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WISA vorwärts für Sachsen-Anhalt SPD für Sachsen-Anhalt 09-10/2018 I - EDITORIAL - Liebe Genossinnen und Genossen, wenn drei sich streiten, freuen sich die Grünen. Dieses Resümee der Bayernwahl klingt für viele von Euch sicher viel zu lapidar. Nach „Mund ab- putzen und weiter so“. Wer eine solche Einstellung kritisiert, kritisiert sie zurecht. Das Wahlergebnis in Bayern lässt sich nicht mit regionalen Besonderhei- ten schönreden. Für die Bayern-SPD ist das Ergebnis doppelt bitter: Sie haben einen engagierten, coura- gierten Wahlkampf geführt. So wie ich haben auch viele von Euch unsere bayrischen Genossinnen und Genossen dabei persönlich und vor Ort unterstützt. Aber wohl selten in der Geschichte der Bundesrepu- blik hat die Kakophonie in den Koalitionsparteien und der Bundesregierung so auf eine Landtagswahl durchgeschlagen. Das Ergebnis ist daher keines, das sich unter „pas- siert mal, weitermachen“ abhaken lässt. Die Bay- ernwahl markiert endgültig eine Zäsur in der deut- schen Politik – die Volksparteien verlieren massiv an Bedeutung. Für die SPD geht es um ihre Existenz. Dazu braucht es keine gründliche Analyse in aller Ruhe. Es braucht Richtungsentscheidungen. Keine ständigen Spagate und verbogenen Rücken. Auch eine Volkspartei kann es sich nicht leisten, es jeder- mann Recht machen zu wollen und dabei im Unge- fähren zu bleiben. Wir müssen zum Markenkern unserer Partei zurück- finden, der bereits in unserem Namen verankert ist: sozial! Um eine schlüssige, präzise und mutige Antwort zu finden, wie ein starker Sozialstaat im 21. Jahrhundert aussehen soll. Und natürlich: Der Streit im Berliner Regierungsviertel muss aufhören. Dann besteht auch die reelle Chance auf eine Renaissance der SPD. Euer Burkhard Lischka Betont kämpferisch präsentierte sich die sachsen-anhaltische SPD, als sie bei einem außerordentlichen Landesparteitag in Oschersleben die Europawahl vorbereitete, die in Deutsch- land am 26. Mai 2019 stattfindet. Am Freitagabend vor den Herbstferien waren die Delegierten in der etwas ungewohn- ten Atmosphäre der Motorsport-Arena zusammengekom- men. Während draußen noch Motoren röhrten, liefen sich im Hotel das Präsidium und die ersten Redner warm. Burkhard Lischka eröffnete den Europa-Parteitag mit einer eindringlichen Warnung: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht all das verspielen, was Generationen von Europäern auf- gebaut haben. Erstmals in der Geschichte der EU erleben wir die reale Gefahr, dass Europa zerbricht.“ Doch er verband die- se Warnung mit einer Botschaft an alle Populisten: „Wir Sozi- aldemokratinnen und Sozialdemokraten bleiben Euer Haupt- gegner, wenn Ihr Demokratie und Freiheitsrechte abschaffen wollt. Wir werden Euch dieses Europa nicht überlassen, nicht ein zweites Mal!“ Auch Benjamin Kanngießer, Bürgermeister von Oschersle- ben, erinnerte in seinem Grußwort an den langen Weg zum Frieden in Europa. Er betonte zugleich die große Rolle der EU für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Kommunen und sagte: „Für unsere Regionen brauchen wir auch immer starke Abgeordnete.“ Um Sachsen-Anhalts künftigen SPD-Europaabgeordneten ging es dann auch gleich in der ersten Runde des Parteitags. Für die Bundesliste bewarb sich neben dem Europaabgeord- neten Arne Lietz aus Lutherstadt Wittenberg auch Thomas Rieke aus Magdeburg. Beide hatten in den Wochen zuvor ge- meinsam die Kreis- und Stadtparteitage besucht und sich als Kandidaten vorgestellt. Die Entscheidung fiel dann sehr eindeutig aus. Mit 72 Stim- men oder 75 Prozent wurde Arne Lietz aufgestellt. Thomas Rieke erhielt 24 Stimmen. Rieke wurde anschließend einstim- mig als Ersatzkandidat nominiert. „Ich freue mich sehr über die Nominierung und darauf, mit der Landes-SPD in einen engagierten Europawahlkampf ziehen zu dürfen“, sagte Lietz nach der Wahl. „Die SPD ist die Partei, die dem wachsenden Nationalismus und Populismus ein starkes Europa entgegen setzt!“ Aber wie kommt Arne Lietz ins Europaparlament? Am 9. Dezember 2018 stellt die Bundesvertreterversammlung die Bundesliste auf, und die vorderen Listenplätze sind hart umkämpft. Der Landesparteitag unterstützte deshalb den Vorschlag einer „solidarischen Bundesliste“, auf der alle 16 Bundesländer auf den ersten 16 Listenplätzen vertreten sind. Bei der entscheidenden Bundesvertreterversammlung wird Sachsen-Anhalts SPD durch die Stendaler Kreisvorsitzende Juliane Kleemann und durch Arne Lietz repräsentiert, die in Oschersleben zu Delegierten gewählt wurden. Die Delegierten nahmen außerdem einstimmig einen Leit- antrag zur Europapolitik an. Auch dieser Beschluss würdigt die Europäische Union als Friedensprojekt, setzt aber zugleich Arne Lietz fürs Europaparlament nominiert: „Die SPD ist die Partei, die dem Nationalismus ein starkes Europa entgegen setzt“ Am 26. Mai 2019 sind in Sachsen-Anhalt auch Kommunal- wahlen: Oscherslebens Bürgermeister Benjamin Kanngießer bei seinem Grußwort Burkhard Lischka gratuliert Arne Lietz zur erneuten Aufstellung und Thomas Rieke zur Nominierung als Ersatzkandidat deutliche soziale Akzente: „Europa wird nur erfolgreich sein, wenn es sozial und gerecht handelt. Wir wollen ein ein- heitliches und gerechtes Steuersystem für Unternehmen in Europa. Sie sollen dort ihre Steuern zahlen, wo Gewinne erwirtschaftet werden und nicht wo der Steuersatz am nied- rigsten ist. Wir wollen Mindeststeuersätze für Unternehmen und eine wirksame Finanztransaktionssteuer. Wir wollen faire Löhne und soziale Gerechtigkeit in Europa. Alle Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer sollen vom Fortschritt pro- fitieren.“ Blick in die Delegiertenreihen. Katja Pähle berichtete dem Parteitag von einer bewegten Landtagssitzung (siehe Seite IV)

09-10/2018 SPD für Sachsen-Anhalt I WISA · Sie ist alles andere als einfach: die „Kenia“-Koalition aus CDU, SPD und Grünen in Sachsen-Anhalt. Die SPD tat sich nach der verlorenen

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Page 1: 09-10/2018 SPD für Sachsen-Anhalt I WISA · Sie ist alles andere als einfach: die „Kenia“-Koalition aus CDU, SPD und Grünen in Sachsen-Anhalt. Die SPD tat sich nach der verlorenen

WISAvorwärts für Sachsen-Anhalt

SPD für Sachsen-Anhalt09-10/2018 I

- E D I TO R I A L -

Liebe Genossinnen und Genossen,

wenn drei sich streiten, freuen sich die Grünen. Dieses Resümee der Bayernwahl klingt für viele von Euch sicher viel zu lapidar. Nach „Mund ab-putzen und weiter so“. Wer eine solche Einstellung kritisiert, kritisiert sie zurecht. Das Wahlergebnis in Bayern lässt sich nicht mit regionalen Besonderhei-ten schönreden. Für die Bayern-SPD ist das Ergebnis doppelt bitter: Sie haben einen engagierten, coura-gierten Wahlkampf geführt. So wie ich haben auch viele von Euch unsere bayrischen Genossinnen und Genossen dabei persönlich und vor Ort unterstützt. Aber wohl selten in der Geschichte der Bundesrepu-blik hat die Kakophonie in den Koalitionsparteien und der Bundesregierung so auf eine Landtagswahl durchgeschlagen.Das Ergebnis ist daher keines, das sich unter „pas-siert mal, weitermachen“ abhaken lässt. Die Bay-ernwahl markiert endgültig eine Zäsur in der deut-schen Politik – die Volksparteien verlieren massiv an Bedeutung. Für die SPD geht es um ihre Existenz. Dazu braucht es keine gründliche Analyse in aller Ruhe. Es braucht Richtungsentscheidungen. Keine ständigen Spagate und verbogenen Rücken. Auch eine Volkspartei kann es sich nicht leisten, es jeder-mann Recht machen zu wollen und dabei im Unge-fähren zu bleiben.Wir müssen zum Markenkern unserer Partei zurück-finden, der bereits in unserem Namen verankert ist: sozial! Um eine schlüssige, präzise und mutige Antwort zu finden, wie ein starker Sozialstaat im 21. Jahrhundert aussehen soll. Und natürlich: Der Streit im Berliner Regierungsviertel muss aufhören. Dann besteht auch die reelle Chance auf eine Renaissance der SPD.

EuerBurkhard Lischka

Betont kämpferisch präsentierte sich die sachsen-anhaltische SPD, als sie bei einem außerordentlichen Landesparteitag in Oschersleben die Europawahl vorbereitete, die in Deutsch-land am 26. Mai 2019 stattfindet. Am Freitagabend vor den Herbstferien waren die Delegierten in der etwas ungewohn-ten Atmosphäre der Motorsport-Arena zusammengekom-men. Während draußen noch Motoren röhrten, liefen sich im Hotel das Präsidium und die ersten Redner warm.Burkhard Lischka eröffnete den Europa-Parteitag mit einer eindringlichen Warnung: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht all das verspielen, was Generationen von Europäern auf-gebaut haben. Erstmals in der Geschichte der EU erleben wir die reale Gefahr, dass Europa zerbricht.“ Doch er verband die-se Warnung mit einer Botschaft an alle Populisten: „Wir Sozi-aldemokratinnen und Sozialdemokraten bleiben Euer Haupt-gegner, wenn Ihr Demokratie und Freiheitsrechte abschaffen wollt. Wir werden Euch dieses Europa nicht überlassen, nicht ein zweites Mal!“ Auch Benjamin Kanngießer, Bürgermeister von Oschersle-ben, erinnerte in seinem Grußwort an den langen Weg zum

Frieden in Europa. Er betonte zugleich die große Rolle der EU für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Kommunen und sagte: „Für unsere Regionen brauchen wir auch immer starke Abgeordnete.“Um Sachsen-Anhalts künftigen SPD-Europaabgeordneten ging es dann auch gleich in der ersten Runde des Parteitags. Für die Bundesliste bewarb sich neben dem Europaabgeord-neten Arne Lietz aus Lutherstadt Wittenberg auch Thomas Rieke aus Magdeburg. Beide hatten in den Wochen zuvor ge-meinsam die Kreis- und Stadtparteitage besucht und sich als Kandidaten vorgestellt.Die Entscheidung fiel dann sehr eindeutig aus. Mit 72 Stim-men oder 75 Prozent wurde Arne Lietz aufgestellt. Thomas Rieke erhielt 24 Stimmen. Rieke wurde anschließend einstim-mig als Ersatzkandidat nominiert. „Ich freue mich sehr über die Nominierung und darauf, mit der Landes-SPD in einen engagierten Europawahlkampf ziehen zu dürfen“, sagte Lietz nach der Wahl. „Die SPD ist die Partei, die dem wachsenden Nationalismus und Populismus ein starkes Europa entgegen setzt!“Aber wie kommt Arne Lietz ins Europaparlament? Am 9. Dezember 2018 stellt die Bundesvertreterversammlung die Bundesliste auf, und die vorderen Listenplätze sind hart umkämpft. Der Landesparteitag unterstützte deshalb den Vorschlag einer „solidarischen Bundesliste“, auf der alle 16 Bundesländer auf den ersten 16 Listenplätzen vertreten sind. Bei der entscheidenden Bundesvertreterversammlung wird Sachsen-Anhalts SPD durch die Stendaler Kreisvorsitzende Juliane Kleemann und durch Arne Lietz repräsentiert, die in Oschersleben zu Delegierten gewählt wurden.Die Delegierten nahmen außerdem einstimmig einen Leit-antrag zur Europapolitik an. Auch dieser Beschluss würdigt die Europäische Union als Friedensprojekt, setzt aber zugleich

Arne Lietz fürs Europaparlament nominiert:

„Die SPD ist die Partei, die dem Nationalismus ein starkes Europa entgegen setzt“

Am 26. Mai 2019 sind in Sachsen-Anhalt auch Kommunal-wahlen: Oscherslebens Bürgermeister Benjamin Kanngießer bei seinem Grußwort

Burkhard Lischka gratuliert Arne Lietz zur erneuten Aufstellung und Thomas Rieke zur Nominierung als Ersatzkandidat

deutliche soziale Akzente: „Europa wird nur erfolgreich sein, wenn es sozial und gerecht handelt. Wir wollen ein ein-heitliches und gerechtes Steuersystem für Unternehmen in Europa. Sie sollen dort ihre Steuern zahlen, wo Gewinne erwirtschaftet werden und nicht wo der Steuersatz am nied-rigsten ist. Wir wollen Mindeststeuersätze für Unternehmen und eine wirksame Finanztransaktionssteuer. Wir wollen faire Löhne und soziale Gerechtigkeit in Europa. Alle Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer sollen vom Fortschritt pro-fitieren.“

Blick in die Delegiertenreihen. Katja Pähle berichtete dem Parteitag von einer bewegten Landtagssitzung (siehe Seite IV)

Page 2: 09-10/2018 SPD für Sachsen-Anhalt I WISA · Sie ist alles andere als einfach: die „Kenia“-Koalition aus CDU, SPD und Grünen in Sachsen-Anhalt. Die SPD tat sich nach der verlorenen

Sie ist alles andere als einfach: die „Kenia“-Koalition aus CDU, SPD und Grünen in Sachsen-Anhalt. Die SPD tat sich nach der verlorenen Landtagswahl 2016 schwer mit der Entscheidung für die Regierungsbildung, handelte aber einen Koalitionsvertrag mit vielen sozialdemokratischen Inhalten aus. Jetzt ist die Hälfte der Wahlperiode geschafft.

„An dem Tag, an dem wir 2016 den Koaliti-onsvertrag unterschrieben haben, haben mir viele gesagt: Das hält kein Jahr“, blickt der SPD-Landesvorsitzende Burkhard Lischka zurück. „Mittlerweile sind es schon zweiein-halb. An der B-Note kann es nicht liegen – der Umgangsstil in der Koalition ist oft gewöh-nungsbedürftig. Es liegt an der konsequen-ten Sacharbeit, und dazu tragen die SPD und die von uns geführten Ministerien ein ganz gehöriges Stück bei.“ Gemessen an Koalitio-nen in anderen Ländern und selbst im Bund brauche sich Sachsen-Anhalt nicht zu verste-cken, so Lischka: „Wenn’s knirscht, überdeckt das manchmal, wie Schritt für Schritt der Ko-alitionsvertrag abgearbeitet wird und Sach-fragen gelöst werden.“

Lischka hebt besonders das KiFöG hervor, das gegenwärtig im Landtag beraten wird: „Petra Grimm-Benne hat mit langem Atem einen Gesetzentwurf erarbeitet und in der Koalition verabredet, der unsere Ziele verwirklicht: spürbare Entlastung für die Eltern und ein erster großer Schritt hin zu Verbesserungen für die Fachkräfte und bei der Betreuung der Kinder.“ Fast schon geräuschlos sei das Programm „Stabilisierung und Teilhabe am Arbeitsmarkt“ angelaufen, das 2.000 Menschen Beschäftigung biete, die vorher nicht von staatlicher Arbeitsförderung profitieren konnten: „Das sind sozialdemokratische Erfolge zum Anfassen“, sagt Lischka. Gleichzeitig habe Armin Willingmann deutlich gemacht, „dass Sozis auch Wirtschaft können“: „Nach der völlig ermatteten Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik der letzten Wahlperiode weht jetzt frischer Wind durch diesen Politikbereich.“ Lischka verweist auf die kräftige Anhebung bei der Grundfinanzierung der Hochschulen und die klare Prioritätensetzung auf kleine und mittlere Unternehmen bei der Investitionsförderung, wie es der wirtschaftlichen Struktur Sachsen-Anhalts entspreche.

Lischka: „Jetzt gehen wir entschlossen in die zweite Hälfte der Wahlperiode. Wir schielen auch weiterhin nicht auf Haltungsnoten. Wir setzen voll auf die A-Note: auf echte Verbes-serungen für die Menschen in Sachsen-An-halt.“ Die SPD in Bund und Land arbeite da-bei eng zusammen: „Zukunft gestalten geht nur gemeinsam. Beispiel Gute-Kita-Gesetz: Wir eröffnen von Berlin aus zusätzliche Chan-cen zur Beitragsentlastung und Qualitätsver-besserung in den Ländern. Beispiel Mindest-ausbildungsvergütung: Für die ostdeutschen Länder und namentlich für Sachsen-Anhalt

ist das ein ganz wichtiger Beitrag zur Fach-kräftesicherung.“„Wir haben in der ersten Hälfte der Wahlpe-riode schon dicke Bretter gebohrt, aber wir nehmen uns jetzt neue vor“, sagt die Vor-sitzende der SPD-Landtagsfraktion, Katja Pähle. „Zu unseren wichtigsten Vorhaben zählt das Azubiticket, das von Unterneh-men, Kammern und Gewerkschaften glei-chermaßen gefordert wird. Es soll junge Leute während der Ausbildung finanziell entlasten und mithelfen, berufliche Bildung attraktiver zu machen. Wer junge Leute im Land halten will, muss sich nach der Decke strecken.“ Sie sehe eine Mehrheit für das Ticket im Landtag, was fehle, seien Mach-barkeitsuntersuchungen und konkrete Kon-zepte, sagt Pähle.

Die Fraktionsvorsitzende kündigt an, bei künftigen Landtagsbeschlüssen besonders darauf zu achten, „was bei den Menschen in den Kommunen ankommt“. Die SPD-Fraktion will ihr Ziel einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge konsequent verfol-gen. „Gleich nach der ersten Ankündigung haben wir viele Anrufe von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch aus der Kommu-nalpolitik bekommen, wann es denn los-geht. Das Thema brennt vielen Menschen auf den Nägeln. Ich bin mir sicher, dass sich in der Koalition die Einsicht durchsetzt, das hier Handlungsbedarf besteht“, sagt Pähle. Sie kündigt für November Fachgespräche der SPD-Fraktion zu den Themen Azubiti-cket und Straßenausbaubeiträge an. In den Haushaltsverhandlungen will sich die SPD dafür einsetzen, dass die Mittel für die Kom-munen gegenüber dem Regierungsentwurf noch einmal um 75 Millionen Euro aufge-stockt werden. Pähle: „Die Einnahmelage des Landes ist gut, davon müssen auch die Kommunen profitieren.“

In den nächsten Jahren stelle der Struktur-wandel im Braunkohlerevier eine der größ-ten Herausforderungen dar, unterstreicht Pähle: „Alle wissen, dass für die Zeit nach dem Ende der Kohleverstromung Alter-

nativen für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung geschaffen werden müssen. Und aus unserer Sicht heißt das auch für die Zukunft: für eine industrielle Entwick-lung.“ Der Strukturwandel sei eine Quer-schnittsaufgabe für fast alle Politikberei-che, sagt Pähle. „Und er ist eine nationale Aufgabe.“

„Mit dem neuen KiFöG sind wir auf der Ziel-geraden“, erklärt Petra Grimm-Benne, die Ministerin für Arbeit, Soziales und Inte-gration. „Nach der Anhörung der Verbände und Kommunen können wir jetzt die Bera-tungen in den Ausschüssen des Landtages fortsetzen und das Gesetz im November verabschieden. Das gewährleistet ein In-krafttreten zum 1. Januar 2019.“

Wichtig für die Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt ist auch ein weiteres Vorhaben, das Grimm-Benne ankündigt: „Nach der Ab-schaffung des Schulgelds für Pflegeberufe muss dieser Weg weiter gegangen werden. Völlige Schulgeldfreiheit für die Berufe im Gesundheits- und Sozialbereich ist unser Ziel, dazu gehört insbesondere auch eine kostenlose Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher. Wenn wir eine hohe Qualität in der frühkindlichen Bildung wollen, brauchen wir gut ausgebildete Fachkräfte. Um genügend Nachwuchs zu gewinnen, müssen Ausbil-dung und Beruf attraktiver werden.“ Dafür brauche es Alternativen wie eine duale Aus-bildung und gute Möglichkeiten zum Quer-einstieg in den Beruf.

„Schulgeldfreiheit ist in diesem Kontext ein zentrales Ziel“, sagt Grimm-Benne. „Was für den Bereich der Altenpflege und im Bundesmodellprojekt Quereinstieg schon erreicht wurde, muss für alle Gesundheits- und Sozialberufe flächendeckend möglich gemacht werden. Das Schulgeld muss deshalb bundesweit abgeschafft werden – und wenn das kurzfristig nicht möglich ist, müssen wir einen Weg suchen, um dieses Ziel zumindest für Sachsen-Anhalt zu er-reichen.“

Zur künftigen Integrationspolitik sagt Grimm-Benne: „Integration ist keine Eintagsfliege. Wir werden den Fokus weiter auf Teilhabe an Bildung und Teilhabe am Arbeitsmarkt legen – die ersten Erfolge geben uns recht.“

Eine der größten Herausforderungen in der Wirtschaftspolitik werde in den kommen-den Jahren der wachsende Fachkräfteman-gel sein, sagt Armin Willingmann, Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisie-rung. „Wir müssen dem Fachkräftebedarf noch konsequenter begegnen, weil er schon jetzt bremsende Wirkung auf das Wachs-tum unserer Wirtschaft entfaltet“, betont Willingmann. „Auf Bundesebene werden wir Druck machen, damit das Fachkräftezu-wanderungsgesetz so schnell wie möglich verabschiedet wird. Gleichzeitig ist aber auch unsere Wirtschaft gefordert: Sie muss auch älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mern, Geringqualifizierten und jenen, die länger arbeitslos waren, eine Chance geben. Darüber hinaus wird es weiter um die At-traktivität von Arbeitsplätzen gehen. Noch immer gibt es auch bei uns einzelne Unter-nehmen, die meinen, Niedriglöhne bezahlen zu können. Wer eine solche Personalpolitik macht, muss sich über Fachkräfteengpässe nicht wundern.“

Willingmann kündigt an: „Im Rahmen der Novelle des Vergabegesetzes werden wir einen vergabespezifischen Mindestlohn vorschlagen. In vielen Ländern, darunter Ber-lin und Brandenburg, gibt es bereits einen vergabespezifischen Landesmindestlohn in Höhe von neun Euro die Stunde. Er kann dazu beitragen, dass sich Unternehmen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge bei Personalkosten nicht unterbieten müssen, und er ermöglicht es Unternehmen, ihren Beschäftigten bessere Arbeitsbedingungen zu bieten.“

Bis zum Ende der Legislaturperiode werde es außerdem darum gehen, den Bürokra-tieabbau weiter voranzutreiben und dem Gründungsgeschehen im Land zusätzlichen Schwung zu verleihen. „Ein zentraler Be-standteil wird hierbei das neue Hochschulge-setz, das es künftig Hochschulen und Wissen-schaftlern erleichtern wird, Unternehmen zu gründen oder sich an diesen zu beteiligen“, so Willingmann. Noch in diesem Jahr werde das Gesetz in den Landtag eingebracht.

Auch die in der Digitalen Agenda beschrie-benen Maßnahmen werden konsequent umgesetzt – von der Förderung digitaler Geschäftsmodelle bis hin zum Breitbandaus-bau. Hierzu betont Willingmann: „Um den Gigabitausbau bis 2025 zu stemmen, ist auch der Bund gefragt. Entsprechende finanzielle Zusagen wie auch die Reduktion von Verwal-tungsaufwand ist er jedoch bislang schuldig geblieben. Ich hoffe, dass sich die Bundesre-gierung hier auch in finanzieller Hinsicht noch mal bekennen wird, weil das Land allein den Ausbau finanziell nicht stemmen kann.“

SPD für Sachsen-Anhalt 09-10/2018II

SPD geht mit ehrgeizigen Vorhaben in die zweite „Kenia“-Halbzeit

„Wir setzen voll auf die A-Note“

Die wichtigsten Vorhaben der SPD für die zweite Hälfte der Legislaturperiode in Sachsen-Anhalt:

Verabschiedung und Umsetzung des neuen KiFöGSchulgeldfreiheit für die Berufe im Gesundheits- und Sozialwesenein Azubiticket, das junge Leute entlastet und Berufsausbildung attraktiver macht

ein neues Vergabegesetz mit einem vergabespezifischen LandesmindestlohnFörderung von Unternehmensgründungen durch das neue Hochschulgesetzkonsequente Umsetzung der Digitalen Agenda

die Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen75 Millionen Euro mehr für die Kommunen im nächsten Jahralle Kraft für einen tragfähigen Strukturwandel in der Braunkohleregion

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SPD für Sachsen-Anhalt09-10/2018 III

Die SPD Sachsen-Anhalt trauert um ihr Vorstands-mitglied, die AfA Sachsen-Anhalt um ihren stellver-tretenden Landesvorsitzenden. Ein sehr persönlicher Nachruf auf Andreas Kirchhoff.

Wer Andreas aus Barby an der Elbe kannte, dem blie-ben nur zwei Möglichkeiten. Entweder man suchte seine Nähe und Freundschaft, oder man vermied ihn und hatte Angst vor ihm. Denn Andreas war das, was

nur wenige von uns noch kennen: direkt, und er trug sein Herz auf der Zunge. Nicht nur seine Jugendge-schichten faszinierten: wie er als 16-jähriger mit dem Moped über die Brücke von Barby fuhr und beide Blinker abbrach, wie er zu DDR-Zeiten bei der Bereit-schaftspolizei mit „Hausschlachte“ die Truppenver-sorgung zur Aufbesserung seines Taschengeldes or-ganisierte, wie er nach der Wende mit den Kumpels nackt in Rom im Trevi-Brunnen badete oder wie er mit dem Motorrad durch die Gegend düste. Nein – er hatte ein bewegtes Leben als Gewerkschafter, Be-triebsratsvorsitzender und Sozialdemokrat.

Der Vater von Andreas ist noch einer der wenigen lebenden Widerständler des Aufstands vom 17. Juni 1953. Andreas selbst ist mit seinem Einsatz als Be-triebsratsvorsitzender von Doppstadt Calbe in den Schlagzeilen geraten, als ihn die Geschäftsführung durch Schlägertruppen krankenhausreif zusammen-schlagen ließ. Knochenbrüche führten dazu, dass ihm sogar die Sprunggelenke mit Platten versteift werden mussten. Darum lief er so, wie er lief.

Warum suchten Menschen seine Nähe und Freund-schaft? Andreas konnte die uneingeschränkte Solida-rität leben, ohne Gegenleistung zu erwarten oder zu verlangen. Er stand jedem mit Rat und Tat zur Seite. Es war ihm eine Freude, benachteiligten oder unge-recht behandelten Menschen zu ihrem Recht zu ver-helfen. Er freute sich mit ihnen, wenn es dazu kam.

Er ärgerte sich mit ihnen, wenn es nicht dazu kam. Er kämpfte gemeinsam mit ihnen, als wäre es seine ei-gene Sache. Er spendete Trost und verlieh Kraft durch Vertrauen. Trotz seiner Barbyer Schnauze. Dennoch war es genau die, die ihn ausmachte. Nicht selten sagte er den Betroffenen: „Wenn du um etwas kämp-fen willst, dann musst du schon selber deinen Arsch hoch heben. Den trage ich nicht für dich. Aber ich zei-ge dir, wie du ihn hochkriegst.“

Warum vermieden Ihn einige und hatten Angst vor ihm? Weil er es sich erlaubte, seine Meinung zu sa-gen. Weil er unverblümt das ansprach, was ihm miss-fiel und er als Unrecht erkannte. Er war ein Mediator, allerdings ließ er kein Missverständnis über seine Position aufkommen. Sein Lieblingsspruch: „Wer sich mit mir anlegt, muss damit rechnen, dass ich kämp-fe. Ich kann nicht anders. Zum Weglaufen bin ich zu fett.“

In der Gemeinschaft fand er die Brüderlichkeit, die er als Einzelkind nie hatte. Er war allein, jedoch nie einsam. Trotz allem kümmerte er sich intensiv um seine beiden Eltern, die im hohen Alter nun auf sich gestellt sind. Er zog es vor, sich eher um ihr Wohl zu kümmern als um seine eigene Gesundheit und sein eigenes Wohlergehen.

Seluan Al-Chakmakchi

Nachruf auf Andreas Kirchhoff: Ein Sozialdemokrat, wie wir ihn gerne hatten

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Am 23. August 2018 traf sich der Fachaus-schuss Wirtschaft in Köthen zum Thema „Herausforderungen der Energiepolitik für Sachsen-Anhalt“. Gastgeber der Veranstal-tung war die Köthen Energie. Als Gäste konnte der Fachausschussvorsit-zende Steffen Schüller den Geschäftsführer der Köthen Energie, Falk Hawig, und den Präsidenten der Hochschule Anhalt, Jörg Bagdahn, begrüßen.Insbesondere wurden folgende Fragestel-lungen erörtert: Wohin gehen die Ener-giepreise mit steigendem Anteil erneuer-barer Energien? Kann Energie zukünftig sozialverträglich vermarktet werden? Und: Ist Elektromobilität der Weisheit letzter Schluss?Mit Blick auf den bereits erreichten Aus-baustand bei den erneuerbaren Energien in Sachsen-Anhalt, den Jörg Bagdhan bereits bei etwa 60 % Anteil am Stromverbrauch sieht, diskutierten die Gäste auf dem Podi-

um und im Publikum intensiv miteinander verschiedenste Szenarien. So wurde von Falk Hawig das Beispiel eines regionalen Ener-giekonzeptes mit kommunalen Partnern unter dem Motto „Energie aus der Region für die Region“ beispielhaft erläutert, die einen umfangreichen Netzausbau für den Energietransport von Norddeutschland in den Süden zumindest in Frage stellt. Erzeu-gung und Verbrauch mit Hilfe intelligenter Speichersysteme (Power to gas oder Batte-riespeicherkonzepte) regional in Einklang zu bringen, war sein Plädoyer. Das Motto „Energie aus der Region für die Region“ soll-te auch für die Landesregierung Sachsen-Anhalt zum Leitspruch werden.Jörg Bagdahn erläuterte ausführlich den aktuellen Stand der Photovoltaik-For-schung und den Anteil, den die Hochschule Anhalt mit ihren Forschungsergebnissen und mittlerweile allein drei Professuren auf diesem Gebiet einnimmt.

In der Folge wurden weitere energiespezi-fische Themen diskutiert, wie die Umstel-lung der Mobilität auf Basis erneuerbare Energien. Nicht nur in Richtung Elektromo-bilität denken, sondern auch in Richtung gasförmiger Energien, also auch in Rich-tung Biomethan oder Flüssiggas – das war einhellige Meinung der Gäste. Insbeson-dere für längere Fahrstrecken sowie den Schwerlastverkehr sei das Elektroladenetz noch nicht in dem Maße ausgebaut wie erforderlich.Insgesamt war es ein spannender Dis-kussionsabend mit vielen Wortbeiträgen sowohl der Gastredner als auch aus dem Publikum. Mit einem von Köthen Energie angerichteten Buffet klang der Abend aus. Die SPD Sachsen-Anhalt hat sich einmal mehr als gefragter und fachlich kompeten-ter Gesprächspartner für die Wirtschaft, hier zu Energiethemen des Landes Sach-sen-Anhalt, bewährt.

„Druck der Straße“ habe „die Regierungs-koalition“ im Falle des verstorbenen Kö-theners „zu angemessenen Maßnahmen“ bewegt. Dieser Satz ist eine Katastrophe. Denn es wäre das Ende unseres Rechtssys-tems – und ich möchte extra für Sie hin-zufügen: das Ende deutscher Rechtstradi-tion –, wenn „die Straße“ das Handeln der Justizbehörden bestimmen würde. Und es ist eine bewusste Täuschung der Bür-gerinnen und Bürger, wenn Sie mit dieser Formulierung den Eindruck erwecken, das Handeln der Behörden werde „durch die Regierungskoalition“ – also politisch – ge-leitet.

Das ist nicht wahr, und das wissen Sie.

„Sie missachten die Gewaltenteilung.“

Drittens: Sie missachten die Gewalten-teilung. Denn schon mit Ihren bisherigen Anträgen hier im Plenum und im Rechts-

ausschuss haben Sie versucht zu erreichen, dass der Landtag quasi durch politischen Be-schluss Ihre Schuldthese übernimmt.

„Sie schwächen gezielt die Strafverfolgungsbehörden, ...“

Und viertens: Sie schwächen gezielt die Strafverfolgungsbehörden, indem Sie zum Beispiel auf dem schon erwähnten Flug-blatt behaupten, die Staatsanwaltschaft „blende“ die Öffentlichkeit, und der Gene-ralstaatsanwalt „täusche“ den Rechtsaus-schuss mit falschen Informationen.

Das ist kein Einzelfall, das hat Methode.

Wenn es denn wenigstens tatsächlich die Empörung über die Folgen einer Gewalttat wäre, die die AfD zu solchen Äußerungen treibt, dann könnte man das ja möglicher-weise noch als Überreaktion abtun. Aber diese Empörung spreche ich Ihnen ab.

Wenn es Ihnen nur darum ginge, Ihre Wut darüber zu äußern, dass jemand mit Gewalt aus unserer Mitte gerissen wird: Wo war diese Empörung, als Yangjie Li vergewaltigt, über Stunden gequält und ermordet wur-de? Wo waren die Trauermärsche der AfD? Wo sind Ihre empörten Aktionen, wenn Deutsche von Deutschen getötet werden? Ich kenne keine.

Und deshalb setzen Sie sich unweigerlich dem Verdacht aus, dass Ihre scheinbare Trauer nur in ausgesuchten Fällen zum Aus-druck kommt, wenn Sie nämlich meinen, ei-nen Täter präsentieren zu können, der Ihren politischen und völkischen Vorstellungen entspricht.

Und weil das so ist, deshalb war auch die gestrige Distanzierung Ihres Abgeordneten Farle von „Thügida“-Chef Köckert so faden-scheinig: Wer so redet und handelt wie Sie, der versucht den angeblichen „Rassenkrieg“ ebenso herbeizureden wie der Neonazi Kö-ckert.

Unser Rechtsstaat braucht keinen „Druck der Straße“ und keine selbsternannten Ankläger im Parlament. Der Rechtsstaat braucht gut ausgebildete Polizistinnen und Polizisten, fähige Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und kluge Richterinnen und Richter.

Und es gibt noch etwas, was der Rechtsstaat braucht, sonst funktioniert er nicht. Ich neh-me an, meine Damen und Herren auf der rechten Seite des Hauses, Sie kennen das Wort, aber ich fürchte, Sie wissen nicht, was es bedeutet: Der Rechtsstaat braucht Respekt.

SPD für Sachsen-Anhalt 09-10/2018IV

Fachausschuss Wirtschaft berät Energiepolitik

Holger Hövelmann im Landtag von Sachsen-Anhalt:

„Die AfD tritt alles mit Füßen, was einen Rechtsstaat ausmacht. Und das kann man belegen“

ImpressumViSdP: Friederike RöslerRedaktion: Martin Krems-MöbbeckGestaltung: Jörn RößlerBeiträge an:[email protected]:SPD Sachsen-AnhaltRedaktion WiSA/VorwärtsBürgelstraße 1, 391054 Magdeburg

Foto auf S. IV: SPD-Landtagsfraktion

Das gibt es im Landtag von Sachsen-Anhalt nicht (mehr) oft: Es war totenstill im Saal, als Holger Hövelmann sich das Rechtsstaatsverständnis der AfD vor-knöpfte. Die hatte eigentlich die Debatte beantragt, weil sie die Justiz als angeblich politisch gesteuert vorführen wollte – festgemacht am Umgang mit Todesfällen in Köthen und Wittenberg. Doch dazu kam sie nicht. Hövelmann sezierte die AfD-Propaganda, und es blieb nichts üb-rig. Mehr als 57.000 Menschen haben das Video der Rede auf Facebook angesehen. Hier die auch von den anderen demokra-tischen Parteien stark beachtete Rede im Wortlaut:

Es ist mir ein Rätsel, wie die sogenannte „Alternative für Deutschland“ meinen kann, sie sei eine „Rechtsstaatspartei“. Der Antrag für die heutige Aktuelle Debatte beweist – ich muss leider sagen: ein wei-teres Mal –, dass Sie alles mit Füßen tre-ten, was einen Rechtsstaat ausmacht. Ich will das auch belegen:

„Sie verachten die Unschuldsvermutung.“

Erstens: Sie verachten die Unschuldsver-mutung. Sie erklären in der Begründung Ihres Antrags jemanden zum „Haupt-verdächtigen“ im Fall Wittenberg. Und auf dem Flugblatt, mit dem Sie zu einer Demonstration am morgigen Samstag aufrufen, lassen Sie den „Verdacht“ gleich weg und erklären, „der Täter“ sei bekannt, aber auf freiem Fuß. Und sie schreiben, das Todesopfer sei „durch hemmungslose Schläge eines Syrers“ gestorben.

Dass eine Partei und ihre Fraktion im Landtag einen Menschen öffentlich für schuldig erklären, ohne Ermittlungen und Gerichtsverfahren abzuwarten – das ist ohne Beispiel in der Geschichte der Bun-desrepublik Deutschland.

„Sie wollen die Unabhängigkeit der Justiz brechen.“

Zweitens: Sie wollen die Unabhängig-keit der Justiz brechen. Denn Sie brüsten sich in der Begründung Ihres Antrags, der