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85 M I TT E I L U N G E N Nr.10 von 12 Oktober 2006 · 88. Jahrgang Geschäftsstelle Entfelderstrasse 11 5001 Aarau Telefon 062 837 18 18 Telefax 062 837 18 19 E-Mail: [email protected] www.aihk.ch IN DIESER NUMMER Ja zur Aargauer Steuergesetzrevision und 85 zur Kohäsionsmilliarde, Nein zur Bundes- kinderzulagenregelung Wirtschaft und Armee: 88 Militärische Sicherheit als Standortfaktor? Einheitskrankenkasse: Gefährliches Spiel 90 mit dem Frust der Versicherten VOLKSABSTIM- MUNGEN VOM 26. NOVEM- BER 2006 Ja zur Aargauer Steuergesetzrevision und zur Kohäsionsmilliarde, Nein zur Bundeskinderzulagenregelung von Peter Lüscher, Vorsitzender der Geschäftsleitung der AIHK, Aarau Am 26. November 2006 gelangen drei für die Wirtschaft bedeutsame Vorlagen zur Abstimmung. Der Vorstand der AIHK hat einstimmig die Ja-Parole zur Aargauer Steuergesetzrevision und zum Osthilfegesetz (Kohäsionsmilliarde) beschlossen. Die Schaffung einer Bundeskinderzula- genregelung lehnt er einstimmig ab. Die Begründungen für diese Parolen werden nachstehend zusammengefasst. Für eine Aargauer Steuergesetz- revision, die allen nützt! Der aargauische Regierungsrat will mit einem ganzen Bündel von Massnahmen das wirt- schaftliche Wachstum in unserem Kanton för- dern. Die AIHK unterstützt die Stossrichtung dieses Wachstumspakets. Einer der wesentlichen Pfeiler einer derartigen Strategie muss die Schaf- fung und Erhaltung eines dauerhaft attraktiven Wirtschaftsstandortes sein. Dafür notwendig sind unter anderem eine tiefe Steuerbelastung und ein positives Steuerklima. Parlament, Re- gierung und Verwaltung müssen daran fortwäh- rend arbeiten. Dem seit Jahren zu beobachtenden Trend stetig ansteigender Steuerbelastung muss entgegengewirkt werden. Der Kanton Aargau lag 2005 bei der Besteuerung von Aktiengesellschaften nur auf Rang 19. Er ist damit im interkantonalen Standortwettbewerb nicht attraktiv. Ein Vorstoss in die Spitzengruppe der steuergünstigen Kantone ist anzustreben. Mit tieferen Steuern können wir ansässige Unter- nehmen halten und neue gewinnen. Zusätzliche Investitionen und neue Arbeitsplätze schaffen Wirtschaftswachstum. Daraus resultieren zusätz- liche Steuern. Davon profitieren auch Kanton und Gemeinden. In einer dynamischen Betrach- tung ist deshalb mit wesentlich geringeren Steu- erausfällen zu rechnen als in einer rein stati- schen. Eine markante steuerliche Entlastung für juristische und natürliche Personen ist deshalb angezeigt. Wir haben darüber bereits in der Aus- gabe Nr. 7/8 2006 (S.69 ff.) berichtet. In der Zwischenzeit hat der Grosse Rat nach in- tensiven Vorarbeiten mit 97 zu 36 Stimmen eine ausgewogene Steuergesetzrevision verabschiedet, welche für alle Aargauerinnen und Aargauer Ent-

2006.10 | AIHK Mitteilungen im Oktober

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2006.10 | AIHK Mitteilungen im Oktober

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M I T T E I L U N G E N

Nr. 10 von 12

Oktober 2006 · 88. Jahrgang

GeschäftsstelleEntfelderstrasse 115001 AarauTelefon 062 837 18 18 Telefax 062 837 18 19E-Mail: [email protected]

IN DIESER NUMMER

Ja zur Aargauer Steuergesetzrevision und 85zur Kohäsionsmilliarde, Nein zur Bundes-kinderzulagenregelung

Wirtschaft und Armee: 88Militärische Sicherheit als Standortfaktor?

Einheitskrankenkasse: Gefährliches Spiel 90mit dem Frust der Versicherten

VOLKSABSTIM-

MUNGEN VOM

26. NOVEM-

BER 2006

Ja zur Aargauer Steuergesetzrevisionund zur Kohäsionsmilliarde,Nein zur Bundeskinderzulagenregelungvon Peter Lüscher, Vorsitzender der Geschäftsleitung der AIHK, Aarau

Am 26. November 2006 gelangen drei für die Wirtschaft bedeutsame Vorlagen zur Abstimmung.Der Vorstand der AIHK hat einstimmig die Ja-Parole zur Aargauer Steuergesetzrevision undzum Osthilfegesetz (Kohäsionsmilliarde) beschlossen. Die Schaffung einer Bundeskinderzula-genregelung lehnt er einstimmig ab. Die Begründungen für diese Parolen werden nachstehendzusammengefasst.

Für eine Aargauer Steuergesetz-revision, die allen nützt!

Der aargauische Regierungsrat will mit einemganzen Bündel von Massnahmen das wirt-schaftliche Wachstum in unserem Kanton för-dern. Die AIHK unterstützt die Stossrichtungdieses Wachstumspakets. Einer der wesentlichenPfeiler einer derartigen Strategie muss die Schaf-fung und Erhaltung eines dauerhaft attraktivenWirtschaftsstandortes sein. Dafür notwendigsind unter anderem eine tiefe Steuerbelastungund ein positives Steuerklima. Parlament, Re-gierung und Verwaltung müssen daran fortwäh-rend arbeiten. Dem seit Jahren zu beobachtendenTrend stetig ansteigender Steuerbelastung mussentgegengewirkt werden.

Der Kanton Aargau lag 2005 bei der Besteuerungvon Aktiengesellschaften nur auf Rang 19. Er istdamit im interkantonalen Standortwettbewerbnicht attraktiv. Ein Vorstoss in die Spitzengruppeder steuergünstigen Kantone ist anzustreben.Mit tieferen Steuern können wir ansässige Unter-nehmen halten und neue gewinnen. Zusätzliche

Investitionen und neue Arbeitsplätze schaffenWirtschaftswachstum. Daraus resultieren zusätz-liche Steuern. Davon profitieren auch Kantonund Gemeinden. In einer dynamischen Betrach-tung ist deshalb mit wesentlich geringeren Steu-erausfällen zu rechnen als in einer rein stati-schen. Eine markante steuerliche Entlastung fürjuristische und natürliche Personen ist deshalbangezeigt. Wir haben darüber bereits in der Aus-gabe Nr. 7/8 2006 (S. 69 ff.) berichtet.

In der Zwischenzeit hat der Grosse Rat nach in-tensiven Vorarbeiten mit 97 zu 36 Stimmen eineausgewogene Steuergesetzrevision verabschiedet,welche für alle Aargauerinnen und Aargauer Ent-

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lastung bringt. Gegenüber dem Resultat der ers-ten Lesung wurden verschiedene Anpassungenzur Erhöhung der Akzeptanz der Revision vorge-nommen. Nach anfänglichem Zögern hat sichauch der Regierungsrat hinter die vorgeschlage-nen Entlastungsmassnahmen gestellt.

Aus Sicht der Wirtschaft konnte damit ein akzep-tabler Kompromiss erreicht werden. Für dieAIHK besonders wichtig sind:

– Die Senkung der Gewinnsteuer von bisher7 bzw. 11% auf 6% für die ersten 150000 Fran-ken des steuerbaren Reingewinns bzw. 9 % fürden übrigen Reingewinn (ab 1. Januar 2009);

– die Halbierung der Kapitalsteuer auf 1,25 0⁄00

(ab 1. Januar 2007);

– die Anrechnung der Gewinn- an die Kapital-steuer (ab 1. Januar 2009);

– die Dividendenbesteuerung zu 40% des Ge-samtsatzes bei einer Mindestbeteiligung von10% am Gesellschaftskapital (ab 1. Janu-ar 2007);

– die Senkung der Einkommenssteuer ab Ein-kommen von 43000 Franken (ab 1. Janu-ar 2010) und

– die Senkung des Vermögenssteuersatzes um0,3 0⁄00 (ab 1. Januar 2010).

Alle Familien mit Kindern profitieren von der Er-höhung und Staffelung der Kinderabzüge. Diesebetragen ab 1. Januar 2007 je nach Alter der Kin-der zwischen 6400 und 9500 Franken.

Daneben profitieren ab 2007 aber auch Klein-verdienende und Kleinrentner von der Revision.Durch neue Abzüge werden rund 13% der Steu-erpflichtigen gar keine Steuern mehr zu ent-richten haben.

Der Vorstand der AIHK beurteilt die AargauerSteuergesetzrevision positiv und hat deshalb ein-stimmig die Ja-Parole beschlossen.

Mit einem Ja zur Kohäsions-milliarde den bilateralen Wegerfolgreich weiterführen!

Die Länder der EU sind mit Abstand unsere wich-tigsten Wirtschaftspartner. Die neuen EU-Mitglie-der weisen ein hohes Wirtschaftswachstum auf.Unsere Wirtschaft ist deshalb auf gute Beziehun-gen mit diesen Staaten angewiesen. Die Zustim-mung zur Kohäsionsmilliarde ist dafür wichtig.

Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz undden Staaten Osteuropas wird durch einen Bun-desbeschluss aus dem Jahr 1995 geregelt, der am1. März 1998 in Kraft getreten ist und während10 Jahren gilt. Die eidgenössischen Räte ver-abschiedeten auf Antrag des Bundesrates am 24. März 2006 mit dem Bundesgesetz über dieZusammenarbeit mit den Staaten Osteuropaseine neue Rechtsgrundlage. Das Gesetz wurde imNationalrat mit 127 zu 53 sowie im Ständerat mit37 zu 1 Stimmen gutgeheissen. Die SVP ergriffgegen das Osthilfegesetz das Referendum.

Im Mittelpunkt des Abstimmungskampfes stehtdie Frage der Finanzierung der Kohäsionsmil-liarde, nicht jedoch der Inhalt des mit Re-ferendum angefochtenen Gesetzes. Die Schweizhat der EU einen Beitrag von 1 Mrd. Franken alsEintrittspreis für den Zutritt zum Markt der10 neuen EU-Mitglieder zu entrichten. Es gehtdarum, «ökonomische und soziale Unterschiedezwischen den EU-Ländern auszugleichen undihre Wirtschaft zu stabilisieren» (MZ vom 13. Ju-li 2006, S. 4). Der Beitrag heisst Kohäsionsmilliarde,weil der Ausdruck Kohäsion Zusammenhalt (derEU-Staaten) bedeutet.

Streitig ist die Finanzierung der Kohäsionsmil-liarde. Der einschlägige Finanzierungsbeschluss desBundesrates wird nicht veröffentlicht. Das EDA hatsich mit einer Pressemitteilung vom 16. Juni 2006begnügt. Darin wird ausgeführt, die Schweiz wolledie 10 neuen EU-Mitgliedstaaten mit einem Ge-samtbetrag von 1 Mrd. Franken für konkrete Pro-jekte und Programme unterstützen. Die Auszah-lungen erstrecken sich über einen Zeitraum vonrund 10 Jahren. Der Bundesrat gehe daher von jähr-lichen Auszahlungen im Umfang von durch-schnittlich 100 Mio. Franken aus. «Gemäss dem Be-schluss des Bundesrates müssen die Departementefür Volkswirtschaft (EVD) und für auswärtige An-gelegenheiten (EDA) zu 60 % für die Milliarden-zahlung aufkommen, was über die gesamte Bei-tragsperiode von rund 10 Jahren je 30 Mio. Frankenpro Jahr und Departement ausmacht. Die rest-lichen 40 % gehen zu Lasten der allgemeinen Bun-deskasse» (NZZ Nr. 138 vom 17. Juni 2006). DieseMitfinanzierung der Kohäsionsmilliarde zu 40 %zu Lasten der allgemeinen Bundeskasse stört Bernangesichts «wieder reichlich sprudelnder Einnah-men, die dem wirtschaftlichen Aufschwung zu ver-danken sind» (NZZ) nicht.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband und eco-nomiesuisse sind bereit, sich engagiert für ein Jazum Osthilfegesetz bzw. für die Rechtsgrundlage

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von Kohäsionsbeiträgen im Rahmen parlamenta-risch beschlossener Rahmenkredite zu engagie-ren. Die Ablehnung des Osthilfegesetzes unddemzufolge die Verweigerung der seitens der EUerwarteten Kohäsionsmilliarde würden die bilate-ralen Beziehungen Schweiz/EU belasten. Es istnicht ratsam, den bilateralen Weg der Zukunftganz oder teilweise zu blockieren. «Das Referen-dum gegen das Bundesgesetz über die Zu-sammenarbeit mit den Staaten Osteuropas stelltdie schweizerische Europapolitik erneut in Frage.Die Kohäsionsmilliarde ist jedoch von entschei-dender Wichtigkeit für die Sicherung der Interes-sen unseres Landes in der Beziehung zur EU»(Centre Patronal, Presse- und Informationsdienst,Nr. 1685 vom 19. Juli 2006).

Der Vorstand der AIHK hat mit Blick auf die Be-deutung der Kohäsionsmilliarde für gute Be-ziehungen zu unserem wichtigsten Wirtschafts-partner EU einstimmig die Ja-Parole beschlossen.

Gegen die Schaffung einerBundeskinderzulagenregelung!

Die Kinderzulagen sind heute kantonal geregelt.Sie sind entstanden aus Lohnnebenleistungendes Arbeitgebers und werden deshalb auch heu-te noch (mit Ausnahme des Kantons Wallis) aus-schliesslich durch die Arbeitgeber finanziert. EinFamilienzulagengesetz des Bundes würde denCharakter dieser Leistungen verändern, es ent-stünde ein zusätzlicher Sozialversicherungs-zweig. Die Kosten dafür wären praktisch vollum-fänglich durch die privaten und öffentlichenArbeitgeber zu tragen. Dieses Vorhaben lehnenwir ab.

Das jetzt vorliegende Bundesgesetz über die Fa-milienzulagen (Familienzulagengesetz) ist dasResultat einer jahrelangen Auseinandersetzung.Ausgangspunkt war eine Parlamentarische Ini-tiative von Nationalrätin Angeline Fankhauser imJahr 1991. Am 24. März 2006 stimmten Natio-nal- und Ständerat dem Familienzulagengesetzmit 106 zu 85 bzw. 23 zu 21 Stimmen zu. DieVolksinitiative von Travail Suisse «für fairere Kin-derzulagen» (Mindestzulage 450 Franken proKind und Monat) wurde daraufhin zurück-gezogen. Die Arbeitgeberverbände ergriffen unterFührung des Schweizerischen Gewerbeverbandesdas Referendum.

Das Familienzulagengesetz bringt folgende Neu-erungen:

– Für Kinder- und Ausbildungszulagen werdenden Kantonen gleiche Altersgrenzen vor-geschrieben und es gibt nur noch ganze Zula-gen (auch für Teilzeitbeschäftigte).

– Es werden den Kantonen Mindestzulagen(Kinderzulage 200 Franken pro Monat, Aus-bildungszulage 250 Franken) vorgeschrieben,diese Ansätze werden periodisch der Teuerungangepasst. Die Kantone sind frei, höhere An-sätze festzulegen sowie Geburts- und Adop-tionszulagen vorzusehen.

– Nichterwerbstätigen sind ebenfalls Zulagen aus-zurichten (mit Einkommensgrenzen), diese Zu-lagen sind von den Kantonen zu finanzieren so-weit sie nicht durch Beiträge der Nichterwerbs-tätigen gedeckt werden. Selbständigerwerbendesind dagegen nicht anspruchsberechtigt.

– Für Kinder im Ausland werden nach Kaufkraftabgestufte Zulagen ausgerichtet.

Wir lehnen die Vorlage aus folgenden Gründen ab:

– Die neue Bundesregelung bringt Mehrkostenvon rund 600 Mio. Franken pro Jahr.460 Mio. davon sind durch die privaten, derRest ist durch die öffentlichen Arbeitgeberund den Steuerzahlenden zu tragen.

– Die Schaffung eines weiteren Sozialversiche-rungszweigs ist abzulehnen. Die Sicherung derbestehenden Versicherungen hat Vorrang ge-genüber der Schaffung neuer.

– Die von den Befürwortern behauptete ad-ministrative Entlastung der Betriebe ist kaumspürbar. Die Bundesregelung tritt nicht an Stelleder bisherigen 26 kantonalen Regelungen, son-dern daneben. Die Kantone können nämlichweiterhin eigene Zulagenarten und höhere Leis-tungen vorsehen. Das System wird damit nochkomplizierter.

Der Vorstand der AIHK sagt zum Familien-zulagengesetz des Bundes einstimmig Nein.

Alle drei Vorlagen sind für unsere Wirtschaft wichtig.Unterstützen Sie deshalb den Abstimmungskampfaktiv durch Werbung in Ihrem Umfeld, durch Bei-tritt zu den Abstimmungskomitees und durch finan-zielle Unterstützung. Unsere Geschäftsstelle hilftIhnen gern weiter ([email protected]).

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Der Begriff der militärischen Sicherheit im weite-ren Sinn lässt sich am besten mit Hilfe der dreiAufträge der Armee beschreiben: Raumsicherungund Verteidigung, Existenzsicherung sowie Frie-densförderung. Von diesen drei Aufträgen sinddie beiden letztgenannten am leichtesten fassbar.Der Bereich Existenzsicherung umfasst unter an-derem die Katastrophenhilfe, bei welcher im In-land mit Gerät und Personal Hilfe geleistet wird.Bei der Friedensförderung werden beispielsweiseim Rahmen von UNO-Einsätzen Grenzab-schnitte in Krisenregionen beobachtet oderWiederaufbau in kriegszerstörten Gebieten be-trieben. Der Hauptauftrag der Armee, die Raum-sicherung und Verteidigung – die militärische Si-cherheit im engeren Sinn – ist dagegen nicht soleicht zugänglich.

Bis zum Untergang der Sowjetunion war die Lan-desverteidigung im Grundsatz eine klare Angele-genheit. Es galt, den von aussen angreifendenGegner, der aus dem Osten kam, mittels Sperrenund Gegenschlägen zu bekämpfen. Das Bedro-hungsbild hat sich seit dem Untergang des Ost-blocks jedoch grundlegend geändert und präsen-tiert sich heute viel komplexer.

Während früher Konflikte territorial zwischenStaaten ausgetragen wurden, sind in heutigenKonflikten verschiedene Akteure mit unter-schiedlichsten Zielen und wechselnden Allianzeninvolviert. Der Gegner wurde zur diffusen Gegen-seite. Dies erfordert auch eine Anpassung der mi-litärischen Einsätze. In der Raumsicherung wird– vereinfacht ausgedrückt – ein Gebiet durch mi-litärische Präsenz stabilisiert. Konkret geschiehtdies durch Überwachen von Räumen (Beobach-tungsposten, Patrouillen, motorisiert und zu Fussund Checkpoints), durch Bewachen von Objek-ten sowie durch Offenhalten von Verkehrsachsen.

Da die Gegenseite nicht zuerst fragt, bevor sie dasGewaltspektrum erhöht, finden diese Einsätzenicht erst nach Ausschöpfung der zivilen Mittel,sondern im Kräfteverbund mit diesen statt. Oft

werden in einem Einsatz im gleichen Gebiet dreiAufträge nebeneinander ausgeführt: humanitäreHilfe, Stabilisierungsaktionen und Kampfhand-lungen (so genannter Three-Block-War). Die Verant-wortung ruht dabei, je nach Auftrag, bei den zivi-len Behörden oder bei der Armee. Eine Raumsi-cherungsoperation kann somit gleichzeitig reinmilitärisch geführte, wie auch subsidiäre Einsätzeumfassen. Eine scharfe Trennung von «innerer»und «äusserer» Sicherheit ist heute nicht mehrmöglich. Für die Kantone heisst das, dass dieArmee von Anfang an in die Gesamtsicherheits-planung einzubeziehen ist.

Das Ziel von Raumsicherungseinsätzen ist dieWahrung der Handlungsfreiheit des Staates.Raumsicherung ist demnach Verteidigung ineinem entterritorialisierten Bedrohungsumfeld.

Nutzen der militärischenSicherheit für die Wirtschaft

Die Armee und die Wirtschaft haben eine ge-meinsamen Aufgabe: Sie sorgen für die Sicher-heit der Bevölkerung. Während die Wirtschaft fürdie Finanzierung der gemeinsamen Wohlfahrtund für die materielle Unabhängigkeit der Bevöl-kerung sorgt, ist die Armee für ein stabiles Um-feld verantwortlich, in dem die Wirtschaft funk-tionieren kann.

Ausgehend von Raumsicherungsoperationenkönnten mögliche Schnittstellen folgendermas-sen aussehen: Die Gegenseite attackiert mittelsasymmetrischer Gewalt (Sabotage, Anschlägeusw.). Produktionsstätten und Anlagen derGrundversorgung. Verkehrsachsen werden unter-brochen. Ziel dieser Aktionen ist die Verunsiche-rung der Bevölkerung, die Einschränkung deswirtschaftlichen Lebens und dadurch die Destabi-lisierung des Staates. Im Rahmen von Raumsiche-rungseinsätzen werden nun wichtige Produk-tionsstätten geschützt. Verkehrswege werdenoffen gehalten, damit die Mobilität garantiert

Wirtschaft und Armee:Militärische Sicherheit als Standortfaktor?von Reto Barbarits, lic. iur., juristischer Mitarbeiter der AIHK, Einheitskommandant, Aarau

Mit dem Entwicklungsschritt 2008/11 wird die Struktur der Armee den geänderten Rahmenbe-dingungen angepasst. Am Beispiel der viel diskutierten Raumsicherung wird in diesem Artikel derBeitrag der Armee zur Standortqualität der Schweiz beleuchtet. Darüber hinaus wird der Fragenachgegangen, worin der heutige Nutzen der militärischen Sicherheit für die Wirtschaft liegt.

SICHERHEITS-

POLITIK;

STANDORTPOLITIK

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und Waren transportiert werden können. Durchdie Bewachung von Kraftwerken werden dieEnergieversorgung für die Bevölkerung und dieWirtschaft gesichert.

Neben der Stärkung des kollektiven Sicherheits-gefühls werden also im Krisenfall ganz konkreteMassnahmen getroffen, um das öffentliche Lebenund die Wirtschaft am Laufen zu halten. DasWissen um das Vorhandensein von militärischerSicherheit im Bedarfsfall führt aber auch zurErkenntnis, dass in einer sicheren Schweiz vorteil-hafter gewirtschaftet werden kann als anderswo.Militärische Sicherheit wird somit zum Standort-faktor.

Militärische Kaderausbildung –Ja oder Nein?

Ein weiterer Nutzen der militärischen Sicherheitim weiteren Sinn war in letzter Zeit umstrittener:die militärische Kaderausbildung.

War in der Vergangenheit ein Offiziersrang auto-matisch ein Ticket für eine zivile Karriere, stehenUnternehmen der militärischen Kaderausbildungheute, nicht zuletzt unter dem Aspekt der Abwe-senheit vom Arbeitsplatz, eher skeptisch gegen-über. Grund hierfür ist meist ein veraltetes Bildvon der militärischen Kaderausbildung. DieKomplexität und Vielfältigkeit von heutigen Ein-sätzen erfordert eine moderne Führungsausbil-dung. Obwohl sich die Führungsausbildung derArmee auf militärische Bedürfnisse auszurichtenhat, können viele ihrer Teile ins Zivilleben über-tragen werden. Fähigkeiten wie beispielsweise sys-tematisch Lagebeurteilungen vornehmen zu kön-nen oder unter Zeitdruck brauchbare Lösungenzu erarbeiten, sind auch in der Wirtschaft unab-dingbar. Führungseigenschaften wie Leistungsbe-reitschaft, Stressresistenz, Beharrlichkeit und So-zialkompetenz, deren Training fester Bestandteileiner militärischen Kaderausbildung ist, sind zeit-los und können nur schwer in zivilen Kursengeübt werden. Darüber hinaus ist die Möglich-keit, in jungen Jahren praktische Führungserfah-rung zu sammeln, ohne bei einem Fehler dem Ri-siko ausgesetzt zu sein, die Stelle zu verlieren,wohl einzigartig.

Diese Vorteile haben Unternehmen in den USAschon länger erkannt, wie eine aktuelle Studievon Korn/Ferry International1, ein im Bereich derRekrutierung von Führungskräften weltweit füh-rendes Unternehmen, aufzeigt. So sind Manager,

die beim Militär gedient haben, gesuchte Füh-rungskräfte, auch gerade wegen der in jungen Jah-ren gemachten Führungserfahrung. Es sind vonSeiten der Armee also wieder vermehrt Anstren-gungen notwendig, den Nutzen der modernenmilitärischen Kaderausbildung der Wirtschaftund der Bevölkerung verständlich zu machen.Die Zertifizierung der militärischen Kaderausbil-dung ist ein Schritt in die richtige Richtung. DieArbeitgebertage der Armee in Luzern ein weiterer.Zur Steigerung der Akzeptanz sollte die Armeebei der Ausgestaltung der Führungsausbildung(z.B. zeitlicher Aufwand) auf die Bedürfnisse derWirtschaft, so weit als möglich, Rücksicht neh-men. Die Wirtschaft kann von der militärischenKaderausbildung profitieren. Die Frage lautetdemnach nicht: «Militärische Kaderausbildung –Ja oder Nein?» sondern: «Wie kann das Gelerntekonkret im Unternehmen umgesetzt werden?»Hierin besteht kein Unterschied von der militäri-schen zur zivilen Kaderausbildung.

Die bei Kaderfunktionen angeblich besondersins Gewicht fallenden Absenzen sind in zweierleiHinsicht zu relativieren. Zum einen sind auchbei zivilen Weiterbildungen Absenzen vom Ar-beitsplatz kaum zu vermeiden. Zum andern zeigteine Umfrage2 von Bruno Staffelbach, Professorfür Personalmanagement an der Universität Zü-rich, dass die vermehrte Abwesenheit von Ar-meekadern nicht einseitig zu Lasten der Wirt-schaft geht. Die im Jahre 2004 durchgeführteUntersuchung unter 40 Kompaniekommandan-ten ergab, dass von durchschnittlich 40,6 Tagen,die für die Kommandoführung aufgewendetwurden, 19,8 Tage – also rund die Hälfte – durchdie Kommandanten privat, in Form von Freizeit,«bezahlt» wurden. Zur Erinnerung: Die verblei-benden 20,8 Tage entsprechen in etwa einem nor-malen jährlichen Wiederholungskurs für Soldaten.

Es scheint also, dass das Problem der militärbe-dingten Absenzen von Milizkadern weniger ander zeitlichen Mehrbelastung durch die Über-nahme einer militärischen Kaderfunktion liegt,sondern vielmehr eine Folge mangelnder Orga-nisation (Personalplanung, Stellvertreterwesenusw.) in den Unternehmen ist.

Fazit

Die Wirtschaft ist neben der Politik und derArmee gefordert, ihren Beitrag zum Standortfak-tor «Militärische Sicherheit» zu leisten. DieSchweiz ist ein Land, das vom Milizgedanken ge-

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prägt ist. Dieses Milizprinzip muss von der Wirt-schaft auch in einem globalisierten Umfeld mit-getragen werden. Schliesslich sind es auch dieUnternehmen, die von einer sicheren und stabi-len Schweiz profitieren. Diesbezüglich muss vonder Wirtschaft die Bereitschaft vorhanden sein,militärische Engagements ihrer Mitarbeitendenzu unterstützen. Darüber hinaus soll die Wirt-schaft auch mithelfen, die militärische Kaderaus-bildung bezüglich Methoden und Inhalte mitzu-gestalten.

Das Bedrohungsumfeld hat sich seit dem Zu-sammenbruch der Sowjetunion grundlegend ver-ändert. Es unterliegt wohl auch in Zukunft einem

stetigen Wandel. Demgegenüber scheinen diegegenseitigen Kenntnisse von Wirtschaft undArmee, über die jeweiligen Bedürfnisse und Vor-stellungen im Bereich militärische Sicherheit,nicht mehr ganz aktuell zu sein. Wirtschaft undArmee täten deshalb gut daran, hierüber wiedereinen ständigen, intensiven Dialog zu führen.

Quellen

1 Military Experience & CEOs: Is there a link?, www.kornferry.com/

Library/ViewGary.asp? CID=1623&LanguageID=1&RegionID=23

2 NZZ Nr. 232 vom 5. Oktober 2005 «Wer bezahlt den Aufwand der Einheits-

kommandanten?»

Einheitskrankenkasse: Gefährliches Spielmit dem Frust der Versichertenvon Doris Wobmann, lic. iur., Rechtsänwältin, juristische Mitarbeiterin der AIHK, Aarau

Die Finanzierung unseres Gesundheitswesens ist eine der schwierigsten Aufgaben, die von den Prä-mienzahlenden, den Versicherungen und der öffentlichen Hand diskutiert und gelöst werden muss.Insbesondere die jährlich steigenden Krankenkassenprämien führen bei vielen Versicherten immeröfter zu Ärger, Frustration, aber auch Ratlosigkeit, wie diese Prämien bezahlt werden können.Gleichzeitig muss die öffentliche Hand, also die Steuerzahlenden, mittels Prämienverbilligungimmer mehr Versicherten finanziell unter die Arme greifen. Der Handlungsbedarf ist offenkundig;unzählige Vorschläge und Massnahmen von hüben und drüben sind vorhanden, aber das Ei desKolumbus ist leider immer noch nicht gelegt.

Wir wissen es: Das schweizerische Gesundheits-wesen gehört zu den qualitativ besten, aber auchzu den teuersten der Welt. Wir spüren es: alleJahre wieder steigen unsere Krankenkassenprä-mien um einige Prozente an. Die Gesamtkostendes Gesundheitswesens sind seit der Einführungdes Krankenversicherungsgesetzes (KVG) im Jahr1996 beinahe explosionsartig gestiegen.

Soziale Einheitskrankenkasse

Die in der deutschsprachigen Schweiz praktischunbekannte Gruppierung «Mouvement popu-laire des familles», unterstützt von linken undgrünen Parteien, hat im Dezember 2004 die mitgut 111000 Unterschriften unterstützte Volksini-tiative «für eine soziale Einheitskrankenkasse»eingereicht. Diese verlangt eine schweizweit ein-zige Krankenkasse für die obligatorische Grund-versicherung sowie die Abschaffung der Kopf-prämie. Die Prämie soll neu nach der wirtschaft-lichen Leistungsfähigkeit der Versicherten festge-

legt werden. Mit Bundesbeschluss vom 23. Ju-ni 2006 empfehlen National- und Ständerat dieInitiative zur Ablehnung. Das Datum der obliga-torischen Abstimmung (Volks- und Ständemehrnotwendig) ist zurzeit noch nicht bekannt.

Frustrierte Versicherte …

Der jährliche Prämienanstieg für die obligatori-sche Grundversicherung ist für alle Versichertenein Ärgernis; für immer mehr Menschen wird erzur existenziellen Frage. Im «Sorgenbarometer»der Bevölkerung stehen die Prämien ganz weitoben. Es herrscht wohl bei allen Prämienzahlen-den Einigkeit darüber, dass kostendämpfendeMassnahmen zwingend zu ergreifen sind. Die mitInkrafttreten des KVG angestossene und sich seit-her nimmermüde drehende Kostenspirale lässt dieUnzufriedenheit über den zu bezahlenden Ge-sundheitspreis ebenso stetig ansteigen. Über denWeg zum Ziel der Kostendämpfung hingegen be-steht alles andere als Konsens zwischen den Betrof-

KRANKES

GESUNDHEITS-

WESEN

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fenen. Tatsache ist aber, dass uns die obligatorischeGrundversicherung pro Jahr rund 20 Mrd. Frankenkostet. Davon werden rund 3,5 Mrd. Frankendurch Prämienverbilligung gedeckt, die restlichen16,5 Mrd. Franken müssen über die Kopfprämie fi-nanziert werden (Zahlen 2005 Bundesamt für Sta-tistik). Die monatliche Durchschnittsprämie 2006für Erwachsene beträgt 306 Franken, wobei diekantonale Bandbreite zwischen 207 Franken (AI)und 426 Franken (GE) liegt (gemäss Bundesamtfür Statistik). Rund ein Drittel aller Versicherten(rund 2,4 Mio. Bezügerinnen und Bezüger) bezo-gen 2005 Prämienverbilligungen in Höhe von3,5 Mrd. Franken (Bezügerquote von 32 % mitdurchschnittlicher Leistung von 1342 Franken).Die kantonale Bandbreite liegt hier bei 712 Fran-ken (AI) und 2263 Franken (BS).

… und kranke Kassen?

Nein, unsere heute noch knapp 90 Krankenversi-cherer erfreuen sich bester Gesundheit! Sie stehenzueinander im Wettbewerb um die Gunst der Ver-sicherten und sind dadurch (positiv) gezwungen,die gesetzlich vorgeschriebene Grundversicherungzu möglichst günstigen Konditionen anzubieten.Jeder Versicherte hat die freie Wahl unter den An-bietern und muss bei einem Wechsel ohne Ein-schränkungen von der neuen Kasse aufgenom-men werden. Die Kosten, die wir über die Prämienzu bezahlen haben, entstehen nicht wegen denKrankenkassen. Die Prämien widerspiegeln ein-fach die steigende Nachfrage nach immer mehrund besseren medizinischen Leistungen, die vonimmer mehr Leistungserbringern angeboten wer-den. Die grössten Kosten verursachen die Medika-mente (21 %), die ambulante ärztliche Behandlung(23 %) sowie die Spitalbehandlung (37 %, Zahlen2004 santésuisse). Daneben nimmt sich der Anteilvon rund 5,6% für Verwaltungskosten, der bei denVersicherern verbleibt, geradezu bescheiden aus.

Alter Wein in neuen Schläuchenund viele Katzen im Sack

Letztmals wurde im Mai 2003 eine Gesundheits-initiative der SP, die unter anderem einkommens-und vermögensabhängige Prämien forderte, vonVolk und Ständen deutlich verworfen. In der Pi-peline befindet sich aktuell die so genannte Prä-miensenkungsinitiative der SVP, über die in dennächsten Jahren ebenfalls abzustimmen seinwird. Dazu ist aber auch das nationale Parlamentnicht untätig; zurzeit werden, nach dem Schei-

tern der letzten KVG-Revision, verschiedeneKVG-Teilpakete einer erneuten Revision unterzo-gen (z.B. Managed-Care, Vertragsfreiheit).

Wie festgestellt, ist akuter Handlungsbedarf un-bestritten. Der Weg der Volksinitiative erweistsich bei einem derart komplexen Gebilde wie un-serem Gesundheitswesen jedoch als ungeeignet.Die hier zu bewertende Einheitskassen-Initiativelässt, wie üblich, zu viele Fragen unbeantwortet.So ist völlig unklar, was unter Prämien «nach derwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit» zu verstehenist. Nach der Terminologie soll es sich wohl umeine neue Bundessteuer auf Einkommen und Ver-mögen handeln. Mit dieser Steuer müssten diejährlichen Gesundheitskosten von ca. 20 Mrd.Franken finanziert werden. Die direkte Bundes-steuer (natürliche Personen) spült heute rund7,3 Mrd. Franken in die Kasse – rechne! Eine ge-waltige Umverteilungsmaschinerie zu Lasten desMittelstandes würde damit angeworfen. Dennum die Abwanderung der «Superreichen» zu ver-hindern, müsste eine Plafonierung der Einkom-mens- und Vermögensbeträge angestrebt werden.Die Hauptlast würde damit erneut dem arbeiten-den Mittelstand aufgebürdet. Verschiedene Be-rechnungen gehen heute von einer zu erwarten-den Belastung von rund 15% des steuerbarenEinkommens aus.

Nicht beantwortet wird auch die Frage nach demÜbergang vom heutigen System zur Einheits-kasse. Gemäss Initiative soll diese die «Aktivenund Passiven der bestehenden Einrichtungen»innerhalb von drei Jahren nach Annahme der Ini-tiative übernehmen. Nur – was heisst das? Wer-den die Versicherungen enteignet? Wie werdensie entschädigt? Wie viel kostet uns das? Was pas-siert mit den heutigen Mitarbeitenden der Versi-cherungen? Auch über diese lästigen Detailfragenschweigt sich die Initiative sehr beredt aus.

Gemäss Initiative sollen je gleich viele Personen(wie viele?) von Behörden, Leistungserbringernund der Interessenvertretung der Versicherten imVerwaltungs- und Aufsichtsrat der neuen Kasseeinsitzen. Neben der nicht festgelegten Grössedieser tripartiten Gremien sind auch deren Aufga-ben nicht näher definiert. So oder so sind mit die-ser Zusammensetzung beträchtliche Konfliktevoraussehbar. Warum sollen Vertreter der Leis-tungserbringer (Spitäler, Ärztinnen und Ärzte,Apotheken usw.) ein Interesse an Tarifverhand-lungen mit ihren eigenen, von ihnen vertretenenKlienten haben? Warum sollen die Leistungser-bringer überhaupt in diesen Führungs- und Auf-

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sichtsgremien vertreten sein? Die in diesen Räteneinsitzenden Leistungserbringer würden zudemüber einen Wissensvorsprung gegenüber den an-dern Anbietern verfügen, der wiederum unabseh-bare Auswirkungen auf den Wettbewerb unterden Leistungserbringern zeitigen würde. Wie diesmit dem – nach wie vor – zu erreichenden Kos-tendruck auf und dem Wettbewerb unter denLeistungserbringern zu vereinbaren ist, lässt dieInitiative ebenfalls unbeantwortet.

Wir lassen uns unsere Gesundheit einiges kosten,denn diese ist unser höchstes Gut. Die Konsu-mentinnen und Konsumenten von Gesundheits-leistungen wollen zwar bei den anfallenden Ge-samtkosten sparen, jedoch nicht bei der Bewah-rung der eigenen Gesundheit im Einzelfall. Die-ser Anspruch hat ein qualitativ hoch stehendesGesundheitswesen hervorgebracht, das eben sei-nen (ebenfalls hohen) Preis hat. Im Weiteren istfestzuhalten, dass die jährlich ungebremst anstei-genden Gesundheitskosten nicht von den Kran-kenversicherungen verursacht werden, sondernletztlich wohl einfach den altbekannten Mecha-nismus von Nachfrage und Angebot abbilden.Wenn man schon so hohe Prämien bezahlt, willman schliesslich auch etwas davon haben undkonsumiert vielleicht etwas öfter als medizinischunbedingt notwendig entsprechende Angebote –die Spirale dreht sich munter weiter, sowohl jeneder Kosten wie auch jene der Frustration der Ver-sicherten. Ein eigentlicher Teufelskreis.

Wenn nun die Initiative mit der Schaffungeiner Einheitskrankenkasse tiefere Prämien beigleich bleibendem oder gar auszubauendemAngebot (was zu erwarten ist) verspricht, so istdies mindestens gefährlich, wenn nicht gar un-ehrlich. Denn es ist offenkundig, dass eineÄnderung auf der Verwaltungsebene alleinnicht einfach so zu tieferen Gesamtkostenführen kann. Ohne Veränderung im Verhaltender Beteiligten (Leistungserbringer und Versi-cherte) werden diese Kosten weiterhin steil an-steigen und müssen wohl oder übel auch fi-nanziert werden. Die in Kombination mit derEinheitskrankenkasse vorgeschlagenen Prä-mien nach der «wirtschaftlichen Leistungsfä-higkeit» der Versicherten (was immer das auchkonkret heissen mag) führt im Gegenteil zueiner noch höheren Belastung des bereitsheute am stärksten betroffenen Mittelstandes.Jene Personen, die heute schon keine Prämienbezahlen bzw. von der aus Steuergeldern fi-nanzierten Prämienverbilligung profitieren(rund ein Drittel aller Versicherten), werden

auch künftig keine Prämien bezahlen. Die not-wendige Aufteilung der anfallenden Kosten(aktuell rund 20 Mrd. Franken pro Jahr) aufdie Steuerzahlenden durch eine neue Art vonBundessteuer lässt erahnen, welche zusätzli-che Belastung auf die mittleren und hohenEinkommen fallen würde. Dass mit dieser wei-teren Einkommensbesteuerung und damit derBelastung des Produktionsfaktors «Arbeit» un-zählige weitere Arbeitsplätze bedroht seinwürden, sei hier ebenfalls, wenn auch nur amRande, erwähnt. Dieser Aspekt wird von denInitianten der Einheitskrankenkasse ebenfallsgänzlich ausgeblendet.

Fazit

Es gibt kein einfaches Heilmittel gegen die stetigsteigenden Kosten unseres Gesundheitswesens.Es braucht vielmehr ein gemeinsames Vorgehender Versicherten durch ihren vermehrten eigen-verantwortlichen Konsum, eine vermehrt gesell-schaftsverantwortliche Verhaltensweise der Leis-tungserbringer (Konzentration medizinischerLeistungen durch Abbau von Überkapazitäten,Behandlung nur wenn notwendig) und einenoch stärkere Wettbewerbssituation unter denVersicherern. Die Politik muss dazu die notwen-digen Rahmenbedingungen schaffen bzw. diebestehenden verbessern (Aufhebung des Ver-tragszwangs, Zulassung von Generika und Paral-lelimporten, Spitalfinanzierung).

Die Schaffung einer Einheitskrankenkasse unddie Einführung einkommens- und vermögens-abhängiger Prämien lösen die zweifellos anste-henden Probleme in keiner Weise. Im Gegenteilführen sie lediglich zu einer gewaltigen Umver-teilung der finanziellen Belastung auf denMittelstand, der Aufhebung des kostendämp-fenden Wettbewerbs unter den Versicherern undzur Schaffung unzähliger neuer Probleme. Mitdieser Initiative werden mehr Fragen neu aufge-worfen als bekannte beantwortet. Zudem ist dieSchaffung einer neuen Art Bundessteuer volks-wirtschaftlich unsinnig. Als Versicherte, die sichjährlich über steigende Prämien ärgern, dürfenwir uns trotzdem nicht von leeren Versprechun-gen einwickeln lassen. Die Folgen einer staat-lichen Krankenkasse wären für den Mittelstandverheerend. Die Initiative zur Schaffung einersozialen Einheitskrankenkasse ist das falscheMedikament und hat unzählige bekannte und– schlimmer – unbekannte Nebenwirkungenund ist daher klar abzulehnen.