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20. TAGUNG DES ARBEITSKREISES MEERE UND KÜSTEN - PROGRAMM, ABSTRACTS, POSTER - Veranstalter: PROF. D R. HORST STERR Geographisches Institut der Christian-Albrechts-Univerität zu Kiel Ludewig-Meyn-Straße 14 24098 Kiel Tel.: ++49 (431) 880 2944 Fax: ++49 (431) 880 4658 email: [email protected] homepage: http://www.uni-kiel.de/Geographie/Sterr 30. Mai bis 01. Juni 2002 - Kiel -

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20. TAGUNG DES ARBEITSKREISES MEERE UND KÜSTEN

- PROGRAMM, ABSTRACTS, POSTER -

Veranstalter: PROF. DR. HORST STERR Geographisches Institut der Christian-Albrechts-Univerität zu Kiel Ludewig-Meyn-Straße 14 24098 Kiel Tel.: ++49 (431) 880 2944 Fax: ++49 (431) 880 4658 email: [email protected] homepage: http://www.uni-kiel.de/Geographie/Sterr

30. Mai bis 01. Juni 2002 - Kiel -

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INHALTSÜBERSICHT

w Tagungsprogramm w

w Abstracts w

w Poster w

w Informationen w

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TAGUNGSPROGRAMM

Donnerstag, 30. Mai 2002

Ab 12:00 Anmeldung im Tagungsgebäude (Institut für Weltwirtschaft) 12:30 Begrüßung, Organisatorisches Block 1: Klimawandel, Küstengefährdung, Küstenschutz 13:00 – 13:30 Karl-Ernst Behre (Wilhelmshaven)

Eine neue Meeresspiegelkurve für die südliche Nordsee 13:30 – 14:00 K. Isert, H. Giese, G. Gönnert (Hamburg)

Charakterisierung der Tidekurve 14:00 – 14:30 Petra Witez (Kiel)

Untersuchungen zur Morphologie der Tidebecken des schleswig-holsteinischen Wattenmeeres mittels Digitaler Geländemodelle und 3D-Visualisierungen

14:30 – 15:00 Bastian Schuchardt, Michael Schirmer (Bremen) Klimawandel, Risikokonstrukte und Küstenschutz: Ansatz und Ziel des inter-disziplinären Verbundvorhabens KRIM

15:00 – 15:30 Kaffeepause

15:30 – 16:00 Stephan Mai, Nicole Lieberman (Hannover)

Vulnerabilität der Hansestadt Bremen infolge Sturmfluten 16:00 – 16:30 Frank Ahlhorn (Varel-Obenstroh)

Sommerdeiche an der niedersächsischen Küste – eine Bestandsaufnahme und wie weiter?

16:30 – 17:00 Frank Simmering (Leer) NOKIS – ein Projekt zur Erhebung und Integration von Metadaten im Küsten-raum

17:00 – 17:15 Kaffeepause

17:15 – 18:30 Mitgliederversammlung

19:00 - ... gemeinsames Abendessen

Freitag, 31. Mai 2002

Block 2: Tsunamis, Paläoküstengeographie im Mittelmeerraum 9:00 – 9:30 Anja Scheffers (Essen)

Palöo-Tsunamis in der Karibik: Feldbefunde und Datierungen von Aruba, Curacao und Bonaire

9:30 – 10:00 Peter Bartel, Dieter Kelletat (Essen) Erste holozäne Tsunamibelege für das westliche Mittelmeer auf der Insel Mal-lorca

10:00 – 10:30 F. Preusser et al. (Köln u.a.) Datierung fossiler Korallenriffe und resultierende Hebungsraten aus dem südlichen Iran

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10:30 – 11:00 Kaffeepause

11:00 – 11:30 Andreas Vött, Helmut Brückner, Mathias Handl (Marburg)

Zum holozänen Landschaftswandel von Küstenräumen Akarnaniens (Nord-west-Griechenland)

11:30 – 12:00 Ertug Öner, Levant Uncu, Beycan Hocaoglu (Bornova-Izmir) Paläogeographische Studien in der Umgebung des Gözlükule- Hügel (Tarsus-Mersin, Türkei)

12:00 – 12:30 Marc Müllenhoff, Andrea Wullstein, Helmut Brückner (Marburg) Holozäne Küstenverlagerung und paläogeographischer Wandel im Umfeld der antiken Städte Myous und Milet (Westanatolien / Türkei)

12:30 – 14:00 Mittagspause

Block 3: Küstenökologie, Ostsee, Angewandte Küstengeographie 14:00 – 14:30 Marion Glaser (Bremen)

Spannungsfelder zwischen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Ökosystem der Mangrovenküste von Pará, Nordbrasilien

14:30 – 15:00 Corinna Pauschardt (Hamburg) Wattenmeerschutz in Korea – welche Lösungsansätze bietet das National-parkkonzept „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“?

15:00 – 15:30 Klaus Schwarzer, Markus Diesing (Kiel) Sedimentumlagerungen in Vorstrandbereichen der südlichen Ostseeküste

15:30 – 16:00 K. Schrottke, K. Schwarzer, S. Kohlhase, P. Fröhle, J. Riemer, K. Mohr (Kiel, Rostock) Rückgangsdynamik schleswig-holsteinischer Steilküsten unter veränderlichen Seegangs- und Wasserstandsbedingungen

16:00 – 16:30 Kaffeepause

16:30 – 17:00 Gerald Schernewski (Warnemünde)

Entwicklung, Zustand und Management der Wasserqualität in der Ostsee 17:00 – 17:30 Levent Piker (Kiel)

Nachhaltige Kultivierung und Nutzung mariner Algen: Chancen für die deut-sche Küstenregion?

17:30 – 18:00 Hoffmann-Wieck (Kiel) Geoarchäologische Untersuchungen im Gebiet der Ostseeförde Schlei

Samstag, 1. Juni 2002

9:00 – 14:00 Exkursion

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ABSTRACTS

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Eine neue Meeresspiegelkurve für die südliche Nordsee

Karl-Ernst Behre (Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung, Wilhelmshaven)

Nachdem in den vergangenen Jahren die Daten zu Meeresspiegelbewegungen und Küsten-

veränderungen im deutschen Nordseeküstengebiet erheblich zugenommen haben, wurden diese zur Konstruktion einer neuen Meeresspiegelanstiegskurve ausgewertet. Neben den geologischen Daten wurden dazu auch archäologische und historische Quellen herangezogen.Dazu gehören

Siedlungsschichten und genau datierte Höhenlagen des Maifelds ebenso wie z.B. prähistorische Brücken über Priele, die einen direkten Hinweis auf das MThw liefern. Wichtig ist dabei besonders die scharfe Trennung der Daten im Hinblick auf ihre Aussage zum MW, MThw oder zum Stur m-

flutspiegel. Es zeigt sich, daß die Differenz zwischen MThw und Sturmflutspiegel vor der Bedei-chung erheblich geringer war als nachher; sie wurde durch Wasserbaumaßnahmen später noch weiter erhöht. Ein kontinuierlicher Anstieg des Meeresspiegels läßt sich vergleichsweise sicher

erfassen, während Meeresspiegelabsenkungen wesentlich schwerer nachzuweisen und quantitativ abzu- schätzen sind. Die Tendenzen zu Stagnation und Meeresspiegelabsenkung werden vor allem durch im Marschprofil schwimmende Torfe aufgezeigt, Absenkungen des Sturmflutspiegels und

teilweise auch des MThw können daneben zu weitreichenden Siedlungsbewegungen im Küsten-raum führen. Auf diese Weise lassen sich Rückgänge des MThw oder – horizontal gesehen – Reg-ressionen erkennen. Das Ausmaß der Absenkungen läßt sich anhand der Torfzusammensetzung

bzw. von Bodenbildungen in etwa beurteilen. Gewisse Unsicherheiten im Verlauf der Meeresspie-gelkurve liegen einerseits in dem unterschiedlichen Setzungsverhalten der Torfe und Marschsedi-mente, andererseits in den Ungenauigkeiten von archäologischen und Radiokarbondatierungen.

Besonders die letzteren werden in ihrer Präzision oft überschätzt.

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Charakterisierung der Tidekurve

K. Isert, H. Giese, G. Gönnert (Behörde für Wirtschaft und Arbeit, Strom- und Hafenbau, Hamburg)

Die Form der Tidekurve und temporäre Änderungen dieser Form an verschiedenen Standorten

liefert immer wieder Fragen zu Wechselwirkungen mit den sie erzeugenden verschiedenen physi-kalischen Prozesse.

In diesem Zusammenhang wird die Tidekurve in Abhängigkeit von mathematisch-physikalischen

Beziehungen und von geographischen Standortfaktoren dargestellt. Die Diskussion basiert auf Ergebnissen der Fourier- und Partialtidenanalyse und der Tidekennwertanalyse von Wasser-standsdaten aus den 4 Monaten April bis Juli der Jahre 1955, 1975 und 1998. Es wurden Wasser-

standsdatensätze an 43 ausgewählten Pegelstandorten (1998) entlang der deutschen Nordseeküste und in den Ästuaren Elbe, Weser und Ems in diesem Rahmen ausgewertet. Dabei stehen regionale Besonderheiten, wie der Übergang von See zur Küste, die Insel Sylt, umströmte Insel am Beispiel

Föhr, Entwicklung in den Ästuaren und die Region Eidersperrwerk als stark durch Baumaßnah-men beeinflusstes Gebiet im Vordergrund. In den Jahren 1955 und 1975 wurden 15 Da tensätze analysiert.

Basierend auf diesen Untersuchungen sollen Anregungen für neue Analysewege und –strategien gegeben werden.

Mit Hilfe der Partialtiden- und Fourieranalyse wurde ein zum Teil starker Einfluss der Seichtwas-

sertiden (Obertiden) auf die Tidekurve in Abhängigkeit der Lage des Pegelstandortes ermittelt. Insbesondere starke charakteristische regionale Unterschiede der Amplitude der viertel- und sechsteltägigen Gezeit, die u.a. durch Advektion und Reibung angeregt werden, wurden in der

Zeitspanne verschiedener Jahre beobachtet.

Bereits an der Küste ist der Effekt der vierteltägigen Gezeit höher als auf See.

Belegt ist in der 4-monatigen Zeitspanne in den drei Jahren ästuaraufwärts eine Zunahme der

Amplitude der vierteltägigen Gezeit (M4) (Elbe, Weser, Ems). Veränderte Amplituden in den 4-monatigen Zeitspannen 1955, 1975 und 1998 lassen den Einfluss natürlicher und anthropogener morphologischer Veränderungen vermuten.

Auch der Einfluss langperiodischer physikalischer Prozesse auf die Tidekurve ist nicht zu vernach-lässigen, wie das Ergebnis der Fourieranalyse zeigt. Ob die entsprechenden physikalischen Prozes-se im Bereich der Meteorologie, der Fernwellen oder des Rauschens liegen, ist im jeweiligen Fall zu

untersuchen. Ein Versuch der Rekonstruktion der Tidekurve mit möglichst wenig harmonischen Schwingungen auf Basis der Fourieranalyse und der Partialtidenanalyse wurde durchgeführt. Kri-terien waren bei der Fourieranalyse die Größe der Amplituden der harmonischen Schwingungen.

Eine vereinfachte Darstellung der Tidekurve, typisch für besondere regionale Besonderheiten, kann dadurch nicht gegeben werden, da mehr als 100 Tiden für eine naturgetreue Darstellung notwendig sind. Das Ergebnis auf der Grundlage der Partialtidenanalyse ist ähnlich: Es zeigt eb en-

so, dass zur Beschreibung der Tidekurve eine hohe Anzahl von Partialtiden erforderlich ist.

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Regionale Besonderheiten lassen sich auch deutlich anhand der Ergebnisse der Tidekennwertana-lyse (1998) reflektieren: Wie sich anhand der Tidekennwerte feststellen lässt, läuft die Tidewelle wegen der komplexen topografischen Verhältnisse nicht gleichförmig entlang der deutschen

Nordseeküste.

Beeinflusst durch die nahe gelegene Amphidromie der M2 zeichnet sich die Insel Sylt durch mini-males MThw und maximales MTnw an der gesamten deutschen Nordseeküste aus.

Im Ästuar lässt sich bei geringem Wasserstand anhand der Verteilung des MTnw deutlich der Einfluss der Topographie auf die hydrologischen Verhältnisse beobachten. Weiterhin steigt das MThw ästuaraufwärts gerichtet stets an.

Im Allgemeinen steigt das MThw von der See in Richtung Küste an bzw. fällt das MTnw ab. Das MTnw fällt im Bereich einer geschlossenen Bucht (Husum) tiefer ab als im Bereich der umströmten Insel Föhr. Umgekehrt steigt das MThw ebenfalls stärker im Bereich der geschlossenen Bucht.

Der Bereich der deutschen Bucht zeichnet sich durch längere Ebb- als Flutdauern aus. Umgekehrt ist die Situation auf der landzugewandten Seite von Sylt, in Büsum und in der Jade. Die im Ver-hältnis längsten Ebbedauern wurden in Bremen, St. Pauli und am Eidersperrwerk AP gemessen. In

den Ästuaren ist die Ebbedauer stets länger als die Flutdauer. Dieser Effekt ist verbunden mit ei-nem Aufsteilen der Tidekurve.

Verbunden mit der markanten Topographie geprägt von Watten, vorgelagerten Inseln und Prielen

ist das Verhältnis TF/TE entlang der nordfriesischen Küste weniger gleichförmig als entlang der ostfriesischen Küste

Abschließend wird der Einfluss des Oberwasserabflusses auf die Tidekurve diskutiert. In der Elbe

und der Weser konnte eine Beziehung durch direkte Korrelation nicht nachgewiesen werden. Mit Hilfe der spektralen Korrelation wird der Zusammenhang in kurzperiodischen Frequenzräumen erörtert.

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Untersuchungen zur Morphologie der Tidebecken des schleswig-holsteinischen Wattenmeeres mittels Digitaler Geländemodelle und 3D-Visualisierungen

Petra Witez (Kiel)

Das Wattenmeer ist ein Gebiet, welches sich von Dänemark (Halbinsel Skallingen) über die Innere Deutsche Bucht bis zu den Niederlanden (Den Helder) erstreckt. Es ist ein dem Festland vorgela-

gerter amphibischer Übergangsbereich zur offenen Nordsee, der im wesentlichen durch den See-gang und die Tide geprägt ist. Eine der Besonderheiten liegt in dem vergleichsweise hohen Anteil an intertidaler Fläche, die zweimal am Tag überflutet wird bzw. wieder trockenfällt. Es zählt auf-

grund seiner engen Verflechtung von Hydrologie und Morphologie zu den Gebieten mit höchster Sensibilität hinsichtlich geänderter Klimabedingungen. Untersuchungen haben ergeben, dass zu-mindest Teilbereiche des Wattenmeeres seit einigen Jahrzehnten einer erosiven Entwicklung unter-

liegen, die wahrscheinlich die morphologische Reaktion auf zunehmende hydrodynamische Belas-tungen aus Seegang und Strömung darstellt. Für die Zukunft könnte sich die Entwicklung ver-stärkt fortsetzen, insbesondere wenn die vorhergesagte Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs

tatsächlich eintritt.

Die Wasserwirtschaftsverwaltungen der Küstenanreinerländer haben im Rahmen ihrer gewässerkundlichen Aufgaben - u.a. zum frühzeitigen Erkennen nachteiliger Entwicklungen und

als Grundlage für regulierende Planungen - den aktuellen morphologischen Zustand des Küstenraumes zu erfassen, darzustellen und zu vergleichen. Deshalb wird das Wattengebiet an der Nordseeküste wiederholt topographisch vermessen. Die Ergebnisse mehrerer

aufeinanderfolgender Messungen können dann Aufschluss über Art, Umfang und Richtung morphologischer Veränderungen geben.

Der Beitrag untersucht, wie sich - im zeitlichen Rahmen von Jahrzehnten - Änderungen der hydr o-

graphischen Rahmenbedingungen im Nordseeraum auf die morphologische Entwicklung auswir-ken. Zudem werden am Beispiel von Vordeichungen die Auswirkungen von baulichen Eingriffen auf die Morphologie untersucht.

Datengrundlage für die Untersuchungen bilden nautische und terrestrische Vermessungen, die zwischen 1935 und 1997 aufgenommen wurden. Es handelt sich entweder um Tiefenpunkte oder um daraus angefertigte Wattgrundkarten, die durch Digitalisierung in ein GIS überführt wurden.

Durch anschließende Interpolation ließen sich daraus zahlreiche digitale Geländemodelle generie-ren, die den gesamten Bereich der schleswig-holsteinischen Küste zu verschiedenen Zeitpunkten abdecken.

Basierend auf diesen Geländemodellen konnte dann die morphologische Struktur des Wattenmee-res und seiner Tidebecken durch eine Vielzahl von hydrographischen und morphologischen Zu-standsvariablen (u. a.. Tidenhub, Tideprisma, Beckengröße unter verschiedenen Bezugshorizonten,

Seegattquerschnitt) charakterisiert und die bisherige Entwicklung analysiert werden. So konnte z. B. nachgewiesen bzw. bestätigt werden, dass sich die Wattmorphologie bei einem erhöhten Tiden-hub teilweise durch eine Vertiefung der Priele und eine Aufhöhung der Wattflächen anpasst.

Um die raumzeitliche Entwicklung der Tidebecken zu visualisieren und damit die Interpretierbar-keit der Geländedaten zu erhöhen, wurden zudem digitale Videos erstellt, welche die topographi-

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schen Veränderungen der Wattflächen mittels temporaler Keyframe-Animationen zeigen. Bei die-ser Methode werden die Schlüsselszenen (keyframes) - hier die Geländemodelle der Vermessungs-zeitpunkte - interpoliert und so die für eine Animation notwendigen Zwischenbilder berechnet.

Eine ähnliche Technik wie für die Visualisierung der bisherigen Entwicklung wurde schließlich dazu verwendet, um den zukünftigen topographischen Zustand der Tidebecken abzuschätzen und somit Aussagen über mögliche Veränderungen der Tidebeckenparameter und ihrer funktionalen

Abhängigkeiten bei steigendem Meeresspiegel treffen zu können.

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Klimawandel, Risikokonstrukte und Küstenschutz: Ansatz und Ziel des inter-disziplinären Verbundvorhabens KRIM

Bastian Schuchardt, Michael Schirmer (Bremen)

Abstract

Hintergrund: Ein globaler Klimawandel zeichnet sich immer deutlicher ab; für den norddeutschen Küstenraum sind besonders der Anstieg des Meeresspiegels und die Veränderung von Intensität und Häufigkeit sturmfluterzeugender Stürme relevant. Die in der Folge steigenden Anforderun-

gen an den Küstenschutz bei begrenzten öffentlichen Mitteln, die mögliche Verstärkung bereits vorhandener gesellschaftlicher Konflikte um den Küstenschutz und die Notwendigkeit der Ein-bindung in ein integriertes Küstenzonenmanagement, die spezifischen historischen Erfahrungen

der Küstengesellschaft mit dem „blanken Hans“ und die historisch gewachsenen Organisations-formen und Entscheidungsstrukturen erfordern eine der Komplexität der Situation angemessene wissenschaftliche Bearbeitung des Problemzusammenhänge, um darauf aufbauend in Zusammen-

arbeit mit örtlichen Experten und Betroffenen Handlungsempfehlungen zu generieren.

Aufgabe: Vor diesem Hintergrund hat das interdisziplinäre, BMBF-geförderte Verbundvorhaben KRIM (Klimawandel und präventives Risiko- und Küstenschutzmanagement) das Ziel, Orientie-

rungs- und Handlungswissen für die gesamtgesellschaftliche Zukunftsaufgabe „Risikomanage-ment im Küstenschutz unter Unsicherheitsbedingungen“ bereitzustellen. Die zentrale Forschungs-frage lautet:

Welche Anforderungen stellen ein beschleunigter Meeresspiegelanstieg und verstärkte Extremer-eignisse an den in ein integriertes Küstenzonenmanagement einzubindenden zukünftigen Küsten-schutz und welche gesellschaftlichen Interpretationsmuster und Entscheidungsvorgänge beein-

flussen diesen Prozess?

Dabei sind besonders die folgenden Aspekte von Bedeutung:

• die Methodik der Herleitung von (Deichhöhen-)Bemessungsansätzen unter Klimawandel- und

Meeresspiegelanstiegsbedingungen,

• langfristige Anpassungsprozesse, die langfristige Planung und Planungssicherheit erfordern,

• Kosten und Kosten/Nutzenanalysen verschiedener Küstenschutzoptionen,

• die Interessenlagen der beteiligten Gruppierungen und daraus resultierende Zielkonflikte,

• die gesellschaftliche Perzeption bzw. die Interpretationen von Umweltveränderungen (hier: steigendem Risiko) und die Entscheidungsstrukturen des politisch-administrativen Systems,

• die historisch verankerte Partizipation der Küstenbewohner und ihrer Organisationen,

• die zunehmende Komplexität der im Risikomanagement zu berücksichtigenden Interessen, Vorgaben, Optionen etc, die moderne Methoden der Entscheidungsvorbereitung erfordert.

Ansatz: Die Aufgabenstellung des Verbundvorhabens KRIM erfordert die Analyse funktionaler Zusammenhänge wie z.B. „Umweltveränderungen ó Küstenschutz“, „Gesellschaft ó Küsten-schutz“ und „Umweltveränderungen ó Gesellschaft“. Ausgehend von der Erkenntnis, dass die

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Gesellschaft den Zustand ihrer Umwelt über einen filternden Perzeptions- und Kommunikations-prozess wahrnimmt und die Aktivierung ihrer Instrumente das Ergebnis komplexer Meinungsbil-dungsprozesse ist, waren die entsprechenden Fachdisziplinen an der Funktionsanalyse „Natur-

raum, Küstenschutz und Gesellschaft“ zu beteiligen.

Hieraus folgt als zwingende Voraussetzung für einen erfolgreichen Forschungs- und Entwick-lungsprozess die konsequente Zusammenführung verschiedener Fachwissenschaften in einem

integrierten Forschungskonzept mit folgenden Grundsätzen:

• Multi- und interdisziplinäres Arbeiten;

• Fokussierung auf den Begriff des Risikos, der für alle Disziplinen anschlussfähig ist;

• Strukturierung und Orientierung des Forschungsprozesses an einem Leitkonzept;

• Integration der Ergebnisse in einem Decision Support System (DSS);

• Methodischer Umgang mit Unsicherheiten durch Anwendung von Szenarien (Klima, Zukünf-

te);

• Bearbeitung der Thematik anhand repräsentativer Küstensituationen.

Struktur: In einem top-down-Ansatz ist eine Projektstruktur des Verbundvorhabens mit 7 Teilpr o-

jekten („TP“) entwickelt worden, die natur -, ingenieur- und sozialwissenschaftliche Disziplinen umfasst.

Decision Support System (DSS): Zentrales Werkzeug der integrativen Analyse ist die Entwicklung

eines DSS. Im DSS wird ein strukturierter Ansatz für die Risikoanalyse mit informationstechnolo-gischen Mitteln wie einem Geografischen Informationssystem, Rechenmodellen und Auswerteme-thoden zu einem Instrument kombiniert, das die Bearbeitung, Analyse und Präsentation von In-

formationen zur Unterstützung von Diskussions-, Planungs- und Entscheidungsprozessen ermög-licht. Dabei ist die Funktion innerhalb des Verbundvorhabens zweifach: zum einen hilft es wäh-rend des interdisziplinären Forschungsprozesses diesen zu strukturieren, stellt einen „Attraktor“

dar und trägt zur Datenintegration bei (diese Wirkung hat sich bereits deutlich entfaltet!), zum anderen kann es nach der Beendigung des Projektes als modernes und in Deutschland bisher we-nig genutztes Instrument eines öffentlichen Diskurses zum Umgang mit den Folgen einer Klima-

änderung genutzt werden.

Laufzeit und Umfang: Das Verbundvorhaben läuft für die sektoralen Teilprojekte 3 Jahre (Mitte 2001 bis Mitte 2004); für das TP Integration 3,5 Jahre. Der Förderumfang beträgt ca. 2.8 Mio €.

Dr. Bastian Schuchardt BioConsult Schuchardt & Scholle Lesumstr. 10 29759 Bremen [email protected] Dr. Michael Schirmer Universität Bremen, Fachbereich 2 Institut für Ökologie und Evolutionsbiologie Postfach 330440 28334 Bremen [email protected]

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Vulnerabilität der Hansestadt Bremen infolge Sturmfluten

Stephan Mai 1, Nicole von Lieberman 1 (Hannover)

Die Hansestadt Bremen weist aufgrund ihrer Lage an der Unterweser mit den Nebenflüssen Le-sum und Ochtum eine große Vulnerabilität durch Hochwasser auf. Besonders kritisch ist in diesem Zusammenhang das gleichzeitige Auftreten von Sturmfluten und hohen Oberwasserabflüssen zu

nennen. Im Jahr 1962 ist es so z. B. zu einer Überflutung weiter Teile Bremen-Vegesacks gekom-men, wenngleich die Folgen nicht so gravierend wie in der Hansestadt Hamburg waren.

Als Methode zur Beurteilung der Vulnerabilität bietet sich die Risikoanalyse an, welche zur Zeit im interdisziplinären BMBF-Forschungsvorhaben „Klimawandel und präventives Risiko- und Küs-tenschutzmanagement an der deutschen Nordseeküste (KRIM)“ u. a. für die Hansestadt Bremen

durchgeführt wird. Maßgebender Bestandteil der Risikoanalyse ist einerseits die Beurteilung der Versagenswahrscheinlichkeit von Hochwasserschutzanlagen sowie andererseits die Abschätzung möglicher Folgeschäden. Zur Abschätzung der Folgeschäden eignen sich Geographische Informa-

tionssysteme, welche im wesentlichen auf den ATKIS-Daten (DGM und DLM) beruhen.

Abb1. Entscheidungsunterstützungssystem RISK – hier: Hochwassergefahren im Land Bremen

1 Universität Hannover, Franzius-Institut für Wasserbau und Küsteningenieurwesen Geschäftsführender Leiter: Univ.-Prof. Dr.-Ing. C. Zimmermann Nienburger Straße 4, 30167 Hannover

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Das digitale Geländemodell DGM wird insbesondere für die Ausweisung von Überflutungsflächen bei Versagen des Hochwasserschutzes benötigt, welche z. B. durch numerische Simulation der Überflutung nach einem Deichbruchereignis gewonnen werden. Die Nutzungsstruktur ist aus der

Analyse des Digitalen Landschaftsmodells DLM unter Zuhilfenahme von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen zu bestimmen. Eine Bewertung der Nutzungen erfolgt dann durch Disaggrega-tion der auf Gemeindeebene erhobenen Statistiken der Werte einzelner Nutzungen.

Die Vulnerabilitätsanalyse und im besonderen die Ausweisung möglicher Überflutungsflächen bei Hochwassern stellt eine Möglichkeit zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie dar. Sie er-möglicht außerdem den Vergleich möglicher Strategien für den Hochwasserschutz (Objektschutz,

Verstärkung bestehender Deiche) bzw. möglicher Entwicklungspfade für das Hinterland (Nut-zungsänderung). Zur Erleichterung der Vulnerabilitätsanalyse bei unterschiedlichen Schutzstrate-gien und verschiedenen Entwicklungspfade erfolgte im o. g. Vorhaben eine Implementierung in

ein sogenanntes Entscheidungsunterstützungssystem (decision support system), wie in Abbildung 1 dargestellt.

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Sommerdeiche an der niedersächsischen Küste – eine Bestandsaufnahme und wie weiter?

Frank Ahlhorn (Varel-Obenstroh)

Die geschichtliche Entwicklung der Sommerdeiche ist verknüpft mit der Ausgestaltung des Deich-

baus zum Schutz der Küstenniederungen gegen die Wintersturmfluten (Küstenschutz). Der Küs-tenschutz wiederum ist Teil der Besiedlungsgeschichte des Küstenraumes.

Im Verlauf der Besiedlung der tiefliegenden Nordsee-Küstengebiete wurden Sommerdeiche auf

landwirtschaftlich genutzten Außendeichsflächen errichtet. Die Sommerdeichhöhe reicht aus, um das eingedeichte Vorland (Sommerpolder) während der Weidezeit vor Überflutungen mit See-wasser zu schützen. Das Deichprofil ist so gestaltet, dass der Sommerdeich von den während des

Winters auftretenden hohen Sturmfluten schadlos überströmt werden kann.

In der jüngsten Vergangenheit ist die Funktion der Sommerdeiche als Schutz der landwirtschaft-lichen Flächen beständig zurückgegangen, gleichzeitig haben Gesichtspunkte des Naturschutzes

für das vom Sommerdeich beeinflusste Salzwiesen-Ökosystem an Bedeutung gewonnen. So kommt es zu voneinander abweichenden Bewertungen der Sommerdeiche: der Naturschutz for-dert den Abbau oder die Öffnung von Sommerdeichen, während der Küstenschutz die beste-

henden Sommerdeiche erhalten will.

Die unterschiedlichen Bewertungen der Sommerdeiche führten zu aktuellen Auseinanderset-zungen im Umgang mit einigen Sommerdeichen im niedersächsischen Küstenraum. Diese Ausei-

nandersetzungen waren Anlass, eine Literaturstudie in Auftrag zu geben, die die vorhandenen umfangreichen Informationen und Materialien sowie Fakten und Meinungen zu den niedersächsi-schen Sommerdeichen sammeln und in einer objektiven Form darstellen soll. Das durch die Wat-

tenmeerStiftung geförderte und an der Forschungsstelle Küste Norderney des Landesamtes für Ökologie durchgeführte Projekt „Literaturstudie zur Entwicklung und Bedeutung von Sommer-deichen“ stellt somit die Grundlagen zur Verfügung, auf die bei kontroversen Diskussionen im

Bemühen um Konfliktlösungen zurückgegriffen werden kann. Sie kann damit einen nützlichen Beitrag zum Prozess des Küstenmanagements leisten.

Der Vortrag wird einen Überblick über die Ergebnisse der Literaturstudie geben. Ein kurzer Ex-

kurs in das europäische sowie außereuropäische Ausland wird diese Ausführungen abrunden. Im Anschluss daran wird auf die aktuelle Verwendungsmöglichkeit der Literaturstudie und die sich möglicherweise daraus ergebenden Konsequenzen eingegangen. Den Abschluss des Vortrages

wird die Einbettung der Thematik der Entwicklung und Bedeutung von Sommerdeichen in das Konfliktfeld „Deichvorland“ zwischen Naturschutz und Küstenschutz bilden.

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NOKIS Ein Projekt zur Erhebung und Integration von Metadaten im Küstenraum

Frank Simmering (plan-GIS GmbH, Leer)

Unter Metadaten versteht man „Daten über den Inhalt, die Qualität, die Form und über andere

Charakteristika von Daten“. Insbesondere die in Geografischen Informationssystemen (GIS) ge-speicherten Geodaten sind ohne die Dokumentation ihrer grundlegenden Eigenschaften wie For-mat, Projektion, Quelle, Erhebungsmaßstab etc. für Außenstehende kaum nutzbar.

Im Rahmen des BMBF Projektes NOKIS (Nord- Ostseeküsten Metainformationssystem) haben sich nun erstmals Behörden und Institutionen aus den Bereichen Wasser - und Schifffahrtsverwaltung, Naturschutz, Küstenschutz, und Küsteningenieurwesen mit dem Ziel zusammengeschlossen, ihre

Datenbestände nach einem einheitlichen Standard zu dokumentieren. Die auf diese Weise gen e-rierten Metadaten sollen dann über ein gemeinsames Internetportal der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.

Neben den GIS-Daten Daten sollen auch Forschungsberichte, Zeitreihen etc. erschlossen werden. Über das NOKIS Portal wird es dem Benutzer somit möglich sein, einen umfassenden Eindruck über die Datenlage zu einem bestimmten Thema oder Raum zu gewinnen. Auch innerhalb der

beteiligten Institutionen soll die NOKIS-Metadatenbank genutzt werden, um in den mittlerweile doch sehr umfangreichen digitalen Datenbeständen zu recherchieren und geeignete Daten für die jeweilige Fragestellung zu finden.

Neben der Vermeidung von Doppelarbeit ist ein Ziel des NOKIS-Projektes, durch die verbesserte Information auch zu einer verbesserten Koordination von Forschung, Planung und Küstenschutz-aktivitäten im Küstenraum beizutragen. Damit würde man dem vielbeschworenen Ziel der Ver-

wirklichung eines Integrierten Küstenzonenmanagements (IKZM) in Deutschland einen Schritt näher kommen.

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Paläo-Tsunamis in der Karibik: Feldbefunde und Datierungen von Aruba, Curaçao und Bonaire

Anja Scheffers (Geographisches Institut, Universität Essen)

Die Zeitspanne historisch belegter Tsunamis umfasst seit der ersten Dokumentation vor der Küste

Syriens um 2000 BC vier Jahrtausende. Weltweit sind seitdem über 2300 Ereignisse mit über 6500 Runup-Lokalitäten in der Tsunamidatenbank des National Geophysical Data Center der USA do-kumentiert. Dennoch sind Beobachtungen zu geomorphologischen und sedimentologischen Zeug-

nissen solcher Naturereignisse kaum überliefert. Tsunamis sind vor dem Zeitalter direkter und objektiver Messungen nur dann registriert worden, wenn sie Menschenopfer oder größere Sach-schäden gefordert haben. Dieses Phänomen spiegelt sich bis heute auch in der wissenschaftlichen

Bearbeitung wieder. Weltweit befassen sich lediglich ca. 60 wissenschaftliche Artikel mit bleiben-den Naturveränderungen wie Ablagerung, Erosion oder Umformung von Kü stenlandschaften durch Tsunamis, wobei der überwiegende Teil die Deposition von Feinsedimenten diskutiert.

Für die Karibik sind seit dem Zeitalter der Entdeckungsreisen mittlerweile 88 Tsunamis bekannt. Beobachtungen über ihre sedimentologischen oder geomorphologischen Spuren liegen jedoch nur von zwei Lokalitäten vor: Grobschottervorkommen aus Korallenfragmenten an der östlichen

Nordküste von Venezuela (ca.1300 BP) und chaotische Ablagerungen von Feinsedimenten in einer Lagune vor Venezuela mit 770 bis 500 BP. Im weiteren Großraum zwischen den amerikanischen Kontinenten sind zwei weitere Befunde bekannt. Einmal handelt es sich um kleine Blockansamm-

lungen auf Grand Cayman, die möglicherweise auf ein Ereignis des 17. Jahrhunderts zurückgehen, und um Riesenblöcke auf den Bahamas mit über 1000 t aus dem Jungpleistozän.

Aufgrund von Feldbeobachtungen ungewöhnlich verbreiteter grobblockiger Ablagerungen auf

den Inseln Curaçao, Bonaire und Aruba entwickelte sich der Gedanke, diese nach ihrer Verbrei-tung und Genese näher zu untersuchen, zu kartieren und nach Möglichkeit auch zu datieren, um damit einen Beitrag zur Tsunamiforschung in regionaler und allgemeiner Hinsicht zu liefern.

Bislang wurden die Grobschuttablagerungen in der regionalen Literatur ohne detaillierte Bear-beitung der alleinigen Einwirkung von Hurrikans zugeschrieben und eine tsunamigene Entste-hung völlig außer acht gelassen. Herauszustellen ist, dass sich die ABC-Inseln am südlichen Rande

der Hurrikanzugbahnen befinden und seit Beginn verlässlicher meteorologischer Beobachtungen (1886) und der 400-jährigen Aufzeichnungen der Seefahrt lediglich alle 100 Jahre ein Hurrikan der Kategorie 2 (von insgesamt 5 der Saffir-Simpson-Skala) innerhalb von 100 Seemeilen (180 km) pas-

siert.

Die Basis der Studie waren ausgedehnte Geländearbeiten auf allen drei Inseln. Dazu gehörten Pr o-bennahmen, Sedimentansprache, Einregelungsmessungen und statistische Kornanalysen an

Grobmaterialien, vor allem hinsichtlich von deren genauer Herkunft aus dem Litoral. Umfangrei-che Proben wurden der Bestimmung (Makro- und Mikrofossilien) und vor allem der absoluten Altersdatierung mittels 14C zugeführt. Dieser wurden multimethodische Überlegungen zur rela-

tiven Alterseinordnung der Sedimentations- und Formungsvorgänge zur Seite gestellt. Luftbilder verschiedener Maßstäbe wurden georeferenziert und interpretiert und dienten zusätzlich als Kar-tierungsgrundlage und Verknüpfung der einzelnen Referenzgebiete der Felduntersuchungen. Eine

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weltumspannende Datenbank zu Hurrikans und Tsunamis bildete die Grundlage für den Ver-gleich mit dem state of the art . Als ein Ergebnis der Feldanalysen werden drei Grobmaterialabla-gerungen unterschieden: Die weiteste Verbreitung weisen die ramparts auf, welche als dekame-

terbreite und bis zu einem Meter mächtige deutlich durch einen sedimentfreien Streifen vom Kliff abgesetzte Schuttdecken ausgebildet sind. Die Korngröße erreicht mehrere 100 kg, das Material stammt überwiegend aus dem Supralitoral. Als ridges werden solche Ablagerungen bezeichnet, die

eine deutliche Wallform aufweisen. Sie können bis zu + 3 m mächtig, über 50 m breit und mehrere Kilometer lang werden. Unmittelbar am Brandungssaum gelegen enthalten auch sie sehr groben Schutt, der aufgrund besserer Zurundung, bioerosiver Überformung und Beimengung gut erhalt e-

ner Korallenfragmente eine Herkunft aus dem foreshore-Bereich belegt. Die dritte Einheit sind Ein-zelblöcke oder boulder assemblages von mehreren bis zu 300 Tonnen Gewicht. Sie sind von eckiger Form, losgerissen aus dem Kliff oder der bench und liegen verstreut innerhalb bzw. gehäuft auch

vor den ramparts auf der unteren Riffterrasse in Höhen von + 2 – 12 m.

Die geomorphologischen und sedimentologischen Feldbefunde ergaben eine ganze Reihe von Kri-terien für eine relative Alterseinschätzung der Tsunamis von mindestens einigen Jahrhunderten

(bis zu maximal wenigen Jahrtausenden). Bestätigt wurde dies durch über 40 Radiokarbonalter mit drei klaren Schwerpunkten um 400-500 BP, um 1500 BP und um 3500 BP.

Es kann festgestellt werden, dass die hier vorgestellte Arbeit weltweit die bisher ausgedehnteste

ist, welche alle Landschaftsspuren von Tsunamis in einer Region von ca. 200 km Erstreckung do-kumentiert und datiert. Die Ergebnisse werden als objektive Feldbelege auch die Planungen zur Errichtung eines karibikweiten Tsunami-Warnsystems stützen, das zur Zeit von Seiten der UNES-

CO/Intergovernmental Oceanographic Commission vorangetrieben wird. Bislang wird die Ge-fährdung des Großraumes Karibik durch potentielle Tsunami-Impacts von Seiten der Regierungen als auch der Bevölkerung völlig unterschätzt.

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Erste holozäne Tsunamibelege für das westliche Mittelmeer auf der Insel Mal-lorca

Peter Bartel, Dieter Kelletat (Geographisches Institut, Universität Essen)

Im November 2001 wurde das westliche Mittelmeergebiet von einem außerordentlich heftigen

Orkan heimgesucht, dessen Winde und Wellen u.a. im Norden von Mallorca Hurrikan-Stärken erreichten. Schriftliche und bildliche Quellen werden infolge der ausgedehnten Schäden diesen Sturm als Jahrhundertereignis festhalten. Die Frage war daher, ob die Landschaftsspuren (als Se-

dimente oder Formen) im Küstenbereich auch längere Zeit überdauern würden und im geological record wiederzufinden wären. Bei einer zeitnahen Feldstudie wurden neben den aktuellen Sturm-folgen auch solche früherer Ereignisse gefunden, die noch erheblich größere Energien als jene vom

November 2001 erfordert haben, was im Vergleich auch quantitativ zu belegen ist. Es handelt sich eindeutig um Hinterlassenschaften eines (oder einiger) Tsunami, vor allem in Form teilweise aus-gedehnter Blockansammlungen. Sie sind am deutlichsten im Nordosten und im Südosten der Insel

verbreitet, d.h. über eine Küstenregion von mindestens 60 km Erstreckung. Das deutet darauf hin, dass die Ursache in einiger Entfernung zu suchen ist, und zwar in östlicher Richtung, wobei so-wohl ein vulkanisches Geschehen im Raum der Äolischen Inseln wie auch Erd- oder Seebeben um

Sizilien oder submarine Rutschungen am östlichen Inselsockel der Balearen selbst in Frage kämen.

Bei den Tsunamispuren handelt es sich im wesentlichen um Blöcke von etlichen Tonnen Gewicht und bis zu mehreren Metern Länge. Die größten mit über 20 t in rund 8 m ü.M. und mehr als 30 m

vom Kliff entfernt können auch von den schwersten Stürmen nicht ausgebrochen und anschlie-ßend aufwärts transportiert worden sein, wie physikalische Berechnungen erbringen. Dachziegel-artige Lagerung (imbrication) ist geradezu ein Kennzeichen dieser Blockablagerungen. Sie stammen

aus niedrigen Kliffen oder dem bioerosiv ziselierten Supralitoral, was an den zahlreichen noch gut erhaltenen rock pools – jetzt gelegentlich an den Flanken oder sogar Unterseiten der Blöcke – kennt-lich ist. Viel seltener wurden sie aus dem Eu- und Sublitoral aufgegriffen. In diesen Fällen können

angeheftete Kalkalgen und Vermetiden sowie Bohrmuscheln zur absoluten Datierung der Tsunami herangezogen werden. Die bisher ermittelten Daten stützen die auf relative Altersindizien (wie nachträgliche Umformung von rock pools oder Tafonierung sowie sonstige Verwitterungsspuren)

gestützte Vermutung, dass die Vorgänge vor nur wenigen Jahrhunderten stattgefunden haben. Dennoch sind sie – soweit bisher bekannt - in keiner historischen Quelle festgehalten.

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Datierung fossiler Korallenriffe und resultierende Hebungsraten aus dem südlichen Iran

F. Preusser 1,2 , U. Radtke 1, M. Fontugne 3, A. Haghipour 4, 5, A. Hilgers 1, H.U. Kasper 6, H. Nazari 5, P.A. Pirazzoli 7

1 Geographisches Institut, Universität zu Köln, Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln, Germany 2 Institut für Geologie, Universität Bern, Baltzerstrasse 1-3, 3012 Bern, Switzerland

3 Centre des Faibles Radioactivtés (CNRS-CEA), Avenue de la Terrasse, 91198 Gif-sur-Yvette Cedex, France 4Persian Gulf International Centre for Biotechnology Research, Qeschm Island, Iran

5 Geological Survey of Iran, Tehran, Iran 6 Geologisches Institut, Universitä t zu Köln, Zülpicher Strasse 49a, 50674 Köln, Germany

7 CNRS-Laboratoire de Géographie Physique, 1 Place Aristide Briand, 91190 Meudon-Bellevue, France

Das Küstengebiet des südlichen Irans entlang des Persischen Golfes ist tektonisch gesehen ein Teil des Zagros Gebirges. Dieses im Rahmen der alpidischen Orogenese enstandene Hochgebiet hebt

sich seit dem Tertiär bis in die Gegenwart hinein. An einigen Stellen ist für die Hebung das Auf-dringen von Salzdomen verantwortlich, die z.T. auch oberflächlich austret en (TALBOT et al. 2000). Die tektonische Aktivität der Region ist u.a. durch marine Ablagerungen, wie z.B. Riffkalke, belegt,

die stellenweise bis >200 m über dem heutigen Meeresniveau auftreten. Über die Höhenlage und das Alter der Sedimente lassen sich Hebungsraten einzelner Regionen rekonstruieren und erlauben somit Aussagen zur seismischen Aktivität. Eine wichtige Methode zur Datierung fossiler Riffabla-

gerungen ist die Elektronen Spin Resonanz (ESR) Spektroskopie, mit der es möglich ist, bis etwa 500.000 Jahre alte Korallen zu datieren (SCHELLMANN & RADTKE 2001).

In der hier vorgestellten Studie wurden marine Ablagen der Inseln Kish und Qeshm untersucht.

Kish liegt im SE des Persischen Golfes und hat eine Fläche etwa 200 km2. An der Oberfläche stehen neben pliozänen Sedimenten vor allem marine Ablagerungen quartären Alters an. ESR-Datierungen an insgesamt 27 Proben ergaben zwei markante Altersgruppen bei ca. 130.000 Jahren

und bei ca. 230.000 Jahren. Eine Entstehung der Korallenriffe in Zeiten hohen Meeresspiegels wäh-rend der marinen Isotopenstadien 5 und 7 liegt nahe. Der am höchsten gelegene Fundpunkt von Korallen liegt bei 32 m über Meeresniveau, woraus sich bei einem Alter von ca. 230.000 Jahren eine

mittlere Hebungsrate zwischen 0,1 und 0,2 mm pro Jahr berechnet.

Qeshm liegt in der Straße von Hormuz und ist die größte der iranischen Inseln. Sie hat eine SW-NE Erstreckung von ca. 100 km, ist aber meist nicht breiter als 10 km. Insgesamt wurden 29 Proben an

verschiedenen Stellen entnommen. Der größte Teil davon war aber so stark rekristallisiert, daß keine Datierung möglich war. Die berechneten Alter liegen alle innerhalb des Isotopenstadium 5. Die aus Höhenlage und Alter resultierende mittlere Hebungsrate beträgt zwischen 0,2 und 0,3 mm

pro Jahr. Damit konnten frühere auf Th/U- Datierungen basierende Angaben bestätigt werden, nach denen die mittleren Hebungsrate für Qeschm 0,2 mm pro Jahr beträgt (FONTUGNE et al. 1997, REYSS et al. 1998).

FONTUGNE, M., REYSS, J.L., HATTÉ, C., PIRAZZOLI, P.A. & HAGHIPOUR, A. 1997. Global sea level changes as indicated by 14C and 230Th/234U dating of marine terraces in the Persian Gulf and

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along the Makran Coast (Iran). In: Earth Processes in Global Change – Climate of the Past. Pro-ceedings of the Lanzarote-Fuerteventura UNESCO-IUGS Meeting, 1-6 June 1995, Universidad de Grand Canaria, Las Palmas, 81-88.

REYSS, J.L., P IRAZZOLI, P.A., HAGHIPOUR, A., HATTÉ, C. & FONTUGNE, M. 1998. Quaternary marine terraces and tectonic uplift rates on the south coast of Iran. In: STEWART, I.S. & VITA-FINZI, C. (eds.) Coastal Tectonics. Geological Society, London, Special Publications, 146, 225-237.

SCHELLMANN, G., RADTKE, U. 2001. Progress in ESR dating of Pleistocene corals – a new approach for DE determination. Quaternary Science Reviews, 20, 1015-1020.

TALBOT, C.J., MEDVEDEV , S., ALAVI, M., SHAHRIVAR, H., HEIDARI, E. 2000. Salt extrusion at Kuh-e-

Jahani, Iran, from June 1994 to November 1997. In: VENDEVILLE, B., MART, Y. & VIGNERESSE, J.-L. (eds.) Salt, Shale and Igneous Diapirs in and around Europe. Geological Society, London, Spe-cial Publications, 174, 93-110.

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Zum holozänen Landschaftswandel von Küstenräumen Akarnaniens

(Nordwest -Griechenland)

Andreas Vött, Helmut Brückner, Mathias Handl (Fachbereich Geographie, Philipps-Universität Marburg)

Aus der Antike liegen zahlreiche schriftliche Überlieferungen vor, die für die Küste Akarnaniens (Nordwest-Griechenland) umwälzende holozäne Landschaftsveränderungen belegen. Die für ih-ren guten Erhaltungszustand bekannten Ruinen der antiken Städte Palairos, Alyzia, Astakos und

Oiniadai liegen in 1 – 5 km Entfernung von der heutigen Küstenlinie. Die moderne Kulturge-schichtsforschung geht davon aus, dass weit ins Binnenland reichende Meeresbuchten ausschlag-gebende Standortfaktoren für die jeweiligen Stadtgründungen waren (Schoch 1997). Nach deren

Verlandung hätten sich die entstandenen Ebenen rasch zu wertvollen, intensiv landwirtschaftlich genutzten Arealen entwickelt (Berkthold et al. 1996). Die im Sommer 2001 erstmalig in Akarnanien durchgeführten geomorphologisch-paläogeographischen Geländearbeiten sowie die sedimentolo-

gische, geochemische und mikrofaunistische Analyse der erbohrten Sedimente haben völlig neue Aspekte der akarnanischen Landschaftsgeschichte hervorgebracht.

Niederung und Delta des Acheloos liegen im Südosten Akarnaniens. Der Deltavorbau war offen-

bar im 5. Jh.v.Chr. am größten. Herodot (5. Jh.v.Chr.) berichtet davon, dass zu seiner Zeit bereits die Hälfte der insgesamt 15 Echinadeninseln von den Flusssedimenten „eingefangen“ seien, und Strabo (1. Jh.n.Chr.) macht noch heute gültige Angaben zur Entfernung von Oiniadai zum Meer.

Pausanias führt die im 2. Jh.n.Chr. geringere Sedimentfracht des Acheloos und den abgeschwäch-ten Deltavorbau auf das Nachlassen menschlicher Eingriffe im Oberlauf zurück. Der Nordhafen Oiniadais mit seinen berühmten Schiffshäusern aus dem 6. Jh.v.Chr. liegt heute 5 km vom Meer

entfernt. Bislang ist nicht geklärt, ob er direkt (Freitag 1994, Fouache 1999) oder lediglich über eine Lagune (Philippson 1958, Schoch 1997) vom Meer her erreicht werden konnte. Zudem war der Acheloos noch in der Antike von der Mündung bis ungefähr 50 km flussaufwärts schiffbar, wes-

wegen davon auszugehen ist, dass Oiniadai auch über den Fluss angefahren werden konnte (Mur-ray 1982, Lang 1994). Die Verlandung des Nordhafens ging mit strategischen und ökonomischen Bedeutungsverlusten einher und zog mit Nasos eine ebenfalls bald verlandende, meerwärtige Fili-

algründung nach sich. Mittels Geländearbeiten und Sedimentanalysen konnte für den Bereich nördlich der antiken Stadt ein viermaliger Meereseinbruch nachgewiesen werden. Zumindest die beiden letzten Ingressionen sind mit Event-artigen, möglicherweise katastrophischen Ereignissen

verknüpft, da sie unmittelbar auf eine Verlandungsphase folgen oder mit einer scharfen Grenze gegen hangende Torfpakete abgegrenzt sind. Die sedimentologischen und mikrofaunistischen Verhältnisse weisen auf tektonische Ursachen hin. Natürliche oder anthropogene Flusslaufverle-

gungen, Subsidenzerscheinungen im Deltabereich sowie eustatische Meeresspiegelschwankungen müssen ebenfalls in Betracht gezogen werden.

In den Küstenräumen von Astakos und Mytikas liegen die antiken Städte heute mehrere Kilometer

vom Meer entfernt. Durch im Sommer 2001 abgeteufte Bohrungen wurden bislang nicht bekannte, heute verlandete Seen bei Astakos und Mytikas entdeckt. Es waren großflächige, küstennahe Seen mit stark schwankenden Salinitätsverhältnissen. Von Zeit zu Zeit fanden offenbar Einschwem-

mungen größerer Mengen terrestrischen Materials in Form von Suspensionsströmen statt. Der

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Mytikas-See zeigt mindestens zweimal eine längere Verlandungsphase. Auffällig sind die Hinwei-se auf Humaninfluenz: Neben Keramikresten wurden zahlreiche zentimetergroße, scharfkantige Hornsteinsplitter in den tonig-schluffigen, örtlich stark humosen Seesedimenten gefunden. Die

große Ähnlichkeit der Sedimente mit den zur Keramikherstellung über verschiedene Epochen hinweg verwendeten, mit Hornsteinbruchstücken gemagerten Tonwaren macht eine Nutzung der Seen zur Tongewinnung denkbar. Nach Aussage der bisherigen Ergebnisse ist das Postulat einer in

historischer Zeit weit in die Talräume hineinreichenden Meeresbucht nicht haltbar.

Auch für die so genannte Fruchtebene der antiken Stadt Palairos gab es bislang keine Geländebe-funde zur holozänen Landschaftsentwicklung. Einerseits wird eine ehemalige Meeresbucht ange-

nommen, die den heutigen Vulkaria-See im Norden mit dem Ionischem Meer im Süden verbunden haben könnte (Fels 1951), andererseits wird diese Verbindung aus unterschiedlichen Gründen ne-giert (Philippson 1958, Jahns 2002). Durch die Bohrung PAL 2 konnte eine mindestens 800 m in die

heutige Ebene hineinreichende marine Trans- bzw. Ingression festgestellt werden. Die sedimento-logische Obergrenze der marinen Hauptphase liegt 10,24 m u. M.; die 14C-AMS-Datierung einer Klappe von Cerastoderma edule (LINNÉ, 1758) ergab ein Alter von 5886 – 5796 cal yr BC. Unter Be-

rücksichtigung der für Griechenland andernorts berechneten Beträge des eustatischen Meeresspie-gelanstiegs lassen sich hieraus Hinweise auf tektonische Senkungsprozesse ableiten. Dies legen auch vom Meer überflutete Reste antiker Bauwerke nahe, aus denen sich für die vergangenen 3000

Jahre ein relativer Meeresspiegelanstieg um 2,5 – 3 m ergibt. Eine ungefähr mittig zwischen Vulka-ria-See und Küste liegende Bohrung belegt die ehemals sehr viel größere Ausdehnung des Vulka-ria-Sees. Gemäß sedimentologischer und geochemischer Befunde gab es mindestens drei Phasen

mit gewaltigen Einschüttungen gröberklastischen Materials aus den benachbarten Gebirgsräumen.

Bisherige Vorstellungen zur holozänen Paläogeographie Akarnaniens haben sich als nicht haltbar erwiesen. Im Ergebnis ist in Akarnanien von einer unterschiedlichen und teilweise sehr wechsel-

haften holozänen Entwicklung der Küstenräume auszugehen. Da die durch Klimaveränderungen und eustatische Meeresspiegelschwankungen vorgegebenen Rahmenbedingungen für den gesam-ten akarnanischen Raum identisch sein dürften, müssen lokale neotektonische Ursachen, Fluss-

laufverlegungen, differenzierte Küstenmorphodynamik sowie unterschiedliche anthropogene Ein-griffe als wesentliche Faktoren berücksichtigt werden. Die Genese der Acheloos-Niederung ist durch rasche, katastrophische Meerwassereinbrüche gekennzeichnet, während um Astakos und

Mytikas in bislang nicht bekannten Seen über lange Zeit hinweg mehr oder weniger gleichbleiben-de Sedimentationsverhältnisse vorherrschten. Um Palairos konnte der starke Einfluss von Event-artigen Schwemmfächerschüttungen auf die dortige Seeentwicklung festgestellt werden; zudem

fand dort eine meerwärtige Verlagerung der Küstenlinie um mindestens 800 m statt. Funde von Keramik- und Holzkohleresten in erbohrten Sedimenten weisen ebenso wie sedimentologisch und geochemisch (Eisen- und Phosphatgehalte) nachgewiesene Bodenerosion und Bodensedimentak-

kumulation auf starke Humaninfluenz hin.

Literatur

BERKTHOLD, P., SCHMID, J. & C. WACKER (Hrsg., 1996): Akarnanien. Eine Landschaft im antiken Griechenland. – 240 S., Würzburg.

FELS , E. (1951): Die aetolisch-akarnanischen Seen in Griechenland. – Die Erde, 3: 304-318.

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FOUACHE, E. (1999): L’alluvionnement historique en Grèce occidentale et au Péloponèse. Géo-morphologie, archéologie, histoire. – Bulletin de Correspondant Héllenique, Supplément, 35. Athènes.

FREITAG, K. (1994): Oiniadai als Hafenstadt. Einige historisch-topographische Überlegungen. – Klio, 92: 212-238.

JAHNS , S. (2002): Palynologische Untersuchungen an Sedimenten des Ozeros-Sees. – In: Lang, F.

(Hrsg.): Stratiké – die Biographie einer Landschaft. – Berlin (im Druck).

LANG, F. (1994): Veränderungen des Siedlungsbildes in Akarnanien von der klassisch-hellenistischen zur römischen Zeit. – Klio, 76: 239-254.

MURRAY, W. M. (1982): The Coastal Sites of Western Akarnania: A Topographical – Historical Sur-vey. – Dissertation. Pennsylvania.

PHILIPPSON, A. (1958): Die Griechischen Landschaften. Eine Landeskunde. Band II: Der Nordwes-

ten der Griechischen Halbinsel. Teil II: Das westliche Mittelgriechenland und die westgriechi-schen Inseln. – 404 S., Würzburg.

SCHOCH, M. (1997): Beiträge zur Topographie Akarnaniens in klassischer und hellenistischer Zeit. –

Studien zur Geschichte Nordwest-Griechenlands, 2. 115 S., Würzburg.

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Paleogeographische Studien in der Umgebung des Gözlükule-Hügel (Tarsus-Mersin, Türkei)

Ertug ÖNER*, Levent UNCU**, Beycan HOCAOGLU***

Shakespeares berühmtes Werk über tödliche Leidenschaft "Antonius und Cleopatra" handelt von

der sagenhaften Liebe zwischen dem römischen General Marcus Antonius und der ägyptischen Herrscherin Kleopatra VII. Tarsus, einer der Schauplätze dieser Liebesaffäre um 40 v.Chr., wurde in Film und Theater als eine Hafenstadt dargestellt, in welche Kleopatra in Booten Einzug hält.

Tatsächlich wird Tarsus in historischen Erzählungen stets als eine Siedlung am Ufer beschrieben. Auch auf der Zeichnung an der Mauer der Kirche des Heiligen Paulus, eine der wichtigen Persön-lichkeiten in der Geschichte von Tarsus, befindet sich die Siedlung am Meeresufer. War Tarsus,

welches heute kilometerweit vom Meer entfernt und westlich von der kilikischen Ebene liegt, ur-sprünglich eine Hafenstadt?

Bei den Ausgrabungen in den Zeiträumen 1934-1939 und 1947-1949 unter der Leitung der ameri-

kanischen Archäologin Hetty Goldman an der ersten Niederlassung von Tarsus, dem Gözlükule-Hügel, wurden 7 Kulturschichten entdeckt, die vom Neolithikum bis in die Islamische Zeit reichen. Goldman entdeckte bei den Sondierungen während der ersten Ausgrabungsarbeiten in der unters-

ten Hügelschicht einige Werkzeuge aus Glaslava (Obsidian) und datierte sie in 6000-5500 v. Chr., d.h. ins Neolithikum. Diese Tatsache erhöht die Bedeutung des Gözlükule-Hügels hinsichtlich der Besiedlungsgeschichte der kilikischen Region.

Nach Goldman wurden keine weiteren Ausgrabungsarbeiten am Gözlükule-Hügel unternommen. Im Jahr 2000 startete ein Team aus dem Fachbereich Geschichte von der Bogaziçi Universität ein archäologisches Projekt um den Hügel. Im Rahmen dieses Projektes unternahmen auch wir ver-

schiedene Arbeiten, um die geoarchäologisch-paleogeographischen Eigenheiten des Hü gelum-lands festzustellen und eine Antwort auf die obengestellte Frage zu finden. In diesem Zusammen-hang stellten wir zuerst die geomorphologischen Eigenschaften der Region heraus. Danach mach-

ten wir im Umgebung des Hügels zehn Bohrsondierungen und sammelten auch alle Daten zu den elf Tiefsondierungen, die die Staatlichen Wasserwerke (DSI) in der Region vorgenommen hatten.

Nach den Laboruntersuchungen der Sedimentproben aus unseren Geländestudien haben wir auch

unter Berücksichtigung der Daten aus anderen Sondierungen unsere Logs formuliert. Historische Quellen und archäologische Funde bestätigten diese Erwägungen. So konnte die Region aus pale-ogeographischer Perspektive rekonstruktuiert werden. Demnach findet man auf der Oberfläche

des Hügelumlands Sedimente von Flutebenen und feinen Sand, darunter befinden sich Kieselauf-schüttungen von alten Flußbetten, wobei keine Meeressedimente anzutreffen sind. Im Süden des Hügels ist man bei den unter den Sedimenten der Flutebene und des Sumpflandes bis zu den roten

* Doç. Dr. Ertug ÖNER, Ege Üniversitesi, Edebiyat Fakültesi, Fiziki Cografya Anabilim Dali, 35100 Bornova-Izmir

([email protected][email protected]) ** Ars. Gör. Levent UNCU, Ege Üniversitesi, Edebiyat Fakültesi, Fiziki Cografya Anabilim Dali, 35100 Bornova-Izmir

([email protected]) *** Ars. Gör. Beycan HOCAOGLU, Ege Üniversitesi, Edebiyat Fakültesi, Fiziki Cografya Anabilim Dali, 35100 Bornova-Izmir

([email protected])

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Laterit -Schichten vorgedrungen, welche heute auf den Terrassenflächen nördlich von Tarsus sicht-bar sind. Auf Meeressedimente stößt man erst in jenen Gebieten der Ebene, die dem heutigen Ufer naheliegen.

Schließlich fanden wir keinen Nachweis dafür, daß das Meer einst bis zum Hügel reichte. Aus diesem Grund sollten die Erzählungen, Berichte und wie oben erwähnt Dramen, in denen die Stadt als Hafenstadt dargestellt wird und von Kleopatra auf dem Seeweg erreicht wird, noch einmal

untersucht werden.

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Holozäne Küstenverlagerung und paläogeographischer Wandel im Umfeld der antiken Städte Myous und Milet

(Westanatoliens/Türkei)

Marc Müllenhoff, Andrea Wullstein, Helmut Brückner

Die türkische Ägäisküste hat während des Holozäns substanzielle Veränderungen ihrer geogra-phisch-geomorphologischen Ausstattung erfahren. Hervorzuheben ist hierbei v.a. das ausgedehnte

Deltawachstum, das in historischer Zeit zu einer bedeutenden meerwärtigen Verlagerung der Küs-tenlinie geführt hat.

Die ehemalige Meeresbucht des Latmischen Golfes wurde in den letzten 5.500 Jahren durch das

Wachstum des Büyük Menderes (Mäander) – Deltas vollständig ausgefüllt. Infolge dieses anthro-pogen induzierten Sedimenttransportes verloren vormals an der Küste gelegene antike Hafenstäd-te wie Milet, Priene und Myous ihren Zugang zum Meer und infolgedessen ihre politisch-

wirtschaftliche Bedeutung. Die Geschichte dieser Städte stand somit in engem Zusammenhang mit der naturräumlichen Veränderung der Landschaft.

Unsere Forschungen im Rahmen des DFG-Projektes „Geoarchäologische, sedimentologische und

morphodynamische Untersuchungen im Mündungsgebiet des Mäanders, Westtürkei“ haben die Rekonstruktion dieses Deltawachstums und der damit verbundenen Veränderungen der Küstenli-nie zum Ziel. Das geschieht mit Hilfe von Rammkernsondierungen, die sedimentologisch und

paläoökologisch interpretiert sowie mittels Keramik und 14C-Datierungen chronostratigraphisch eingeordnet werden. Wichtigstes Hilfsmittel ist dabei die Analyse der Mikrofauna (Ostacoden, Foraminiferen). V.a. die Ostracoden sind sehr milieuspezifisch und erlauben genaue Rückschlüsse

auf die ökologischen Bedingungen (marin, lagunär, limnisch, fluvial) während der Ablagerung der Sedimente. Zusammen mit Erkenntnissen aus Archäologie und der Auswertung historischer Quel-len ist so eine detaillierte Rekonstruktion der Paläogeographie in verschiedenen Zeitschnitten mög-

lich.

In diesem Vortrag werden die Ergebnisse unserer geoarchäologischen Forschungen im Gebiet der antiken Städte Myous und Milet vorgestellt.

Für Myous konnten potenzielle Hafenstandorte aus archaisch-klassischer Zeit in verschiedenen Buchten der myousischen Halbinsel ausgemacht werden. Der Übergang von mariner zu lagunärer Fazies erfolgte in hellenistischer Zeit. Ein ansteigender Grundwasserspiegel und die zunehmende

Versumpfung des Gebietes führten schließlich zu einer Mückenplage, in deren Folge ein Großteil der Einwohner der Stadt nach Milet übersiedelte. In der römischen Epoche begann die Lagune allmählich auszusüßen; zu Strabos Zeiten war Myous nur noch mit flachen Ruderbooten erreichbar

(Strabo 14.1.10). Der dadurch entstandene See wurde östlich der ehemaligen Halbinsel frühzeitiger durch die Ablagerungen des Büyük Menderes verfüllt als auf der westlichen, gegenüber der flu-vialen Akkumulation geschützten Seite. Hier existierte er z.T. bis in jüngste Vergangenheit.

Ein potenzieller Hafen am Hangfuß eines im Südwesten der Stadt Milet gelegenen Schuttberges – dem Kalabak Tepe – konnte durch unsere Forschungsergebnisse nicht belegt, sondern lediglich als flache Anlandungsbucht angesprochen werden. Aufgrund enormer Hangabträge aus dem Hinter-

land muss die Bucht spätestens in frührömischer Zeit verlandet gewesen sein (dies belegen auch in

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unmittelbarer Nachbarschaft gelegene römische Grabbauten aus dem 2./3. Jh. n. Chr.). Demgegen-über herrschten in der Ebene noch in hellenistisch-römischer Zeit marine Verhältnisse. Erst in der römischen Kaiserzeit setzte die Verlandung in diesem Raum ein. Allerdings muss sich dieser Pr o-

zess langsam vollzogen haben, was einerseits durch den Ausbau des Theaters unter Kaiser Trajan (98-117 v. Chr.) sowie die Errichtung des Nymphäums und der Faustina-Thermen und anderer-seits durch sedimentologische Befunde belegt werden kann.

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Spannungsfelder zwischen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Ökosystem der Mangrovenküste von Pará, Nordbrasilien

Marion Glaser (Zentrum für Marine Tropenökologie - Bremen)

Die Mangrove hat eine größere Vielfalt wirtschaftlicher Verwendungen als rein terrestrische oder marine Systeme. Dies ist reflektiert in den dementsprechend verschiedenartigen Einkommensport-

folios ländlicher Haushalte in Mangrovengebieten.

Das Mangrovenökosystem ist die natürliche räumliche Grenze zu landwirtschaftlicher Ausdeh-nung in den Küstengebieten von Pará. Seine Existenz ist ein wahrscheinlicher Grund für die Ab-

wesenheit von Landbesitz an der Küste der großen Konzentrationen, der im Staat Pará und in Brasilien sonst üblich ist. Landwirtschaftliche Aktivität fungiert auch als schützender Puffer für das Mangrovenökosystem.

Das stete Fallen der pro Kopf-Verfügbarkeit von Land in den Küstengebieten verringert zuneh-mend die schützende Funktion der Landwirtschaft für das Mangrovenökosystem. Eine Umwand-lung des gegenwärtig de facto freien Zugriffes auf Mangrovenressourcen zu einer Form gesteuer-

ten Zuganges wird so zunehmend unvermeidlich, wenn Ressourcenübernutzung und Ökosystem-degradierung vermieden werden sollen. Gegenwärtige Ökosystem-Verwendungsmuster in Mangrovengebieten bieten Hinweise hierauf.

Das Mangrovenökosystem hat drei bedeutende gesellschaftliche und wirtschaftliche Funktionen: Einkommensgeneration, Armutserleichterung und die Bereitstellung ländlicher Ernährungssicher-heit. Diese Funktionen wurden für die Caeté Halbinsel im Staat Pará identifiziert und quantifi-

ziert.

Die Caeté- Halbinsel Mangroven erzeugt 14 Millionen R $ an Produktwert..

Die Hälfte der Haushalte, deren Einkommen von Mangroven abhängen., lebt unter der Armut s-

grenze ($R50/Monat). Die Degradierung des Mangrovenökosystems reduziert die Produktivität dieser Haushalte, da viele Formen der Mangrovenproduktion wie z.B. Krabbenfischerei mit stetig wachsender Mehrarbeit verbunden sind. Dies führt zu größerer Armut unter den Ärmsten. Mit

Fangdaten für eine Fünfjahresperiode (1995-2000) wird gezeigt, dass weniger Fischer pro Tag im-mer weniger Krabben fangen. Dies weist darauf hin, dass längerfristige gesellschaftliche und wir t-schaftliche Nachhaltigkeitsziele bedroht sind.

Reduzierte Erträge pro Arbeitstag zeigen außerdem, dass das aktuelle Fischereisystem saisonale Produktionsgrenzen erreicht hat.

Da 83% der Haushalte im Forschungsgebiet Subsistenznutzer der Mangrove sind, ist dieses Öko-

system für das ländlichem Haushaltsleben an der Küste von Pará zentral. Ein bedeutender Teil der insgesamt 15 identifizierten Mangrovenprodukte dient als Notfallunterstützung zu Zeiten niedri-ger Nahrungsverfügbarkeit im Haushalt. Diese Funktion des Ökosystems für die schlechtesten

ländlichen Haushalte mindert gesellschaftliche Folgen der ländlichen Armut wie Straffälligkeit und Migration.

Als Alternative zu gesellschaftlich unerwünschten Haushaltsstrategien wie Abwanderung in die

städtischen Slums und Kriminalität erhöht das Mangrovenökosystem Haushaltsproduktivität,

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vermindert Armut und fördert die soziale Nachhaltigkeit. Es ist somit wesentlich zwischen der klassischen verteilungsneutralen Vorstellung des wirtschaftlichen Wertes der Mangrove und den gesellschaftlichen Funktionen des Ökosystems zu differenzieren und bewusst die sozialen Funkti-

onen von Ökosystemen höher zu gewichten. Andernfalls könnte ein ökologisch und wirtschaftlich tragbares Ökosystemmanagement zu sozial untragbaren Ergebnissen führen.

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Wattenmeerschutz in Korea – welche Lösungsansätze bietet das Nationalparkkonzept „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“?

Corinna Pauschardt (Hamburg)

Das (süd-)koreanische Küstenwatt ist Teil des Wattenmeerkomplexes Gelbes Meer. Dieser ist hin-

sichtlich seiner Dimension und ökologischen Bedeutung u.a. als Trittstein auf der Zugvögelroute mit dem europäischen Nordsee-Wattenmeer vergleichbar. Während das deutsche Wattenmeer flächendeckend als Nationalpark ausgewiesen ist, und sich die Zusammenarbeit mit den Watten-

meeranrainerländern Niederlande und Dänemark intensiviert, fehlen in Korea großflächige Kon-zepte. Die Kooperation mit Nordkorea und China beginnt erst. Die Gefährdung des empfindlichen Lebensraumes Küstenwatt ist in Ostasien daher noch brisanter als in Europa.

So wird das Gewässereinzugsgebiet des Gelben Meeres durch ca. 10 % der Weltbevölkerung ge-nutzt und verschmutzt. Rückgang der Fischbestände, Veränderung des Artenbestands sowie Al-genblüten sind nur eine kleine Auswahl der Folgen. Neben der Gewässerverschmutzung und Ü-

berfischung tragen vor allem Landgewinnungsmaßnahmen zur Zerstörung des Küstenwatts bei. Zur Zeit befindet sich in Korea das weltweit größte Eindeichungsprojekt – Saemangeum –, in des-sen Rahmen drei Flußästuare durch einen 33 km langen Seedeich der marinen Verbindung entzo-

gen werden und 40.000 ha Wattfläche trockengelegt wird, in der Fertigstellung. Für weitere 270.000 ha koreanischer Küstenwattfläche ist die Trockenlegung bereits geplant.

Von verschiedenen koreanischen Naturschutzorganisationen – und in zunehmenden Maße auch

von Politikern – wurde die Bedeutung der Küstenwatten erkannt und der Kampf für die Erhaltung aufgenommen. Auf ihrer Suche nach Lösungsansätzen und Managementkonzepten besuchten koreanische Delegationen u.a. den Nationalpark „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“. Dieser

hat vor allem mit der Durchführung des Großforschungsprojektes „Ökosystemforschung Watten-meer“, das von der UNESCO als internationales Pilotprojekt im Rahmen des MaB-Programms „Der Mensch und die Biosphäre“ gewürdigt wurde, Aufmerksamkeit im internationalen Watten-

meerschutz erregt. Seit über 15 Jahren werden an der schleswig-holsteinischen Westküste Natio-nalparkkonzepte für den Schutz des Wattenmeeres – zunehmend in Zusammenarbeit mit der an-sässigen Bevölkerung – erarbeitet und verbessert.

In diesem Vortrag soll aufgezeigt werden, inwiefern die schleswig-holsteinischen Konzepte und Erfahrungen Lösungsansätze für den koreanischen Wattenmeerschutz bieten. Die Themen For-schung & Monitoring, Öffentlichkeitsarbeit, Schutzgebietsabgrenzung sowie Nutzung werden

diesbezüglich näher betrachtet. Eine mögliche Etablierung von Schutzkonzepten nach schleswig-holsteinischem Vorbild in Korea wird anhand gesetzlicher, ökologischer und sozialer Kriterien bewertet.

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Sedimentumlagerungen in Vorstrandbereichen der südlichen Ostseeküste

Klaus Schwarzer, Markus Diesing (Kiel)

Einleitung

Die Wellenenergie ist der wesentliche Motor für Strömungen und Sedimentbewegungen im

Küsten-bereich, wobei letztere in kurz- und langfristiger Erosion, Akkumulation und Umlagerung resultieren. Kenntnisse über das Maß der Umlagerungen und der daran beteiligten Korngrößen-spektren sind wesentlich, um sedimentologische und morphologische Küstenveränderungen in

Abhängigkeit des Energieeintrages abzuschätzen. Diese Kenntnisse sind ebenso von Bedeutung, will man den Küsten-bereich als Transitzone, Senke oder auch Quelle für Nähr- und Schadstoffe verstehen.

Arbeitsgebiete

Die ausgewählten Arbeitsgebiete (Abb. 1) sind die Außenküste der Probstei (westliche Ostsee,

Kieler Bucht) sowie die halbgeschlossene Bucht der Tromper Wiek (südwestliche Ostsee, Insel Rügen). Bei-de Gebiete sind gegenüber einer Hauptwellenanlaufrichtung aus Nordost bis Ost ex-poniert. Die Nei-gung der jeweiligen Vorstrände beträgt ca. 1 : 100. Die Gebiete sind durch küsten-

parallele Sandriffe (Tromper Wiek 1, Probstei bis zu 3) charakterisiert, deren Uferentfernungen je nach Jahreszeit variieren. Die Wassertiefe über den Riffkämmen liegt bei ca. 0,5 m in der Tromper Wiek und bis zu 1,5 m in der Probstei. Fein- und Mittelsande dominieren den Riffkamm, während

die Luvhänge der Sandriffe ausschließlich aus Feinsand aufgebaut sind. Diese Feinsandzone reicht in der Probstei bis zu -4m NN; in der Tromper Wiek erstreckt sich diese Zone bis zu -9 m NN. Hy-drologische Meßwerte (Wellen- und Strömungsdaten) wurden in der Probstei an 4 Stationen

entlang eines Profiles zwischen 200 - 600 m Uferentfernung aufgenommen. Für die Tromper Wiek lagen keine direkten Messungen vor. Hier wurde der Energieeintrag über ein Wind-Wellen Korre-lationsverfahren ermittelt.

Abb. 1: Karte der Arbeitsgebiete Probstei and Tromper Wiek (Karte: Seifert & Kayser 1995)

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Methodik

Um Sedimentumlagerungen in Vorstrandzonen sandiger Brandungsküsten zu messen, wurde

erstmals im Unterwasserbereich eine Methode angewandt, die RUNTE (1989) ursprünglich für Wattgebiete entwickelt hat. Sogenannte Tracerstifte (20 cm x 2 cm x 0,5 cm), aus Sand, der mit fluo-reszierendem Material behandelt wurde und wo die einzelnen Körner durch Zugabe eines wasser-

löslichen Klebstoffes verbacken sind, bestehende Stangen wurden von Tauchern so in das Sedi-ment gesteckt, daß sie bündig mit dem Meeresboden abschlossen (Abb. 2). Durch Porenwasser im Sediment wird der wasserlösliche Klebstoff nach wenigen Minuten aufgelöst. Strömungen können

dann das Material entsprechend dem umgebenden Sediment mobilisieren. Das Tracerstiftmaterial verhält sich nun wie das autochthone Sediment. Der Vorteil gegenüber anderen Methoden, bei denen z.B. Ringe über kleine Eisenstangen gelegt werden, und diese Ringe bei Erosion in das Se-

diment sacken (Greenwood et al. 1979), ist die Vermeidung von Kolkungen um diese Strömungs-hindernisse. Durch die Entnahme von 40 cm langen Stechkästen an genau den Positionen der Tracerstiftinjektionen ist es möglich, Erosion und Akkumulation im Zentimeterbereich zu

bestimmen (Abb. 2). Basierend auf diesen Werten lassen sich Sedimentbilanzen und maximale Umlagerungswerte (Turnover) ermitteln (Abb. 2 u. 3). Weiterhin erlauben Röntgenaufnahmen Aussagen über die Sedimentstrukturen des neu abgelagerten Materiales. Entlang küstennormaler

Profile wurden jeweils 4 Stationen zwischen 200 bis 600 m Uferentfernung eingerichtet. Sedimentkernentnahmen erfolgten saisonal über jeweils einen gesamten Jahreszyklus.

Abb. 2: Sedimentkern (rechts) mit einem im Sediment plazierten, ursprünglich 20 cm langen Tra-

cerstift. Die Länge des Tracerstiftrestes lm (12 cm) zeigt eine Mindesterosion von 8 cm (E = l0 - lm), die Mächtigkeit (h) der Sedimentschicht über dem Tracerstift zeigt eine Minimalakkumulation von A = 6 cm.

Ergebnisse (Conclusion aus Artikel einbauen)

Über einen gesamten Jahreszyklus wird in der Tromper Wiek eine kontinuierliche Abnahme der

Erosions- und Umlagerungswerte mit abnehmender Wassertiefe von 30 cm auf der 200 m Station bis auf 9 cm an der 500 m Station beobachtet (s. Abb. 3). Jährliche Akkumulationsraten sind mit 25,5 cm am höchsten an der 300 m Station, hin zu größeren Uferentfernungen und damit auch gr ö-

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ßeren Wassertiefen wird eine Abnahme der Akkumulationsbeträge seewärts dieser Station festge-stellt. An der seewärtigsten Station betragen sie lediglich 9 cm. Die höchsten Akkumulationsbeträ-ge auf der saisonalen Zeitskala wurden im Herbst 1998 mit 13 cm in einem 94-tägigen Zeitraum

ermittelt. Die jährliche Sedimentbilanz zeigt höchste Werte an der 300 m Station mit +10 cm, wo-hingegen der niedrigste Wert mit -7 cm an der innersten (200 m) Station ermittelt wurde. Für die anderen Stationen war die Sedimentbilanz hingegen nahezu ausgeglichen. War während des Früh-

jahrs und Sommers die Sedimentbilanz für alle Stationen primär negativ, wurde das Gegenteil für die Herbst- und Winterpe-riode ermittelt. Somit zeigt sich ein saisonaler Trend. Während eines gesamten Jahreszyklus war der Gesamtsedimentumsatz (Turnover) maximal an der 200 m Station,

minimal an der 500 m Station. Für die Probstei liegen die höchsten Sedimentumsatzwerte auf den Riffstationen. In beiden Arbeitsgebieten ist eine erhebliche Sedimentbewegung zu erkennen, die jedoch in Abhängigkeit von der Jahreszeit und der geomorphologischen Exposition (Riffkamm,

Riffhang) varriert. Trotz hoher Sedimentdynamik (Turnover) gibt es jedoch nur gringe geomorpho-logische Veränderungen, vor allem auf der Zeitskala der Jahreszeiten. Allein geomorphologische Veränderungen für Stabilitätsaussagen eines Gebietes heranzuziehen kann zu verfälschten Inter-

pretationen führen, wenn die Umlagerungsdynamik nicht mit einbezogen wird.

Literatur

Greenwood, B., Hale, P.B. and Mittler, P.R. 1979. Sediment Flux Determination in the Nearshore Zone: Prototype Measurements. Workshop on Instrumentation for Currents and Sediments in the Nearshore Zone. Natl. Res. Council, 99-119.

Runte, K.- H. (1989): Methodische Verfahren zur Quantifizierung von Umlagerungen in intertidalen Sedimenten. - Meyniana 41: 153 - 165; Kiel.

Schwarzer, K. & Diesing, M. (2001): Sediment redeposition in nearshore areas - examples from the

Baltic Sea. - Coastal Dynamics ´01. Proc. of the fourth conference on coastal dynamics: 808 - 817; Reston, Virginia (ASCE).

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Abb. 3: Jährliche Umlagerungsraten der Gebiete Probstei und Tromper Wiek

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Rückgangsdynamik schleswig-holsteinischer Steilküsten unter veränderlichen Seegangs- und Wasserstandsbedingungen

Schrottke K.1, Schwarzer K.2, Kohlhase S.3, Fröhle P.3, Riemer J.4, Mohr K.4

1Forschungs- und Technologiezentrum Westküste Büsum, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 2Institut für Geowissenschaften, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel,

3Institut für Wasserbau, Universität Rostock, 4Amt für ländliche Räume in Kiel

Aus Lockergestein aufgebaute Steilküsten sind aufgrund ihres lithologischen Aufbaus wenig wi-derstandsfähig gegen hydrodynamische Kräfte. In exponierter Lage unterliegen sie vergleichswei-se hohen Rückgängen mit entsprechenden Materialverlusten. Entlang der südwestlichen und süd-

lichen Ostsee sind aktive Steilküsten, die primär aus Geschiebemergel oder auch aus stärker sandi-gen Ablagerungen bestehen, weit verbreitet.

Bislang erfolgte die Erfassung des Steilküstenrückganges im wesentlichen durch vergleichende

Land- und Seevermessungen, die meist diskontinuierlich in Abständen von Jahren und Jahrzehn-ten durchgeführt wurden. Genaue Angaben zur irreversiblen Vertiefung des anstehenden See-grundes vor Steilufern ließen sich damit nicht ermitteln. Ferner waren die Vermessungsintervalle

für eine Zuordnung des Küstenrückganges zu kurzzeitigen Seegangsereignissen und Wasser-standsänderungen zu großmaßstäblich. Insbesondere in Hinblick auf mögliche klimatisch bedingte Änderungen der Sturmhäufigkeit und –Intensität sind Kenntnisse über Auswirkungen von See-

gangsereignissen und Wasserstandserhöhungen auf die Rückgangsdynamik von Steilküsten von großer Bedeutung.

Von 1995-1999 wurden an drei unterschiedlich zur Ostsee exponierten Steilküsten Schleswig-

Holsteins (Brodten, Heiligenhafen und Schönhagen) Naturmessungen durchgeführt1. Gebietsspezi-fische Zeitreihen von Seegang, Strömung und Wasserstand waren verfügbar. Im Mittelpunkt stan-den die wenig bekannten Abrasionsprozesse auf den Abrasionsflächen vor den Steilufern. Mit

Hilfe eines neu konzipierten Abrasionsmeßtisches wurde die Vertiefung des anstehenden See-grundes erstmals mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung ermittelt.

Die untersuchten Kliffabschnitte wurden bei einem Gesamtenergiefluß von 2060 kWh/m/a (Brod-

ten, 9,2 % Datenlücken), 3061 kWh/m/y (Schönhagen) und 3677 kWh/m/a (Heiligenhafen) zwi-schen 0,14 m/a (Heiligenhafen), 0,25 m/a (Brodten) und 0,57 m/a (Schönhagen) zurückverlegt. Der anstehende Seegrund vor den Steilufern unterlag zeitgleich einer jährlichen vertikalen Abrasion

von 1,2 – 4,6 cm/a (bis 300m Uferentfernung und –6,5 m NN). Erhöhte Abrasionsbeträge waren fast immer an erhöhte Energiebeträge gekoppelt. Herausragende Seegangsereignisse, die auch zu La-geänderungen der Steilufer geführt haben, spiegelten sich an den meisten Meßstationen durch

erhöhte Abrasionsbeträge wider.

Insgesamt ist von einer ereignisgesteuerten Rückgangsdynamik der Steilküsten auszugehen. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Prozesse am Steilufer und am Seegrund unter Energieein-

1 Die Untersuchungen wurden im Rahmen des vom Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologiegeförderten Forschungsvorhabens „Einfluß von Steiluferabbrüchen an der Ostsee auf die Prozeßdynamik angrenzender Flachwasserbereiche“ durchgeführt (Kennzeichen 03KIS305-1A).

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wirkung zeitgleich stattfinden können. Bei einer Zunahme der Seegangsereignisse wäre demnach ein deutlich beschleunigter Rückgang der gesamten Steilküste, d.h. auch des Seegrundes zu erwar-ten.

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Entwicklung, Zustand und Management der Wasserqualität in der Ostsee

Gerald Schernewski (Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW))

Along the south coast of the Baltic Sea, bathing and summer tourism is most intensive, and a major economic factor. High coastal water quality therefore is essential. On the other hand, eutrophica-

tion is still one of the major problems in the Baltic Sea and along the adjacent coasts. Recent water quality problems, the state of water quality and future perspectives are reviewed and the results of a recent large scale simulation study are presented.

About 820.000 t/a nitrogen and 41.000 t/a phosphorous enter the Baltic Sea and cause ongoing eu-trophication. About 40 -50 % of the nitrogen and 70 % of the phosphorous load transported into the Baltic Sea have a terrestrial origin and enter mainly with the large rivers. The negative effects are

visible especially in the coastal waters, where algae blooms increased and the flora and fauna is seriously endangered. In a Ministerial Declaration in 1986 basing on the Helsinki Convention 1974, the Baltic riparian states agreed to undertake all appropriate measures to minimise land-based

pollution of the Baltic Sea and to reduce the input by 50 %. A 3D-biochemical model of the Baltic Sea was deployed to investigate the effects of two different 50 %-nutrient reduction scenarios on the water quality and phytoplankton blooms. The first scenario, according to the Helsinki Com-

mission, assumed a proportional 50 % load reduction in all riparian countries. The second was based on a cost-effective optimal approach by Gren et al. (2000)

In the central Baltic Sea a 50 % load reduction caused a decrease in inorganic nitrogen concentra-

tion by 39 % and inorganic phosphorus declined by 8.3 % in the upper water layer (30 m). Chloro-hyll-a, as an indicator for algae biomass, was reduced by 9 %. The comparison between the two 50 % reduction scenarios revealed pronounced differenced mainly in coastal waters. Near large rivers

in the southern Baltic, like the Oder and the Vistula, the cost-effective scenario showed a further decrease of chlorophyll-a concentrations by more than 5 %. Altogether the water quality in south-ern Baltic Sea, especially in Germany, Poland and the Baltic states clearly benefits from a cost-

effective approach.

Especially the German coast has a high net economic benefit from improved water quality of Polish rivers. Therefore, from an ecological and economic viewpoint it is reasonable that Germany invests

money in improved Polish water treatment measures.

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Nachhaltige Kultivierung und Nutzung mariner Algen: Chancen für die deutsche Küstenregion ?

Levent Piker (CRM, Kiel)

Vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Diskussion um einen IKZM-Prozeß sind konkrete

Schritte für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Küstenregion auch in Deutschland gefragt. Wäh-rend die Fischerei unter den spürbaren Folgen der Überfischung leidet und die marine Fischzucht in Deutschland ihren Ruf als Umweltsünder nicht los wird, sind alternative Nutzungsmöglichkei-

ten mariner Ressourcen rar.

Die Studie „Wirtschaftliches und ökologisches Potential einer Laminarienfarm in Deutschland“ (CRM mit Unterstützung der DBU - Deutsche Bundesstiftung Umwelt, als pdf-Datei in www.crm-

online.de) hat gezeigt, daß die Kultivierung von Makroalgen in Nord- oder Ostsee eine nachhaltige Bewirtschaftungsform darstellt und die Grundlage für neue, wirtschaftlich interessante Wertschöp-fungsketten sein kann.

Im Rahmen der Studie wurde eine Algenfarm zur Kultivierung von Laminaria saccharina (Braun-alge, „Zuckertang“) in der Kieler Förde installiert. Es konnte gezeigt werden, daß die Kultivierung des einheimischen Zuckertanges in der westlichen Ostsee technisch machbar und im Gegensatz

zur Aquakultur von Fischen mit einer Umweltentlastung verbunden ist.

Eine Verwertung der so kultivierten Laminarien in den „klassischen“ Braunalgen-Märkten Nah-rungsmittel (ca. 5 Mio. t Naßgewicht kultivierte Tange werden jährlich, vorwiegend in Südost-

asien, verzehrt) und Alginat (Weltproduktion 2001: 30.000 t, das sind ca. 500.000 t Naßgewicht) scheint nicht rentabel. Immerhin liegen große Nutzungspotentiale kurz- bis mittelfristig in den Bereichen Kosmetik, Wellness und Health Food sowie mittel- bis langfristig in den Bereichen Ab-

wasserreinigung, Antifouling-Anstrichen und Pharmazeutik (z.B. antibiotische, antitumorale Wirkstoffe). Kleinere, aber regional wichtige Nutzungspotentiale liegen in den Bereichen Nah-rungsmittel, Biofilter (z.B. in integrierter Aquakultur) und Ausgleichs- bzw. Renaturierungsmaß-

nahmen.

Inzwischen ist aus der Testanlage die erste kommerzielle Algenfarm Deutschlands geworden, de-ren Ertrag bis 2003 in einer ersten upscaling-Phase auf mindestens eine Tonne steigen soll. Aus den

Laminarien wird über ein patentiertes Fermentationsverfahren ein Extrakt hergestellt, das für die Herstellung von Kosmetika eingesetzt wird.

Die Kultivierung von Makroalgen in Kombination mit Offshore-Windparks ist eine diskussionsfä-

hige Zukunftsvision mit möglichen positiven Wirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von Offshore-Windparks und neuen Tätigkeitsfeldern für Fischer bzw. „Meerwirte“.

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Geoarchäologische Untersuchungen im Gebiet der Ostseeförde Schlei

Gerd Hoffmann-Wieck (GEOMAR, Kiel)

Die Ostseeförde Schlei ist mit ihren für die Landesgeschichte Schleswig-Holsteins bedeutenden Siedlungen Haithabu und Alt-Schleswig das zentrale Forschungsprojekt der Geologisch-

Archäologischen Arbeitsgruppe GeoArc, die in enger Zusammenarbeit mit Archäologen, Palyno-logen, Historikern, etc. das wechselseitige Wirkungsgefüge zwischen Landschaftswandel, Klima- und Meeresspiegelentwicklung sowie Besiedlungsgeschichte untersucht.

Nach taucharchäologischen Untersuchungen 1933 und 1953 sowie magnetischen und seismischen Untersuchungen im Haddebyer Noor mit dem Schwerpunkt im wikingerzeitlichen Hafen von Haithabu begann 1996 eine neue Phase in der Erforschung dieses Ostseearmes. Auf eine detaillier-

te bathymetrische Vermessung von Selker und Haddebyer Noor folgte der Einsatz eines hochauf-lösenden Chirp II - Sedimentsonars, das auch im Flachwasser eine gute Auflösung der oberflä-chennahen Schichten zeigt.

Anhand der geophysikalischen Daten wurde die bisher unbekannte Struktur des wikingerzeitli-chen Hafens mit zwei Palisaden und 15 weiteren Anlegebrücken rekonstruiert. Zudem wurde ein bisher unbekanntes Wrack im Umfeld des Hafens geortet. Die geophysikalisch detektierten Objek-

te konnten durch Einsätze der wissenschaftlichen Tauchgruppe der CAU / Arbeitsgruppe für Mari-time und Limnische Archäologie (AMLA) bestätigt werden.

Neben archäologischen Objekten im und am Gewässerboden konnten zugleich geologische Struk-

turen detektiert werden. So wurde im früheren Übergangsbereich zwischen der Schlei und dem Haddebyer Noor ein glaziales U-Tal, zwischen Haddebyer und Selker Noor ein fluviatiles V-Tal erkannt. Die geophysikalischen Untersuchungen ermöglichten es zudem, daß zunächst im Hadde-

byer Noor ein Bohrkern entnommen werden konnte, um den postglazialen Landschaftswandel der Noore und ihres Umfeldes rekonstruieren zu können.

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POSTER

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Küstenökologische Aspekte des Klimawandels im interdisziplinären For-schungsvorhaben „Klimawandel und präventives Risiko- und Küstenschutz-

management an der deutschen Nordseeküste“ (KRIM)

Michael Schirmer, Dietmar Kraf, Stefan Wittig

Abstract für ein Poster

Hintergrund: Die Folgen des globalen Klimawandels zeichnen sich immer deutlicher ab und sind

mittlerweile zentraler Bestandteil internationaler Programme zur Erforschung globaler Umwelt-veränderungen. Der norddeutsche Küstenraum wird von den möglichen Folgen einer Klimaände-rung besonders betroffen sein. Er ist schon heute sehr dicht besiedelt und äußerst intensiv genutzt

(z.B. Städte, Schifffahrt, Tourismus, Landwirtschaft, Industrie). Diese Küstenregion ist dem direk-ten Meereseinfluss ausgesetzt. Anstieg des Meeresspiegels, Vergrößerung des Tidehubs, Zunahme der Intensität und Häufigkeit sturmfluterzeugender Stürme mit erhöhter Sturmflutgefahr und

verstärkte Erosion mit Landverlusten sind Beispiele, die zur Beeinträchtigung dieser bedeutenden und hochproduktiven Ökosysteme führen können. Die engen Wechselwirkungen zwischen der natürlichen Dynamik und anthropogenen Nutzungen bewirken eine hohe Empfindlichkeit der

Küste. Diese wird durch einen globalen Klimawandel, der die vielfältigen Nutzungs- und Zielkon-flikte verschärft, erheblich erhöht.

Die Deichvorländer als wesentliches Element des Naturraums Küste sind Bestandteil des Natio-

nalparks Niedersächsisches Wattenmeer und haben dort aus vegetationskundlicher und faunisti-scher Sicht besondere Bedeutung und hohen Schutzstatus. Sie sind durch große Diversität und Dynamik gekennzeichnet und überdies oft Zonen mit besonderer funktionaler Bedeutung für Tou-

rismus und Küstenschutz. Das Binnenland ist durch jahrhundertlange Abdeichung, Entwässerung und Nutzung vom Einfluss des Meeres abgeschnitten geworden. Dieses hat zur Entwicklung einer intensiv agrarisch genutzten Landschaft geführt. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine

Überstauung dieses Hinterlandes mit Seewasser nach einem Versagen der Schutzsysteme Folgen hat, die je nach Standortverhältnissen und Überflutungsintensität zu u.U. erheblichen Verände-rungen („Schäden“) der ökologischen Verhältnisse führen können. Im Rahmen ökologischer Ana-

lysen sind die Folgen für Natur und Landschaft zu evaluieren und mit einem geeigneten, neu zu definierenden „Risiko“ zu bewerten.

Aufgabe: Das Teilprojekt „Küstenökologische Aspekte des Klimawandels“ (kurz: TP „Ökologie)

hat die Aufgabe, die in der Küstenlandschaft ablaufenden Prozesse aus ökologischer Sicht zu bear-beiten. In einem Besiedlungs- und Gestaltungsprozess haben die Bewohner dieser flachen und exponierten Küsteregion die natürlichen Gegebenheiten für sich genutzt und sie in ihr Land-

schafts- und Küstenschutzmanagement einbezogen. Neben der wirtschaftlichen Nutzung haben die vorgelagerten Düneninseln, das Watt und die Vorländer als Bestandteile der Küstenschutzsys-teme große Bedeutung. Infolge der sich durch den beschleunigten Klimawandel und den Anstieg

des Meeresspiegels verändernden Randbedingungen kann davon ausgegangen werden, dass sich auch die küstenschutzrelevanten Eigenschaften der Küstenökosysteme verändern werden. Es ist von großer Bedeutung, diese zu erwartenden Veränderungen und die mit ihnen verknüpften Risi-

ken einzuschätzen und präventiv mögliche natürliche, technische und gesellschaftliche Anpas-sungsreaktionen zu entwickeln.

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Die Simulation eines Versagens der Küstenschutzsysteme und seiner Folgen für die ökologischen Verhältnisse binnendeichs und die Modellierung der zu erwartenden Veränderungen der Stand-ortbedingungen und Schäden im Binnenland, deren ökonomische Bewertung und mögliche Sanie-

rungsmaßnahmen nach einem Versagen des Küstenschutzes ist ein weiterer Aufgabenschwer-punkt des TP „Ökologie“. Das Binnenland ist nur noch punktuell im Bereich von Sielen oder durch salzhaltiges Grundwasser salzbeeinflusst und die weitaus größten Flächen (und Grabensysteme)

dieser besiedelten Marschenlandschaft weisen eine gegenüber der Einwirkung von Meerwasser empfindlich Vegetation und Fauna auf. Außerhalb der Acker- und Grünlandareale haben sich in weniger genutzten Bereichen aus naturschutzfachlicher Sicht wertvolle Biotoptypen und Tierge-

sellschaften des Binnenlandes entwickelt, die zur Ausweisung von Schutzgebieten geführt haben. Die landschaftsökologischen Strukturen und Funktionen haben z.T. große ökonomische Bedeu-tung, jedoch wird diese i.d.R. kaum wahrgenommen, geschweige denn monetarisiert und in Risi-

ko- oder Kosten-Nutzen-Berechnungen berücksichtigt.

Die sich aus dem o.G. ergebenden Aufgaben für das TP „Ökologie“ umfassen also:

• die Analyse des gegenwärtigen Zustandes der genannten Ökosysteme und ihrer Subsysteme

(Status quo, Systemanalyse),

• Einschätzung ihres Verhaltens unter Klimawandelbedingungen (Sensitivitätsanalyse mit Kli-maszenarien),

• Analyse ihrer Funktion aus unterschiedlichen Perspektiven (z.B. Küstenschutz, Landwir t-schaft, Naturschutz) heute und unter veränderten Rahmenbedingungen (Funktionsanalyse mit Zukunftsbildern),

• Beschreibung der ökologischen Risiken und ihrer Veränderungen (Risikoanalyse), sowie

• Darstellung der Erfordernisse und Möglichkeiten des gezielten aktiven oder passiven Mana-gements (Handlungsoptionen und -empfehlungen).

Ansatz: Die oben beschriebenen Aufgabenstellungen erfordern eine Analyse des ökologischen Risikos auf der Grundlage einer Systembeschreibung. Eine Risikodefinition wird die Risiken bein-haltet, die aus den Nutzungsansprüchen an die Natur resultieren. Risiko ist allg. das Resultat einer

Abwägung zwischen Nutzen und Schaden. Schäden sind dabei für den Menschen bzw. die Gesell-schaft unerwünschte Ereignisse, die nur bedingt naturwissenschaftlich-empirisch zu ermitteln sind. Da ein Schaden als Beeinträchtigung eines Wertes begriffen werden kann, hängt seine Defini-

tion von den zugrundliegenden Werten ab. In der ökosystemaren Betrachtungsweise sind keine Werte und somit keine Schäden vorgegeben, sondern es lassen sich nur ökologische Anpassungs-reaktionen und Dynamik der entsprechenden Veränderungen ableiten. Risikodefinitionen müssen

also auf menschliche bzw. gesellschaftliche Maßstäbe und Werte zurückgreifen, die die Strukturen und Funktionen der ökologischen Systeme und ihre Änderungen abbilden und somit einer Bewer-tung zugänglich machen. Im TP „Ökologie“ werden bei der Risikoanalyse ökologischer Systeme

auf unterschiedlichen Ebenen Risikosituationen identifiziert und analysiert. Dazu wird eine Funk-tionsanalyse erstellt, die aus unterschiedlichen Perspektiven (z.B. Küstenschutz, Landwirtschaft, Naturschutz) die gesellschaftlichen Ansprüche an die ökologischen Systeme beschreibt. Ökologi-

sches Risiko wird dann als Verlust oder Veränderung der Funktionen oder der Funktionsfähigkeit der ökologischen Strukturen aus diesen Perspektiven definiert.

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Die im TP „Ökologie“ zu bearbeitenden Informationen haben ganz überwiegend Flächenbezug. Sie werden in einem Geographischen Informationssystem (GIS) bearbeitet. Die Verschneidung flä-chengebundener Informationen mit anderen Ergebnissen wie z.B. der Überflutungsflächen nach

einem Versagen der Küstenschutzsysteme, Formulierung zukünftiger Entwicklungen, Verände-rungen von Küstenschutzsystemen durch Anpassungsmaßnahmen, Bewertungen usw. kann zu flächenhaften Darstellungen z.B. von Wertigkeiten, Entwicklungstendenzen und vor allem Schä-

den und Risiken führen.

Die genannte Thematik erfordert eine enge Verknüpfung mit den KRIM-Teilprojekten „Hydrody-namik und Morphologie“ und „Küstenschutz“. Aspekte der Kosten, der gesellschaftlichen Bereit-

schaft und der Organisation solcher Managementmaßnahmen sind mit den TP „Ökonomie“, „Kli-mawandel und Öffentlichkeit“ und „Politisch-administrative Steuerungsprozesse“ auszutauschen. Wesentliche Ergebnisse werden einem Decision Support System (DSS) (TP „Integrative Analyse“)

zugeführt.

Dr. Michael Schirmer ([email protected]), Dipl.-Biol. Dietmar Kraft ([email protected]) &

Dipl.-Biol. Stefan Wittig ([email protected]) Universität Bremen, Fachbereich 2 Institut für Ökologie und Evolutionsbiologie, Abt. Aquatische Ökologie

28334 Bremen Homepage des Forschungsvorhabens im Internet: http://www.krim.uni-bremen.de

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Eutrophication by the Odra river: Implications for tourism and sustainable de-velopement of the coastal zone

T. Dolch, G. Schernewski (Warnemünde)

In many coastal resorts along the southern Baltic coast, tourism contributes to more than 50 % to the public income and is the exclusive economic factor. The Baltic coast along the German federal

state of Mecklenburg-Vorpommern shows an ongoing boom. The target of 13 million overnight stays per year along the Baltic coast of Mecklenburg-Vorpommern is expected to be reached soon. However, surveys shows that only 17.4 % of the tourists mainly spent their holidays in Mecklen-

burg-Vorpommern. Tourists are aware of regions with similar offers and quality. Therefore, com-petition between resorts and regions along the Baltic coast is increasing.

Surveys show, that environmental quality along the Baltic coast is pre-dominantly regarded as

good or very good. This is an important aspect for tourists and is expected to become even more important in future. Bathing water and beach quality are most important in this respect. Improved sewage treatment nowadays ensures a high hygienic bathing water quality along the German Bal-

tic coast. Despite that, water quality is still negatively affected by eutrophication, the accidental release of harmful substances and natural processes. This is especially true for the large Odra (Szczecin) Lagoon (687 km²) at the German-Polish border which suffers from severe eutrophication

and water quality problems due to high discharge of water, nutrients and pollutants by the river Odra (Oder).

Taking the Odra estuary as an example, we discuss the economic importance of tourism as an eco-

nomic branch, the meaning of environmental and water quality for tourism as well as the public perception of environmental quality. Increasing competition for tourists requires the development of a specific image and target group-oriented advertisement. Environmental quality is regarded as

one key factor for sustainable economic growth in that coastal zone.

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MERK Mikroskalige Evaluation der Risiken in

überflutungsgefährdeten Küstenniederungen

Hans-Jörg Markau, Stefan Reese (Büsum)

Welchen Vorteil haben mikroskalige Untersuchungen bei planungsrelevanten Entscheidungen im Küstenraum? Dieser Frage wird im Rahmen eines Forschungsprojektes mit dem Titel "Mikroskali-

ge Evaluation der Risiken in überflutungsgefährdeten Küstenniederungen" am Forschungs- und Technologiezentrum nachgegangen. Hintergrund ist eine Neuorientierung im schleswig-holsteinischen Küstenschutz, die neben einer intensiveren Partizipation der Öffentlichkeit die Ent-

wicklung und Implementierung eines Instrumentes zum Management von Sturmflutrisiken zum Ziel hat.

Die Studie basiert auf einem Konzept zur „Naturgefahren und Risikobetrachtung“, welches die

Segmente der Risikoanalyse, der Risikobewertung und des Risikomanagements umfasst. Mit einer Vulnerabilitätsanalyse in fünf repräsentativen Untersuchungsgebieten an der Nord- u. Ostseeküste sollen übertragbare Methodiken zur Risikoanalyse generiert werden.

Während für die Entwicklung von überregionalen Langzeitkonzepten und Prioritätenlisten im Küstenschutz mesoskalige Untersuchungen geeignete Informationen liefern, erfordern konkrete Maßnahmenplanungen mikroskalige Betrachtungen. Diese Studien erreichen einen sehr hohen

Detailgrad und bieten die Grundlagen für ein lokales und objektbezogenes Risikomanagement. Somit kann z.B. eine den örtlichen Verhältnissen angepasste Bauleitplanung zur Schadensminimie-rung beitragen oder Evakuierungsmaßnahmen für den Fall eines Extremereignisses optimiert wer-

den.

Teilergebnisse und Erfahrungen dieses laufenden Forschungsprojektes sollen vorgestellt werden.

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INFORMATIONEN

Anschrift und Lageplan des Instituts für Weltwirtschaft:

http://www.uni-kiel.de/ifW/adresse.htm

Infos zu Hotels etc.:

http://www.kiel-tourist.de/de/index.htm