19
10 Brückenschaltungen Übungsziele: Aufbau der netzgeführten B2C-Schaltung Aufbau der netzgeführten B6C-Schaltung Vergleich der Gleichspannungen u di α Vergleich der Gleichströme i d Vergleich der Leiterströme i L Fourier-Analyse des Leiterstroms i L Leistungsbilanz Übungsdateien: MATHCAD: b2.mcd; b6.mcd SIMPLORER: b2rl.ssh; b6rl.ssh 10.1 Gemeinsame Eigenschaften Bei Brückenschaltungen arbeiten zwei gleichstromseitig in Reihe geschaltete p- pulsige Mittelpunktschaltungen auf eine gemeinsame Last, mit der sie in Reihe ge- schaltet sind. Wechselspannungsseitig liegen sie parallel am Netz. Aus zweipulsi- gen Mittelpunktschaltungen entsteht so die B2C-Schaltung. In Bild 10.1 ist die Herleitung der Zweipulsbrücke aus zwei M2-Mittelpunktschaltungen gezeigt. Bild 10.2 zeigt eine B2 -Brücke im SIMPLORER. Die Brückenschaltungen können im Gegensatz zu Mittelpunktschaltungen ohne Stromrichtertransformator direkt am Netz arbeiten. Sie werden an die jeweilige Leiterspannung U L entweder einphasig als B2 -Brücke an 230 V oder dreiphasig als B6 -Brücke an 400 V angeschlossen. Die Strangspannung U S wird als Bezugsspannung für die Simulation benutzt. Beim einphasigen Anschluss ist U S = 0,5 U L , also 115 V, und bei dreiphasigem Anschluss ist U S = U L /3, also 230 V. Die maximale Gleichspannung ist durch die Netzspannung vorgegeben. Bei Netzanschluss erreichen Diodenbrücken oder voll- gesteuerte B2-Brücken eine maximale Spannung U d = 207 V und vollgesteuerte B6-Brücken U d = 548 V. Gegenüber Mittelpunktschaltungen gleicher Pulszahl und gleicher Eingangsspannung haben sie die doppelte Ausgangsspannung. Bei ab- weichenden Spannungsniveaus müssen die Brücken über Anpassungstransforma- toren gespeist werden. Die Brückenschaltungen werden als netzgeführte, gesteuerte Gleichrichterschal- tungen mit Stromglättung untersucht. Die symmetrische Steuerung erfolgt über

10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

  • Upload
    vodan

  • View
    224

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10 Brückenschaltungen

Übungsziele:

• Aufbau der netzgeführten B2C-Schaltung

• Aufbau der netzgeführten B6C-Schaltung

• Vergleich der Gleichspannungen udiα

• Vergleich der Gleichströme id

• Vergleich der Leiterströme iL

• Fourier-Analyse des Leiterstroms iL

• Leistungsbilanz

Übungsdateien: MATHCAD: b2.mcd; b6.mcd

SIMPLORER: b2rl.ssh; b6rl.ssh

10.1 Gemeinsame Eigenschaften

Bei Brückenschaltungen arbeiten zwei gleichstromseitig in Reihe geschaltete p-pulsige Mittelpunktschaltungen auf eine gemeinsame Last, mit der sie in Reihe ge-schaltet sind. Wechselspannungsseitig liegen sie parallel am Netz. Aus zweipulsi-gen Mittelpunktschaltungen entsteht so die B2C-Schaltung. In Bild 10.1 ist die Herleitung der Zweipulsbrücke aus zwei M2-Mittelpunktschaltungen gezeigt. Bild 10.2 zeigt eine B2-Brücke im SIMPLORER. Die Brückenschaltungen können im Gegensatz zu Mittelpunktschaltungen ohne Stromrichtertransformator direkt am Netz arbeiten. Sie werden an die jeweilige Leiterspannung UL entweder einphasig als B2-Brücke an 230 V oder dreiphasig als B6-Brücke an 400 V angeschlossen. Die Strangspannung US wird als Bezugsspannung für die Simulation benutzt. Beim einphasigen Anschluss ist US = 0,5 UL, also 115 V, und bei dreiphasigem Anschluss ist US = UL/√3, also 230 V. Die maximale Gleichspannung ist durch die Netzspannung vorgegeben. Bei Netzanschluss erreichen Diodenbrücken oder voll-gesteuerte B2-Brücken eine maximale Spannung Ud = 207 V und vollgesteuerte B6-Brücken Ud = 548 V. Gegenüber Mittelpunktschaltungen gleicher Pulszahl und gleicher Eingangsspannung haben sie die doppelte Ausgangsspannung. Bei ab-weichenden Spannungsniveaus müssen die Brücken über Anpassungstransforma-toren gespeist werden.

Die Brückenschaltungen werden als netzgeführte, gesteuerte Gleichrichterschal-tungen mit Stromglättung untersucht. Die symmetrische Steuerung erfolgt über

Page 2: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10.2 Die netzgeführte Einphasenbrücke B2C

135

Impulse aus Zündgeneratoren, die um einen Steuerwinkel α auf der Zeitachse ver-schoben werden können. Komplexere Umformerschaltungen enthalten entweder ungesteuerte oder gesteuerte Diodenbrücken.

10.2 Die netzgeführte Einphasenbrücke B2C

Die Ströme und Spannungen der B2C-Brücke sind in Bild 10.3 und Bild 10.4 über der Zeit aufgetragen. Man unterscheidet bei den Brücken ebenso wie bei den Mit-telpunktschaltungen zwischen den Betriebsarten des nicht lückenden Stroms bei hohen und dem Lückbetrieb bei geringen Lastströmen.

Die quantitativen Zeichnungen in Bild 10.3 für den lückenden Betrieb und in Bild 10.4 für den nicht lückenden Betrieb zeigen die Zusammensetzung der Gleichspa-nnung ud aus den Teilspannungen uS1 und uS2 mit ud = uS1 − uS2 sowie die welligen Ventilströme, die sich an den Knotenpunkten zum Gleichstrom id addieren. Die Ventile V1 und V2 in den beiden Brückenhälften werden zum gleichen Zeitpunkt gezündet und führen bei positiver Spannungshalbwelle gemeinsam den Gleich-strom id, während bei negativer Halbwelle die Ventile V3 und V4 den Strom über-nehmen. Im lückenden Betrieb ist die Stromführungsdauer τd < 2π/p; im Beispiel ist diese kleiner als π. Der Gleichspannungsabfall an der Last ist während der Stromlücke Null.

Bild 10.1: Entstehung der B2-Schaltung

V3

V1 V4

V2

Ud

Rd Ld

UL

V3

US2

V1 V4

V2 Ud

Rd Ld

UL

US1

N

iv1

US2

V3 V1 V4 V2

Ud

Rd Ld

US1 Ud1 Ud2

N

US3 US4

iv4 iv2 iv3

Page 3: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10 Brückenschaltungen

136

Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

Die Ventilströme berechnen sich aus den Spannungsgleichgewichtsbedingungen so wie bei der Mittelpunktschaltung.

Die mathematische Beschreibung bildet die Grundlage der Berechnung im MATH-CAD-Programm. Für den Lückbetrieb gilt die Gleichung (10.2) des Ventilstroms für die Dauer von τd und für den nicht lückenden Betrieb die Gle ichung (10.3) für die Dauer des Periodizitätsintervalls 2π/p.

( )( )ϕ

ωρ

ωcotund

d

d

2d

2d

==+

=L

R

LR

UI L (10.1)

( ) ( )

−−−=

+−−2

ð

esincos2)(α

ϕαϕxp

V xIxi (10.2)

( ) ( )

−−−−=

+−−

−2

ð

ð ee1

sincos2)(

α

ρϕα

ϕxp

V xIxi (10.3)

In Bild 10.3 sind die Ventilströme iv nach Gleichung (10.2) gezeichnet. Sie sind am Anfang der Stromführungsdauer und am Ende Null. Aus den Abschnitten der Ventilströme bildet sich der Gleichstrom id und Leiterwechselstrom iL.

Die Gleichspannung ud hat in diesem Fall negative Momentanwerte, weil ein Glät-tungsspeicher vorhanden ist. Im Bereich der Stromlücke ist auch die Spannung Null.

Page 4: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10.2 Die netzgeführte Einphasenbrücke B2C

137

Bild 10.3: B2-Schaltung im lückenden Betrieb

In Bild 10.4 sind die Ventilströme iv nach Gleichung (10.3) gezeichnet. Sie sind am Anfang und am Ende des Periodizitätsintervalls von 180° gleich. Aus den Ab-schnitten der Ventilströme bilden sich der Gleichstrom id mit seinem arithme ti-schen Mittelwert Id und der Leiterwechselstrom iL.

Die Gleichspannung ud hat in diesem Fall negative Momentanwerte, weil ein Glä t-tungsspeicher vorhanden ist. Er hat keine Lücken. Die Spannung ist nicht symme-trisch zu ihrem Nulldurchgang. Das wird durch den ohmschen Widerstand be-wirkt.

Bild 10.4: B2-Schaltung im nicht lückenden Betrieb

L

Page 5: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10 Brückenschaltungen

138

10.3 Beispiele für die B2C-Schaltung

Beispiel 1 (MATHCAD)

Mit der MATHCAD-Datei b2.mcd wird eine B2C-Schaltung an einer einphasigen Wechselspannung von UL := 230 V beispielhaft im nicht lückenden Bereich unter-sucht. Die Bezugsspannung ist dann US = 115 V. Mit dem Steuerwinkel α := 30° und dem Lastwiderstand Rd := 10 Ω wird das Beispiel nach der Eingabe der Para-meter in den Eingabebereich der MATHCAD-Datei berechnet. Mit ZP := 2 werden in Bild 10.6 zwei Perioden der Netzfrequenz ausgegeben.

Bild 10.5: Eingabe in Datei b2.mcd

Bild 10.6: Entstehung der Brückenspannung bei α = 30°

Page 6: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10.3 Beispiele für die B2C-Schaltung

139

Bild 10.7: Spannungsmittelwerte bei α = 30°

Bild 10.7 zeigt die Teilspannungen uS1 und uS2, aus denen sich die Brückenspan-nung ud im gesteuerten Betrieb zusammensetzt. Die Ventilumschaltungen erfolgen vom natürlichen Zündzeitpunkt um den Steuerwinkel α = 30° verzögert. Da es sich um den nicht lückenden Betrieb handelt, fließt der Ventilstrom über das ge-samte Periodizitätsintervall 2π/p; dies entspricht einer Stromführungsdauer von τd = 180°.

Der Gleichspannungsmittelwert Ud bei Vollsteuerung (α = 0) berechnet sich für die B2-Schaltung aus Udi = 1,8 US. Er ist nur abhängig von der Pulszahl der Gleich-spannung und wird deswegen als Bezugswert auf der Gle ichspannungsseite ver-wendet. Der gesteuerte Wert Udiα = Udi cos(α) verkleinert sich in Abhängigkeit vom Steuerwinkel α. Im Lückbereich gilt dies nicht mehr. Es ergeben sich dann größe-re Mittelwerte UdiαLück > Udiα. Der arithmetische Mittelwert der Gleichspannung Udiα und der Effektivwert der Leiterspannung UL sind als zeitunabhängige Geraden in Bild 10.7 eingetragen. Zum Vergleich ist der Momentanwert uS gestrichelt ge-zeichnet. Die Ergebnisse der Rechnung sind zusammen mit ihren Eingangspara-metern unter den Bildern angegeben.

Page 7: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10 Brückenschaltungen

140

Bild 10.8: Gleichstrom bei α = 30°

Bild 10.8 zeigt den periodisch schwankenden Gleichstrom. Da der Strom id wellig ist, weicht er von seinem Mittelwert Id, ab, der als Gerade gestrichelt gezeichnet ist. Eine zu hohe Welligkeit kann sich im Gleichstromverbraucher durch zusätzli-che Wärmeentwicklung schädlich auswirken. Durch Vergrößern des Glättungs-speichers Ld wird der Gleichstrom geglättet. Die Kurvenform der Spannung ändert sich nicht. Grundsätzlich hat auch eine höhere Pulszahl p den gleichen Effekt. Sie ist durch den Gleichrichtertyp vorgegeben und lässt sich nachträglich nicht ändern. Deswegen kann vor Ort die Welligkeit nur über den induktiven Speicher beein-flusst werden. Je besser die Glättung vorgesehen ist, desto kleiner darf der Last-strom werden, ohne dass er lückt.

Bild 10.9: Sperrspannung bei α = 30°

Page 8: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10.3 Beispiele für die B2C-Schaltung

141

Da von idealen Ventilen ausgegangen wird, fällt an ihnen während der Stromfüh-rung keine Spannung ab. Sobald sie sperren, liegt an den Ventilen die Sperrspan-nung uV. Bild 10.9 zeigt, dass die Sperrspannung im Vergleich zur gestrichelten Vergleichsspannung uS den doppelten Scheitelwert erreicht.

Durch die im Beispiel gewählte Aussteuerung von α = 30° wird sie in einem Zeit-bereich positiv, der genau dem Steuerwinkel entspricht. Der negative Zeitabschnitt verringert sich entsprechend. Er darf nicht kleiner als 30° werden, da sonst das Ventil nicht mehr sicher sperren kann. Die Steuergrenze bei α = 150° heißt Wech-selrichtertrittgrenze. Sie muss stets im Wechselrichterbetrieb beachtet werden, um das sogenannte Rückzünden des Stromrichters zu vermeiden.

Bild 10.10: Leiterstrom bei realer Glättung und α = 30°

Der Leiterstrom auf der Wechselspannungsseite setzt sich aus den vier Ventil-strömen iv zu einem Wechselstrom iL zusammen. Für ihn werden verschiedene Strommittelwerte definiert, die über den Gleichstrommittelwert Id berechnet wer-den.

Bei idealer Glättung Ld → ∞, ist der Strom rechteckförmig und setzt sich aus Blöc-ken der Halbperiode 180o zusammen. Seine Kurvenform bleibt unabhängig vom Steuerwinkel α erhalten. Sein Effektivwert ist I = Id und der seiner Grund-schwingung I1 folgt aus der Gle ichung (10.4).

Page 9: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10 Brückenschaltungen

142

d1 ð

22II = (10.4)

Bei realer Glättung wird die Form des Leiterstroms durch den Steuerwinkel verän-dert. Die Effektivwerte des Gesamtstroms I und seiner Grundschwingung I1 sind in Bild 10.10 als Geraden gezeichnet und ihre Werte in der Legende ausgegeben. Die Grundschwingung i1 ist im Vergleich zum Leiterstrom iL aufgetragen. Der Grundschwingungsgehalt gi gilt als Beurteilungskriterium für die Güte von ver-zerrten Wechselgrößen. Bei idealen unverzerrten Sinusgrößen wird gi = 1. Der Leiterstrom enthält alle ungeradzahligen Oberschwingungen der Ordnung ν = 2n ± 1.

Da die Leiterspannung uL sinusförmig angenommen wurde, trägt nur die Grund-schwingung des Leiterstromes i1L zur Wirkleistungsübertragung bei. Die Phasen-verschiebung zwischen der Grundschwingung des Leiterstroms und der Spannung ist nur bei idealer Glättung gleich dem Steuerwinkel: ϕ1 = α.

Zusätzliche Leistungsanalysen können durch Simulation mit beiden Programmen nach der Vorgehensweise bei der einphasigen Wechselwegschaltung W1 durchge-führt werden.

Bild 10.11: Ströme und Spannungen bei α = 30° (Programm SIMPLORER)

Beispiel 2 (SIMPLORER)

Bei gleichen Eingabeparametern (wie Beispiel 1) in die Datei b2rl.ssh folgen aus der SIMPLORER-Simulation der Schaltung aus Bild 10.2 die im QuickView Bild 10.11 dargestellten Kurven. Im Zeitabschnitt zwischen 20 ms und 60 ms sind die Einschwingvorgänge abgeklungen, da zum Vergleich mit den Ergebnissen aus der

Page 10: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10.4 Die netzgeführte Dreiphasenbrücke B6C

143

mathematischen Analyse nur der eingeschwungene Zustand interessant ist. Über die im Netzwerk (Bild 10.2) vorhandenen Messgeräte wird über VML die Teil-spannung uS1 und über VMd die Gleichspannung ud im Maßstab 1:1 ausgegeben. Der Leiterstrom iL wird über den Strommesser AMVL im Maßstab 1:5 und der Strom id direkt am Widerstand I“Rd“ mit Maßstab 1:10 abgegriffen.

10.4 Die netzgeführte Dreiphasenbrücke B6C

Die B6C-Sechspulsbrücke (Bild 10.12) kann man sich aus der gleichstromseitigen Reihenschaltung zweier M3-Schaltungen entstanden denken.

Bild 10.13 zeigt die Teilspannungen ud1 und ud2, aus deren Differenz die Gesamt-spannung ud folgt. Man kann hier erkennen, wie aus zwei dreipulsigen Systemen die sechspulsige Gleichspannung konstruiert wird. Sie ist gegenüber der dreipulsi-gen Spannung in der Phase so verschoben, dass zu Zeitpunkten, bei denen in den M3-Schaltungen ihre Maxima liegen, die Spannung der B6-Brücke ihre Minima hat. Die Leiterströme sind wegen der ideal angenommenen Glä ttung blockförmig mit einer Stromführungszeit von 120° bei einer Strompause von 60°.

Bild 10.12: B6C-Schaltung

Page 11: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10 Brückenschaltungen

144

Bild 10.13: Systemgrößen bei idealer Glättung

Im Sperrzustand folgen die Spannungen uv den Leiterspannungen uL. Im leitenden Zustand ist uv Null. Der Maximalwert der Sperrspannungen in der B6C-Schaltung ist SSv 45,232ˆ UUU ≈= .

Page 12: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10.4 Die netzgeführte Dreiphasenbrücke B6C

145

Bild 10.14: B6C-Brücke im SIMPLORER

Bild 10.14 zeigt das Netzwerk der Brücke im SIMPLORER. Mit den Messgeräten lassen sich entsprechende Kanäle von Strom und Spannung aufzeichnen. Nur an Widerständen können die Werte direkt abgegriffen werden. Der Laststrom am Wi-derstand wird z.B. über den Ausdruck I“Rd“ für die Ausgabe vorbereitet. Da die Spannung an der Reihenschaltung der Lastwiderstände gemessen werden soll, ist dort der Spannungsmesser VMd angeschlossen. Das versorgende Drehstromsystem wird durch drei gesteuerte Spannungsquellen nachgebildet. Die Thyristoren sind über Zündimpulse gesteuert, die sich über den Steuerwinkel α verschieben lassen.

Bild 10.15: Zündimpulse für die B6C-Brücke

Die Zündimpulse in Bild 10.15 entsprechen nicht den wirklichen energetischen Zuständen. Sie wurden mit Hilfe der Zustandsgraphen im SIMPLORER erzeugt und bilden die Grundlage der Schaltfolge in der Simulation. Die Bezeichnungen

Page 13: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10 Brückenschaltungen

146

der Zündimpulse mit Z1 bis Z6 beziehen sich auf die Thyristornummern im Schaltbild. Im Zustand Z := 1 folgt ein Durchschalten des Thyristors, wenn gleich-zeitig der Spannungsabfall über dem Ventil positiv ist. Der Nulldurchgang des Ventilstroms iV schaltet den Halbleiter wieder ab.

Die 60°-Doppelimpulse verhindern ein vorzeitiges Abschalten der Thyristoren bei der Stromübernahme eines Ventils in der anderen Phase. Gleichzeitig ist immer ein Ventil in jedem Brückenzweig leitend. Wenn z.B. der Strom vom Ventil 1 auf das Ventil 2 kommutiert, kommt es zu einem Spannungseinbruch, der zum Lö-schen des Ventils 1 führen kann. Deswegen muss genau zu diesem Zeitpunkt Ven-til 1 wieder gezündet werden. Der Lückbetrieb, der z.B.beim Anfahren einer elekt-rischen Maschine auftritt, erfordert ebendfalls eine Zündwiederholung. Damit ein Stromfluss überhaupt zustande kommt muß darauf geachtet werden, dass der Hal-testrom innerhalb der Zündimpulsdauer erreicht wird, da das Ventil sonst wieder sperrt. Die Halbleiter müssen innerhalb ihrer normalen Stromführungsdauer von τd = 120° erneut eingeschaltet werden.

Die Ventile sind im Vergleich mit einer gleichpulsigen M6-Mittelpunktschaltung doppelt so gut strommäßig ausgelastet. Der Ventilstrom iv der Brücke hat eine Stromführungsdauer τd = 120° und folgt nicht dem Periodizitätsintervall von 60°. Der Einfluss der Glättung auf den Ventilstrom bei ohmscher Last lässt sich mit Gleichung (10.6) für den Lückbetrieb und mit Gleichung für (10.8) den nicht lüc-kenden Betrieb bestimmen. Der Ventilstrom berechnet sich im Lückbetrieb aus den Gleichgewichtsbedingungen der Spannung im Bereich − π/3 + α ≤ x ≤ α + τd:

( )( )ϕ

ωρ

ωcotund

d2d

2

S ==+

=L

R

LR

UI (10.5)

( ) ( )

−−−

++==

+−−3

ð

v6v1 e6ð

cos6ð

cos62α

ϕϕxp

xxIxixi (10.6)

Die Stromführungsdauer τd kann aus Gleichung (10.6) bestimmt werden, da für x = τd die Ströme an der Stelle x = τd iv1(τd) und iv6(τd) = 0 werden. Es folgt die transzendente Bestimmungsgleichung (10.7) für die Stromführungsdauer τd:

de6

ðcos

6

ðcos0 d

ρτϕατϕα −

−−−

+−−= (10.7)

Sie wird in MATHCAD mit dem Newtonschen Näherungsverfahren gelöst. Die Nullstelle τd wird mit der im Programm integrierten Wurzel-Funktion berechnet.

Page 14: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10.5 Beispiele für die B6C-Brücke

147

Gleichung (10.8) ist die Stromzeitfunktion für den nicht lückenden Betrieb, mit der Stromführungsdauer von τd = 2π/3 und dem Steuerwinkel α ≤ αg im Bereich −π/3 + α ≤ x ≤ π/3 + α.

( )

−−

−+==

+−−

6

ð

3

ðv6v1 e

e1

sin

6

ðcos32)()(

αρ

ρ

ϕαϕα

x

Ixixi (10.8)

Der Leiterstrom iL hat im nicht lückenden Bereich den für Drehstrombrücken typi-schen Verlauf, der sich aus Stromblöcken mit wechselndem Vorzeichen von τd = 120° Länge, unterbrochen von stromlosen Pausen von 60° zusammensetzt. Im Lückbereich löst sich der Stromblock auf und bildet zwei Teilströme, die eine Stromführungsdauer τd < 120° besitzen. Der Leiterstrom ist ein stark verzerrter Wechselstrom und enthält die für Drehstromsysteme typischen ungeradzahligen Oberschwingungen ν = 5; 7; 11; 13. Wie in Drehstromsystemen üblich, entfallen alle durch drei teilbaren Ordnungszahlen. Bei idealer Glättung nehmen die Ampli-tuden der Oberschwingungen mit dem Verhältnis 1/ν ab. Im Leiterstrom der B2C-Brücke tritt die dritte und in der B6-Schaltung die fünfte als höchste Oberschwin-gung auf. Man versucht deswegen diese Anteile durch speziell auf sie abgestimm-te Filter zu verringern.

10.5 Beispiele für die B6C-Brücke

Beispiel 3 (MATHCAD)

Mit der MATHCAD-Datei b6.mcd wird eine B6C-Schaltung an einem dreiphasigen Drehstromsystem der Leiterspannung UL := 400 V im nicht lückenden Betrieb un-tersucht. Die Phasenspannung als Bezugswert beträgt US := 230 V. Das Beispiel wird mit der Eingabe des Steuerwinkels α := 30° und des Lastwiderstandes Rd := 10 berechnet. Mit ZP := 1 folgen die Grafiken für eine Periode der Eingangs-spannung uS.

Page 15: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10 Brückenschaltungen

148

Bild 10.16: Eingabe in Datei b6.mcd

Bild 10.17: Teilspannungen der Brücke

In analoger Weise zur B2C-Brücke setzt sich die B6C-Brücke aus den zwei Span-nungshälften ud = ud1 – ud2 zusammen (Bild 10.17). Im Gegensatz zur B2C-Schal-tung verdoppelt sich bei der B6C-Schaltung die Pulszahl von 3 auf 6.

Bild 10.18: Gleichstrom der B6C-Brücke

Die Grafik im Bild 10.18 zeigt den sechspulsigen Gleichstrom id , der von seinem idealen Mittelwert Id abweicht. Er setzt sich aus den Stromblöcken der sechs Ven-tilströme zusammen. Durch Vergrößern des Speichers Ld kann die Welligkeit wi

Page 16: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10.5 Beispiele für die B6C-Brücke

149

des Gleichstroms verkle inert werden. Den idealen Verlauf zeigt Bild 10.13 bei sehr großer Glättung.

Bild 10.19: Leiterstrom der B6C-Brücke

Der Leiterstrom iL nach Bild 10.19, der sich aus jeweils zwei Ventilströmen zu-sammensetzt, ist ein verzerrter Wechselstrom. Die Stromblöcke in Bild 10.19 mit der Stromführungsdauer τd = 120° werden von einer 60°-Pause unterbrochen. Die Kuppen verschwinden bei idealer Glättung, so dass wieder die Rechteckblöcke entstehen. Die Amplitude des Leiterstroms entspricht dann dem Mittelwert Id. Bild 10.19 enthält sowohl den Strom iL, seinen Grundschwingungsanteil i1 als auch die konstanten Mittelwerte Id; IL1 und IL.

Bei idealer Glättung folgen die Beziehungen zwischen den Mittelwerten der Gle i-chung (10.9).

dL1LL1dLð

6;

ð

3;

3

2IIIIII === (10.9)

Page 17: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10 Brückenschaltungen

150

Bild 10.20: Ströme und Spannungen der B6C-Brücke (Programm SIMPLORER)

Beispiel 4 (SIMPLORER)

Die SIMPLORER-Simulation mit der Datei-b6rl.ssh erfolgt mit gleichen Einga-ben. Um die Einschwingvorgänge in Bild 10.20 auszublenden, ist der Einschalt-vorgang für die Zeit unter 20 ms unterdrückt. Über die Spannungsmessgeräte wird an VML die Leiterspannung und an VMd die Gleichspannung ausgegeben. Der Spannungsmaßstab ist 1:1. Der Leiterstrom iL wird über den Strommesser AMVL im Maßstab 1:10 ausgegeben und der Laststrom id wird am Widerstand I“Rd“ im Maßstab 1:5 abgegriffen. Die verschiedenen Strommaßstäbe vermeiden eine teil-weise Überdeckung.

10.6 Die Leistungsbilanz der B6C-Brücke

Eine Drehstrombrücke wandelt Energie eines Wechselstromnetzes in Gleichstrom-energie um. Die Wirkleistung wird auf der Gleichspannungsseite durch den ohm-schen Widerstand oder eine Gleichstrommaschine entnommen. Das Netz muss trotzdem die Steuerblindleistung Q1α und die Verzerrungsblindleistung D, die aus den Oberschwingungen des verzerrten Leiterstroms entstehen, liefern. Die Steuer-blindleistung bildet sich durch die Verschiebung der Grundschwingung des Leiter-stroms iL1 gegenüber der Netzspannung uS. Bleiben die Netzinduktivitäten unbe-rücksichtigt, so wird im nicht lückenden Betrieb bei idealer Glättung α = ϕ1 und folglich auch cos(α) = cos(ϕ1).

Die Wirkleistung auf der Gleichstromseite bei Vollsteuerung ist Pd. Im gesteuerten Bereich gilt Pdα = UdiαId = Pd cos(α). Die Grundschwingungsscheinleistung S1 = Pd ist bei Vollsteuerung gleich der Gleichstromleistung. Die Steuerblindleistung er-gibt sich aus Q1α = S1 sin(α) = Pd sin(α). Aus den Gleichungen (10.10) folgt das

Page 18: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10.6 Die Leistungsbilanz der B6C-Brücke

151

Kreisdiagramm (Bild 10.21) mit dem Ursprung im Mittelpunkt und dem Radius 1. Sobald ein Gleichrichter gesteuert wird, nimmt er entsprechende Blindleistung auf. Der Anfahrpunkt von Gleichstrommaschinen liegt bei α = 90° und Ud = 0 V. Das wirkt besonders nachteilig auf das Drehstromnetz, da in diesem Betriebspunkt die Blindleistungsaufnahme der gesamten Wirkleistung der Maschine entspricht.

Bild 10.21: Steuerblindleistung

Bild 10.22: Ausgabe der Leistungswerte der B6C-Brücke

Page 19: 10 Brückenschaltungen - antriebstechnik.fh-stralsund.deantriebstechnik.fh-stralsund.de/1024x768/Dokumentenframe/... · 10 Brückenschaltungen 136 Bild 10.2: B2-Schaltung im SIMPLORER

10 Brückenschaltungen

152

( ) ( )

1

1

cossin

2

di

diá

2

ddi

2

ddi

2

ddi

222ddi

2dá

21á

=

+

=

+

+=+

UU

IUQ

IUP

IUQ

IUPQ αα

(10.10)

Bild 10.22 zeigt die Leistungsbilanz für das Beispiel der B6C-Brücke. Die Defini-tionen der Leistungsmittelwerte bei verzerrten Strömen wurden bei der W1-Wech-selwegschaltung behandelt.

Mit dem Programm ist sowohl der Einfluss nicht idealer Glättung als auch des Lückbetriebes auf die vorliegenden Leistungsverhältnisse zu untersuchen. Die Leistungsfaktoren unter der Bedingung idealer Glättung sind nach Gleichung (10.11) berechenbar und in Bild 10.23 dargestellt. Anhand dieser Grafik lassen sich die Simulationsergebnisse vergleichen. Es ist wichtig, neue Simula tionsergeb-nisse mit bekannten Daten zu vergleichen, um die Simulation zu prüfen.

tgestrichel ;)ð/(3ð/)cos(3)(

tgestrichel ;)ð/(22ð/)cos(22)(

didiá

didiá

B2CUU

B2CUU

====

ααλ

ααλ (10.11)

Bild 10.23: Leistungsfaktoren λ(α) bei idealer Glättung der B2- und B6-Brücke