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1 Astrid Wasmann Was heißt hier guter Unterricht in einer guten Schule? Ein Vergleich von Projektunterricht und lehrergelenktem Unterricht Zusammenfassung: Dieser Beitrag geht der Frage nach, welche Unterrichtsform eine hohe Lernqualität erreicht. Den Merkmalen guten Unterrichts folgend werden Projektunterricht und lehrergelenkter Unterricht vergleichend analysiert. In Projekten erwerben Schülerinnen und Schüler die Fähigkeit selbstgesteuert zu lernen. Projektunterricht ist geeignet für die Ausbildung von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen. Auf Schulebene hat er das Potenzial, Schulentwicklung voranzutreiben. Dazu müssen die Kollegen stärker kooperieren, Zeitstrukturen für Projektarbeit einplanen und gemeinsame Absprachen hinsichtlich eines Projektcurriculums treffen. Schlüsselworte: Projektunterricht, lehrergelenkter Unterricht, Unterrichtsqualität, Kompetenzorientierung, Projektcurriculum What Does it Mean a Good Learning and Teaching? A Comparison between Project –based Learning and Instructional Teaching Abstract: This paper asks which learning setting reaches a high quality of the learning process. Following characteristics of a good teaching and learning this paper compares the aspects of project-based learning and instructional learning. In projects pupils improve self-guided learning. Project-based learning fosters a competence orientation. On school level, it has the potential of moving school development forward. The success depends on how teachers collaborate, how they insert a timeline for project-based learning and whether they elaborate a project curriculum. Keywords: project-based learning, instruction, quality of teaching and learning, orientation to competence, curriculum of project competencies 1. Einführung In der Vergangenheit wurden Unterrichtsformen wie lehrergelenkter Unterricht und Projektunterricht nicht nur kontrovers diskutiert, sondern es wurde sich auch vehement und emotional für die eine oder andere Unterrichtsform eingesetzt. Was ist dran an der Behauptung, Projektunterricht sei der Königsweg oder Projekte bringen Spaß, aber man lerne nichts (Bastian & Gudjons, 1998a; Bauer, 2004; Frey, 2002). Oder lehrerzentrierter Unterricht sei nur auf die sogenannten „Mittelköpfe“ ausgerichtet. Im ersten Teil vergleicht dieser Beitrag die Qualität von Projektunterricht mit lehrergelenktem, indem er den empirisch begründeten Merkmalen guten Unterrichts von Helmke folgt (Helmke, 2003). Insbesondere wird die Wirksamkeit von Projektunterricht hinsichtlich der Kompetenzorientierung beleuchtet. Dann wir die Verankerung von Projektunterricht auf Schulebene diskutiert, um ein abschließendes Urteil zu fällen, ob mehr Projektunterricht zu einer besseren Schulqualität führt.

Was heißt hier guter Unterricht in einer guten Schule? Ein Vergleich von Projektunterricht und lehrergelenktem Unterricht What Does it Mean a Good Learning and Teaching? A Comparison

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Astrid Wasmann Was heißt hier guter Unterricht in einer guten Schule?

EinVergleichvonProjektunterrichtundlehrergelenktemUnterricht

Zusammenfassung: Dieser Beitrag geht der Frage nach, welche Unterrichtsform eine hohe Lernqualität erreicht. Den Merkmalen guten Unterrichts folgend werden Projektunterricht und lehrergelenkter Unterricht vergleichend analysiert. In Projekten erwerben Schülerinnen und Schüler die Fähigkeit selbstgesteuert zu lernen. Projektunterricht ist geeignet für die Ausbildung von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen. Auf Schulebene hat er das Potenzial, Schulentwicklung voranzutreiben. Dazu müssen die Kollegen stärker kooperieren, Zeitstrukturen für Projektarbeit einplanen und gemeinsame Absprachen hinsichtlich eines Projektcurriculums treffen. Schlüsselworte: Projektunterricht, lehrergelenkter Unterricht, Unterrichtsqualität, Kompetenzorientierung, Projektcurriculum

What Does it Mean a Good Learning and Teaching? A Comparison between Project –based Learning and Instructional Teaching Abstract: This paper asks which learning setting reaches a high quality of the learning process. Following characteristics of a good teaching and learning this paper compares the aspects of project-based learning and instructional learning. In projects pupils improve self-guided learning. Project-based learning fosters a competence orientation. On school level, it has the potential of moving school development forward. The success depends on how teachers collaborate, how they insert a timeline for project-based learning and whether they elaborate a project curriculum. Keywords: project-based learning, instruction, quality of teaching and learning, orientation to competence, curriculum of project competencies

1. Einführung In der Vergangenheit wurden Unterrichtsformen wie lehrergelenkter Unterricht und Projektunterricht nicht nur kontrovers diskutiert, sondern es wurde sich auch vehement und emotional für die eine oder andere Unterrichtsform eingesetzt. Was ist dran an der Behauptung, Projektunterricht sei der Königsweg oder Projekte bringen Spaß, aber man lerne nichts (Bastian & Gudjons, 1998a; Bauer, 2004; Frey, 2002). Oder lehrerzentrierter Unterricht sei nur auf die sogenannten „Mittelköpfe“ ausgerichtet. Im ersten Teil vergleicht dieser Beitrag die Qualität von Projektunterricht mit lehrergelenktem, indem er den empirisch begründeten Merkmalen guten Unterrichts von Helmke folgt (Helmke, 2003). Insbesondere wird die Wirksamkeit von Projektunterricht hinsichtlich der Kompetenzorientierung beleuchtet. Dann wir die Verankerung von Projektunterricht auf Schulebene diskutiert, um ein abschließendes Urteil zu fällen, ob mehr Projektunterricht zu einer besseren Schulqualität führt.

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2. Charakterisierung von Projektunterricht Projektunterricht definitorisch schwer eingrenzbar, da er in der Vergangenheit für unterschiedliche Zwecke verschieden ausgelegt wurde (Hänsel, 1999b). Im schulischen Kontext verstehe ich unter einem Projekt einen Unterrichtsabschnitt, in dem sich Lehrer und Schüler einem gemeinsam formulierten Problem oder Thema zuwenden, für dessen Bearbeitung einen Plan entwickeln, sich arbeitsteilig mit der Lösung beschäftigen, die Lösungsversuche allen Teilnehmern vermitteln und in einem gemeinsamen Produkt präsentieren (Wasmann-Frahm, 2008). Im Gegensatz zum Lehrgangsunterricht folgt Projektunterricht nicht einer systematisch aufbauenden Lernstruktur, sondern Inhalte werden themenzentriert so gelernt, wie sie in ihrer Struktur in der Wirklichkeit vorkommen, was häufig zur Überschreitung von Fächergrenzen führt. Es wird vornehmlich selbstgesteuert das gelernt, was für die Lösung eines realen Problems notwendig ist oder eine komplexe Handlung abbildet. Die Lernwege der Schülerinnen und Schüler verlaufen different. Ein Projekt wird nach einer gewissen Zeit abgeschlossen. Da jede Projektgruppe zu Beginn eines Projekts beschließt, was sie bearbeiten will und dazu einen Plan erstellt, hat jedes Projekt einen einmaligen Verlauf. Als Projektmethode wird eher der Ablauf eines Projekts aufgefasst (Frey, 2002). Im lehrergelenkten Unterricht hingegen entscheidet der Lehrer die Inhaltsauswahl, das methodische Vorgehen und die inhaltliche Tiefe, mit der ein Thema bearbeitet wird, allein und plant einen systematischen Aufbau des Lernstoffes. Auch die in diesem Unterricht eingesetzte Gruppenarbeit wird von ihm festgelegt.

3. Guter Unterricht, was ist das?

Will man eine hohe Lehr-, Lernqualität erreichen, müssen in beiden Fällen Kriterien guten Unterrichts beachtet werden. So schreibt Helmke:

„Wir wissen aus der Forschung wie aus der Schulpraxis, dass es brillianten und anregenden lehrerzentrierten Frontalunterricht ebenso gibt wie dilettantischen Gruppen- oder Projektunterricht – und vice versa.“ (Helmke, 2007)

Um die Unterrichtsqualität von Projektunterricht mit lehrergelenktem zu vergleichen, folge ich den bekannten empirisch begründeten Merkmalen guten Unterrichts basierend auf dem Angebots-Nutzungs-Modells zur Wirksamkeit von Unterricht (Helmke, 2003). Die folgende Analyse orientiert sich an Helmkes Kriterien.

3.1 Effiziente Klassenführung Die Klassenführung gilt als zentrale Voraussetzung für anspruchsvollen und erfolgreichen Unterricht (Helmke, 2003, S. 78). Eine effiziente Klassenführung reduziert Störungen auf ein Minimum und schafft Zeit zum eigentlichen Lernen. Dem Projektlernen wird häufig der Vorwurf gemacht, er liefe unorganisiert, ja chaotisch ab (siehe auch Bohl & Kucharz, 2010). Da viele Schülergruppen an unterschiedlichen Themen mit verschiedenen Methoden arbeiten, wirkt dieser Unterricht manchmal unstrukturierter als ein Unterricht, bei dem alle Schüler und Schülerinnen nebeneinander an Tischen sitzen und mehr oder weniger das Gleiche tun. In der Tat muss die Projekt-Lehrkraft dafür sorgen, dass das offene Arbeiten strukturiert geschieht. Bei Störungen muss gehandelt und an gemeinsam beschlossene Regeln erinnert werden. Im selbstbestimmten Lernen liegt bereits ein hohes Motivationspotenzial und damit eng verknüpft ein störungsfreies Lernen.

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3.2 Lernförderliches Unterrichtsklima Ein lernförderliches Klima wird unter anderem durch Schaffung von Phasen ohne Bewertung, durch gegenseitige Wertschätzung und auch Toleranz bei Langsamkeit der Schüler oder Schülerinnen erreicht. Projektunterricht ist ohne gegenseitigen Respekt nicht vorstellbar. In den Schülerteams muss respektvoll miteinander umgegangen und diskutiert werden, sonst funktioniert Gruppenarbeit nicht. Projektunterricht nimmt für sich in Anspruch, dass er das Lehrer-Schüler Verhältnis auf eine neue Basis der Gleichberechtigung hebt (Bastian & Gudjons, 1998b; Hänsel, 1999a). Insofern ist das Arbeitsklima per se entspannter, da natürlicher als im lehrerzentrierten Unterricht kommuniziert wird. Nur bei angenehmer Atmosphäre werden Schülerinnen und Schüler eigene Ideen entwickeln und diese umsetzen. Es finden auch private Gespräche statt, was in einem stark lehrergelenkten Ansatz als viel störender empfunden wird als im Projektunterricht. Harmonieren die Gruppen jedoch nicht, ist dies als Störung des Unterrichtsklimas zu werten, in dem Fall können die Gruppenmitglieder nicht effizient miteinander arbeiten. Insofern ist es wichtig, auf eine gute Gruppenzusammensetzung zu achten, gerade weil beim Projektlernen in längeren Gruppenarbeitsphasen gearbeitet wird als im lehrerzentrierten Unterricht. In letzterem legt der Lehrer vielleicht in einer Unterrichtsstunde Gruppenarbeit für 10 Minuten bis zu einer halben Stunde fest, während im Projektunterricht Gruppenarbeitsphasen über einen Zeitraum von drei Wochen stattfinden können. Während einer Projektwoche wird über mehrere Tage ganztägig in der Gruppe gearbeitet. 3.3 Motivierung Schülerinnen und Schüler können durch hohe Leistungsanforderungen, durch Interesse weckende Themen oder durch einen hohen Alltagsbezug der Themen motiviert werden. Das Engagement der Lehrkraft spielt auch immer eine Rolle. Einen Großteil der Projektlernzeit verbringen Schülergruppen im selbstbestimmten und von ihren Interessen geleiteten Lernen. Meine eigenen empirischen Untersuchungen zum Projektunterricht zeigen, dass die Lernenden gerade die Selbstbestimmung in höchstem Maße schätzen und je eigenständiger sie entscheiden und vorangehen dürfen, desto motivierter arbeiten sie (Wasmann-Frahm, 2008). Diese Erkenntnis wird gestützt durch die Theorie der drei ‚basic needs‘ Selbstbestimmung, Kompetenzerleben und soziale Eingebundenheit nach Deci & Ryan (1993). In gutem lehrerzentriertem Unterricht werden viele verschiedene Methoden zur Motivierung der Schülerinnen und Schüler von der Lehrkraft eingesetzt und explizit auf Methodenwechsel geachtet. Dabei spielt die Selbstbestimmung der Schülerinnen und Schüler kaum eine Rolle. 3.4 Klarheit und Strukturiertheit Dieses Merkmal bezieht sich auf die Strukturierung des Lernens durch die Ansprache der Lehrkraft. Verwendet sie eine Sprache, die die Schülerinnen und Schüler verstehen? Formuliert sie klare Ziele des Unterrichtsabschnitts und gibt strukturierende Hinweise und Zusammenfassungen des Lernstoffes? Das Postulat der Struktur und Klarheit wird im Projektunterricht erreicht, wenn die Lehrkraft die Phasen des Projekts von der Initiative bis zum Projektabschluss transparent macht, so dass alle Schülerinnen und Schüler zu jedem Zeitpunkt erkennen können, an welcher Stelle des Projektablaufs sie sich befinden.

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Aus Berichten über Projekte geht hervor, dass unbedingt auf Klarheit und Strukturiertheit geachtet werden sollte, sonst schaffen die wenig strukturiert arbeitenden Schülerinnen und Schüler es nicht die selbst gesetzten Projektziele zu erreichen, so von Carlowitz (2001). Das sind beispielsweise Kinder und Jugendliche mit ADHS oder mit Asperger-Syndrom. Andererseits wird die Lehrkraft in Bezug auf Klarheit der Sprache im Projektunterricht entlastet, denn es finden viele kommunikative Austauschprozesse direkt in den Gruppen statt. 3.5 Kompetenzorientierung Dieses Qualitätskriterium betrifft den umfassenden Erwerb fachlicher und überfachlicher Kompetenzen. Der Kompetenzbegriff umfasst immer sowohl Wissen als auch Können. Nach Weinert setzt sich eine Kompetenz aus kognitiven, motivationalen und handlungsmäßigen Anteilen zusammen (Weinert, 2001). Die enge Verknüpfung von Handeln und Wissen im Projektunterricht ermöglicht sowohl den Erwerb von Fachwissen als auch die Erweiterung methodischer Fähigkeiten sowie der Handlungskompetenz. Insofern ist Projektunterricht prädestiniert für den Erwerb fachlicher Kompetenzen, aber auch fächerübergreifender Kompetenzen wie Handlungskompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz (Wasmann-Frahm, 2009). Kommunikationskompetenz wird vor allem in den fachlichen Diskussionen der Schüler-Teams sowie den Präsentationen gefördert. In den vielen Gesprächen der Gruppenarbeit lernen Schülerinnen und Schüler sich so auszudrücken, dass die Mitschüler sie oder ihn verstehen. Ihr Redeanteil ist im Projektunterricht unvergleichlich höher als im lehrerzentrierten Unterricht. In vielen komplexen Projekten wird der Erwerb von Bewertungskompetenz systematisch unterstützt, da ein komplexes Thema wie beispielsweise Klimawandel, fairer Handel, die NS-Zeit oder Nahrungsmittelzusätze und Ähnliches aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird und Schülerinnen und Schüler einen Meinungsbildungsprozess durchlaufen, indem sie das Problem beziehungsweise Thema selbst bewerten (siehe auch Wasmann, 2014, p. 113ff). Die Projektlerndimensionen Selbstbestimmung, Kooperation und Interesse und Handlungsorientierung fördern die Entwicklung sowohl der Fachkompetenzen als auch der

Erarbeitungsphase

Projektinitiative

Teilthema 3

Teilthema 2

Teilthema 1

Abschluss Synthese/ Produkt/ Bewertung

Teilthema 4

Planungsphase

Abbildung 1: Ablaufschema eines Projektes

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fächerübergreifenden. Andererseits sind diese Kompetenzen notwendig, um selbstgesteuert Fachwissen und Kompetenzen aufzubauen (vgl. auch Wasmann-Frahm, 2009). Folgendes Schema verdeutlicht die Förderung von Kompetenzen durch Projektlernen:

Abbildung 2: Modell der Kompetenzentwicklung im Projektunterricht, Pfeil: Wirkrichtung

Die Grafik macht deutlich, dass fächerübergreifende Kompetenzen durch die erhöhte Selbstbestimmung und Selbständigkeit sowie die kooperativen Arbeitsweisen und handlungsorientierte Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand erworben werden. Von daher kann man schlussfolgern, dass die Kompetenzvermittlung in der Struktur von Projektunterricht angelegt ist. Handlungskompetenz als letztendliche Anwendung von Wissen im praktischen Leben ist mit Projektunterricht originär verknüpft, denn die handelnde Auseinandersetzung mit dem Lernobjekt herrscht im Projektunterricht vor. Zudem lässt sich ein Projekt selbst als eine komplexe Handlung auffassen (Wasmann-Frahm, 2008). 3.6 Schülerorientierung Schülerorientierung nimmt Schülerinnen und Schüler als Experten für ihr eigenes Lernen ernst und gibt sachbezogenes Feedback. Sie erhalten individuell angepasste fachliche und persönliche Unterstützung durch die Lehrkraft. Zudem ist eine gemeinsame Reflexion über das Lernen wünschenswert. Auch dieser Punkt ist in der Projektkonzeption verwurzelt. Eine ursprüngliche Projektidee, die stark von dem frühen Projektverfechter Kilpatrick vertreten wurde, besteht darin, Schüler ins Zentrum der Erziehungsdiskussion zu stellen (Kilpatrick, 1935). Im heutigen Kontext einer stärkeren Individualisierung des Lernens gewinnt der Fokus auf die Lernenden wieder an Bedeutung. Im Projektunterricht sollten Schülerinnen und Schüler individuell von der Projekt-Lehrkraft beraten und in ihrer Entwicklung begleitet werden (Bohl & Kucharz, 2010). Die Lehrkraft muss anders als im lehrergelenkten Unterricht ihr Augenmerk auf Beratung, Moderation und Scaffolding ausrichten. Nach meinen Beobachtungen besteht für viele Lehrer im Projektunterricht die große Schwierigkeit darin, dass sie sich nicht von der Lehrersteuerung auf Moderationstechniken umstellen, zu routiniert nehmen sie ihre Führungsrolle als Lehrer mit in den Projektunterricht.

Projektlerndimensionen

Handlungsorientierung

Selbstbestimmung

Kooperatives Lernen

Interesse Fächerübergreifende Kompetenzen Selbstkompetenz Sozialkompetenz Handlungskompetenz

Fachkompetenzen Fachwissen Methodenkompetenz Kommunikationskompetenz Bewertungskompetenz

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3.7 Förderung aktiven, selbstständigen Lernens Die Ausprägung dieses Qualitätsmerkmals lässt sich daran ablesen, ob die Lehrkraft es schafft, statt engführender Lenkung Freiräume zu selbständigem Lernen zu schaffen. Im Projektunterricht steht die für die aktive Lernzeit gewünschte Eigenverantwortung der Schüler und Schülerinnen für ihr Lernen in dem Vordergrund. Die aktive Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand findet in der Erarbeitungs- und Präsentationsphase des Projektunterrichts statt. Von daher ist die aktive Lernzeit im Projektunterricht per se besonders hoch. Im lehrergelenkten Unterricht ist der Redeanteil von Lehrern immer höher, allein schon, weil sie jede Stunde aufs Neue in die Organisation der Stunde einführen, während die aktive Schülerarbeit sich im Projektlernen über Stunden, Tage oder Wochen hinziehen kann. Auch die Selbstbestimmung hat einen hohen Stellenwert, denn Projekte basieren auf Partizipation der Schüler von Anfang an. Schüler und Lehrer legen gemeinsam das Ziel ihres Projektes fest. Die Zielstellung von Projektunterricht, Schülerinnen und Schüler demokratiefähig zu machen und mehr demokratische Strukturen in die Schule zu bringen, basiert auf hoher Partizipation (Bastian, Gudjons, Schnack, & Speth, 2004; Dewey, 1916, Nachdruck 2000; Jung, 2005). 3.8 Variation von Methoden und Sozialformen Ein weiteres Kennzeichen guten Unterrichts besteht darin, Unterrichts- und Sozialformen in angemessener Weise zu variieren. Weder methodische Monokultur noch unangebrachte Variation wirken sich günstig auf erfolgreiches Lernen aus. Methodenvielfalt im Projektunterricht bedeutet einen adäquaten Lernzugang für ein neues Lernobjekt zu finden. Das kann ein Hörerlebnis sein, aber ebenso Fühlen, Riechen oder Betrachten. Wenn ein Experiment angemessen erscheint, um etwas zu verstehen, wird ein solches aufgebaut, aber nur dann. Methoden werden im Projektunterricht nicht danach ausgewählt, dass möglichst ein Methodenwechsel stattfindet, sondern nur danach, ob die Methode die größte Passung für den Erwerb eines Lernstoffes aufweist (Dewey, 1938). Methodenwahl hat hier einen grundlegend anderen Begründungszusammenhang als im lehrerzentrierten Unterricht (Wasmann, 2014). Während im Projektunterricht Methode und Objekt wie in ihrer ursprünglichen Verknüpfung zusammengeführt werden, ist im lehrerzentrierten Unterricht die Wahl der Methode und der Sozialform eine didaktische Entscheidung (Meyer, 2001). 3.9 Konsolidierung, Sicherung, intelligentes Üben Explizites Üben ist eher im lehrerzentrierten Unterricht anzusiedeln als im Projektunterricht. Auch Lernstrategien gehören dazu, damit diese als ‚basic skills‘ bei späteren anspruchsvollen Aufgaben zur Verfügung stehen. Im Projektunterricht finden keine wiederholenden Übungen im klassischen Sinn statt. Stattdessen werden Methodenwerkzeuge und metakognitive Strategien eingeübt. Projektunterricht ist eher auf die Lösung anspruchsvoller Probleme ausgerichtet, wobei Lernstrategien durch die eigenständige Informationsverarbeitung, die Durchführung der Erkenntnismethoden und den kommunikativen Austausch gefestigt werden. 3.10 Passung Als letztes Kriterium für guten Unterricht führt Helmke (2003) die Passung von angemessenem Schwierigkeitsgrad und Unterrichtstempos an. Dabei geht es um den

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sensiblen Umgang mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen wie sozialer und kultureller Hintergrund, Fähigkeitsniveau, Migrationshintergrund und Geschlecht. Im Projektunterricht ist eine hohe Passung von Lernstoff und Lerngruppe auf Grund der interessengeleiteten Wahl der Themen, der selbst gewählten Lernwege und der unterschiedlich verlaufenden Diskussionen und gegenseitigen Erklärungen in den Schülerteams bereits angelegt. Die Schülerteams können nur von ihrem eigenen Vorwissen ausgehend selbst den nächsten Schritt der Erarbeitung gehen. In dieser Vorgehensweise liegt automatisch eine individuelle Passung von Anforderung und Lernschritt. 4. Integration von Projekten auf Schulebene Was muss geschehen, damit eine Schule aus der pädagogischen Ausgestaltung von Projekten hinsichtlich ihrer Schulqualität profitiert? Wichtig ist, dass ein Projektkonzept für die Schule erarbeitet und fest im Schulprogramm verankert wird. In diesem Kontext sind die Projektwochen am Ende eines Schuljahres, nachdem die Zeugniskonferenzen stattgefunden haben, weniger empfehlenswert. Sie geben das Signal, man hole den Spaß nach, der im laufenden Schuljahr vielleicht gefehlt habe oder gehe schon vorzeitig in den ‚inneren‘ Urlaub oder gleich in den echten. Schon in den 90iger Jahren des letzten Jahrhunderts fiel auf, dass die Grundidee des Projektlernens so stark verwässert wird (Bastian & Gudjons, 1998b). Wertvoller sind da Projekttage oder Projektwochen im Laufe des Schuljahres, eingebunden in die curricularen Vorgaben. Man findet derzeit eine Vielzahl unterschiedlicher Projektentwürfe an Schulen. So macht man sich in der Steuerungsgruppe einer Schule Gedanken darüber, welche Kompetenzen in welchen Klassenstufen durch Projektunterricht speziell gefördert werden sollen. So werden in Klasse 5/6 die kooperativen Kompetenzen im Vordergrund stehen, in Klassenstufe 7 wird Modellkompetenz in den Fokus genommen und in der Klassenstufe 9 etwa ein Projekt fächerübergreifend strukturiert. Man kann Projekttage auch nutzen, um die metakognitiven Fähigkeiten für eigenständiges, selbstgesteuertes Lernen zu schulen. Hierfür ist Projektarbeit geradezu prädestiniert (Wasmann, 2014). Diese von verschiedenen Schulen umgesetzten Ideen zeigen einen methodischen Projektansatz (siehe Klaus-Groth Schule1, Elsa-Brandström-Schule2 und andere). Andere schulinterne Gremien legen die curricularen Inhalte der Projektwochen fest. Führt das Fach Weltkunde beispielsweise in einer bestimmten Zeitschiene ein Projekt zum Thema Europa durch, wird ein Teil des weltkundlichen Curriculums zeitlich abgedeckt. Dafür erhält der Englischunterricht in der darauffolgenden Klassenstufe die Möglichkeit eine Projetarbeit durchzuführen. In den neunten Klassen dann ist das Thema NS-Zeit vorgesehen mit den Möglichkeiten eines handlungsorientierten Ansatzes mit Zeitzeugen, Fahrten in ein Konzentrationslager oder etwa der Auseinandersetzung mit Stolpersteinen durchzuführen. Andere Schulen legen Themen wie Atmung und Blutkreislauf für die sechsten Klassen fest. In solchen Projektwochen und für deren Vorbereitung muss auf Schulebene mehr miteinander kommuniziert werden als beim herkömmlichen lehrerzentrierten Unterricht. Dieser Umstand trägt zu einer weiteren Lehrerprofessionalisierung bei, denn für die Durchführung zeitgleicher Projekte an der ganzen Schule müssen die Lehrkräfte sich austauschen und ihr Methodenrepertoire erweitern.

1 http://www.kgs-tornesch.de 2 http://www.ebs-elmshorn.de

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Manche Schulen nennen solche Lehr-Lernzeit Vorhabenwochen. Der auf die Arbeitsschulen zurück gehende Begriff Vorhaben bedeutet handlungsbasiertes Vorgehen ähnlich dem Projekt, jedoch ohne eine explizite Partizipation der Schülerinnen und Schüler von der Vorbereitung an (vgl.Pütt, 1978). Wenn man die Projekt-Festlegungen einzelner Schulen betrachtet, gewinnt man den Eindruck, dass es sich eher um Vorhaben als um Projekte handelt. Das Lernen der Sechstklässler über Atmung und Blutkreislauf beispielsweise findet eher als Stationsarbeit oder als Freiarbeit denn als Projektarbeit statt, da es viele enge Vorgaben für die Schülerinnen und Schüler gibt. Die Lernenden werden nicht in die Planung einbezogen und können keinen eigenen Schwerpunkt setzen. Selbstgesteuertes Lernen erreicht aber in der Projektarbeit eine höhere Ausprägung (Bauer, 2004; Bohl & Kucharz, 2010). Auch Traub gibt zu bedenken, dass viele Projekte, die als solche deklariert sind, nicht den theoretischen Anforderungen einer Projektkonzeption mit Selbststeuerungs- und Partizipationsdimension entsprechen (Traub, 2012). Andere Schulen öffnen ihre Unterrichtsstruktur hin zu mehr Projektarbeit, indem regelmäßige Projektarbeit für jeden Schüler einmal pro Woche fest verankert ist. Auch hier gibt es ganz unterschiedliche Festlegungen der einzelnen Schulen. Die einen beginnen vorsichtig mit einer Stunde individueller Projektarbeit pro Woche. Schülerinnen und Schüler sind aufgefordert, über ein Schuljahr hinweg ein eigenständiges Projektthema durchzuführen. Andere Schulen ermöglichen drei Stunden pro Woche und wieder andere teilen die Lernzeit in einen Tag eigenständigen Lernens und vier Tage lehrergelenkten Unterrichts auf (siehe auch Kap. 16 in Wasmann, 2014). Diese Schulen haben für sich erkannt, dass die Unterrichtsausprägungen von Projektlernen und lehrergelenktem Unterricht jeweils Vorteile für unterschiedliche Lernbereiche bieten. Während Projektunterricht Metakognitionen in selbstbestimmtem und selbstgesteuertem Lernen fördert und Kompetenzerwerb ermöglicht, führt lehrerzentrierter Unterricht schneller zu handfesten Ergebnissen in auswendig lernbaren Wissenselementen, beispielsweise Vokabeln. Erfolgreiche gute Schulen wie die, die mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet sind, weisen einen hohen Anteil selbstgesteuerter Lehr-, Lernformen auf und sind in der Lernentwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler anderen Schulen weit voraus (Beispiel: Max-Brauer Schule in Hamburg3). Insgesamt gesehen halte ich die Erstellung eines schulinternen Projektcurriculums hinsichtlich Schulentwicklung für sehr bedeutsam, denn Projektunterricht funktioniert nicht von selbst. Fähigkeiten, die für das Projektlernen wichtig sind wie Kooperation, selbstständiges und selbstbestimmtes Lernen, müssen in festgelegter Folge aufgebaut werden. Auf der anderen Seite kann Projektunterricht zur Vermittlung dieser Kompetenzen schulisch genutzt werden. 5. Zusammenfassung und Ausblick Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass guter Unterricht nicht von der Methode abhängt, sondern von der Lehrerprofessionalität. Entlang der 10 Merkmale guten Unterrichts konnte ich zeigen, dass beide Ausprägungen von Unterricht – Projekte wie auch Instruktion – ihre Tücken haben und die Qualität davon abhängt, wie gut ein Lehrer die jeweilige Unterrichtsform beherrscht. Bei empirischen Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Effizienz des Projektunterrichts stärker von der Lehrperson als von der Methode vorhersagbar ist (Bieberbach, 2000). Dieses Ergebnis stimmt mit den Metastudien von Hattie 3 http://www.maxbrauerschule.de

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überein, nach denen ein kaum messbarer Effekt (Effektstärke: d = 0,01) bezüglich Lerneffekte bei Schülern auf Grund offener oder gelenkter Unterrichtsformen zu finden war (Hattie, 2009, p. 88f). Ich gebe zu bedenken, dass die Metaanalysen von Hattie sich auf Studien aus Anfang der 1980er Jahren beziehen und Schulen heute die curriculare Einbindung von Projektunterricht systematisch erarbeiten. Außerdem ist Projektunterricht eine sehr anspruchsvolle Unterrichtsform sowohl auf Lehrer- als auch auf Schülerseite. Der Projektidee in allen Aspekten – Kooperation, Selbststeuerung, Partizipation, Handlungsorientierung, Multiperspektivität auf ein Thema, fächerübergreifende Aspekte des Themas, Ganzheitlichkeit des Themas und Bezug zur Wirklichkeit – gerecht zu werden, bedarf großer Anstrengungen. Lehrer professionalisieren von Projekt zu Projekt in ihrer Projektkompetenz. Hat eine Schule sich einmal entschlossen, Projekte pädagogisch sinnvoll in das Schulleben zu integrieren, entwickelt sich das Kollegium kollektiv weiter. Die Qualität der Schule profitiert davon. Gute Schulen wissen beide Unterrichtsausprägungen lehrerzentriertes Lernen und Projektunterricht zu nutzen und setzen diese nicht zufällig ein, sondern legen in ihren Schulprogrammen genau fest, in welcher Situation welche Methode zur Anwendung kommt. Literatur Bastian, J., & Gudjons, H. (1998a). Über die Projektwoche hinaus - Projektlernen im Fachunterricht. In

J. Bastian & H. Gudjons (Eds.), Das Projektbuch II (pp. 9-17). Bastian, J., & Gudjons, H. (Eds.). (1998b). Das Projektbuch II Über die Projektwoche hinaus -

Projektlernen im Fachunterricht (Vol. 14). Hamburg: Bergmann+Helbig. Bastian, J., Gudjons, H., Schnack, J., & Speth, M. (Eds.). (2004). Theorie des Projektunterrichts (2

ed.). Hamburg: Bergmann und Helbig. Bauer, R. (2004). Offene Arbeitsformen. Zeitschrift für Pädagogik, 1(4), 7–10. Bieberbach, M. (2000). Effizienz von Projektunterricht Empirische Untersuchungen über den

langfristigen Lernerfolg von Projektunterricht hinsichtlich Wissen, Interesse und Einstellung am Beispiel des Themas "Lebensraum Bach" in der 3. Jahrgangsstufe der Grundschule. Herdecke: GCA-Verlag.

Bohl, T., & Kucharz, D. (2010). Offener Unterricht heute. Weinheim: Beltz. Carlowitz von, B. (2001). Arbeitsschweirigkeiten beim Projektlernen - ein Problem der Jungen? Praxis

Schule 5-10, 12(6), 26-29. Deci, L.E., & Ryan, R.M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für

die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39(2), 223–238. Dewey, J. (Ed.). (1916, Nachdruck 2000). Demokratie und Erziehung Weinheim, Basel: Beltz

Taschenbuch. Dewey, J. (Ed.). (1938). Erziehung durch und für Erfahrung. Stuttgart: Klett-Cotta. Frey, K. (2002). Die Projektmethode (9 ed.). Weinheim: Beltz Hänsel, D. (1999b). Projektmethode und Projektunterricht. In D. Hänsel (Ed.), Projektunterricht Ein

praxisorientiertes Handbuch (pp. 54–93). Weinheim und Basel: Beltz Verlag. Hänsel, D. (Ed.). (1999a). Projektunterricht Ein praxisorientiertes Handbuch (2 ed.). Weinheim und

Basel: Beltz. Hattie, J. (2009). Visible Learning - A Synthesis of over 800 Meta-Analysis Relating to Achievment.

Abingdon: Routledge. Helmke, A. (2003). Unterrichtsqualität erfassen, bewerten, verbessern (Vol. 316). Seelze:

Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung. Helmke, A. (2007). Was wissen wir über guten Unterricht? wissenschaftliche Erkenntnisse zur

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Frau Dr. Astrid Wasmann Studienleiterin für Pädagogik in Schleswig-Holstein und Oberstudienrätin am Elsensee-Gymnasium. Von 2012-2014 Vertretungsprofessorin für Didaktik der Biologie an der Universität Vechta Forschungsschwerpunkte: Begabungsförderung und Projektunterricht