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Adrijana Mujic/Wiebke Schmalz UN-peacebuilding und peacekeeping operations 1. Einleitung In dem folgenden Aufsatz geht es um die peacekeeping und peacebuilding operations der Vereinten Nationen (UN) im Rahmen internationaler Interventionsmöglichkeiten in Krisenregionen. Um am Ende die Frage nach Erfolg oder Misserfolg der beiden Konzepte beantworten zu können, gehen wir in einem ersten Teil der Arbeit auf das Konzept und die institutionelle Einordnung von peacebuilding und peacekeeping in das System der UN ein. Weiterhin geht es explizit um Aufbau, Durchführung und Zielsetzung der beiden Interventionsmöglichkeiten, die wir exemplarisch am Beispiel der Mission in Afghanistan analysieren: Hat im Laufe der Zeit eine Wandlung dieser Elemente (Aufbau, Durchführung, Zielsetzung) stattgefunden? Welche Probleme ergeben sich bei den verschiedenen Strategien? Welche Perspektiven können wir erkennen? Die Frage nach Erfolg oder Misserfolg der peacebuilding und peacekeeping operations möchten wir abschließend anhand der aktuellen Situation in Afghanistan analysieren. 2. Einordnung von peacekeeping und peacebuilding operations in das Gesamtsystem UN 2.1 Konzept der UN Wann – wenn überhaupt – ist staatliche Intervention (ob militärisch oder nicht) angebracht? Gibt es ein „Recht auf Intervention“ oder gar eine „Pflicht zur Intervention“? Wenn ja, wann und in welcher Form existieren sie? Unter welcher Autorität können staatliche Interventionen stattfinden? In diesem Kapitel soll es darum gehen, mögliche Antworten der UN auf diese Fragen zu finden, um somit das Konzept der UN peacekeeping und peacebuilding operations darzustellen. Grundlage hierfür sind im Folgenden die Ergebnisse der International

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Adrijana Mujic/Wiebke Schmalz

UN-peacebuilding und peacekeeping operations

1. Einleitung

In dem folgenden Aufsatz geht es um die peacekeeping und peacebuilding operations der

Vereinten Nationen (UN) im Rahmen internationaler Interventionsmöglichkeiten in

Krisenregionen. Um am Ende die Frage nach Erfolg oder Misserfolg der beiden Konzepte

beantworten zu können, gehen wir in einem ersten Teil der Arbeit auf das Konzept und die

institutionelle Einordnung von peacebuilding und peacekeeping in das System der UN ein.

Weiterhin geht es explizit um Aufbau, Durchführung und Zielsetzung der beiden

Interventionsmöglichkeiten, die wir exemplarisch am Beispiel der Mission in Afghanistan

analysieren: Hat im Laufe der Zeit eine Wandlung dieser Elemente (Aufbau, Durchführung,

Zielsetzung) stattgefunden? Welche Probleme ergeben sich bei den verschiedenen Strategien?

Welche Perspektiven können wir erkennen? Die Frage nach Erfolg oder Misserfolg der

peacebuilding und peacekeeping operations möchten wir abschließend anhand der aktuellen

Situation in Afghanistan analysieren.

2. Einordnung von peacekeeping und peacebuilding operations in das Gesamtsystem UN

2.1 Konzept der UN

Wann – wenn überhaupt – ist staatliche Intervention (ob militärisch oder nicht) angebracht?

Gibt es ein „Recht auf Intervention“ oder gar eine „Pflicht zur Intervention“? Wenn ja, wann

und in welcher Form existieren sie? Unter welcher Autorität können staatliche Interventionen

stattfinden?

In diesem Kapitel soll es darum gehen, mögliche Antworten der UN auf diese Fragen zu

finden, um somit das Konzept der UN peacekeeping und peacebuilding operations

darzustellen. Grundlage hierfür sind im Folgenden die Ergebnisse der International

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Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS)1, die ihren Bericht im Herbst 2001

vorlegte (ICISS 2001). Im Besonderen ging es hierbei um die Frage, wie militärische

Interventionen in selbstständigen Staaten vor dem Hintergrund des in der UN-Charta

verankerten Grundsatzes staatlicher Souveränität legitimiert werden können (vergleiche hier

und im Folgenden Evans 2001: 1-80). Denn in Artikel 2 Absatz 4 der UN-Charta ist eben

diese staatliche Souveränität festgeschrieben, die jede Einmischung in einen Staat von außen

untersagt. Eine militärische Intervention wird durch das Gewaltverbot sogar explizit geächtet

und einem Staat für einen solchen Fall ein Widerstandsrecht gegen diese Intervention

zugebilligt (Artikel 51).

Ausgangspunkt der ICISS für jegliche weitergehende Überlegung war nun zunächst einmal

eine Art Neuinterpretation des Völkerrechts, nämlich die Annahme, dass souveräne Staaten

die Verantwortung dafür tragen, ihre Bevölkerung zu schützen (Evans 2001: 13). Staatliche

Souveränität impliziert hierbei eine doppelte Verantwortung: Zum einen muss ein Staat die

Souveränität anderer Staaten respektieren. Zum anderen muss dieser Staat auch die Würde

und die Grundrechte aller Völker im Staat selbst respektieren. Kann oder will ein Staat diesen

Pflichten nicht nachkommen, so wird diese Verantwortung auf die Staatengemeinschaft

übertragen. Der Staat kann sich dann nicht mehr auf seine Souveränität berufen. Ab wann

aber kann man sagen, ein Staat komme seiner Pflicht, die Bevölkerung zu beschützen, nicht

nach? Die ICISS definiert dies folgendermaßen: Menschenrechtsverletzungen wie zum

Beispiel systematische Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen, Inhaftierung von

Regimegegnern, Beschränkungen der Meinungsfreiheit oder ähnliches sind keine Gründe für

Intervention. Gründe für eine Intervention liegen hingegen dann vor, wenn es im betrachteten

Staat hohe menschliche Verluste gibt, die das Ergebnis staatlicher Handlungen oder

Handlungsunfähigkeit sind, oder wenn die Gefahr eines Völkermords besteht. In diesen Fällen

wird aus dem Grundsatz der Nicht-Intervention die internationale Verantwortung, zu

beschützen (Evans 2001: 18). Diese setzt sich aus drei Elementen (Evans 2001: 19-46)

zusammen:

1. Verantwortung, zu verhindern (Prävention),

2. Verantwortung, zu reagieren,

3. Verantwortung zum Wiederaufbau.

1 Die Kommission bestand aus zwölf Mitgliedern der folgenden Länder: Australien, Algerien, Kanada, den USA, Russland, Deutschland, Südafrika, den Philippinen, Schweiz, Guatemala und Indien.

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Wägt man diese drei Elemente gegeneinander ab, so ist die Prävention generell das wichtigste

aller Mittel (Evans 2001: 19). Die Verantwortung, zu beschützen muss einhergehen mit der

Verantwortung, menschliche Verluste zu verhindern. Eine Basis für Konfliktprävention bilden

laut den UN solche Vereinbarungen, die eine faire Behandlung sowie faire Chancen für alle

Bürger garantieren, so zum Beispiel Menschenrechte und eine gerechte Verteilung von

Ressourcen. Konfliktprävention ist jedoch nicht ausschließlich eine Angelegenheit des

betroffenen Staates. Misserfolge bei Präventivmaßnahmen können auch internationale

Konsequenzen haben und Kosten verursachen, was die Notwendigkeit von und auch das

Interesse an Unterstützung in Krisengebieten durch die internationale Gemeinschaft

begründet. Diese Unterstützung kann zum Beispiel in Form von Entwicklungshilfe oder auch

finanzieller Förderung lokaler Initiativen erfolgen.

Effektive Krisenprävention gliedert sich in drei Schritte (Evans 2001: 21-27):

a) Frühwarnsystem,

b) präventive Werkzeuge,

c) politischer Wille,

Der Schritt des Frühwarnsystems meint die Tatsache, dass zunächst eine genaue Kenntnis der

Problematik sowie der bestehenden Risiken wichtig ist. Weiterhin geht es in Schritt b) um die

Auslotung politischer Möglichkeiten und Instrumente, die zur Verfügung stehen und zuletzt

(„politischer Wille“) um den Willen der lokalen Entscheidungsträger, diese Instrumente auch

anzuwenden.

Schlagen die präventiven Maßnahmen fehl, so wird weitere Intervention nötig (Evans 2001:

29-38). Aus der„Verantwortung zu reagieren“ (ebda.) können peacekeeping operations

folgen. Diese Interventionen sind nur in „extremen Fällen“ militärischer Art. Sie können

ebenso politische oder ökonomische Sanktionen bedeuten, die die lokalen Akteure zum

Handeln zwingen sollen. Militärische Interventionen sind vor allem deshalb erst die letzte

Option, weil sie die lokalen Autoritätsstrukturen maßgeblich stören und in der Regel Gewalt

auch für die Zivilbevölkerung bedeuten.2 Was ist nun ein so genannter „extremer Fall“, in

dem militärische Interventionen gerechtfertig sind? In der Regel gilt zunächst das Prinzip der

Nicht-Intervention. Ist aber in einem Staat die Ordnung zusammengebrochen, herrscht brutale 2 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war eines von zehn Opfern ein Zivilist; heute sind neun von zehn Opfern Zivilisten.

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Unterdrückung der Bürger und ist die Bevölkerung von Massakern und Völkermord bedroht,

so ist davon auszugehen, dass innerhalb der Mitgliedsstaaten der UN Einigkeit über eine

militärische Intervention herrscht.

Im Rahmen des dritten Elements, nämlich der Verantwortung der Staatengemeinschaft bzw.

der „Verantwortung zum Wiederaufbau“ (Evans 2001: 39-46) geht es nun um postkonfliktive

Maßnahmen, zu denen auch die peacebuilding operations zählen. Gerade nach militärischer

Intervention muss laut den Vereinten Nationen Hilfe zur Bildung eines dauerhaften und

nachhaltigen Friedens geleistet und die öffentliche Sicherheit und Ordnung von

internationalen Vertretern in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren (wieder-)hergestellt

werden. So ist die Präsenz der intervenierenden Kräfte auch nach dem Wegfall des

eigentlichen Grundes für die Intervention wichtig, denn es muss sichergestellt werden, dass

die Auslöser für den Konflikt nicht zurückkehren. Wiederaufbau wird in den betroffenen

Ländern am Sinnvollsten von den zuvor bewaffneten Einheiten betrieben, da diese Kultur,

Bevölkerung und geographische Gegebenheiten der Region bereits kennen. Im Rahmen dieses

Wiederaufbaus geht es vor allem um die Instandsetzung von Infrastruktur, den Wiederaufbau

von Häusern, die Stärkung nationaler Institutionen, die Beobachtung von Wahlen etc.

Peacebuilding soll aber humanitäre Hilfe oder Entwicklungshilfe nicht ersetzen, sondern ist

vielmehr auf die Ausschaltung ursprünglicher Ursachen des jeweiligen Konflikts konzentriert

(Evans 2001: 39). Wichtig ist hierbei die Tatsache, dass Staaten unmittelbar nach einem

Bürgerkrieg oder anderen Konflikten spezielle Bedürfnisse haben, wie die Stärkung der

nationalen Einheit, die Wiedereingliederung von Flüchtlingen und die Mobilisierung eigener

Kräfte für den Wiederaufbau der Wirtschaft. Inhaltlich gliedert sich das dritte Element der

Verantwortung zum Wiederaufbau nun in folgende drei Hauptbestandteile (Evans 2001: 40-

43): Zunächst ist die Sicherheit einer der wichtigsten Aspekte der Zeit unmittelbar nach einem

Konflikt. In Postkonfliktstaaten ist die Gefahr von Racheakten zwischen verschiedenen

Bevölkerungsgruppen generell gegeben und gerade deshalb ist die Entwaffnung,

Demobilisierung und Reintegration der ehemaligen lokalen Sicherheitskräfte sowie

nichtstaatlicher Gewaltakteure von Bedeutung. Zweiter Hauptbestandteil von peacebuilding-

Maßnahmen ist das Recht. In vielen Fällen existierte bereits vor der Intervention kein

funktionierendes Rechtssystem und es ergibt sich somit das Problem, dass

Menschenrechtsverletzungen nicht gesetzlich geahndet werden können. Außerdem sind die

Organisation der Rückkehr von Flüchtlingen und deren rechtmäßige Behandlung wichtig. Am

Beispiel des ehemaligen Jugoslawiens wird die Problematik von Staatsbesitz beziehungsweise

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dessen Distribution deutlich. Dritter Bestandteil ist die Entwicklung. Hierbei soll es laut UN

hauptsächlich um die Bestärkung wirtschaftlichen Wachstums und den Wiederaufbau von

Märkten gehen. Von Bedeutung sind ein möglichst schnelles Ende eventuell bestehender

wirtschaftlicher Sanktionen sowie der Transfer von Projektdurchführungen etc. auf lokale

Leitung.

Negative Aspekte von längeren Aufenthalten in Postkonfliktstaaten bestehen vor allem in der

Frage nach der Hoheitsgewalt sowie der Gefahr von Abhängigkeit und „Verformung“ des

betroffenen Staates (Evans 2001: 44-45). Das Problem der Hoheitsgewalt ergibt sich aus der

Tatsache, dass, wie bereits erwähnt, während der Interventionen die Staatssouveränität

teilweise außer Kraft gesetzt worden ist. Die Gefahr von Abhängigkeit und Verformung

entsteht aus folgendem Konflikt: Eine ehemals unzureichende, erfolglose

Administration/Regierung in einem Staat, die das Volk öffentlich bedroht, behindert den

Erfolg einer längerfristigen Aufbauanstrengung. Andererseits müssen aber lokale Akteure in

die Regierungsbildung einbezogen werden, um eine Abhängigkeit von den intervenierenden

Kräften zu verhindern. Auch bedeutet eine militärische Intervention immer die Einfuhr

ausländischer Währung, was durchaus problematische Auswirkungen auf eine oftmals

sowieso schon schwache Wirtschaft im betroffenen Staat haben kann. Für die

intervenierenden Staaten selbst liegt die Problematik bei längeren Einsätzen in

Postkonfliktstaaten in dem enormen finanziellen Aufwand.

Um einen Erfolg von postkonfliktiven Operationen zu erzielen, ist also eine genaue

Koordination der internationalen Akteure untereinander ebenso wichtig wie die Balance

zwischen den Verantwortungsbereichen internationaler und lokaler Akteure. Die

Verantwortung muss nach und nach auf lokale Akteure übertragen werden, was auch für die

generelle Legitimierung der Intervention bedeutsam ist.

2.2 Institutioneller Rahmen

Im Folgenden gehen wir auf den institutionellen Rahmen der Vereinten Nationen und die

Einordnung von peacekeeping und peacebuilding operations in dieses Gefüge ein. Besonders

relevant ist in unserem Fall der Sicherheitsrat, eines der sechs Hauptorgane der UN.

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„Wir, die Völker der Vereinten Nationen – fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der

Geißel des Krieges zu bewahren […] und für diese Zwecke […] unsere Kräfte zu vereinen,

um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren […].“ (UNRIC 2007).

Seit der Gründung der Vereinten Nationen 1945 stellt die Wahrung des Weltfriedens das

oberste Ziel der Staatengemeinschaft dar. Durch die Verabschiedung der Charta am 26. Juni

1945 wurde dieses u.a. in der Präambel als auch in Artikel 1 der Charta schriftlich fixiert. Um

Frieden und Sicherheit auf der Welt zu festigen bzw. zu gewährleisten, ergänzen sich der

Sicherheitsrat, die Generalversammlung und der Generalsekretär in ihrer Arbeit. Hierbei trägt

der Sicherheitsrat, bestehend aus 15 Mitgliedern3, die Hauptverantwortung. Die Einberufung

des Rates erfolgt entweder auf Antrag eines Mitgliedes, unter Umständen aber auch eines

Nicht-Mitglieds, der Generalversammlung oder des Generalsekretärs. Um Resolutionen zu

verabschieden, benötigt der Rat eine Mehrheit von neun Stimmen. Bei substantiellen Fragen

(Sanktionen etc.) müssen zur Mehrheit auch die fünf ständigen Mitglieder zustimmen

(Fröhlich 2001). Beschlüsse des Rates sind bindend und müssen, nach Artikel 25 der Charta,

von allen Mitgliedsstaaten der UN angenommen und durchgeführt werden (Vereinte Nationen

2007: 9).

Um stufenweise auf unterschiedliche Phasen und Ausmaße von Konflikten zu reagieren, steht

dem Rat ein komplexes Instrumentarium zur Verfügung. Die Maßnahmen, die dabei

eingeleitet werden können, unterteilen sich in friedliche Streitbeilegung und

Zwangsmaßnahmen, festgeschrieben in Kapitel VI und VII der UN-Charta.

Aufgaben, die unter Kapitel VI fallen, sind zum einen die Untersuchung von

friedensbedrohenden Streitigkeiten und Situationen. Um die Entstehung eines Konfliktes zu

verhindern oder einen Konflikt nicht neu aufflammen zu lassen, fordert der Rat die

betroffenen Parteien auf, ihre Streitigkeiten friedlich zu lösen. Empfehlungen können

vorgelegt, Sonderbeauftragte ernannt oder der Generalsekretär ersucht werden, „guten Dienst“

(eigene Vermittlungsinitiativen) anzubieten. Auch kann der Rat selbst als Vermittler

auftreten. Erklärt der Rat nach Artikel 39 eine Konfliktsituation offiziell zur Bedrohung von

Frieden und Sicherheit, werden Zwangsmaßnahmen (Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch

des Friedens und bei Angriffshandlungen) nach Kapitel VII eingeleitet. Diese unterteilen sich

in nicht-militärische und militärische Maßnahmen, die im Namen aller Mitgliedstaaten

angeordnet werden. Beispiele hierfür sind das Unterbrechen von Wirtschaftsbeziehungen, des 3 Bestehend aus den ständigen Mitgliedern: China, Frankreich, Russland, Großbritannien, USA sowie zehn nichtständigen Mitgliedern, die von der Generalversammlung für je zwei Jahre gewählt werden.

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Eisenbahn-, See- oder Luftverkehrs, Sanktionen sowie das Einfrieren diplomatischer

Beziehungen. Erzielen diese nicht ihre Wirkung, können militärische Maßnahmen ergriffen

werden. Mit Hilfe der Streitkräfte von UN-Mitgliedsstaaten können Seeblockaden,

Luftschläge oder Bodentruppeneinsätze durchgeführt werden. Die Genehmigung solcher

Gewalteinsätze findet mit Zustimmung des Sicherheitsrates statt, steht jedoch unter der

Einsatzführung der teilnehmenden Staaten. Der Rat ermächtigt hierbei eine Koalition von

Mitgliedstaaten, „alle notwendigen Mittel“ zur Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit

einzusetzen, was auch Militärschläge impliziert. Im Gegensatz dazu stehen peacekeeping- und

peacebuilding-Einsätze, die vom Rat eingerichtet, bestimmt und vom Generalsekretär geleitet

werden. Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung werden in der UN-Charta zwar nicht

ausdrücklich genannt, doch sind sie wichtige Instrumente zur Erhaltung und Förderung des

Weltfriedens.

3. Peacekeeping

3.1 Entstehung des peacekeeping

Der Begriff „Friedenssicherung“ kommt, wie bereits erwähnt, in der Charta der UN nicht vor.

Dag Hammarskjöld, UN-Generalsekretär von 1953 bis 1961, bezeichnete Friedenssicherung

als „Maßnahme nach Kapitel IV-einhalb“ und stellte sie zwischen die traditionellen Verfahren

der Charta zur Konfliktbeilegung, da sie zwar als Maßnahme die friedliche Streitbeilegung

strukturiert, zugleich aber bewaffnete Truppen vorsieht (Informationszentrum der Vereinten

Nationen Bonn 1998). Peacekeeping, das im Volksmund als „Blauhelmmission“ bekannt ist,

ist das Produkt der ständigen Selbstblockade des Sicherheitsrates während des Kalten

Krieges. Es stellt eine Methode der militärischen Friedenssicherung dar und wird vom

Sicherheitsrat mit Zustimmung des Gastlandes und gegebenenfalls anderer beteiligter Parteien

beschlossen. Da es nicht auf Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII zurückgreift, beruht es auf

Prinzipien der Duldung durch die Konfliktparteien, der absoluten Unparteilichkeit und der

Begrenzung eines Waffeneinsatzes zur ausschließlichen Selbstverteidigung (Fröhlich 2001).

3.2 Peacekeeper

Für die Planung und Realisierung von Friedensmissionen wurde im Sekretariat der UN eine

Hauptabteilung, das Department of Peacekeeping Operations (DPKO) geschaffen. Da die UN

nicht über eine eigene Armee verfügen, stellen die jeweiligen Mitgliedsstaaten (auf

freiwilliger Basis) Personal, Ausrüstung und Logistik für den Einsatz. Peacekeeping-Soldaten

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tragen die Uniform ihrer Nation; durch den blauen UN-Helm, das blaue UN-Barett sowie ein

UN-Abzeichen können sie als Angehörige der UN-Friedenstruppen erkannt werden. Die

Einsätze werden vom Generalsekretär geleitet, größere Einsätze erhalten einen

Sonderbeauftragten des Generalsekretärs und werden von diesem angeführt. Soldaten,

militärische Beobachter, polizeiliches Personal etc. sind Angestellte der Vereinten Nationen.

Sie handeln als Nebenorgane des Sicherheitsrates, stehen jedoch unter der Befehlsgewalt ihrer

Regierungen (UNRIC o.J.).

3.3 Peacekeeping-Prinzipien

Folgende Prinzipien gelten als grundsätzliche Leitideen, die klassische, aber auch heutige

peacekeeping-Missionen prägen: Voraussetzung für Blauhelmmissionen sind die

Konfliktbeendigung durch Waffenstillstand oder Friedensverträge und die Zustimmung des

Gastlandes sowie der dort vertretenen Parteien. Damit wird die Gefahr gemindert, dass

Blauhelme in Kampfhandlungen einbezogen werden. Eng damit verbunden ist das Prinzip der

Unparteilichkeit. Blauhelme sollen Pufferzonen zwischen den Konfliktparteien bilden und

Kampfhandlungen vorbeugen. Ein Eingreifen in den Konflikt ist in den meisten Fällen nicht

Bestand des Mandates. Waffen, die von Mitarbeitern der Friedenstruppen mitgeführt werden,

dienen ausschließlich der Selbstverteidigung bzw. Durchsetzung des erteilten Mandates

(Gareis 2002).

3.4 Peacekeeping-Generationen

Die Geschichte der Blauhelme beginnt im Jahr 1948 mit der Überwachung des

Waffenstillstands im Nahen Osten (vgl. hier und im Folgenden Kühne 2005). Zwischen 1948

und 2004 wirkten über 750.000 Mitarbeiter aus mehr als 130 Ländern an

Friedenssicherungseinsätzen der UN mit (Vereinte Nationen 2006: 82). Bis zum Jahr 1988,

als den UN-Truppen der Friedensnobelpreis verliehen wurde, betrug die Zahl der Einsätze 13.

Von 1988 bis 2006 kamen weitere 48 Einsätze hinzu. Momentan betreibt das DPKO 16

laufende Missionen.

Das „klassische“ peacekeeping wurde für Kriege zwischen Staaten bzw. zwischen klar

differenzierbaren Parteien entwickelt. Innerstaatliche Konflikte, Staatszerfall und die daraus

folgenden Probleme stellten den Einsatz von militärischer Gewalt sowie die geforderte

Unparteilichkeit der Blauhelme vor veränderte und komplizierte Herausforderungen. Einsätze

in Kambodscha, Mittelamerika oder Mosambik weckten große Hoffnungen hinsichtlich der

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Rolle von peacekeeping-Einsätzen bei präventiven Lösungen dieser „neuen“ Art von

Konflikten. Umso ernüchternder waren dann die Rückschläge in Bosnien-Herzegowina und

Ruanda4 im Jahr 1994. Schuld daran waren weniger die Einsatzkräfte als vielmehr

mangelnder politischer Wille der internationalen Gemeinschaft. Zugleich war das Scheitern

Ausdruck konzeptioneller Probleme der UN (Kühne 2005). Im Laufe der Jahre änderten sich

die traditionellen Blauhelmmissionen, entwickelten sich weiter und passten sich den

Gegebenheiten der Konflikte an. Wir können nun zwischen vier verschiedenen Generationen

von Friedenseinsätzen unterscheiden.

Zur ersten Generation zählt die Überwachung von Waffenstillständen nach

zwischenstaatlichen Kriegen beispielsweise auf dem Sinai (UN Emergency Force) ab Mitte

der 1950er Jahre oder in Zypern (UN Peacekeeping Force in Cyprus) Mitte der 1960er Jahre.

Das Personal solcher Einsätze bestand fast ausschließlich aus Militärangehörigen und beruhte

auf Prinzipien der Unparteilichkeit, Einverständnis der Konfliktparteien sowie der

ausschließlichen Anwendung von Gewalt zur Selbstverteidigung.

Ende der 1980er Jahre, zeitgleich mit dem Ende des Kalten Krieges, entwickelte sich die

zweite Generation der Friedenssicherung. Zur Überwachung von Waffenstillständen kamen

Mechanismen zur Beendigung von Konflikten wie politische, soziale und ökonomische

Lösungsansätze als strategische Aufgaben hinzu. Ziviles Personal, Wahlbeobachter,

Menschenrechtsbeobachter, Polizei etc. wurden bei dieser Art von Einsätzen wichtige Partner

des Militärs. Ihre Aufgaben reichten von Mitarbeit zur Entwaffnung über das Beobachten und

Durchführen von freien Wahlen, Ausbildung ziviler Polizeikräfte bis hin zur Verteilung

humanitärer Hilfen an die Bevölkerung. Diese Einsätze in Namibia, Mittelamerika, Mosambik

und Kambodscha konnten, im Gegensatz zu denen der ersten Generation, relativ schnell

abgeschlossen werden. Ein bis heute ungelöstes Problem besteht allerdings in der

Koordination der Fülle von Akteuren.

Die Tatsache des Staatszerfalls brachte jedoch in Liberia, Haiti, Ex-Jugoslawien etc. eine

unangenehme Einsicht: Friedensverträge und Waffenstillstandsverträge wurden gebrochen,

Kampfhandlungen wieder aufgenommen. Warlords und andere bewaffnete Gruppen schufen

Verhältnisse, die für die klassischen Blauhelme nicht mehr zu bewältigen waren. Die Zeit der

dritten Generation von robusten Friedenseinsätzen folgte. Die Doktrin der Nichtanwendung

von Gewalt konnte nicht mehr länger aufrechterhalten werden. In Somalia wurden erstmals

4 Siehe dazu ausführlich den Beitrag von Kerler/Roggenkamp in diesem Band.

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Truppen mit einem „robusten“ Mandat, das auf Kapitel VII der Charta basiert, ausgestattet

und die begrenzte Anwendung von Gewalt wurde erlaubt (Gareis 2002). Bei diesem Typus

von Einsätzen gelten die traditionellen Prinzipien des peacekeeping (siehe 3.3) weiterhin;

darüber hinaus besteht nun die Möglichkeit, „Gewalt im Sinne militärischer

Zwangsmaßnahmen in begrenztem Umfang zur Verteidigung und Durchsetzung des Mandats

[…] anzuwenden.“ (Kühne 2005). Es geht darum, ein sicheres Umfeld für Akteure und die

Wiederaufbauarbeit zu schaffen, denn ohne ein sicheres Umfeld kann peacebuilding nicht

erbracht werden. Mittlerweile hat sich das robuste peacekeeping als dominante Form der

Friedenseinsätze durchgesetzt.

Trotz allem wird, wenn auch nicht im Sprachgebrauch der UN, von einer vierten Generation

des Friedenssicherns gesprochen. Es handelt sich dabei um die Ergänzung der Einsätze dritter

Generation durch die Übernahme politischer Verantwortung, also „exekutiver“ Aufgaben.

Ansatzweise geschah dieses zu Beginn der 1990er Jahre in Kambodscha und später im

Kosovo. Der Sicherheitsrat autorisierte solche „exekutiven Mandate“ nur bei Ländern, die

vergleichsweise klein und für Groß- und Mittelmächte strategisch wichtige Regionen sind

(Gareis 2002).

3.5 Peacekeeping in Afghanistan

Die Grundlage des Einsatzes der UN Good Offices Mission in Afghanistan and Pakistan

(UNGOMAP) bildete keine Mandatsresolution des Sicherheitsrates, sondern das zwischen

Afghanistan, Pakistan, der Sowjetunion und den USA am 14. April 1988 in Genf

abgeschlossene Afghanistan-Abkommen. Die UN sollten laut dieser Abmachung die

Einhaltung der Vertragsbestimmungen übernehmen. Der Generalsekretär wurde dazu

ermächtigt, im Rahmen seiner „guten Dienste“ eine entsprechende Überwachungseinheit

aufzustellen. Im Oktober 1988 übernahm der Sicherheitsrat das Mandat für UNGOMAP. 50

Offiziere hatten die Aufgabe, den sowjetischen Truppenabzug, die Rückführung von

Flüchtlingen und ab Februar 1989 die Waffenruhe zu überwachen (UNAMA 2007b).

UNGOMAP wurde im März 1990 abgeschlossen.

3.6 Zwischenfazit

Die Entwicklung der peacekeeping-Einsätze zeigt, wie wichtig es für den Erfolg einer

Mission ist, auf Individualität und Ausmaß von Konflikten richtig zu reagieren, diese

möglichst präzise zu planen und das Zusammenspiel von peacekeeping und peacebuilding

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sinnvoll zu koordinieren, um möglichst dauerhaften Frieden für eine Region und die

Betroffenen zu schaffen. Peacebuilding kann nur dann zum Einsatz kommen, wenn Ordnung

und Sicherheit in einer Region zumindest ansatzweise wiederhergestellt sind.

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4. Peacebuilding

4.1 Der peacebuilding-Ansatz und seine Umsetzung in der Praxis

Dass neben peacekeeping operations auch post-conflict peacebuilding ein entscheidendes

Element der Friedensarbeit der Vereinten Nationen sein muss, wurde bereits 1994 vom

Sicherheitsrat in der „Agenda for Peace“ (United Nations, Secretary General 1994)

festgehalten. Danach kann peacebuilding als Friedenskonsolidierung nach dem Ende der

Kampfhandlungen definiert werden, die auf die Stärkung und Entwicklung entsprechender

Strukturen gerichtet ist, um einen Rückfall in die Gewalt zu verhindern (ebda.). Während es

beim peacekeeping um die Stationierung multinationaler Truppen zur Friedenssicherung geht,

zielt peacebuilding in einer umfassenderen Weise auf die Bewältigung der politischen,

wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen von Bürgerkriegen sowie auf die Bearbeitung

struktureller Konfliktursachen wie sozioökonomische Ungleichheit, ethnonationale

Spannungen, Ressourcenknappheit ab (Schneckener 2005: 17-38). Klassische peacekeeper

sind möglichst um Neutralität gegenüber den Konfliktparteien bemüht, während es sich beim

peacebuilding um Langzeitvorhaben handelt, bei dem die Stärkung lokaler Kapazitäten im

Vordergrund steht, was in der Regel zur Bevorzugung bestimmter Akteure gegenüber anderen

führt.

In der Literatur wird peacebuilding nun in die folgenden Dimensionen aufgeteilt (Ferdowsi

2003: 31–36):

1. Sicherheitspolitischer Bereich (Abrüstungsmaßnahmen, Rüstungskontrollen, Entwaffnung,

Demobilisierung sowie Reintegration von Gewaltakteuren, Reform des Sicherheitssektors),

2. Politik (Aufbau einer zivilen Verwaltung, Entwicklung rechtsstaatlicher Strukturen,

Schaffung politischer Institutionen, Durchführung freier Wahlen, Verabschiedung einer neuen

Verfassung, Gewährleistung von Grundfreiheiten, Menschenrechten und Pressefreiheit),

3. sozioökonomische Maßnahmen (Programme zur Transformation der Bürgerkriegs- und

Gewaltökonomien, Wiederaufbau der zumeist zerstörten Infrastruktur, Reaktivierung der

Wirtschaft und Landwirtschaft, Aufbau eines Gesundheits- und Bildungssystems,

Bekämpfung von Armut und ökologischen Problemen),

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4. psycho-soziale Aspekte (Betreuung und Reintegration von Flüchtlingen, Kriegsopfern und

Kindersoldaten, Projekte zur Versöhnung und Bewältigung der konfliktreichen

Vergangenheit).

Schneckener ergänzt diese vier Dimensionen in seinem Beitrag noch um den Aspekt der

Regionalpolitik (Schneckener 2005: 22), da seiner Meinung nach die Mehrheit der Konflikte

und Bürgerkriege regionale Auswirkungen (z.B. Flüchtlingswellen) hat. Oftmals gilt auch die

umgekehrte Dimension: Nachbarländer aus der Region greifen beispielsweise mit

Waffenlieferungen, Unterschlupf für Rebellengruppen oder Ähnlichem in den Konflikt ein.

Somit muss es beim peacebuilding auch um die politische und ökonomische Einbeziehung

der Nachbarstaaten in den Friedensprozess gehen.

Wie sieht nun die Umsetzung dieser Überlegungen in der Empirie aus? In der Praxis gibt es

laut Schneckener verschiedene Strategien, die die Akteure anwenden, was sich aus den

verschiedenen Hypothesen über das Verhalten der Konfliktparteien, die Ursache des

Konfliktes, Prioritäten beim peacebuilding, dazu notwendige Ressourcen sowie den zeitlichen

Horizont der Mission ergibt (vgl. Tabelle 1): liberalization first, security first,

insitutionalization first und civil society first.

Bei der Strategie liberalization first geht es hauptsächlich um die Entwicklung politischer und

ökonomischer Freiheiten, also um Demokratisierung und Einführung marktwirtschaftlicher

Elemente. Nach Annahme der liberalen Theorie in den Internationalen Beziehungen sind

marktwirtschaftliche Demokratien sowohl nach innen als auch nach außen die beste Gewähr

für Frieden. Die Lebenssituation der betroffenen Menschen soll möglichst schnell verbessert

werden, um auf diese Art und Weise das Konfliktpotenzial zu minimieren.

Im Gegensatz hierzu geht es bei security first vor allem um die Bildung eines sicheren

Umfeldes für die betroffene Bevölkerung sowie die Wiederherstellung des staatlichen

Gewaltmonopols. Wichtig hierfür ist die Trennung der bewaffneten Konfliktparteien. Im

Rahmen des peacebuilding-Prozesses steht also die Abrüstung, Entwaffnung und

gesellschaftliche Reintegration der ehemaligen Kämpfer an erster Stelle.

Bei der Strategie institutionalization first steht wiederum der Aufbau legitimer und effektiver

staatlicher Institutionen im Vordergrund, die in der Lage sein müssen, wesentliche

Dienstleistungen zu erbringen und staatliche Aufgaben zu erfüllen. Neben dem Aufbau dieser

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staatlichen Institutionen wird der Aufbau von Polizei, Justizsystem und öffentlicher

Verwaltung, die Bekämpfung der Korruption sowie der Aufbau von Institutionen zur

Konfliktbearbeitung als zentral angesehen.

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Die vierte Strategie ist die sogenannte civil society first: Dauerhafter Frieden soll hierbei „von

unten“ wachsen. Notwendig hierfür ist die Förderung einer aktiven Zivilgesellschaft bzw. die

Mobilisierung gesellschaftlicher Kräfte, um eine politische Kultur zu entwickeln, in der

Konflikte gewaltfrei ausgetragen werden.

Jede der Strategien hat ihre Vor- und Nachteile sowie Risiken und Nebenwirkungen.

Besonders problematisch ist unserer Meinung nach die civil-society-first-Strategie, bei der

von dem Fehlen einer Zivilgesellschaft ausgegangen wird. Voraussetzung für die Entstehung

einer politischen Kultur, in der Konflikte gewaltfrei ausgetragen werden, ist aber die

Veränderung gesellschaftlicher Normen, die unserer Meinung nach nicht das Ziel von

peacebuilding oder generell von Interventionen in fremde Staaten und Kulturen sein sollten.

Die Veränderung gesellschaftlicher Normen kann man unserer Ansicht nach weiterhin nicht

herbeiführen, schon gar nicht in einem Prozess von 10 bis 20 Jahren.

In der Praxis wird nicht ausschließlich eine der vier Strategien angewandt, sondern vielmehr

ein „Strategie-Mix“, da in jedem postkonfliktiven Prozess verschiedene Geldgeber und

Unterstützer natürlich auch verschiedene Interessen und Schwerpunkte vertreten wissen

wollen.

4.1 Peacebuilding operations – Beispiel Afghanistan

Betrachtet man peacekeeping operations, so gibt es verschiedene Typen von Einsätzen; diese

lassen sich nach verschiedenen Merkmalen ordnen. Die Typologie orientiert sich generell an

der Frage, inwieweit eine Operation in die inneren Belange eines Staates eingreift. In der

Regel gibt es aber keine fertigen Vorlagen für die verschiedenen Einsätze, sondern eine

speziell auf den Fall zugeschnittene Planung. In Tabelle 2 haben wir versucht, diese

verschiedenen Typologien, ihre Hauptschwerpunkte, Instrumente sowie einige Beispiele

anzuführen, wobei die Intensität des Eingreifens in die Souveränität des betroffenen Staates

von oben nach unten hin zunimmt. Aktuell gibt es insgesamt zwölf Gebiete, in denen

peacebuilding operations durchgeführt werden (siehe auch Abbildung 2).

Planung, Durchführung und Inhalt einer peacebuilding operation soll im Folgenden am Fall

Afghanistan gezeigt werden, um abschließend die Frage nach Erfolg oder Misserfolg dieser

Mission beantworten zu können.

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4.2.1 UNAMA – Aufbau und Zielsetzung der Operation

Nachdem die Geschichte UN geleiteter peacekeeping operations in Afghanistan bereits in

Kapitel 3.6 in Kürze behandelt wurde, möchten wir die folgende Darstellung mit der Bildung

der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) am 28. März 2002

beginnen. Diese Mission wurde durch die Resolution 1401 vom Sicherheitsrat der Vereinten

Nationen verabschiedet (vgl. Resolution 1401 (2002)). Das Mandat gilt zunächst für zwölf

Monate und wurde bisher jährlich um diesen Zeitraum verlängert. Die Inhalte des Mandats

von 2002 wurden im Rahmen des Bonner Abkommens5 bereits im Dezember 2001

vorbereitend erarbeitet. Lagen damals die Schwerpunkte noch auf dem Wiederaufbau und der

nationalen Aussöhnung, so wurden mit dem aktuellen Mandat vom 23. März 2007

(Resolution 1746 (2007)) die folgenden sechs Elemente als zentral festgehalten:

Bereitstellung von politischem und strategischem Rat bezüglich des Friedensprozesses,

Bereitstellung effizienter Büros, Hilfestellung für die afghanische Regierung bezüglich der

Umsetzung des Afghanistan Compact6, Förderung der Menschenrechte, Bereitstellung

technischer Hilfe, Weiterführung aller humanitären Hilfs-, Wiederaufbau- und

Erholungsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit der Regierung.

UNAMA versteht sich hierbei als eine politische Mission, die vom UN-Department für

Peacekeeping Operations geleitet und unterstützt wird. Zurzeit arbeiten 1.000 Mitglieder

unter der Leitung des Deutschen Tom Königs7 für die Mission. 80 Prozent der Mitarbeiter

sind afghanischer Nationalität. Das Hauptbüro befindet sich in Kabul, zusätzlich gibt es acht

regionale Büros im ganzen Land sowie zwei Kontaktstellen in Islamabad und Teheran. Unter

dem Schlagwort „to work itself out of a job“ (UNAMA 2007a) ist das generelle Ziel von

UNAMA, lokale Kapazitäten zu fördern, um so die Etablierung starker und dauerhafter

afghanischer Institutionen voranzutreiben. Im Folgenden möchten wir auf die einzelnen

Aufgabengebiete und die praktische Umsetzung der UN-Ziele (UNAMA 2007) eingehen.

5 Vgl. für Teilnehmer sowie den genauen Inhalte des Bonner Abkommens UNAMA 2002. 6 Das Schlussdokument (UNAMA 2006) der London Conference on Afghanistan, welche vom 31. Januar bis zum 1. Februar 2006 tagte, schreibt drei wesentliche Handlungsfelder für die kommenden fünf Jahre fest: 1. Sicherheit; 2. Umsetzung der Menschenrechte, das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und governance sowie 3. wirtschaftliche und soziale Entwicklung. 7 Tom Königs trat sein Amt im Februar 2006 als Nachfolger von Jean Arnault (2004-2006) und Lakhadar Brahimi an.

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4.2.2 Politische Belange

Die Hauptaspekte bezüglich politischer Belange wurden im Bonner Abkommen 2001

festgelegt. So geht es in diesem Bereich um die Prävention und Lösung von Konflikten, den

Aufbau von Vertrauen und die Förderung nationaler Aussöhnung, die Beobachtung der

politischen Situation sowie die Beobachtung von Menschenrechtsverletzungen. Inhaltlich gab

es bisher die folgenden, von UNAMA eingeleiteten und überwachten Schritte: Emergency

Loya Jirga (2002), Konstitutionelle Loya Jirga (2004), Präsidentschaftswahl (2004) sowie die

Parlamentswahlen (2005).8

Im Rahmen der Emergency Loya Jirga ging es darum, einen Präsidenten für die

Übergangsregierung zu wählen – dies geschah am Ende der Jirga, die vom 12. bis 19. Juni

2002 tagte. Gewählt wurde Hamid Karzai. Möglich wurde die Emergency Loya Jirga durch

die Arbeit der Unabhängigen Kommission für die Einberufung der Emergency Loya Jirga.

Von April bis Juni 2002 reisten von dieser Kommission organisierte und von 50 UN-

Mitarbeitern begleitete Teams durch ganz Afghanistan, um so die Wahl der 1.500

Abgeordneten aus 400 Distrikten zu verwirklichen und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu

erhöhen. Auch während der

Emergency Loya Jirga war UN-Personal vor Ort, überwachte den Ablauf sowie die Wahl und

unterstützte das Loya Jirga-Sekretariat. Im Anschluss an die Loya Jirga hielten Mitarbeiter

von UNAMA einführende Kurse für die 200 gewählten Frauen ab. Die konstitutionelle Loya

Jirga wurde schließlich am 3. November 2002 mit Unterstützung der UN eröffnet und setzte

sich zusammen aus dem Vize-Präsidenten sowie neun Rechtsgelehrten und Juristen, darunter

zwei Frauen. Die konstitutionelle Loya Jirga beendete ihre Arbeit am 4. Januar 2004 mit

nahezu einstimmiger Zustimmung der 506 Abgeordneten für den Gesetzentwurf, in dem zum

ersten Mal in der Geschichte Afghanistans die Gleichstellung von Mann und Frau, die

Akzeptanz anderer Sprachen (neben Dari und Pashto) sowie eine Definition der Nation

inklusive der Minderheiten niedergeschrieben sind.

Dem Bonner Abkommen folgend wurde von der UNAMA sowie den lokalen Mitarbeitern

von Dezember 2003 bis August 2004 zunächst eine Registrierung der Wähler in zwei Phasen

durchgeführt, wobei in der ersten Phase (hauptsächlich ländliche Gegenden) 1,9 Mio. Wähler,

in der zweiten Phase (hauptsächlich in städtischen Gegenden) weitere 8,6 Mio. Wähler

8 Siehe dazu ausführlich den Beitrag von Adorf/Kruska in diesem Band.

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registriert wurden. Die Präsidentschaftswahl fand schließlich am 9. Oktober 2004 statt und

wurde maßgeblich von der Arbeit der neuen nationalen Armee (siehe 4.2.4) unterstützt.

Insgesamt nahmen 70 Prozent aller registrierten Wähler ihr Wahlrecht in Anspruch und

wählten mit einer Mehrheit von 55,4 Prozent den bereits amtierenden Präsidenten der

Übergangsregierung Karzai.

Die Parlamentswahlen waren ursprünglich für April 2005 angesetzt, wurden dann aber

aufgrund mangelnder juristischer und logistischer Vorbereitung noch einmal verschoben. Die

erfolgreiche Durchführung der Parlamentswahlen am 18. September markierte das Ende des

Bonner Abkommensprozesses, da Afghanistan seit diesem Zeitpunkt eine repräsentative

nationale Regierung besitzt.

4.2.3 Menschenrechte

Das Recht auf Leben, Bildung, grundlegende medizinische Versorgung, den Ausdruck der

eigenen Meinung, die Wahl der Vertreter sowie der Schutz vor Folter – all dies ist für die

Bevölkerung Afghanistans nicht selbstverständlich. Im Bonner Abkommen verpflichtete sich

die Übergangsregierung Afghanistans zur Förderung und Respektierung eben dieser Rechte.

Die Aufgabe von UNAMA ist es, die Regierung hierbei zu unterstützen. Im Rahmen dieser

Unterstützung fördert UNAMA den Schutz besonders Bedürftiger, wie zum Beispiel

Flüchtlinge, Frauen und Minderheiten. Wie sieht diese Arbeit konkret aus? Die Mitarbeiter im

UNAMA-Büro für Menschenrechte in Kabul nehmen Klagen von Individuen oder auch

Gruppen, Opfern oder Zeugen von Gewalt und Missbrauch entgegen und untersuchen diese.

Besondere Aufmerksamkeit wird aktuell auch der Untersuchung von Massengräbern im

Norden des Landes gewidmet. Zusammen mit dem Genfer Menschenrechtsbüro und der

Afghan Independent Human Rights Commission (AIHRC) beschleunigt UNAMA die

forensischen Untersuchungen der Gräber auf unparteiische Art und Weise. Die wichtigste

Rolle in Afghanistan bezüglich der Förderung der Menschenrechte kommt aktuell der AIHRC

zu. UNAMA unterstützt diese Kommission vor allem finanziell in all deren Aktivitäten.

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4.2.4 Sicherheitssektor

Die problematische Sicherheitssituation in Afghanistan hat bisher dazu geführt, dass das

Gelingen der Transformation immer wieder in Gefahr gebracht wurde und wird. Kriminelle

Aktivitäten, Terrorismus und Konflikte verschiedener Gruppierungen bilden hierbei die

Hauptprobleme. Dass auch die Vereinten Nationen Ziel dieser Gewalt werden können, wurde

besonders deutlich, als am 28. Oktober 2004 drei Angestellte der UN tagsüber in Kabul

entführt wurden.

Die verschiedenen Bereiche und Aktivitäten der UN im Rahmen des Sicherheitssektors

werden unter der Leitung verschiedener Nationen durchgeführt: Der Prozess der

Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Streitkräfte wird von Japan

geleitet und begann im Oktober 2003. Bis April 2004 konnten 40 Prozent der 100.000

Soldaten entwaffnet sowie alle schweren Waffen unter Verschluss gebracht werden. In Folge

eines neuen Erlasses des Präsidenten von Juli 2004 (finanzielle Sanktionen im Fall von Nicht-

Kooperation) konnten bis Ende September 2004 weitere 5.500 Soldaten entwaffnet werden.

Bisher nehmen 20.000 Soldaten am Prozess der Reintegration teil. Problematisch bleibt

aktuell die Behandlung von irregulären Militärkräften, also all denjenigen bewaffneten

Gruppierungen, die nicht dem Verteidigungsministerium unterstehen. Gerade diese Gruppen

sind zunehmend verantwortlich für die unsichere Situation in vielen Teilen Afghanistans.

Zuständig für den zweiten Bereich des Sicherheitssektors, die Nationale Armee Afghanistans,

sind die USA. Aktuell vereint diese Armee (gegründet von den USA im September 2004)

15.000 Mann. Der gesamte Prozess ist auf die Dauer von fünf Jahren angelegt und am Ende

ist eine Zahl von 70.000 Soldaten angestrebt. Momentan wird vor allem an der technischen

Ausstattung der Korps gearbeitet. Der größte Erfolg der Nationalen Armee war bisher die

Sicherung der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2004.

Für die Reform der afghanischen Polizei ist Deutschland zuständig. Die afghanischen

Polizeikräfte leiden vor allem unter einem Mangel an gut ausgebildeten Offizieren, adäquater

Ausstattung sowie effizienten Befehlsstrukturen. Um diese Probleme zu beheben, wurden

bisher fünf regionale Ausbildungszentren, eine Polizeiakademie (unter deutscher Leitung)

sowie ein zentrales Ausbildungszentrum in Kabul (unter US-amerikanischer Leitung)

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eingerichtet. Bis Oktober 2004 konnten hier insgesamt 2.624 Polizeikräfte ausgebildet

werden.

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Der vierte Bereich im Rahmen des Sicherheitssektors ist die Justizreform, die unter der

Leitung Italiens steht. Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Stärkung des politischen Willens

sowie der Bereitstellung finanzieller und technischer Hilfe für die Reform. Das Hauptproblem

im Justizsektor ist aktuell noch die schlechte Kommunikation zwischen den einzelnen

Institutionen sowie das Fehlen von Gesetzen, um diese Organisationsproblematik in den Griff

zu bekommen. Ebenso fehlt es an Fachkräften. Die Leistungen Italiens in diesem Bereich

bestehen in der Bereitstellung von Experten für die Zusammenarbeit mit dem Ministerium für

höhere Bildung, die Steigerung der Bildungskapazität, die Bildung neuer Kontakte mit

ausländischen akademischen Institutionen sowie die Herstellung der nötigen Infrastruktur

(zum Beispiel Büchereien).

Der letzte und gleichzeitig einer der wichtigsten Bereiche des Sicherheitssektors besteht in der

Drogenbekämpfung, die von Großbritannien geleitet wird. Eine Untersuchung des United

Nations Office on Drugs and Crime zeigt ein beispielloses Wachstum der Opiumkultivierung

in Afghanistan um zwei Drittel allein im Jahr 2004. Afghanistan war beispielsweise im Jahr

2005 mit 87 Prozent (Heinzle 2006) der globalen Produktion der weltweit größte

Opiumproduzent. Problematisch sind die wirtschaftliche Abhängigkeit, die hier deutlich wird,

ebenso wie entstehende Korruption sowie das Fehlen eines effektiven institutionellen

Rahmens für Drogenkontrollen. Um diese komplexe Situation zu entschärfen, unterstützt

UNAMA zunächst die Regierung Afghanistans in jeglichem Verbotsversuch. Weiterhin

müssen institutionelle Kapazitäten gestärkt werden, um auf dem Gebiet des Opiumanbaus

Untersuchungen, Anklagen, Prozesse und schließlich Inhaftierungen vornehmen zu können.

Wichtig ist außerdem die Stärkung von Wirtschaftszweigen, die Alternativen zum

Opiumanbau bieten.

4.2.5 Wiederaufbau

Neben dem politischen Bereich, den Menschenrechten und dem Sicherheitssektor ist die

UNAMA zuständig für die Durchführung jeglicher Wiederaufbaumaßnahmen und die

Aufsicht darüber. Für einen besseren Überblick haben wir in Tabelle 3 einige Maßnahmen

und Ergebnisse der UN-Arbeit und -Koordination zusammengefasst. Ausgehend von den

bereits erzielten Ergebnissen muss es in Zukunft vor allem darum gehen, die Maßnahmen

auch auf die großflächigen ländlichen Gebiete Afghanistans auszuweiten. Aktuell

konzentrieren sich viele Aktionen (z.B. Straßenaufbau, Schulsanierungen,

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Ausbildungsmöglichkeiten) noch auf städtische Ballungszentren. Weiterhin müssen

Reintegrationsmaßnahmen für immer noch 2,3 Mio. Flüchtlinge verstärkt und beschleunigt

werden.

4.2.6 Fazit – Erfolg oder Misserfolg der Mission?

Zurückblickend auf den bisherigen Verlauf der peacebuilding operation in Afghanistan

müssen wir uns nun fragen, ob die Mission generell als eher erfolgreich oder aber als

erfolglos zu werten ist. Wir werden im Folgenden ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige

besonders problematische Punkte ausführen.

Zunächst besteht in Afghanistan das generelle Problem der Diskrepanz zwischen den Zielen

der USA und denen der UN. Dies wird deutlich an der Tatsache, dass im Dezember 2005 eine

Aufstockung der NATO-geführten ISAF (International Security Assistance Force)-Truppen

beschlossen wurde, was aber dem eigentlichen Ansatz der peacebuilding operation

widerspricht. Dem Ansatz zufolge soll die Zahl der internationalen Akteure möglichst

kontinuierlich verringert und die der lokalen Entscheidungsträger erhöht werden. Gemäß der

Intention der UN soll die neue afghanische Regierung darin unterstützt werden, ihr eigenes

staatliches Gewaltmonopol auszubauen und im Laufe der Zeit die internationalen Kräfte bei

der Gewährung von Sicherheit zu ersetzen.

Eben hierin besteht in Afghanistan aktuell ein weiteres enormes Problem: Bereits im Rahmen

des Bonner Abkommens kam die Fragestellung auf, was die größere Priorität innerhalb des

peacebuilding-Prozesses erhalten solle: Sicherheit oder Entwicklung? Die Antwort darauf

lautete im Abschlussdokument, dass ohne Sicherheit keine Entwicklung stattfinden könne und

dass ohne Entwicklung kein nachhaltiger Frieden möglich sei. Bis heute ist es der Regierung

unter Karzai nicht gelungen, für Sicherheit im gesamten Staatsgebiet zu sorgen, was

verschiedene Ursachen hat: Zum einen kommt es vor allem im Süden Afghanistans

permanent zu Machtkämpfen zwischen lokalen beziehungsweise regionalen Machthabern und

im Besonderen Drogenbaronen. Weiterhin ist die allgemeine Kriminalitätsrate anzuführen, die

aktuell steigt, sich aber noch primär auf die städtischen Zentren beschränkt. Ein weiteres

Problem ergibt sich aus der Rolle Afghanistans als größtem Opiumproduzenten weltweit

(siehe 3.2.4). Je rigoroser internationale Kontrolleinheiten sowohl gegen die Produktion als

auch gegen den Transport von Drogen vorgehen, desto mehr häufen sich Anschläge in den

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betroffenen Regionen (insbesondere innerafghanische Routen für den Drogentransport). Ein

nach dem Tod dreier deutscher Bundeswehrsoldaten9 aktuelles Thema ist das der

Selbstmordattentate. Die Zahl der Anschläge stieg im Jahr 2006 drastisch an, so dass die

UNAMA von einer stärkeren Koordinierung der verschiedenen Aufstandsgruppen ausgehen

muss.

Aus dieser Sicherheitsproblematik ergeben sich in Afghanistan aktuell zwei Hauptprobleme:

Zum einen schwindet die Glaubwürdigkeit der Regierung Karzai, zum anderen sinkt das

Vertrauen der einheimischen Bevölkerung in die internationalen Kräfte, da beide Akteure

(Regierung und intervenierende Kräfte) das Grundbedürfnis nach Sicherheit nicht erfüllen

können. Die schwindende Glaubwürdigkeit der Regierung Karzai ist sicherlich nicht

ausschließlich am sicherheitspolitischen Versagen festzumachen. In erster Linie ist es Karzai

bisher nicht gelungen, seiner input-Legitimation durch Wahlen auch eine output-Legitimation

durch Taten folgen zu lassen. Nach seiner Wahl stand Karzai vor dem Problem, zum einen die

internationalen Kriterien und Wertvorstellungen erfüllen zu müssen, sich zum anderen einer

Bevölkerung gegenüberzusehen, die in eine konservativ-islamische Mehrheit und eine

westlich-liberale Minderheit gespaltenen ist. Der afghanischen Bevölkerung aber reicht eine

reine Funktionsfähigkeit ihrer Regierung, wie die westlichen Länder sie zunächst anstreben,

nicht aus. Nach jahrzehntelanger Kriegswillkür erwartet sie zumindest minimale Leistungen,

die dem Wohlergehen der Menschen im Lande zugute kommen. In Angesicht der Tatsache

jedoch, dass es sich bei Afghanistan um einen failed state handelt, steht bei den wichtigsten

Erfordernissen aktuell noch die Gewährleistung der Sicherheit an oberster Stelle, gefolgt von

Programmen zur Armutsbekämpfung und Arbeitsbeschaffung.

Warum ist es also bisher nicht gelungen, die Machtbasis des schwachen Systems zu

stabilisieren? Einer von vielen Gründen ist sicherlich die Unterschätzung der strukturellen

Defizite Afghanistans. Es kann an keinerlei vorhandene staatliche Strukturen angeknüpft

werden. Institutionen müssen von Grund auf neu gebildet und mit neuen Verfahrensarten

ausgestattet werden. Dies provozierte selbstverständlich den Widerstand der bisherigen

Machthaber und traditioneller gesellschaftlicher Kräfte in einem Ausmaß, das von der

UNAMA vielleicht so nicht erwartet worden war. Generell führt uns diese Überlegung zurück

zu dem grundsätzlichen Konflikt, der entsteht, wenn westliche Normen in diesem Fall auf

einen Staat angewandt werden, der in seinen gesellschaftlichen und politischen 9 Am 18.5.2007 starben drei deutsche Bundeswehrsoldaten bei einem Selbstmordattentat in Kundus (Tagesschau 2007).

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Gegebenheiten von traditionellen Herrschaftsstrukturen und einem in vorislamischer Zeit

erlangten Gewohnheitsrecht sowie von verschiedenen ethnischen Gruppen geprägt ist.

4.3 Reform der peacebuilding-Politik der UN:

Entstehung der Peacebuilding-Kommission

Die Gründung einer Peacebuilding-Kommission wurde am 20. Dezember 2005 durch

Beschlüsse der Generalversammlung (60/180. The Peacebuilding Commission) sowie des

Sicherheitsrates (Resolution 1645/2005) im Rahmen des Gipfeltreffens der Staats- und

Regierungschefs aus Anlass der 60. Generalversammlung der Vereinten Nationen

entschieden:

“The Security Council […] decides, acting concurrently with the General Assmbly, in accordance with Articles 7, 22 and 29 of the Charter of the United Nations, […], to establish the Peacebuilding Commission as an intergovernmental advisory body.” (Resolution 1645 2005: 2)

Wie kam es dazu? Warum und von wem wird die Notwendigkeit einer Reform der

peacebuilding-Politik der UN gesehen, nachdem die Vereinten Nationen sich seit jeher

peacebuilding-Aktivitäten verpflichtet fühlten und was führte dazu, dass schließlich die

Peacebuilding-Kommission gegründet wurde?

Im Laufe der Geschichte der Vereinten Nationen waren zunächst präventive Maßnahmen

sowie peacekeeping operations die zentralen Elemente für internationale Friedenssicherung

(siehe Kapitel 3). Zurückblickend kann man jedoch heute sagen, dass es in ca. 50 Prozent der

Einsätze nach Kriegsende innerhalb von fünf Jahren zu einem erneuten Ausbrechen von

Gewalt kommt (Barton 2005: 7). Beispiele hierfür stellen Liberia oder Somalia dar. Die Idee

einer Peacebuilding-Kommission geht zurück auf den Bericht des von UN-Generalsekretär

Kofi Annan eingesetzten High Level Panel on Threats, Challenges and Change, in dem er die

institutionelle Lücke identifiziert. Defizite vor allem im Bereich der postkonfliktiven

Operationen der UN erkannte auch die ICISS (siehe Kapitel 2.1). Bis Dezember 2005 gab es

im System der UN keinen Bereich, der direkt verantwortlich dafür war, Ländern Hilfestellung

bei der Entwicklung von Krieg zu dauerhaftem Frieden zu geben. Zu demselben Ergebnis

kamen im März 2005 die 66 Teilnehmer10 einer Konferenz in Washington, bei der es um

10 Die peacebuilding-Reform wurde auf Initiative der Post-Conflict Reconstruction (PCR), Project of the Center for Strategic and International Studies (CSIS) mit Unterstützung der norwegischen Regierung sowie der UN von 66 Teilnehmern (Berater der UN, Politologen, multilaterale Partner, Mitgliedsstaaten) diskutiert.

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dieselbe Fragestellung ging: Wie kann die „Konfliktnachsorge“ der UN effizienter gestaltet

werden? Als Ergebnis des Treffens identifizierten die Teilnehmer sechs verschiedene

Schwächen im UN-System, die die peacebuilding-Reform beheben sollte:

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1. Bisher haben die UN ihre Aufgabe der Krisenprävention nicht ausreichend erfüllt.

2. Das Fachwissen des Sicherheitsrates im Bereich des peacebuilding ist unzureichend und

verweigert den betroffenen Staaten längerfristige Aufmerksamkeit.

3. In der Folgezeit von Konflikten ist die Kooperation zwischen UN und internationalen

Finanzinstituten unzureichend.

4. Die UN-Arbeit im Bereich des peacebuilding ist in zahlreiche Fonds, Programme und

Agenturen aufgeteilt, deren Kooperation nicht adäquat ist. Es gibt keine zentrale Kapazität für

peacebuilding.

5. Es gibt ein immer wiederkehrendes Problem der Finanzierung, um lokale Initiativen in

postkonfliktiven Perioden zu unterstützen.

6. Generell herrscht ein Mangel an Ressourcen und an permanent zur Verfügung stehenden

Kapazitäten.

Als Ergebnis ihrer Überlegungen und Diskussionen schlugen die Teilnehmer am Ende der

Konferenz zum einen eine Verbesserung und stärkere Unterstützung der UN-peacebuilding

operations sowie die Einrichtung einer Peacebuilding-Kommission vor, die 2005

verabschiedet wurde. Diese Kommission soll die bereits beschriebene Lücke im

institutionellen System der UN schließen und eine logische Verbindung zwischen

peacekeeping und postkonfliktiven Operationen schaffen. Die Arbeit einer Peacebuilding-

Kommission kann laut Ergebnis der Konferenz vor allem dann erfolgreich sein, wenn sie mit

ähnlicher Entscheidungsbefugnis und Macht ausgestattet ist wie der Sicherheitsrat. Die Arbeit

der Kommission soll beginnen, bevor der Sicherheitsrat in Aktion tritt und nicht auf die

Länder der Agenda des Sicherheitsrates begrenzt sein (Barton 2005: 10).

4.3.1 Aufgaben, Mitglieder und Organisation der Peacebuilding-Kommission

(Resolution 1645/2005)

Die Hauptaufgaben der Peacebuilding-Kommission sind in der Resolution des

Sicherheitsrates sowie der Hauptversammlung von Dezember 2005 festgeschrieben: Zunächst

soll die Kommission die Kooperation der verschiedenen Akteure im peacebuilding-Prozess

organisieren. Sie soll die Verteilung von Ressourcen leiten und integrative Strategien für das

betroffene Land entwickeln. Weiterhin ist die Kommission zuständig dafür, dass das

Hauptaugenmerk der postkonfliktiven Aktionen auf der Rekonstruktion und der Bildung von

Institutionen liegt, welche die Grundlage für nachhaltige Entwicklung darstellen. Als dritte

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Aufgabe formuliert der Sicherheitsrat Empfehlungen und Informationen, um die Koordination

aller relevanten Akteure innerhalb und außerhalb der Vereinten Nationen zu verbessern. Die

Kommission soll ein möglichst effizientes System entwickeln, um längerfristige

Finanzierungen der Aktivitäten zu garantieren und die Zeit zu maximieren, in der die

Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft bei der Region in postkonfliktiven

Situationen liegt. Um die genauen Vorgehensweisen und Arbeitsmethoden der Kommission

festzulegen, wird ein ständiges Organisationskomitee ins Leben gerufen, das sich

folgendermaßen zusammensetzt: sieben Mitglieder des Sicherheitsrates (inklusive ständige

Mitglieder)11; sieben Mitglieder des Wirtschafts- und Sozialausschusses12; fünf

Hauptsponsoren des UN-Budgets und der freiwilligen Zuschüsse für UN-Fonds, -Programme

und -Agenturen13; fünf Nationen, die die Mehrzahl des militärischen Personals und der

Zivilpolizei zur Verfügung stellen14 sowie sieben Mitglieder, die von der

Generalversammlung gewählt werden. Die eigentliche inhaltliche Arbeit soll in

länderspezifischen Komitees geschehen, bei denen die Mitglieder dann speziell auf jeden Fall

zugeschnitten werden. In den länderspezifischen Komitees sollen Repräsentanten des

betroffenen Landes, Repräsentanten der Länder innerhalb der betroffenen Region, Vertreter

der relevanten regionalen und internationalen Finanzinstitute sowie die Hauptmitwirkenden

bezüglich Truppen und ziviler Polizei vertreten sein. Wichtig ist, dass es sich bei der

peacebuilding-Kommission um ein beratendes Organ handelt, dessen Empfehlungen im

Besonderen durch die Vielfalt, Fachkenntnisse und Bedeutsamkeit der Teilnehmer für den

Konflikt an Gewicht gewinnen.

4.4 Fazit

Rückblickend auf die vorhergehenden Kapitel kommen wir zu dem Ergebnis, dass in der

peacebuilding-Politik der Vereinten Nationen deutlich ein Wandel zu beobachten ist, der sich

im Besonderen in der Verabschiedung der Peacebuilding-Kommission im Dezember 2005

niederschlägt. Gleichzeitig erkennen wir hier einen sinnvollen Ansatz zur Verbesserung

bestehender Strukturen. Mit der Peacebuilding-Kommission wird es in Zukunft ein

(allerdings ausschließlich beratendes) Organ geben, das explizit für die Koordination der

einzelnen Akteure in postkonfliktiven Operationen zuständig ist. Genau hierin lagen und

11 China, Frankreich, Panama, Russland, Südafrika, Großbritannien und Nordirland, USA 12 Angola, Brasilien, Tschechien, Guinea-Bissau, Luxemburg, Indonesien, Sri Lanka 13 Deutschland, Italien, Japan, Niederlande, Norwegen 14 Bangladesh, Ghana, Indien, Nigeria, Pakistan

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liegen unserer Meinung nach in der Vergangenheit wie aktuell die größten Defizite.

Betrachtet man das von uns hier angeführte Beispiel Afghanistan und in diesem Rahmen den

Bereich des Sicherheitssektors, so stellt man fest, dass dieser wiederum in fünf

Unterabteilungen aufgeteilt ist, die von fünf verschiedenen Nationen geleitet werden. Nun

kann man aber nicht davon ausgehen, dass alle fünf Nationen ein identisches Verständnis des

Konfliktes in Afghanistan sowie eine identische Ansicht über die bestmögliche Lösung

desselben mitbringen (siehe verschiedene Strategien des peacebuilding, Tabelle 1). Genau

hier kann und muss in Zukunft die Arbeit der Peacebuilding-Kommission ansetzen und in

Zusammenarbeit mit allen beteiligten sowie den betroffenen Staaten gemeinsame Strategien

entwickeln, die dann ein gezielteres Eingreifen garantieren könnten.

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5. Anhang

Abbildung 1: United Nations Peacekeeping Operations

Quelle: United Nations 2007 Abbildung 2: United Nations Political And Peacebuilding Missions

Quelle: United Nations 2007a

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Quelle: Schneckener 2005: 25

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Tabelle 2: Die vier Typen von peacebuilding-Operationen Hauptschwerpunkte Instrumente, Akteure,

Durchführung Intensität des Eingriffs

in die Souveränität

Beispiele

Peacebuilding als Beratung

Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen

Kleine Missionen und Büros geringer Eingriff

Peacebuilding Offices der UN in Tadschikistan, Guinea-Bissau, Zentralafrikanische Republik

Spezialisiertes Peacebuilding

Beobachtung und Durchführung von Wahlen, Reform des Sicherheitssektors, Verbesserung der Menschenrechtssituation, Rückführung von Flüchtlingen, Aufbau eines Justizsystems

Eng begrenzte Mandate, Monitoring- und Implementierungsfunktionen

UNHCR bei Flüchtlingen, OSZE bei Wahlbeobachtungen,

Multidimensionales Peacebuilding

Große zivil-militärische Operationen

Mehrere Akteure, verschiedene Koordinierungsmechanismen (z.B. Steering Committees)

Afghanistan: NATO-geführte ISAF und US-geführte Operation Enduring Freedom, die gemeinsam militärischen und sicherheitspolitischen Teil übernehmen, während UN-Mission UNAMA sich ausschließlich auf zivile Maßnahmen konzentriert

Internationale Übergangsverwaltung

Übernahme von staatlichen Funktionen, dann schrittweiser Transfer dieser Aufgaben an lokale Akteure und Institutionen

Externe Akteure ersetzen zeitweise staatliche Autorität

schwerwiegender Eingriff

Internationale Missionen in Kambodscha, Ost-Slowenien/Kroatien, Bosnien, Kosovo

Quelle: Eigene Darstellung nach Schneckener 2005: 17-38

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Tabelle 3: Maßnahmen und Ergebnisse der UN Koordination in Afghanistan Maßnahmen Ergebnisse Beteiligte

Organisationen Rückkehr von Flüchtlingen

- Einrichtung von 14 Auffangzentren, dort Verteilung von Haushaltspaketen sowie Bereitstellung von 15 Mio. US $ Reisehilfen

- Einrichtung eines Netzwerks zur Überwachung der Sicherheit Rückkehrender, Registrierung aller Flüchtlinge

- bis August 2002: Rückkehr von ca. 1,6 Mio. Flüchtlingen aus Nachbarländern

- Erhöhung der Sicherheit der Flüchtlinge und Zurückkehrenden

- Rückkehr von 50 Prozent der Flüchtlinge nach Kabul

Überlastung der Infrastruktur

Ministry of Refugees and Repatriation (MORR), United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR), International Organization of Migration (IOM), United Nations Children’s Fund (UNICEF), World Food Program (WFP), World Health Organization (WHO)

Stadtmanage- ment

- Instandsetzung von Schulen und Krankenhäusern

- Säuberung von Wasserquellen - Straßeninstandsetzung

- Entstehung von Arbeitsplätzen

- Aufwertung des städtischen Raumes

Ministerium für ländliche Entwicklung, United Nations Human Settlement Program (HABITAT), EU, Weltbank, NGOs

Gesundheit und Ernährung

- Impfung von 7,3 Mio. Kindern gegen Kinderlähmung

- Impfung von 9 Mio. Kindern gegen Masern

- Distribution von Ersthilfe-Paketen an 7 Mio. Menschen

- Rückgang der Kinderlähmung um 50 Prozent von 2001 bis 2001

- Zugang zu medizinischer Erstversorgung verbessert

Ministerium für öffentliche Gesundheit, Ministerium für Landwirtschaft, UNICEF, NGOs

Bildung und Berufsberatung

- Gründung der „Back to School“-Kampagne

- Bereitstellung neuen Lehrmaterials

- Installation von sanitären Einrichtungen in 1.000 Schulen, Wiederaufbau von 500 zerstörten Schulen (hauptsächlich in Ballungszentren)

- Einrichtung von Internetzugängen für die Universität in Kabul

- Rückkehr von 1,8 Mio. Kindern in die Schule (bis März 2002)

- Aktuell noch 4.000 reparaturbedürftige Schulen

Ministerium für Bildung und höhere Bildung, UNICEF, United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO), NGOs

Kultur, Medien und Sport

- Ausbildung von Journalisten (hauptsächlich in Kabul)

- Ausbildung in den Provinzen hauptsächlich durch NGOs

- Finanzielle Hilfe für Radio und TV Afghanistan

- Bisher keine spürbaren Veränderungen oder Verbesserungen (in Radio und Fernsehen)

Ministerium für Information und Kultur, UNESCO, NGOs

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Quelle: Eigene Darstellung nach UNAMA 2007

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6. Literatur Albrecht, Ulrich 2002: Peace Building after Intervention – Friedensaufbau in post- Konflikt Gesellschaften, im Rahmen der CES Berlin Dialogs. Barton, Frederick/Crocker, Bathsheba (Hrsg.) 2006: Making Peacebuilding Work, Reforming UN Peacekeeping Operations, New York. Dobbins, James: The UN’s Role in Nationbuilding: From the Belgian Congo to Iraq, in: Survival, 46/4, Winter 2004/05, 81-102. Evans, Gareth/Sahnoun, Mohamed (Hrsg.) 2001: The Responsibility To Protect, International Commission On Intervention And State Sovereignty, Ottawa. Ferdowsi, Mir A./Matthies, Volker (Hrsg.) 2003: Den Frieden gewinnen, Zur Konsolidierung von Friedensprozessen in Nachkriegsgesellschaften, Bonn. Fröhlich, Manuel 2001: UN-Sicherheitsrat und die Friedenssicherung, abgerufen unter: http://www.dgvn.de/fileadmin/user_upload/PUBLIKATIONEN/Basis_Informationen/bi-unsicher.pdf, zuletzt abgerufen am 10.06.2007. Gareis, Sven Bernhard 2002: Der Wandel der Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen, http://www.bpb.de/publikationen/P4JYUT,2,0,Der_Wandel_der_Friedenssicherung_durch_die_Vereinten_Nationen.html#art2, zuletzt abgerufen am 14.06.2007. Heinzle, C. 2006: Drogenbekämpfer vernichten Mohnfelder – Opiumanbau in Afghanistan boomt, http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5525354_TYP6_THE_NAV_REF1_BAB,00.html, zuletzt abgerufen am 26.06.2007. ICISS 2001: The responsibility to react, http://www.iciss.ca/pdf/Commission-Report.pdf, zuletzt abgerufen am 26.06.2007. Informationszentrum der Vereinten Nationen Bonn (Hrsg.) 1998: 50 Jahre Friedenssicherung, 1948-1998 – Vereinte Nationen, http://www.unric.org/html/german/50jahre/dpi2004/einleitung.pdf, zuletzt abgerufen am 25.07.2007. Kühne, Winrich 2005: Die Friedenseinsätze der UN, http://www.bpb.de/publikationen/P5A7KN,0,Die_Friedenseins%E4tze_der_VN.html, zuletzt abgerufen am 14.06.07. Maaß, Citha D. 2007: Afghanistan: Staatsaufbau ohne Staat, SWP-Studie, Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, Berlin. Resolution 1401 2002, Adoption by the Security Council at its 4501st meeting, on 28th March 2002, http://www.unama-afg.org/docs/_UN-Docs/_sc/_resolutions/sc1401.pdf, zuletzt abgerufen am 6.6.2007.

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UNRIC (Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen) 2007: Charta der Vereinten Nationen, Präambel, http://www.unric.org/UN_Charter/, zuletzt abgerufen am 19.08.2007.