fürSensoren erfordern.

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6

• Kleine Bauweise

Um das zu messende Objekt so wenig wie möglich zu verändern und damit das Messsignalunverfälscht wieder zu geben, wird eine kleine Bauweise bevorzugt. In manchen Fällen steht beibereits vorhandener Fahrzeugkonstruktion nur eingeschränkter Einbauplatz zur Nachrüstungelektronischer Systeme zur Verfügung. Die aus der Schaltungstechnik bekannten Technologien zurMiniaturisierung elektronischer Bauelemente kommen hier zum Einsatz. Ferner werdenmechanisch unverzichtbare Teile gleichzeitig zur Gehäusung von Sensoren benutzt. DieseTendenz nimmt zur Einsparung von Kosten und Bauraum weiter zu.

• Hohe Genauigkeit

Um die hohe Genauigkeit zu gewährleisten, hilft zunächst die Verringerung derFertigungstoleranzen sowie die Verfeinerung der Abgleich- und Kompensationstechniken. Einenwesentlichen Schritt nach vorn führt jedoch hier die Integration von Sensor- und Signalelektronikan der Messstelle bis hin zu komplexen digitalen Schaltungen. Solche auch als „IntelligenteSensoren“ bezeichnete Mikrosysteme nutzen die im Sensor vorhandene Genauigkeit voll aus undbieten folgende Möglichkeiten:

a) Entlastung des Steuergeräts,

b) einheitliche, flexible und busfähige Schnittstelle,

c) Nutzung von kleinen Messeffekten (Verstärkung vor Ort) und

d) Korrektur von Sensorabweichungen sowie gemeinsamer Abgleich und Kompensationvon Sensor und Elektronik.

Bei gleichzeitiger Erfassung und Digitalisierung der Störgrößen können „intelligente Sensoren“ diegesuchte Messgröße unter Nutzung eines mathematischen Sensormodells praktisch fehlerfreiberechnen. Auf diese Weise lassen sich nicht nur statische, sondern auch dynamischeEigenschaften der Sensoren erheblich verbessern.

In der letzten Zeit haben sich die mikromechanischen Sensoren stark auf dem Markt durchgesetzt.Neben ihrer kleinen Bauweise sowie wirtschaftlicher Fertigungsmöglichkeiten, können diemikromechanischen Sensoren ohne großen Aufwand mit Selbstdiagnosefunktionen ausgestattetsein. Aufgrund ihrer günstigen Eigenschaften finden heutezutage mikromechanischeBeschleunigungs- und Drehratensensoren breite Anwendung in der Automobilindustrie.

Konkrete Ausführungen zur Erfassung mechanischer Größen am Kraftfahrzeug findet man z. B. in[Dr91]. Die vorgestellten Messverfahren sind hauptsächlich für Versuchsfahrzeuge, also nicht fürdie Serienproduktion, konzipiert. Die während des Fahrversuches gesammelten Messdaten dienenzur Optimierung der Fahrzeugkonstruktion oder zur Verifikation der Fahrdynamik. Für eine On-Board-Fahrwerksdiagnose sind die Verfahren nur bedingt geeignet. Die in [Dr91] vorgestelltenBeispiele umfassen:

• Achsvermessung (Vorspur, Sturz, Lenkachse, Nachlaufwinkel, Spreizung)

• Berührungslose Abstandsmessung

• Optische Messtechnik (Abstand, Temperatur, Drehbewegung)

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• Reifenwiderstandsmessung auf der Straße

• Bestimmung von Fahrzeugbewegungen mit Kreiselsystemen

• Kräfte und Momente am Rad und ihre Messung

• Diverses: Erfassung des Schwimmwinkels, des Schräglaufwinkels, der Seitenkraft, derReifenverformung sowie der Windgeschwindigkeit.

3.2 On-Board-Diagnose in der Verkehrstechnik

Die Technik der Fehlerdiagnose wurde seit den 60‘er Jahren in großen Kraftwerken eingeführt. Inden letzten Dekaden sind umfangreiche Veröffentlichungen auf dem Gebiet Fehlerdiagnoseerschienen. Eine kompakte Einführung in diese Thematik findet man u.a. in [Kol95] und [Kle96].Dort werden z.B. die wichtigsten Grundlagen wie Messgrößenauswahl, Messprinzip, Signalanalyseund Mustererkennung behandelt und die industriellen Anwendungen am Beispiel der Diagnose vonWälzlagern, Gleitlagern, Zahnradgetrieben, Kolbenmaschinen, Turbosätzen und elektrischenMaschinen gezeigt.

3.2.1 Allgemeine On-Board-Diagnose für Fahrzeuge

Aufgrund der Ähnlichkeit der Rahmenbedingungen bezüglich der zu lösenden Aufgabe wird diefolgende Literaturübersicht besonders auf das Gebiet der Fehlerdiagnose in Fahrzeugen bezogen.Die typischen zu überwachenden mechanischen Komponenten sind z.B. Fahrmotor, Flugtriebwerk,Zahnräder, Welle, Lager, Räder, Dämpfer und Feder. Da die bloße Auflistung der veröffentlichtenArtikel wegen ihrer großen Anzahl wenig sinnvoll erscheint, wird hier nur auf einigeDissertationsschriften eingegangen, die zusammen betrachtet einen tiefen Einblick in dieFahrzeugdiagnose verschaffen.

Es ist bekannt, dass Flugtriebwerke komplexe, stark nichtlineare mechanische Systeme sind,deren Schwingungsverhalten aufgrund mehrerer, sich auch bei fehlerfreien Lauf ändernderBetriebsparameter, stark variiert. [Seb97] hat in seiner Arbeit Methoden für die Fehlerdiagnose vonLuftfahrttriebwerken anhand der Gehäuseschwingungen vorgestellt. Es werden diagnostischeIndikatoren aus Wasserfalldiagrammen gewonnen und die Lösung des inversen Problems inZusammenhang mit multidimensionalen Interpolations- bzw. Regressionsverfahren berechnet. Einuniversell einsetzbares Rahmenwerk zur Identifikation von Fluganomalien enthält [Mug00]. Diewichtigen Punkte wie z.B. Merkmalsselektion, Bayes Klassifikator, Clusteranalyse und Schätzungder Verteilungsdichte im multidimensionalen Raum werden hier behandelt. Eine Verifikation derVerfahren konnte nicht durchgeführt werden, da zu wenig reale Messdaten zur Verfügung standen.

Zur Fahrzustandsüberwachung eines PKW hat [Wür96] modellgestützte Verfahren vorgestellt undihr Potenzial zur Erkennung von kritischen Situationen anhand von Simulationsuntersuchungenund Fahrversuchen aufgezeigt. Als Beispiel hierfür dienen die Überwachung derFahrzeugquerdynamik und des Reifendrucks. Verschiedene Verfahren der technischenFehlerdiagnose werden dazu aufgabenspezifisch an den Prozess Fahrzeug derart angepasst, dasseine Implementierung auf einem Mikrocontroller in Echtzeit möglich ist. Basierend auf einerdetaillierten Betrachtung der Messtechnik werden Lösungen aufgezeigt, um die beschriebenenÜberwachungsaufgaben unter Einsatz einer einfachen und preiswerten Sensorik zu realisieren.Nicht messbare Größen werden anhand von Modellen rekonstruiert und fehlende

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Modellkoeffizienten durch Parameterschätzung identifiziert. Für die Beschreibung derFahrzeugdynamik kommen neben klassischen Modellen auch dynamische neuronale Netze zumEinsatz. Eine weitere interessante Arbeit mit dem Titel „Merkmalsselektion zur Echtzeitdiagnose imFahrzeug mittels neuronaler Netze“ findet man in [Köh98]. Köhler hat in seiner Doktorarbeit einVerfahren vorgestellt, das die automatisierte Auswahl der relevanten Merkmale zur Berechnungeiner Ausgangsgröße unterstützt. Die Ermittelung der Schwärzungszahl und der eingespritztenKraftstoffmenge beim Dieselmotor erfolgt mit Hilfe eines minimalen neuronalen Netzes. DieDiagnose kann dann anhand der Vergleiche mit Referenzwerten erfolgen. Ein sinnvoller Einsatzder Verfahren ist besonders bei komplexen, analytisch schwer beschreibbaren und mitNichtlinearitäten behafteten Problemstellungen zur Auswertung zusammenhängenderDatenverläufe gegeben.

Im Bereich der Schienenfahrzeuge findet die moderne Diagnosetechnik auch Anwendung. AmBeispiel des Antriebsstranges eines modernen Niederflurfahrzeugs zeigt [Leh98], dass mit Hilfeeiner speziell auf Schienenfahrzeuge zugeschnittenen Schwingungsdiagnostik Fehler bereits imFrühstadium erkannt werden können. Im Rahmen dieser Arbeit werden zunächst dieunternehmerischen und gesetzlichen Ansprüche an die Instandhaltung analysiert. Es werdenunterschiedliche Instandhaltungsmethoden verglichen und die Vorteile der zustandsabhängigenInstandhaltung aufgezeigt. Anschließend werden geeignete Diagnoseverfahren erläutert. Es wirdbeispielhaft für den Antriebsstrang die Ordnungsanalyse als geeignete Diagnosemethodeausgewählt und angewandt. Der Antriebsstrang wird schwingungstechnisch analysiert, und eswerden Mess- sowie Auswertekonzepte zur Zustandsbestimmung entwickelt. Abschließendwerden die zur betrieblichen Realisierung notwendigen Schritte aufgezeigt und die prinzipielleÜbertragbarkeit der Zustandsbestimmung auf andere Fahrzeuge und andere Anwendungendiskutiert.

In modernen Fahrzeugen haben Einrichtungen für Diagnose elektrischer oder elektronischerKomponenten einen festen Platz. Der Grund ihrer weiten Verbreitung liegt wahrscheinlich an derrelativ einfachen Realisierung gegenüber der Diagnose mechanisch beanspruchterFahrzeugkomponenten. In der Arbeit von [Sch93] werden verschiedene Zustandsschätzschemenzur Detektion und Lokalisierung von Instrumentenfehlern in technischen Systemen untersucht. Diedazu vorgestellte Methodik zur Kennwert- und Kenngrößenbestimmung und Beurteilung derSchemen basiert einerseits auf einem Vergleich der Anzahl der Zustandsschätzer, derenVerknüpfung untereinander, der Mindestanzahl der Messgrößen sowie weiterer Kennwerte undandererseits auf Zuverlässigkeitsuntersuchungen anhand von Markov-Modellen. In beiden Fällenstehen die Struktur und die Funktion dieser Zustandsschätzschemen im Vordergrund und nicht derEntwurf von Zustandsschätzern. Dies kommt erst beim Anwendungsbeispiel spurgeführterOmnibus zum Tragen. Dieses Benchmark-Problem wird um eine Störgrößenaufschaltung zurFahrkomfortverbesserung ergänzt und für die bestehende Hardware-Lösung zurInstrumentenüberwachung eine modellgestützte Alternative vorgestellt. Für beide Teilaufgabensind wegen der sich in weiten Bereichen verändernden Bus-Parameter Masse, Geschwindigkeitund Kraftschlussbeiwert robuste Beobachter zu entwerfen. Für das Gegenstück Offline- oderWerkstattdiagnose beschreibt [Mau98] ein Verfahren, mit dem Datenverarbeitungsprogrammeautomatisch erzeugt werden können, die eine bestimmte Klasse von technischen

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Diagnoseproblemen lösen. Als Anwendungsfeld wurde hier die Diagnose von Fehlern inStraßenfahrzeugen gewählt. Das Werkstattdiagnose-Szenario wird zunächst ausführlichuntersucht. Dabei wird schließlich die Klasse von Diagnoseproblemen bestimmt, derenautomatisierte, modellgestützte Behandlung erfolgversprechend erscheint. Dies sind Probleme, zuderen Lösung Modelle ausreichen, die so einfach sind, dass sie mit wirtschaftlich vertretbaremAufwand erstellt werden können. Solche Modelle lassen sich vor allem für elektrische undelektronisch vernetzte Fahrzeugteilsysteme angeben. Im Anschluss an diese Problemanalyse wirdein Verfahren vorgestellt, das als Eingabe ein Diagramm eines elektrischen Fahrzeugteilsystemserhält und daraus automatisch ein Diagnoseprogramm in Gestalt eines Entscheidungsbaumserzeugt. Das Verfahren benötigt dazu keine zahlenmäßige Informationen über die einzelnenBauteile.

Die obengenannten Methoden haben das Ziel, den aktuellen Ist-Zustand zu erfassen und zudiagnostizieren. Eine Prognose über den aktuellen Zeithorizont hinaus, für z.B. eine Abschätzungder Restlebensdauer der betreffenden Komponenten oder eine Schwachstellenanalyse, ist nichtangestrebt. Das Problem hat in der Zwischenzeit mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen; zuseiner Lösung wird u.a. die statistische Zuverlässigkeitsanalyse vorgeschlagen. In der Arbeit von[Mah00] wird eine Methodik zur geschlossenen Bewertung der Fehlerhäufigkeit, Verfügbarkeit,Sicherheit und Wirtschaftlichkeit komplexer sicherheitsrelevanter Kfz-Systeme entwickelt. DieseMethodik fußt auf einer Fusion von Fehlerbäumen und Markov-Ketten zu hierarchischen Modellen.Die hierarchische Modellierung erlaubt es, sowohl eine qualitative als auch quantitativeSystemaussage mit vertretbarem Analyseaufwand zu generieren.

3.2.2 Aufgabenstellungsspezifische Diagnosetechnik

Im Folgenden sind die wichtigsten Veröffentlichungen über die vorhandene Diagnose in derEisenbahntechnik, welche für die in Kapitel 4 erläuterten und zu lösenden Aufgaben aufschlußreichsein könnten, zusammengestellt. Auf die Vollständigkeit wird hier wegen des überwältigendenInformationsflusses bewußt verzichtet.

• Entgleisungsdetektion

Um schwere Folgeschäden einer Entgleisung zu vermeiden, ist ihre zeitige Detektion von großerBedeutung. Die Schweizerische Bundesbahn SBB hat in den 90‘Jahren für den Güterverkehr einenmechanischen Entgleisungsdetektor entwickelt, welcher im Wesentlichen aus einem Feder-Masse-Schwinger besteht und die Vertikalstöße am Stoßbalken überwachen kann, [HS00]. BeiGrenzwertüberschreitung wird sofort ein Notbremsventil geöffnet und der Zug zum Stillstandgebracht. Interesse an weiteren Entwicklungen in Richtung elektronischer statt mechanischerÜberwachung, insbesondere für Reisezüge im höheren Geschwindigkeitsbereich, haben in derletzten Zeit ständig zugenommen.

• Radsatzdiagnose

Für die Radsatzdiagnose sind bisher meistens fahrwegseitige und stationäre Anlagen imindustriellen Einsatz. Es sind nur wenige Systeme bekannt, welche die Radsatzdiagnosekontinuierlich während des Fahrbetriebs durchführen können (z.B. BOMOS von der Firma SKF).Während bei den fahrwegseitigen Diagnoseanlagen die Beschleunigungen und/oder die

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Reaktionskräfte der Schiene beim Zugvorbeifahren aufgenommen werden ([KTS92], [BC97],[Bei00]), wird bei den stationären Diagnoseanlagen mit Ultraschall ([WKR00]) sowieGeometrieabtaster gemessen. Dadurch ist eine sehr hohe Diagnosegenauigkeit zu erwarten. Dankder fortgeschrittenen Automatisierungstechnik ist man heute in der Lage, Radsätze im eingebautenZustand zu diagnostizieren und dadurch die Prüfzeit pro Radsatz drastisch zu reduzieren.

• Radsatzlagerdiagnose/Heißläuferdetektion

Heutzutage ist die Temperaturmessung mittels ortsfester Heißläuferortungsanlagen (HOA) dasgängige Verfahren. Als Ergänzung zu dieser punktuellen Lagertemperaturüberwachung kanntheoretisch on board eine kontinuierliche Lagerdiagnose mittels Beschleunigungsmessungrealisiert werden. Allerdings gibt es bisher noch keine serienmäßige, auf Beschleunigungsmessungbasierte Lagerdiagnose bei der DB AG. Das Thema On-Board-Radsatzdiagnose wurde von der DBAG bereits 1997 im Rahmen eines F&E Vorhabens behandelt. Das Resultat ist einDiagnoseverfahren mittels resonanter mikromechanischer Vibrationssensoren, veröffentlicht in[FIM98]. Die grundsätzliche Eignung dieser Methode für die Lagerdiagnose wurde experimentellanhand von realen Messfahrten am ICE1-Triebkopf bestätigt.

• Dämpferdiagnose/Laufstabilität

Dämpfer dienen zur Absorption der Schwingungsenergie und damit auch zur Laufstabilisierung desSchienenfahrzeuges sowie zur Erhöhung des Fahrkomforts. In der heutigen Praxis werdenDämpfer nach bestimmten Laufleistungen ausgebaut und auf stationären Prüfmaschinen geprüft.In Ergänzung hierzu sind zur On-Board-Diagnose an den Laufwerken der ICE 2/3/T FlotteÜberwachungseinheiten installiert, welche die Querbeschleunigung des Drehgestells kontinuierlicherfassen und die Meßwerte auf Grenzwertüberschreitungen innerhalb eines bestimmtenZeitintervalls überprüfen. In [KW98] wurde vorgeschlagen, zusätzlich noch andere Größen wieDämpferwege, -geschwindigkeit und -kräfte zu messen und dadurch die Qualität der On-Board-Dämpferdiagnose weiter zu verbessern.

• Schienenprüfung

Seit 1970 werden bei der Deutschen Bahn regelmäßig die Gleise durch besondere Messfahrtenüberwacht. [Wei74] beschreibt den Messaufbau und die statistischen Auswertungen unterBerücksichtigung der Fahrten in Geraden und Bögen, jeweils kombiniert mit der Störstellenstatistik(Anzahl der Weichen, Brücken, Tunnel und Bahnübergängen auf einer bestimmten Strecke). NeueEntwicklungen für Schienenprüfung mit Hilfe neuronaler Netze findet man u.a. in [Coo94] und[PI99]. Für Schadenserkennung an Schienenköpfen wird in [OAP99] ein neuartigerWirbelstromsensor vorgeschlagen, welcher auch zur Weichenerkennung geeignet ist, [EML00].Seit Einführung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs ist die Riffelbildung an der Schienenoberflächeverstärkt vorgekommen und stellt einen zusätzlichen Kostenfaktor für die Bahnbetreiber dar. ZurKontrolle der Riffelbildung sind laut [Mas99] die Beschleunigungssignale am Radsatzlager zumessen und eine Leistungsspektrenanalyse durchzuführen. Die Autoren in [SS97] haben einebesonders gut ausgeprägte Korrelation zwischen der Beschleunigung am Radsatzlager und derAufstandskraft im Rad-Schiene-Berühungspunkt festgestellt und Verfahren zur Detektion vonSchweißnahtfehlern und Riffelbildung an der Schiene sowie gelockerter Schienenbefestigungvorgeschlagen.

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In den letzten Jahren wurde von einigen Systemhäusern, wie z.B. Siemens und Bombardier, aberauch von Zuliefern wie z.B. Fa. SKF damit begonnen, geeignete Produkte zur On-Board-Überwachung von Fahrwerken zu entwickeln und im Markt zu etablieren. Zusätzlich zu denAktivitäten der Bahnindustrie haben auch diverse Bahnbetreiber die Initiative ergriffen, denErkenntnisgewinn auf diesem Gebiet voranzutreiben. Unter den laufenden Aktivitäten sei hierbesonders auf die Arbeit der DB AG sowie der mit ihr kooperierenden Fa. ISTec hingewiesen.Nach einer abgeschlossenen Machbarkeitsstudie, [KAS99], wurde 2001 ein ICE2-Mittelwagen-Prototyp mit entsprechenden Techniken ausgestattet und in Betrieb genommen, um das System zuerproben sowie weiterführende Betriebserfahrungen zu sammeln.

3.3 Intercity Express

Am 1. Mai 1988, als der InterCity-Experimental mit 406,9 km/h einen Weltrekord erzielte, wurde inDeutschland die Ära des Hochgeschwindigkeitsverkehrs eingeläutet. Seit 1991 verbinden dieInterCity-Express-Züge (ICE) die größeren Städte Deutschlands. Inzwischen ist der ICE dasRückgrat des Fernverkehrs geworden. Auf herkömmlichen Strecken darf der ICE-Zug mangelsNeigetechnik nur mit niedriger Geschwindigkeit fahren. Abhilfe schaffen die ICE-T-Züge, die mitNeigevorrichtungen ausgestattet sind und auf kurvenreichen Strecken die Fahrzeiten erheblichsenken. Unten folgt eine kurze Übersicht (Quelle [Website1]):

ICE V: 1988 stellte dieser 5-teilige ICE einen damaligen neuen Weltrekord fürSchienenfahrzeuge auf. Danach wurden Komponenten für die ICEs der 2. Generation getestet.

ICE 1: Der ICE1, der Stammvater der ICE-Familie, ging am 2. Juni 1991 erstmals auf dieStrecke. Der Hochgeschwindigkeitszug besteht aus zwei Triebköpfen und 14 Mittelwagen. Diemaximale zulässige Fahrtgeschwindigkeit ist auf 280 km/h festgelegt.

ICE 2: Der ICE 2 ist ein achtteiliger Triebzug, bestehend aus 6 Mittelwagen, einem Triebkopfund einem Steuerwagen. Durch Kupplungsmöglichkeiten kann das Platzangebot an dasReisendenaufkommen angepasst werden. Der Komfort wurde im Vergleich zum ICE 1 erhöhtund das Gewicht der Wagen reduziert.

ICE 3: Der ICE 3 ist ein achtteiliger Hochgeschwindigkeitstriebzug. Der unterflur angebrachteEinzelachsantrieb treibt die Hälfte aller Räder, was eine hohe Beschleunigung ermöglicht. Esstehen auch Mehrstromsystem-Züge für den Einsatz im Ausland zur Verfügung. Bis zu 330km/h darf der ICE 3 fahren.

ICE T: Der ICE T ist ein fünf- bzw. siebenteiliger Elektrotriebzug. Dieser 230 km/h schnelleICE-Zug besitzt Neigetechnik und beschleunigt den Verkehr auf kurvenreichen Strecken. Wiebeim ICE 3 sind auch hier die Hälfte aller Räder angetrieben und es gibt keine Triebköpfemehr. Durch die unterflur angeordnete Antriebstechnik ergibt sich mehr Nutzfläche für dieFahrgäste.

ICE TD: Der ICE TD ist ein vierteiliger dieselelektrischer Triebzug. Jeder Einzelwagen wirddurch einen Dieselmotor angetrieben. Die Neigetechnik ermöglicht eine bis zu 30% höhereKurvengeschwindigkeit. Nun kann auch auf oberleitungslosen Hauptstrecken der ICE-Vorteilangeboten werden.

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3.3.1 Lauftechnik für Hochgeschwindigkeitsverkehr

Die drastische Geschwindigkeitserhöhung auf der Schiene kann nur durch gleichzeitigeOptimierung von Fahrzeug und Fahrweg erreicht werden. Da hier der Zustand des Fahrwerkes zudiagnostizieren ist, wird an dieser Stelle auf die technischen Neuentwicklungen des Fahrwegs nichteingegangen. Die Hochgeschwindigkeitsschienenfahrzeuge zeichnen sich u.a. dadurch aus:

• Leichtbau unter Einsatz hochwertiger Werkstoffe und durch optimale Konstruktion,

• Niederflurtechnik (Absenkung des Schwerpunktes),

• Verringerung ungefederter Masse,

• Abdichtung des Fahrzeuginnenraums, um die Fahrgäste vor der Druckdifferenz bei Tunnelein-und -ausfahrt zu schützen,

• Optimal an Geradeaus- und Kurvenfahrt angepasste Radsatzführung mit Führungsbuchse,

• Hydraulische Stabilisierungseinrichtung wie z.B. Schlingerdämpfer,

• Luftkissen als Sekundärfederung/Dämpfung,

• Erweiterte Bremstechnik (Magnetschienenbremse),

• Verteilte Antriebskräfte (z.B. ICE 3),

• Modulare kompakte Bauweise,

• Aerodynamikgerechtes Design,

• Lärmreduktionsmaßnahme sowie

• Strengere Instandhaltungsvorschriften.

In Abb. 2 ist beispielhaft ein ICE2-Drehgestell gezeigt. Es wiegt 7200 Kg, erlaubt eine maximaleRadsatzlast von 16 Tonnen und eine höchste Betriebsgeschwindigkeit von 280 km/h. Durch dieVerwendung von Luftfedern in der Sekundärfederstufe werden optimale Komfortwerte, sowohl inhorizontaler als auch in vertikaler Richtung, und eine sehr gute Körperschallisolierung erreicht.

Mit diesen Drehgestellen wird der Gleisfreundlichkeit besonderes Augenmerk geschenkt, darunterversteht man die Minimierung des Rad-Schiene-Verschleißes sowie die Reduktion der Rad-Schiene-Kräfte bei Fahrt im Bogen. Dadurch können optimale Wartungs- und Instandhaltungs-eigenschaften gewährleistet und insgesamt minimale Life-Cycle-Cost Werte erreicht werden.

3.3.2 Instandhaltung

Um eine größtmögliche Sicherheit für die Fahrgäste und einen störungsfreien Betrieb zugewährleisten, ist eine regelmäßige Wartung und Untersuchung der ICE-Züge erforderlich. Diesewird nach bestimmten Zeitabständen, nach bestimmten Laufleistungen und im Diagnosefall in dendafür neu errichteten ICE-Betriebswerken (ICE-BW) vorgenommen. Die Laufwerkskontrolle ist z.B.bei ICE2 nach ca. 3000 km erforderlich. Die weiteren Stufen- und Behandlungsinhalte des ICE2-Wartungsprogramms sind (Quelle [Website2]):

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Abb. 2: ICE2-Drehgestell

Laufleistung Standzeit Inspektionsstufe Inspektionsinhalt

3 000 km 1 h L - Laufwerkskontrolle Laufwerk, Dachbereich, Diagnose,Einstiegstüren, WC, Frischwasser

20 000 km 2 h N - Nachschau Wie L, Bremsprüfung, Gleitschutz,Linienzugbeeinflussung

60 000 km 14 h I1 - Inspektionsstufe 1 Wie N, Bremsrevision, Klimaanlage,Kücheneinrichtung, Batterien, Fahrgast-Informations-System

120 000 km 18 h I2 - Inspektionsstufe 2 Wie I1, Radsatzlager, Fahrmotor,Radsatzwellen, Sitze, Kupplungen

240 000 km 18 h I3 - Inspektionsstufe 3 Wie I2, Luftpresse, Trafo-Ölkühler

480 000 km 18 h I4 - Inspektionsstufe 4 Wie I3, Behandlung Fahrgastinnenraumentsprechend Verschleißzustand

1 200 000 km 10 Tage Rev - Revision Arbeiten an allen Komponenten

Tab. 1: ICE2-Instandhaltungsplan

Für die Laufwerksuntersuchung ist für jeden InterCity Express eine bestimmte Standzeitvorgesehen. Darin ist auch der Zeitabschnitt für den Aufenthalt im Betriebswerk enthalten, bei demdie Züge innengereinigt, ent- und versorgt sowie vollständig durchgecheckt werden.

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Um diese Arbeiten der Behandlung und Instandhaltung sowie der Sicherheitskontrollen imvorgegebenen Zeitrahmen durchführen zu können, mussten speziell dafür konzipierte Anlagengeschaffen werden. Eine entsprechende Anlage kann einen vollständigen Zug, bestehend auszwei Triebköpfen und bis zu 14 Mittelwagen, komplett aufnehmen. Sobald ein Zug in die Halleeingefahren ist, beginnt gleichzeitig auf drei verschiedenen Ebenen die Arbeit.

3.3.3 On-Board-Diagnose der ICE2-Flotte

Im Jahr 2002 standen der Deutschen Bahn insgesamt 59 ICE1, 44 ICE2, 50 ICE3, 43 ICE T und20 ICE TD zur Verfügung, [Website3]. Das ICE-Diagnosesystem hat die Aufgabe, Störungenfrühzeitig zu melden und ihre Auswirkungen auf andere Systeme zu erkennen, einzuschränkenbzw. zu vermeiden. Durch den Einsatz eines Diagnosesystems sollen die Verfügbarkeit des Zugeserhöht und die Instandhaltungskosten reduziert werden. Der Triebkopf (ICE1) ist mit zweiredundant ausgeführten Diagnoseeinrichtungen DAVID1 und DAVID2 ausgestattet. DieMittelwagen haben eine Diagnoseeinrichtung, genannt ZEUS (Zentraleinheit für Überwachung).DAVID erhält von ZEUS die Diagnose-Ergebnisse und speichert diese ab. Das gesamteDiagnosesystem übernimmt folgende Aufgaben, [MR97]:

• Eingabe, Speichern, Verwalten und Abgleichen der Diagnosedaten,

• Diagnose konventioneller Schaltkreise,

• Anzeige von Betriebszuständen auf der Anzeige- und Bedientafel im Führerraum,

• Vormelden der Diagnosedaten über Modem,

• Lagertemperaturüberwachung,

• Laufwerksüberwachung und

• Bremsüberwachung.

Für die Laufwerksüberwachung wird in jedem der beiden TK-Drehgestelle einBeschleunigungsaufnehmer eingebaut. Die Ausgangssignale werden in einem Frequenzband von2 bis 8 Hz gefiltert und die Anzahl der Amplitudenüberschreitung innerhalb eines bestimmtenZeitintervalls überwacht. Basierend auf einem ähnlichen Prinzip wird die Laufstabilität derMittelwagen-Drehgestelle (ICE2/3/T) durch die von Siemens gelieferteDrehgestelldiagnoseeinrichtung DGD während der Fahrt kontinuierlich überwacht. Bei Ausfall einesSchlingerdämpfers bzw. Absinken der Kennlinie des Dämpfersystems unter den zulässigen Wert,und/oder Ausfall der für die Stabilität wesentlichen Komponenten (z.B. Radsatzführung) werdenvom Diagnosesystem Warnmeldungen generiert.

Über eine RS 422-Schnittstelle wird vom führenden DAVID das Funkgerät mit Modem bedient,welches die im DAVID abgelegten Diagnoseergebnisse an eine ortsfeste Station vormelden kann.

Es existiert zwar eine Fehlercodeliste für andersartige Laufwerksschäden wie z.B. Flachstelle,Luftfederausfall u.a., diese sind aber von dem zuständigen Personal manuell perBedienungstastatur einzugeben. Eine vollautomatisierte zugseitige Überwachung der mechanischbeanspruchten Laufwerkskomponenten konnte bisher nicht realisiert werden.

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3.4 Relevante Wissensgebiete zur Algorithmenentwicklung für eine Diagnose

In dieser Arbeit soll nicht der Weg beschritten werden, einen mehr oder weniger willkürlichgewählten Ansatz zur Fahrzeugdiagnose herauszugreifen und diesen dann umfassend zuuntersuchen. Vielmehr sollen zuerst prinzipiell mögliche Ansätze zusammengetragen werden, umdann eine begründete Auswahl vornehmen zu können. Lösungswege zur Algorithmenentwicklungsind vielfältig. Die Anzahl der dabei anzutreffenden Wissengebiete steigt weiter, je breiter und tiefernach möglichen Lösungen gesucht wird. Zur Veranschaulichung ist das Umfeld derAlgorithmenentwicklung für das Frühwarnsystem in Abb. 3 dargestellt.

FWS-Algorithmen

Fahrzeug-Fahrweg-Dynamik

Geräusch-überwachung

Rad-SchieneKontaktmechanik

Künstliche Intelligenz

Signalverarbeitung

Statistik

Systemidentifikation

Chaos-Theorie WaveletTransformation

Körperschall

StochastischeProzesse / Modelle

Abb. 3: Umfeld des Frühwarnsystems für den ICE

Es würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen, dieses Umfeld umfassend zubeschreiben. Dennoch sollen einige wenige Bemerkungen und Vorabbewertungen in Bezug aufeine Eignung für die On-Board-Fahrwerksdiagnose vorgestellt werden, da die Begriffe aus Abb. 3im Rahmen der technischen Diagnose häufig Erwähnung finden.

• Stochastische Prozesse

Stochastische Prozesse sind Prozesse, deren beschreibende Größen zufällig sind. Abgesehen vonden Beschreibungsmöglichkeiten des kollektiven Verhaltens bei stationären stochastischenProzessen bleibt das einzelne individuelle Ereignis unberechenbar. So ist z.B. der auf dasSchienenfahrzeug wirkende Seitenwind eine Zufallsgröße. Da ein fahrender Zug vielen solchenstochastischen Prozessen ausgesetzt ist und sein Verhalten daher auch als stochastischerProzess betrachtet werden muss, ist dies bei der Aufstellung eines Diagnosesystems zuberücksichtigen, [Cam93].

• Chaos-Theorie

Im Rahmen der Chaos-Theorie wurden bisher hauptsächlich deterministische chaotische Systemeerforscht, die trotz ihrer scheinbaren Unordnung durch Differentialgleichungen gut beschreibbar

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sind. Solche Systeme sind sehr empfindlich gegenüber Anfangsbedingungen und demzufolge siehtdie Dynamik der Systeme auf den ersten Blick chaotisch aus [Awr99]. In letzter Zeit wurdenBerichte über ihre Anwendungsmöglichkeit in der nichtlinearen Signalverarbeitung veröffentlicht.Da die FFT und die darauf basierte PSD (Leistungsdichtespektrum) prinzipiell nur für lineareSysteme gültig sind, versucht man mit Hilfe der Chaos-Theorie die klassischen Aufgaben derSignalverarbeitung wie z.B. Signaltrennung, -erkennung, Eliminierung der Geräusche u.a. zu lösen.Einige auf Rad-Schiene-Systeme gerichtete Veröffentlichungen sind in Fachzeitschriften undKongressberichten zu finden, z.B. [ST94]. Eine abschließende Beurteilung über derenAnwendbarkeit kann hier jedoch noch nicht getroffen werden.

• Geräuschüberwachung

Die Aerodynamik wurde bei der ICE-Konstruktion berücksichtigt, um den Luftwiderstand zureduzieren, da bei einer Fahrtgeschwindigkeit ab 250 km/h etwa 90% der Energie zur Überwindungdes Luftwiderstands verbraucht wird, [Glü85]. Bei Tunnelfahrt mit hoher Geschwindigkeit kann dasvor- und rückwärts reflektierte Druckluftecho den Fahrkomfort beeinträchtigen. Laut einem DB-Forschungsbericht werden die Geräusche am Fahrwerk bei Überschreitung einerGrenzfahrtgeschwindigkeit zum großen Teil von der Luftströmung verursacht. Daraus ist zu folgen,dass eine Geräuschüberwachung am Fahrwerk wegen einem teilweise sehr niedrigen Signal-Rausch-Verhältnis weniger geeignet ist.

• Körperschall

Unter Körperschall versteht man die Theorie der Wellenentstehung, -fortbewegung, -dämmung und-isolierung im Festkörper sowie der Abstrahlung in die Umgebung, z.B. Luft. Die Untersuchungenwerden häufig an relativ einfachen Objekten (u.a. Platte) unter Laborbedingungen durchgeführt,[CH96]. Da wegen der komplexen Fahrwerkskonstruktion und stochastischen Anregungen aus derUmwelt zur Zeit noch keine geeigneten Werzeuge für die numerischen Berechnungen desKörperschalls im ICE-Fahrwerk zur Verfügung stehen, wird auf die Anwendung derKörperschalltheorie verzichtet. Stattdessen werden Beschleunigungen an exponierten Stellen desFahrwerks gemessen und ausgewertet.

• Fahrzeug-Fahrweg-Dynamik

Wenn man sich für den höheren Frequenzbereich (ab ca. 40 Hz) der Fahrzeug-Fahrweg-Dynamikinteressiert, sollte der Fahrweg prinzipiell nicht mehr als Starrkörper, sondern alsschwingungsfähige Komponente im gesamten Fahrzeug-Fahrweg-System betrachtet werden. ZurFahrwegsmodellierung existieren Ansätze im Zeit- und Frequenzbereich. Die Interaktion zwischenFahrzeug und Fahrweg wird in diesem Fall systemtechnisch analysiert, [GD84]. Das Problemgestaltet sich noch komplizierter, wenn zwischen Altbau, Neubau, Festbahn, Tunnel und Brücke zuunterscheiden ist. Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit keine Messungen am Fahrwegvorgesehen waren, wird die Fahrwegdynamik im Folgenden nicht weiter betrachtet.

• Rad-Schiene-Kontaktmechanik

Die Rad-Schiene-Kontaktmechanik spielt eine sehr wichtige Rolle bei der eisenbahntechnischenSimulation, welche bisher überwiegend der Optimierung der Schienenfahrzeugkonstruktion undnicht der Fahrwerksdiagnose dient, [Net98]. Heutzutage ist man in der Lage, mit Hilfe der Rad-

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Schiene-Kontaktmechanik die Führungskräfte zwischen Rad und Schiene auch bei Kurvenfahrtenmit hoher Genauigkeit zu berechnen. Unter Einsatz von zusätzlichen mathematischenVerschleißmodellen kann man sogar den Riffelbildungsprozess an der Schienenoberflächesimulieren. Die Theorie der Rad-Schiene-Kontaktmechanik könnte bei der modellbasiertenFahrwerksdiagnose Anwendung finden, wenn die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind. Andieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der Kontakt zwischen Rad und Schiene nicht strengkontinuierlich vorhanden ist, insbesondere wenn der Zug mit hoher Geschwindigkeit fährt.

• Statistik

Im Rahmen der Zulassungsprüfungen von neuen Schienenfahrzeugen sind bereits konventionellestatistische Methoden vorgeschrieben, [DIN 5550]. Die Zulassungsprüfungen sind untervordefinierten Rahmenbedingungen (messtechnische Erfassung von Beschleunigungen sowieweiteren Größen, Spezifikation des Fahrweges und der Fahrtgeschwindigkeit) durchzuführen. Diedort gültigen Bewertungskriterien sowie Prüfverfahren sind direkt ohne Kenntnisse der erwähntenRahmenbedingungen nicht auf eine On-Board-Fahrwerksdiagnose übertragbar. Grundsätzlich sindfür die technische Diagnose unter anderem statistische Kennwerte (hier insbesondere die Kurtosisfür Schwingungsüberwachung), Verteilungsfunktionen, Regressionsrechnung, multivariate Statistikund statistische Entscheidungstheorie von großer Bedeutung. Die neueste Entwicklung im Bereichder Statistik geht u.a. in Richtung Spektrenanalyse höherer Ordnung. Als Beispiel findenkumulantbasierte Verfahren bereits Anwendung in der Signalverarbeitung, [NP93]. DerRechenaufwand solcher Verfahren ist aber vergleichsweise hoch.

• Signalverarbeitung

Die Technik der Signalverarbeitung hat trotz ihres ständigen Fortschrittes immer noch ein enormesEntwicklungspotenzial. Zur Fahrwerksüberwachung/Diagnose sind u.a. die Filtertechnik, FFT,Spektrenanalyse und Übertragungsfunktionen von großer Bedeutung, [KK98]. Ein relativ neuesTeilgebiet der Signalverarbeitung ist die blinde Trennung von gemischten Signalen. Die meistenVerfahren setzen aber voraus, dass die Anzahl der Sensoren der Anzahl der Signale gleichkommtoder übersteigt. Eine weitere Annahme besteht darin, dass das Signalgemisch linear additiv ausden Signalquellen gebildet ist. Je nach eingesetzten Algorithmen kann der Rechenaufwand für dieSignaltrennung sehr hoch sein. Erste Grundsatzuntersuchungen mit den ICE-Messdaten haben zukeinem befriedigenden Ergebnis geführt.

• Systemidentifikation

Systemidentifikation spielt eine wichtige Rolle in der technischen Diagnose. Die modellbasiertenDiagnoseverfahren setzen mathematische Modelle des betrachteten Systems voraus. Sowohl intheoretisch aufgestellten als auch in Black-Box-Modellen, die nur den Zusammenhang zwischenEin- und Ausgangssignalen eines Systems beschreiben, müssen Modellparameter mit Hilfe derSystemidentifikation bestimmt werden. Zur technischen Überwachung/Diagnose hat dermodellbasierte Ansatz einen wesentlichen Vorteil: Unter Ausnutzung der modelliertenGesetzmäßigkeiten kann der Aufwand an experimenteller Datenbeschaffung stark reduziertwerden. Für die Fahrwerksdiagnose müssen z.B. nicht unbedingt alle Schadensmuster zurVerfügung gestellt werden. Allerdings muss bei der Systemidentifikation darauf geachtet werden,dass möglichst alle relevanten Eingangssignale erfasst werden, was in der Praxis aus technischen

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sowie wirtschaftlichen Gründen nicht immer gewährleistet werden kann. Es kann auch vorkommen,dass ein System nach dem Auftreten eines Fehlers, in Abhängigkeit von der Art der eingesetztenAlgorithmen, mehr Gesetzmäßigkeiten als im fehlerfreien Zustand aufweist. In diesem Fall wäre zuentscheiden, ob das Verhalten des fehlerbehafteten Systems in den Vordergrund gerückt undmathematisch beschrieben werden soll.

• Künstliche Intelligenz

Fuzzy Logik, neuronale Netze und genetische Algorithmen gehören alle dem Bereich künstlicherIntelligenz an. Unter Fuzzy Logik versteht man ein regelbasiertes System, das die menschlicheEntscheidungslogik nachbilden soll und daher gut interpretierbar ist, [Trä93]. Ein Nachteil derFuzzy Logik ist die fehlende Lernfähigkeit. Während neuronale Netze lernfähig sind, bleiben sie als„black-box“ schwer interpretierbar, [Zel94]. Bei neuronalen Netzen trifft häufig das Problem auf,dass die Optimierung der Gütefunktion mit klassischen Methoden an einem lokalen Minimumlanden kann. Relativ neue Methoden der Optimierung stellen die Algorithmen dar, die auf demVorbild der Natur auf der Evolutionstheorie basieren. Dabei sind die drei wesentlichen SchritteMutation, Vererbung und Selektion solange zu durchlaufen, bis das Ziel einer Gütefunktion erreichtwird, [Hei94]. Auch mit Hilfe der genetischen Algorithmen kann das Ziel allerdings nicht immer mitvertretbarem Aufwand erreicht werden. Um die jeweiligen Vorteile beizubehalten und die Nachteilezu kompensieren ist eine Kombination der unterschiedlichen Konzepte anzustreben. In neuererZeit wurden diesbezüglich verschiedene Ansätze veröffentlicht.

• Wavelet-Transformation

In den vergangenen Jahren wurde immer häufiger die Wavelet-Transformation als Werkzeug fürdie technische Diagnose vorgeschlagen. Wie bei der Fouriertransformation ist man daraninteressiert, ein Signal in eine Reihe von Komponenten zu zerlegen, um damit eine neueBetrachtungsweise zu ermöglichen. Durch Superposition aller Komponenten lässt sich dasursprüngliche Signal wieder herstellen. Mit Hilfe der Wavelet-Transformation kann dieSignalauflösung sowohl nach der Zeit als auch nach der Frequenz bedarfsgerecht optimiertwerden. Die Wavelet-Transformation ist gut geeignet z.B. für die Detektion lokalerSignaländerungen. Sonstige Anwendungen finden sich z.B. in der Trendanalyse,Geräuschunterdrückung und Bildkompression, [RW98].

In dieser kurzen Zusammenstellung wurden eine Reihe von Wissensgebieten angesprochen, diesich prinzipiell für eine Diagnose in Hochgeschwindigkeitszügen eignen könnten. Sie werden inden nachfolgenden Abschnitten in genaueren Untersuchungen mit aufgenommen.

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4 Aufgabenstellung

Das Konzept der DB AG zur On-Board-Fahrwerksdiagnose umfasst grundsätzlich einen online undeinen offline Pfad. Während der erste Pfad die On-Board-Überwachung selbst betrifft undAufgaben der Fehlerfrüherkennung bis hin zum Aggregatschutz (z.B. Entgleisungsdetektion)beinhaltet, dient der zusätzliche offline Pfad der Sichtung und Bewertung der Datenhistorie(Trendanalytik) zwecks sinnvoller Anpassung der Instandhaltungsregelwerke.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Algorithmenentwicklung für eine On-Board-Diagnose vonSchäden an sicherheitsrelevanten Fahrwerkskomponenten sowie eine schnelleEntgleisungsdetektion. Um den Kostenrahmen nicht zu sprengen, sind möglichst preiswerteSensoren einzusetzen und gleichzeitig die Anzahl der benötigten Sensoren zu minimieren. Die zuimplementierenden Algorithmen sollten keinen großen Rechen- und Speicheraufwand erfordernsowie den Realzeitanforderungen des Diagnosesystems genügen. Besonders wichtig sind dieDiagnose an Radsatz, Radsatzlager, Radsatzführungsbuchse und Schlingerdämpfer. Hierbei wirdeine sehr hohe Diagnosequalität gefordert, um die Sensitivität des Diagnosesystems gegen Fehlerzu maximieren und zugleich die Fehlalarmrate zu minimieren.

Im Bezug auf die Fahrwerksdiagnose soll die Anwendungsmöglichkeit von teils neuenveröffentlichten Diagnosemethoden systematisch untersucht werden. Insbesondere ist auf die zurtechnischen Diagnose relevanten Anwendungsmöglichkeiten der modell-, signal- sowieregelbasierten Verfahren einzugehen. Die verwendeten Algorithmen sollten auf theoretischfundierten Grundlagen basieren und die Ergebnisse sollten möglichst plausibel und von Diagnose-Experten gut interpretierbar sein. Basierend auf den Untersuchungsergebnissen der am Fahrwerkgemessenen Beschleunigungsdaten sollen konkrete Vorschläge zur Entwicklung zukünftigerDiagnosesysteme gemacht werden. Neben den theoretischen Grundlagen wird auch großer Wertauf nützliche Werkzeuge gelegt. Die ausgearbeiteten Algorithmen sind auf einem Rechner zuprogrammieren und anhand von Messdaten zu verifizieren.

Über die oben erwähnten Anforderungen hinaus ist es wünschenswert, dass ein Diagnosesystemauf Basis der überwiegend oder ausschließlich vom fehlerfreien Fahrwerkszustand stammendenMessdaten realisiert werden kann. Ferner soll das Diagnosesystem je nach Bedarf adaptionsfähigsein, um sich an die geänderten Betriebsbedingungen automatisch anzupassen.

Die der Algorithmenentwicklung nahe stehenden Aufgaben wie z.B. Spezifikation der Messtechnik,Versuchsdurchführung, Systemrealisierung sowie Felderprobung sind nicht Bestandteil dervorliegenden Arbeit. Hier wurden Messdaten des von der DB AG zusammen mit ISTecentwickelten Systems FWS/RWCOMOS genutzt, [SS02]. Ebenfalls ist die oben erwähnteTrendanalyse nicht Bestandteil der vorliegenden Arbeit, da im Bearbeitungszeitraum keineausreichenden Messdaten für eine solche Analyse zur Verfügung standen.

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5 Messdatengewinnung an einem ICE2-Mittelwagen

Nachdem die Ziele des Diagnosesystems definiert und die Anforderungen geklärt sind, muss einGesamtkonzept zur Zielerreichung sowie zur Erfüllung der Anforderungen ausgearbeitet werden.Hierzu gehört u.a. die Aufstellung einer Schadensmatrix, die Prüfung experimentellerUntersuchungsmöglichkeiten sowie die Auswahl prinzipiell geeigneter Messgrößen und derbestgeeigneten Messstellen am Fahrwerk.

A) Schadensmatrix

Die Schadensmatrix enthält die von einem On-Board-Fahrwerksdiagnosesystem zu detektierendenSchäden und schadensbezogene Zusatzinformationen (z.B. aktuelle Betriebsgrenzmaße). ZurAuswahl der zu überwachenden Fahrwerkskomponenten wurde auf Betriebserfahrungen aus denInstandhaltungswerken der DB AG und Unterlagen der Schienenfahrzeugherstellerzurückgegriffen. Aus urheberrechtlichen Gründen kann hier auf diese vollständige Schadensmatrixnicht näher eingegangen werden. Vielmehr werden im 7. Kapitel die ausgearbeiteten Algorithmenstellvertretend an einigen relevanten Schadensbeispielen untersucht.

B) Experimentelle Untersuchungsmöglichkeiten

Zur Beurteilung der Qualität der Diagnosealgorithmen sind experimentelle Untersuchungen zwecksAufbau einer umfangreichen Datenbasis unverzichtbar. In der Vorbereitungsphase wurden hierfürrelevante Fahrwerkskomponenten im geschädigten Zustand für Untersuchungen(Messfahrten/Prüfstandsversuche) bereitgestellt. Grundsätzlich standen für die Experimentefolgende Möglichkeiten zur Verfügung:

• Computersimulationen (virtuelle Experimente)

• Prüfstandsuntersuchungen

• ICE-Messfahrten

Die Experimente können virtuell im Sinne der Computersimulation oder real an einem ICE erfolgen.Mit Hilfe der Computersimulation ist die Möglichkeit gegeben, Experimente durchzuführen, dieansonsten mit einem realen ICE unzulässig sind. Die technische Machbarkeit der Simulationvorausgesetzt, muss zwischen Modellierungsaufwand auf der einen und der Genauigkeit derSimulation auf der anderen Seite ein vernünftiger Kompromiss gefunden werden.

Eine zweite Untersuchungsmöglichkeit bietet der Rollprüfstand in München. Dort kann einkompletter Mittelwagen auf dem Rollprüfstand installiert werden. Jedes Rad steht auf demScheitelpunkt einer großen Drehscheibe, welche neben der rein rotatorischen Bewegungverschiedene Anregungsfunktionen der Eisenbahnschiene simulieren kann. Beliebigephysikalische Größen, die die Dynamik des Fahrwerks beschreiben, können mit den stationärenMesstechniken an verschiedenen Positionen erfasst werden.

Nicht zuletzt können auch ICE-Messfahrten im Rahmen der Realisierung von Experimentendurchgeführt werden. Die ICE-Messfahrten haben im Vergleich zur Computersimulation undRollprüfstandsuntersuchung einen gravierenden Vorteil: Die Realitätsnähe. Mit den ermittelten

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Messdaten kann das Verhalten des Fahrwerks im Betriebseinsatz analysiert werden. Einwesentlicher Nachteil hierbei sind die anfallenden hohen Kosten einschließlich des hohenAufwandes für Genehmigung, Koordinierung, Komponententausch am Fahrwerk, Bereitstelleneines ICE und der Eisenbahnstrecke.

Die oben genannten Untersuchungsmöglichkeiten stehen eher ergänzend als konkurrierend inBeziehung zueinander. Eine optimale Verteilung der Experimente nach Computersimulation,Rollprüfstandsuntersuchung und Messfahrten wurde vor dem Hintergrund Machbarkeit undWirtschaftlichkeit vorgenommen und nachfolgend verwendet.

C) Messgrößen

Um den Fahrwerkszustand messtechnisch zu erfassen, wurden im Vorfeld die unter Beachtungvon wirtschaftlichen und technischen Aspekten geeigneten Messgrößen festgelegt. Grundsätzlichgeeignet sind folgende physikalische Größen: Kraft, Weg, Geschwindigkeit, Drehrate,Beschleunigung und Temperatur. Unter Berücksichtigung sämtlicher Randbedingungen wurdefestgelegt, sich auf die Schwingungsanalyse mittels Beschleunigungsmessungen zu konzentrieren,die in Kapitel 5.1 näher erläutert wird. Für den Fall, dass die geforderte Diagnosequalität nichterreicht würde, sollten weitere Messgrößen mit einbezogen werden.

D) Messpositionen und -richtungen

Neben den Messgrößen galt es auch die bestgeeigneten Messpositionen herauszufinden.Auswahlkriterien hierfür waren:

• Sensor möglichst nahe am Fehlerentstehungsort

• Minimale Anzahl von Sensoren am Fahrwerk

• keine signifikante betriebsbedingte Resonanzstörung am Einbauort

• Einbaumöglichkeit der Sensorik ohne grundlegende konstruktive Änderung am Fahrwerk

• Verkabelungsmöglichkeit unter Berücksichtigung der Umweltbedingungen

• Ausreichender Abstand von Quelle elektromagnetischer Abstrahlung

• Zugänglichkeit und Möglichkeit der Sichtkontrolle der Sensoren

Da sich in der Regel ein Fahrwerksfehler in Abhängigkeit von der Richtung unterschiedlich starkauswirkt, wurde angestrebt, die fehlersensible Richtung als Sensierrichtung zu verwenden.Zusätzlich galt es zu berücksichtigen, dass Synergie-Effekte von mehreren Sensoren zur Erhöhungder Diagnosequalität ausgenutzt werden sollten. Eine optimale Lösung konnte nur unterganzheitlicher Betrachtung des Systems (Fahrwerksfehler, Messgröße, -position, -richtung,Diagnosealgorithmen, ...) gefunden werden, siehe ebenfalls Kapitel 5.1.

Im Rahmen der Entwicklung des Fahrwerksdiagnosesystems FWS/RWCOMOS [SS02] hat die DBAG zusammen mit ihrem Entwicklungspartner umfangreiche Daten an einem ICE2-Mittelwagensowohl am Rollprüfstand als auch während des Fahrbetriebs aufgezeichnet und ausgewertet. BeimMessen waren insgesamt 64 Kanäle belegt. Nach umfangreicher Datenanalyse hat sichherausgestellt, dass die Mindestanforderungen an das Diagnosesystem mit 6 Sensoren proFahrwerk erfüllt werden. Im Folgenden sind der Übersichtlichkeit halber nur letztere Sensoren

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eingezeichnet. Auf die Darstellung der restlichen Sensoren wurde bewußt verzichtet.

5.1 Sensoren und Messpositionen

Bei der Sensorauswahl mussten folgende Umweltbedingungen berücksichtigt werden:

• Relative Luftfeuchtigkeit bis 100 %

• Die Funktion des Systems und seiner Komponenten darf durch Flugschnee oder Vereisungennicht beeinträchtigt werden

• Einwirken von Ölen, Fetten, Reinigungsmitteln, Seeatmosphäre, Regen, Streusalzen,Steinschlag sowie Dampfstrahlreinigung an allen Systemkomponenten möglich

• Elektromagnetische Einstrahlung möglich

Außerdem war wegen der planmäßigen Reinigungsarbeiten eine chemische Beständigkeit der amDrehgestell installierten Komponenten gegenüber folgenden Reinigungsmitteln gefordert:

• Oxialsäurereiniger

• Phosphorschwefelsaure Mischreiniger

• Alkalische Reiniger

• Almidosulfonreiniger

Für die Messaufgaben wurden anfänglich triaxiale piezoelektrische Beschleunigungsaufnehmer(Typ 4504 / Brüel & Kjaer) eingesetzt. Solche Sensoren sind messprinzip- sowiekonstruktionsbedingt robust gegen Umweltbedingungen wie z.B. Temperaturänderungen undelektromagnetische Einstrahlung. Eine Vorverstärkungsfunktion ist im Sensor integriert, so dassauch kleine physikalische Messeffekte ausgenutzt werden können. Die Sensoren wurden für dieMesskampagnen mit Hilfe je einer Adapterplatte am Radsatzlagergehäuse sowie an derwagenseitigen Schlingerdämpferkonsole montiert. Die relevanten Daten derBeschleunigungsaufnehmer sind:

Spannungsübertragungsfaktor: 1 mV/ms-2

Frequenzbereich ±10%: x-Achse 1 Hz bis 15 kHz

y-Achse 1 Hz bis 10 kHz

z-Achse 1 Hz bis 23 kHz

Betriebstemperatur: -50 bis +125 °C

Maximale Stoßbeschleunigung: 3000 g

Meßbereich (Peak) Temperatur < 100 °C: 765 g

Meßbereich (Peak) Temperatur < 125 °C: 510 g

Gewicht: 14 Gramm

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Zusätzlich wurde im Rahmen der Messfahrten auch die Fahrtgeschwindigkeit V (Kanal 64) desZuges erfasst. Alle Messdaten wurden auf Magnetbändern gespeichert. Abb. 4 zeigt eine Varianteder Sensorinstallation im Rahmen der Versuchsmessfahrten. Die Pfeilrichtung amBeschleunigungsaufnehmer zeigt jeweils auf die positive Richtung. Ein Doppelpfeil wird für Kanal64 verwendet, da die aus dem Zugbus abgelesene Fahrtgeschwindigkeit nur positive Werte enthältund damit beide Fahrtrichtungen (vor- und rückwärts) möglich sind.

K28

K25

K31

K34 K55 K58

Drehgestell 1 Drehgestell 2

K64

K21

K24

Schlingerdämpferkonsole(wagenseitig)

Radsatzlagergehäuse

Abb. 4: Die Fahrtgeschwindigkeits- und Beschleunigungssignale am Versuchsmittelwagen (K21und K24 befinden sich nicht am Drehgestell, sondern am Wagenkasten)

5.2 Messdatenverwaltung

Zur Datenspeicherung wurden zwei Magnetbänder synchron betrieben. Die Abtastfrequenz betrugzum Teil 12 kHz und zum Teil 48 kHz. Die Messdaten auf den Magnetbändern sind typischerweiseje nach Bedarf in mehrere Datenabschnitte, mit jeweils einer ID-Nummer (z.B. ID1, ID2, ...)unterteilt. Vor ihrer Auswertung müssen die Messdaten von den Magnetbändern auf einemRechner überkopiert werden. Ein direkter Zugriff der auf den Magnetbändern abgespeichertenDaten vom Anwenderprogramm wie z.B. Matlab aus war von dem gelieferten Produkt nichtunterstützt. Nach dem Kopiervorgang werden die Messdaten ohne Datei-Header binärabgespeichert.

Im zugehörigen Messprotokoll sind u.a. die wichtigsten Informationen wie z.B. Messposition,Messrichtung, Kanal, Signalname, Abtastfrequenz, Sensorempfindlichkeit sowieVerstärkungsfaktor angegeben. Zusammen mit der Dokumentation der Versuchsprogrammekönnen die Messdaten für die folgenden Untersuchungen weiterverarbeitet werden.

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6 Methoden

Im Folgenden werden die Methoden vorgestellt, mit denen die Messdaten zwecks Ableitung vonDiagnosealgorithmen analysiert wurden. Die prinzip- oder verfahrensbedingten Unsicherheiten inden Schlussfolgerungen vor allem signalgestützter Methoden sollen an dieser Stelle kurzverdeutlicht werden: Mit Hilfe der Induktion versucht man aus beschränkten Beobachtungen eineAussage zu treffen, die auf unbeschränkte Daten Gültigkeit haben sollte, was sich eigentlich nurempirisch überprüfen, aber theoretisch nicht beweisen lässt. Außerdem stellt u.U. jeder Schritt inder Gesamtprozesskette, angefangen von der Messtechnik bis hin zum Diagnoseergebnis, eineKomprimierung/Abstraktion dar und kann somit Informationsverluste mit sich bringen.Üblicherweise werden aus Messdaten die sogenannten Merkmale für weitere Verarbeitungenextrahiert. Bei dynamischen Vorgängen können somit u.U. die zeitlichen Abläufe nicht ausreichendabgebildet werden. Ferner ist eine logische Inkonsistenz möglicherweise entweder am Anfang odernach bestimmten Datenverarbeitungsschritten nicht auszuschließen. Ein Fehler auf derRadlauffläche erzeugt z.B. während der Zugfahrt einmal pro Radumdrehung starke Schwingungen,d.h. nur ein kleiner Teil der gemessenen Beschleunigungsdaten ist vom Radfehler direktbeeinflusst. Bei der Bewertung sind aber normalerweise die gesamten Messdaten demfehlerhaften Zustand zugeschrieben. Eine spezielle Filterung ist dann notwendig, um solcheInkonsistenzen auf einer anderen Abstraktionsebene zu eliminieren.

Aus den oben genannten Gründen sollen die Anwendungsmöglichkeiten der modell- undsignalgestützten sowie regelbasierten Diagnose sorgfältig untersucht werden.

6.1 Die modellgestützte Diagnose

Die modellbasierte Diagnose bietet grundsätzlich die Möglichkeiten z.B. einer zuverlässigenFehlererkennung im Frühstadium und einer guten Fehlerlokalisierung. Zusätzlich besteht prinzipiellein hohes Potenzial hinsichtlich der Einsparung von Sensoren zur Erfüllung der Diagnoseaufgabe.Voraussetzung hierfür ist allerdings das jeweilige Vorliegen eines geeigneten Modells. EineModellbildung kann sowohl theoretisch als auch datengetrieben erfolgen. Im Rahmen dervorliegenden Arbeit wird die Möglichkeit der datengetriebenen Modellbildung untersucht, da u.a.eine Anpassung von Modellparametern eines theoretisch aufgestellten, physikalischen Modellsallein mit Beschleunigungsdaten nicht möglich ist.

Die reale Welt besteht nicht nur aus einer Anhäufung von Einzelobjekten, sondern aus einem Netzvon Beziehungen, das die Objekte untereinander verbindet. Ausschnitte aus dieser Gesamtmengeder Objekte und Beziehungen werden zu einem bestimmten Zweck abgegrenzt und als Systemebezeichnet. Oft sind die betrachteten Systeme komplex, ihre Struktur und ihr Verhalten sind nichtunmittelbar durchschaubar. Um Erkenntnisse über Systeme zu gewinnen, ist es meist sinnvoll, einModell zu bilden, das die wesentlichen Eigenschaften des Systems abbildet. Durch dieBeschränkung auf die problemrelevanten Eigenschaften des Originals erreicht man eineVerminderung der Komplexität, wodurch eine Lösung des eigentlichen Problems erst möglich wird.

Je nach Art der Klassifikation gibt es sehr unterschiedliche Modelle, darunter z.B. verbale Modelle,graphische Modelle, qualitative oder quantitative Modelle, statische oder dynamische Modelle,

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kontinuierliche oder diskrete Modelle, deterministische oder stochastische Modelle sowiephysikalische oder rein datengetriebene Modelle.

Im Folgenden ist mit datengetriebener Modellbildung nichts anderes gemeint, als der Versuch, dieAbhängigkeit innerhalb der von mehreren Sensoren gelieferten Beschleunigungsdaten analytischauszudrücken. Als Ausgangsbasis stehen die am Fahrwerk gemessenen Beschleunigungsdatenund die Fahrtgeschwindigkeit zur Verfügung.

Die Grenze zwischen dem physikalischen und dem datengetriebenen Modell ist in manchen Fällenunscharf. Ein physikalisches Modell baut auf bekannten physikalischen Gesetzen, wie z.B.Gesetze der Mechanik, der Thermodynamik, der Akustik usw., auf. Die Modellparameter sindphysikalisch interpretierbar. Das datengetriebene Modell dagegen beruht lediglich auf Messdatenund es wird kein detailliertes Wissen über das zu modellierende System verlangt. DieInterpretierbarkeit eines solchen Modells ist meist beschränkt.

6.1.1 Möglichkeit der physikalischen Modellierung

Gegen die physikalische Modellbildung im Rahmen der Fahrwerksdiagnose sprechen folgendePunkte:

• Es werden nur die Beschleunigungsdaten gemessen, weitere für die physikalischeModellbildung notwendige Größen, wie z.B. Fahrzeugbeladung, Kraft, Moment, Position,Winkel, Geschwindigkeit u.a., stehen nicht zur Verfügung.

• Die physikalische Modellbildung setzt die genaue Kenntnis des Fahrzeugs voraus. WesentlicheDetails bezüglich der Konstruktion und der Auslegung der Fahrzeuge sind geistiges Eigentumder Schienenfahrzeughersteller und allgemein nicht im erforderlichen Maß zugänglich. Dieserschwert das Aufstellen von physikalischen Modellen.

• Bei der physikalischen Modellbildung wird häufig nur der fehlerfreie Zustand modelliert. DieModellierung des fehlerhaften Zustands (Fehlermodellierung) ist sehr aufwändig, da dieVariation der möglichen Schadensfälle mit ihren Kombinationen sehr groß sein kann. In derPraxis ist die Fehlermodellierung nur im Einzelfall nach konkreter Definition des zuuntersuchenden Fehlers möglich.

• Die auf dem Markt vorhandenen Fahrwerksmodelle sind meist für die Optimierung derFahrwerkskonstruktion ausgelegt und daher nicht unbedingt für den Diagnosezweckanwendbar und

• Die Investition in die Modellierungswerkzeuge wie z.B. SIMPACK, ADAMS/RAIL und MEDYNAsowie der Arbeitsaufwand kann in Abhängigkeit vom gewählten Detaillierungsgrad derModellierung sehr hoch sein.

Aus den oben genannten Gründen ist ableitbar, dass in der nahen Zukunft kein vollständigesphysikalisches Fahrwerksmodell für die On-Board-Fahrwerksdiagnose eingesetzt wird. Es ist abernicht auszuschließen, dass z.B. ein kleines Teilmodell, welches auf Basis der physikalischenGesetze aufgebaut ist und partielle Aspekte der Fahrwerksdynamik beschreibt, nützlicheErgebnisse liefern kann, wie dies später auch vorgenommen wird.

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6.1.2 Möglichkeit der datengetriebenen Modellierung

Nachdem die Probleme der physikalischen Modellbildung für die Fahrwerksdiagnose im vorherigenAbschnitt erläutert wurden, folgt eine Untersuchung der Möglichkeiten der datengetriebenenModellbildung. Die behandelten Punkte dabei sind: Ablauf und Werkzeuge der datengetriebenenModellierung, statistische Eigenschaften der Beschleunigungsdaten, Berechnung der Informations-und Komplexitätsmaße sowie die aus dieser Analyse zu ziehenden Schlüsse bezüglich derdatengetriebenen Modellierung.

6.1.2.1 Ablauf und Werkzeuge der datengetriebenen Modellierung

Der Prozess der datengetriebenen Modellierung lässt sich in mehrere Schritten zerlegen:

• Problemdefinition,

• Datenerhebung/Analyse,

• Modellentwurf,

• Modellimplementation und

• Modellvalidierung

Für die datengetriebene Modellbildung stehen eine Reihe anerkannter Werkzeuge zur Verfügung.Dazu gehören z.B. die lineare und nichtlineare multivariate Regression, die Kernel-basierteMethode der Funktionsapproximation [BA01], die regelungstechnische Identifikationsverfahren imZeit- und Frequenzbereich, neuronale Netze, Fuzzy-Logik, Rough Set [CP01] sowie Group Methodof Data Handling [II95].

Vor dem Beginn der Modellierung sowie vor der Auswahl der Modellierungswerkzeuge sollen dieDaten zuerst auf ihre Modellierbarkeit genauer untersucht werden. Um die in Daten verborgenenGesetzmäßigkeiten aufzuspüren, können die statistischen und informationstheoretischenMethoden eingesetzt werden, welche in den nachfolgenden Kapiteln näher beschrieben werden.

Zwecks Modellvalidierung werden häufig die sogenannten Residuen, welche die Abweichungenzwischen den Modellausgaben und den Messdaten darstellen, herangezogen. Wird ein perfektesModell gefunden, nehmen die Residuen den Wert 0 an. In der Praxis lassen sich die Residuenjedoch wegen Modellierungsfehler, Messungenauigkeiten, nicht messbare Störgrößen undsonstigen Gründen nie auf 0 reduzieren. Unter bestimmten Bedingungen kann ein Modell als gültigbetrachtet werden, wenn die Residuen einem weißen Rauschen entsprechen. Für den Test derResiduen, ob sie Realisierungen weißen Rauschens sind, kann u.a. der BDS-Test eingesetztwerden, [BDS96].

Ohne Beschränkung der Allgemeingültigkeit werden im Folgenden stellvertretend bestimmteBeschleunigungsmessdaten ausgewählt und untersucht. Dieselben Methoden können prinzipiellauch auf andere Messdaten im Rahmen der Fahrwerksdiagnose angewandt werden.

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6.1.2.2 Statistische Eigenschaften der Beschleunigungsdaten

Im Folgenden wird beispielhaft auf einige wichtige statistische Eigenschaften der amRadsatzlagergehäuse gemessenen Beschleunigungsdaten eingegangen. Insbesondere werdendie statistische Verteilung, die Ausreißerrate, die Linearität sowie die Stationarität untersucht.

6.1.2.2.1 Test auf Normalverteilung

Da viele statistische Verfahren die Normalverteilung der Daten voraussetzen, ist es sinnvoll zuuntersuchen, ob die gemessenen Beschleunigungsdaten normalverteilt sind oder nicht. Die mit 12kHz aufgezeichneten Messdaten (100 < V < 280 km/h) wurden hierfür zuerst vom Sensor-Offsetbefreit und anschließend im Verhältnis 1:20 downgesampelt. Das typische Histogramm einesDatenausschnittes ist in Abb. 5 dargestellt.

Mit Hilfe des Histogramms rein visuell auf eine bestimmte Verteilung zu schließen, ist grundsätzlichschwierig. Hierzu eignen sich die sogenannten QQ-Diagramme wesentlich besser: Es werden dieempirischen Quantile1 des Datenausschnittes bestimmt und in einem Diagramm gegen dietheoretischen Quantile der Verteilung aufgetragen. Bei gleicher Verteilung ergibt sich eine Gerademit 45 Grad Steigung. Eine umfangreiche Einführung in verschiedene Anwendungen von QQ-Diagrammen befindet sich z.B. in [Sch95]. In Abb. 6 ist das QQ-Diagramm, berechnet mit denausgewählten Messdaten, gezeigt. Anhand der starken Abweichung der aus denBeschleunigungsdaten berechneten Quantile von der Gerade kann festgestellt werden, dass diegemessenen Beschleunigungsdaten nicht oder zumindest nicht überall normalverteilt sind.

Abb. 5: Das Histogramm eines 15 minütigen Datenausschnittes

1 Quantil xq ist definiert durch F(xq) = P(x<xq) = q; 0≤q≤1. F steht für Verteilungsfunktion und P fürWahrscheinlichkeit.

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Abb. 6: QQ-Diagramm der Beschleunigungsdaten gegen eine Normalverteilung

Weitere aus den Messdaten mit oder ohne Sensor-Offsetbereinigung sowie ohne Downsamplingberechnete QQ-Diagramme zeigen einen ähnlichen Verlauf wie in Abb. 6. Eine Normalverteilungkann also ausgeschlossen werden.

6.1.2.2.2 Berechnung lokaler Ausreißerraten

Die Ausreißerrate der Beschleunigungsdaten könnte für weitere Datenverarbeitungsansätze vonInteresse sein. Im Folgenden ist die Ausreißerrate nur für die Beschleunigungsdaten selbst undnicht für abgeleitete Größen berechnet. Ein Ausreißer liegt per Definition dann vor, wenn derAbstand zwischen ihm und dem Mittelwert die dreifache Standardabweichung übersteigt. DieBerechnungen sind mit allen verfügbaren Daten, welche am fehlerfreien Fahrwerk gemessen sindund im Fahrtgeschwindigkeitsbereich zwischen 30 und 280 km/h liegen, durchgeführt. AlsDatenfensterlänge zur Bestimmung des Mittelwertes und der Standardabweichung wird 60Sekunden gewählt. In Abb. 7 kann man sehen, dass unter den oben genanntenVersuchsbedingungen die Ausreißerrate in der Regel unter 4 % liegt.

6.1.2.2.3 Stationarität

Den Methoden der klassischen Zeitreihenanalyse liegen zwei grundlegende Voraussetzungenzugrunde: die Stationarität und die Linearität. Auch für die Anwendbarkeit nichtlinearer Methodender Zeitreihenanalyse ist die Stationarität der Datenreihe eine wesentliche Voraussetzung. Manunterscheidet zwischen zwei Fällen:

• schwache Stationarität, die für lineare Prozesse hinreichend ist: Die ersten beiden Momenteder Verteilung der betrachteten Zeitreihe sind zeitinvariant.

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• starke Stationarität: Die Verteilung ist invariant gegenüber einer beliebigen Translation in derZeit. Diese Eigenschaft ist auch eine notwendige Voraussetzung für die Charakterisierung dernichtlinearen Dynamik eines Systems, [IK93].

Abb. 7: Ausreißerrate der Beschleunigungsdaten

Die starke Stationarität verlangt die Zeitinvarianz aller statistischen Momente, was für endlicheZeitreihen praktisch nicht überprüft werden kann. Wenn Stationarität gefordert wird, müssen dierelevanten Zeitskalen (z. B. eine Periode) des Prozesses klein bezüglich desBeobachtungszeitraumes sein, [WKP98]. Die relevanten Zeitskalen des Prozesses hängen mit derKorrelationslänge zusammen. [Wit96] schließt nicht aus, dass eine instationäre Zeitreihe durcheine spezielle Transformation (z.B. Partitionierung) in eine stationäre umgewandelt werden kann.Üblicherweise werden Instationaritäten zunächst durch sogenannte Filter bereinigt, damit dieErgebnisse der Analyse nicht verfälscht werden, [HEK98]. Diese Vorgehensweise kann jedoch dieAnalyse auch ungünstig beeinflussen.

[WKP98] schlägt einen Test auf Stationarität vor, der auf „nur“ einigen 1000 Datenpunktenausgelegt ist und die zeitliche Unabhängigkeit der Häufigkeitsverteilung und des Frequenz-Spektrums der Autokorrelation in benachbarten Fenstern untersucht. Weitere Testmethoden fürStationarität bzw. Nichtstationarität sind z.B. in [SchT97], [Ken97] und [HFO98] beschrieben.

Der statistisch geschätzte Erwartungswert des am Radsatzlagergehäuse gemessenenBeschleunigungssignals liegt zwar, abgesehen von der relativ kleinen Fahrzeuggesamt-beschleunigung und einem möglichen Sensor-Offset, in der Nähe von Null und erfüllt daher dieerste Bedingung an Stationarität. Die Amplitude der Beschleunigungen kann jedoch aufgrundverschiedenartiger Störungen zeitweise instationär werden, Abb. 8. Betrachtet man folglich das

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Radsatzlagergehäuse zusammen mit der Umwelt, so ist dieses Gesamtsystem instationär.Schwieriger wird die Definition des Systems Radsatzlagergehäuse, da auf dieses unbekannte,nicht messbare Störungen einwirken, die vermutlich Ursache für die Ergebnisse aus Abb. 8darstellen. Für kurze Zeitintervalle kann aber schwache Stationarität angenommen werden.

Abb. 8: Zeitplot der ausgewählten Beschleunigungsdaten

6.1.2.2.4 Linearität

Viele dynamische Prozesse sind in ihrer Natur nichtlinear. Wegen der Einfachheit und Robustheitsind aber lineare Methoden immer den nichtlinearen bevorzugt zu untersuchen. Aus praktischerSicht lautet die Frage häufig nicht, ob eine lineare oder nichtlineare Dynamik vorliegt, sondern mitwelcher Genauigkeit sich ein unbekannter dynamischer Prozess mit einem linearen Ansatzbeschreiben lässt und welche darauf basierende Nutzungsmöglichkeit sich ergibt. Die Antwort aufdiese Frage ist z.B. für die modellbasierte Diagnose von großer Bedeutung.

In der letzten Zeit wurden mit steigender Tendenz viele Arbeiten zum Linearitäts- bzw.Nichtlinearitätstest für Zeitreihen veröffentlicht, darunter z.B. [Tsa86], [SchT97], [SJ98] und[Han99]. Die Erweiterung des Linearitäts- bzw. Nichtlinearitätstests auf multiple Zeitreihen findetman u.a. in [Pal96] und [HR99]. Da die Programmierung der oben erwähnten Arbeiten zusammenmit den anschließenden experimentellen Untersuchungen mit Messdaten einen sehr hohenAufwand bedeuten würde, wird dieser Weg aus Zeit- und Prioritätsgründen nicht eingeschlagen.

Es sind jedoch Arbeiten bekannt, die auf ein nichtlineares Verhalten hindeuten. Die Nichtlinearitätder Schienenfahrzeugdynamik ist u.a. auf die statische geometrische Nichtlinearität desRadsatzprofils und die dynamische nichtlineare Rad-Schiene-Kontaktmechanik zurückzuführen.Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei hier auf die Arbeiten in [Hui78], [KFJ91], [KFT92] und[RT93] verwiesen. Dabei sind die Hauptziele z.B. die Erklärung des Phänomens des Rad-Schiene-Verschleißes und der Riffelbildung auf der Schienenoberfläche sowie das Herausfinden derkritischen Fahrtgeschwindigkeiten. Eine Anwendung der nichtlinearen Fahrzeugdynamik imRahmen der Fahrwerksdiagnose ist dem Autor nicht bekannt. Aus den oben genannten Arbeitenwird ersichtlich, dass die Nichtlinearität der Fahrzeug- und Radsatzdynamik, je nachdem welches

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konkretes Ziel verfolgt wird, nicht grundsätzlich vernachlässigt werden darf.

6.1.2.3 Berechnung der Informations- und Komplexitätsmaße

Mit Hilfe der Informations- und Komplexitätstheorie soll festgestellt werden, wieviel Information inden Beschleunigungsmessdaten enthalten ist und welche Aussagen, ohne ein tieferes Verständnisder Fahrweg-Fahrzeugdynamik vorausgesetzt, sich über die Daten selbst und ihre Modellierbarkeitableiten lassen. Aus einem hohen Informationsgehalt kann direkt eine schwierige Modellierbarkeitgefolgert werden. Die in diesem Kapitel verwendeten Berechnungsformeln sind ausschließlich derArbeit [Wol99] entnommen.

6.1.2.3.1 Theoretische Grundlagen

Die im Folgenden untersuchten Informations- und Komplexitätsmaße stellen ausschließlich ausden Messdaten berechnete Größen dar. In ihre Berechnung fließt kein Vorwissen über das Systemein. Mit diesen Kenngrößen ist eine Charakterisierung des Messsignals möglich. DieseCharakterisierung beschreibt den Informationsgehalt und die Komplexität des Signals, sowie denAnteil rein stochastischer Größen im Signal.

Man unterscheidet solche statistischen Kenngrößen nach Informations- und Komplexitätsmaßen.Bekannte Informationsmaße sind z.B. die Shannon-Entropie und die Rényi-Entropie, die ihrerNamensgebung entsprechend ein Maß für die Unordnung sind, sowie der mittlereInformationsgewinn und die mittlere wechselseitige Information. Zur Berechnung der Komplexitäteines Signals werden oft die Fluktuationskomplexität, die Rényi-Komplexität und verschiedenemetastatische Komplexitäten verwendet. Um solche Maße berechnen zu können, müssen dieBeschleunigungsdaten zuerst partitioniert und ein Wahrscheinlichkeitsbaum generiert werden.

• Partitionierung

Da im Rahmen der Informations- und Komplexitätstheorie alphabetische Symbole behandeltwerden, sind die Beschleunigungsdaten zuerst durch Symbole zu repräsentieren. Gegeben seieine äquidistante Messreihe

a = [a0 , a1 , a2 , ..., aN-1] T, ai ∈ [A, B], i = 0, 1,..., N-1

von N Messwerten ai innerhalb des Messbereichs [A, B]. Die Zeitpunkte der Messungen sindwegen der Äquidistanz und zur Vereinfachung lediglich durch einen Index dargestellt – angefangenmit 0 für den Zeitpunkt der ersten Messung.

Mit einer geeigneten Vorschrift zur Partitionierung wird jedem Datenpunkt ai eindeutig ein SymbolÏi œ ¿ aus einem gegebenen Alphabet

¿ = { ⁄0, ⁄1, ..., ⁄λ-1 }

der Größe l ¥ 2 zugeordnet. Dadurch entsteht eine Symbolfolge

“ = { Ï0, Ï1, Ï2, ..., ÏN-1 | Ïi œ ¿, i = 0, 1, ..., N-1 }

Der Symbolsatz ist die Repräsentation von Beschleunigungszeitreihen (Nicht-Symbolisch)dynamischer Systeme in der Symbolischen Dynamik und Basis aller Methoden der Symbolischen

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Dynamik.

• Generierung des Wahrscheinlichkeitsbaums

Zur Quantifizierung der Information oder Komplexität eines Symbolsatzes werden häufig Teilfolgeneiner festen Länge L des Symbolsatzes betrachtet. Dabei interessieren die Verteilung dieser L-Wörter und die Übergangswahrscheinlichkeit pL,iØj zwischen den Wörtern. Bei realen Messreihenkann die Wahrscheinlichkeit p des Auftretens eines Wortes durch die relative Häufigkeitapproximiert werden. Wenn die Wortlänge L bekannt ist, kann der Index L auch weggelassenwerden: Also pi statt pL,i und piØj statt pL,iØj. Für L = 1 entsprechen die Wörter den Symbolen desAlphabets ¿.

Die Wörter eines Symbolsatzes werden in einer Baumstruktur gespeichert und verwaltet, sieheAbb. 9. Die Knoten sind in L+1 Schichten hierarchisch angeordnet. Die Wortlänge L wird auch alsBaumtiefe bezeichnet. In der obersten Schicht 0 gibt es nur einen (Wurzel-) Knoten. Jeder Knoten,ausgenommen die (Blätter-) Knoten in der untersten Schicht L+1, besitzt maximal l Unterknoten.Die Verzweigungen zu den Knoten entsprechen den Symbolen der Wörter. Die Verzweigungenvon der Wurzel zu den Knoten der ersten Schicht entsprechen dem ersten Symbol der Wörter.Analog entsprechen die Verbindungen der Knoten von der (i-1)-ten zur i-ten Schicht den i-tenSymbolen der L-Wörter für i = 1 ... L.

In den Knoten wird unter anderem notiert, welche von den l möglichen Kindern existieren und dieAnzahl nk,i (k = 0 ... L Knotenschicht, i = 0 ... lk-1 Nummer des Knotens in der k-ten Schicht) derWörter, die den Knoten durchlaufen. Die Wurzel wird von allen Wörtern durchlaufen: n0,0 = N-L+1.Anhand der nk,i werden die relativen Häufigkeiten der L-Wörter

0,0

,, n

np iL

iL =

und der Übergänge zwischen zwei L-Wörtern i und j

iL

jLjiL n

np

,

,1,

+→ =

bestimmt. Die letzte Berechnung setzt einen Baum der Tiefe L+1 voraus, in dem der Knoten j derBlattschicht L+1 ein Kind des Knotens i der L-ten Schicht ist. Sonst ist pL,iØj = nL+1,j = 0, d. h. es gibtkeinen Übergang von L-Wort i nach j. Für die bedingten Wahrscheinlichkeiten gilt, wie aus derStochastik bekannt:

iL

ijLjiL p

pp

,

,, =→

Zur Veranschaulichung der beschriebenen Methode ist im Folgenden ein Beispiel gegeben.

Gegebenes Alphabet mit l = 3 sei: ¿ = { a, b, c }

Symbolfolge mit N = 5: “ = { ababc }

Wörter der Länge L = 3 werden betrachtet. Die in der Symbolfolge vorhandenen Wörter sind

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hiermit aba; bab; abc. Also ist die Gesamtzahl n0,0 = 3. Ein Wahrscheinlichkeitsbaum kannentsprechend aufgestellt werden, Abb. 9:

Wurzeln0,0=5-3+1=3

an1,0=2

bn1,1=1

cn1,2=0

aan2,0=0

abn2,1=2

acn2,2=0

ban2,3=1

bbn2,4=0

bcn2,5=0

aban3,3=1

abbn3,4=0

abcn3,5=1

baan3,9=0

babn3,10=1

bacn3,11=0

abaan4,9=0

ababn4,10=1

abacn4,11=0

baban4,30=0

babbn4,31=0

babcn4,32=1

abcan4,15=0

abcbn4,16=0

abccn4,17=0

Abb. 9: Wahrscheinlichkeitsbaum

Die Häufigkeit der Wörter aba, bab und abc beträgt p3,3 = p3,5 = p3,10 = 1/3.

Die Übergangshäufigkeit für aba → abc ist p3,3Ø5 = n4,5/n3,3 = 0/1 = 0

und für aba → bab p3,3Ø10 = n4,10/n3,3 = 1/1 = 1.

Analog dazu lässt sich die relative Häufigkeit pL,ij für das aufeinanderfolgende Auftreten der Wörteri und j berechnen

0,0

,1, n

np jL

ijL+=

und stimmt mit der Häufigkeit pL+1,j für das aus i und j gebildete (L+1)-Wort überein.

• Shannon-Entropie

Der Ansatz von Shannon zur Messung der Information einer Nachrichtenquelle war, ein Maß fürdie Wahlfreiheit oder Unsicherheit bei der Auswahl eines bestimmten Ereignisses aus einer Mengevon n möglichen Ereignissen zu finden. Von einem solchen Maß H verlangt er die folgendenEigenschaften, wenn die Wahrscheinlichkeiten p1, p2, ... pn der n möglichen Ereignisse bekannt sind:

1. H soll stetig in den pi sein.

2. Wenn alle pi gleich sind, pi = 1/n, soll H monoton mit n wachsen.

3. Wenn eine Auswahl in zwei aufeinanderfolgende Wahlvorgänge aufgeteilt wird, soll Hgleich der gewichteten Summe der individuellen H-Werte sein.

Diese Bedingungen können - wie von Shannon gezeigt - nur von

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∑=

−=n

iii ppH

12S log

erfüllt werden.

• Rényi-Entropie

Rényi schlägt eine Verallgemeinerung der Shannon-Entropie durch Gewichtung seltener oderhäufiger Ereignisse vor. Für eine Zufallsvariable, deren n Werte mit den Wahrscheinlichkeitenp1, p2, ... pn eintreffen, definiert er das Maß a-ter Ordnung der Information HR(a) so:

1für log)(

1für log1

1)(

12R

12R

=−=

≠−

=

=

=

αα

αα

α α

n

iii

n

ii

ppH

pH

• Mittlerer Informationsgewinn

Ein besonders häufig verwendetes Maß für Information ist der mittlere Informationszuwachs oder-gewinn. Er misst die Information, die erforderlich ist, um einen Zustand j auszuwählen, wenn dervorangegangene Zustand i bekannt ist. Bei einer Verteilung von L-Wörtern wird die bedingteEntropie als mittlere Ungewissheit des Symbols, das auf ein L-Wort folgt, berechnet. DerInformationsgewinn durch eine zusätzliche Messung ist um so geringer, je besser diese aus denvorangegangenen Messungen vorhergesehen werden kann. Diese Eigenschaft wird durch denmittleren Informationsgewinn quantifiziert und kann mit Hilfe der Shannon-Entropie berechnetwerden:

)()1()( SSG LHLHLH −+=

• Mittlere wechselseitige Information

Die mittlere wechselseitige Information (engl.: mean mutual information) gibt an, wieviel Informationim Mittel in der Abhängigkeit (Korreliertheit) von zwei aufeinanderfolgenden Wörtern enthalten ist.Ähnlich wie für den mittleren Informationsgewinn existiert eine auf der Shannon-Entropie basierteRechenformel:

)1()(2)( SSM +−= LHLHLH

• Fluktuationskomplexität

Der Informationsgewinn Gij für den Übergang eines L-Wortes i zu einem L-Wort j durch Anhängeneines zusätzlichen Symbols an Wort i und Streichen seines ersten Symbols wird definiert:

jiLij pG →−= ,log

Analog kann der Informationsverlust Lij beim Übergang von Wort j nach i durch Voranstellen einesSymbols und Streichen des letzten Symbols erklärt werden:

jiLij pL ←−= ,log

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Der Netto-Informationsgewinn bezüglich der Übergänge zwischen den Wörtern i und j ist:

jL

iL

jiL

jiLijijij p

ppp

LGT,

,

,

, loglog ==−=→

Der Mittelwert des Netto-Informationsgewinns über alle Paare i und j ist dann:

∑=

=L

jiijijL TpT

λ

1,,

Es gilt ‚TÚ ª 0, siehe [Wol99]. Informationsgewinn und -verlust sind also auf die gesamte Verteilungder L-Wörter gemittelt gleich. Dies gilt jedoch nicht generell für die Varianz:

∑=

==

L

ji jL

iLijLTT p

ppC

λ

σ1,

2

,

,2,

2 log

Diese Größe wird als Fluktuationskomplexität bezeichnet und dient zur Beurteilung der Dynamikder Informations-Fluktuation.

• Rényi-Komplexität

Die Differenzen von Rényi-Entropien, HR(1/a) – HR(a) für a > 1, können als Maß für die Komplexitätverwendet werden. Dabei sollte für a ein Wert von 3 oder 4 gewählt werden. Es ist auchnachweisbar, dass eine solche Definition die Randbedingungen an ein Komplexitätsmaß erfüllt.Komplexität bedeutet hier eine hohe Vielfalt in den Häufigkeiten der Wörter. Die Ordnung 1/a in HR

(a-te Wurzel) gewichtet kleinere Wahrscheinlichkeiten stärker als größere, falls a > 1. Bei derOrdnung a ist es umgekehrt.

Die Rényi-Komplexität CR(a) der Ordnung a > 1 einer Verteilung von L-Wörtern sei:

( ))()(2ln)1(

2)( R1

RR αα

α α HHL

C −−

=

Die Rényi-Komplexität CR sei dann:

)(lim R1 ,1R ααα

CC>→

=

Aus numerischen Gründen kann CR nicht so berechnet werden. Diese Definition gibt aber dieRichtung für eine Fixierung des Parameters a an. Eine stabile Approximation von CR durch CR(a)kann noch für a = 1.0001 gewährleistet werden. Wenn a noch näher an 1 gewählt wird, kann es zuUngenauigkeiten in den Werten kommen bis zu einer völligen Dominanz der numerischenArtefakte.

• Erforderliche Datenmengen

Wie bei allen statistischen Methoden sind auch bei den Informations- und Komplexitätsmaßen dieerforderlichen Datenmengen von fundamentalem Interesse. Zur Berechnung einesKomplexitätsmaßes mit einer bestimmten Genauigkeit sind um so mehr Daten erforderlich, je

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umfangreicher das Alphabet l ist und je länger die Wörter L sind. Umgekehrt gibt es bei gegebenerDatenmenge eine maximale Wortlänge Lmax, die nicht überschritten werden darf, damit die Werteder Maße eine bestimmte Genauigkeit einhalten. Um möglichst viel von der typischen Struktur derZeitreihe zu erfassen, ist man an möglichst hohen Wortlängen zur Berechnung der Maßeinteressiert. Für die nachfolgenden Berechnungen sind die Wortlänge 7, 10 und 14 gewählt. Diedazu erforderlichen Datenmengen sind in Tab. 2 zusammengefasst, Quelle: [Wol99].

HS und HR HG HM CR CT

l = 3; L = 7 3300 41628 764 24715 125038

l = 2; L = 14 19570 246163 8380 84508 467785

l = 3; L = 10 61866 1123745 16162 456994 ohne Angabe

Tab. 2: Erforderliche Datenmengen bei verschiedenen Alphabetgrößen l und Wortlängen L für95 % Genauigkeit.

6.1.2.3.2 Messdatenauswahl und –vorverarbeitung

Im Regelbetrieb fährt der ICE mit unterschiedlichen Fahrtgeschwindigkeiten. Da die Messdatennicht raddrehzahlsynchron, sondern zeitäquidistant abgetastet wurden, ist es für die folgendenBerechnungen notwendig, auf eine relativ konstante Fahrtgeschwindigkeit zu achten. Die Mess-daten sind aus dem Geschwindigkeitsbereich von 180 bis 200 km/h sowie von 250 bis 270 km/hausgewählt, weil das Versuchsfahrzeug mit diesen Geschwindigkeiten häufig gefahren wurde.

Prinzipiell kann man durch Wahl einer größeren Wortlänge L und Alphabetgröße l einen breiterenDynamikbereich mit einer höheren Auflösung untersuchen. In der Praxis können die beidenParameter l und L jedoch nicht beliebig groß gewählt werden, weil der Speicherkapazität und derakzeptablen Rechenzeit obere Grenzen gesetzt sind. Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit diegrobe Charakterisierung der Beschleunigungsdaten hinsichtlich ihres Zeitverlaufs im Vordergrundsteht, wird die Wortlänge L gegenüber l bevorzugt behandelt. Auf dem Arbeitsrechner (500 MHz

Prozessortakt, 256 MByte Arbeitsspeicher) konnte z.B. bei l = 2 mit L ≤ 20 sowie bei l = 3 mit L ≤12 gearbeitet werden.

Die Zuweisung vom Beschleunigungswert ai des Bereichs [A, B] zum Symbol Ïi erfolgt für l = 2 mit

Ïi

≤≤<≤

=Ba

aA

i

i

0 falls10 falls0

sowie für l = 3 mit

Ïi

≤≤++<≤+

+<≤=

BaBABAaBA

BAaA

i

i

i

3/)2( falls23/)2(3/)2( falls1

3/)2( falls0

Die hier untersuchten Beschleunigungsdaten sind mit 12 kHz Abtastfrequenz gemessen. FürUntersuchungen der Fahrwerksdynamik ist hauptsächlich der niedrige Frequenzbereich bis ca. 200

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Hz relevant. Da die zulässige Wortlänge L relativ klein ist, müssen die Messdaten downgesampeltwerden, um in den niedrigen Frequenzbereich einzugehen. Die ursprünglichen Messdaten werdenmit dem Faktor 1:100 downgesampelt und die neue Abtastfrequenz entspricht dann 120 Hz. Bei L= 12 schließt ein Wort der Länge L eine Periode von 0.1 Sekunde ein und damit kann die Dynamikim Frequenzbereich von 10 bis 120 Hz mit den Informations- und Komplexitätsmaßen untersuchtwerden.

6.1.2.3.3 Künstlich generierte Referenzdaten

Für die Komplexitätsmaße ist es schwierig, einen allgemeingültigen Grenzwert aus Messdaten,welche einer unbekannten Verteilungsfunktion entstammen, zu berechnen und mit Hilfe diesesGrenzwertes zu beurteilen, wie komplex die zu untersuchende Messreihe ist. Um jedoch einenEindruck von der Komplexität der Beschleunigungsdaten zu bekommen, sind hier einige künstlichgenerierte Daten zum Vergleich herangezogen. Diese umfassen ein Sinussignal und Signale beidenen ein Sinus-Anteil mit einem zufälligen Rauschen variabler Stärke überlagert ist. DerEinfachheit halber wird die genaue Signaldefinition über das verwendete Matlab-Programm erklärt:

Matlab-Code: Kommentar:

fs = 120; - Abtastfrequenzlen = 1480; - Messdauer in Sekundent = [1/fs:1/fs:len]'; - Zeitnoise = (rand(size(t))-0.5)*2; - unkorreliertes Rauschensinus = sin(t*2*pi*26); - Sinus mit 26 Perioden pro Sekunde (Bei einer Geschwindigkeit

von 260 km/h dreht sich das Rad ca. 26 mal pro Sekunde)r01 = sinus; - Referenz 1: Sinusr02 = 0.3*noise + 0.7*sinus; - Referenz 2: 30 % Rauschen plus 70 % Sinusr03 = 0.4*noise + 0.6*sinus; - Referenz 3: 40 % Rauschen plus 60 % Sinusr04 = 0.5*noise + 0.5*sinus; - Referenz 4: 50 % Rauschen plus 50 % Sinusr05 = 0.6*noise + 0.4*sinus; - Referenz 5: 60 % Rauschen plus 40 % Sinusr06 = 0.7*noise + 0.3*sinus; - Referenz 6: 70 % Rauschen plus 30 % Sinusr07 = noise; - Referenz 7: Rauschen

6.1.2.3.4 Vergleich zwischen Messdaten und Referenzdaten

Die Informations- und Komplexitätsmaße können zur Beurteilung der Modellierbarkeit derBeschleunigungsdaten herangezogen werden. Es ist hier leicht einzusehen, dass einBeschleunigungssignal am Radsatzlagergehäuse allein nicht besonders gut geeignet für eineModellbildung ist, da es mit einem Signal keine Möglichkeit gibt, die Störungen von der Schiene zuberücksichtigen. Vielmehr muss mit mindestens zwei Beschleunigungssignalen av und ah, dievorzugsweise an zwei hintereinander laufenden Rädern eines Drehgestells gemessen sind,gearbeitet werden. Nun sind die Störungen aus der Umwelt in beiden Signalen enthalten undkönnen bei der Modellbildung entsprechend berücksichtigt werden.

Wie im Abschnitt 6.1.2.3.1 beschrieben, sind die Informations- und Komplexitätsmaße bezogen aufeine Messreihe oder Zeichenkette definiert. Zur Zeit ist dem Verfasser keine Erweiterung solcherMaße auf multiple Messreihen bekannt. Um jedoch mit der vorhandenen Technik arbeiten zukönnen, muss aus den zwei Signalen av und ah ein Signal gebildet werden. Dies erfolgt mit einer

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abwechselnden Abtastung der beiden Signalen av und ah:

a = [av0 ah0 av1 ah1 av2 ah2 av3 ah3 ... avN-1 ahN-1] T

wobei N die Länge des Signals av und des Signals ah darstellt.

Auch hier müssen die Messdaten downgesampelt werden. Ein weiterer zu berücksichtigenderPunkt ist das richtige Verhältnis zwischen der Abtastfrequenz, der Wortlänge L und derFahrtgeschwindigkeit, damit innerhalb der Wortlänge

• sich jedes Rad mindestens einmal um sich dreht und

• dieselbe Stelle der Schiene von zwei benachbarten Räder des Drehgestells überfahren wird.

Bei 0.92 Meter Raddurchmesser und 2.5 Meter Radsatzabstand muss L für die Originalmessreihemindestens so groß gewählt werden:

fV

fV

fV

L ππ 92.0)5.2,92.0max( =≥

wobei V die Fahrtgeschwindigkeit in m/s und f die Abtastfrequenz bedeutet. Eingesetzt mit V = 180

km/h = 50 m/s und f = 120 Hz muss schließlich die Bedingung L ≥ 7 erfüllt sein. Für das aus av und

ah kombinierte Signal a gilt die doppelte Wortlänge, d.h. die Bedingung L ≥ 14 muss erfüllt sein. Bei

V = 250 km/h und f = 120 Hz muss L ≥ 10 für das kombinierte Signal a gewählt werden.

Aus Abb. 10 und Abb. 11 ist zu erkennen, dass die aus den Beschleunigungssignalen berechnetenInformationsmaße zwischen denen der Referenzdaten r04 und r05 liegen. D.h. der Anteil anRauschen beträgt ca. 50 %. Die Komplexitätsmaße der Beschleunigungssignale können, je nachVersuchsbedingungen, deutlich höher sein als die der Referenzdaten. Das Zeichen rechts inden Bildern signalisiert eine ungenügende Datenmenge für die jeweilige Berechnung, vergleichedazu Tab. 2. Da die Berechnungen mit bei einer relativ konstanten Fahrtgeschwindigkeitausgewählten Messdaten durchgeführt sind, ist zu erwarten, dass bei Variation derFahrtgeschwindigkeit der stochastische Anteil an Messdaten noch weiter steigen wird. Demzufolgeist es nicht überraschend, wenn man sich bei Modellierungsversuchen mit relativ großen Residuen(Abweichungen) abfinden muss.

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Abb. 10: Vergleich der Messdaten (180 – 200 km/h) mit Referenzdaten

Abb. 11: Vergleich der Messdaten (250 – 270 km/h) mit Referenzdaten

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6.1.2.4 Probleme der datengetriebenen Modellierung

Vor dem Start der Modellierung ist grundsätzlich zu prüfen, ob der Versuch aussichtsreicherscheint. Für das vorliegende Problem ergeben sich aus obigen Betrachtungen einige Punkte, dieeine erfolgreiche datengetriebene Modellierung der Beschleunigungssignale sowie die Nutzungdes Modells in Frage stellen könnten:

• Schwer zu beschreibende Phänomene

Es gibt einige mathematisch schwer zu beschreibende Phänome der Fahrwerksdynamik, darunterz.B. der Schlupf (Gleiten des Rades auf der Schiene), kurzzeitiges Abheben des Rades,Radkranzanlauf sowie verschiedene Fahrweg- und Umweltbeeinflussungen, die sich vermutlichauch einer datengetriebenen Modellierung entziehen.

• Ausgeprägter stochastischer Charakter der Beschleunigungsdaten

Die Beschleunigungsdaten, wie im vergangenen Abschnitt gezeigt, sind hoch stochastisch. DieUnordnung in den Messdaten kann die Genauigkeit der Rechenergebnisse stark reduzieren.

• Informationsmängel

Wie im Kapitel 5 erwähnt, sind nur die Beschleunigungsdaten gemessen. Weitere Größen wie z.B.Fahrzeugbeladung, Kraft, Moment, Position, Winkel, Geschwindigkeit u.a. sind nicht verfügbar. Inder Regel haben solche Größen Einfluss auf die gemessenen Beschleunigungssignale. Wenn eskeinen Weg gibt, die relevanten Größen aus den Beschleunigungsdaten abzuschätzen, dann istdas zu modellierende System unterbestimmt (unbekannte Freiheitsgrade).

• Modellparameter und Fehlerzuordnung

Es ist wünschenswert, wenn eine direkte Zuordnung zwischen Modellparameter und Fehlerexistiert. So lassen sich z.B. der Feder- oder Lagerfehler einfacher überwachen, wenn dieFedersteifigkeit oder die Lagertemperatur durch den jeweiligen Parameter im Modell explizitangegeben ist. Dies geschieht nur unter der Voraussetzung, dass die Fehler sich durch einen odermehrere Parameter eindeutig beschreiben lassen. Dies ist keine triviale Aufgabe. WelcheParameter sollen z.B. für die Beschreibung einer Flachstelle, einer Eindrückung, eines Risses amRadsatz oder eines Käfigbruches im Radsatzlager herangezogen werden? Sogar wenn dieBeschreibung solcher Fehler durch Modellparameter möglich wäre, ist es immer noch offen, wieman in diesem Zusammenhang ein mathematisches Modell anhand von Beschleunigungsdatenaufbauen könnte.

• Komplexität des mathematischen Modells

Bei der Modellierung versucht man die Differenzen zwischen den Modellausgaben und denMessdaten zu minimieren. Durch steigende Komplexität des Modells können die Residuenweitgehend minimiert werden. Eine beliebige Funktion kann z.B. durch mehrschichtige komplexeneuronale Netze approximiert werden. Andererseits ist ein hoch komplexes Modell weniggeneralisierungsfähig und daher nicht unbedingt geeignet für neue, während der Modellierung nichtverfügbare Daten. In der Praxis wird häufig versucht, einen Kompromiss zwischen der Minimierungder Residuen und der Modellkomplexität zu finden. Der Maßstab zur Steuerung des Kompromissesist im Rahmen der Experimente stark an Messdaten angelehnt und daher spielt neben der

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Modellkomplexität auch der Umfang der Messdaten eine entscheidende Rolle für diemathematische Modellierung.

• Umfang der Messdaten

In der Regel werden mehr Messdaten für die datengetriebene als für die physikalischeModellbildung benötigt. Der Umfang der Messdaten soll theoretisch möglichst alleBetriebszustände erfassen, z.B. kurzzeitige Ereignisse wie Zugbegegnung, Notbremsung, Fahrtauf Weichen, Brücke, Bahnübergang und im Tunnel; Witterungsbedingungen wieUmgebungstemperatur, Seitenwind, Feuchtigkeit, ggf. Schnee und Eis auf dem Fahrwerk;Betriebsbedingungen wie z.B. Fahrzeugbeladung, Fahrtgeschwindigkeit und Fahrtrichtung.Allerdings kann die Kombination aller Betriebszustände sehr hoch sein, so dass sich die gesamtenBetriebszustände praktisch nicht messtechnisch erfassen lassen. Trotz mehrerer wochenlangenMessfahrten mit einem ICE zwecks Datensammlung bleiben viele Betriebszustände unerfasst.

• Abtastfrequenz der Messdaten

Zu Beginn der Arbeiten war geplant, die Messdaten teilweise mit 12 kHz, teilweise mit 48 kHzabzutasten, um damit den kompletten akustischen Bereich analysieren zu können. Nachumfangreichen Datenauswertungen hat es sich später herausgestellt, dass der höhereFrequenzbereich (ab ca. 2 kHz) kaum neue Nutzinformation für die Fahrwerksdiagnose enthält2.Die Abtastrate war also zu hoch eingestellt worden. Um die niederfrequente Dynamik stärker zugewichten und die Rechenzeit zu reduzieren, ist es sinnvoll, die Messdaten entsprechenddownzusampeln. Die so verarbeiteten Daten könnten infolge des Downsampels zusätzlicheAbweichungen aufweisen.

• Versuchsrandbedingungen

Die im Rahmen der Experimente verwendeten fehlerfreien und fehlerhaftenFahrwerkskomponenten sind nicht identisch. Daher wird der Unterschied zwischen Referenz- undSchadenszustand u.U. nicht nur durch den Fehler selbst, sondern auch durch denKomponentenaustausch verursacht. Besser wäre es, die Schadensentwicklung an derselbenFahrwerkskomponente zu verfolgen. Wegen der Kürze der Verfügbarkeit des Versuchsfahrzeugeswar dies jedoch nicht machbar. Daher kann u.U. der Nachweis über dieFehlererkennungstauglichkeit des gefundenen Modells, nicht erbracht werden.

• Risiko der Generalisierung

Mit Hilfe eines mathematischen Modells wird die Generalisierung im Sinne der Extrapolation in diebisher unbekannten Betriebsbereiche vorgenommen. Aufgrund der Komplexität des zumodellierenden Systems als auch aufgrund der fehlenden Erfahrungen kann hier ein gewissesRisiko nicht völlig ausgeschlossen werden. Bei sicherheitsrelevanten industriellen Anwendungenwerden in der Regel die bewährten Verfahren bevorzugt angewendet und es vergehen häufigJahre, bis eine neue Methode sich dort etabliert hat.

2 Diese Aussage basiert auf den Messdaten und ist nur gültig im Rahmen der untersuchten Fahrwerksfehler.Für die Übertragung auf andere Fehlertypen ist ihre Gültigkeit sorgfältig zu prüfen.

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6.1.3 Schlussfolgerung

Angesichts der oben aufgelisteten Gründe scheint eine auf einem physikalischen oderdatengetriebenen Modell aufbauende On-Board-Fahrwerksdiagnose für wenig aussichtsreich. DasProblem der Verifikation des mathematischen Modells und nicht zuletzt auch konkurrierendeMethoden aus dem Gebiet der Mustererkennung haben zu der Entscheidung geführt, dass dieModellbildung im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht weiter vorangetrieben wird. Im Folgendenwerden die signalgestützten Diagnoseverfahren vorgestellt und ihre Anwendungsmöglichkeiten fürdie Fahrwerksdiagnose aufgezeigt.

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6.2 Die signalgestützte Diagnose

Die signalgestützen Methoden der technischen Diagnose verfolgen im Vergleich zu denmodellgestützten Methoden eher eine empirische Vorgehensweise. Das gesamte Rahmenkonzeptoder die Strategie der signalgestützten Diagnose hat sich in der letzten Zeit gut etabliert, währenddie dazu verwendeten Techniken weiterhin Entwicklungspotenzial aufweisen. Ein relativ neuesBeispiel liefert die sogenannte Support Vektor Maschine, welche das Potential besitzt, in vielenAnwendungen wegen ihrer besseren Eigenschaften die neuronalen Netze zu ergänzen bzw. zuersetzen.

6.2.1 Support Vektor Maschine (SVM)

Zum besseren Verständnis wird in diesem Kapitel das im Rahmen der Fahrwerksdiagnose näheruntersuchte Klassifikationsverfahren SVM erläutert. Das Prinzip der SVM wurde von Vapnik inseiner Arbeit [Vap95] veröffentlicht. Zu den Haupteinsatzgebieten der SVM gehören u.a. dieKlassifikation und Regression. Wie bei den meisten maschinellen Lernverfahren üblich, spielt hierdie Generalisierung eine wesentliche Rolle. Orientiert sich ein Verfahren zu stark an denLerndaten, kann das Ergebnis nicht zwangsläufig auf unbekannte Daten übertragen werden. Imanderen Fall der zu starken Generalisierung lässt sich keine Aussage über einzelnezugrundeliegende Muster machen. Die SVM ist von der Konzeption her in der Lage, einenkontrollierbaren Kompromiss dazwischen zu finden.

6.2.1.1 Grundlage der SVM

Die Grundidee der SVM kann anhand eines einfachen Beispiels erklärt werden. Basierend aufdieser Grundlage wurden in der Vergangenheit zahlreiche Arbeiten veröffentlicht, die jeweilsspeziellen Fragestellungen gewidmet sind, z.B. [Mic00]. Auf einige relevante Neuentwicklungen derSVM wird später eingegangen.

6.2.1.1.1 Lineare Trennung zwischen zwei Klassen

Begonnen werden die Erläuterungen zur SVM mit dem einfachen Fall der linearen Maschine,trainiert auf eindeutig voneinander trennbare Daten. Die Trainingsdaten werden mit {xi, yi}, i = 1,...,l,yi œ {-1,1} und xi œ —d bezeichnet, wobei y = 1 bzw. y = -1 die Zugehörigkeit zu einer der beidenKlassen beschreibt. Gesucht ist die Hyperebene, die beide Klassen innerhalb der Trainingsdaten

voneinander abgrenzt. Für Punkte x, die auf dieser Hyperebene liegen, gilt w T ⋅ x + b = 0, wobei wdie Normale der Ebene und b den Bias darstellt, Abb. 12.

Die durch die Gleichung w T ⋅ x + b = 0 definierte Hyperebene bleibt gleich, wenn w und b mit einerKonstante (ungleich 0) multipliziert werden. Um diesen Freiheitsgrad zu eliminieren, werden w undb so skaliert, dass die der Hyperebene am nächsten liegenden Punkte die folgende Bedingung

erfüllen: | wT ⋅ x + b | =1. Diese normierte Hyperebene wird kanonische Hyperebene genannt.

Um zu einer optimal trennenden kanonischen Hyperebene zwischen den beiden Klassen zugelangen, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

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44

wT ⋅ xi + b ¥ +1 für yi = +1

wT ⋅ xi + b § -1 für yi = -1

bei gleichzeitigem Minimieren von 7w7, d.h. Maximieren des Abstandes der trennenden Geraden,siehe Abb. 12. Kombiniert aus den beiden Ungleichungen ergibt sich:

yi (wT ⋅ xi + b) – 1 ¥ 0 "i

Abb. 12: Hyperebene zur Trennung von zwei Klassen

Diese Bedingungen sind für die Korrektheit zur Trennung der Daten in ihre Klassen maßgeblich,gleichzeitig allerdings auch für die Güte der Generalisierung bestimmend. Eine Maschine besitztdann eine gute Generalisierung, wenn sie auch bei leichten Verschiebungen der Daten noch richtigklassifizieren kann. Dazu muss der Abstand der trennenden Hyperebene zu den Beispielen beiderKlassen maximiert werden, um eine gewisse Sicherheitszone zu schaffen.

Charakteristisch für die SVM ist, dass nicht alle Trainingsdaten für die spätere Anwendung(Klassifikation) notwendig sind, sondern nur diejenigen Vektoren, welche für die Konstruktion deroptimalen Hyperebene benötigt werden. Diese werden Support Vektoren genannt.

Die Maximierung des Randes unter Berücksichtigung der Zwangsbedingung lässt sich mit Hilfe vonLagrange-Multiplikatoren ai, i = 1...l in die Lagrange-Darstellung überführen:

∑=

−+⋅−=l

ii

TiiP byL

1

2 )1)((21 xww α

Im Optimum gilt aus TpL0

w=

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45

∑=i

iii y xw α

und

0=∂

bLp

∑ =i

ii y 0α

Eingesetzt ergibt sich:

∑ ∑ ⋅−=i ji

jT

ijijiiD yyL,2

1 xxααα

Zur Lösung des Problems muss entweder LP bzgl. w, b und ai minimiert oder LD bzgl. ai maximiertwerden. Für jeden Vektor aus der Trainingsmenge existiert ein eigener Lagrange-Faktor, fürSupport Vektoren gilt ai > 0, für alle übrigen ai = 0.

Damit hat sich ein quadratisches Optimierungsproblem ergeben, das entsprechend gelöst werden

muss3. Zur Lösung des Problems können die sogenannten Karush-Kuhn-Tucker Bedingungen (beider optimalen Lösung muss das Ergebnis der Multiplikation der Lagrange-Koeffizienten mit denZwangsbedingungen gleich 0 sein) herangezogen werden, die für die Lösungen von w, b und asowohl hinreichend als auch notwendig sind:

iby

iliby

yLb

djxywLw

Tiii

i

Tii

iiiP

ijiiijP

j

∀=−+⋅

∀≥=≥−+⋅

=−=∂∂

==−=∂∂

0)1)((

0...101)(

0

...10,

wx

wx

α

α

α

α

j läuft dabei von 1 bis zur Dimension der Daten.

Diese Bedingungen lassen sich z.B. nutzen, um die Verschiebung b der Hyperebenen vomUrsprung zu bestimmen. Dazu braucht lediglich in der letzten Bedingung für ein ai ∫ 0 das durchTraining bestimmte w eingesetzt und nach b aufgelöst zu werden.

6.2.1.1.2 Erweiterung auf nicht trennbare Klassen

Für die Ausführungen in den vorhergehenden Abschnitten wurde eine Bedingung vorausgesetzt:Die Daten mussten linear voneinander trennbar sein. In der Realität wird diese Voraussetzung nurin den wenigsten Fällen erfüllbar sein. Die Daten werden in einzelnen Fällen durch Inkonsistenzen

3 Die Funktion quadprog von der Matlab Optimierungstoolbox 2.0 ist numerisch nicht stabil und auch nichtfür große Probleme geeignet. Für SVM existieren spezielle Algorithmen, wie z.B. in [Pla98] beschrieben.

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(Rauschen, Messfehler...) im Bereich der anderen Klasse liegen. Mit der bisherigen Methode isteine Lösung des Problems nicht möglich. Als Abhilfe kann ein Maß xi, i = 1...l mit xi ¥ 0 (Slack-Variable) für den Fehler jedes Trainingsbeispiels eingeführt werden. Die Bedingung für dieBestimmung der Hyperebene erweitert sich damit zu:

yi (xiT ⋅ w + b) ¥ 1 - xi "i

Statt jetzt lediglich 7w72 / 2 zu minimieren, ist es sinnvoll, eine Funktion f in Abhängigkeit der Fehlerhinzuzunehmen, die eine gewisse Form von Kosten für Klassifikationsfehler einführt:

min 7w72 / 2+ C ⋅ f (Si xi )

C, die Kapazität der Maschine, ist dabei ein durch den Anwender festgelegter Faktor, der dieGewichtung der Fehler im Verhältnis zur Minimierung von 7w7 festlegt. Ein höheres C führt somit zueiner stärkeren Bestrafung von Fehlern.

Für die Wahl von f = xi k mit k = 1 ergibt sich wieder ein quadratisches Optimierungsproblem mit der

folgenden Lagrange-Darstellung:

∑ ∑∑= ==

−+−+⋅−+=l

i

l

iiii

Tiii

l

iiP byCL

1 11

2 )1)((21 ξµξαξ wxw

Wobei µi die neu eingeführten Lagrange-Multiplikatoren sind. Zusätzlich müssen wieder die KKT-Bedingungen gelten, mit folgenden Erweiterungen:

00)1)((

0001)(

0

==+−+⋅

≥≥≥+−+⋅

=−−=∂∂

ii

iT

iii

i

i

iT

ii

iiPi

by

by

CL

ξµξα

µξξ

µαξ

wx

wx

Die Entscheidung, ob ein unbekanntes x zur Klasse –1 oder 1 gehört, wird mittels einer trainiertenSVM bestimmt, indem die Lage von x in Bezug zur trennenden Hyperebene ermittelt wird. Dieserfolgt durch die Berechnung von:

∑ +⋅=+⋅=i

Tiii

T bysignbsignf )()()( xxxwx α

6.2.1.1.3 Erweiterung auf nichtlineare Probleme

Ein Nachteil der bislang vorgestellten SVM besteht im Versuch, die Daten grundsätzlich linearvoneinander zu trennen. Nur in wenigen einfachen Fällen wird diese Methode akzeptableErgebnisse liefern. Durch Kernelfunktionen wird deshalb die Fähigkeit der SVM so erweitert, dassFunktionen anderer Kategorien gelernt werden können.

Zunächst sei vorausgesetzt, dass die Ursprungsdaten durch eine Transformation F : —d Ø « in

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einen anderen Datenraum (u.U. mit der Dimension ¶) überführt werden. Innerhalb des neuenDatenraums kann dann wieder mit der herkömmlichen Methode eine linear trennende Funktionbestimmt werden. Die real gelernte Funktion ist damit nichtlinear, kann aber mit vergleichbaremAufwand wie im rein linearen Fall gefunden werden.

Da in der Langrange-Formulierung LD des Problems die Daten nur in Produktform xiT ⋅ xj auftreten,

muss die Transformation F nicht direkt bekannt sein, es genügt eine Kernelfunktion K(xi, xj) = F(xi) ⋅

F(xj) zu kennen. Die Ergebnisse für einen Testpunkt x ergeben sich dann nach:

∑=

+=Ns

iiii bKysignf

1)),(()( xsx α

wobei si die Support Vektoren, Ns die Anzahl der Support Vektoren repräsentieren.

Nicht jede beliebige Funktion K lässt sich als Kernelfunktion verwenden. Für jeden Kernel muss diesogenannte Mercer-Bedingung erfüllt sein, [Vap98]. Beispiele der häufig angewandten Kernel-funktionen sind:

• Dot: K(x, y) = xT ⋅ y

• Polynomiell: K(x, y) = ((xT ⋅ y) + 1) d mit d œ Ù

• Radial Basis Funktion (RBF): K(x, y) = e - γx - y2, γ œ —+

• Neuronales Netz: K(x, y) = tanh(a(xT ⋅ y) + b) mit a, b œ —

Durch Verwendung von Kernelfunktionen kann einer ganzen Reihe von nichtlinearen Lern- undDatenanalyseverfahren eine solide mathematische Grundlage gegeben werden. Kernelfunktionenstellen eine theoretisch und algorithmisch fruchtbare Korrespondenz zwischen komplexenAlgorithmen und linearen Methoden her: der theoretische Vorteil liegt darin, dass für lineareAlgorithmen Ergebnisse und Einsichten vorliegen, die nun für eine große Klasse von nichtlinearenProblemen herangezogen werden können. Der algorithmische Vorteil besteht in der Möglichkeitder impliziten Ausführung von komplexen Methoden in hochdimensionalen Räumen, indem manSkalarprodukte durch Kernelfunktionen berechnet.

6.2.1.1.4 Schelle Lernalgorithmen

Das Lernproblem der SVM stellt ein konvexes quadratisches Optimierungsproblem dar. In derletzten Zeit wurden zahlreiche Lernalgorithmen für einen effizienten Nutzen vom Arbeitsspeichersowie für schnelle Konvergenz zum Optimum vorgeschlagen. Eine kurze Zusammenfassung derLernalgorithmen für SVM findet man u.a. in [Cam00]. Die Algorithmen werden dort in vier Gruppeneingeteilt:

• Klumpen (engl. Chunking) und Dekomposition,

• Dekomposition und sequentielle minimale Optimization (SMO),

• Modellselektion und

• Aktive Selektion.

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Die SMO von [Pla98] zerlegt das Optimierungsproblem bis zu jeweils zwei Variablen und löst esanalytisch. Aufgrund ihrer Effizienz für große Probleme ist SMO inzwischen die Standardmethodefür SVM-Lernen geworden. Eine leichte Verbesserung der SMO wird in [KSB99] veröffentlicht. ImRahmen der vorliegenden Arbeit wurden die originalen SMO-Algorithmen eingesetzt. EineAnpassung der SMO nach [KSB99] ist aber für künftige Arbeiten sinnvoll.

6.2.1.2 SVM für Ein-Klassen-Klassifikation

Bisher wurde die Trennung von zwei Klassen behandelt. Es kann in der Praxis jedoch vorkommen,dass es nur Messdaten für eine bestimmte Klasse gibt, während für andere Klassen wenig oderkeine Daten zur Verfügung stehen. Oft ist der Aufwand nicht vertretbar oder es ist aus betriebs-/sicherheitstechnischen Gründen nicht möglich, Daten aller relevanten Fehlerzustände desFahrwerkes, kombiniert mit den verschiedenen Umweltbedingungen messtechnisch zu erfassen.Daher ist es als Alternative zur Zwei-Klassen-Klassifikation sinnvoll, die Möglichkeit des Lernensausschließlich vom fehlerfreien Fahrwerkszustand zu schaffen. Hier ist die Technik dersogenannten Ein-Klassen-Klassifikation gefragt. Aus der englischen Literatur existierenverschiedene Begriffe dafür: one-class-classification, anomaly detection, novelty detection, outlierdetection u.a.

Das Problem der Ein-Klassen-Klassifikation ist mathematisch schwieriger zu formulieren als dasder Zwei-Klassen-Klassifikation, da hier die andere Klasse als Diskriminierungsgegenstück fehltund somit die Methoden der optimalen Trennung verschiedener Klassen nicht direkt anwendbarsind. In [Tax01] sind die Methoden der Ein-Klassen-Klassifikation in 3 Kategorien eingeteilt:

• Verfahren der Verteilungsdichte, z.B. Gauß-Verfahren, Parzen Fenster,

• Randgebietsverfahren, z.B. nächster Nachbar, SVM,

• Rekonstruktionsmethode, z.B. LVQ.

Im Folgenden wird die Ein-Klassen-Klassifikation mit SVM als 1-SVM bezeichnet. Im Rahmen dervorliegenden Arbeit sind die Algorithmen von [SPS99] angewendet. Die Daten werden dabei vom

Ursprung mit maximalem Abstand getrennt, Abb. 12. Die primäre Formel lautet4:

lixΦ

vl

i

iiT

l

ii

T

,...,1,0)(

121min

1

=≥−≥

+− ∑=

ξξρ

ξρ

w

ww

Das duale Problem lautet:

4 Die primäre Formel für Zwei-Klassen-Klassifikation lautet: min 7w72 / 2+ C ⋅ f (Si xi ), siehe 6.2.1.1. Da für

Ein-Klassen-Klassifikation nicht die Randbreite 2 / 7w7, sondern der Abstand der Hyperebene zum Ursprung

- b / 7w7 maximiert werden soll, wird die primäre Formel in diesem Fall um ein Parameter ρ (entspricht b)

erweitert. Die Symbole ρ und vl (entsprechen b und C) werden hier, wie sie in der Literatur vorkommen, mitAbsicht so gelassen, um den Unterschied zwischen Ein- und Zwei-Klassen-Klassifikation zu verdeutlichen.

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),(mit

1

,...,1,10

21min

1

jiij

l

ii

i

T

KQ

livl

Q

xx=

=

=≤≤

∑=

α

α

αα

Die Entscheidungsfunktion ist:

∑=

−==l

iii Ksignhsignf

1)),(())(()( ρα xxxx

Ein Nachteil dieser Methode besteht darin, dass der Ursprung a priori als anormal angenommenwird und damit eine wichtige Rolle spielt [CB00]. Eine andere Methode der Ein-Klassen-Klassifikation mit SVM ist in [TD99] beschrieben. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dassman möglichst viele Daten nach der Transformation in eine Kugel mit dem kleinsten Radius packt.Da die Daten in einen hochdimensionalen Raum transformiert sind, hat man immer die Möglichkeit,eine kugelförmige Verteilung dort zu finden. Die beiden Verfahren liefern vergleichbare Ergebnisse,wenn ein RBF-Kernel verwendet wird, [Tax01]. Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur RBF-Kernel eingesetzt werden, ist es zuerst nicht zwingend notwendig, die 1-SVM von [TD99] zuverwenden.

Im Betriebseinsatz des 1-SVM-Klassifikators wird die Ausgabe h(x) kontinuierlich überwacht. DieAnomalie erkennt man an der negativen Ausgabe von h(x). Die Überwachung erfolgt zum einendurch Überprüfung der Überschreitung eines negativen Grenzwertes G1 von h(x), Abb. 13, zumanderen berechnet man aus h(x) die Ausreißerrate Ra(l) und vergleicht sie mit einem Grenzwert G2.Den Betriebserfahrungen entsprechend, können die Fensterlänge l und die Grenzwerte G1 sowieG2 nach Sicherheits- und Instandhaltungsaspekten optimal eingestellt werden. Bei Überschreitungder Grenzwerte G1 oder G2 sind vordefinierte Maßnahmen einzuleiten.

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50

Abb. 13: Veranschaulichung der Grenzwerte G1 und der Definition der Ausreißerrate

6.2.1.3 Inkrementelles Lernen mit SVM

Um die Sicherheits- und Komfortanforderungen zu erfüllen, muss ein Schienenfahrzeug nacheinem vorgegebenen Instandhaltungsplan gewartet werden. Unter Berücksichtigung der üblichenInstandsetzungsarbeiten (z.B. Reprofilierung der Räder sowie Komponentenaustausch) ist es inder Regel schwierig, einen allgemeingültigen Parametersatz für die Fahrwerksdiagnose zu finden.Insbesondere wegen der Vielfalt der vorhandenen und kommenden Fahrwerksvarianten ist essogar notwendig, eine individuelle Parameteranpassung im Rahmen der Diagnose für jedenFahrwerkstypen durchzuführen. Somit muss der Klassifikator je nach der konkreten Situationtrainiert bzw. nachtrainiert werden.

Beim Lernen unterscheidet man zwischen dem Batch-Lernen und dem inkrementellen Lernen.Während beim Batch-Lernen die gesamten Daten zur Verfügung stehen müssen, können beiminkrementellen Lernen neue Daten schrittweise zum Lernen hinzugeführt werden, ohne dabei diegesamten Daten permanent gespeichert zu haben. Da für die im Rahmen der Fahrwerksdiagnoseanfallende Parametrierung auf der einen Seite große Datenmengen zum Lernen benötigt werden,auf der anderen Seite jedoch nur eingeschränkte Speicher- und Rechenkapazität zur Verfügungsteht, ist es sinnvoll, den Lernprozess inkrementell zu gestalten. Hierzu muss allerdingsvorausgesetzt werden, dass während der gesamten Lernphase kein Fehler am Fahrwerk auftritt.Um dies zu gewährleisten bzw. zu überprüfen sind weitere Maßnahmen zu ergreifen, welchezugunsten der Übersichtlichkeit hier aber nicht weiterverfolgt werden.

Je nach angewandtem Klassifikator existieren unterschiedliche Ansätze für das inkrementelleLernen. In der letzten Zeit sind zahlreiche Veröffentlichungen erschienen, die sich mit der Thematikdes inkrementellen Lernens für SVM befassen, [CP01], [DG01], [Rüp02]. Es kann im Allgemeinen

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nicht erwartet werden, dass die Ergebnisse des inkrementellen Lernens mit denen des Batch-Lernens exakt identisch sind; vielmehr handelt es sich hier um eine bestmögliche Annäherung.Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden im Folgenden einige Ansätze zum inkrementellenLernen vorgeschlagen, die eine mögliche Anwendung in der Fahrwerksdiagnose finden könnten.Für die Klassifikation wird im Folgenden der Term yi ft(x) häufig verwendet. Die Bedeutung derSymbole ist gleich geblieben wie im Abschnitt 6.2.1.1, erweitert mit einem Index t für die Zeit:

∑ +=i

tiiitt bKyf ),()( xxx α

• Fehlergetriebene Technik

Zum Zeitpunkt t ist die SVMt gegeben. Ein neu hinzukommender Datenvektor wird anhand vonSVMt klassifiziert. Bei falscher Klassifikation ist der entsprechende Datenvektor zu speichern,ansonsten wird er aus dem Speicher gelöscht. Sobald die Anzahl von falsch klassifizierten Dateneine gewisse Grenze ne erreicht, geschieht die Aktualisierung von SVMt: Die Support Vektoren vonSVMt zusammen mit ne falsch klassifizierten Daten werden zum Lernen herangezogen und alsErgebnis erhält man die aktualisierte SVMt+1. Dieser Prozess wird fortgeführt bis ein vordefiniertesAbbruchkriterium erfüllt ist (z.B. Lernphase abgeschlossen).

• Technik der festen Aufteilung

Die neuen Daten sind in Partitionen fester Länge aufgeteilt. Wenn eine neue Partition in denSpeicher geladen ist, werden alle Daten dieser Partition zu den Support Vektoren hinzugefügt unddie so entstandenen Daten zum Lernen der SVM benutzt. Die danach generierten SupportVektoren repräsentieren im Sinne der Klassifikation die bisher gesehenen Daten und werden imSpeicher niedergelegt. Wie bei der fehlergetriebenen Technik wird der Lernprozess je nachVerwendungszweck während der gesamten Lernphase fortgesetzt.

• Technik der Randüberschreitung

Zum Zeitpunkt t ist die SVMt gegeben. Ein neu hinzukommender Datenvektor xi wird anhand von

SVMt geprüft, ob er die Grenze (engl. Margin) überschreitet, d.h. wenn yi ft(xi) ≤ 1 gilt. Falls Ja, istder entsprechende Datenvektor zu speichern, ansonsten wird er aus dem Speicher entfernt.Sobald die Anzahl der gesammelten Daten eine gewisse Grenze ne erreicht, geschieht dieAktualisierung von SVMt: Die Support Vektoren von SVMt zusammen mit ne gesammelten Datenwerden zum Lernen herangezogen und als Ergebnis resultiert hieraus die aktualisierte SVMt+1.Dieser Prozess wird fortgeführt bis ein vordefiniertes Abbruchkriterium erfüllt ist.

• SV-L-Inkrementelles Lernen

Bei den oben genannten Techniken werden die Support Vektoren einfach mit neuen Datengemischt und beim folgenden Lernprozess gleichermaßen behandelt. Die wesentliche Idee desSV-L-Inkrementellen Lernens ist es, bei der Aktualisierung der SVM auf die Support Vektoren mehrzu achten als auf die neuen Lerndaten. Da die Support Vektoren aus einer großen Menge vonLerndaten extrahiert sind und daher mehr Informationen in sich tragen als normale Lerndaten, liegtes nahe, sie mit einer größeren Gewichtung L als neue Lerndaten zu versehen. Mit einer kleinenÄnderung in der Formulierung des Optimierungsproblems kann diese Technik leicht in dieStandard SVM integriert werden.

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• Inkrementelles und dekrementelles Lernen

Die Lerndaten werden in drei Gruppen S, E, R eingeteilt: S speichert die Daten die sich an derGrenze (yi ft(xi) = 1), E die über der Grenze (yi ft(xi) < 1) und R die unter der Grenze (yi ft(xi) > 1)befinden. Beim inkrementellen Lernen wird der neue Datenvektor in die entsprechende Gruppeaufgenommen und anschließend wird die SVM je nach Bedarf aktualisiert. Um dabei gleicheErgebnisse wie beim Batch-Lernen zu bekommen, sind alle Daten der S, E und R permanent zuspeichern. Für die praktische Umsetzung können die Daten der Gruppe R reduziert werden, indemder weit von der Grenze entfernte Datenvektor xi gelöscht wird, d.h. wenn die Bedingung yi ft(xi) >

1+ε erfüllt ist. Die Konstante ε steuert den Kompromiss zwischen Speicherbedarf und Genauigkeit

des inkrementellen Lernens. Bei größerem ε ist der Speicherbedarf geringer und möglicherweiseder Unterschied der Ergebnisse (trennende Hyperebene) im Vergleich zum Batch-Lernen größer.

6.2.2 Prinzip der Algorithmenentwicklung

Auf Grundlage der Ausführungen in Kap. 6.1 wurde festgelegt, die modellbasierte Diagnose imRahmen der vorliegenden Arbeit nicht weiter zu untersuchen. Stattdessen soll auf die Anwendungder signalgestützten Diagnose fokussiert werden. Da die Grundlage der SVM für das Verständnisder folgenden Texte notwendig ist, wurde sie gesondert im vorgangenen Kaptel behandelt. DieThemen Merkmalskonstruktion, -selektion und Klassifikation sind die Schwerpunkte diesesAbschnittes.

6.2.2.1 Merkmalskonstruktion

Die Beschleunigungsdaten in ihrer Originalform sind wenig geeignet für die Diagnose. EineVorverarbeitung zwecks Extraktion der schadensrelevanten Merkmale muss betrieben werden. Daman nicht von vornherein alle Merkmale kennt, welche für die Diagnose geeignet sind, solltenmöglichst viele potentielle Merkmale (Abb. 14) berechnet und anschließend z.B. mit Hilfe derautomatisierten Merkmalsselektion ausgewählt werden. Die fettgeschriebenen Merkmale oderOperationen sind im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendet.

Die Merkmale im HOS-Bereich (HOS steht für Higher Order Spectrum) sind generellrechenaufwändig und deshalb für die On-Board-Fahrwerksdiagnose weniger geeignet. DieWaveletkoeffizienten sind aufgrund ihrer fehlenden Verschiebungsinvarianz und schlechterphysikalischen Interpretierbarkeit für Radsatz- und Radsatzlagerdiagnose zuerst nicht weiterverfolgt worden. Im Folgenden sind nur die tatsächlich experimentell untersuchten Merkmaleaufgelistet.

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Merkmals- selektion

Merkmals- konstruktion

Merkmals- extraktion

KlassifikatorRohdaten Reaktion

Zeitbereich:

Filterung Interpolation Resample Integration Differentiation Glättung

Statistikbereich:

Extremwert, Varianz, Krestfaktor, RMS, Schiefe, ... Wölbung Klassierung Verbundvertei- lungsfunktion Korrelation

Transforma- tionsbereich:

Fourier -Frequenzanal. -Ordnungsanal. -Breitbandanal. Hilbert -Hüllkurvenanal. Cepstrum Wavelet Gabor

Sonstige Bereiche:

Informationsmaß Komplexitätsmaß Mutual Information Nulldurchgangsrate Zyklusstationäre Signalverarbeitung Fraktale Dimension

HOS-Bereich:

Linearitätsmaß Kumulant Bispektrum Trispektrum Polyspektrum Bikohärenz

Abb. 14: Übersicht der verschiedenen Merkmale

• Statistische Merkmale

Die Messdaten sind teilweise mit 12 kHz und teilweise mit 48 kHz abgetastet. Um die Statistikfrequenzbezogen zu berechnen, werden digitale Butterworth-Filter eingesetzt. Die Ordnungen derButterworth-Filter werden jeweils anhand der definierten Eckfrequenzen sowie anhand desVerlustes am Passband und Stoppband berechnet. Ein Tiefpassfilter ( < 400 Hz), zweiBandpassfilter (400 bis 800 Hz; 800 bis 1200 Hz) und ein Hochpassfilter ( > 1200 Hz) sind denBerechnungen statistischer Merkmale vorgeschaltet.

Statistische Kennzahlen wie Maximum, Minimum, Spannweite und Median sind generell bekanntund bedürfen hier keinen weiteren Erklärungen. Andere wichtige Merkmale sind:

Arithmetischer Mittelwert: ∑=

=n

iix

n 1

1x

Standardabweichung: ∑=

−−

=n

iix

ns

1

2)(1

1 x

Schiefe: 3

1

2

1

3

)(1

)(1

−=

=

=

n

ii

n

ii

k

xn

xns

x

x

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Kurtosis: 3)(1

)(1

2

1

2

1

4

−=

=

=

n

ii

n

ii

xn

xnk

x

x

Effektivwert (RMS): ∑=

=n

iix

nrms

1

2)(1

Crestfaktor: c = max(x) / rms

Varianz: Quadrat der Standardabweichung s2

Quantil xq: Definition siehe Abschnitt 6.1.2.2.1. Bei dem q-Quantil handelt es sich um einen Wert,bei dem die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines kleineren Beobachtungswertes genau bei qund für einen größergleichen Beobachtungswert genau bei 1-q ist. Im Falle q = 0.25 liegen 25%der Werte unterhalb und 75% der Werte oberhalb des xq Quantiles.

Quantilabstand: Der Quantilabstand ergibt sich aus der Differenz zwischen oberem und unteremQuantil. Er liefert die Größe des Bereichs, in dem etwa die Hälfte aller Beobachtungswerte liegen.

Trimmean(α): Trimmean berechnet den arithmetischen Mittelwert, wobei die größten und kleinsten

α/2 Prozent von den Beobachtungswerten ausgeschlossen sind.

Shannon Entropie: ∑=

−=n

iii ppH

12S log (p ist die Wahrscheinlichkeit).

• Merkmale aus der Frequenzanalyse

Die Frequenzanalyse stellt die bekannteste Methode für die Diagnose von rotierenden Maschinendar. Die Grundlage derartiger Analyse bildet die diskrete Fourier Transformation:

NknjN

nA eTnxkX /2

1

0)()( π−

=

⋅⋅=∑

mit k Index der Frequenzen

n Index der Abtastwerte

TA Abtastperiodendauer

x(n⋅TA) Messwert zum Zeitpunkt n⋅TA

N Gesamtanzahl der Abtastwerte

Die drei Fehlermöglichkeiten, die bei diskreter Berechnung auftreten, sind:

a) Aliasing (Spiegelung),

b) Leakage,

c) Picket Fence Effekt (Lattenzauneffekt).

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Detaillierte Erläuterungen dazu findet man z.B. in [Kol95].

Um den Fehler der Frequenzanalyse möglichst gering zu halten, müssen eine Reihe Parameterwie z.B. Fenstertyp, Überlappungsgrad und andere optimal eingestellt werden. Ein HanningFenster erzeugt eine variable Gewichtung entlang des Zeitfensters. Es liefert zwar falscheResultate für transiente Signale, wenn sie zufällig im Randbereich des Zeitfensters liegen, bringtaber eine wesentliche Verbesserung für stochastische Signale. Ferner spielt die Datensatzlängeeine wichtige Rolle: Sie soll klein bleiben, damit die schadenstypischen Spektren nicht durchFahrtgeschwindigkeitsänderung verwischt werden und eine rechtzeitige Reaktion gewährleistetwerden kann; gleichzeitig sollte die Datensatzlänge groß genug sein, um die stochastischenStöreinflüsse möglichst umfassend auszumitteln. Nach einigen Experimenten mit ausgewähltenDaten wurden die Parameter der Frequenzanalyse vorab entsprechend Tab. 3 festgelegt:

Abtastfrequenz Auflösung Df Fenstertype Fensterlänge Überlappung Datensatzlänge

12 000 Hz 1 Hz hanning 8192 25 % 8 sec

48 000 Hz 1 Hz hanning 32768 25 % 8 sec

Tab. 3: Parameter der Frequenzanalyse

• Merkmale aus der Hüllkurvenanalyse

Häufig stellt sich in der Maschinendiagnose die Aufgabe, impulsartige Vorgänge aufzuspüren. Dieswird häufig dadurch erschwert, dass Stöße geringer Energie im Schwingungsgemisch ausanregenden Signalen und Strukturantworten verloren gehen. Hier setzt die Hüllkurvenanalyse ein,die dazu geeignet ist, schwache deterministische Signale niedriger Frequenz im gesamtenSchwingungsgemisch zu detektieren.

Die Extraktion der Hüllkurve erfolgt in der Praxis mit zwei Verfahren:

a) mittels Bandpassfilterung, Gleichrichtung und Tiefpassfilterung,

b) mittels Hilbert-Transformation.

Die klassische Analysetechnik nutzt zur Hüllkurvenbildung die erste Variante. Die moderneAnalysetechnik verwendet die Hilberttransformation: Ein Signal mit beliebigen

Frequenzanteilen wird um 90° phasenverschoben und mit dem ursprünglichen Signalvektoriell zur Hüllkurve verrechnet. Bei der vollständigen Hüllkurvenanalyse bildet mananschließend das Hüllkurvenspektrum, um die Signale im Frequenzbereich zu analysieren.Die Hüllkurvenanalyse ist besonders für Lagerdiagnose gut geeignet.

• Merkmale nach der Ordnungsanalyse

Als Ordnungsanalyse bezeichnet man eine Sonderform der Frequenzanalyse, bei der dieFrequenzachse auf die Harmonischen oder Ordnungen der Drehfrequenz normalisiert wird. Da dieBeschleunigungssignale nicht drehzahlsynchron abgetastet sind, muss nach der Berechnung derLeistungsspektren interpoliert werden. Für die folgenden Auswertungen steht statt desRadsatzdrehzahl-Impulssignals die Zuggeschwindigkeit zur Verfügung. Die Frequenz f der erstenRadsatzharmonischen lässt sich wie folgt berechnen:

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AV

DVf =⋅⋅

=π6.3

mit V Zuggeschwindigkeit in km/h

D Raddurchmesser in Meter

Der Faktor A wird für die Ordnungsanalyse benötigt. Da der Raddurchmesser D nach jederReprofilierung kleiner wird (Er liegt z.B. für ICE2 Mittelwagen zwischen 0.86 und 0.92 m), muss derFaktor A abgeschätzt werden. Dafür sucht man die Frequenzen, welche die maximalen Pegel imLeistungsspektrum jeweils in den möglichen Frequenzintervallen der ersten bis drittenRaddrehharmonischen besitzen und berechnet den arithmetischen Mittelwert. Sei F dieIndexfunktion, welche die Frequenz eines maximalen Peaks im Leistungsspektrum P angibt, sosind f1 die erste, f2 und f3 jeweils die zweite und dritte raddrehharmonische Frequenz:

⋅⋅⋅⋅∋=

⋅⋅⋅⋅∋=

⋅⋅⋅⋅∋=

86.06.33,

92.06.33)),(max(

86.06.32,

92.06.32)),(max(

86.06.3,

92.06.3)),(max(

3

2

1

ππ

ππ

ππ

VViPFf

VViPFf

VViPFf

i

i

i

Anschließend wird die Gültigkeit von V / f1, 2V / f2 und 3V / f3 geprüft; nur wenn sie in vorgegebenen

Intervallen z.B. [3.6 ⋅ p ⋅ 0.86, 3.6 ⋅ p ⋅ 0.92] liegen, werden sie in einer Liste gespeichert und nachSpeicherung einer ausreichenden Datenmenge wird hieraus der arithmetische Mittelwert für Aabgeschätzt. Nun lässt sich aus der bekannten Zuggeschwindigkeit die Raddrehfrequenz undderen höhere Harmonische berechnen.

• Merkmale aus der Breitbandanalyse

Die relativ hohe Abtastfrequenz ermöglicht die Analyse bis in den akustischen Bereich (von etwa16 Hz bis 16 kHz). Neben der Schmalbandanalyse ist wie oben erwähnt die Breitbandanalyse u.U.auch von diagnostischer Relevanz. Um dennoch nicht mit zu vielen Merkmalen, bis zu mehrerenTausend, den Rechner zu überlasten, wird hier in Anlehnung an die in der Akustik bekanntenOktavfilter (DIN 45651) der Mittelwert der Leistungsspektren aus den ersten 9 Frequenzbereichenermittelt, Tab. 4.

fu (Hz) 5 11 22 44 88 177 355 710 1420 2840

fo (Hz) 11 22 44 88 177 355 710 1420 2840 5680

fm (Hz) 8 16 31.5 63 125 250 500 1000 2000 4000

Tab. 4: Breitbandanalyse (fu: untere Frequenz, fo: obere Frequenz, fm: mittlere Frequenz)

Der Frequenzbereich von 5 bis 11 Hz ist vom Menschen nicht hörbar und deshalb nicht in denstandardmäßigen Oktavfiltern berücksichtigt. Die Erweiterung auf diesen Frequenzbereich istjedoch berechtigt, da die wichtige Fahrwerksdynamik in diesem Bereich liegt. Außerdem braucht

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der Rechner diese menschliche Einschränkung nicht zu berücksichtigen.

6.2.2.2 Merkmalsselektion

Um die Komplexität und den Rechenaufwand des Klassifikators zu reduzieren, sowie dieGeneralisierungsfähigkeit zu erhöhen, ist die Merkmalsselektion von großer Bedeutung. In diesemAbschnitt erfolgt die Zusammenstellung der implementierten Methoden zur Merkmalsselektion. DasZiel ist die automatisierte Auswahl einer optimalen Teilmenge aus allen verfügbaren, potentiellrelevanten Merkmalen. Die geeigneten Merkmale sollen möglichst folgende Eigenschaftenaufweisen, [KS96]:

• Kleine Varianz innerhalb derselben Klasse und großer Abstand zwischen unterschiedlichenKlassen,

• Unempfindlich gegen extreme Störungen,

• Akzeptabler Rechenaufwand,

• Keine Korrelation mit anderen Merkmalen,

• mathematische und

• physikalische Interpretierbarkeit.

Eine gute Zusammenfassung der Methoden zur Merkmalsselektion findet man u.a. in [DL97]. DieMerkmalsselektion mit klassischen neuronalen Netzten ist general rechenzeitaufwändig und nichtfür große Probleme (mit mehreren Hundert Merkmalen) geeignet. Ein weiterer Nachteil besteht inihren Optimierungsansätzen, da es keine Garantie für eine globale Optimierung für neuronaleNetze gibt. Neben den neuronalen Netzen sind in der letzten Zeit auch vielfach genetischeAlgorithmen für die Merkmalsselektion vorgeschlagen worden. Da genetische Algorithmenstochastische Suchstrategien verwenden, sind sie nur dort sinnvoll einzusetzen, wo keinegeeigneten deterministischen Algorithmen die Aufgabe optimal lösen können. Aus den obengenannten Gründen wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit folgende andere Algorithmenbevorzugt und anhand von Messdaten überprüft:

• Weston’s Algorithmen aus [WMC00],

• Hermes’s Algorithmen aus [HB00],

• Schrittweise Vorwärtsselektion mit SVM,

• DIRECT Algorithmen von [Jon01].

Zuerst wurde die von [WMC00] vorgeschlagene Methode zur Merkmalsselektion angewandt. Die

Optimierung wird um einen Parametervektor σ erweitert, dessen Elemente 0 oder 1 sind: σ ∈ ¬d, ¬

∈ { 0, 1 }. Die Merkmalsselektion erfolgt durch die Abbildung x # (x ∗ σ). Das Symbol ∗ steht für

elementweise Multiplikation: x ∗ σ = [x1σ1, ..., xdσd]T. Die Kernelfunktion der SVM nimmt nunfolgende Form an:

))()(())(),((),( yxσyσxyx σσσ Φ⋅Φ=∗∗= KK

Um die zu optimierende Funktion herzuleiten, wird folgendes Theorem benötigt, [Vap98]:

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Theorem: Wenn die Abbildungen aller l Lerndaten, welche sich innerhalb einer Hyperkugel desRadius R befinden, mit einem entsprechenden Rand trennbar sind, dann hat der Erwartungswertder Fehlerwahrscheinlichkeit eine obere Schranke:

{ } { })(1 022 αWREl

PE err ≤

mit ∑ ∑−==i ji

jijijiiD KyyLW,

2 ),(21)( xxα ααα , siehe Abschnitt 6.2.1.1, wobei α0 die nach

der Optimierung fixierten Lagrange-Multiplikatoren sind.

Das Theorem sagt aus, dass die Klassifikationsgüte nicht nur von dem Rand, sondern auch von

dem Radius R abhängig ist. Im Rahmen der Merkmalsselektion wird der Term R2W2 bezüglich σerweitert:

),()()( 02222 σασσ WRWR =

Der Radius R für den Kernel Kσ kann nach der Maximierungsmethode berechnet werden:

∑ ∑−=i ji

jijiiii KKR,

2 ),(),(max)( xxxxσ σσββββ

mit ∑ =≥=i

ii li ,,1,0,1 Lββ

Der Term W2(α0,σ) ist definiert durch

∑ ∑−=i ji

jijijii KyyW,

00002 ),(21),( xxσα σααα

Um das Minimum von R2W2 über σ zu finden, müssen alle möglichen Teilmengen von d Merkmalenuntersucht werden, was ein kombinatorisches Problem darstellt. Als Ausweg wird der binäre Vektor

σ zu einem Realvektor umgewandelt, σ ∈ —d. Danach kann die Gradientenmethode angewendetwerden:

∑∑

∂−=

∂∂

∂−

∂∂

=∂

∂∂

+∂

∂=

∂∂

ji k

jijiji

k

ji k

jiji

i k

iii

k

kkk

KyyW

KKR

RWWRWR

,

0002

,

0002

202

022

22

),(),(

),(),()(

)(),(),()()(

σαα

σ

σββ

σβ

σ

σσσ

σ

σσ

xxσα

xxxxσ

σσασασσ

Der Term R2W2(σ) ist mit Hilfe der oben berechneten Gradienten mit Nebenbedingungen:

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∑=≥=

+

iii

i

pi

lim

WR

.,,1,0,

)()(22

Lσσ

σλσ

zu minimieren.

Für genügend große λ bei p → 0 ergeben sich nur m Elemente von σ ungleich Null. Man kannweiterhin die Berechnung durch stufenweise Annäherung vereinfachen, indem bei der Minimierung

von R2W2(σ) σ unbeschränkt bleibt. Dann werden die q (q ` d) kleinsten Elemente von σ auf Nullgesetzt und die Minimierung wird solange fortgesetzt bis nur noch m von Null verschiedene

Elemente von σ übrigbleiben.

Im zweiten Versuch wurde die Methode der Merkmalsselektion von Hermes in Matlabimplementiert. Die Grundidee besteht darin, zuerst die Support Vektor Maschine mit allenMerkmalen zu trainieren und dann den Winkel zwischen jedem Merkmal (dargestellt alsBasisvektor im multidimensionalen Raum) und den Gradienten der Randvektoren (ein Teil derSupport Vektoren) zu ermitteln. Je kleiner der berechnete Winkel, desto wichtiger ist dasentsprechende Merkmal. Das Programm läuft relativ schnell und sucht die relevanten Merkmaleheraus, hat aber einen wesentlichen Nachteil: Die Redundanz der ausgewählten Merkmale kannsehr hoch sein, so dass mit dieser Methode die Anzahl der Merkmale nicht weitestgehendminimiert werden kann. Deshalb ist sie nicht für die zu lösende Aufgabe geeignet und kannhöchstens zur Merkmalsvorselektion eingesetzt werden.

Die schrittweise Vorwärtsselektion mit SVM als dritte Möglichkeit ist vom Prinzip her einfach. Mansucht im ersten Durchlauf das wichtigste Merkmal heraus und hält es fest, im zweiten Durchlaufwird ein zweites Merkmal ausgewählt, welches mit dem festgehaltenen Merkmal zusammen diebeste Klassifikationsleistung bringt. Im dritten Durchlauf wird erneut ein Merkmal ausgewählt usw.Dieser Prozess wird fortgeführt, bis z.B. die Anzahl der Merkmale einen vorgegebenen Grenzwerterreicht hat oder die Klassifikationsgenauigkeit als ausreichend angenommen werden kann. Auchdiese Methode liefert meistens eine suboptimale Lösung, da ein einmal ausgewähltes Merkmalnicht mehr gelöscht werden kann. Wegen der geringen Rechenzeit kann diese Methode aberhervorrangend als Grobschätzung der optimalen Merkmalsselektion und als Referenz zumVergleich mit anderen Algorithmen eingesetzt werden.

Der DIRECT (Dividing Rectangles)-Algorithmus von [Jon01] unterscheidet sich von den obenerwähnten Verfahren darin, dass er das globale Optimum finden kann, solange eine ausreichendeAnzahl von Iterationen durchgeführt wird. Der Optimierungsablauf lässt sich jederzeit neu starten(Warmstart) und das Ergebnis verbessert sich ständig bis zum globalen Optimum. Der Algorithmusbasiert auf den Lipschitz’s Optimierungsverfahren, [BH99], und wurde vor kurzem für IntegerProgrammierung erweitert und ist damit auch für die Merkmalsselektion prinzipiell einsetzbar (eineUmformulierung der Merkmalsselektion wäre allerdings angebracht, da die Standardformulierungder Merkmalsselektion als 0-1 Integer Programming den Vorteil der Rechteckunterteilung, welcheden Kerngedanken des DIRECT-Algorithmus darstellt, nicht optimal nutzen kann). Für künftigeArbeiten sei hiermit darauf hingewiesen, dass DIRECT für die Merkmalsselektion empfehlenswertist, insbesondere wenn die zu optimierende Objektfunktion als black-box vorliegt. Eine weitere

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Einsatzmöglichkeit des DIRECT-Algorithmus ist das schnelle Auffinden eines guten Startpunktesfür andere Optimierer.

In [PLT02] und [WEST03] sind weitere interessante Methoden zur Merkmalsselektion beschrieben.Anhand der Vielzahl der neuen Veröffentlichungen lässt sich erkennen, dass die Aufgabe derMerkmalsselektion noch nicht vollständig gelöst ist. Am Beispiel der Merkmalsselektion zurRadsatzdiagnose liefern alle oben erwähnten Verfahren vergleichbar gute Ergebnisse. Beigleichzeitiger Erfüllung der geforderten Klassifikationsgenauigkeit kann die Anzahl derausgewählten Merkmale drastisch reduziert werden.

6.2.2.3 Klassifikation

Häufig wird die Klassifikation auch als Bestandteil in die Merkmalsselektion integriert, da dasErgebnis der Merkmalsselektion oft von dem jeweils eingesetzten Klassifikator abhängig sein kann.Um jedoch den Ablauf übersichtlicher darzustellen, wird das Thema Klassifikation erst hiergesondert behandelt. Die wesentlichen Anforderungen an die Fahrwerksdiagnose im Rahmendieser Arbeit sind:

• Gutes Trennungsvermögen zwischen dem fehlerfreien und fehlerhaften Fahrwerkszustand,

• Lernen ausschließlich vom fehlerfreien Fahrwerkszustand (Ein-Klassen-Klassifikation) anhandvon schadensrelevanten Merkmalen (Fehlersymptome),

• Gute Generalisierungsfähigkeit auf nicht gelernte Strecken,

• Unabhängigkeit von der Fahrtrichtung,

• Möglichkeit des Nachtrainings ohne alte Messdaten (Inkrementelles Lernen),

• Tauglichkeit für On-Board-Diagnose (geringer Speicher- und Rechenaufwand).

Um diese Anforderungen zu erfüllen, muss ein dafür bestgeeigneter Klassifikator ausgewähltwerden. Eine Übersicht der verschiedenen Kandidaten zur Klassifikation ist in Abb. 15 gezeigt.

Klassifikatoren

Syntaktisch

Fuzzy Logik

Entscheid- ungsbaum Rough Set

Statistisch Geometrisch

Support-Vektor-Maschine

Nächster- Nachbar

Bayes Klassifikator

Learning Vector Quantization

Mengen- theoretisch

Neuronale Netze

Biologisch

Abb. 15: Übersicht der verschiedenen Klassifikatoren

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Unter Berücksichtigung der konkreten Anforderungen an den Klassifikator wird die Support VektorMaschine gewählt, deren Grundlagen in den vorangegangenen Abschnitten erläutert wurden. Andieser Stelle seien nur kurz die Gründe, warum die anderen Klassifikatoren nicht zum Einsatzkommen, tabellarisch zusammengefasst5:

Ausgeschiedene Klassifikatoren Grund

Die primitiven, auf Fuzzy Logik oder Entscheidungsregelnbasierenden, nicht lernfähigen Klassifikatoren

kaum oder wenig Wissen alsbewährte Regeln vorhanden

Klassifikationsverfahren, die ausreichende Daten vonmindestens 2 Klassen voraussetzen, z.B. konventionelleneuronale Netze

Im normalen Betriebseinsatz nurDaten vom fehlerfreienFahrwerkszustand verfügbar

Speicher- sowie rechenintensive Verfahren, z.B. AssoziativeMemory, nächster-Nachbar-Klassifikator

On-Board-Realzeitverarbeitunggroßer Datenmengen

Auf anderen nicht realen Datentypen spezifizierteKlassifikatoren, z.B. Rough Set basierte Methode

Messdaten sind vom Typ real

Klassifikatoren, welche eine Normalverteilung der Datenvoraussetzen, z.B. Bayes Klassifikator

Normalverteilung liegt nicht vor

Verfahren, die zum Lernen alle Daten benötigen und mitNeudaten allein nicht mehr lernfähig sind, z.B. LVQ u.v.m.

Nachtraining bei Bedarf (z.B.witterungsbedingt)

Tab. 5: Nicht verwendete Klassifikatoren

Die Lernfähigkeit zukünftiger Diagnosesysteme ist deshalb wichtig, da zum einen nur wenigeleichte Fehler für die Schadenssimulation auf der Strecke zugelassen werden, während imGegensatz dazu wesentlich mehr Messdaten aus fehlerfreien Betriebsfahrten zur Verfügungstehen. Zum anderen werden Fahrwerkskomponenten kontinuierlich weiterentwickelt und imselben Zugtyp eingesetzt (z.B. Radsatzführungsbuchse beim ICE2) oder es besteht der Bedarf,das vorhandene Diagnosesystem auf andere Fahrzeugtypen zu übertragen. Es wäre sicherlich vonwirtschaftlichem Interesse, nur die spezifischen Fehlersymptome bei neuen Fahrzeugtypen mitHilfe von Schadenssimulationen herauszufinden und die anschließende Lernphase imRegelbetrieb (Parametrierung des Gutzustandes) vollautomatisch zu betreiben.

5 Unter den hier erwähnten Klassifikatoren sind ihre jeweils ursprünglichen Formulierungen zu verstehen.Die neuesten Entwicklungen umfassen jedoch auch bereits erweiterte Verfahren, wie z.B. lernfähigeregelbasierte Systeme, erweiterte neuronale Netze für Ein-Klassen-Klassifikation, universelle Klassifikatorenfür verschiedene Datentypen.

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6.3 Die regelbasierte Diagnose

Bisher wurde die Möglichkeit der SVM als Klassifikator für die Fahrwerksdiagnose untersucht. DieSVM hat trotz ihrer vielseitigen Vorteile jedoch einen nicht vernachlässigbaren Nachteil: DieKlassifikation wird auf Basis der Support Vektoren durchgeführt, so dass hieraus resultierend dieWissensintegration und die gezielte Manipulierung, um z.B. die Ergebnisse unter bestimmtenAspekten zu verbessern, wesentlich eingeschränkt werden.

Im Rahmen der technischen Überwachung/Diagnose können die vom Computerprogrammverwendeten Schlußfolgerungsmechanismen erst dann in einer menschenverständlichen Formdargestellt werden, wenn diese bereits im Vorfeld mit Hilfe formaler Spezifikationen definiertwurden. Zur formalen Wissensrepräsentation kann man z.B. die beschreibende Logik, Logik ersteroder höherer Ordnung, Semantische Netze oder sogenannte Rahmen (engl. Frame), jeweils inAnlehnung an die Natur der zu beschreibenden Objekte oder Konzepte, verwenden. In derheutigen industriellen Praxis werden nach wie vor regelbasierte Systeme bevorzugt behandelt,insbesondere in den sicherheitsrelevanten Anwendungen. Die Erfahrungen sowie dasExpertenwissen lassen sich in regelbasierten Systemen effizient integrieren.

Die Methoden zur automatischen Regelkonstruktion sind sehr vielfältig und können im Rahmen dervorliegenden Arbeit nicht vollständig untersucht werden. Aus Wettbewerbsgründen sind viele neueAlgorithmen zur Regelgenerierung nicht in ausreichendem Maße öffentlich zugänglich. Der Erwerbund die Begutachtung relevanter kommerzieller Software war nicht Bestandteil der vorliegendenArbeit. Im Folgenden wird deshalb nur grob auf die Anwendungsmöglichkeit der regelbasiertenFahrwerksdiagnose hingewiesen. Die Wünsche bzw. Anforderungen an die automatisiertenregelgenerierenden Systeme sind u.a.:

• Fähigkeit aus großer Datenmenge zu lernen

• Effiziente Bearbeitung hochdimensionaler Daten

• Anwendbarkeit auf kontinuierliche numerische Daten

• Robustheit gegen Rauschen in Messdaten

• Optimale/minimale Komplexität oder Beschreibungslänge des auszugebenden Regelwerkes

• Möglichkeit der Definition der Grammatik für die zu generierenden Regeln

• Einstellungsmöglichkeit der Kostenfunktion für jede Klasse (individuelle Gewichtung)

• Eignung für Multiklasse-Klassifikation

• Erweiterung der Klassifikationsergebnisse mit Wahrscheinlichkeitsangaben

• Sortierungsmöglichkeit der generierten Regeln je nach Wichtigkeitsgrad

• Inkrementelles bzw. nachträgliches Lernen

Der letzte Punkt kann als optional angesehen werden, wenn zum Zeitpunkt der Regelkonstruktionausreichende Messdaten zur Verfügung stehen. Die unten vorgestellten Methoden erfüllenteilweise die genannten Wünsche/Anforderungen und könnten als Bausteine in einemübergeordneten komplexen Diagnosesystem Anwendung finden.

Die Methoden der Regelgenerierung aus Entscheidungsbäumen werden seit mehreren

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Jahrzehnten weltweit intensiv erforscht. Beispiele für die bekanntesten Algorithmen zurdatengetriebenen Konstruktion von Entscheidungsbäumen sind z.B. CN2, ID3, C4.5, Cart.

Eine relativ neue Methode Part zur Regelgenerierung aus Entscheidungsbäumen wurde in [FW98]veröffentlicht. Die Besonderheit besteht hier darin, dass für die Generierung jeder Regel einsogenannter partieller Entscheidungsbaum generiert wird. Entsprechend dem Pfad, den diemeisten Daten durchlaufen, lässt sich eine Regel extrahieren. Danach werden die Bäume plus dievon der Regel abgedeckten Daten entfernt und der Prozess läuft mit der Generierung der nächstenRegel weiter bis alle erforderlichen Regeln konstruiert sind.

Abgesehen von den Visualisierungsaspekten sind die regelbasierten Systeme denEntscheidungsbäumen im Allgemeinen überlegen. Es ist von wissenschaftlichem Interesse, Regelnzu generieren, ohne zuerst ein Entscheidungsbaum konstruieren zu müssen. [CS99] beschreibtz.B. ein Verfahren Slipper, welches auf der Technik der Regelinduktion in [Coh95] und demsogenannten Boosting [Sch02] basiert. Eine Klassifikationsregel kann man auch als eineHypothese bezeichnen. Eine Regel ist schwach, wenn sie bei der Klassifikation nur eine relativniedrige Trefferquote aufweist. Beim Boosting resultiert aus der schwachen Hypothese eine starkeHypothese, welche bessere Klassifikationsergebnisse liefert. Sowohl die Lerndaten als auch dieHypothesen können individuell gewichtet und die Gewichtungsfaktoren wiederum mitLernalgorithmen iterativ adaptiert werden. Je wichtiger eine Regel, desto mehr Daten können damitklassifiziert werden.

Besonders zahlreich sind die Veröffentlichungen zur Regelgeneration aus neuronalen Netzen. EineÜbersicht findet man z.B. in [Sch00]. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen den scharfen undden unscharfen Regeln, welche aus den neuronalen Netzen extrahiert werden können. Bei derFuzzy Logik sind z.B. alle Regeln aktiv eingebunden, so dass jede Regel mehr oder weniger einenBeitrag zum Entscheidungsprozess leistet. Anders verhalten sich die scharfen Regeln. Von allenmöglichen Regeln ist jeweils nur eine aktiv und gültig, die restlichen Regeln werden nicht weiterberücksichtigt und vom Entscheidungsprozess quasi entkoppelt. Aus diesem Grund ist zuerwarten, dass im Allgemeinen ein auf Fuzzy Logik basiertes System kompakter aufgebaut werdenkann als ein auf scharfer Logik beruhendes System.

Durch die Generalisierung eines Neuronalen Netzes mit einem adaptiven Netzwerk und derSpezialisierung bzw. Verknüpfung mit einem Fuzzy Inferenz System entsteht das sogenannteANFI-System, [Jan93]. ANFIS steht für Adaptive Network Based Fuzzy Inference System. DieGrundlage bildet dabei die Verknüpfung eines adaptiven Netzes mit einem Fuzzy Inferenz System.Bei einem ANFIS Netz werden beide System-Eigenschaften (Neuronale Netze und Fuzzy System)zu einem Neuro-Fuzzy System verknüpft. Der manuelle Eingriff in die Parameter des FuzzySystems wird dabei durch die Fähigkeiten von neuronalen Netzen automatisiert. Des weiterenpasst das adaptive System die Teilkomponenten gegenseitig an.

Als Nachteile der von ANFIS gelieferten Ergebnisse gelten zum einen, dass die Regeln einegleiche Struktur aufweisen und unflexibel sind, zum anderen, dass bei immer feinerer Aufteilungder Eingangsvariable zwecks Fehlerreduktion die Anzahl der Memberfunktionen pro Variableansteigt und damit die linguistische Interpretation der Memberfunktion allmählich verloren geht.Nicht zuletzt besitzt ANFIS keine Mechanismen zur Merkmalsauswahl und ist daher nicht direkt

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anwendbar für hochdimensionale Daten.

Ähnlich wie bei neuronalen Netzen wird in [NAC02] und [CW03] die Idee verfolgt, scharfe oderunscharfe Regeln aus einer trainierten SVM zu extrahieren. Für den Fall der unscharfen Regelnwird die Transformation der SVM-Formulierung in die sogenannte Positive Definite Fuzzy Classifier(PDFC) theoretisch untersucht und es werden experimentelle Ergebnisse aufgezeigt. Pro SupportVektor wird eine Regel extrahiert. Da die Anzahl der Support Vektoren u.U. über mehrere Hunderteliegen kann, ist es sehr aufwändig, alle Regeln auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Abhilfe könntedie sogenannte Reduced Vector Machine [LM01] oder Relevance Vector Machine [Tip00] schaffen,dort ist die Anzahl der entsprechenden Vektoren wesentlich geringer im Vergleich zur Standard-SVM.

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7 Diagnosekonzepte für Fahrwerkskomponenten

Nachdem in den letzten Kapiteln die relevanten Theorien und Werkzeuge vorgestellt wurden, wirdim Folgenden auf ihre Anwendung im Rahmen der Fahrwerksdiagnose eingegangen. Es werdenbeispielhaft Algorithmen für die On-Board-Diagnose von Radlauffläche, Radsatzlager,Radsatzführungsbuchse und Schlingerdämpfer sowie für die Entgleisungsdetektion vorgeschlagen.Schwerpunkt sind Anwendungen der SVM mit dem RBF-Kernel. Es kommen aber auch andereAnsätze, z.B. zur Überwachung der Schlingerdämpfer, zum Einsatz. Während des Fahrbetriebswaren hierzu der Istzustand des Fahrwerkes messtechnisch zu erfassen und auf mögliche Fehlerzu überprüfen. Untersuchungen zur Abschätzung der Restlebensdauer vonFahrwerkskomponenten (Prognostik) wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit grundsätzlichnicht durchgeführt, da keine ausreichende Datenbasis zur Verfügung stand.

7.1 Radlauffläche

Die Einführung der Radsatztechnik lässt sich bis in das 19te Jahrhundert zurückverfolgen. Heutehat der moderne Laufradsatz eines Schienenfahrzeuges folgende, seit seiner Erfindung imWesentlichen unveränderte mechanische Funktionen zu erfüllen:

• Tragen aller statischen und dynamischen Lasten

• Führen der Fahrzeuge im Spurkanal

• Übertragen der Bremskräfte

Der ICE-Laufradsatz gliedert sich in zwei Funktionseinheiten: Der aus Radsatzwelle und Vollradmit Radial-Radschallabsorber bestehende Radsatz sowie die aus Reibring und Nabe bestehendeWellenbremsscheibe, Abb. 16.

Abb. 16: ICE-Radsatz

Während des Fahrbetriebs ist der Radsatz hohen dynamischen Belastungen ausgesetzt.Demzufolge können sich grundsätzlich verschiedenartige Radsatzschädigungen aufgrund vonMaterialermüdung und Verschleiß ausbilden. Wegen der großen Sicherheitsrelevanz desRadsatzes für den Personentransport, insbesondere im Hochgeschwindigkeitsbereich, kommt derFrüherkennung von Schäden eine wesentliche Bedeutung zu. Nachfolgende Auflistung enthälttypische in der Praxis auftretende Radschädigungen:

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• Grenzmaßüberschreitung des Radprofiles

• Unzulässiger Durchmesserunterschied zwischen rechtem und linkem Rad

• Spurkranzverschleiß

• Unrundheit

• Flachstellen

• Polygonbildung

• Ausbröckelungen

• Eindrückungen

• Risse in der Lauffläche

Die Diagnose von Radsatzwellen sowie Bremsscheiben ist nicht Bestandteil der vorliegendenArbeit. Ferner ist zu erwähnen, dass im Rahmen der verfügbaren Bearbeitungszeit nicht zu allenoben aufgelisteten Schäden entsprechende Schadenssimulationen durchgeführt werden konnten.

7.1.1 Experimentelle Schadenssimulation

Besonders für die Realisierung von signalgestützten Diagnoseverfahren sind möglichst allerepräsentativen Zustände/Daten zu verwenden. Grundsätzlich können mit Hilfe einercomputergestützten Schadenssimulation zumindest ein Teil der Daten generiert werden.Insbesondere für die Simulation von Schäden im fortgeschrittenen Stadium ist die Datengewinnungmittels Computersimulation sehr sinnvoll. Für die vorliegende Arbeit wurden allerdingsausschließlich experimentell ermittelte Daten verwendet.

Es wurden im Rahmen von Messfahrten mit einem ICE2 diverse experimentelleSchadenssimulationen durchgeführt. Hierzu wurden leicht geschädigte Komponenten mit in Abb.17 angegebenen Schadenszuständen verwendet. Die eingeklammerten Zahlen geben die Tiefeder Eindrückung und Flachstelle wieder, gemessen in Millimeter. Die Route der durchgeführtenMessfahrten ist in Abb. 18 dargestellt.

Eine Digitalkamera wurde im Fahrerraum installiert, um zusätzliche Informationen über denFahrweg aufzunehmen. Für die Datenanalyse ist neben den eigentlichen Messdaten dasMessprotokoll sehr hilfreich. Dort findet man u.a. auch Notizen über die Fahrtrichtung sowiemögliche Besonderheiten während der Messaktion. Die ausführliche Dokumentation über dieSchadenssimulation und die Messfahrten ist in vertraulichen internen DB-Berichten (DBSystemtechnik) enthalten und kann hier nicht wiedergegeben werden.

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Flachstelle

Eindrückung

Abb. 17: Schadenssimulation an der Radlauffläche

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Nürnberg

Würzburg

Fulda

Wolfsburg BerlinRathenow

Minden

Neubeckum

Brackwede

Köln

Augsburg

München

Hamburg

Bremen

Duisburg

Münster

Eidelstedt

Lernen vom Referenzzustand

Verifikation mit Referenzzustand

Verifikation mit Radsatzschaden

Abb. 18: Messfahrten mit einem ICE2

7.1.2 Algorithmenentwicklung

Auf Grundlage der bisherigen Ausführungen wird im Folgenden ein mögliches Diagnose-Rahmenkonzept für die Radlauffläche behandelt (siehe auch die Deutsche Patentschrift [GS03b]),das die wesentlichen Phasen Merkmalsfestlegung (Heraussuchen von Fehlersymptomen), Lernenvom fehlerfreien Fahrwerkszustand und Klassifikation/Überwachung beinhaltet, Abb. 19.

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(Phase 1a) Merkmalsgrobauswahl/- berechnung ( X Merkmale )

(Phase 1b) Merkmalsselektion ( X ' Merkmale mit X ' << X )

Phase 1: Merkmalsfestlegung

(Phase 2a) Merkmalsberechnung ( X ' )

(Phase 2b) Generierung von Support-Vektoren (automatisierte Parametrierung)

Phase 2: Lernphase eines 1-SVM Klassifikators

Merkmalsberechnung ( X ' )

1-SVM Klassifikation

Phase 3: Überwachungsphase mit 1-SVM

Logikeditor

Referenzfahrten Schadenssimulation

(Phase 2c) Manuelle Parametrierung von SVM-Ausgabe h(x)

Regelfahrbetrieb

Regelfahrbetrieb

Alarm?

ja

nein

Abb. 19: Konzept der Raddiagnose

Die Diagnosefunktion für die Radlauffläche liefert ab einer Mindestfahrtgeschwindigkeit von ca. 30km/h zuverlässige Ergebnisse. Bei geringeren Geschwindigkeiten gestaltet sich die Erfassung derFrequenz der ersten Raddrehzahlharmonischen (< 3 Hz) als problematisch. Auch nimmt beiniedriger Fahrtgeschwindigkeit die Anregungsenergie entsprechend kleine Werte an, so dass damitauch der Unterschied zwischen Schadens- und Referenzmuster geringer wird. Die obere Grenzedes ausgewählten Geschwindigkeitsbereichs für die Diagnose ist durch die zulässigeBetriebsgeschwindigkeit von z.B. 280 km/h für den ICE 2 gegeben.

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70

Im Folgenden werden zwei wesentliche Schritte zur Merkmalsfestlegung beschrieben: Der zeitlicherste Schritt umfasst die auf Erfahrungen der Diagnosepraxis basierte Grobauswahl und deranschließende Schritt beinhaltet die mit moderner Rechentechnik automatisierte Feinauswahl derdiagnoserelevanten Merkmale.

7.1.2.1 Merkmalsgrobauswahl

Nachdem die Rechenformeln für die Merkmalsberechnung im Abschnitt 6.2.2.1 kurz erläutertwurden, wird hier zum besseren Verständnis ein Überblick über die Merkmalsgrobauswahlgegeben. Der Frequenzbereich von 1 bis 4 Hz wird ausgeblendet, weil Signalanteile in diesemFrequenzbereich von den anfänglich eingesetzten Sensoren nicht korrekt erfasst werden konnten.

Die Merkmale für Rad- und Radsatzlagerdiagnose sind von der Struktur her fast identisch, sieunterscheiden sich nur in der Frequenzbestimmung im Rahmen der Ordnungsanalyse. Bei derRaddiagnose konzentriert man sich auf die Radsatzdrehfrequenz, bei der Radsatzlagerdiagnoseauf die Außenringüberroll-, Innenringüberroll- und Rollkörperrotationsfrequenz (kinematischeFrequenzen). In Abb. 20 wird der Datenfluss der Merkmalskonstruktion visualisiert:

Je Beschleunigungssignalam Radsatzlager

Filter A< 400 Hz

Je 15 statistische Merkmale:

Max, Min, Range, Quantil,Quantilabstand, Median,Trimmean, Std, Varianz,

RMS, Kurtosis, Krestfaktor,Schiefe, Entropie, Ratio

Leistungsspektren:Fs = 48/12 kHz,

Messdaten je 8 Sekunde,Hanning Fenster,

Fensterlänge 32768/8192,25 % Überlappung

1 Zuggeschwindigkeit

Merkmale zum Auswählen beim nächsten Arbeitsschritt(681 Merkmale für Rad- und 881 für Lagerdiagnose)

Ordnungsspektrendurch Interpolation

Filter B400-800 Hz

Filter C800-1200 Hz

Filter D> 1200 Hz

Hüllkurven-berechnung

Breiband-analyse

Frequenzen 5 - 204 Hz

Abb. 20: Merkmalsgrobauswahl für Rad- und Radsatzlagerdiagnose

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7.1.2.2 Normierung der Merkmale

Der SVM-Klassifikator basiert auf dem geometrischen Abstand (euklidische Norm) der Merkmale.Um eine bessere Vergleichbarkeit der Merkmale zu gewährleisten, wird in der Praxis häufig eineNormierungstechnik eingesetzt. Es existieren verschiedene Normierungsmethoden wie z.B.:

a) Lineare Skalierung der Merkmalswerte auf das Interval [0, 1],

b) Nichtlineare (z.B. logarithmische) Skalierung der Merkmalswerte auf das Interval [0, 1],

c) Normierung der Varianz der Merkmalswerte zu 1 und

d) Histogrammangleichung (engl. Histogram equalization).

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die lineare Skalierung auf das Interval [0, 1] für alleMerkmale durchgeführt.

7.1.2.3 Automatisierte Merkmalsselektion

Um die Möglichkeit einer einbaupositionsunabhängigen Schadensdiagnose zu untersuchen, wirdein gemeinsamer 1-SVM Klassifikator (RBF-Kernel) für die Radsatzdiagnose eingesetzt. DerKlassifikator bekommt die Messdaten von verschiedenen Rädern, ohne ihre jeweiligeEinbauposition zu kennen. Zur Merkmalsselektion wurden vier Kanäle 25, 28, 31 und 55 gewählt,siehe dazu Abb. 4 auf Seite 23. In Abb. 21 und Abb. 22 sind die Ergebnisse der ausgewähltenMerkmale dargestellt. Die blaue Kurve gibt die Erkennungsrate und die grüne den prozentuellenAnteil von Support Vektoren im Verhältnis zur Gesamtanzahl der Merkmalsvektoren wieder. Jehöher die Erkennungsrate und je niedriger der Anteil an Supportvektoren, desto besser geeignetsind die ausgewählten Merkmale. Die Erläuterung zu den Merkmalskurzzeichen ist Anhang A zuentnehmen.

Basierend auf den ausgewerteten Messdaten und den entsprechenden Randbedingungen kannfestgestellt werden, dass die Merkmale der Spektrenanalyse den statistischen Merkmalenüberlegen sind. Eine weitere Beobachtung betrifft die große Redundanz der Merkmale: Selbst beiLöschung der ursprünglich gewählten 20 besten Merkmale kann immer noch mit den restlichenMerkmalen ein gutes Klassifikationergebnis erzielt werden.

An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass die mit den vorgestellten Verfahren ausgewähltenMerkmale eine starke Abhängigkeit von den konkreten Messdaten aufweisen. Bei einemschwereren Schaden können durchaus andere Merkmale für die Diagnose besser geeignet sein.Deshalb könnte die Erweiterung der Merkmale aus den Betriebserfahrungen die Diagnosequalitätmöglicherweise verbessern. Nicht zuletzt sind aufgrund von Mess- undBerechnungsungenauigkeiten die von der Software automatisch ausgewählten Merkmale nachingenieurmäßigem Verständnis zu beurteilen und bei Bedarf auf- bzw. abzurunden (z.B. statt der9.1te Ordnung die 9te Ordnung).

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Abb. 21: Merkmalsselektion für Raddiagnose mit Weston’s Methode

Abb. 22: Ergebnis der schrittweisen Vorwärtsselektion mit SVM

7.1.2.4 Automatisierte Regelgenerierung

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde auch die Anwendungsmöglichkeit der regelbasiertenDiagnose, anhand der gleichen Messdaten wie im obigen Abschnitt untersucht. Eine kurzeBeschreibung der Algorithmen Part und Slipper ist im Abschnitt 6.3 zu finden. Die Parameter in den

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verwendeten Algorithmen werden auf ihre Defaultwerte gesetzt. Eine systematische Untersuchungder Einflussmöglichkeit verschiedener Parameter wird nicht durchgeführt, da die Ausführungenunten eher für eine Demonstration der automatischen Regelgenerierung bestimmt sind.

• Regelgenerierung mit Part

Als Ergebnis sehen die Regeln für die Raddiagnose z.B. wie folgt aus (m steht für Merkmal,Merkmalsnummern siehe Anhang A):

R1: IF m200 ≤ 1.3693 AND m219 ≤ 2.399 AND m297 ≤ 3.0574 THEN Rad ist fehlerfrei

R2: IF m183 ≤ 1.4126 AND m2 ≤ 2.0839 THEN Rad ist fehlerfrei

R3: IF m1 ≤ 259.3445 AND m210 > 1.272 AND m629 > 13.3598 AND

m609 > 2.8009 AND m254 ≤ 4.8559 AND m186 > 1.503 THEN Rad ist fehlerhaft

R4: IF m2 ≤ 2.3122 AND m566 ≤ 4.5402 AND m174 > 1.5503 AND

m636 ≤ 0.50599 AND m522 ≤ 4.686 AND m197 ≤ 2.1807 THEN Rad ist fehlerfrei

R5: IF m166 ≤ 2.5439 AND m1 ≤ 210.606 THEN Rad ist fehlerhaft

R6: IF m521 > 1.8618 AND m27 > 2.1228 THEN Rad ist fehlerhaft

R7: (Default/Ansonsten) Rad ist fehlerfrei

Mit nur 7 Regeln können in diesem Beispiel die verwendeten Raddaten bis zu 98.8 % richtigklassifiziert werden. Vergleich der ausgewählten Merkmale mit Abb. 21 und Abb. 22 fällt auf, dassmit Part relative viele der oben als wichtig erachteten Merkmale wiedergefunden wurden.

Die Ordnung der Regeln R3 und R4 ist relativ hoch. Regeln mit hoher Ordnung neigen zuOverfitting und sind weniger generalisierungsfähig für neue Daten. Auch für den Menschen sindsolche Regel meistens schwer zu interpretieren.

• Regelgeneration mit Slipper

Beispielhaft angewandt auf die gleichen Daten erhält man folgende Regeln:

R1: IF m566 ≥ 4.6308 AND m19 ≥ 1.4427 THEN Rad ist fehlerhaft (Gewicht: +3.48060)

R2: IF m252 ≥ 4.1842 AND m23 ≥ 1.4877 THEN Rad ist fehlerhaft (Gewicht: +3.07568)

R3: IF m2 ≥ 2.211 THEN Rad ist fehlerhaft (Gewicht: +2.22548)

R4: IF m297 ≥ 2.7249 AND m196 ≥ 1.378 THEN Rad ist fehlerhaft (Gewicht: +1.85605)

R5: IF m199 ≥ 1.8291 THEN Rad ist fehlerhaft (Gewicht: +1.63994)

R6: IF m575 ≥ 3.8217 THEN Rad ist fehlerhaft (Gewicht: +1.36313)

R7: (Default) Rad ist fehlerfrei (Gewicht: -1.77192)

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Jede Regel liefert die Zahl 1 wenn die Vorbedingung erfüllt ist, ansonsten eine 0. Die Default-RegelR7 wird immer erfüllt. Die Ausgaben aller Regeln werden dann mit den jeweiligen Gewichtsfaktorenmultipliziert, aufsummiert und anschließend auf das Vorzeichen geprüft. In Abhänglichkeit vomVorzeichen (Positiv oder Negativ) wird das Rad als fehlerfrei oder fehlerhaft diagnostiziert. DieRaddaten wurden mit den oben aufgelisteten 7 Regeln bis zu 96.7% richtig klassifiziert. Die vonSlipper gelieferten Regeln sind hier von niedriger Ordnung, d.h. es existieren nur wenige UND-Verknüpfungen innerhalb einer Regel.

Grundsätzlich stellt die automatisierte Regelgenerierung ein sehr effizientes Werkzeug für dieBildung regelbasierter Diagnosesysteme dar. Basierend auf den oben gezeigten erstenErgebnissen wäre auch eine solche Vorgehensweise für die On-Board-Fahrwerksdiagnosezielführend. Selbstverständlich kann man auch Regeln zur Fahrwerksdiagnose ohne die obenerwähnten mathematischen Hilfswerkzeuge manuell erstellen. Die so konstruierten Regeln sindwegen der eingeschränkten menschlichen Fähigkeit im Allgemeinen einfacher und könnten ingewisser Hinsicht nicht optimal sein. Dieser Nachteil kann aber gleichzeitig auch als Vorteilangesehen werden, da die manuell erstellten einfachen Regeln für den Menschen leichternachzuvollziehen sind. Es liegt letztendlich die Entscheidung beim Anwender, wie und wieumfangreich die gesuchten Regeln aus Daten automatisch extrahiert werden sollen. Zu einerabschließenden Bewertung sind weiterführende Arbeiten notwendig. Im weiteren Verlauf dieserArbeit wird nicht mehr auf die regelbasierte Diagnose eingegangen.

7.1.3 Verifikation

Nach dem Ausflug in die automatisierte Regelgenerierung wird hier die Arbeit mit dersignalgestützten Methode fortgesetzt. Für die Merkmalsselektion werden Messdaten sowohl vomfehlerfreien als auch vom fehlerhaften Fahrwerk verwendet. Im Folgenden soll aber der SVM-Klassifikator nur die Daten vom fehlerfreien Fahrwerk für den Lernvorgang erhalten. NachAbschluss des Lernens des fehlerfreien Referenzzustands, Abb. 23, werden die Ergebnisseanhand weiterer, beim Lernen nicht verwendeter Messdaten verifiziert, Abb. 24 und Abb. 25.

Bei der Schadenssimulation wurde jedem Messabschnitt eine dem Schädigungszustandentsprechende ID-Nummer zugeordnet. Hieraus ist ableitbar, dass z.B. das dem Kanal 28zugeordnete Rad während der Messfahrt zuerst eine Eindrückung von 0.25 mm (ID2), danach einezusätzliche künstlich erzeugte Flachstelle von 0.15 mm (ID4) und schließlich eine zweiteFlachstelle von 0.1 mm (ID6,7,8) als Fehler aufwies. Die Fehler an den anderen Rädern sind imBild mit entsprechenden Abkürzungen erklärt. In Abb. 25 erkennt man den leichten Anstieg derAusreißerrate Ra in Korrespondenz zum sukzessiv vergrößerten Radschaden. Da die Dauer vonca. 12 Stunden für das Lernen nicht ausreichend ist, darf die hier betriebene Parametrierung nichtals abgeschlossen betrachtet werden. Vielmehr sollten für den Fall einer zukünftigen Anwendungmehr Messdaten für das Lernen vom fehlerfreien Zustand verwendet werden (automatisiert imRegelfahrbetrieb).

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Abb. 23: Klassifikator angewandt auf Lerndaten

Abb. 24: Verifikation mit Referenzzustand

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Abb. 25: Verifikation mit Radschaden (F: Flachstelle; E: Eindrückung; +: Kombination)

Wie bereits in Abb. 13 gezeigt, können die Ausgabe des Klassifikators h(x) und/oder dieAusreißerrate Ra auf mögliche Überschreitung der Grenzwerte G1 und G2 überwacht werden. ImAllgemeinen kann zur Berechnung der Ausreißerrate Ra eine größere Zeitfensterlänge zurErhöhung der Robustheit des Diagnoseverfahrens gewählt werden. Allerdings ist die optimaleEinstellung aller Parametern eine Kunst in sich, die erst in einer späteren Projektierungsphase aufBasis der Ergebnisse der Datenanalyse sowie der Produktspezifikation festgelegt werden kann.Ferner ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass für Diagnose/Überwachung akut auftretenderFehler/Zustände wie z.B. Radbruch oder Entgleisung u.U. andere Algorithmen eingesetzt werdenmüssen, um eine extrem kurze Reaktionszeit zu gewährleisten. Dennoch kann aus dem Vergleichvon Abb. 24 mit den schadensfreien und Abb. 25 mit den schadhaften Zuständen am Ausgang desKlassifikators h(x) deutlich ein Schaden (h(x) negativ) abgelesen werden.

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7.2 Radsatzlager

Mit Hilfe des Radsatzlagers wird der Radsatz drehbar im Radsatzlagergehäuse gelagert, Abb. 26.Über das Rollenlager werden alle auftretenden horizontalen Radsatzführungskräfte sowie dievertikalen statischen und dynamischen Lasten aus dem Fahrzeuggewicht übertragen.

Abb. 26: ICE2 Radsatzlager in Einbauposition

Die Laufeigenschaften von Radsatzlagern können primär anhand von kinematischen Größen

charakterisiert werden, die von der Relativdrehzahl zwischen Außen- und Innenring über Rollkreis-

und Rollkörperdurchmesser bis zur Rollenanzahl und dem Druckwinkel reichen. Die

Berechnungsformel findet man z.B. in [Leh98].

Überrollfrequenz Außenring: )cos1(21 α

T

wna D

Dzff −⋅=

Überrollfrequenz Innenring: )cos1(21 α

T

wni D

Dzff +⋅=

Rotationsfrequenz Käfig: )cos1(21 α

T

wnk D

Dff −=

Rollkörperrotationsfrequenz: ])cos(1[21 2α

T

w

T

wnw D

DDDff −⋅=

mit DT Rollkreisdurchmesser

Dw Rollkörperdurchmesser

z Anzahl der Rollkörper

α Druckwinkel

fn Relativfrequenz von Innen- und Außenring

Bei der Schadenssimulation im März 2001 mit einem ICE2-Mittelwagen kamen vorgeschädigteRadsatzlager der Firma FAG zum Einsatz. In Tab. 6 sind die relevanten kinematischenLagerfrequenzen, relativ zur Radsatzdrehfrequenz von 1 Hz, gegenübergestellt:

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Rad Käfig fk Außenring fa Innenring fi Rollkörper fk

Fa. FAG 1 Hz 0.44 Hz 9.26 Hz 11.70 Hz 4.16 Hz

Fa. SKF6 1 Hz 0.44 Hz 9.13 Hz 11.87 Hz 3.72 Hz

Tab. 6: Diagnoserelevante Frequenzen eines Radsatzlagers

In der Praxis können u.a. Außenring-, Innenring-, Käfig- und Rollkörperschaden auftreten. Alsmögliche Fehlerursache kommen z.B. Materialermüdung, mangelhafte Schmierung sowieEindringen von Fremdkörpern in Frage.

7.2.1 Experimentelle Schadenssimulation

Im Rahmen der ICE-Messfahrten wurde der Einfluss des Außenring- und Rollkörperschadens aufdas Fahrverhalten untersucht. Die simulierten Schäden am Radsatzlager und ihre Anordnung amFahrwerk sind in Abb. 27 sowie Abb. 28 gezeigt.

Es wurde zum Vergleich ein Referenzlager am Fahrwerk eingebaut. Nach eingehender Analysewurden die Messdaten des Referenzlagers jedoch nicht verwendet, da zum einen das neueReferenzlager noch nicht eingefahren war und damit wegen seinen relativ starken hochfrequentenSchwingungen den normalen Lagerzustand nicht repräsentieren konnte und zum anderen, weil einLager mit Rollenschaden auf der anderen Seite derselben Radsatzwelle montiert war und durchSchwingungsübertragung längs der Radsatzwelle die gemessenen Beschleunigungsdaten amReferenzlager nicht unerheblich beeinflusste. Im Folgenden werden deshalb frühere amfehlerfreien Fahrwerk gemessene Daten zum Vergleich herangezogen.

Abb. 27: Untersuchte Schäden am Radsatzlager (links Rollkörperschaden, in der Mitte leichterund rechts mittelstarker Außenringschaden)

6 ICE2-Originalradsatzlager

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Abb. 28: Schadenssimulation am Radsatzlager

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7.2.2 Algorithmenentwicklung

Die Entwicklung der Diagnose-Algorithmen für Radsatzlager entspricht im Wesentlichen derjenigenfür die Radlauffläche (siehe Kap. 7.1.2). Den Unterschied stellt hauptsächlich die sogenannteHüllkurvenanalyse dar, welche im Folgenden auf ihre Anwendbarkeit genauer untersucht wird. ImAnschluss daran werden die gesamten berechneten Merkmale eine Auswahlprozedur durchlaufen.

7.2.2.1 Hüllkurvenanalyse

Die Hüllkurvenanalyse ist ein Standardverfahren für die Lagerdiagnose. Da im Fahrbetrieb einesZuges, anders als bei stationären Anlagen, weitaus komplexere Beanspruchungsbedingungenvorliegen, muss die Tauglichkeit der Hüllkurvenanalyse anhand von Messdaten verifiziert werden.In Abb. 29 bis Abb. 32 sind Auszüge der Auswertungsergebnisse dargestellt. Aus jeweils 8Sekunden Beschleunigungsdaten werden die Leistungsspektren ermittelt und dann in Form einerKurve dargestellt. Nach der Berechnung der gesamten Daten entsteht somit eine Kurvenschar,siehe Abb. 29 unten. Die Zeichenkette T199-ID2-K28 steht z.B. für Aufzeichnungsband 199 Record2 Messkanal 28. Die grünen Kurven sind aus den Referenzdaten und die roten aus denSchadensdaten berechnet. In der oberen Hälfte jedes Bildes ist das Profil derFahrtgeschwindigkeit, unten jeweils die logarithmischen Leistungsspektren nach denAußenringüberrollordnungen aufgetragen. Beim Auftreten eines Radsatzlagerschadens ist einestarke Konzentration der Schwingungsenergie an den ganzzahligen Ordnungen zu erwarten.Ferner kann den folgenden Abbildungen entnommen werden, dass bei mittelstarkemLagerschaden der Unterschied zum Referenzzustand größer ist als bei leichtem Schaden.

Abb. 29: Hüllkurvenordnungsanalyse beim mittelstarken Außenringschaden

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Abb. 30: Hüllkurvenordnungsanalyse für leichten Außenringschaden

In Abb. 31 und Abb. 32 sind die Ergebnisse von unterschiedlichen Strecken, gefahren mit undohne Lagerschaden, dargestellt. Die eindeutige Amplitudentrennung (rot/grün) zeigt, dass derEinfluss der Strecken wesentlich geringer ausfällt als der des Radsatzlagerschadens.

Die hier ausgewerteten Signale sind alle in Fahrtrichtung gemessen, um mit den gleichenSensoren auch noch den Zustand der Radsatzführungsbuchsen zu diagnostizieren, welche dieFührungskräfte zwischen Drehgestellrahmen und Radsatz in der horizontalen Ebene übertragen.Für die Radsatzlagerdiagnose allein könnte die vertikale Messrichtung besser geeignet sein,insbesondere für die Detektion von Rollkörperschäden, da die Rollkörper eines Radsatzlagers dieKräfte zum großen Teil in vertikaler Richtung übertragen.

Das beschriebene Verfahren zur Lagerdiagnose setzt im Allgemeinen die Kenntnis derAußenringüberroll-, Innenringüberroll- und Rollkörperrotationsfrequenz über eine Berechnung ausden bekannten Lagergeometriedaten voraus. Für die Diagnose von Radsatzlagern andererHersteller, siehe z.B. Tab. 6, müssen relevante Parameter in der Software denLagergeometriedaten entsprechend angepasst werden. Dies ist ein wesentlicher Unterschied imVergleich zu einer Überwachung der Lagertemperatur, die grundsätzlich als herstellerunabhängigbetrachtet werden kann.

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Abb. 31: Hüllkurvenordnungsanalyse für mittelstarken Außenringschaden

Abb. 32: Hüllkurvenordnungsanalyse für leichten Außenringschaden

7.2.2.2 Automatisierte Merkmalsselektion

Die Merkmale aus der oben erwähnten Hüllkurvenanalyse lassen sich nun in die Softwareintegrieren, was damit die Anzahl der gesamten Merkmalskandidaten erhöht. Mit den gleichenProgrammen wie bei der Raddiagnose werden die Merkmale für Radsatzlagerdiagnoseausgewählt. Auch hier gelten ähnliche Kommentare zum Ergebnis der Merkmalsselektion (siehe

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Kap. 7.1.2.3). Es wird ein 2-Klassen-SVM-Klassifikator gebildet und zwischen Rollkörper- undAußenringschaden nicht unterschieden (die beiden fehlerhaften Zustände werden als Lagerfehlerzusammengefasst). Die Merkmalskurzzeichen sind im Anhang B erklärt. Da dieVersuchsrandbedingungen zwischen Referenzmessfahrten und Radsatzlagerschadenssimulationnicht identisch sind, wird auf die weitere Verifikation mittels Ein-Klassen-Klassifikation verzichtet.

Abb. 33: Merkmalsselektion für Radsatzlagerdiagnose mit Weston’s Methode

Abb. 34: Ergebnis der schrittweisen Vorwärtsselektion mit SVM

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Die ausgewählten Merkmale der zwei verwendeten Methoden weichen voneinander ab. Dies liegtdarin begründet, dass mit der heutigen Technik nur suboptimale Lösungen unter den gegebenenBedingungen gefunden werden können. Aus den Ergebnissen der Merkmalsselektion kannbeobachtet werden, dass insgesamt ungefähr die Hälfte der ausgewählten Merkmale aus derOrdnungsanalyse sowie ein Viertel aus der Hüllkurvenanalyse stammt. Einigefahrtgeschwindigkeitsunabhängige Eigenfrequenzen sind auch als gute Schadensindikatorengewählt, welche veränderte Amplituden im Schadensfall aufweisen. Die Merkmale derBreitbandanalyse (Hintergrundräusche) und statistische Merkmale sind auch mehr oder wenigervertreten. Interessant ist, dass die Fahrtgeschwindigkeit von beiden Methoden als wichtigesMerkmal identifiziert ist. Für eine endgültige Entscheidung wäre jedes Merkmal auf seinephysikalische Plausibilität näher zu untersuchen und der Gesamtrechenaufwand zuberücksichtigen. Ein menschlicher Eingriff bei der endgültigen Festlegung/Beurteilung derautomatisch ausgewählten Merkmalen sowie ihrer Strukturierung ist dringend zu empfehlen.

7.3 Radsatzführung

Als Radsatzführung wird die Baugruppe bezeichnet, die die funktionssichere Führung derRadsätze gegenüber dem Drehgestellrahmen gewährleistet. Beim Entwurf einer Radsatzführungkommt der Abstimmung der horizontalen Elastizitäten auf das verwendete Radprofil zur Erzielungeines ruhigen Fahrzeuglaufs, geringen Spurkranzverschleißes und niedriger Führungskräfte einebesondere Bedeutung zu, [HF86]. In der modernen Ausführung der Radsatzführungsbuchse findenhäufiger Elastomerwerkstoffe Einsatz, welche durch Fertigungsparameter und Zusammensetzungder Gummimischung sich über weite Bereiche einstellen und individuell an den jeweiligenEinsatzzweck optimal anpassen lassen. Die präzise Führung z.B. der Radsätze beim ICE2(Drehgestell SGP 400) wird über zwei im Drehgestellrahmen eingepresste Führungszapfen undsogenannte Radsatzführungsbuchsen, Abb. 35 links, gewährleistet. Diese Anordnung ermöglichtsowohl eine hohe Laufstabilität bei hohen Geschwindigkeiten als auch eine Radialstellung derRadsätze bei Bogenfahrten, Abb. 35 rechts.

Abb. 35: Aufsicht einer RSFB (links) und Radialstellung der Radsätze (rechts)

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Die RSFB beim ICE2 unterliegen im realen Einsatz meistens einer räumlich überlagertenBelastung. Auf die RSFB eines ICE können beispielsweise in vertikaler Richtung dieGewichtskräfte des Fahrzeugs überlagert mit Kräften aus Fahrbahnunregelmäßigkeiten, inLängsrichtung Brems- und Beschleunigungskräfte und in Querrichtung Kräfte aus Kurvenfahrtenwirken. Diesen gleichzeitig auftretenden Belastungen kann zusätzlich noch eine Verdrehunginnerhalb der Buchse überlagert sein.

Besonders kritisch ist bei Elastomerbauteilen der Nachweis einer ausreichenden Betriebsfestigkeitbzw. die Beurteilung der Lebensdauer, da diesbezüglich für Elastomere keine abgesichertenRechenverfahren existieren. Um so wichtiger sind daher neben einer soliden und zuverlässigenkonstruktiven Auslegung dieser Bauteile die Diagnoseverfahren, die Aussagen über den Zustandund Restlebensdauer einer RSFB gestatten. Bisher unterliegen RSFB einer vorbeugendenInstandhaltung, d.h. sie werden nach vorgegebenen Laufintervallen präventiv getauscht.

Um sich ein Bild davon zu machen, wie groß der Einfluss eines im Rahmen der Experimentekünstlich erzeugten RSFB-Verschleißes auf das Laufverhalten sein könnte, sind nachfolgendeinige relevante Daten aufgelistet, [SGP00]:

• Steifigkeit der RSFB in Fahrtrichtung: 24.3 [kN/mm] –10% / +15%

• Gemessene maximale dynamische Kraft in Fahrtrichtung7: 16.3 [kN]

• Außendurchmesser der RSFB: 115 mm

• Betriebsgrenzmaß für das Spiel zwischen RSFB und RS-Führungsgleitlager: Gx = 0.7 mm

Aus der Steifigkeit und Kraft kann die maximale Kompression (Federweg) der RSFB inFahrtrichtung unter Vernachlässigung der Toleranz grob berechnet werden: Sx = 16.3 / 24.3 = 0.67mm.

7.3.1 Experimentelle Schadenssimulation

Für eine erste Schadenssimulation zum Schadensbild ‚Verschleiß‘ wurden alle RSFB einesDrehgestells an der Außenseite bis zum Betriebsgrenzmaß abgedreht. Mit diesen vorgeschädigtenRSFB im Fahrwerk eingebaut, wurden die Messfahrten durchgeführt. In der Versuchsplannung warder Einfluss der unterschiedlichen Umgebungstemperatur nicht berücksichtigt. Eine weitereSchadenssimulation wurde mit geänderter Steifigkeit der RSFB gefahren. Allerdings konnten nurdie Daten der ersten Schadenssimulation im Rahmen der vorliegenden Arbeit ausgewertet werden.

7.3.2 Algorithmenentwicklung

Die Funktionstüchtigkeit einer RSFB anhand von Beschleunigungssignalen zu beurteilen, die nichtin der unmittelbaren Nähe der RSFB gemessen werden, stellt eine große Herausforderung dar.Wegen der problematischen Zugänglichkeit zur RSFB gestaltet sich die bisherige Inspektion sehraufwändig. Zudem existieren bisher noch keine automatisierten Diagnosemethoden.

Als direkte Prüfgröße für den RSFB-Verschleiß fungiert der RSFB-Durchmesser. Da die Messung

7 Die Daten wurden während des Fahrzeugbetriebs von drei Millionen Laufkilometern gemessen.

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des RSFB-Durchmessers im eingebauten Zustand, wie oben bereits angedeutet, sehr schwierigist, müssen andere Prüfgrößen für eine On-Board-RSFB-Diagnose verwendet werden. Einealtenative Prüfgröße für den im Rahmen der durchgeführten Experimente künstlich erzeugtenRSFB-Verschleiß wäre der Abstand W2 zwischen zwei Radsätzen in einem Drehgestell oder derAbstand W1 von einem Radsatz zum Drehgestell, Abb. 36 (anstelle von W1 und W2 können auchandere Größen für die gegenüberliegende Drehgestellseite definiert werden), also einephysikalische Größe mit der Einheit Meter. Beim vergrößerten RSFB-Spiel oder bei einer RSFB-Steifigkeitsänderung ist zu erwarten, dass die Abstände W1 oder W2 eine größere Spannweitewährend des Betriebseinsatzes erfahren. Da statt Wegaufnehmer Beschleunigungsaufnehmer fürdie Fahrwerksdiagnose vorgesehen sind, stellt sich nun die Frage, ob aus reinenBeschleunigungssignalen eine Abstandsschätzung realisiert werden kann. Auf den ersten Blickerscheint es nicht möglich, da die Anfangsposition und die Anfangsgeschwindigkeit derMesspunkte unbekannt sind.

W1 W2

Bezugspunktad

ar

Abb. 36: Der Abstand W1 und W2 und die Beschleunigung ad und ar am Drehgestell

Die Situation sieht allerdings wesentlich günstiger aus, wenn die mechanischenZwangsbedingungen mit berücksichtigt werden. Es ist bekannt, dass in der Regel die Abstände W1und W2 nach oben und nach unten begrenzt sind, d.h. sich in einem Intervall befinden und um dieRuhelage schwingen. Ferner ist bekannt, dass die Integration einer Konstanten über der Zeit eineGerade ergibt und die Integration einer Gerade eine Parabel. Wenn der Mittelwert einerMessdatenreihe ungleich Null ist, driften die erste und die zweite Integrationskurve über der Zeitständig von der Anfangslage ab. Um dies zu verhindern, müssen die Signale vor jeder Integrationvom Mittelwert befreit werden. Das im Folgenden beschriebene Verfahren zur RSFB-Diagnose istbereits als Deutsches Patent veröffentlicht, [GSK03].

Das Beschleunigungssignal a wird gemessen. Das entsprechende Geschwindigkeits- undWegsignal ist unbekannt und muss abgeschätzt werden. Es wird für das Wegsignal angenommen:

• das Wegsignal hat über eine längere Zeit einen Mittelwert in der Nähe von Null (meistensdurch Konstruktion zwingend erfüllt) und

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• der jeweils betrachtete Datenausschnitt, entwickelt in einer Fourier-Reihe, enthält einehinreichende Anzahl von Schwingungen, welche mit der kleinsten nicht zu vernachlässigendenFrequenz ablaufen.

Die erste Annahme ist bei Maschinenschwingungen (typischerweise eine Bewegung vor- undrückwärts um die Ruhelage) häufig erfüllt, insbesondere im stabilen Laufzustand. Auch die zweiteAnnahme ist erfüllt, da jedes Wegsignal in einer typischen Maschinenschwingung durch dieSumme von theoretisch unendlich vielen Sinus- und Kosinusfunktionen ausgedrückt werden kann(Fourier-Reihe):

)2sin2cos(2

)(1

0 kftkfttw kk

k πβπαα ∑∞

=

++=

wobei f die Grundfrequenz und α und β die Fourier-Koeffizienten sind.

Da das Wegsignal w(t) um eine Ruhelage schwingt und einen Mittelwert von Null aufweist, kann

der erste Term α0/2 vernachlässigt werden (oder man schiebe den Term α0/2 nach links, da für dieRSFB-Diagnose nicht die absolute Position, sondern die Spannweite von Interesse ist). Fernerentstehen durch Datenfensterung noch Restfehler, die sich aber bei allen Frequenzenkompensieren und statistisch gesehen einen Mittelwert Null anstreben. Da nach Ableitung von w(t)wieder Sinus- und Kosinus-Terme entstehen, hat das Geschwindigkeitssignal ebenfalls denMittelwert Null, wenn eine hinreichende Anzahl von Daten vorliegen. Die Ableitung kann einweiteres mal angewandt werden und man erhält das Beschleunigungssignal, welches ebenfallseinen Mittelwert in der Nähe von Null hat. Die Gültigkeit dieser Anname kann auch ohne großeSchwierigkeit experimentell untersucht werden.

Das Geschwindigkeitssignal lässt sich berechnen:

∫∆+=

=

+=∆+=titt

ttti vdtatitvv

0

0

00 )(

mit v: Geschwindigkeit,

v0: Geschwindigkeit zum Zeitpunkt t0,

a: Beschleunigung,

t: Zeit,

∆t: Dauer zwischen zwei Abtastungen,

i: Index der Messpunkte und

n: Anzahl der Messpunkte des Datenausschnitts

Da der Mittelwert von v verschwinden muss, gilt:

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88

01 10

1

0

0 ≈+==∑ ∫

∑ =

∆+=

=

= n

dtavv

n

n

i

titt

tttn

iiv

D.h. durch die Integration des Beschleunigungssignals und anschließende Mittelwertbefreiung lässtsich das Geschwindigkeitssignal v0 abschätzen. Das gleiche gilt auch für die Abschätzung desWegsignals aus dem Geschwindigkeitssignal. Es muss erwähnt werden, dass hier der Messfehlerund der Quantisierungsfehler nicht betrachtet werden und daher für eine Verbesserung derAbschätzgenauigkeit weitere Schritte erforderlich wären.

7.3.3 Verifikation

Als Beispiel wird zuerst der Abstand W2 überwacht. Der Gesamtablauf ist in Abb. 37 schematischdargestellt. Für die Abschätzung von W2 werden jeweils 2 Beschleunigungssignale auf einer Seitedes Drehgestells, gemessen jeweils am Radsatzlagergehäuse in Fahrtrichtung, benötigt. DenMessdaten ist oft ein nicht zu vernachlässigender Offset überlagert, von dem die Daten vor einerWeiterverarbeitung erst befreit werden müssen. Als geeignet hat sich eine Datenfensterlänge von 2Sekunden ergeben. Die weiteren Datenverarbeitungsschritte (Filterung, Integration,Mittelwertbefreiung) beziehen sich auf dieses Datenfenster. Anschließend wird die Spannweite vonW2 berechnet und zwischengespeichert. Nach Sammlung von z.B. 30 Spannweitenberechnungenwird daraus der Mittelwert (hier als Überwachungsgröße genannt) gebildet und mit einem festenGrenzwert verglichen. Bei Überschreitung eines festzulegenden Grenzwertes wird dieAlarmmeldung generiert. Ansonsten startet der Ablauf von neuem.

Das Ergebniss der Berechnungen ist in Abb. 38 festgehalten. Eine gewisse Abhängigkeit zwischender Fahrtgeschwindigkeit und der Überwachungsgröße ist deutlich zu erkennen. Bei niedrigerFahrtgeschwindigkeit ist die Anregungsenergie relativ gering und die Diskriminierung zwischendem fehlerfreien und fehlerhaften RSFB-Zustand schwierig. Es ist zu empfehlen, die RSFB-Diagnose erst ab einer Mindestgeschwindigkeit von z.B. 120 km/h zu aktivieren. Die starkeSchwankung der Überwachungsgröße im fehlerfreien Zustand lässt sich hauptsächlich auf denFederweg der RSFB zurückführen, besonders bei Kurvenfahrten. Im schadhaften Zustand führtdas durch RSFB-Verschleiß vergrößerte Spiel zu einer Erhöhung der Schwankungsbreite W2, sodass sich im vorgestellten Beispiel die Überwachungsgröße um ca. 0.4 Millimeter nach obenverschiebt.

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Sensor1

Sensor2

SubtraktionMittelwert-befreiung

IntegrationMittelwert-befreiungIntegration

Spannweitenbe-rechnung und

Zwischen-speicherung

Mittelwert-bildung

Daten-fenster

GenugDaten?

Grenzwert-überschritten?

Alarm

Filterung

Ja

Nein

Ja

Nein

Abb. 37: Ablaufdiagramm für RSFB-Diagnose

Abb. 38: Überwachungsgröße sortiert nach Fahrtgeschwindigkeit (rot: fehler

RSFBschadhaft

RSFB O.K.

89

hafte RSFB)

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90

Einschränkend ist zu erwähnen, dass nach der Differenzbildung nicht mehr unterschieden werdenkann, welches RSFB-Paar (vorne oder hinten) defekt ist. Es sei denn, dass zusätzliche Sensorenam Drehgestellrahmen installiert sind und damit eine Differenzbildung der Beschleunigung vomDrehgestellrahmen zu jedem Rad ermöglicht wird. Alternativ hierzu besteht auch folgendegrundsätzliche Möglichkeit:

Es wird jedes Beschleunigungssignal ar am Radsatzlager separat betrachtet, um den RSFB-Fehlerbesser zu lokalisieren. Anders als bei der Abschätzung von W2 fehlt hier jedoch die Referenzbasis– in diesem Fall das Beschleunigungssignal ad des Drehgestells, welches für die Abschätzung vonW1 eigentlich notwendig ist, Abb. 36. Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Differenzar – ad wesentlich von ar abhängt, da das Amplitudenverhältnis von ar zu ad im gewähltenAnwendungsbeispiel ungefähr 50 beträgt. Die Drehgestellgesamtbeschleunigung ist sehr vielkleiner im Vergleich zur Radsatzbeschleunigung und dominiert im niedrigen Frequenzbereich.Dieses spezifische Schwingungsphänomen kann ausgenutzt werden, indem man das Signal ar vonseiner linearen Tendenz befreit und das resultierende Signal, eine kurze Zeitperiode (z.B. 2 bis 4Sekunden) vorausgesetzt, als eine erste Näherung für die Differenz ar – ad verwendet. Wegendieser Vereinfachung ist allerdings zu erwarten, dass die Diagnosequalität hierunter leidet. Um dieGenauigkeit der RSFB-Diagnose zu erhöhen, können weitere zusätzliche Merkmale, berechnetauch aus Signalen anderer Sensoren, verwendet werden (z.B. Verknüpfung mitSinuslaufüberwachung). Nützlich wäre auch die Erkennung der Kurvenfahrt und darauf basierenddie getrennte Parametrierung zwischen Geradeaus- und Kurvenfahrt. Die gesamte Prozesskettevon der Merkmalskonstruktion, -selektion bis zur Klassifikation ähnelt derjenigen derRadsatzdiagnose, so dass an dieser Stelle hierauf nicht nochmals eingegangen wird.

Insgesamt betrachtet steht mit diesem einfachen Algorithmus jedoch ein Verfahren zur Verfügung,eine RSFB zu überwachen, was sonst nur im ausgebauten Zustand möglich wäre.

7.4 Schlingerdämpfer

Zur Gewährleistung eines sicheren Fahrbetriebs, zum Einhalten vorgegebenerKomfortanforderungen sowie zum Schutz der technischen Einrichtungen werden inSchienenfahrzeugen verschiedenartige Dämpfer wie Primärdämpfer, Sekundärdämpfer,Koppeldämpfer und Schlingerdämpfer eingesetzt.

Die Dämpfer wandeln die Schwingungsenergie in Wärme um, indem mechanische Arbeit gegenWiderstandskräfte geleistet wird. Bei Schienenfahrzeugen sollen die Dämpfer so ausgelegt sein,dass einmal angefachte Schwingungen nach 2 bis 3 Perioden abklingen. Je nach der Umwandlungder Schwingungsenergie werden hydraulische Dämpfer und Reibungsdämpfer unterschieden. Dieheute in der Eisenbahntechnik verwendeten hydraulischen Dämpfer haben häufig den in Abb. 39schematisch dargestellten Aufbau.

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1 Kolbenstange2 oberer Befestigung3 Schutzohr4 Stangendichtung5 Stangenführung6 Kolben7 Außenrohr8 Boden9 untere Befestigung10 Arbeitszylinder11 Ventilboden12 u. 13 Saug- und Druckventil (Kolben)14 Saugventil (Boden)15 Druckventil (Boden)

Abb. 39: Prinzipieller Aufbau eines hydraulischen Dämpfers (Quelle: BOGE-Infobroschüre)

Die Schlingerdämpfer z.B. stabilisieren das Laufverhalten bei hohen Fahrtgeschwindigkeiten. Dadie Schlingerdämpfer eine sicherheitsrelevante Funktion erfüllen, sind sie beim ICE2 und ICE3redundant, d.h. je Drehgestellseite doppelt ausgeführt.

Trotz des technischen Fortschrittes können Dämpferschäden nicht völlig ausgeschlossen werden.Mögliche Schadensbilder in der Praxis sind z.B.:

• Ventil schließt nicht,

• Oberfläche des Zylinders beschädigt,

• Dichtung leckt,

• Ölverlust,

• lose Befestigung

Erläuterungen zur bisherigen Diagnoselösung und zu den Instandhaltungsmaßnahmen fürSchlingerdämpfer sind Kapitel 3.2.2 und 3.3.2 zu entnehmen.

7.4.1 Experimentelle Schadenssimulation

Für die im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Schadenssimulationen wurde aus jedemDämpferpaar ein Dämpfer komplett ausgebaut. Das entspricht einer 50% Reduktion der normalenDämpferkraft. Später wurden weitere Schadenssimulationen, z.B. mit gezielter Änderung der Kraft-Weg-Kennlinie, an Schlingerdämpfern durchgeführt. Für die folgende Datenauswertung werdenbeispielhaft nur Messdaten der ersten Variante verwendet.

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7.4.2 Algorithmenentwicklung

Der Schlingerdämpfer dient der Fahrstabilisierung der Schienenfahrzeuge, insbesondere um eineninstabilen Sinuslauf zu unterdrücken. In Abb. 40 ist der Sinuslauf eines Radsatzes graphischdargestellt. Der Sinuslauf entsteht durch die konische Form der Laufflächen von Rädern undSchienen.

Abb. 40: Sinuslauf eines Radsatzes

Die oberen Schlingerdämpferkonsolen sind fest mit dem Wagenkasten verbunden, die unteren mitdem Drehgestellrahmen. Zwischen Wagenkasten und Drehgestell besteht durch Schlingerdämpfereine elastische Kopplung. Das Drehgestell kann relativ zum Wagenkasten in Fahrtrichtungbeschleunigen (Fall 1) und/oder sich gleichzeitig um die Vertikalachse drehen (Fall 2). Im Fall 1werden die linke und rechte Konsole Beschleunigungen gleicher Richtung erfahren, also strebt derKorrelationskoeffizient nach +1. Im Fall 2 (z.B. starker Sinuslauf) werden die beiden Konsolen inGegenrichtung beschleunigt, dann strebt der Korrelationskoeffizient nach -1. Im Regelfahrbetriebtreten beide Fälle auf, so dass demzufolge der Korrelationskoeffizient erwartungsgemäß um 0schwanken wird. Aus einem Dämpferdefekt resultiert nun ein stärkerer Sinuslauf. Damit wird dieDrehbewegung des Drehgestells zum Wagenkasten dominierend und der Korrelationskoeffizientnähert sich dem Wert -1. Daraus ist zu folgern, dass der Schwellwert für eineDämpferüberwachung zwischen 0 und -1 festzulegen ist, [GS03a].

Zur Schlingerdämpferdiagnose können, basierend auf oben erklärtem Grundgedanken, dieBeschleunigungssignale in Fahrtrichtung an der linken und rechten Schlingerdämpferkonsoleherangezogen werden. Dazu sind zwei Beschleunigungssensoren je Fahrwerk nötig. Die Signalewerden vom Offset befreit und gegebenenfalls downgesampelt, anschließend berechnet man denKorrelationskoeffizienten, Abb. 41.

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Sl Sr

Detrend &Downsample

Korrelationskoeffizient

Schwellwertüberschritten?

MeldungJaNein

Beschleunigungssensor an der linkenund rechten Schlingerdämpferkonsole

Zeitfenster(mit 50 % Überlappung)

Abb. 41: Datenflussdiagramm für Schlingerdämpferdiagnose

Die unter gegebenen Randbedingungen beispielhaft getroffene Auswahl der wesentlichenParameter ist unten in Tab. 7 zusammengefasst. Bei niedriger Fahrtgeschwindigkeit spielt derSchlingerdämpfer eine untergeordnete Rolle, da die Gefahr einer Laufinstabilität erst bei höherenGeschwindigkeiten auftritt. Demzufolge wäre die Überwachung auch erst ab einer festzulegendenMindestfahrtgeschwindigkeit zu aktivieren. Je breiter das Zeitfenster für die Datenerfassung ist,desto stabiler arbeitet der Algorithmus, da mehr Punkte in die Statistik eingehen. Andererseits sollzur Verringerung der Reaktionszeit die Fensterbreite möglichst klein gehalten werden, damit eineschnelle Reaktion gewährleistet werden kann. Ein weiterer Parameter, der Überlappungsgrad, solldas eben geschilderte Problem mildern, d.h. trotz großer Fensterbreite eine kurze Reaktionszeitgewährleisten. Empirisch ist ein Überlappungsgrad von mindestens 50 % zu empfehlen. Dervorletzte Parameter, Abtastfrequenz, spielt eine entscheidende Rolle: Da der Schlingerdämpferprimär für einen niedrigen Frequenzbereich ausgelegt ist, sollte dementsprechend eine niedrigeAbtastrate gewählt werden.

Parameter geeignete Variationsintervalle getestet

Fahrtgeschwindigkeit 50 – 280 km/h 100 – 280 km/h

Zeitfensterbreite 3 – 20 Sekunden 6 Sekunden

Überlappungsgrad 0 – 90 % 0 %

Abtastfrequenz 10 – 50 Hz 10 Hz

Schwellwert -0.4 – -0.8 -0.5

Tab. 7: Parameterübersicht für Schlingerdämpferdiagnose

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7.4.3 Verifikation

Der oben beschriebene einfache Algorithmus wurde anhand von realen Daten sowohl ausRollprüfstandsuntersuchungen als auch Analysemessfahrten mit einem ICE2 Mittelwagen getestet.Ein Auszug der Ergebnisse zeigt Abb. 42 und Abb. 43.

Abb. 42: Referenzzustand

Abb. 43: Dämpferausfall

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Wie im Abschnitt 7.4.2 angenommen, nähert sich der Korrelationskoeffizient im Schadensfall demWert -1. Die Verlagerung der roten gegenüber den grünen Punkten (jeder Punkt steht für einenberechneten Korrelationskoeffizient) ist in den Bildern deutlich zu erkennen. Bezüglich derSchwellwertdefinition existieren grundsätzlich mehrere Möglichkeiten. Es kann bereits beieinmaliger Schwellwertüberschreitung oder erst bei mehrmaliger Überschreitung eineAlarmmeldung ausgelöst werden (Dieses Konzept ist universell und gilt auch für andere Diagnose-Algorithmen). Ferner ist auch denkbar, andere Merkmale in die Entscheidungslogik einzubinden,um die Diagnosequalität weiter zu erhöhen.

7.5 Rad/Schiene-Kontakt (Entgleisungsdetektion)

Unter Entgleisung versteht man den Rad/Schiene Kontakt- oder Führungsverlust, der sich dadurchäußert, dass mindestens ein Rad über die Schiene hinaus springt oder u.U. nicht die Lauffläche,sondern der Spurkranzscheitel des Rades Kontakt mit der Schiene bekommt. Die für denFahrbetrieb notwendigen Führungskräfte zwischen dem Rad und der Schiene können nach derEntgleisung nicht mehr gewährleistet werden.

Entgleisungen können ihre Ursache haben in:

• fehlerhaften Fahrzeugkomponenten

• Fehler im Fahrweg

• Fehler im Betrieb

Eine wirksame und kontinuierliche Überwachung auf Entgleisung kann nur wagenseitig geschehen.Ohne Entgleisungsdetektion verstreicht ggf. wertvolle Zeit, bis der Lokführer eine Entgleisung inseinem Zug wahrnehmen und reagieren kann. In dieser Zeit zerstört der entgleiste Wagen oftmehrere Kilometer Gleis und kann das Lichtraumprofil verlassen. Letzteres führt zur Gefährdungvon Personen an Bahnübergängen, Bahnhöfen und im Zug selbst. Außerdem läuft der entgleisteWagen Gefahr, mit einem Tunnelportal, einem Brückenpfeiler oder mit einementgegenkommenden Zug zu kollidieren.

Interessanterweise fordert die TSI für zukünftige Hochgeschwindigkeitszüge eine zugseitigeÜberwachungseinrichtung zur Entgleisungsdetektion, sobald geeignete Produkte auf dem Marktverfügbar sind.

Aus oben genannten Gründen wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit auf Möglichkeiten derEntgleisungsdetektion eingegangen. Im Hinblick auf die unmittelbare Maßnahmeneinleitung nacheiner detektierten Entgleisung bestehen grundsätzlich die folgenden beiden Möglichkeiten:

• Meldung an den Lokführer mit Handlungsanweisung

• Automatisches Einleiten einer Schnellbremsung

Letztere Punkte werden in dieser Arbeit nicht diskutiert.

7.5.1 Plausibilitätsbetrachtung

Die Verwendung von Beschleunigungssignalen erscheint auch zur Lösung der Problemstellung„Entgleisungsdetektion“ zielführend. Ähnlich wie bei der RSFB-Diagnose kann prinzipiell aus demBeschleunigungssignal eine Wegabschätzung erfolgen, die dann für die Überwachung des

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Absenkens eines Rades innerhalb einer möglichst kurzen Zeitspanne, relativ zurSchienenoberfläche, herangezogen werden kann, siehe Patentschrift [GS01]. Nachteilig hierbei istjedoch, dass an jedem Rad, zusätzlich zu den Beschleunigungen in Fahrtrichtung auch solche inVertikalrichtung erfasst werden müssen. Um jedoch die Anzahl der Messkanäle und die damitverbundene Komplexität des Systems gering zu halten, wird im Folgenden eine andere Lösungausgearbeitet, die auch auf der Auswertung der Beschleunigungssignale in Fahrtrichtung beruht.

Es wäre wünschenswert, wenn eine simple Grenzwertüberwachung des Beschleunigungssignalsfür die Entgleisungsdetektion ausreichen würde. Es kommen aber in den Messdaten während desnormalen Fahrbetriebs fast immer unvermeidlich Ausreißer vor, sei es betriebsbedingt (z.B. durchWeichenfahrt) oder messsystembedingt. Zusätzlich wird das Problem noch aufgrund der hohenAnforderungen an ein derartiges System verschärft: Es soll jede stattgefundene Entgleisungbinnen Sekunden detektieren und zugleich keinen einzigen falschen Entgleisungsalarm melden.Deshalb wird im Folgenden ein etwas komplexeres Konzept zur Entgleisungsdetektion vorgestellt.Eine Verifikation von Algorithmen mit realen Messdaten war im Rahmen dieser Arbeit nichtmöglich, da ein Entgleisungsversuch mit einem ICE aus Kostengründen von vornhereinausgeschlossen wurde.

Nach den Ergebnissen in Kapitel 6.1.2.3 sind die Beschleunigungssignale am Fahrwerkhochgradig stochastisch. Daher erscheint die Modellierung des Beschleunigungssignals zwecksÄnderungsdetektion in seinem Zeitverlauf als nicht zielführend. Aus dem gleichen Grund lässt sichdas Beschleunigungssignal ohne großen Informationsverlust kaum komprimieren (hier wird unterdem Begriff Komprimierung die Reduktion der Anzahl der relevanten Variablen und nicht desSpeicherplatzes, wie häufig bei der Sprachcodierung gemeint, verstanden), um darauf basierendeine einfache robuste Entscheidungslogik für die Entgleisungsdetektion zu konstruieren.

Es wurde ferner die empirische Verteilungsfunktion jedes Beschleunigungssignals betrachtet, umsich zu vergewissern, ob die Verteilungsfunktion mathematisch einfach zu beschreiben ist und zurEntgleisungsdetektion benutzt werden kann. Anhand der Visualisierung der Verteilungsfunktion istzu beobachten, dass zum einen die Verteilung desselben Beschleunigungssignals zeitweise starkvariieren kann, zum anderen die Verteilungen verschiedener Beschleunigungssignale, auch amgleichen Fahrwerk, nicht immer übereinstimmen müssen. Daher ist die Beschreibung derVerteilungsfunktion in einer zeitinvarianten Form und die Überwachung der Verteilungsfunktionnicht machbar.

7.5.2 Algorithmenentwicklung

Da die Entgleisung ein sehr ungewöhnliches und auffälliges Ereignis darstellt, ist von einergrundsätzlichen Detektierbarkeit auszugehen, auch wenn letztendlich die Möglichkeit derVerifikation mit realen Messdaten fehlt. Direkt nach der Entgleisung ist zu erwarten, dass dasentgleiste Rad, falls noch nicht vom Fahrwerk abgelöst, die Elemente des Fahrwegs (z.B. Schotter,Schwelle) überrollt und dabei stoßartige Bewegungen hervorruft. Erfahrungsgemäß wird sich derStoßvorgang in Form einer erhöhten Schwingungsenergie äußern, d.h. die RMS-Werte, dieSpannweite und der Quantilabstand des Beschleunigungssignals werden deutlich zunehmen.Ferner ist zu vermuten, dass während des Stoßvorgangs nach der Entgleisung der Anteil anAusreißern im Beschleunigungssignal größer wird. In der Praxis wird die sogenannte Kurtosis für

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die Beurteilung der Maschinen-Laufruhe sowie die Detektion stoßartiger Ereignisse verwendet.Nicht zuletzt kann man theoretisch davon ausgehen, dass das Beschleunigungssignal, gemessenam entgleisten Rad, seine ansonsten während des normalen Fahrbetriebs vorhandene Quasi-Symmetrie-Eigenschaft verlieren wird, da die Stoßkräfte in der horizontalen Ebene immer derFahrtrichtung des Zuges entgegenwirken. Es ist bekannt, dass sich die Symmetrie-Eigenschaft desBeschleunigungssignals durch die statistische Größe Schiefe (engl. skewness) überprüfen lässt.Zusammengefaßt lässt sich eine stattgefundene Entgleisung daher theoretisch z.B. mit Hilfe derdrei statistischen Größen im Zeitbereich schnell detektieren:

• Quantilabstand (Schwingungsenergie),

• Kurtosis (Anteil an Ausreißer) und

• Schiefe (Grad der Symmetrie)

Nach eingehender experimenteller Korrelationsanalyse anhand von Messdaten stellt sich heraus,dass die Kurtosis und die Schiefe des Beschleunigungssignals in Fahrtrichtung nur bei relativkleinem Quantilabstand (geringere Schwingungsenergie) einen größeren Wert aufweisen, Abb. 44.Daher ist es zweckmäßig, die statistische Größe Kurtosis und Schiefe in Abhängigkeit mit demQuantilabstand zu überwachen. Die Abhängigkeit der Größe Kurtosis und Schiefe zurFahrtgeschwindigkeit des Zuges ist weniger signifikant und daher erscheint die Einteilung nach derFahrtgeschwindigkeit im Rahmen der Parametrierung nicht notwendig.

Die Schiefe nimmt bei perfekt symmetrischer Verteilung den Wert Null, bei Rechtsverlagerung derMessdaten relativ zu ihrem Mittelwert einen positiven und bei Linksverlagerung einen negativenWert an. Die Kurtosis nimmt bei Normalverteilung den Wert 3 an und wird größer, falls der Anteilan Ausreißern zunimmt. Sowohl die Schiefe als auch die Kurtosis sind dimensionslos. Diebeispielsweise aus den realen Messdaten berechneten Extremwerte sind in Tab. 8 angegeben.

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Abb. 44: Die Relation zwischen Schiefe, Kurtosis und Quantilabstand

Schiefe KurtosisQuantilabstand

(m/s2) Min Max Min Max

100 - 200 -0.36 0.42 2.00 9.75

200 - 500 -0.16 0.08 2.03 3.75

Tab. 8: Extremwerte der Schiefe und des Kurtosis

7.5.3 Ablauf der Entgleisungsdetektion

Ein mögliches Ablaufschema zur Detektion einer Entgleisung ist in Abb. 45 dargestellt. Beimfehlenden nicht explizit angegebenen Nein-Zweig in der Abbildung soll keine Entgleisungsmeldunggeneriert und der Ablaufprozess zum Startpunkt zurückgeführt werden. Ein mit einem 50 %Überlappungsgrad gleitendes Zeitfenster der Länge 0.2 Sekunde wurde beispielhaft für dieBerechnung verwendet. Die gesamten Beschleunigungsdaten im jeweiligen Zeitfenster durchlaufeneinen Bandpassfilter, um den Frequenzbereich z.B. unter 3 Hz sowie über 1000 Hz zu sperren. DerAblauf in Abb. 45 ist selbsterklärend und bedarf hier keiner weiteren Erläuterung. Die Parameterund Grenzwerte können z.B. vorab so eingestellt werden: Gq = 500 m/s2, Q1 = 100 m/s2, Q2 = 200m/s2, Gs1 = 0.6, Gk1 = 12, Gs2 = 0.25, Gk2 = 5. Diese Einstellung darf jedoch nicht alsallgemeingültig betrachtet werden, insbesondere wenn andere Messtechniken (z.B. eine andereAbtastfrequenz als 12 kHz) verwendet wird.

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BandpassDatenfenster(z.B. 0.2 s)

Berechnung des Quantilabstandes Q

Q > Gq ?

Entgleisungs-alarm

Q > Q2 ?

Q > Q1 ?

Berechnung der Schiefe S und Kortosis K

abs(S) > Gs2oder

K > Gk2 ?

abs(S) > Gs1oder

K > Gk1 ?

Beschleunigungs-signal am Rad

Ja

Nein

Ja

JaNein

Ja

Ja

Abb. 45: Ablauf der Entgleisungsdetektion

Vor dem Hintergrund einer geforderten minimalen Falschalarmrate kann die bisher beschriebeneEntgleisungsmeldung als interne Meldung betrachtet werden. Erst wenn innerhalb einesbestimmten Zeitintervalls (z.B. 1 Sekunde) mehrere solcher internen Entgleisungsmeldungenvorliegen, wird der Entgleisungsdetektor eine externe Entgleisungsmeldung generieren.

Als Einschränkung des hier vorgestellten Verfahrens gilt, dass eine eventuell sanfte Entgleisungbei z.B. sehr langsamer Fahrt u.U. nicht detektiert werden kann, weil der in diesem Fall berechneteQuantilabstand die Grenze Q1 nicht unbedingt überschreiten müßte. Daher scheint eineKombination mit sonstigen Entgleisungsdetektionsverfahren vorteilhaft. Als weitere Voraussetzungfür eine Funktionstüchtigkeit der vorgestellten Entgleisungsdetektion zählt selbstverständlich auch,dass die Sensoren mindestens bis zur Generierung der externen Entgleisungsmeldung intaktbleiben und nicht durch die Entgleisung selbst zerstört oder abgerissen werden. Der Selbsttest derSensoren und der sonstigen Elektronik stellt eine andere Thematik dar, wird jedoch im Rahmen dervorliegenden Arbeit nicht behandelt.

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8 Ausblick

Mit der vorliegenden Arbeit werden die in Kap. 4 gesetzten Ziele (Entwicklung von Algorithmen fürzukünftige On-Board-Fahrwerkdiagnosesysteme) im Wesentlichen erreicht. Zum Schluss soll hierjedoch die Gelegenheit genutzt werden, auf die noch offen gebliebenen Punkte sowieVerbesserungsmöglichkeiten hinzuweisen. Die Diagnosetechnik mit ihrem gesamtenwissenschaftlichen Umfeld befindet sich immer noch in rasanter Entwicklung, so dass zuempfehlen ist, die Algorithmen zur Fahrwerksdiagnose grundsätzlich von Zeit zu Zeit dem Standder Technik entsprechend anzupassen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die kritische ingenieurmäßige Beurteilung der automatischausgewählten Merkmale. Wenn eine fundierte theoretische Erklärung fehlt, müssen umfangreicheExperimente zur Absicherung der gewonnenen Erkenntnisse durchgeführt werden. Der damitverbundene Aufwand kann aber nur in enger Zusammenarbeit mit den Bahnbetreibern und derBahnindustrie erfolgen. Ferner ist anzustreben, die charakteristischen Signalabläufe bei Tunnel-,Brücke-, Weichen- und Kurvenfahrten sowie bei Zugbegegnungen auf ihre Erkennbarkeit hin zuuntersuchen. Diese Information kann genutzt werden, um die Diagnosequalität weiter zu erhöhen.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden die Fahrwerksfehler einzeln betrachtet unddiagnostiziert. Die Diagnose von mehreren gleichzeitig auftretenden Fehler könnte Objekt fürweitere Forschung und Entwicklung sein. Außerdem ist es von großer Bedeutung zu wissen, wieempfindlich der für einen bestimmten Fehler konzipierte Diagnosealgorithmus gegen die restlichenFahrwerksfehler ist. Als Beispiel kann sowohl der Schlingerdämperausfall als auch der Verschleißan der RSFB einen verstärkten Sinuslauf des Schienenfahrzeuges verursachen. Wenn nicht dieUrsache, sondern nur die Folge, wie hier der Sinuslauf, durch das Diagnosesystem beobachtbarist, ist es prinzipbedingt nicht möglich, den Fehler zu lokalisieren. Es müssen weitere Messgrößenerfasst und/oder zusätzliche Fehlersymptome in der Entscheidungslogik mit berücksichtigt werden.

Für sicherheitsrelevante Anwendungen ist die Plausibilitätsprüfung jedes einzelnen Schrittes in dergesamten Prozesskette von großer Bedeutung. Da ein Fahrwerksfehler sich in vielen Fällen anverschiedenen Orten bzw. anhand von mehreren Fehlersymptomen detektieren lässt, kann ein Teilder Informationen zur Plausibilitätsprüfung herangezogen werden. Dadurch werden mindestenszwei voneinander getrennte Entscheidungspfade für die Diagnose verwendet, ohne zusätzlichenHardwareaufwand in Kauf nehmen zu müssen. Erst nach eindeutig vorliegendemPlausibilitätsergebnis wird ein diagnostizierter Fehler gemeldet.

Ferner wäre es vorteilhaft, die Diagnoseergebnisse mehrerer oder aller Drehgestelle einesSchienenfahrzeuges auf einer Zwischenebene logisch miteinander zu verknüpfen. Auf einerübergeordneten Ebene wird dann die endgültige Entscheidung getroffen. Somit könnten z.B.fahrwegbedingte Kurzstörungen sicher detektiert werden.

Vor der Realisierung eines auf den Ausführungen dieser Arbeit basierten Diagnosesystems alsProdukt ist u.a. die computergestützte Simulation dringend empfohlen. Mit Hilfe derSimulationstechnik können die im jeweiligen vom Hersteller angegebenen Toleranzbereichliegenden Abweichungen des mechanischen, des elektrischen und des informationsverarbeitenden

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Teilsystems berücksichtigt und ihre Auswirkungen studiert werden. Als Beispiel können diegemessenen Beschleunigungsdaten um ≤10% variiert und die entsprechendenDiagnoseergebnisse analysiert werden. Mögliche Schwachstellen, insbesondere in denDiagnosealgorithmen, lassen sich damit frühzeitig entdecken und beseitigen. Zudem könntenbasierend auf den Simulationsergebnissen weitergehende konkretere Anforderungen an dieSystemqualität abgeleitet werden.

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9 Zusammenfassung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Algorithmenentwicklung für eine On-Board-Fahrwerksdiagnosesowie für eine schnelle Entgleisungsdetektion. Nach einer Einleitung in Kapitel 1 werden in Kapitel2 die allgemeinen Anforderungen an die On-Board-Fahrwerksdiagnose dargestellt und in Kapitel 3ein Überblick über den Stand der Technik bezüglich der Aufgabenstellung, insbesondere derMesstechnik und der Diagnose in der Fahrzeugtechnik, gegeben. Anschließend werden einigewesentliche Merkmale sowie Betriebsbedingungen des ICE und das wissenschaftliche Umfeld zurDiagnosealgorithmenentwicklung erläutert. Kapitel 4 enthält eine nähere Beschreibung derAufgabenstellung.

Kapitel 5 fasst die verwendete Messtechnik sowie die Versuchsmöglichkeiten zusammen. ImKontext der zu lösenden Aufgaben erfolgt in Kapitel 6 eine systematische Untersuchung derAnwendungsmöglichkeiten der modell-, signal- und regelbasierten Diagnose. Um dieModellierbarkeit des betrachteten Systems zu beurteilen, werden statistische Eigenschaften derMessdaten, insbesondere die Informations- und Komplexitätsmaße herangezogen. Es stellt sichheraus, dass entgegen der ursprünglichen Planung die modellbasierte Diagnose wenig zielführenderscheint.

Im Rahmen der signalgestützten Diagnose wird auf die Merkmalskonstruktion, -selektion undKlassifikation eingegangen. Die wesentlichen Merkmale im Zeit- und Frequenzbereich sowie in derStatistik sind zuerst nach ingenieurmäßigen Erfahrungen zusammengestellt und dann mit Hilfe derMerkmalsselektion automatisch ausgewählt. Ein wesentlicher Beitrag leistet die support vectormachine (SVM) im Rahmenkonzept der signalgestützten Diagnose. Die SVM versucht nicht dasempirische, sondern das strukturelle Risiko zu minimieren, was schließlich zu einer Erhöhung desGeneralisierungsvermögens des Klassifikators führen kann. Mit Hilfe der SVM können sowohlMulti-Klassen- als auch Ein-Klassen-Klassifikationsprobleme optimal gelöst werden. Auch fürinkrementelles Lernen ist SVM prinzipiell geeignet.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Probleme der Merkmalsselektion und der automatischenRegelgenerierung unter Berücksichtigung von z.B. mehreren Hundert Merkmalen noch nicht völliggelöst. Die vorhandenen Ansätze liefern in der Regel eine suboptimale Lösung des Problems. Esbleibt offen, ob ein allgemeingültiges Konzept ausgearbeitet werden kann, welches in der Lage ist,eine global optimale Lösung bei solchen Fragestellungen zu finden. Sowohl für dieMerkmalsselektion als auch für die Regelgenerierung existieren bereits zahlreicheVeröffentlichungen. Eine Bewertung sämtlicher veröffentlichten Methoden kann im Rahmen dieserArbeit aus Zeitgründen nicht durchgeführt werden, da hier die Schwerpunkte vielmehr bei derFahrwerksdiagnose liegen.

Nachdem die technische Machbarkeit durch theoretische und experimentelle Untersuchungennachgewiesen wurde, rücken in einem späteren Entwicklungsstadium die Systemeigenschaften„Verständlichkeit“ bzw. „Interpretierbarkeit“ der Algorithmen in den Vordergrund. Die SVM ist indieser Hinsicht wenig attraktiv, da die Klassifikation der SVM eher auf Basis komplexermathematischer Verknüpfungen erfolgt. Abhilfe dazu schafft die sogenannte regelbasierte

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Diagnose. Die Regeln können sowohl aus Entscheidungsbäumen, neuronalen Netzen oder derSVM extrahiert als auch mit Hilfe der Regelinduktion gefunden werden. Die Experimente mit z.B.Part (Entscheidungsbäume) und Slipper (Regelinduktion) führen zu sehr guten Ergebnissen.

In Kapitel 7 werden dann die Ergebnisse der Anwendungen auf konkrete Beispiele dokumentiert.Umfangreiche ICE-Messfahrten mit und ohne Fahrwerksschaden wurden zwecks Datenerfassungvon der Bahn zusammen mit einem Entwicklungspartner durchgeführt. Das verwendeteDiagnosekonzept zum Thema „Anomalien der Radlauffläche“ spiegelt das bereits in Kapitel 6vorgestellte Diagnose-Rahmenkonzept (Merkmalskonstruktion, -selektion und Klassifikation) wider.Die Radsatzlagerdiagnose wurde um eine zusätzliche Standardmethode, die Hüllkurvenanalyse,erweitert.

Das komplette Diagnose-Rahmenkonzept läßt sich prinzipiell auch auf die Diagnose vonAnomalien der Radsatzführung, der Schlingerdämpfer und des Rad-Schiene-Kontaktes anwenden.Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird das bereits vorher dargestellte Rahmenkonzept jedoch fürdie restlichen Aufgabenstellungen nicht mehr thematisiert. Anstelle dessen werden ausschließlichdie physikalischen Symptome und Folgen von spezifischer Schadensfällen betrachtet bzw. vordem Hintergrund der Diagnose verwendet.

Im Rahmen der Schlingerdämpferdiagnose wird ein Korrelationskoeffizient pro Drehgestell aufmögliche Grenzwertüberschreitungen überwacht. Dieser wird aus den Signalen derwagenkastenseitig links und rechts an den Schlingerdämpferkonsolen befestigtenBeschleunigungssensoren berechnet.

Die Diagnose der Radsatzführung basiert auf einer Abstandsschätzung anhand vonBeschleunigungsdaten. Dies ist nur unter Berücksichtigung der speziellen Randbedingungen amFahrwerk möglich. Die Abstandsschätzung erfolgt durch Bandpassfilterung und anschließendeDoppelintegration der Beschleunigungssignale.

Für die Algorithmenentwicklung der Entgleisungsdetektion stehen keine realen Messdaten ausEntgleisungsversuchen zur Verfügung. Seitens der Sensorik eignen sich für diese Aufgabe diebereits für andere Diagnosezwecke verwendeten Beschleunigungssensoren imRadsatzlagerbereich. Es wird vorgeschlagen, die Größen „Spannweite“, „Kurtosis“ und „Schiefe“der Beschleunigungssignale zu berechnen und auf ihre Grenzwertüberschreitungen hin in einergeeignet strukturierten Weise zu überwachen.

In Kapitel 8 sind weiterführende Vorschläge, welche für die praktische Umsetzung desDiagnosesystems von großer Bedeutung sind, enthalten. Insgesamt steht am Ende dervorliegenden Arbeit ein praktikables Konzept zur Zustandsbestimmung, das die Grundlage zurFahrwerksüberwachung/-diagnose sowie zur zustandsabhängigen Instandhaltung bildet.

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Anhang

A. Merkmalskurzzeichen für Raddiagnose

Nr. Kurzzeichen Erläuterung Nr. Kurzzeichen Erläuterung

1 V Zuggeschwindigkeit (km/h) 622 maxA Maximum623 minA Minimum

2 5 Hz Amplitude bei 5 Hz 624 spwA Spannweite3 6 Hz Amplitude bei 6 Hz 625 qabstA Quantilabstand... ... ... 626 quantilA Quantil200 203 Hz Amplitude bei 203 Hz 627 medianA Median201 204 Hz Amplitude bei 204 Hz 628 trimmeanA vom Ausreißer

befreiter Mittelwert629 stdA Standardabweichung

202 5:11 Amplitudenmittelwert imFrequenzbereich [5, 11] Hz

630 varA Varianz

203 11:22 Amplitudenmittelwert imFrequenzbereich [11, 22] Hz

631 rmsA RMS

... ... ... 632 kurtosisA Kurtosis210 1420:2840 Amplitudenmittelwert im

Frequenzbereich [1420, 2840] Hz633 crestfA Crestfaktor

211 2840:5680 Amplitudenmittelwert imFrequenzbereich [2840, 5680] Hz

634 schiefeA Schiefe

635 entropyA Entropy212 0.6 Ord Amplitude der 0.6ten

Radsatzrotationsordnung636 ratioA prozentueller Anteil

der positiven Werte

Filte

r A

213 0.7 Ord Amplitude der 0.7tenRadsatzrotationsordnung

... ... ...310 10.4 Ord Amplitude der 10.4ten

Radsatzrotationsordnung311 10.5 Ord Amplitude der 10.5ten

Radsatzrotationsordnung

Bemerkung:Tiefpassfilter A: < 400 HzBandpassfilter B: 400 – 800 HzBandpassfilter C: 800 – 1200 HzHochpassfilter D: > 1200 HzDie Berechnungen der statistischen Kennwertesind nach der jeweiligen Filterung identisch wiefür die Merkmale 622 bis 636

312 5 HzH 637 maxB313 6 HzH 638 minB... ... ... ...510 203 HzH 650 entropyB511 204 HzH 651 ratioB

Filte

r B

512 5:11H 652 maxC513 11:22H 653 minC... ... ... ...520 1420:2840H 665 entropyC521 2840:5680H 666 ratioC

Filte

r C

522 0.6 OrdH 667 maxD523 0.7 OrdH 668 minD... ... ... ...620 10.4 OrdH 680 entropyD621 10.5 OrdH

Berechnungen verlaufen ähnlich wiefür die Merkmale 2 bis 311. DerUnterschied besteht hier darin, dassnach dem Einlesen der Rohdatenzuerst die Hüllkurven mit Hilfe derHilberttransformation berechnetsind. Im Anschluss daran werden dieMerkmalsberechnungen auf dieHüllkurven angewandt.

681 ratioD

Filte

r D

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B. Merkmalskurzzeichen für Radsatzlagerdiagnose

Nr. Kurzzeichen Erläuterung Nr. Kurzzeichen Erläuterung

1 V Zuggeschwindigkeit (km/h) 822 maxA Maximum823 minA Minimum

2 5 Hz Amplitude bei 5 Hz 824 spwA Spannweite3 6 Hz Amplitude bei 6 Hz 825 qabstA Quantilabstand... ... ... 826 quantilA Quantil201 204 Hz Amplitude bei 204 Hz 827 medianA Median

828 trimmeanA vom Ausreißerbefreiter Mittelwert

202 5:11 Amplitudenmittelwert imFrequenzbereich [5, 11] Hz

829 stdA Standardabweichung

203 11:22 Amplitudenmittelwert imFrequenzbereich [11, 22] Hz

830 varA Varianz

... ... ... 831 rmsA RMS211 2840:5680 Amplitudenmittelwert im

Frequenzbereich [2840, 5680] Hz832 kurtosisA Kurtosis

833 crestfA Crestfaktor212 0.6 Ord r Amplitude der 0.6ten

Rollkörperrotationsordnung834 schiefeA Schiefe

213 0.7 Ord r Amplitude der 0.7tenRollkörperrotationsordnung

835 entropyA Entropy

... ... ... 836 ratioA prozentueller Anteilder positiven Werte

Filte

r A

311 10.5 Ord r Amplitude der 10.5tenRollkörperrotationsordnung

312 0.6 Ord a Amplitude der 0.6ten Ordnungbezugl. Außenringüberrollfrequenz

313 0.7 Ord a Amplitude der 0.7ten Ordnungbezugl. Außenringüberrollfrequenz

... ... ...411 10.5 Ord a Amplitude der 10.5ten Ordnung

bezugl. Außenringüberrollfrequenz

412 5 HzH413 6 HzH... ...611 204 HzH

Bemerkung:Tiefpassfilter A: < 400 HzBandpassfilter B: 400 – 800 HzBandpassfilter C: 800 – 1200 HzHochpassfilter D: > 1200 HzDie Berechnungen der statistischen Kennwertesind nach der jeweiligen Filterung identisch wiefür die Merkmale 822 bis 836

612 5:11H 837 maxB613 11:22H 838 minB... ... ... ...621 2840:5680H 851 ratioB

Filte

r B

622 0.6 OrdHr 852 maxC623 0.7 OrdHr 853 minC... ... ... ...721 10.5 OrdHr 866 ratioC

Filte

r C

722 0.6 OrdHa 867 maxD723 0.7 OrdHa 868 minD... ... ... ...821 10.5 OrdHa

Berechnungen verlaufen ähnlich wiefür die Merkmale 2 bis 411. DerUnterschied besteht hier darin, dassnach dem Einlesen der Rohdatenzuerst die Hüllkurven mit Hilfe derHilberttransformation berechnetsind. Im Anschluss daran werden dieMerkmalsberechnungen auf dieHüllkurven angewandt.

881 ratioD

Filte

r D