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Sonderdruck Neue Folge Band zo, zoog

Von der Ordnung der Mimik. Bedrohliche Leidenschaften in der antiken Bildkunst

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Sonderdruck

Neue Folge Band zo, zoog

Von der Ordnung der Mimik

B E D R O H L I C H E L E I D E N S C H A F T E N I N D E R Ä N T I K E N B I L D K U N S T

Von Caterina Maderna

>... nicht sind bei Verstand, die der Zorn ergrtffen,

brauchst du nur gerade ihr Verhalten zu betrachten; dennwie bei Rasenden sichere Änzeichen sind die tollktihne

und drohende Miene, die finstere Stirn, das grimmige Ge-sicht, der hastige Gang, die unruhigen Hände, die wech-

selnde Gesichtsfarbe, schnelles und heftiges Atmen, so gibtes bei Zürnenden dieselben Merkmale: es brennen, flak-

kern die Augen, starke Röte im ganzen Gesicht ..., dieLippen beben, die Zähne fletschen, werden zusammen-gepreßt, es sträuben sich und richten sich auf die Haare,der Atem gepreßt und pfeifend, der sich selber verdre-henden Gelenke Knacken, Stöhnen und Brüllen ... derBoden von den Füßen gestampft, der ganze Körper er-schüttert [...], scheußlich anzusehen und schrecklich dasAntlitz der sich selbst Entstellenden und Aufblahenden.Du wirst nicht wissen, ob es eher ein verabscheuungs-würdiger Charaktermangel ist, oder ein haßlicher. Die üb-rigen Leidenschaften kann man verstecken und imVerborgenen nähren: Zornbringt sich selber ans Lichtund zeichnet sich im Gesicht ab, undje größer er ist, destodeutlicher braust er auf.o

Mit diesen'Worten beschreibt Seneca in seiner SchriftrDe ira<1, auf den Maximen der älteren Stoa fußend, dieEmotion des Zornes als die womöglich zerstörerischsteKraft und gefihrlichste Entgleisung der menschlichenSeele. Eine Vorstellung, die sich, mit wechselnden ursäch-lichen Deutungen und Begründungen, vom ausgehenden8.Jahrhundert v.Chr. an bis in die Spätantike hinein alseine der unverbrüchlichsten Konstanten in den literari-schen wie philosophischen Schriftquellen der griechisch-römischen Antike ausmachen laßt. In diesem Sinn betonteauch Thukydides in seiner Abhandlung über den Pelo-ponnesischen Krieg, welcher die Gültigkeit nahezu sämt-licher sitthcher Werte und Normen der Polisgemein-schaften in Frage stellte, immer wiedeq daß es unüber-legte, schdumende'Wut war, die, bis hin zum blutdürstigenWahnsinn gesteigert, in den Parteifehden des Bürgerkriegs(srasrs) die Griechen erfaßte, so daß sie - eben nicht nurim Kampf gegen bedrohliche Fremdherrscher, sondernsogar im innergriechischen Konflikt gegen ihre eigenenLandsleute - die althergebrachten guten Gesetze des An-standes übertraten und mehr noch ihr zivilisiertes Wesen

als solches gänzhch abstreiften.2 >Der Tod zeigte sich da injederlei Gestalt [...], nichts, was es nicht gegeben hätte undnoch darüber hinaus. Erschlug doch der Vater den Sohn,manche wurden von den Altären weggezerrt oder dortselbst niedergeschlagen, einige auch eingemauert im Hei-ligtum des Dionysos, daß sie verhungerten [...] Und denbisher gültigen Gebrauch der Namen ftir die Dinge ver-tauschten sie nach ihrer'Willkrir; unbedachtes Lossttlrmengalt als Täpferkeit und gute Kameradschaft, aber vorden-kendes Zögern als aufgeschmückte Feigheit; Sittlichkeitals Deckmantel einer ängstlichen Natur, Klugsein beijedem Ding als Schiaffheit zu jeder Tät; tolle Hitzblti-tigkeit rechnete man nr Mannes Art, aber behutsames'Weiterberaten

nahm man als ein schönes 'Wort

zurVerbrämung der Abkehr [...].<3 Zurtickhaltung, Vernunftund sittliches Maß wurden gesprengt. UnkontrollierteEmotionen machten in diesem Bürgerkrieg die Griechenzu Wilden, deren Zügellosigkeit fur den Einzelnen wiefur die Gemeinschaft als Ganzes eine große, da nicht mehrberechenbare Gefahr darstellten. Auf Akzeptanz stieß nurder Krieg zwischen verschiedenen Gemeinwesen (pole-ruos), welcher das >rechte Maß< befolgte und die Beach-tung festgesetzter Regeln zur Bedingung machte: eineformvollendete Kriegserklärung ; die Ausftihrung vorge-schriebener Opfer; der Respekt vor heiligen Orten, Räu-men und liden; die Schonung bestimmter Personen(ewva Herolde, Bittsteller oder Pilger); die Wahrung der'Würde

der Toten und - bis zu einem gewissen Grad - derVerzicht auf willktirliche Grausamkeiten. Lin zügelios ent-fesselter, bestialischer Krieg galt hingegen als frevelndeÜberschreitung der Anstandsnormen (hybri), der Geboteder Gerechtigkeit, der allem immanenten guten Ordnung,welche die Menschen untereinander ebenso wie gegen-über den Göttern bewahren mußten.a

Die verderbliche stasis und der mit ihr einhergehendeGroll fr"ihrte selbst in der Götterwelt zu ljnrechtshand-lungen und hatte den ebenso grundlegenden wie zu-kunftsweisenden Konflikt mit Prometheus zur Folge.>Sobald die Götter angefangen mit dem Zorn,/undZwre-tracht unter ihnen hochgereckt ihr l{aopt,/ dre mit demZieI nt stoßen Kronos von dem Stuhl,,zdamit Zeus Herrsei nunmehr, jene wiederum./voll Eifers, daß Zeus nie

Herr wird' im Götterreich - /Dawar - trotz klügsten Rats- zu überzeugen die/Titanen, IJranos' Kinder und derMutter Erd,/ich nicht imstande; listigen'Wortes Kunstund Macht,/mißachtend, glaubten sie in ihrer Kraft Ge-frihl,,zsie würden mühlos, durch Gewalt, Herren desReichs.<s Die harte Intscheidung des Zeus, mit der er denMenschen in seinem Zorn das fur ihre Fortentwicklungnötige Feuer vorenthalten wollte - denn >nach'Willktirnur,/handhabt er das Recht< -, wurde abgewendet, da sieder kosmischen Ordnung, die eben auch dem Handelnder Götter Grenzen setzte, widersprach.6 VornehmlichAres, unsterbliche Verkorperung des Krieges, mißachtetim lodernden Zorn gelegentlich die Gebote seines mäch-tigen unsterblichen Vaters und kann nur mit Mühe vonder Vernunft Athenas gezügelt und zur Beherrschung ge-zwungen werden.T

Schon bei Homer war es analog die gefahrliche Emo-tion des alle Vernunft überwältigenden Zorns gewesen,welche den strahlendsten Helden der Griechen Achillohne das rasche Eingreifen Athenas zu dem schrecklichenFrevel verleitet hätte, im Streit seinen eigenen Bundesge-nossen, den mächtigen Fürsten Agamemnon, auf derStelle zu töten.8 Verstand und Leidenschaft, beide warenan der Intscheidung des Heros beteiligt; das Irrationaletrug in dieser Situation fast den Sieg über das Rationaledavon. Sein mächtiger göttlicher Feind, Apoll, nennt ihndenn auch tierisch, weil er - wild wie ein Löwe - gewalt-sam, schamlos und ohne Mitleid unter den Menschenwütet.e

Bemerkenswerterweise trifft man bereits in der Früh-zeit der griechischen Literarur folglich auf eine durchausdifferenzierte psychologische Vorstellung vom möglichenAntrieb zum Handeln - enrweder als unmittelbare Folgevon Überlegung und lrkenntnis oder als ebenso un-mittelbare Folge der Emotion.lo Der Heros ist sich der ver-hängnisvollen Macht des Zorns überdies durchaus be-wußt. Als er später den flehenden Bitten des Priamosnachkommt, ihm dessen gefallenen Sohn Hektor für einwürdevolles Begräbnis auszulösen, bewegt ihn die Furcht,der König könne beim Anblick des Leichnams selneSelbstbeherrschung verlieren und in Zorn geraten, wasdann wiederum seine eigenen leicht erregbaren Affektezum Ausbruch bringen würde.11 Das später so eindring-lich beschworene Gebot einer vernunftbestimmten Selbst-kontrolle scheint hier bereits auf. Seine Grenzen findet dasIrrationale in der allem immanenten göttlichen Ordnung,die sich bei Bedarf darin manifestieren kann, daß eineGottheit unversehens eingreift, den Handelnden zur Ein-sicht veranlaßt, oder, falls dies nicht möglich ist, eine inder Folge bevorstehende Katastrophe abwendet. Entspre-chend wurden die griechischen Kampfgefahrten des

blindwütigen Aias von der göttlichen Vernunft Athenasderart geschützt, daß sie den mächtigen, in seinem Zornvon der Ratio nicht mehr erreichbaren Krieger in geistigelJmnachtung versetzte, so daß er stellvertretend eingrausames Blutbad unter wehrlosen Schafen und derenHirten anrichtete. Iines der Tiere, das er für Odysseushielt, wollte er sogar zu Tode peitschen. Die ungeheureSchmach ließ ftir den Heros, nachdem er wieder bei Sin-nen war, nur den'Weg in den Selbstmord offen. In der auf-sehenerregenden literarischen Fassung der Sage, der wohlum die Mitte des 5.Jahrhunderts v. Chr. uraufgeführtenTiagödie des Sophokles, ist dem Helden das Licht nachder Tät zur Dunkelheit geworden. Da er seine Ehre ver-loren hat, leuchtet ihm nur noch die lJnterwelt hell. EinEdelgeborener muß ehrenvoll leben oder ehrenvoll ster-ben, denn nicht die Abstammung, sondern das Handelnund Denken sind entscheidend ftir den'Wert eines Man-nes.12 In der Vergebung, die ihm seine Kriegsgefdhrtennach langen, zum Teil ihrerseits hitzigen Debatten durchein ehrenvolles Begräbnis schließlich doch noch postllmzuteil werden lassen, manifestiert sich endgültig der >ein-sichtige< Sieg der kostbaren Vernunft, der sophrosyne, umdie immer wieder von neuem gerungen werden muß. An-ders verhielt es sich mit dem in den rBacchenr des Euripi-des bereits von Geburt an durch und durch frevelhaftenPentheus, welcher in der Tbagödie das eindringlich war-nende Beispiel eines Menschen gibt, der einen aus-schließlich bosen Willen besitzt, mit verbrecherischerLeidenschaft, rasendem Sinn, perverser Absicht und un-gerechtem Denken, das heißt mit einem grundsätzlich ir-rational gestörten Denkvermögen handelt.r3 Atrox, rebellus,improbus, nefas, horridus, impius,ferox sind lpitheta, die in derrömischen Literatur der rasenden'Wut denn auch stetsbeigeordnet werden. LJnterlag doch der von ihr Ergriffenezwangsläufig einer für andere unberechenbaren und furihn selbst unkontrollierbaren Gewaltbereitschaft, die Zer-

störung, Vernichtung, (Jmnachtung bis hin zum unwi-derruflichen

'Wahnsinn, das heißt die Aberkennung

sämtlicher Ordnungsstrukturen mit sich brachte.

'Wird bereits hier deutlich, daß man in der Antike vom lo-

dernd-mitreißenden, wilden, alle inneren wie äußeren

Strukturen vernichtendenZorn als einer gleichsam uni-

versellen, Freund und Feind, Götter wie Menschen grund-sätzlich gleichermaßen bedrohenden Kraft vielfiltig lesen

und hören konnte, so scheint es vor dieser Folie nunebenso überraschend wie erklärungsbedtirftig, daß mandie Macht seiner emotionalen Erschütterung im Gegen-satz dazu in einer nur sehr eingeschränkten

'W'eise bild-

lich zu sehen bekam. Das gestalterisch an sich durchauspräsente und im Lauf der Jahrhunderte formal zuneh-

r Karrtharos des l)uris rnit Darstellung der Gigaltonr:rchie, frühes5.Jh. v. Chr.Ilriisscl, Musdcs lloy:ux d'Art et cl'Histoire

mend vervollkommnete Potcntial cincr eindringlichcnVerbildlicirung sämtlicher heftiger Lmotioncn untcrlagtatsächlich offenbar generell, anders als dcren verbaleSchilderr"rngcn, von Anbeginn an gewissen restriktivenAr,rflagen, welche, als gleichsam ungeschriebene Gesetze,zu keiner Zeit übertreten wurden. Ein bcmcrkenswcrtcsPhänomcn, das neben den-r Zorn auch dcn r.ibermäßigenRausch, das überbordendc Lachen, die ungeztigelte Lust,ja sogar selbst dcn allzu heftigen Schmerz, das heißt imGrunde alle mitreißenden, übcrwältigcnden Leidenschaf-ten betraf.la

'Wendcn wir uns zunächst wieder der zweifellos ge-

ldhrlichsten Emotion von allen, dem Zom, zu, so sehenwir bei Göttern, Heroen, mythischen Frevlern und Mcn-schen in der antiken BildkLrnst zwar gleicherrnaßen Ge-sten und Handlungen, die wir, von der \Marte unsererheutigen Sehgcwohnhciten aus, zunächst durchaus als un-mittelbaren Ausdruck desscn emotionaler Macht zu in-terpretieren versucht sind. Mimisch begcgnen wir ihmsigniiikanterweise jedoch ausschließlich bei deryenigen Fi-guren, die ihrer Genese und ihrem'W'esen nach ohnehinweitgehend außerhalb allcr zivilisierten Gemeinschaftenvorgestellt wurden. Selbst wenn in gricchischen Kampf-bildern erstmals im späten 6.Jahrhundcrt v.Chr. eincmehrere Jahrzehnte lang andauernde, zunehmend drasti-sche Distanzicrung von Siegern und chancenlos Unterle-genen zu verzcichnen istr5 - eine bcwul3te pathetischeSteigen-rng sowohl der ausgeübten wie dcr erlittenen Ge-rn'ait, welche sich später, vor allem in hellenistischer Zeit,

in ihrer Grundtendenz dann noch steigert -, bleibt dieMimik sämtlicher Akteure der Darstellungen vom Ge-schehen dabei doch meist unberührt.

Im tsild cincs im frtihen 5.Jahrhundcrt v. Chr. geschaf-fenen Kantharos in Brüssel (Abb. r)16 stößt beispielsweiseHerakles im heftigen Amazonenkampf einer Kriegerinmit aller Macht sein Schwert in die Brust. Trotz der hefti-gen Aktion wcrden das Antlitz des Heros, das seines hin-tenüber zu Boden stürzendcn. sterbenden Oofers sowredas Gesicht einer weiteren Amazone, die ihrei Geführtinzu Hilfc cilt und ihren Schild vergeblich zum schutz übersie halt, von dcr Dramatik des Geschehens nicht erfaßt.Das gleiche gilt ftir die Verbildlichung einzelner lpisodenaus dem legendären Krieg r,rm Tioja, die ihren heutigenBetrachtern in der Drastik der geschilderten Handlungenüberaus grausam anmuten - etvva der Schleifung Hektorsund der Tötung des Tioilos durch Achill oder der Ermor-dung des greisen Tiojanerki;nigs Priamos sowie seines En-kels Asryanax durch dessen Sohn Neoptolemos.lT Aufeiner um 49o v. Chr. entstandenen Schale in Paris,18 welcheauf ihren beiden Außenseiten den Fall von Tioja schildert,kauert Priamos im Zentrum der Hauptszene breitbeinig,die Armc in hilflos abwehrender Todesangst weit ausge-streckt, auf einem Altar. Sein Mund ist leicht geöffnet unddie fein geschwungenen Brauen angehoben, sonst wirdsein schönlinig gefaßtes Antlitz von der emotionalen Er-schütterung seiner Verzweiflungjedoch nicht bewegt. Imnächsten Augcnblick wird er auf furchtbare

-Weise er-

schlagen wcrden, denn Neoptolemos, der Sohn des Achill,

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z Beißender Kentaur aus dem'Westgiebel des Zeustempelsvon Olympia. Olympia Museum

stärmt im Ausfallschritt auf ihn zu Ltnd schwingt einen rro-janischen Knaben, den er kopftiber am Knöchel gepackthat, ais tödliche'Waffe und weiteres hilfloses Gewaltopferzugleich. Die ruhige Miene des griechischen Aggressorsscheint der'Wucht und der unerhörten Grausamkeit sei-nes Angriffs ebenso kaum angemessen. Selbst der hilfloseKnabe, dessen langes, in senkrechten Strähnen nach untenfallendes Haar seine vollkommene Ausgeliefertheit durch-aus drastisch bewußt macht, zeigt ganzlrch entspannte Ge-sichtszüge. Der an sich furchterregenden Dramatik derHandlung ungeachtet spiegeln die meist gänzlich unbe-wegten Gesichter der Sieger und Täter in derartigen Sze-nen ebenso wenigZorn, Haß oder Kampfivut wider, wiedie der unterlegenen und Opfer Schmerz oder Verzweif-iung. Aliein die Posen und Gesten der Akteure erzählenvom tatsächlichen Schrecken der Handlung. Ihre Antlitzewirken, in umso stärkerem Gegensatz dazu, entspannt,wenn nicht sogar im eigentlichen'W'ortsinn gleichmütig.Ein Umstand, der allerdings nicht zuletzt auch darin grün-den mag, daß die hier dargestellten Geschehnisse inner-halb der erzählerischen Gesamthandlung für ihrenBetrachter an stets intellegible, externe (Jrsachen gebun-den blieben; das heißt, einem Zweck, einer zielgerichteten

Rationalität unterstellt waren. Man wußte, daß die Gewaltein Inde finden würde, wenn das Ziel, das sie verfolgte,erreicht war.

Ganz anders verhält es sich ewva bei den mythischenKentauren, die, sofern sie als anonyme Masse von Bestienund Monstern, als in der'W'ildnis des >Draußen< behei-matete Mischwesen auftreten, bereits ihrem Ursprungnach zu einem wesentlichen Anteil die bedrohliche'Wild-heit der animalischen Natur ais solche in meist gesuchtemKontrast zu den bürgerlichen Normen der zivilisiertenGemeinschaften von Göttern und Menschen verkörper-ten.le Spätestens seit dem ausgehenden 6.Jahrhundertv. Chr. drückte sich ihr blindwütiger Zorn nicht allein inder ihnen eigenen rohen, gänzlich unzivilisierten Kamp-fesweise, das heißt in einer mit ihrer Wut zwangsläufigverknüpften und mit ihr gleichsam symbiotisierten Ge-walt aus: Im physischen Konflikt gehen sie mit Asten,Knäppeln und Felsbrocken auf ihre Feinde los und weh-ren sich wie Tiere, indem sie den Gegnern nicht selten,wie erwa im Westgiebel des im z. Viertel des 5. Jahr-hunderts v. Chr. errichteten Zeustempels von Olympia(Abb.2),t sogar ihre scharfen Zähne ins Fleisch schlagen.Ist das Antlitz des Mischwesens dabei hier sichtlich wtitend verzerrt, so gilt dies in noch verstärkterer Form dannfur die Gesichter seiner Brtlder in der gegen Ende des glei-chen Jahrhunderts geschaffenen Kentauromachie imWestfries des ApollonlTempels von Bassai. Hier sind esgerade die Mienen der'Wilden mit ihren dramatisch auf-gerissenen Augen und den zum Schrei weit geöffnetenMündern, die durchweg eindringliche Zeugnisse ihrerentgleisten Geftihle und ihres furchterregenden Charak-ters ablegen.2l

Auf noch drastischere, fast plakative Weise wurde dienegative Emotion des rasenden Zorns äberdies dem-Wesen

der schrecklichen mythischen Giganten zugeord-net, die von ihrer Mutter Ge bezeichnenderweise bereitsgenuin aus

'Wut geboren einst den Auftrag erhalten hat-

ten, die Famiiie der olympischen Götter zu stürzen. Aufeiner gegen48o v. Chr. gefertigten Schale des Onesimos inLondon22 sind die dämonischen, wie die Kentauren mitSteinen bewaffneten Sprößlinge der zürnenden lrde zumTeil nur mit Tierfellen bekleidet, welche, im Verbund mitihren struppig-verwilderten Haupt- und Barthaaren, de-monstrativ auf ihre entsprechend wilde, ungezähmteNatur verweisen. Die legendäre, in mythischer Vorzeitspieiende Schlacht der Götter gegen die Giganten wurdeim rund 3oo Jahre später geschaffenen großen Fries desPergamon-Altares auf besonders eindringliche Weise inden pathetisch-psychologisierenden Formen der hochhel-lenistischen Zeir geschildert.23 Die zenftale Platte auf derOstseite des Monumentes (Abb.3) zeigt die mächtrge Ge-

3 ZeLls im Kampf gegen die Giganrel, Pergamon-Altar Ostseite.

Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz

stalt des Zeus, der gegen gleich mehrere der gefahrlichenDämonen kampft. 'Während zwei seiner'Widersacherbereits einen qualvollen Tod erleiden, ist der Angriff einesdritten auf der rechten Ar-rßenseite der Friesplatte nochungebrochen. Ihm gilt entsprechend denn auch dieHauptaufmerksamkeit des göttlichen Herrschers. Lin-drucksvoll spielen die mächtigen Muskelpakete aufdem breiten Rücken des schlangenbeinigen Giganten, des-sen Physiognomie auffillig roh gestaltet ist. Die äber demgesträubten Haar markant vorspringende Stirn, die einge-sunkenen Schläfen, die kurze, einst wohl leicht einge-drückte Nase, der wilde, buschige Bart, die großen, obenleicht zugespitzten Tierohren, aber auch die wuchtig ge-geneinander gesetzten, gleichsam verspannten Voluminaseines expressiv bewegten Antlitzes machen die Bedroh-iichkeit der frevlerischen, völlig ungezähmten Natur sei-nes'Wesens besonders sinnfillig. Im Nordfries des AltarslieGrt die grausam verzerrte Fratze des sogenannten Bei-ßers (Abb.4) ein regelrecht abstoßendes, schreckenerre-gendes Bild. Das kaum zr-rfällig analog bereits denKentauren des Olympia-Grebels (Abb. z) und des Bassai-Frieses zugeordnete >Beißen< im Kampf war ein Motiv,welches als Ausdruck eines besonders furchterregenden,

blinden, weder bezähm- noch kontrollierbaren Zornsschon in frr.ihklassischer Zeit zum Topos des Negativenschlechthin geworden war. Ein auf diese

'Weise gegen

einen Feind Rasender hatte ja sichtlich tierische'W'esens-anteile und entbehrte somit des kostbarsten Gutes derMenschen und Götteq der äber allem Guten waltendenVernunft, der sophroq,ne, der ratio, welche allein zur Ein-sicht und Bewahrung von Moral, Gesetzen und Ordnungbefthigte. Is bot überdies wie kein anderes Motiv dieMöglichkeit, die physiognomischen Züge eines Gesichteswild zu verzerren.

Betrachtet man in diesem Sinn nun vorrangig dieMimik der rasenden mythischen Angreifer - die ange-spannte Verzogenheit ihrer Physiognomie, die zusammen-gefurchten Brauen- und Stirnpartien, die aufgenssenenMünder -, so scheinen kaum bessere Bilder als diese ge-eignet, die eingangs zitierten'Worte Senecas, die von ihmbeschriebene >Miene des Zorns< - drohend, finster, grim-mig, mit flackernden Augen, bebend geöffneten Lippen,bleckenden Zahnen und gesträubten Haaren - zu illu-strieren. Auf die antiken.Rezipienten der Szenen hattensolch grauenerregende Fratzen zweifellos schon für sichallein betrachtet, das heißt jenseits der im Kontext ge-

I I

4 Kopf des sogenannten >Beißers<, Pergamon-Altar Nordseite.Berlin, Stratliche Museen Preußischer Kulturbesitz

schilderten Handlungszusammenhänge, eine immens ge-steigerte, expressiv-bedrohliche Wirkung. Hier legte dem-nach auch die Pathognomik der Figuren ein explizitesZeugnis von der Wildheit der Geftihle ab, die sie be-herrschten: Tiefliegende, übermäßig weit aufgerisseneoder unregelmäßig verkniffene Atrgen, deren Oberliderdie gesenkten Brauen berühren, suggerierten angespannt-erregte, gleichsam lodernde Blicke; gefurchte Stirnen, zu-sammengezogene Nasenwurzeln, verzerrte Gesichter undweit geöffirete Münder versinnbildlichten emotionale Lnt-hemmung. Im Westfries des um 525 v. Chr. errichtetenSchatzhauses der Siphnier in Delphi belegt der Kopf desbösartigen Riesen Tityos (Abb.5) - des hybriden und vonApollon bitter bestraften Lntführers der Leto - mit sei-nem iangen, wie eine Pferdemähne gesträhnten Haupt-haar und dem wuchernden Bart, vor allem jedoch mitseinen übergroßen, fast kugelformig unter den dicht wu-chernden Brauenbögen hervorquellenden Augen unterder angespannt in mehrfache Furchen gelegten Stirnsowie dem aufgerissenen Mund, in dem die Zähne dro-hend blecken, daß die grundsätzliche bildliche rGramma-tik< ftir die mimische Kennzeichnung eines gewalttätigenCharakters schon in spätarchaisch er Zeit festgeschriebenwar,24

Insbesondere das zuletzt genannte mimische Element -

der geöffnete Mund, in dem nicht selten sogar die Zahneblecken - signalisierte, wie wir später noch sehen werden,allerdings nicht nur denZorn allein, sondern wurde, ineinem offenbar sehr viel umfassenderen Sinn. zur bild-

lichen Chiffre des Zustands jeglicher übermäßigen Erregungen und Leidenschaften sowie des vollkommeneVerlustes einer Affektkontrolle. Die weit geöffneten, diZähne entblößenden Lippen eines sterbenden, namenrlich als >Astartas< bezeichneten Giganten im Nordfries degleichen Baus scheinen denn auch eher den heftigeSchmerz seines verdient grausamen lJntergangs zu versinnbildlichen.

In den folgendenJahrzehnten undJahrhunderten erfuhren die formalen Mittel solch expressiver Gestaltungerzwar eine zunehmend naturalistisch wirkende Verlebendigung, ihr semantischer >Coder als solcher jedoch kein,wirklich tiefgreifende Veränderung. Bezeichnenderweis,dienten die verzerrten Gesichter der legendären Frevledabei nicht in erster Linie dazu, der Dramatik des situativen Geschehens bildlich besonders realistische, gesteigermomenthafte Akzente zu verleihen. Vielmehr scheint ihrrMimik als ein gleichsam attributives Element ihrer wil.den, alle Normen des Anstands negierenden und spren.genden Maßlosigkeit begriffen worden und in der Folgeals konstanter Ausdrucksträger ihres Charakters für siefestgeschrieben worden zu sein.25 Ebensowenig versinn-bildlichten die leidenschaftlichen Gesichter in einem mehrvordergründigen Sinn allein die Heftigkeit der ebenso be-drohlichen wie furchterregenden Emotionen, welche ihrGemtit erschütterten. Dies wird spätestens dann evident,wenn man sich den leitbildhaften Kern in Erinnerung ruft,der den entsprechenden mythischen Erzählungen zu-grunde liegt.

So kam es bekanntlich zur Kentauromachie, als derthessalische König Peirithoos die Mischwesen einst zu sei-ner Hochzeit eingeladen hatte und diese sich dort derartmit'W'ein vollaufen ließen, daß sie in volltrunkener Lü-sternheit die Braut sowie diejungen Mädchen und Knabender Hochzeitsgesellschaft überfielen. Dem königlichenBräurigam und seinen edlen Gefehrten, den Lapithen, ge-lang es erst nach der in den Bildern geschilderten wildenSchlacht, die rohen, entfesselten Gesellen zu vertreiben.deren Lust sich im trunkenen Kampf in einen unbandi-genZorn hineinsteigerte. Maßloser Alkoholgenuß galt inder griechischen Kultur keineswegs als ein Kavaliersde-likt, sondern als schwerwiegender Beweis mangelnderDisziplin, [Jnvernunft, Tiiebhaftigkeit und Sittenlosig-keit.26 Der unbeherrschte Zechet verlor ja nicht nur An-stand und Wärde, sondern im Verbund mit seinerVernunftjede Kontrolle über seine Affekte. In der >Odys-see< spricht einer der Freier Penelopes zu Odysseus: r[...]Ls quält dich sicher der'W'ein, der süß ist wie Honig undderja auch andre,/schädigt, säuft man mit offenem Mund.statt gebührlich zu trinken./Wein hat im Saale des hoch-gemuten Peirithoos einst auch,/jenen berühmten Ken-

t2

5 Kopf des Tityos aus dem 'We

stfries cles Siphnier-Schatzhauscs

in Delphi, um 525 v. Chr. I)elphi, Arcl-räologisches Museurn

tauren lurytion vö1lig verblendet: /A1s den Verstand er alsGast der Lapithen mit Wein sich verdorben,./raste er losum im Haus des Peirithoos Übles zu stiften [...] den An-fang von Unheil,/machte er jedoch bei sich selbst, fandihn im schweren'W'einrausch.<27 Telemach, der Sohn desOdysseus, spricht zu den Freiern seiner Mutter: r[...]Manchmal seid ihr betrunken und streitet euch unterein-ander; dann ist zu fürchten, ihr schlagt euch gar blutig,schändet die Mahlzeit [. ].o" Der [Jmstand, daß das äber-mäßige >Saufen< auch im literarischen Bild >mit offenemMund, statt gebtihrlich< geschieht, scheint angesichts derentsprechenden Chiffre entgleister Mimiken bemerkens-wert. Euboulos nannte denjenigen einen weisen Mann,welcher drei Kratere Mischwein zu sich nähme: einen ftirdie Gesundheit, einen ftir die Liebe und das Wohlgefal-len, einen für den Schlaf, und dann nach Hause gehe. Be-reits der vierte Krater gehöre jedoch der hybris an, derftinfte dem Gebrtill, der sechste den komoi, der siebenteden biauen Augen, der achte den Gerichtsvorladungen,der neunte den Gallenleiden, der zehnte dem'Wahnsinn.2eFtir Platon hatte der Genuß von'Wein bezeichnender-weise vor allem den erzieherischen Zweck, zur Übung derSelbstbeherrschung zu dienen. Der Umgang mit ihmwurde zum regelrechten Prüfstein ftir den sittlich-morali-schen'Wert seines Konsumenten.3o Ftir eine schwere Be-strafung der Volltrunkenheit plidierte Aristoteles : > Dennwer in Tiunkenheit oder im Zorn handelt, scheint nichtaus unwissenheit zu handeln [...] Man züchtigt auch ge-rade wegen der lJnwissenheit selbst, wenn einer schuld

an seiner ljnwissenheit zu sein scheint, so wie erwa dieStrafen bei Tiunkenheit verdoppelt werden. Denn da istder Ursprung in einem selbst, man war ja Herr daräber,sich nicht zu betrinken, und dieses war dann die Ursacheder lJnwissenheit. Man bestraft ja auch jene, die in denGesetzen nicht Bescheid wissen in Dingen, die sie wissenmäßten und die nicht schwer sind; desgleichen in allenFällen, in denen die Unwissenheit auf Nachlässigkeit zu-rückzugehen scheint, wo man es in seiner Gewalt hätte,nicht unwissend zu sein. Denn aufzupassen hat man in sei-ner Hand. Aber vielleicht ist man von solcher Art, daßman nicht aufpassen kann; doch dann ist man selbstschuld, daß man so geworden ist, weil man zügellos lebt,und dann ungerecht und zuchtlos ist, Verbrechen begehtoder sich dem Tiunk und derartigen Dingen ergibt.<3l ImVergleich zur homerischen Frühzeit wird hier bereits sehrkonkret die Einsicht einer möglichen Wahl des Menschenzu vernunftgemäßem Handeln vermittelt. Er selbst trifftLntscheidungen zum >Guten< oder zum >Bösen< und istvor allem fur diese zur Rechenschaft nt ziehen.

Mit ihrer die Harmonie des Festes sprengenden Ent-gleisung hatten die Kentauren einen schrecklichen Frevelbegangen. Sie verletzten die zentralen gesellschaftlichenInstitutionen des Gelages und der lhe, das heißt jeder

guten ziviiisierten Gemeinschaft heilige Bereiche, die oh-nehin an den gefihrlichen Grenzen der maßlosen Tiun-kenheit und der naturhaft rohen sexuellen Begierde undLust angesiedelt durch einen emotionalen Kontrollverlust,durch eine mögliche Sprengung der festgelegten Gesetzegesitteter lJmgangsformen eine besondere Bedrohung er-fuhren.32 Der Sieg der edlen Mitglieder der Festgesell-schaft über die Kentauren war mithin zugleich einTiiumph des rechten Maßes, des gesitteten Anstands, derkultivierten Zivilisation und ihrer unantastbaren Regelntiber ausufernde Leidenschaften, die sie bedrohten.

Was die Giganten betrifft - die man sich im 6.Jahr-hundert v. Chr. als riesige, menschengestaltige Krieger inRtistung, seit der Wende zum 5.Jahrhundert v. Chr. zu-nehmend wild mit Tierfellen, Asten und Felsbrockenkrmpfend, seit Beginn des 4.Jahrhunderts v. Chr. schließ-lich auch als dämonische Mischwesen mit mächtigenSchlangenbeinen vorstellte -, so verkörperten sie im grie-chischen Mythos das Böse schlechthin. Dies machte nichtzlletzt ihre Entstehungsgeschichte deutlich: Mancheglaubten nämlich, sie seien vom Blut des alten Himmels-gottes lJranos, Vater des Zeus, gezeugt, den dieser einstselbst mit einer scharfen Sichel entmannt hatte, um nicht,wie seine Geschwister, von ihm verschlungen zu werden.Andere meinten, die schreckliche Brut sei von der zor-nigen Erde eigengeschlechtlich hervorgebracht worden.Bereits die Genese der Gieanten wurzelte demnach ent-

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weder ganz unmittelbar in der Gewalt oder entzog sichvon vornherein einer natürlichen schöpferischen Ord-nung. Jenseits der Schlacht erfahren wir nichts über sie,haben sie keine Geschichte, keine Struktur. Obwohl siezum Teil namentlich benannt wurden, prägte man den-noch nie feststehende bildliche Typen für einzeine Mit-glieder ihrer Sippschaft, welche dann, ganz im Gegensatzzu den individualisierten Persönlichkeiten der Götter,ihre Wiedererkennung durch den Betrachter gewährlei-stet hätten. Ihre als weitgehend indefinite Menge vorge-stellte Existenz war allein auf die Vernichtung desGöttlichen ausgerichtet, bezog ausschließlich aus demKonflikt ihren Sinn. Da sie als potentielle Zerstörer desuniversellen göttlichen Prinzips geboren wurden, brachteihr Kampf gegen das Gute die Ordnung der gesamtenvom Menschen erfahrbaren Welt in Gefahr: die politi-schen Strukturen aller Gemeinschaften; die sozialen Re-geln und ethisch-moralischen

-Werte der Götter und

Menschen, welche deren Umgang mit- und untereinan-der eine zivilisierte Form gaben; die Harmonie der gan-zen geschaffenen Natur in ihren biologischen undkosmischen Kreisläufen. Selbst die universale, ewig be-stehende Ordnung des Todes wurde von ihnen bedroht.Hier ging es nicht um einen Krieg gegen zivilisierte,ebenbürtige Kontrahenten, sondern um grauenerregendeFrevler, deren Charakter und Verhalten schon von ihremUrsprung her das Gegenteii der göttlichen Gesetze undNormen verkörperte, jegliches moralische Maß sprengteund die folglich - wie wilde, dämonische Bestien - voll-ständig vernichtet werden mußten. Die Bösartigkeit derGiganten kehrte sich gegen sie selbst und trug mit zrrihrem Untergang bei, da sie weder von äußeren noch voninneren Ordnungen im Zatm gehalten wurden undihrem gewalttätigen Zorn, rhret blinden Zerstörungswut,ihren triebhaften Begierden völlig ausgeliefert waren. DerTiiumph des Göttlichen tiber die zerstörerischen Mächteder Unordnung stand nicht zuletzt deshalb von Anbeginnan fest, weil die unbezwingbare Kraft der Weisheit undder Vernunft, das rechte Maß in allen Dingen nur ihmallein aneignete. Durch die Vernichtung dieser Angreiferwar die Gefahr eines [Jmsturzes, einer Umkehrung allesGuten in die damonischen Kräfte des Bösen gebannt;nach dem Untergang der Giganten blieb die Macht derGötter und die Gr.iltigkeit der von ihnen erlassenen, dengesamten Kosmos durchwaltenden Gesetze fttr alle Zei-ten unangefochten und gesichert. In der mythischenSchlacht prallten maßvolle Gelassenheit, in sich ruhendeHarmonie der Geftihle und eine überall waltende Ver-nunft - auf seiten der göttlichen Ordnung - sowie rasen-der Zorn, entfesselte Gewalt und ein totaler, unheilvollerKontrollverlust der Emotionen - auf seiten der gigan-

tischen Unordnung - als antagonistische Gegner und Ge-genbilder aufeinander.33

Beide Mythen gaben demnach als übergeordnete Ix-empla einer zweifellos stets präsenten menschlichenFurcht vor nicht beherrschbaren Begierden und Lmo-tionen sowie der Zercetzung Sicherheit stiftender Ord-nungsprinzipien einen Ort, in dem der Sieg der Reprä-sentanten des Guten äber die bedrohlichen Frevlerberuhigend und sinnstiftend den Fortbestand des An-stands, der Moral, des gesitteten rechten Maßes - ebenauch der Gefuhle -, schlußendlich der allumfassendenOrdnung garantierte. Die verzerrten Gesichter der Ken-tauren und Giganten sollten ihren Betrachtern nicht nurdie überwältigende Macht der erregten Emotionen derKreaturen dokumentieren, sondern sie vor dem diesen-Emotionen innewohnendem schrecklichen Potential einerunkontrollierten Zerstönrng zentraler

-W'erte und Normen

der menschlichen Gemeinschaft warnen. Ihre Gewalt-tätigkeit sprengte jegliche Bindung an externe (Jrsachen,

wurde durch ihre Grundlosigkeit absolut. Von allen Rück-sichten und Zweckstrukturen befreit überschritt sie dieGrenzen jedes möglichen Rationalitätsmodells. Der lei-denschaftliche Antrieb ihres unmittelbaren Ausdruckswurde im W'esen des Objektes selbst vorgestellt, hatteweder Absichten noch Enmcheidungen oder Überlegun-genn;r Grundlage. Die glühende Erregung ist eine Passion,die Leib und Seele vollstandig erfaßt und sich im Exzeßjeder ordnenden Souveränität entzieht. Daß man hier, imtatsächlichen Angesicht einer furchterregenden rlJnord-nung< gleichwohl von einer gewissen >Faszination desBösen< sprechen kann, erscheint dabei ntir folgerichtig.3a

In unmittelbarem Anschluß an seine Beschreibung der äu-ßerlichen Gestalt des Zornes fährt Seneca fort: >'W'ie istdrinnen deiner Meinung nach die Seele beschaffen, derenäußeres Abbild so scheußlich ist? [...]

'Wie der Feinde oder

wilden Tiere, wenn sie von Mordblut triefen oder aufMord ausgehen, Anblick ist, wie die Dichter (Jnterwelts-

ungeheuer gestaltet haben, gegürtet mit Schlangen und

mit Feueratem, wie Kriege zu erregen, Zwietracht unterden Völkern zu verteilen und den Frieden zu zerstören

[...] so werden wir uns denZornvorstellen, [...] larmend,'Waffen

in beiden Händen schüttelnd [...], wild um sichblickend und blutig und narbenbedeckt [...] wahnsinni-gen Ganges, umhtllt von tiefem Dunkel, anstürmend,verwtistend und verjagend und von aller Haß bedrangt,von dem eigenen am meisten, wenn er anders nicht scha-den kann, Länder, Meere, Himmel einzureißen begeh-rend, haßvoll'zugleich und verhaßt. <,3s Zum Gefolge des

Zorns gehören Wildheit, der Wille zum Angriff, Roheit,Blutdurst. Haß. Gewalt und Wahnsinn. Seine Bedroh-

r4

6 Apollon gebietet über die KentauromachieWestgiebel des Zeustempcls von Olympia. Olynipia Museum

lichkeit liegt in seiner ungeheuren, alles mitreißendenSchnelligkeit und'Wucht gegrtinder: >[...] des Zornes er-regte und sich selber hinreißende Heftigkeit enrwickeltsich nicht allmählich, sondern während er beginnt, trrtt ermit ganzer Stärke auf; und nichr nach anderer SchwächenArt beunruhigt er die Seele, sondern entführt sie undbringt sie um die Herrschaft riber sich selbst und laßt siebegehren sogar aligemeinen Schaden, und nicht gegen dasnur, was er sich als ZieI gesetzthat, sondern gegen das, wasunterwegs entgegentritt, wütet er. Die übrigen Schwächenbedrängen die Seele, Zorn sttirzt in den Abgrund. Auchwenn

'Widerstand zu leisten gegen die eigenen Leiden-

schaften nicht moglich ist - dennoch ist es den Leiden-schaften selber möglich, stillzustehen. Der Zorn - nichtanders als Blitz und Stürme und wenn sonst etwas unauf-haltsam ist, weil es nicht geht, sondern sttirzt - verstärktseine Gewalt mehr und mehr [... j .<36

Als unmittelbares Gegenbild des Zorns nennt Senecaschließlich explizit die Vernunft, die ratio: >Die Tiere heißtes, gelten als die edelsten, denen viel Zorn innewohnt. Isirrt, wer die zum Vergleich mit dem Menschen heran-zieht, denen an Stelle von Verstand Ungesrüm eignet: derMensch besitzt statt (Jngesttim Vernunft.<37 Ferner zählter den Verstand, sittliche Vorsätze, innere Zucht und in-neres Maß auf: rAlle Sinne mtissen geführt werden zu Fe-stigkeit; von Natur sind sie widerstandsfähig, wenn dieSeele aufgehört hat, sie zu verderben, die täglich zur Re-chenschaft aufgerufen werden muß.(38 Von zentraler Be-deurung ist die rechte Ordnung der Seele und der Zustandder Ruhe und Gelassenheit: >Der höhere Teil der'W'elt,geordneter und den Sternen nahe, wird weder zur-Wol-kenbildung gezwungen noch zu Sturm veranlaßt, nochgerät er in Unruhe; von allem Aufruhr ist er frei; in denunteren Bereichen zucken die Blitze. Auf dieselbe W'eise

r5

I

7 Herakles im Kampf gcgen clen nenicischcn Löwel.

Attisch sch*':rrzfigurige Bauchemphora, ausgchencles 6.Jh. v. Chr

llrescie. Mtseo Civico l{om:rno

ist die Scelc erhabcn, gelassen stets und a1) rrlhigem Ort,alles in sich niederhaltend was zu Leidenschaft sich zu-sammenzicht, malJvoll uncl verehrungswtirclig und wohl-geordnet [ ].ut'

Auch wenn die moralische Bewertrlng gefühlsgesteu-errer Handlungen ebenso wie die Vorstellungen von dermenschlichen Seele als Sitz der Leidenschaften im Verlaufder griechiscircn Kulturgeschichte durchaus Differenzie-rllngen r-rnd'W.andlungen r.rnterlag, ist die von Seneca inderart eindringlichcr Deutlichkeit formulierte Polarisie-rung einer negativ-bedrohlichcn, da allzu lcidcnschaft-lichcn Emotion auf der einen sowie dcr gutcn, durchstrengc Affektkontrollc im Gleichgewicht des rechtenMaßes gehaltencn Seele auf der andercn Seitc doch kei-neswegs in der cthischcn Lehrc der Stoaalrallein zr,r fassen,sondern, als einc grundsätzlich die gesamtc Weltsicht be-srimrnende Leitidce, in dcr Antike nahezu omnipnlsent.alIn diescm Sinn erfuhr die apatheia, das von dcn nreistenStoikem inr linklang rnit der'Welwernunft cxplizit ge-fordertc Freisein von heftigen Leidenschaften rrnd Affek-ten, inr Ideai der epikr.rreischen atdrlxia, der statischen undvollkommcnen ljnerschüttcrlichkcit der Scele als Voraus-

setzung zum Glück, noch cinc Steigerung. >Leer ist dieRedejencs Philosophen, die nicht irgcndeine Leidenschaftdes Menschen heilt. Wie nämlich eine Medizin nichtsnützt, die nicht dic Krankheiten aus dem Körper vertreibt,so nritzt auch die Philosophie nichts, die nicht die Lei-dcnschaften aus der Seele vertreibt.<a2 Der Mensch ge-winnt Glück und Vollkomrnenheit, wenn er rcchrenGebrauch von seiner Freiheit der'Wahl macht, indem crsich von allem fern hält, was das Gleichgewicht seines hr-tellekte s und seiner Imotionen stören könnte. Ahnlich sahDemokrit, dessen Vorstellungen partiell in die Ethik derEpikurecr Eingang fanden, nnr in der durch Mäßigung derBegierden und Leidenschaften, durch Abmcssung allerLebensfaktoren von Lust und Unlust, von Genu{3 undEntsagung erlangten heiteren l{r.rhe der Seele (:uth1,mia)das höchste Lebensgut: >Den Menschen wird Euthymiazuteil durch Mäßigung der Lust und dcs Lcbens Ar.rsge-wogcnheit (:ymnrctria!). Mangel r-rnd Überfluß dagegenpflegcn umzuschlagen und große Bewegungen in derScele hervorzurufen. Die in großcm Pendelschlag sicir be-wegenden Seelen sind weder wohlbeständig, noch wohl-gemut.(43 Bereits Heraklit hatte gefolgert, daß der /ogos des

I6

8 Herakles im KamPf gegen Antaios'

Attisch schwarzfiguriger Kelchkrater des luphronios, ausgehendes 6' Jh' v' Chr'

Paris. Mus6e du Louvre

allgemeinen 'Weltgesetzes,

die Harmonie im Gleich-

gewicht der Gegensätze, als ein nach Ziel und Maß ge-

stimmter Einklang auch die Seele des Menschen be-

stimme.aa Der in der zweiten Halfte des 7. Jahrhundertsv.Chr. geborene Staatsmann Solon glaubte an e1n )un-

sichtbares Maß des Erkennens, das die Grenzen der Dinge

hält<. In den berühmten Sentenzen der sieben Weisen, die

im Pronaos des Apollonheiligtums von Delphi als gleich-

sam ewig und universell gültige erzieherische'Weisungen

des Orakels angebracht waren, lasen dessen ratsuchende

Besucher: >Maß ist das Beste< (Kleobulos von Lindos);

>Nichts zu sehr< (Solon von Athen); >Erkenne den pas-

senden Augenblick< (littakos von Mytilene).as In der Vor-

stellung der absoluten Notwendigkeit einer rechten, im

Sinne des Zeus gestalteten Ordnung erhob nicht ztletzt

die Domestizierung der Affekte und die damit unmittel-

bar verknüpfte Selbstbeherrschung des Individuums Ce-

rechtigkeit und gegenseitigen Respekt zu zentralen

Verhaltensnormen der griechischen Polisgesellschaften.

Die Gefährlichkeit eines spontanen, rein durch die Emo-

tionen bestimmten Handelns definierte Sophokles in der'Weise,

daß er von einem Drang sprach, der sich nur von

seiner eigenen, nicht vom Verstand daztt berufenen Ir-

kenntnis (autognotos orga) leiten läßt.a6 l,ine besonders

eindringliche Darstellung der notlvendigen Bindung irra-

tionaler Antriebe an die Ratio des Menschen gestaltete

Euripides in seiner 43r v. Chr. uraufgeführten Tlagödie

>Medeia<. Irregeleitete Gefuhle und Leidenschaften, per-

vertierter Gebrauch des Intellekts und das ideale Zusam-

menwirken von Emotion und Vernunft wurden im

tragischen Schicksal der Fremden drffetenziert ausge-

lotet.aT In der Lehre Platons erlebte die Forderung nach

einer vollständigen lJnterordnung sämtlicher Leiden-

schaften, bis hin zu Schmerz und Tiaueq unter die Herr-

schaft der Vernunft bekanntlich einen ersten Höhe-

punkt.as Affekte verschlechtern die Verfassung der Seele,

indem sie lJnordnung, Krankheit und letztendlich Tod

zur Folge haben; ihrer Gewalt muß die hoherstufige Ord-

nung der Vernunft entgegengestellt werden; der moralisch

vollkommene Mensch hat seine Sensualität so gestaltet

und erzogen, daß er das Gute gerne tut und in der Folge

gar kein pflichtwidriges Begehren mehr bei ihm auftritt.ae

In der Utopie seines >Staates< bewacht in einem Gleichnis

der Mensch im Menschen zusammen mit dem Löwen im

17

Menschen das Ungeheuer im Menschen; im rTimaios<bezeichnet Platon die Gefuhle als >mächtige und unab-weisbare Leidenschaften<, welche die Seele auf ihrerSuche nach'W'ahrheit und Unsterblichkeit ablenken undverwirren.s0 Der Widerstand gegen eine mögliche Vor-herrschaft der - fur ihn, wie auch für Sokrates allein aufUnwissenheit beruhenden - Affekte ging so weit, daß derPhilosoph im Entwurf seines >Staates< selbst eine poten-tielle Affizierbarkeit des Menschen durch die in Kunstund Dichtung nachahmend gestalteten Emodonen, ervradurch heftiges Wehklagen der Helden, oder durch über-mäßiges Lachen fürchtete: >[Jnd ebenso steht es dochwohl auch mit der Liebeslust, dem Zorn, wie überhauotmit allen begehrlichen, schmerzlichen und freudigen Re-gungen der Seele, die ja doch bekanntlich alle unsereHandlungen begleiten. Hier wirkt die dichterische Nach-ahmung in gleicher

'W'eise auf uns. Denn sie nährt und

tränkt diese füebe, die doch absterben sollen, und machtsie zu Herren in uns statt zu [Jntergebenen, wie es dochder Fall sein müßte, wenn wir nicht schlechter und un-glückseliger, sondern besser und gltickseliger werden sol-len.<sl Auch Äristoteles, der sich in seinem Spätwerk vonder platonischen Ethik löste und als erster eine klareGrenze zwischen der Natur mit ihrer strengen, von derVernunft faßbaren Kausalität und dem praktischen Lebender Gesellschaft zog, maß der

"bsoluten Norwendigkeit

einer Rationalität des menschlichen Handelns den hoch-sten Vorrang zu. Ir vertrat die überzeugung, daß ftir dieErlangung der eudaimonia (Ghickseligkeit,zSeelenfrieden)eine fortschreitende Erziehung zum vernünftigen Maß,zur ausgeglichenen rMitte < (mesote) hin, unabdingbar sei.Nur das in sich ausgewogene, rminlere Maß< bestimmtsittliche Tüchtigkeit (arete); ein >ZtÄel<ist ein Fehlverhal-ten, ein >Zuwerig< tadelnswerr. >Sinliche Tiichtigkeit zieltwesenhaft aufjenes Mittlere ab. Ich meine nartirlich dieTüchtigkeit des Charakters. Denn diese entfaltet sich imBereich der irrationalen Regungen und des Handelns, undda gibt es das Zuviel, das Zuwenig und das Mittlere. Beider Angst zum Beispiel und beim Mut, beim Begehren,beim Zorn, beim Mitleid und überhaupt bei den Erleb-nissen von Lust und Unlust gibt es ein Zuviel und Zu-wenig und keines von beiden ist richtig. Dagegen dieRegungen zur rechten Zeit empfinden und den rechtenSituationen und Menschen gegenüber sowie aus dem rich-tigen Beweggrund und in der richtigen'W'eise - das istjenes Mittlere, das ist das Beste, das ist die Leistung dersittlichen Ttchtigkeit.<s2 Täpferkeit definiert sich in derFolge als die rechte Mitte zwischen den Exrremen Feigheitund Tollktihnheit; Mdßigkeit als Mite zwischen'W'ollustund Sinnesstumpfheit; Freigebigkeit und Großzügigkeitals Mitte zwischen Geiz und Verschwendung und so fort.s3

9 Theseus im Kampf gegen Sinis. Atrisch schwarzfigurige Schale,fitihes 5.Jh. v. Chr. München, Staatliche Anrikensammlunsen

Über die Leidenschaft des Zorns heißt es in diesem Kon-text: )Man fuhrt auch denZornauf die Täpferkeit zurück.Denn tapfer scheinen auchjene, die aus Zornwie die wil-den Tiere aufjene losgehen, die sie verwundet haben, undso gelten denn auch die TäpGren als zornmütig. [. ]Je-doch besteht die [...] Täpferkeit nicht darin, aus Schmerz:undZorn hervorgetrieben auf die Gefahr loszugehen [...]sie ist tpferkeit erst, wenn sie die Entscheidung undeinen Zweck dazunimmt. Bekanntlich fuhlen die Men-schen Schmerz, wenn sie zürnen, und freuen sich, wennsie sich rächen; wer aus diesem Grund kampft, ist zwarkampfttichtig, aber nicht tapfer. Denn sie machen es nichtum des Edlen willen und nicht, wie die Vernunft will. son-dern aus Leidenschaft.<sa IJnd zur rechten Mitte desZorns heißt es: >'W'er nun zürnt, worüber er soll und wemer soll und ferner wie, wann und wie lange er soll, wirdgelobt.Ir wird denn auch der Milde sein, daja gerade dieMilde gelobt wird. Denn der Milde soll doch derjenigesein, der sich nicht erregt und nicht von der Leidenschaftbeherrscht wird, sondern handelt, wie es die Vernunft an-ordnet und demgemäß beim richtigen Anlaß und die rich-age Zeithtndurch zürnt [.. .] Bosartig nennen wirjene, diesich ärgern, worüber sie nicht sollen und mehr, als sie sol-len, und längere Zeit und die sich ohne Rache und Strafenicht beruhigen.<ss Sein Nachfolger Theophrast übertrugsolche Maximen in die Rechtstheorie, indem er bei derpragmatischen Erörterung verschiedener Gesetze, welcheden Verkauf regelten, anmerkte, jeder Verkaufer habeseine

'Ware ohne Betrug zu veräußern, und Thunkenheit,

r8

ro Heros im Kampf gegen einen Kentauren.

Apulischer Sklphos, frthes 4.Jh. v. Chr.

Paris. Mus6e du Louvre

Zorn, Streitlust oder Rechthaberei und natürlich Wahn-sinn solle natürlich aufbeiden Seiten ausgeschlossen sein.Derartige Faktoren seien nämlich entweder der persön-lichen Situation (l<airo) oder der Emotion (patho) der Be-teiligten zuzuschreiben. Das Gescheft mässe jedoch ausrational begründeten Absichten zustande kommen.s6

Betrachtet man vor dieser Folie nun abermals die Ken-tauren-Lapithen-Gruppen aus dem Westgiebel des olym-pischen Zeusgiebels (Abb.2 und O), so fillt kaum zufülliganalog auch >im Bild< eine eklatante Kontrastierung der inemotionaler Spannung mimisch charakterisierten Köpfeder Kentauren zu den nahezu völlig unbewegten, harmo-nisch geglättet und in sich gänzlich ausgewogen kompo-nierten Äntlitzen der Lapithen auf. Obwohl gleichfalls imheftigen Kampf sowie nicht selten in einer sichtlichschmerzhaften Lage befindlich, weisen allenfalls derenGesten, nichtjedoch deren Gesichter auf eine rerschüt-ternde< emotionale Beteiligung am Geschehen hin. Dentriumphalen Sieg des kultivierten Anstands über die wildeEntgleisung der kentaurischen Geftlhle ordnete überdiesdie in der Mitte des turbulenten Geschehens in würde-volier und weithin sichtbarer körperlicher wie mimischerGelassenheit hochaufragende Gestalt Apolls mit seinemausgestreckten rechten Arm an.

Vergleichbar gezielte Polarisierungen schlechter undguter Gesichter waren schon in spätarchaischer Zeit ge-liufig. In diesem Sinn könnte der Kopf des elegant fri-sierten Herakles, weicher auf einer im ausgehenden

rr Theseus tötet den Minotauros.

Attisch schwarzfigurige Schale, ausgehendes 6.Jh. v. Chr.München, Staatliche Antikensammlungen

6.Jahrhundert v. Chr. gefertigten Bauchamphora in Bres-cia den nemeischen Löwen bezwingt (Abb.7), ebensogutauf einem ruhig stehenden oder gelagerten Körper desHelden aufsitzen.5T Das gleiche gilt ftir das Antlitz desHeros auf einem etrva zeitgleichen Kelchkrater im Lou-vre, in dessen Bild der Held den wüsten Riesen Antaiosniederringt (abb. S;.ue Hier wie dort bleiben Herakles'schön geschnittene - von einem fein gestutzt ausrasiertenBart und wohlfrisierten kurzen, an keiner Stelle in Un-ordnung geratenen Locken höchst elegant gerahmte -

Züge vollkommen unbewegt. Antaios, der injederBezie-hung ungeheuerliche Sohn der Ge, wird in drastischemKontrast hingegen nicht nur in seinem wiiden Habitusdurch struppiges Haupthaaq buschige, unregelmäßig ge-schnittene Augenbrauen und einen überlangen Zottelbart,sondern wiederum auch mithilfe der bereits genannten,besonders signifikanten mimischen Formel - seinem ge-öffneten Mund, in dem dre Zähne deutlich blecken - alswildes, furchterregendes'Wesen stigmatisiert. Der Cha-rakter des Riesen scheint auf diese Weise dem des schreck-lichen Raubtiers der zuvor genannten Bauchamphora mitseiner wilden Mähne und den gefthrlich fletschendenZähnen im weit aufgerissenen Rachen im tatsächlichen'Wortsinn

sichtlich< verwandt.Auf einer im beginnenden5.Jahrhundert v. Chr. gefer-

tigten Schale in München (abb.9) wird der jugendliche

Theseus kaum minder kontrastreich von seinem frevle-rischen Gegner Sinis unterschieden.se Während der be-deutendste Held Attikas seinen sehnis-trainierten Athle-

19

rz Kopf eines gegen eine Moira kämpfenden Giganten,

Pergamon-Altar Nordfries.

Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesrtz

tenkörper in einer eindrucksvoll ausgreifenden, dabeigleichwohl fast lässig anmutenden Pose frontal dem Be-trachter präsentiert, um mit der hoch erhobenen Linkenden Ast einer Fichte herunterzubiegen, versucht Sinis ver-geblich, dem festen Griff der Rechten seines Bezwingerszu entkommen. Der verbrecherische Wegelagerer, wel-cher unschuldige Reisende auf besonders grausame'W'eisetötete, indem er eine gewaltige Fichte mit seinen Riesen-kräften bis zum Boden hinab bog und seine Opfer dann soan deren Wipfel befestigte, daß der Baum sie beim Em-porschnellen in den Tod schleuderte, wird bald mit seinereigenen r'Waffer geschlagen werden. Der entscheidendeMoment seiner endgültigen Bestrafung steht kurz bevor.Im antagonistischen Augenblick stehen sich Gut und Böseauch mimisch als Gegensatzpole gegenüber: Theseus mrtgelassener, fast heiter wirkender Miene; Sinis, der signifi-kanterweise wie die Giganten und Kentauren einen Fels-brocken zum letztmöglichen Gegenangriff in die Höhestemmt, mit zottigem Bart, in der Anspannung unregel-mäßig geschwungenen, buschigen Augenbrauen undeinem, im Verhältnis deutlich weiter geöffneten Mund,dessen wulstige Lippen die Wildheit des Ausdrucks nochzrsatzlich unte rs tre iche n.

Theseus, wenn nicht der jugendliche Herakles, warmöglicherweise mit dem Angreifer gemeint, der auf

13 Kopf einer Moira im Gigantenkampf,

Pergamon-Altar Nordfries.

Berlin. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz

einem apulischen Skyphos aus dem fnihen4.Jahrhundertv. Chr. in Paris (Abb. ro) einen Kentauren besiegt.60 Im An-gesicht seiner unweigerlichen Niederlage hat der behaarteWilde seine Hände um Schonung bittend erhoben, dochlegt sein vom struppigen Haupt- und Barthaar umwu-chertes Gesicht mit der stark asymmetrisch verzogenenPhysiognomie, den schmal zusammengepreßten Lippenund den verkniffenen Augen unter der verspannten Stirnnach wie vor ein beredtes bildliches Zeugnis von seinemgefährlichen Charakter ab. Bezeichnenderweise hat seinim Vergleich zu ihm überaus schöner, ebenso glatthäutigerwie glattgesichtiger Gegner einen großen, knotigen Astgepackt, mit dem er nun wie mit einer Keule zum ver-nichtenden Schlag ausholt. Auch hier wird die unge-zähmte Kreatur somit von ihren eigenen, unzivilisierten'Waffen

geschlagen.Eine im ausgehenden 6.Jahrhundert v. Chr. entstandene

Schale in München (Abb. rr) zeigt den attischen National-helden schließlich in einer dem heudgen Betrachter fastübermäßig gewaltsam anmutenden Aktion: Ir versetzteinem bereits sterbenden, mit brechenden Augen amBoden liegenden Kentauren einen mächtigen Tlitt.61Selbst im Eintreten des Todes bewahrt das Monster gleich-wohl auch in diesem Bild noch seine furchterregende Ir-scheinung. Der gebrochene Blick und die im geöffneten

J

2l

14 Sogenannter >Vogelgigant<,

Pergamon-Altar Ostfries.

Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesrtz

Mund bleckendenZähne kommen als Maske der es be-stimmenden'W'ildheit zum Ausdruck.

Derartig grausam anmutende Szenen, die in der grie-chischen Bildkunst Kämpfen mit Dämonen, Monsternund bedrohlichen Unholden vorbehalten blieben. hatteneine unmittelbare Deklassierung, Stigmatisierung und Aus-grenzung der unterlegenen Partei ̂ imZieI. Sie schlosseneine wie auch immer geartete lbenbürtigkeit der Gegnerauf den ersten Blick aus. In vergleichbarer

'Weise verfuhr

man mit wilden, gefährlichen Tieren, die von ihrer Naturher keinerlei Anteil an der allumfassenden göttlichen ratiobeanspruchen konnten.

In noch extremerer Drastik kam dies, ebenso wie dereklatante mimische Kontrast zwischen den Repräsen-tanten der guten allumspannenden Ordnung und ihrenbedrohlichen, da genuin außerhalb von ihr stehenden'Wi-dersachern, im Gigantomachiefries des hochhelleni-stischen Pergamon-Altars zur'Wirkung. Und dies umsomehr, als die Kunst dieser Zeitja in ganz besonderem Maßan einer psychologischen Charakterisierung spannungs-reicher Sujets und Figuren interessiert war. Im Gegensatzzu den Göttern, die offenbar sämtlich, selbst im heftigstenGefecht und bei grausamstem Gebaren, mit gelassenerMiene und entspannten, mehr noch gänzlich unbewegtenZigen gegen ihre Feinde zu Felde ziehen, spiegelt sich in

15 Aphrodite im Gigantenkampf,

Pergamon-Altar Nordfries.

Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz

den Gesichtern der Giganten hier eine ganze Palette vonEmpfindungen und Leidenschaften: Zorn und Raserei,aber auch Leid, Schmerz, Elend und Verzweiflung sindallein ihnen zugeordnet. Versucht sich der bartige Gegnereiner der Schicksal bestimmenden Moiren (Abb. z) mitschmerzverzerrtem Antlitz, wütend zusammengezogenenBrauen und weit zum Schrei geöfftretem Mund, demZu-griff seiner göttlichen, mimisch völlig ungerührten

'V/i-

dersacherin (Abb. 13) zu entziehen, so wirkt das pathetischbewegte, bereits sichtlich vom Todeskampf gezeichnetejugendliche Antlitz eines zu Leto emporblickenden dä-monischen Vogelgiganten (Abb.ra) auf den heutigen Be-trachter regelrecht mitleiderregend. Tätsachlich wird derZeitgenosse die Miene des Frevlers selbst in dieser Situa-tionjedoch in erster Linie als Spiegelung dessen überwäl-tigender Leidenschaften, seines unbeherrschten Todes, zurKenntnis genommen haben. Intsprechend mögen wir diesprichwörtlich stoische Gelassenheit, mit der ausgerech-net die liebreizende, und wie stets besonders elegant ge-kleidete, Aphrodite einem sterbend am Boden liegendenGiganten mit ihrem Fuß mitten ins Gesicht tritt, um dieLanze ihres Geliebten Ares aus seinem Letb zu ziehen(Abb.tS), als grausam empfinden. Vollkommen ungerührtsind denn auch die Züge ihres vom hochgesteckten Haarumrahmten Antlitzes. während sich die Miene des Tod-

16 Athena urd Marsyas. Rotfigurige Oinochoe, um 44o v. Chr.Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz

geweihten ein letztes Mal im Schmerz verzieht. Dem an-tiken Betrachter wird die Szene allerdings primär efwasganz anderes vermittelt haben: Die Gottheit steilte mitihrem volikommenen Gleichmut ihre unanfechtbareÜberlegenheit und den im tatsächlichen'W'ortsinn uner-schütterbaren Fortbestand von Gesetz und Ordnung unterBeweis. Das dramatische Leid ihres im Staub liegendenGegners war einerseits die vernichtende Demi.itigung,welche er als ein rohes, tierisch- wildes und entsprechendbedrohliches'Wesen mitleidlos verdiente.b2 Andererseitswar die ungewöhnliche Härte und Drastik, mit der diegöttlichen Sieger im Kampf vorgehen mußten, aber auchein unmittelbares Spiegelbild der schreckenerregenden,dämonischen oder bestialischen Natur ihrer Widersacherselbst.Auch jenseits des Zorns und der entgleisten Gewaltbegegnen wir immer wieder Mienen, die, in gesucht kon-

trastreicher Gegenäberstellung, eine innere Ordnr,rng be-ziehungsweise lJnordnr.rng der Leidenschaften mythischerCharaktere arf ganz unmittelbare'W'eise zur Anschauungbringen. Das Bild einer L1m 44o v. Chr. entstandenen Oi-nochoe in Berlin (Abb. rO) reflektiert die berühmte sta-tuarische Gruppe des Myron, welche im Konflikt Athenas- als göttlicher Repräsentantin der intellektuellen Ver-nunft schlechthin - und des wilden Silens Marsyas denZusammenprall ethisch werwoller, harmonisch nach denPrinzipien der Götter gestalteter Musik mit dem die Spha-renharmonie in ungehemmter Entfesselung auflösendenFlötenspiel thematisierte.63 Hier manifestiert sich das ge-gensäzliche'W'esen der Figuren in erster Linie in ihrenPosen: Dem in aufrechter Überlegenheit in sich ruhen-den Stand Athenas stehen die in wilder Disharmonieausfahrenden Bewegungen des Marsyas gegenüber.Gleichwohl konstituiert analos aber auch das Gesicht des

17 Marsyas vor Artemis, Hera und Athena.Rotfiguriger Skyphos, ausgehendes 5.Jh. v. Chr. New York, The Metropoiitan Museum of Art

r8 Iris, vor Dionysos von Saryrn attackie rr.Attisch rotfiguriger Skyphos, um 48o v. Chr. Florenz, Archaologisches Museum

2A

rg Silen und Mänade.Attisch rotfigurige pelike, letztes Drittel5.Jh. v. Chr.

München, Staatliche Antikensammlungen

Silens - mit der übergroß vorgewölbten Stirn und derstumpfen, platt gedrückten Nase - im Verqleich zu demschonlinig bewegungslosen Anditz Äthenas ern, wennauch eher physiognomisches als pathognomisches Gegen_bild. Auf einem im letztenJahrzehnt des gleichenJahr-hunderts gefertigten unteritalischen Skyphos in New york(abb. 17)04 erflihrt der zuletzt g.n.rrrrr.^Konrrast dann in-soGrn noch eine Steigerung, als Marsyas - welcher offen-bar gerade im Begriff ist, den drei Göttinnen Artemis,Hera und Athena die Bedingungen fur den musikalischen'Wettstreit

zu erläutern - nun nicht nur in seiner physio_gnomie, sondern auch mimisch, mit der wulstig gerun_zelten Stirn und der markant angespannt zusammen-gezogenen Nasenwurzel, als ein seiner Leidenschaft ver_fallener und in der Folge zw lrybrß verführter Charakterdiskreditiert wird. Hier ist es nicht die koryerliche Bewe_gung des Silens - der sich wie ein Athlet in lässig elegan_ter Pose auf einen PGiler stützt, welcher seine Namens_inschrift trägt - sondern tatsächlich allein die Miene dieFrevlers, die ihn entlarvt und dem Betrachter aufden er-sten Blick Einsicht in seine grenzwertig verderbliche Seelevermittelt, ein bemerkenswertes Bild, welches das an sich

bereits hohe Potenrial psychologischer Schiiderungen be_reits für die ausgehende Hochklassik bezeuqt.

Erheblich weniger dramatisch als in derieingangs ge-schilderten Darstellungen der Giganten- und Kentauren_schlachten ging es überdies in Bildern zu, die nicht vonZorn und zerstörender Gewalt, sondern von der über_wältigenden Macht des erotischen Begehrens, der unkon_trollierten gierigen Lust handelten. Die Satyrn, die aufeinem gegen 48o v. Chr. gemalten Skyphos-Fragmenr inFlorenz die mimisch ungerührt liebreizende GötterbodnIris attackieren (Abb.r8),6s wirken, ihrer sichtlich verwil_derten nrscheinung ungeachtet, jedenfalls deutlich weni_ger gefahrlich als ihre Brüder in den Kämpfen mit denLapithen. Die weit aufgerissenen Münder urrd

".rsfahren-den Gebärden scheinen im Verbund mit den nahezu rie_sigen Glotzaugen hier eher die tumbe Grobheit, welchemit der nur allzu leicht hervorbrechenden Lüsternheit derGesellen einherging, anzuzeigen.Auf einer um 43o v. Chr.entstandenen Pelike aus Gela in München (Äbb. 19)66 ver-zieht eine im lärmendenTanz dem Dionysos huldigendeschöne Mänade im tatsächlichen Sinn des-Wortes keineMiene, während sie sich in strenger Abwehr zu einemvierschrödgen, nicht minder geilen zotteligen Silen um-blickt, der sie trunken-torkelnd gerade belastigt. ImRausch der Mänade liegt keine wilde Leidenschaft, son-dern ist der ritualisierte Normenbruch verkörpert. wel-cher dem Dionysos heil ig isr.67 Der unfeine'Verfolgerhingegen stiert mit faltig verzogener Stirn und gierig ge-öffnetem Mund zum Gegenstand seinerBegierd. .-po..Auch wenn die ihn weit überragende Schöne bei seinemAnblick wohl nicht gerade Furcht empfinden dürfte, wirdder Silen im mimischen Kontrast gleichwohl - nicht ohneHumor - als bloder, seiner Ti-r_rnkenheit und Lust völlieausgelieGrter Geselle entlarwt.

Ziehenwir an dieser Stelle eine erste Bilanz, so bleibt fest-zuhalten, daß über die Maßen leidenschaftliche, bedrohli-che Emotionen und Empfindungen sich in der bildendenKunst Griechenlands mimisch nur bei denjenigen Gestal_ten des Mythos ausmachen lassen, die - eben aufgrunddieser Leidenschaften - entweder definitrv neqative Vor-stellungen verkörperten oder aber ihrem Wesei nach vonvornherein ambivalente und damit latent verunsicherndeZnge in sich vereinten.

Außerhalb des Mythos wurden in einem qrundsätzlichanalogen Prozeß rreale Menschenr ausschließ"lich dann ak-zentuiert in dieser-W'eise charakterisiert, wenn es sich beiihnen um eindeutig negativ gesehene und besonders ge-fürchtete Barbaren oder, dann vor allem in hellenistischerZeit, sm stigmatisierte Vertreter sozialer Randgruppenhandelte. Ein überlebensgroßer, im Original erhaltener

24

zo Hellenistischer Kopf eines Galliersaus Mittelägypten.

Kairo, Agyptisches Museum

Marmorkopf eines Barbaren in Kairo (lbb. zo), der mög-licherweise Teil eines ptolemäischen Siegesdenkmals war,welches die Niederwerfung außtändischer gallischer Söld-ner unter Ptolemaios rr. Philadelphos imJahr 275 v.Chr.feierte,6s weist in diesem Sinn motivisch kaum zufa"lligzahlreiche der auch ftir die pergamenischen Giganten cha-rakteristischen Formeln auf: die kurze, niedrige Stirn, eineknochig vorspringende Wangen- und Kinnparrie, ange-spannt zusammengezogene Brauen, unter hängenden Or-bitalwüisten tiefliegende, jedoch weit aufgerissene Augen,struppig nach oben gesträubtes, langsträhniges Haar undden in wilder Unbeherrschtheit geöffneten Mund, beidem die obere Zahnreihe sichtbar wird. Sein Volksgenosseaus einem figurenreichen Siegesmonument, welches wohlAttalos n (r59-139/38 v. Chr.) auf die Akropolis von Äthenweihte,6e zeigt mit seiner asymmetrisch verzogenen, an-gespannt zerfurchten Stirn, dem pathetisch-expressivenBlick und dem wie im Schrei oder Schmerz geöffnetenMund vollends die ftir die hochhellenistische Zeit verbindlichen Züge maßlos entgleister Emotionen, in denender von den Kelten ausgehende Schrecken ebenso wieihre furchterregende Kampfeskraft wurzelre (Abb.zr). lieEinzigartigkeit des zuletzt genannten Monumentes be-

2r Kopfder Statue eines besiegten Galliersvon einem Siegesanathem Ättalos rr. $59-r39ft8 v. Chr.).

Römische Kopie. Venedig, Museo Nazionale Archeologico

ruhte nicht zrletzt darauf, daß es die historisch realenSiege der Griechen gegen die Perser sowie die der Attali-den gegen die Kelten mit den erfolgreichen mythischenSchlachten der Götter gegen die Giganten und der legen-dären Heroen gegen die Amazonen als Ausdruck des im-merwährenden Fortbestandes der göttlichen Gesetzesowie der sie spiegelnden menschlichen Zivilisation mit-einander verknüpfte. Die kraft- und haltlosen, zum Teilheftig tordierten Posen der Toten oder Sterbenden botendabei ebenso wie ihre nicht selten eindrücklich verzerr-ten Mienen ein symboLisches Schaubild ihrer frevlerischenCharaktere und verdienten Vernichtung.

-W'ie immens solche Bilder in späterer Zett auf die rö-

mischen Topoi bedrohlich wilder, in die Ordnung des Im-periums nicht integrierbarer Barbaren einwirkten, sei nuran wenigen Beispielen illustriert. Ein Detail der im Jahr196 n. Chr. fertiggestellten Säule des Marcus Aurelius aufdem nördlichen Marsfeld in Rom (lbb. zz)70 gibt denKopf eines unterliegenden Germanen wieder, der, unab-hangig von seiner groben Physiognomie und dem strup-pigen langen Haar und Schnurrbart, abermals von dengleichen mimischen Formeln geprägt ist: der asymmer-rischen Verschiebung der gesamten Gesichtsfläche, den

25

zz BesiegterBarbar,

Detail der vor 196 n. Chr. errichteten Säule

ftir Marc Aurel in Rom

tiefliegend unter buschig verzogenen Äugenbrauen lo-dernden Augen, der wulstig gespannten Stirn mit der starkzusammengezogenen Nasenwurzel und dem geöffrretenMund. in dem die obere Zahnreihe sichtbar wird. DasAntlitz eines Parthers in den Reliefs des in der zweitenHälfte desz.Jahrhunderts n. Chr. entstandenen sogenann-ten Parthermonumentes in Ephesos (Abb. z3)?1 kommt inseiner physiognomischen wie pathognomischen Kenn-zeichnung kaum zufällig mit den Köpfen nicht wenigerGiganten auf dem großen Fries des Pergamon-Altars zurDeckung.'Wie die schrecklichen Söhne der Erde im My-thos stigmatisierte man diejenigen Barbaren, welche sichden Herrschaftsstrukturen Roms widersetzten, mehrnoch, diese zerstören wollten, in Literatur und Dichtungstets als gewaltärige, von der rasenden Emotion ihres >Fu-rors< geleitete Wilde und charakterisierte sie in der Folgedenn auch in den Bildern unmißverständlich a\s amplexiooppositorum der römischen Zivilisation schlechthin.T2 Be-reits Caesar hatte Ariovist mit den Adjektiven mtdelis, su-perbus, iracunduq temerarius und iniurius, das heißt mitTermini belegt, die analog bei der Beschreibung unge-zähmter Leidenschaften immer wieder begegnen.T3 Plu-tarch berichtete, daß in der Nacht nach der Schlacht gegendie Ambronen die Luft von Geräuschen erftillt gewesensei, die weniger dem'W'ehklagen von Menschen, als viel-mehr dem Gebrüll von wilden Tieren glichen.Ta Aufeinem in der zweiten Halfte des 3.Jahrhunderts n. Chr.entstandenen Sarkophag der Sammlung Ludovisi im

23 Kopfeines besiegtenBarbaren,

Detail des sogenannten Parthermonumentes in Ephesos,

3. Viertelz.Jh. n. Chr. Wien, Kunsthistorisches Museum

Thermenmuseum in Rom (Abb.z4) findet sich in den un-bewegt gelassenen Mienen des siegreichen Feldherrn undseiner Soldaten im gesuchten Kontrast zu ihren Feindendie schon vertraute Polarisierung von Gut und Böse imentsprechend analogen Gegensatz von fast lebloser Ruheund mimischer Verzerrung.Ts Cicero bemerkte ztrr ver-derblichen Charaltermiene Catilinas, den er nicht zuletztaufgrund seiner unkontrollierten Leidenschaften auß hef-tigste verurteilte, ein Weiser (Philosoph) >hätte selbst nichtden gleichen Gesichtsausdruck, wenn er von einem Ty-rannen gezwungen würde, auf die Folterbank zu steigen.<76

Was die seit dem3.Jahrhundert v. Chr. in der griechischenBildkunst zunehmend aufrvendig gestalteten Darstellun-gen von Mitgliedern sozialer Randgruppen angeht,77 sotreffen wir bei ihnen auf eine inhaltlich abermals andersgewichtete Facette stigmatisierter Mimik. Betrachtet manstellvertretend die bekannten Standbilder des Fischers imVatikan (Abb. z5) und der ausgemergelten greisen Land-frau in New York (Abb.26)78, so erweisen sich die mimi-schen Formeln ihrer Gesichter im Verbund mit densichtlich elenden, von der Anstrengung ihrer Tätigkeitengekrümmten Körperhaltungen sowie ihrem kümmerlichausgezehrten Alter - nun als bildliche Chiffren, welcheoffenkundig in erster Linie das armselig einfache, unzivi-lisierte'Wesen dieser, an den äußersten Rändern der gutenGesellschaft angesiedelten, Menschen zum Ausdruckbringen sollten. Der mit einer ausgeprägt breiten lJnter-

24 Sogenannrer Großer Schlachtsarkophag Ludovisi, 3.Viertel 3.Jh. n. Chr.Rom, Museo Archeologico Nazionale delle Terme di Diocleziano

Iippe weit geöfTnete Mund des Fischers dominiert imschlaffen, unter den stark hervortretenden Wangenkno-chen eingefallenen Inkarnat r-rnd erweckt in der Kombi-nation mit den kaum weniger weit aufgerissen vor sich

hin stierenden Augen unter hängenden Orbitalwälstenden lindruck stumpfsinniger Blödigkeit. Obwohl dieStirn in wulstige Sorgenfalten gelegt ist, vermittelt sie hier,ganz im Gegensatz zu den zuvor betrachteten Barbaren-

25 Kopfder Statr:e eines alten Angelfischers.

Rörnische Kopie nach einem griechischen Vorbilddes späten 3.Jhs. v. Chr. Rom, Vatikanische Museen

Statr:e einer alten Landfiau. Römische Kopie nachspäthellenistisch-griechischem Vorbild.

New York, The Metropolitan Museum of Ärt

27

z7 Kempf zwischen Lapith und Kentaur,

süd-MetoPe z d;;T'51:" t ^'o*,

bildern, alles andere als eine dynamisch energische Span-nung. Dazu trägt sehr wesentlich auch das kraftlos herab-gesunkene Untergesicht bei, welches dem Antlitz imgenzen die Aura einer starren inneren Leere verleiht. Dasgleiche gilt fur das runzelige Gesicht der Landfrau.Ihr of-fener Mund scheint, wie der gesamte übrige Teil ihrerPhysiognomie, unter der Anstrengung, die Last ihresschweren Korbes zu tregen,gleichsam zu Boden gezogenzu werden. Der Gesamtausdruck ihrer Miene ist aus-schließlich vom mühevollen Los ihrer Tätigkeit geprägt.

Da es solchen Gestalten an Erziehung, Bildung undallen Möglichkeiten einer angemessenen Schulung ihrerFähigkeiten zur intellekruellen Einsicht und Vernunftmangelte, verkörperten sie den gleichsamprimitiven Roh-zustand, die unterste Entwicklungsstufe des menschlichenSeins. Als >Outcasts< hatten Fischer, Landleute, Betder undKrüppel an den sittlichen Idealen und Gesetzen der kul-tivierten Polisgemeinschaften ebensowenig wie an derensozialen Begegnungen, religiösen Ritualen, politischenVersammlungen und aufirendigen städtischen Festen denAnteil, den das gehobene Bürgertum ftir sich beanspru-chen konnte. Erstere partizipierten allenfalls an LindlichenKultfeiern, die sie überdies mit ihren'Waren belieferten.Die Landfrau in New York trägt denn auch entsprechendeinen Efeukranz im Haar. C. Kunze hat in neuerer Zeiteinleuchtend ebenso für den Fischer im Vatikan eine sol-che Funktion wahrscheinlich gemacht.Te Die stetig erfor-derliche geistige Übung, ihren Verstand in der Praxis des

z8 Kopfdes hängenden Marsyas im sogenarnten rotenTypus. Römische Kopie nach hochhellenistiscb-

griechischem Vorbild. Rom, Prbzzo dei Conservarori

zivilen Lebens immer klarer herauszubilden und zum in-neren Richtmaß werden zu lassen - eine Praxis, in der Ari-stoteles die unabdingbare Notwendigkeit zur Erlangungmoralischer und geistiger Tugenden sah - sowie die theo-retische Intelligenz, welche in allem eine ununterbro-chene Kette von (Jrsachen zu durchschauen vermochte,fehlte ihnen ebenso wie die Erkenntnis der eigenen Un-wissenheit und Unvollkommenheit.

Die wichtigsten Bedingungen zur Erlangung der soph-rosyng das Potential der überlegten

'Wahl eigener Hand-

lungsziele gemäß der anerkannt guten Normen, dieprohairesß, waren für sie von vornherein gar nicht gege-ben.80'W'enn auch nicht tatsächliche Sklaven, so waren siedoch rSklaven von Natur<, da ihr Leben nahezu aus-schließlich auf dem Gebrauch ihrer Körperkrafte ba-sierte.81 Selbst wenn derarrige, womöglich auch alsVotivstatuen in Heiligtümern aufgestellte Bilder die Dar-gestellten nicht wirklich peiorativ stigmatisierten und inerster Linie dazu dienten, dem Ambiente, in dem manihnen begegnete, eine bukolisch- heitere Atmosphäre zuverleihen sowie das Landleben in schwärmerischer Ver-klarung in die eigene, intakte Welt zu integrieren,s2 ent-fernten sie sich von den Darstellungskonventionen deridealen bürgerlichen Repräsentationskunst dabei dochnicht weniger als die zuvor gezergten.'Wie bei jenen be-stand ihre wesentliche Funktion darin, das Eigene, Zivi-lisierte. Kultivierte und Kontrollierte vom anderen alsdessen Ge genteil abzusetzen.

Rückt man schließlich vorrangig die formale Gestaltung

der hier betrachteten Denkmäler nochmals ins Blickfeld,

so scheint es verblüffend, wie unmittelbar die Komposi-

tionen vieler Bilder in der grundsätzlichen Konzeption

ihres Enrwurfs den in den Schriftquellen faßbaren Vor-

stellungen entsprechen. In diesem Sinn standen den sicht-

lich in ihrer >rechten Mitte( befindlichen Gesichtern des

Guten die Mienen des Bösen, Bedrohlichen oder Grenz-

wertigeir in der Frühzeit noch in einem eher schlichten

bildlichen Gegensatz von mimischer Ruhe versus mimi-

scher Bewegung gegenüber. Im Verlauf der Jahrhundertedefinierten sich, parallel zu dem auch sonst sichtlich zu-

nehmenden Interesse an der Beschaffenheit, Kategori-

sierung und Schilderung von Gefuhlen, entsprechende

Gegenbilder dann jedoch nicht selten erheblich differen-

zterter, indem eine moralische Bewertung positiver und

negativer Emotionen mit unterschiedlichen formalen Ge-

staltungsprinzipien verknüpft wurde: Hier mit einer in

sich gleichgewichtig ausbalancierten mimischen Bewe-

gung, bei der die harmonische Geschiossenheit des Ant-

litzes im ganzen gewahrt blieb, dort mit einer erheblich

tiefer greifenden und nicht selten akzentuiert ungleich ge-

wichteten Dynamik, in der das Gesicht sichtlich >aus den

Fugen< geriet.Kontrastierten in diesem Sinn einige besonders expres-

sive Kentaurenkopfe der um die Mitte des5.Jahrhunderts

v. Chr. geschaffenen Stid-Metopen des Parthenon (Abb.2,

nicht zuletzt in der bereits leicht asymmetrischen Anlage

ihrer wild verzerrten Zige nit den im Kontrast dazu stets>in der Balance< befindlichen Antlitzen der Lapithen, so

wurde das heftige Leid des wohl hochhellenistischen ge-

schundenen Marsyas (Abb.28)83 ganz und gar durch die

nun extreme Asymmetrie seiner physiognomischen und

mimischen linzelformen geprägt. Der geöffnete Mund

des hybriden Frevlers, in dem die Zähne blecken, ist

schräg von links oben nach rechts unten verzogen. Die tief

unter denJochbogen liegenden Augen werden von un-

regelmäßig verspannten Brauen überschattet; die zusam-

mengezogene Nasenwurzel setzt sich in mehreren klein-

teilig gegeneinander gesetzten Wölbungen der Stirn fort,

welche dem Inkarnat an dieser Stelle eine sich r.rnruhig ge-

geneinander verschiebende Beweglichkeit verleihen; die

gesamte Gesichtsfläche endlich scheint in sich verzogen.

Wie ausgeprägt gleichgewichrige oder ungleichgewich-

tige Gestaltungsprinzipien zur Anwendung gebracht wer-

den konnten, um gute, grenzwertige oder bedrohlicheLeidenschaften mimisch zu klassifizieren, wird bei denje-

nigen Figuren des Mythos besonders deutlich, die, ihrem

Wesen nach ambivalent, sowohl positive als auch negative

Charakterzüge in sich vereinten und in der Folge dann

z9 Achill und Chiron.

Attisch rotfigurige Nikosthenische Amphora, spätes 6.Jh. v. Chr.

Patis, Mus6e du Louvre

entsprechend auch formal einmal auf diese, einmal aufjene Weise bildlich geschildert wurden. So etwa bei den

Kentauren, unter denen es ja durchaus auch einige lie-

benswerte Vertreter gab, oder vor allem bei den Satyrnund Silenen, welche, zum Gefolge des Dionysos gehorigsowie als mögliche Verkörperung des männlichen >alter

ego<, eher die stets potentielle Gefahrdung des Menschen

dr-rrch äbermäßigen Rausch und Lüsternheit als die Ge-fahr selbst verkörperten.8a In diesem Sinn tritt der Ken-

taur Chiron, der im Pelion-Gebirge zahlreiche Helden,

darunter auch Iason und Achill, ganz im Sinne der idealen'W'erte

und Tirgenden der griechischen Gesellschaft erzog,auf zahlreichen Vasendarstellungen, wie etr,va im Bild

einer spätarchaischen Nikosthenischen Amphora in Paris

3o Kopfdesjugendlichen Kentauren aus der Gruppe

des Aristeas und Papias. Römische Kopie aus

der Villa Hadriana nach späthellenistisch-griechischem Vorbild

Rom, Museo Capitolino

29

3r Kopf des sogenannrcn Saryrn ir.r.r Schweinsfell.llömische Kopie nach späthellenistisch-griechischem Vorbild.

Kasscl, Staatlichc Äntikcnsanrmluns

mit dem kleinen Achilleus im Arm (Abb.z9),85 nicht nurin zivilisiertem Habitus eines Bürgers auf. Auch sein Ant-Iitz unterscheidet sich, vom gepflegt frisierten langen Haarelegant gerahmt, mit den schönlinigen, edel entspannrenGesichtszügen auf eklatante

-W'eise von den furchterre-

genden Mienen seiner Artgenossen in ihren Schlachten,welche gerade diese

'Werte bedrohlich außer Kraft setz-

ten.86 Das gleiche gilt insbesondere ftlr den jüngeren derbeiden Kentauren der bekannten hellenistischen Gruppe,deren aus der Villa Hadriana srammende Repliken vonden Bildhauern Arisreas und Papias signiert *.r.d.r, (Rbb.3o)." Wenngleich nicht völlig frei von den charakteristi-schen Kennzeichen seiner wilden Natur, gibt dieser sichdoch mit seiner grundsätzlich gleichgewichtig bewegren,zum Lachen verzogenen Mimik in ausgelassener Heiter-keit den Freuden des lros hin, der aufseinem Rücken rei-tet. Damit vermittelt er sich dem Betrachter weniser alsein bedrohliches, denn als ein grenzwertiges, in seiner ge-nuinen Unbezähmbarkeit >riber die Srränge( schlagendes- und in der Folge durchaus anziehendes -'Wesen.

Vor allem in den Gesichtern der Saryrn begegnen wir,besonders in hellenistischer Zeit, sehr zahlreichen unrer-schiedlichen Facerten, welche den enrsprechend vielftil-tigen Charakterzügen ihres

'W'esens unmitteibaren Aus-

druck verleihen.s8 Während das vom gelockten Haarweich gerahmte Antlitz des wohl späthellenisrischen so-

3z Saryrkopf ans der sogenannten Grr-rpper>Die Äuffordcrung zum Tanz<.

Römische Kopic nach griechischem Vorbild ans dem z..fh. v. Chr.Princeror Uuiver:iry. Thc Art Mu:eunr

genannten Saryrknaben im SchweinsGll (Abb.3r)8e nur inleisen Spuren seiner leicht zum Lächeln verzogenen phy-siognomie die ihm eigene sexuelle Macht zur Verfuhrungund Verfuhrbarkeit andeuter, wirkr die im ganzen ange-spanntere Mimik seines Bruders aus der wohl im z.Jahr-hundert v. Chr. geschaffenen Gruppe. rDie Aufforderung

33 Bronzestatue des sogenannten rschnippchenschlagenden,Saryrs. Rörnisthc Kopie nach späthellenistischem Vorbild,

aus der Villa dei Papiri bei Herculaneum.Neaoel, Museo Archeologico Nazionale

3o

34 Kopfeines Afrikaners,z.Jh. v. Chr.New York, The l3rooklyn Museum

^)m Tanz< (Abb.3z)'0 mit seinen im heftigen, dionysi-schen Lachen freiliegenden Zahnen und der unterschied-Iich verzogenen Brauenpartie deutlich unbezähmbarer,wenngleich im harmonischen Gleichgewicht aller Pro-portionen doch eher maskenhaft, als von tatsächlich un-heimlicher Leidenschaft geprägt. Der im Vollrausch schwan-kend auf einen Weinschlauch hingestreckte, wohl auf einVorbild des späten z. Jahrhunderts v. Chr. zurückgehendesogenannte >schnippchenschlagende< Satyr (Abb. 33)er ver-sinnbildlichte hingegen die vollkommene Enthemmungunkontrollierter Tiunkenheit. Die ruckartig ausfahrendenBewegungen des verzerrt tordierten Körpers, der in denNacken gelegte, im Verhältnis zur i.ibrigen Gestalt wicherumgerissen wirkende Kopf und das im lallend-lar-menden Rausch asymmetrisch zergliederte Antlitz mitdem weit aufgerissenen Mund, aus dem die obere Zahn-reihe hervorbleckt, wird in seiner orgiastischen, für einGegenüber nicht mehr erreichbaren, -Ekstase nun durch-aus auch eine bedrohliche Komponente gehabt haben.Und dies umso mehr, alsjedes einzelne motivische Detaildes-Werkes hier explizit daraufhin angelegt zu sein scheint,die gesellschaftlich anerkannten Ausdrucksformen undVerhaltensideale der zeitgenössischen bürgerlichen Re-präsentationskunst zr1 sprengen. Kaum zufüllig sind riber-dies hier, anders als bei den zLrvor genannten Saryrn, mitden lang gezogenen Spitzohren, den Hörnen, die aus sei-ner Stirn emporwachsen, und dem Ziegenbart dann auch

Römische Bronzcstatuette eincs Nubiers,

nach hellenistischem Vorbild.

Paris, Bibliothöqne nationale cle France

die >tierischen< 'Wesensztlge

des Tlunkenen in massierterAkzentuierung hervorgehoben.

Das Potential ambivalenter -Wertllngen

wurde auchin anderen Themenbereichen analog realisiert. Mit derbewegungslos in sich ruhenden, schönen( Mimik eines,ausgesprochen sorgfültig in seiner ethnischen Eigenart ge-schilderten, Afrikaner-Kopfes in New York (Abb.3a)scheint in diesem Sinn ein eher fasziniertes Interesse ander exotischen Andersheit denn eine peiorative Abwer-tung des Dargestellten verknäpft worden zu sein.e2 Indeutlichem Kontrast dazu steht die Bronzestatuefte einesNubiers in Paris (Abb.35),'3 dessen verschobene Gesichts-fläche von einer formelhaft heftig verspannten Stirn, insLeere stierenden Augen sowie einem mit schlaff herab-hängendem Kinn weit geöffneten Mund bestimmt wer-den; Chiffren, die ihn demnach ganz offensichtlich alsVertreter einer gering geachteten, unkultivierten Fremdestigmatisierten.

Selbst das pathetisch unschuldige und das allzu heftigeschlechte Leid standen in einem vergleichbaren formalenGegensatz, wie die Gegenüberstellung des Kopfes einesder unglticklichen Söhne Laokoons (Abb.36)'qa mit demeines besiegten Galliers aus dem bereits genannten hoch-hellenistischen Siegesanathem Attalos rr. (Rbb. 37) doku-mentiert. Obwohl sichtlich in der Bewegung des Schmer-zes erfaßt, bildet das Antlitz des vom Tod bedrohten Kna-ben gleichwohl eine nach wie vor in sich harmonisch ge-

3r

36 Kopfdes älteren Sohnes aus der Laokoon-Gruppe.

Rom, Vatikanische Museen

schlossene Ganzheit, während das des sterbenden Feindesin asymmetrischer Verzerrung aus den Fugen geraten ist.Ein Kontrast, der kaum der späteren Entstehungszeit derLaokoon-Gruppe allein geschuldet sein dürfte.Jener hatteals unschuldiges Opfer des Schicksals, konform mit denVorstellungen des Aristoteles, das Mitleid des Betrachtersverdient, dieser erhielt lediglich die ihm gebrihrende Strafeund gibt sich im Bild bis nrletzt als ein die griechischeOrdnung leidenschaftlich ge{lihrdender Charakter zo er-kennen. Bei dem zähnefletschenden Ixion, der im Innen-rund einer im frtihen 4.Jahrhundert v. Chr. entstandenenitalischen Schale in Tübingen (Abb.3A) auf schreckliche'Weise

gerädert seinen Frevel auf ewig im Hades verbüßt,scheinen Schmerz und Wut in analoger'Weise zu einerbedrohlichen Maske der Abschreckung verschmolzen.es

Die hier skizzierten >Muster< fur eine Polarisierung posi-tiver und negafiver Leidenschaften haben, als inhaltlicheLeitvorstellungen ebenso wie als formale Prinzipien, ihregrundsätzliche Gültigkeit bezeichnenderweise nie völligverloren und die Geistesgeschichte sowie die Bildkunstder Folgezeiten bis in die unmittelbare Gegenwart hineinimmer wieder nachhaltig geprägt.e6 In diesern Sinn folgtendie Mienen der guten, ins Paradies gewiesenen und derschlechten, zur Hölle verdammten Seelen in vielen Welt-gerichtsdarstellungen des Mittelalters, wie etr,va in demgegen r23o entstandenen Lünetten-Relief des Fürstenpor-

37 Kopfder Statue eines besiegten Galliers

von einem Siegesanathem Attalos rr. $59-139/38 v. Chr.).

Römische Kopie. Venedig, Museo Nazionale Archeologico

tals des Bamberger Doms (Äbb.39) den gleichen Geset-zen. Zor rechten Seite des thronenden Christus werdendort die in vollkommen gleichgewichtrger Harmonie ge-stalteten Gesichter der Seligen von einem breiten, mit ge-schlossenen Lippen ausgeftlhrten Lächeln bestimmt. Zurlinken sind die durch einen Ingel mit hoch aufragendenFlügeln vom heiligen Richter abgeschirmten Verdamm-ten nicht nur durch exaltierte Gesten und verrenkte Posen.

38 Der geräderte Ixion. Italische Schale, um39o./8o v. Chr.

Tübingen, Archäologisches Museum der Universität

j 2

39 Bxmberger Dom, Fürstenportal' Lünettenrelief >Das Jüngste Gericht" um r23o

4o Das Brustmartyrium der heiligen Agathe' aus:

rl-e Livre d images< der Madame Marie, St' Agatha' um r3oo'

Paris, Bibliothöque nadonaie de France

sondern im besonderen auch durch mehrfach Zähne blek-

kend verzerrte sowie mit angespannten Brauenbögen und

markant einge grabenen Stirnfurchen zergliederte F t a:tzer.

stigmatisiert. H.ol.n, Schreien, Schmerz und irres Ge-

bÄt.. sind als abgründig entgleiste, mit ihren Sünden un-

mittelbar verkntipfte Affekte allein auf ihrer Seite' Die

Schrecken der Holle spiegeln sich in ihren Gesichtern

noch bevor sie den Ort ihrer Verdammnis erreicht haben'

waren bereits zu ihren Lebzeiten in ihren rungeordneten''

Seelen präsent. Paradies und Hölle manifestieren sich in

,n"tog* mimischer Polarisierung im Paar des Engels und

eines-dämonischen Teufels, welcher die Frevler mit einer

schweren Kette von Christus fort an den furchterregen-

den Ort ihrer ewigen Zuktnft zieht'e7

lJm r3oo bleibt äas Antlitz der heiligen Agathe - in der

sanft beeindruckenden Macht des göttlich Schönen' wel-

ches ihre Seele wie ihre Physis bestimmt - selbst im Er-

leiden ihres Brustmartyriums (Abb' 4o)e8 den Schmerzen

der furchtbaren Marter ungeachtet, gänzlich unberührt'

Ihre brutalen Peiniger tragen hingegen die charakteristisch

verspannten Mienen der grausamen- Gewalt zur Schau'

wahrend sie die weißhautig fein geformten' entblößten

Brüste der Märtyrerin mit glühen den Zangen malträtie-

ren. Der bärtige rechte von ihnen ist pathognomisch mit

seiner gerunzelten Stirn, den zusammengekniffenen Na-

,.t*i-".In und einem brutal geoffneten' zähnefletschen-

den Mund regelrecht entstellt' Die versuchte Vernichtung

33

iJ

Obwohl Ändrea Mantegna in seinen beiden, heute in'Wien und Paris befindiichen, Bildern des heiligen Seba_

stian im Gegensatz dazu das Antlitz seines Märtyrers je_weils deutlich vom Schmer z gezerchnet schilderte _ unddamit der in der Renaissance vehement diskutrerten For_derung nach einer grundsätzlichen Teilhaberschaft des Be-trachters an der Gestaltung von Affekten in der biidendenKunst nachkam -, wird dessen Xmotion mimisch dabeinahezu ausschließlich auf seinen leidvoll zum Himmel ge_richteten Blick sowie im früheren, 1456 bis r45g geschaffe_

11n Wgrk (nbb.+t) auf eine ganz leichte öffno,rg d.,

Lippen beschränkt.ee Den im tatsächiichen.Wortsinn zumMitleid auffordernden Schilderungen des heiligen pathos,die formal kaum zufillig dem iarmonisch "g.rt"lt.t.,,

Schmerz des Laokoon-Sohnes (Abb.3O) verwandt sind,steht in der späteren, um r4go entstandenen Bildfassungdes Themas in paris100 das nicht nur physiognomisch stig_matisierte, sondern ebenso pathognomis.i, bor., Zihnebleckende und mit seiner üLermrßig.r, Brauenkontrak_tion, den Zornesfalten der Stirn und Jen hervortretendenÄdern auch im übngen Gesichtsfeld von negativen Leiden_schaften,dissonant geprägre Gesicht .irr., üog.rrrchützen(Abb. az) dann im gesuchten Kontrast gegÄtiber. Iine

des in AgatheGott gegebeneTriumph, denn

Andrea Mantegna, Der lreilige SebastianWien, Kunsthistorisches Museum

inkarnierten festen Glaubens an die vonOrdnung beschert den Folterern keinensie bleibt erfolglos. Der intakten äußeren

rrscheinung des Gute' steht die zerstörte cles tsösen imgleichen Kontrast wie die unantastbare innere Ordnungder.Seele hier der zerstörerischen lJnordnung dort gelgenrltler. 4z Andrea Mantegna, Der heilige Sebastian (Ausschnitt)

paris, Mr-rs6e du Louvre

34

43 Kreuztragung, HieronymusBosch zugeschrieben.

Cent. Mu:et tm voor Scl tone Kunsten

Albrecht Dürer zugeschriebene und mit einem Werk-

stattmonogramm des Jahres r5rz versehene Studie zum

zornigen, unsteten und unkeuschen< Choleriker wäre in

ihrer brüsken Beweglichkeit, den tief in den Hohlen lie-

genden, blitzenden Augen und dem Zähne wie Zunge

freilegenden offenen Mund analog auch jedem antiken

Betrachter formal wie inhaltlich verständlich gewesen.1o1

In dem Hieronymus Bosch zugewiesenen, zwischen

r5ro und 1535 geschaffenen Gemälde der Kreuztragung in

Cent (Abb.43)102 wird das in stillem Leid mit geschlosse-nen Augen gesenkte Äntlitz des gequältenJesus von den

vielfaltig verzerrten Mienen und Fratzen seiner Spötter

und Peiniger in regelrecht bedrängender Dichte um-

schlossen. Johlendes Lachen, Brüllen, Geifern, -Wut

und

höhnisches Spotten spiegeln sich in verkniffenen oder

verzogenen Lippen, aufklaffenden Mündern mit blek-

kenden Zahnen oder hervorstehenden Zahnstummeln,

zerfurchten oder zornig verzogenen Stirnen, zu Schlitzen

verengten oder weit aufgerissenen Augen wider. Die

furchterregenden Imotionen der Sünder bilden mit ihren

groben und entstellten Physiognomien einen gleichsam

naturgegebenen Verbund und ballen sich zu einem über-

wältigenden Schaubild der abstoßendsten Hißlichkeit.44 Der Wahnsinn. Charles Bell,

of Expression as Conneited

>The Anatomy and Philosophy

with the Fine Arts<, 18o6

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45 rGenerll Frost Shaviug Little lloney<,englisches Plakat ar-rs cleniJahr r8rz. Lonclon, British Muser,rni

Nur Maria und Vcronika, welche lrit sanftem Lächeln daslcgcndäre Schwei{Jtuch mit dem Alrbild des Heilands prä-scntiert, gehören, links untcn im Bild, zu Jesus' Sphäre.l)ie ungeachret dcs leidvollen Grauens in sich ruhendenMieueu des göttlich Guten schlie{Jen die drei Heiiigen ineincr sic fcst mitcinandcr verbindenden, inneren wie är.r-ßeren, Schönhcit zusammen, wclcher abermals die Kraftvölliger Unbcrührbarkeit und dic Macht cwigcr lJnan-tastbarkeir aneignet.

Die uns bekannten, das Gleichgewicht dcs Gesichrs-ausdrucks sprengenden mimischen Formeln bcgcgnenuns analog dann auch in den verwerflichen Lcidenschaf-ten derjenigen Zeichnungen wiedcq rnit dcncn der fran-zösische Hofmaler Charles Lc Brun - erster Direktor derPariscr Acad6mie Royale des Beaux-Arts - seine einfluß-reichc, r668 fertiggcstcllte, kunsttheoretischc Abhandlung>Conf6rencc sur l'cxprcssion g6ndralc et particuliöre< vi-

sualisierte.l03 Der schottische Anatom und PhysiologcCharles Bell, auf dcn sich Charles Darwin später als Weg-bcreiter seiner eigcncn Forschungen beric{ hiclt in seiner18o6 erschienenen Abhandlung >The Anatomy and Philo-sophy of Expression as Connccted with the Fine Arts< sei-nerseits das Bild des Wahnsinns in einer Zeichnung fest(Abb. ++), welcher nahezu särntliche Merkmale dcr vonnegativcn Affekten geprägten Pathognomien in sich vcr-eint. Das WahnsinniglTierhafte gehörte seincr Überzcu-gtrng nach nicht zur conditio humana, zeigtc Gcisteslecrc(,>vacancy of mind<), animale Leidenschaften (>animal pas-sion<) sowie Brutalität. Die ihrn zugehörige, verze rrt roheMiene versinnbildlicht in ihrer furchterregenden, bestiali-schen Wildheit einen Charakter, der als vollkommencNegation der moralisch humanen Ordnung dann auchsichtlich in Gefangenschaft gchaltcn werden muß.l{}a Einfrtihcs, r8rz in England enfworfenes Plakat rnit dcm Tirel

46 R. Louvat, >French Resistance Helps throttle the Boche<.

Paris, Bibliothöque nationale de France

>General Frost Shaving Little Boney< (Abb.45)105 zeigtineiner ebenso einfallsreichen wie bitter ironischen Karika-tur die vertrauten Chiffren in markanter Überspitzung:Der eisige Winter Rußlands attackiert - mit lang zur Seitewehendem weißem Schnurrbart und einem Eisberg alsMütze - in der Gestalt eines riesigen Dämons Napoleon,welcher ihm, vor Kälte schlotternd. nur bis zur zottigenBrust reicht mit seinen Klauen und einem Beil aus glit-zerhartem russischem Stahl. Gleichzeitig kommen unterden mächtigen Pranken des Monsters je ein Haufen win-zig kleiner französischer Soldaten klaglichst zu Tode. Hierkünden die Mienen sämtlicher Akteure im Bild von derenbösem Charakter. Die weit aufgerissenen Glotzaugen unddas mit spitzen Hauern wie brüllend aufgerissene Mauldes Dämons, aus dessen geblähten Nasenflügeln Schnee-stürme hervortoben, ebenso wie der zähnebleckend vomgrausamen Frost umklammerte, hybride Feldherr, aus des-sen kaum minder großen, ängstlich zu seinem Peinigeremporgerichteten Augen dicke, peinliche Tiänen hervor-kullern. Selbst mit den toten oder sich sterbend in ver-renkten Posen im Schnee windenden Ttuppen vermagman nicht wirkliches Mitleid zu empfinden. Einer vonihnen bäumt sich am rechten unteren Bildrand mit klaf-fend nach unten verzosenem Mund noch ein letztes Mal

47 Churchill, englisches Plakat aus demJahr r94o.

London, Imperial War Museum

auf, während, wie zum Hohn, noch ein Fähnchen überihm flattert. In einem Jahrhundert, dessen Persönlich-keitsvorstellung fest in den Forderungen nach einer strik-ten linheit von innerer Regung und äußerer Erscheinungsowie einer strengen Selbstkontrolle des Geftihllebens ge-prägt war, in dem Spontaneität mit Abnormität verknüpftwurde, hatte eine derartige >Karikatur< keineswegs eineausschließLich humoristische Note.106 Auch der vom-Wür-gegriff der französischen Rdsistance vor blau-weiß-rotenFlammen gequälte Nazi-Soldat auf einem 1944 von R.Louvat in London herausgegebenen Plakat (Rbb.aO) er-leidet einen verdienten Tod.107 Der in ihm stellvertretendverkörperte deutsche Nationalsozialismus geht mit asym-metrisch verzogener Miene und einem weit aufgerissenenMund zugrunde, aus dessen dunkler Höhle die obereZahnreihe in markantem Weiß hervorleuchtet. Im Kon-trast dazu war das, ungeachtet der hinter seinem Rückenheranrollenden Panzer und der zahlreich den Luftraumbedrohenden Bombenflugzeuge, vollkommen gelassen insich ruhende Gesicht Winston Churchills (Abb. a7) offen-bar ganz dazu angetan, im bedrohlichen Kriegsjahr r94oberuhigend auf seine Betrachter einzuwirken.los Der ge-schlossene Mund des Staatsmanns, der überdies kaum zu-fallig im traditionellen zivilen Habitus des englischen

37

Bürgers auftritt, scheint sogar zu einem leichten, ztrveFsichtlichen Lächeln verzogen. Sein sichtliches Vertrallenin den Sieg der rechten Ordnung, die Miene des Guten,die durch das Böse nicht aus dem Gleichgewicht gebrachtwerden kann, beglaubigt deren unerschütterlichen Fort-bestand. Vierzehn Täge nach dem rr. Septemberzoor ver-breitete die Nachrichtenagentur Associated Press einangeblich von einem unmittelbarenZeugen der Katastro-phe aufgenommenes Photo: Vor der schwarzen Rauch-kulisse der brennenden Tärme des World Tiade Centershebt sich eine schreckliche Fratze ab, welche die ucra icon

Jesu des Turiner Leichentuchs in eine asymmetrisch ver-zerrte Teufelsmaske mit verkniffenen Augen, böse zu-sammengepreßten Lippen und einer großen, knolligenNase verwandelt. Die von der Nachrichtenagentur aus-drücklich betonte lchtheit des Dokuments, das an dieGeister- oder Phantomphotographien des späten rg. undfrühenzo.Jahrhunderts erinnert, wurde von der Stiddeut-schen Zeitung kommentarlos kolportiert.lOe Das Bild

schien in seiner symbolischen Kraft der unfaßbaren Be-drohlichkeit der zerstörten Ordnung angemessenen Aus-druck zu verleihen. Die Gültigkeit seiner Aussage machtedas an sich zweifellos bewußte Gebot einer kritischen Di-st^nz - angesichts des heutigen Potentials digitaler Bild-manipulationen - offenbar weitgehend irrelevant.

Vor der Foiie dieser Betrachtungen scheinen abschließendzwei Phänomene besonders bemerkenswert. Zum einender zunächstja durchaus überraschende [Jmstand, daß wirgerade in den Bildern von Gut und Böse, das heißt in denkünstlerisch gestalteten Darstellungen von Emotionenund Leidenschaften immer wieder auf mimische Form-konstanten treffen, die einen ungebrochenen Bogen vonder Antike bis zur Gegenwart spannen. Konstanten, die,sofern die mit den Bildern verknüpften Botschaften aufvordergründig verscindliche, rmoralische< Aussagen zielen,l1Oeben auch nach dem Beginn der ästhetischen Moderne,welche sich verstärkt den >unlogischen<, grimassierenden,extravaganten Gesichtern zuwandte, ihre Gültigkeit be-wahrt haben; man denke et'vva an die halluzinatorischenIntrospektionen lgon Schieles, die fast karikaturistischenPhysiognomien George Grosz', die verstörend verzerrtenMenschenbilder Bruce Nauman's oder an die mehrfachtiberblendeten >Anderen Porträts(( von Thomas Ruff.r11Zum anderen, daß ungeachtet der vielfältigen historischenund kulturellen Veränderungsprozesse, denen die

'W'ahr-

nehmungen, Kenntnisse und Bewertungen von Geftihlen,Leidenschaften und Affekten ebenso wie deren Artikula-tion und Kommunikation im Lauf der Jahrhunderte un-terworfen waren,112 die Vorstellung einer grundsätzlichenFörderlichkeit ihrer maßvollen Eindämmuns stets erhal-

ten blieb. Vehemente Forderungen nach einer vernünfti-gen Domestizierung nahezu sämtlicher Emotionen durchSelbstkontrolle erleben, als vorrangiges Ideal eines sozial-psychologisch angemessenen zwischenmenschlichen Um-gangs der Gesellschaft, gerade heute wieder einen nahezuüberbordenden >Boom<.113

-Wenden wir uns zunächst der visuellen Grammatik der

Affekte. das heißt deren im tatsächlichen Wortsinn sicht-bar gemachten Schilderunger. zu, so stimmt der weitge-hend überzeitliche Konsens, in dem die Bildkunst Geftihlein mimische Bewegungen kleidet, mit neuen Erkenntnis-sen der aktuell besonders virulenten Emotionsforschungüberein.l1a In unserem Zusammenhang sind dabei vor-nehmlich (Jntersuchungen interessant, die auf der Basisvon Messungen der Gesichtsmimik über Video- undComputeraufzeichnungen (Split-Screen-Verfahren) de-taillierte Beobachtungen und Beschreibungen einzelnerMuskelaktivitäten besrimmten Affekten zuschreiben. Dieseit den rgToerJahren zuerst durch den amerikanischenPsychologen Paul Lkmannlls entscheidend beeinflußtenund in der Folgezeit auch von den sogenannten Neuro-wissenschaften stetig vorangetriebenen Studien gehenderzeit von der Annahme aus. daß dem Menschen einGrundbestand von mindestens sechs verschiedenen mi-mischen Ausdrucksformen - Freude, Abscheu,zEkel,Überraschung, Tiauer, Zorn und Angst - angeboren sowiean die authentische Empfindung der entsprechendenEmotionen gekoppelt ist. Die Unmittelbarkeit der Ver-knüpfung des jeweiligen Geftihls mit der ihm entspre-chenden Mimik geht dabei so weit, daß sich bei einemkünstlichen< Einnehmen einer solchen Miene, das heißt,nach einer bewußten Herstellung sämtlicher der ftir dieGrundgeftihle verbindlichen Muskelkontraktionen rm

Gesicht, allmehlich die diesen zugeordneten tatsächlichenemotionalen Empfindungen, oder zumindest affektive Er-innerungen an gleichermaßen geftihlte Xreignisse, in

einem Rückkoppelungsprozeß einstellen. Spontan bleibtder Ausdruck als solcher unwillktirlich, kannjedoch durchein gewisses Maß an Kontrolle übertrieben, untertrieben,neutralisiert oder partiell maskiert werden.116 Eine wirk-lich perfekte Täuschung gelingt, zumindest kurzfristig, inder Regel gleichwohl nicht, da bewußt aufgesetzte, dasheißt rfalsche< Mienen bei aufmerksamer Betrachtung undexakter Messung bemerkenswerterweise Asymmetrien -

bei Rechtshandern vorwiegend in der rechten Gesichts-hilfte, bei Linkshändern in der linken - aufiveisen, wäh-rend geftihlsmäßig authentisch geprägte eine in sich gleich-gewichtige Bewegung aufiveisen. Ein Phänomen, welcheseinerseits das in der antiken sriechischen Kulrur vorherr-schende Ideal der irechten M]te, u- eine weitere, gleich-sam von einer natürlichen Ordnung vorgegebene Gesetz-

38

l.

48 Die mimischen Ausdrucksformen der 6 Grundemotionen des Menschen

Freude, Abscheu ./ Ekel. Überraschung. Trruer, Zorn, Angst.

Nach eiler Snrdie von Paul lkman (Split-Screen-Verfahren)

lichkeit bereichert. Andererseits aber auch das Potential

einer stets möglichen Erkennbarkeit vorgespiegelt falscherEmotionen im natürlichen iBild< der Mimik arfzeigt.ltT

Vergleicht man die auf diese 'Weise

ermittelten mimi-

schen Grundmuster der menschlichen Nanrr (Abb.4A) mit

den zuvor betrachteten Darstellungen der Bildkunst, so

scheinen ihre grundsätzlichen Übereinstimmungen evi-

dent. Die konstante Gältigkeit der mimischen Formen

beruht demnach nicht auf ideellen religiösen, philosophi-schen oder kulturellen Konstrukten. sondern primär auf

einer gleichsam innermenschlich vorgegebenen, wenn

man so will psychisch festgeschriebenen Gestalt, welche

gleichermaßen in der Wahrnehmung des bildenden

Künstlers wie der des Betrachtes eines 'Werkes

als nafur-

gegeben, das heißt als authentisch erkannt wird. Die Be-

deutung eines Gesichtsausdrucks wird ebenso natürlich

erschlossen, wie die Imotion an diesen gekoppelt ist.

Seine Sinnkonstruktion ist keinem Semantisierungspro-zeß unterworfen, sondern basiert auf anthropologischenAusdrucksuniversalien; das rGegenüber< istjenseits einer

39

arbiträren Sprache lesbar. Ideologische Botschaften, wel-che erst in den komplexeren bildlichen Kontexten derMienen vermittelt werden, verfügen hier über ein direk-tes, tatsächlich auf den )ersten Blick< verständliches Kom-munikationsmedium.

Stellt man die Flüchtigkeit, welche der Wahrnehmungbewegter Gemütszustände in der Lebenswirklichkeit an-eignet ebenso wie die jedem Geftihl an sich bereits im-manente Instabilität in Rechnung, so kommt - jenseits

aller wissenschaftlichen Meßverfahren, einschließlich des>Split-Screenings< der zeitgenössischen Imotionsforschung- vor allem der Kunst das zweifellos mächtigste Potentialzu, das'Wesen einer Emotion gestalterisch zu bannen undin verdichteter Eindringlichkeit zu vermitteln. Nicht zu-letzt aus diesem Grund wird Platon ihre Macht gefürchtethaben. Ganz ähnlich forderte Aristoteles in seiner >Poe-tik<, Maler und Dichter sollten die Menschen nicht sonachahmen, wie sie seien, sondern wie gute Porträtmaler:rDenn auch diese geben die individuellen Züge wiederund bilden sie ähnlich und zugleich schöner ab. So sollauch der Dichteq wenn er jähzornige, leichtsinnige undandere mit derartigen Charakterfehlern behaftete Men-schen nachahmt, sie als die, die sie sind, und zugleich alsrechtschaffen darstellen.<118 In den Tlagödien sollten dieZuschauer ihm zufolge vom Geschehen mitgerissen wer-den, mitleiden und angesichts des dramatischen Schicksalsder Helden Schlüsse und Lehren ftr ihr eigenes Lebenziehen. Im Miterleben und der Erfahrung der katharsiswürden ihre Leidenschaften gereinigt; die richtige Nach-ahmung hätte LäuterurTg nrr Folge. In unserem Zusam-menhang geht es dabei weniger um den viel diskutiertenBegriff der mimesislle als in einem mehr vordergründigenSinn um die hier wie selbstverständlich angenommeneUnmittelbarkeit einer'W'echselwirkung gestalteter underlebter Gefthle. Um diejenige Rtickkoppelung also, wel-che im Grundsatz den lrkenntnissen der Emotionsfor-schung entspricht und die sich analog nicht zuletzt in einermehrfach fur antike Staatsmänner - in sichtlicher Über-einstimmung mit ihren Porträts - bezeugten rkünstlichen<Selbstinszenierung manifestiert.l2o In seiner Schrift über>Das Schöne< formulierte Plotin eine solche Rückkoppe-lung eindringlich: >Kehre ein zu dir selbst und sieh dichan; und wenn du siehst, daß du noch nicht schön bist, son1 wie der Bildhauer, der von einer Büste, welche schönwerden soll, hier etwas fortmeißelt, hier etwas ebnet, diesglättet, das klärt, bis er das schöne Antlitz an der Btistevollbracht hat. So meißele auch du foft, was unnütz ist undrichte, was krumm ist, das Dunkle säubere und mach eshell und laß nicht ab, an deinem Bild zu handwerken, bisdir hervorstrahlt der göttliche Glanz der Tugend [...] Bistdu das geworden, [...] hast du keine fremde Beimischung

mehr in deinem Inneren.<121 Die Form der Kunst ist mitder der Seele nicht nur identisch, sondern kann ihr sogarals Vorbild dienen; äußere Erscheinung und innere Re-gung bilden eine untrennbare Einheit. In einer gleichsamumgekehrten Rückkoppelung bannte der österreichischeBildhauer Franz Xaver Messerschmidt stundenlang vordem Spiegel getibte Grimassen in seinen extravaganten>Charakterköpfen, fest, mit deren Arbeit er in den frühen

ToerJahren des 18.Jahrhunderts begann.l22 Die alle visuel-len wie emotionalen Normen sprengenden'Werke schok-kierten das Gros ihrer Betrachter derart, daß man ihnschon zu Lebzeiten des Wahnsinns verdächtigte, ein (Jr-

teil, das noch in den zoer Jahren des zo. Jahrhunderts Be-stand hatte, als man ihnen einen protor'?ischen Ausdruckftir schizophrene Kunst attestierte.l23 Der bereits er-wähnte, von Charles Le Brun erstellte Stufen-Kanon derAffekte, welcher sich an den stark normierten emotiona-len Verhaltensregeln der höfischen Gesellschaft Frank-reichs im rT.Jahrhundert orientierte, basierte hingegenexplizit nicht auf Anschauungen der Natur, sondern be-rief sich auf Vorbilder der bildenden Kunst, vornehmlichauf antike Statuen und Büsten sowie auf die rantikenr Su-jets Raffaels oder Corregios, welche als verbindliche Zelr-gen, als gleichsam verdichtete >Still's< der W'irklichkeit dieGültigkeit seiner Beobachtungen beglaubigen sollten. Ingrundsätzlich vergleichbarer'Weise vertrat Denis Diderotin seiner, rund einJahrhundert später verfaßten Abhand-lung >Das Paradox über den Schauspieler< die Ansicht, dieKunst eines Schauspielers solle darauf gerichtet seln, ausden mimischen Formen der natürlichen Welt die wesent-lichen Grundmuster herauszuarbeiten. Diese müsse erdann, selbst leidenschaftslos bleibend - das heißt gleich-sam das Geftihl vom Material trennend -, so reproduzie-ren, daß die Zuschauer im Theateq angesichts derenperfekt gestalteter Authentizität, aber auch im Erlebenihrer stetigen'Wiederholbarkeit, ein Prinzip der Ordnungin ihrem eigenen, tatsächlich geftihlten Chaos der Lei-denschaften zu erkennen vermöchten.l2a Der amerikani-sche Künstler Bill Viola trägt die Vorstellungen Le Brunsund Diderots in die unmittelbare Gegenwart, indem erseit dem Jahr zooo an einer umfangreichen Serie vonVideo-Studien arbeitet, welche samtlich der Sichtbarma-chung menschlicher Gefthle und Mimiken gewidmetsind.12s >The Passions, versuchen, unsere Emotionen bishin zu ihren extremen mimischen Ausdrucksformen aus-zuloten, indem sie das scheinbar dokumentarische Me-dium Video mit der entsprechenden Grammatik derKunst, vornehmlich des Mittelalters und der Renaissance,verknüpfen. In >Six Heads< (Abb.5o) transformiert sich dasGesicht eines Schauspielers - in Anlehnung an eine ver-gleichbare Studie des spanischen Malers Antonio de Pe-

40

49 Antonio de Pereda, Kopfstudien165o-1675.

Madrid, Instituto de Valencia de Don fuan

5o Bill Viola, >Six Heads<, zooo,

Farbvideo auf Plasmabildschrrm

reda aus der Mitte des 17. Jahrhunderts (Abb.49) - voneinem Ausdruck neutraler Ruhe ausgehend in die zuneh-mend intensivierten mimischen Zttstande von Freude,Tiaueq'Wut und Angst. Die immer wieder von neuemgenerierte Sequenz endet jedes Mal mit einem direktenBlick des Gesichts auf den Betrachter, welcher somit, alsunmittelbares Gegenüber, von der rgeformten< wie derempfundenen Bewegung affrziert werden soll.126 19z6sprach FrrtzLang davon, der Film >sei gleichbedeutendmit der Wiedergeburt des menschlichen Gesichts, das eruns, in vielfacher Vergrößerung als Gesamtheit oder inseine Linzelteile aufgelöst, erst richtig wieder sehen ge-lehrt< habe. In einer strengen Pädagogik diszipliniere erZuschauermassen, die mittels ins Monströse gesteigerter

Gesichter überhaupt erst zu einer Masse, zu einer >starkenOrganisation< formiert würden. Der Widerschein der Af-Gkte, die solche Gesichter darstellten, sei in der gleichge-schalteten Zuschauermasse zu sehen, die mit )einem(Gesicht zurückblicke.127

'Wird ein außerordentliches Potential der Kunst demnach

nicht zsletzt darin gesehen, die >'Wahrheit< von Emotio-nen in ihrer formalen wie gefuhlten Gestalt tatsächlich af-fizierend- und damit authentisch - vermitteln zu können,so fiel ihr gleichzeitigjedoch auch immer wieder die Auf-gabe zu, den jeweils vorherrschenden gesellschaftlichenNormen entsprechende Ordnungen aufzudecken, inderen Strukturen man ihnen einen adäouaten Platz zt1-

4r

weisen konnte. Dies liegt vor allem darin begründet, daßdie rKategorie< Gefuhl erst seit der Mitte des vorigenJahr-hunderts eine [Jmwertung erfuhr. Die Erkenntnis, daßunser Gehirn auditive und visuelle Eindrücke kognitivund affektiv zugleich verarbeiter und daß gerade die Ge-fühle einen wesentlichen Anteil an der menschlichenRatio haben, indem sie einen unabdingbaren Faktor fürjede vernünftige Interaktion und Intscheidung konstitu-ieren, sowie der ljmstand, daß Emotionen bereits an sichüber kognitive Anteile verfügen, indem ihnen eine Be-wertungs- und Urteilsftrnktion zukommt und sie an'W'ahrnehmungs-

und lrinnerungsprozessen beteiligt sind,hat neben der Psychologie und den sogenannten Neuro-wissenschaften derzeit auch die Philosophie, Soziologiesowie die Geschichts- und Literaturwissenschaften nach-haltrg erfaßt.128 Bis dahin galten die Geftihle jedoch als ir-rationale, wenn nicht arationale Kräfte. welche dieVernunft des Menschen durchkreuzten, ihr'WiderstandIeisteten und sich, als unbeherrschte Regungen, allenfallskörperlichen Empfindungen wie Schmerz oder Lustgleichsetzen ließen. In der Hierarchie der menschlichenSeele nahmen sie in der Folge denn auch den niedrigstenRang ein. Der philosophische Begriff der Intentionalitätbezog sich allein auf das Vermögen des geistigen'W'illens,sich konsequent und vernünftig auf ein Zielhin auszu-richten. Ihm wies man als dem besseren Seelenanteil einevon den Emotionen unabhangige, eigenständige Motiva-tionskraft zLt.12e Die Geftihle schienen sich in ihrer reinsubjektiv empfundenen Intensität rationalen Kausalzu-sammenhängen zu entziehen, galten als anarchische Im-pulse logisch undurchdringbar und mit keiner geordnerenStruktur eines anderen >Etwas< zu korrelieren. Daß uns inder Folge mit den Mienen des >Guten< und denen desrBösen< das Gegensatzpaar >Ordnung< und >lJnordnung<in engstem Verbund begegnet, scheint daher kaum über-raschend.

Die dem Menschen an sich immanente Furcht vor Ord-nungslosigkeit wird durch die Konstiturion immer wiederneuer, den Bedürfnissen lhrer Zeit anverwandelter rOrd-nungen( gebannt, denen der Geist, die Narur, die Religion,die sozialen Normen der zivilisierten Gemeinschaft un-terworfen sind.130 In den Strukturen dieser Ordnungen ge-borgen gewinnen die Natur und die Konstitution desMenschen selbst sowie seine Stellung im Seinsganzen Si-cherheit. Mit der Vorstellung irrationaler, anarchischerKräfte der Geftihle ist somit zwangsläufig die der Gefahreiner Nicht-Zugehörigkeit, eines Ausgestoßenseins, einerfehlenden Relation zum Sein verknüpft. Nur die Kon-trolle, die vollkommene lJnterwerfung, die von der Ver-nunft machtvoll erzwungene Gestaltung der Lmotronennach den Gesetzen des Göttlichen, des Guten, verspricht

Schutz vor dieser Bedrohung. rDie Tugend eines jeglichenDinges abeg eines Gerätes wie eines Leibes und so aucheiner Seele und jegliches Lebenden, findet sich nicht sovon ungefähr aufs schönste herzu, sondern durch Ord-nung, richtiges Verhalten, und durch die Kunst, welcheeben einem jeden angewiesen ist. [...] Durch Ordnungalso wird die Tugend eines jeden festgesetzt und in Standgebracht? - Ich würde es bejahen. - Eine gewisse eigen-tümliche Ordnung also, die sich in einem jeden bildet,machtjeden und jedes gur? - So dtinkt mich. - Auch istdie Seele also, die ihre eigentr,imliche Ordnung und Sinehat, besser als die ungeordnete? - Norwendig. - Die aberOrdnung und Sitte hat, das ist die sittliche? - Wie anders?- Und die sittliche ist die besonnene? - Norwendig. - Diebesonnene Seele also ist die gute? - Ich wenigstens weißnichts anders zu sagen als dies [...] - Weiter also sage ich,wenn die besonnene die gute ist: so ist die von der entge-gengesetzten Beschaffenheit die bcise; diese war aber diebesinnungslose und ungebundene? - Freilich. - [...] Die'Weisen

aber behaupten, o Kallikles, daß auch Himmelund lrde, Götter und Menschen nur durch Gemeinschaftbestehen bleiben und durch Freundschaft und Schicklich-keit und Besonnenheit und Gerechtigkeit, und betrachtendeshalb, o Freund, die Welt als Ein Ganzes und Geordne-tes, nicht als Verwirrung und Ztigellosigkeit.<r3l Auch inPlatons Referat des sokratischen Dialoges mit Kalliklesgeht es um eine Rückkoppelung - die der geordneten,sich den verderblichen Leidenschaften enthakendenmenschlichen Seele an die entsprechend geordnete Ideedes Kosmos. Es ist ein Wechselbezug der Dimensionen,in dem das Subjekt einen Teil seiner praktischen Orien-tierung aus dem seinsmäßigen Logos bezieht, währendsich die umfassende Struktur der'W'elt in ihm selbst wi-derspiegelt.l32 Maßstab der Seele ist ihr innerer Ausgleich,ihre rechte Mitte, so wie der Kosmos auf Harmonie ba-siert. Die ontologische und die ästhetische Ordnung er-klären und stützen sich gegenseitig,l33 Im Phaidonrekapituliert Sokrates seinen-W'eg in die Philosophie, umdie Frage nach dem Grund seines eigenen Handelns zubeantworten. Er beschreibt seine Faszination von derLehre des Anaxagoras und dessen Vorstellung einer W'elt-vernunft sowie seine Enttäuschung darüber, wie wenigdieser letztendlich mit die ser Einsich t anztfangen wußte.Statt zu erkennen, daß die Welt in ihrer Ordnung bestehe,weil sie vernünftig sei, habe er ihre Beständigkeit damiterklärt, daß sie auf einem breiten Schemel der Luft auf-ruhe. Sokrates istjedoch fest davon überzeugt, daß ihr un-verbrüchliches Bestehen darin gründet, daß sie alsGeordnete einen Sinn hat und daß die (Jrsache daftir die-selbe wie die des Handelns - die Vernunft - als Grundlageihres gesamten gefugten Zusammenhangs sei.13a

42

Senecas eingangs zitierte Frage >'Wie ist drinnen deinerMeinr.rng nach die Seele beschaffen, deren äußeres Abbildso scheußlich ist?< hat die antike Kunst auf ihre'W'eise be-anrwortet: Der inneren [Jnordnung einer Seele, deren un-kontrollierte Leidenschaften keine ordnende Vernunftzulassen, entspricht ein äußerliches Gesicht, welches dasmittig in sich ruhende Prinzip des Gleichgewichts durch-brochen und gesprengt hat. Die im rechten Maß bewegteMimik des Guten kann nur dann vorherrschen, wenn dasAntlitz Spiegel einer von zügellosen AfGkten befreiten in-neren Ausgewogenheit, einer Ordnung der Seele ist. Die-jenigen Menschen. welche die Gebote der Götter zu ihreneigenen machten, zeigten sich gleichsam als Splitter derolympischen Ordnung, waren in die Gesetze des Kosmos,die religiösen Sitten und Brär-rche, die gesellschaftlichenMaximen und Normen der Lebensgemeinschaft inte-griert.'Wut, unbeherrschte sexuelle Begierde, zägelloserRausch, ausuferndes Lachen, übermächtiger Schmerzwaren hingegen Leidenschaften, unter denen die anderen>zu leiden< hatten: im Mythos die gegen die Götter auf-begehrenden Frevler oder die ungezähmten Bewohnerder Randzonen von Ziviiisation und'Wildnis; in der Rea-litat die cntsprechend an den Rändern der bürgerlichenGcsellschaft angesiedelten >Outcasts< odcr die von ihnen

genuin ausgeschlossenen Angehörigen der fu rchterregen-den barbarischen Fremdvölker, gegen die man sich mitaller Macht abgrenzen wollte. Da die grundsätzliche undletztlich nie wirklich auslöschbare lxistenz der Leiden-schaftenjedoch nie vollständig negierbar war, mußten sievielfach und immer wieder aufs Neue in schrecklichenKämpfen besiegt werden. In den Bildern von solchenKämpfen sowie in der unmißverständlichen Polarisierungguter und schlechter Mienen konnte man sich seines be-ständigen Eigenwertes, seiner Zugehörigkeit zur rechtenOrdnung beruhigend versichern. Heftige Lmotionenwaren Bürden, die man anderen aufbürdete, welche siestellvertretend zu tragen hatten.

Die im tatsächlichen -Wortsinn

vor-bildlichen Götterließen in der bildenden Kunst der Äntike ihre Geftihle zuallen Zeiten ausschließlich in Handlungen und Gestentranspärent werden. Mimisch kannten sie weder Zornnoch wirkliches Lachen, noch Schmerz. Vergegenwärtigtman sich die eingangs erwähnte Diskrepanz zwischen Li-teratur und Bildkunst, so stellt man nicht ohne Überra-schung fest, daß ausgerechnet die von Platon so haufiggeschmähte bildende Kunst seiner stets vehementen For-derung nach einer vorbildlich nachbildenden Mimesisletztendlich am eifrigsten nachgekommen ist.

ANMERKUNGEN

r r,r,3 fL Nach M. Rosenbach, L. A. Seneca, Philosophrsche Schriften

r ( r9991.

zYgI. z. B.3, 8z-83: >Die Ursache von allem war die Herrschsucht

rnit ihrer Habgier und ihrcn'r Ehrgeiz und daraus daun, bei der ent-

branntcn Kampfrvut, noch das wilde Ungestüm 1...], und in ihrern

Il.ingen, mit allen Mitteln einander zu überwältigen, vollbrachten

sie ohne Scheu die furchtbarstel Dinge und überboten sich dann

noch in der Rache [...], es war allcs recht, nur urn die KampFrut

des Augenblicks zu crsättigen. Frömmigkeit galt weder hüben noch

drtiben [...]; die aber tiberlegen meinten, sic würden es schon recht-

zeitig nrerken und hätten es nicht nötig, mit Gewalt zu holen, was

man mit Geist könne, waren viel wehrloser und kamen schneller

nms Leben.<t l - t 1' I nuKv(] ldes 1- ör-ö2-a Zum Phänomen vgl. P. Ducrey, Victoire ct d6faite. R6flexions sur la

repr6sentation des vaincus dans 1'art grec, in: Inages et soci6t6 en

Gröce :rnciennc, Actes du Colloque international Lausanne 8-rr

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43

An evaluation of the agonistic elements in Greek warfare (zoo6);K. A. Raaflaub (Hrsg.), War and peace in the ancient world (zoo7);E. Flaig, Heiliger Krieg. Auf der Suche nach einer Typologie,Historische Zeitschrlftz85,zooj,265ff.; T Ganschow, Krieq in derAntike (zoo7).

s Prometheus, in: Aischylos, Prometheus, Verse r99-2o8. Nach A. Er-colani, Gewalt in der griechischen Tiagödie, in: G. Fischer undS. Moraw (Hrsg.), Die andere Seite der Klassik, Gewalt im 5. und4.Jahrhundert v. Chr. (zooz) 99.

6 Prometheus, in: Äischylos, Prometheus, Vers 186. Zur eminentenBedeutung des Prometheus-Mythos vgl. auch C. Ker6nyi, prome-

theus. Die menschliche Exisrenz in griechischer Deutung (1949);Ders., Prometheus, Archerypal image of human existence (1963);

J. Duchemin, Promöthde, Histoire du mythe, de ses origines orien-tales ä ses incarnarions modernes GSZ+); Ch. Meier, Die politischeKunst der griechischen Tiagödie (1988) 156ff.; F. Stoessl, Der pro-

metheus des Aischylos als geistesgeschichtliches und rheaterge-schichtliches Phänomen (rq88); U. Gegle, Geburt der Moral:Prometheus und ödipus, in: R. Stablein (Hrsg.), Moral. Erkun-dungen äber einen strapazierten Begriff $9q) a6ff.; D. S.Allen,The world of Prometheus. The politics of punishing in democraticAthens (zooo); Meier, Spuren zoo3 (wie Anm.4) zo4 f.; A. De petris,

Prometeo. Un mito (zoo3); C. Dougherry prometheus (zoo6);K. Raaflaub, Zeus und Prometheus. Zur griechischen Interpreta-tion vorderasiatischer Mythen, in: M. Bernett, W. Nippel undA. Winterling (Ursg.), Christian Meier zur Diskussion. Autoren-kolloquium am Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Uni-versität Bielefeld (zoo8) 33 ff.

' v gl. llomer, Illas 15, rro tt.E Ilias r, r89ff.: >... da faßte Zorn den Peliden, und schwankend,/

unter der haarigen Brust, erwog er im sorgenden Herzen,/ob er,das schneidende Schwert alsbald von der Hüfte sich reißend,./allevedagen sollte und niederhaun den Atriden,,/oder stillen den Grollund die mutige Seele beherrschen../Während er solches bei sichberiet in der Tiefe des Herzens./und das gewaltige Schwert schonzückte, da nahte Athene,/fern vom Himmel [...1. Hinter ihn tratsie und faßte am blonden Haar den Peliden,,zihm allein sich ent-hüllend und keinem anderen sichtbar.,zUnd Achilleus erschreckund wandte sich: plötzlich erkannt' er,/pallas Athene Gestalt; sofurchtbar strahle ihr Auge.,zDa e rhob er die Stimme und sprach diejähen Worte:./Tochter des weterleuchtenden Zeus, was bist dugekommen?,/Etwa den Frevel zu schauen des ÄtreussohnesAgamemnon?,/Wahrlich, ich sage dir jetzt, und sicherlich wird esvollendet:,/sein unbändiger Stolz wird einst noch das Leben ihnkosten!./Ihm erwiderre darauf die eulenäugige Göttin:,/DeinenZornns besänftigen kam ich [...] laß ruhen den Streit und dasSchwert in der Scheide!< Nach H. Rup6, Homer, Ilias (196r).

'Homer, Iliasz4,4off. Nach H. Rup6, Homer, Ilias (196r). Zum ambi-valenten Wesen der Heldengestalt Achill vgl. G. Nagy, The Best ofthe Achaeans. Concepts of the Hero in Archaic Greek poetry (1999)

72ff.; A. Stahli, Die Rhetorik der Gewalt in Bildern Griechenlands,in: Fischer./Moraw (Hrsg.), Die andere Seitezooz (wie Anm.5) 35 ff;R. von den Hof[ >Achill das Vieh<? Zur problemarisieruns rrans-gressiver Gewalt in klassischen Vasenbildern, ebd. zz5 f.;p. Mi.hela-kis, Achilles in Greek Tiagedy (zooz);L. Giuliani, Bild und Mythos.Geschichte der tsilderzählung in der griechischen Kunsr (zoo3) z3r ff.;Ders., Kriegers Tischsitten - oder: Die Grenzen der Menschlichkeit.Achill als Problemfigur, in: Hölkeskamp/Rüsen,/Stein-Hölkes-kamp,/Grütter (Hrsg.), Sinn zoo3 (wie Anm. 4) r35 ff.

10 Vgl. A. Dihle, Die Vorstellung vom Willen in der Antike (r9s5) bes.37 ff. >Die wesentlichen Elemente späterer griechischer psychologie

sind bei Homer schon voll enrwickelt vorhanden, auch ohne dasGesamtkonzept der Seele.< (ebd. 3s); J. Rudhardt, Considdrationsrapides sur la conscience de soi dans la Gröce antique, Studi e ma-teriali di storia delle religionizo, t9g6,47rff.

11 Homeq Ilias 24, 582 -586: >Mägde rief nun Achill heraus und hießsie den Toten,/abseits waschen und salben, daß priamos nicht ihnerblickte,zund verleiten sich ließe zum Zorn im Jammer derSeele,,/Hektor gewahrend, und wieder das Herz des Achill sichempörte,,/der ihn tötete dam und Zeus' Gebote verletzte.< NachH. Rup6, Homer, Ilias (196r). Vgl. Giuliani, Kriegers Tischsittenzoo3 (wie Änm. 9) r38: > [. . .] Priamos wie Achill bewegen sich aufeinem dünnen Boden, der beijeder weiteren Irschütterung einzu-brechen droht.<

t2 Sophokles, Aiäs, Verse 4oo ff. Zur wohl bedeutendsten literarischenFassung des Mythos vgl. Meier (wie Anm.6) 186 ff.; D.J. Bradshaw,The Ajax myth and the polis. Old values and new, in: D. C. pozzi

undJ. M. Wickersham (Hrsg.), Myth and the polis (r99r) 99ff.;I. P. Garrison, Groaning tears. Ithical and dramatic aspects of sui-cide in Greek Tragedy (r995)l A. F. Garvie, Sophocles Ajax (1998);H. Flashar, Sophokles. Dichter im demokratischen Athen (zooo);P. von Möllendorff, Die Konstrukrion von Helden. Rezeptionslen-kung durch Intertextuaiität im >Aias< des Sophokles, in: R. von denHoffund S. Schmidt (Hrsg.), Konstrukrionen von Wirklichkeit. Bil-der im Griechenland des5. und4.Jahrhunderts v. Chr. (zoolzüff.;Ircolani zooz (wie Anm. 5) a9 ff.

13 Zu den Bacchen des luripides und dem Charakter des pentheus

vgl. W. Sale, The psychoanalysis of Pentheus in the >Bacchae< ofEuripides, in: A. Parry (Hrsg.), Studies in fifth-century thought andliterature $g7z) A3ff.; E. Coche de la Fert6, penthde et Dionysos.Nouvel essai d'interpr6tation des Bacchantes d,Euripide, in: Re-cherches sur les religions de I'antiquitd classique (r9So) ro5ff.;H. Oranje, Euripides >Bacchae<. The play and its audience (r9g4);Dihle 1985 (wie Anm. ro) 39 und passim; C. M. Kalke, The Makingof a Thyrsus, The Tiansformarion of pentheus in Euripides Bac-chae, American Journal of Philology ro6, r98j, 4o9 ff.; J. R. March,Iuripides >Bakchai<. A reconstruction in the light ofvase-paintings,Bulletin Institute of Classical Smdies, University of London 36, r9g9,33ff;J.J. Winkler und F. LZeidin (Hrsg.), Nothing to do with Dio-nysos? Athenian drama in its social context (r99o); K. Donalis-Giole,Ikonographische Beobachtungen zu drei mythologischen Themen.Pentheus, Phineus, Prometheus, Opuscula Atheniensia rg, r99o,3gtr; A. Henrichs, Der rasende Goct. Zur psychologie des Diony-sos und des Dionysischen in Mythos und Literatur, Antike undAbendland4o,19g4,1lff.;G. Giannaris, Ä Godversus a King. power

Poiitics in Euripides' Bacchae, Th etrs 4,r997,n3ff.: B. Cohen, Man-killers and Their Victims: Inversions of the Heroic Ideal in Classi-ca1 Art, in: B. Cohen (Hrsg.), Not the classicai Ideal, Athens andthe Construction of the Other in Greek Art (zooo) rz3 ff.; R. Schle-sier, Dionysos in der Unterwek. Zu denJenseitskonstruktionen derbakchischen Mysterien, in: von den Hoff,zSchmidt (Hrsg.), Kon-struktionen2oor (wie Anm. rz) r57ff.

ra Die folgenden überlegungen beschränken sich auf pathognomi-sche Schilderungen von Gesichtern und berücksichrigen deren phy-siognomische Charakterisierungen nur am Rand. Eine Diskussionder in vielfacher Hinsichr problematischen Verknüpfung, welchebeide in den wohl seit der Zeit des Pythagoras verbreiteten unddurch die Aristoteles zugeschriebenen rPhysiognomonika< weg-weisend bis in das zo. Jahrhundert vorangetriebenen Lehren derPhysiognomik erfuhren, würde den vorgegebenen Rahmensprengen. Vgl. zur komplexen Geschichte der physiognomik z. B.L. Gitiliani, Bildnis und Botschaft. Hermeneutische lJntersuchun-

44

gen zur Bildniskunst der römischen Republik (r986); N. Borrmann,

Kunst und P\siognomik. Menschendeutung und Menschendar-

stellung im Abendland tqq+); U. Reißer, Physiognomik und Aus-

druckstheorie der Reuaissance. Der Einfluß charakterologischer

Lehren auf Kunst und Kunsttheorie des 15. und 16. Jahrhunderts

$997); O. Zybok (Hrsg.), Von Angesicht zu Angesicht, Mimik-

Gebärden-Imotionen, Publikation anlälSlich der Ausstellung vom

3o. September 2ooo bis zum 7. Januar 2oor im Städtischen Museum

Leverkusen SchloiJ Morsbroich (zooo) leweils auch umfassend zur

Forschungs geschichte).

Vgl. grundsätzlich zum Verhiltnis von Gestik und Mimik in grie-

chischen Bildern sowie zum Ausdruck der Imotionen: L. Foxhall,

The politics of affection. Emotional attachments in Atileman so-

ciery, in: P. Cartledge, P. Millett und S. von Reden (Hrsg.), Kosmos.

Essays in order, conflict and community in classical Athens (1998);

TJ. McNiven, Behaving Like and Other: Telltale Gestures in Äthe-

nian Vase Painting, in: Cohen (Ursg.). Not the Classical Ideal zooo

(wie Anm. 13) 7r ff.; R. MacMullen, Feelings in history, ancient and

rnodern (zoo3); D. L. Cairns (Hrsg.), Body language in the greek

and roman worlds (zoo5); G. Franzoni, Tiraunia dello sguardo.

Corpo, gesto, espressionc nell'arte greca (zoo6).15 Vgl. dazu vor allem die sehr feinsinnige und äberzeugende Analyse

von S. Muth, Zwischen Pathetisierung und Dämpfung: Kampfdar-

stellungen in der attischen Vasenmalerei des5.Jahrhunderts v. Chr.,

in: Fischer,/Moraw (Hrsg.), Die andere Seitezooz (wie Anm.5)r85 ff

sowie umfassend dies.. Gewalt im Bild. Das Phänomen der media-

len Gewalt in Athen des 6. und 5.Jahrhunderts v. Chr. Bild und

Kontext (zoo8).16 Brässel, Musdes Royaux d'Art et d'Histoirc, von Duris als Maler

und Töpfer signiert:J. D. Beazley, Attic Red-Figure Vase-Painters'(tS6t), +Z+,1+; E. Simon, Die gricchischcn Vascn $976) ng nt

Abb. r6z.17 Vgl. Giuliani, Bild und Mythoszoo3 (wie Anm.9) 2o3ff.18 Paris, Mus6e du Louvre Inv. G r5z: Beazley, Attic Red-Figure z1963

(wie Ann. 16) 369,t; K. Schefold und F. Jung, Die Sagen von den

Argonauten, von Theben und Tioia in der klassischen und helleni-

stischen Kunst (1989)286 f. Abb.zSr; M. Änderson, The Fa1l of Tioy

in Early Greek Poetry an d Art $g97) zz9 ff.; Giuliani, Bild und My-

thos zoo3 (wie Anm. 9) zr5ff. Abb.44 a-b (mit weiterer Literatur).

Vgl. auch S. Muth, Bilder des Troia-Mythos in der griechischen

Kunst, in: M. Zimmermann (Hrsg.), Der Traum von Troja. Ge-

sclrichte und Mythos einer Stadt (zoo6) 7rff.l ' ' Zum

'Wesen und zur Erscheinung der Kentauren vgl. z. B. G. S.

Kirk, Myth. Its Meaning and Functions in Ancient and Other

Civilisations. Sather Lectures ao ftg7o) r5z ff.l Ders., The Nature of

Greek Mlths (t974) zo7fl.; B. Schiffler, Die Typologie des Kentau-

ren in der andken Kunst Gqz6); R. Osborne, Framing the Centaur.

Reading fifth-century architectural sculpture, in: S. Goldhill und R.

Osborne (Hrsg.), Art and text in ancient Greek culture (1994) 5z ff.;

V. Mele, Il ruolo dei centauri di Herakles. Polis, banchetto e simpo-

sio, in: Les grandes figures religieuses. Fonctionnement pratique et

symbolique dans l'antiquit6. Annales litt6raires de I'Universit6 de

Besancon 0S (r9S0) 333ff.; Lexikon Iconographicum Mythologiae

Classicae 8(r997) Supplement, s. v. Kentauroi et Kentauridai (M. Le-

ventopoulou); C. Brillante, Ixion, Peirithoos e la stirpe dei Centauri,

in: Materiali e discussioni per l'analisi dei testi classici 4o, 1998.4r ff.;

T, Hölscher, Feindwelten * Gläckswelten: Perser, Kentauren und

Amazonen, in: T, Hölscher (Hrsg.), Gegenwelten zu den Kulturen

Griechenlands und Roms in der Antike (zooo),287ff.20 Vgl. U. Sinn, Apollon und die Kentauromachie im Westgiebel des

Zeustempels von Olympia. Die 'Wettkampfstätte

als Forum der

griechischen Diplomatie in den Perserkriegen, Mitteilungen des

Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung r994,

S8S ff.; H. Kyrieleis, in: D. Buitron-Oliver (Hrsg.), The Interpreta-

tion of Architectural Sculpture in Greece and Rome $997)4f1.;I T, Tulunay, Pelops statt Apollon.Iin neuer Deutungsversuch für

die mittlere Figur im'Westgiebel des Zeustempels von Olympia,

Istanbuler Mitteilungen 48, r998, 453 ff.; K.Junker, Geschlechterop-

position und Gewalt, Beobachtungen an der klassischen Bauplastik,

in: Fischer/Moraw (Hrsg.), Die andere Seitezooz (wie Anm.5)

z89ff.;J. Heiden, Thessalische Lapithen in Elis. Zur Deutung des'Westgiebels

von Olympia, Archäologischer Anzeiger zoo3, r83 ff.;

G. Kaminski, in: P. C. Bo1 (Hrsg.), Geschichte der antiken Bild-

hauerkunst II. Klassische Plastik (zoo4) 33 ff. fieweils mit der älteren

Forschungsgeschichte).2t Zu den Friesen des Apollontempels von Bassai vgl. U. Liepmann,

Das Datierungsproblem und die Kompositionsgesetze am Fries des

Apollontempels zu Bassae-Phigalia (r97a); C. Holkes-Brukker und

A. Mallwitz, Der Bassai-Fries in der ursprünglich geplanten An-

ordnung (1975); B. C. Madigan und F. A. Cooper, The temple of

Apollo Bassitai,z. The sculpture (1992); I.Jenkins und D. Williams,

Thc arrangement of the sculptured friese fiom the temple of Apollo

Epikourios at Bassae, in: O. Palagia und W. Coulson (Hrsg.), Sculp-

ture from Arcadia and Laconia (tgs) sz tr.; F. A. Cooper, The tem-

ple of Apollo at Bassai l-ilL $ggz-1996); C. Rolley, La sculpture

grecque II. Lap6riode classique (tggg)ry3f. Abb.rszff. (mit der äl-

teren Forschungsgeschichte).22 London, Bntish Museum, Inv. E 47: Beazley, Attic Red-Figure 'r963

(wie Anm. 16) 3r9, z; K. Schefold, Die Göttersage in det klassischen

und hellenistischen Kunst (tq84 ql Abb. rrq; B. A. Sparks, in: C. G.

tsoulter (Hrsg.), Archaic into Classical. Symposium Universiry of

Cincinnar i r98z (1985) z7 Taf . ro.23 Aus der äbergroßen Fälle der zum Pergamon-Altar erschienenen

Abhandlungen seien im Zusammenhang der hier aufgegriffenen

Fragestellungen nur die folgenden angeftihrt: W. Neumer-Pfau, in:

H. G. Kippenberg (Hrsg.), visible I{eligion, Representation of Gods

(1983) 75ff.; M. Kunze, in: B. Andreae (Hrsg.), Phyromachos-Pro-

bleme, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts,

Römische Abteilung 13. Ergänzungsheft (r99o) 14lft B. Schmidt-

Dounas, Zur -Westseite

des Pergamonaltares, Mitteilungen des

Deutschen Archlologischen Instituts, Athenische Äbteilung ro7

r99z,z95ff.; Dies., Anklänge an altorientalische Mischwesen im Gi-

gantomachiefries des Pergamonaltares, Boreas 16, rygl, Sfl.;M. Kunze, Parthenon und Pergamon. Das Bildprogramm am Per-

gamonaltar als Rückgriffauf den Parthenon?, Thetis 3,1996,Vff.;M. Amberger-Lahrmann, Anatomie und Physiognomie in der hel-

lenistischen Plastik, Dargestellt am Pergamonaltar (r996);W. Heil-

meyer (Hrsg.), Der Pergamonaltar. Die neue Präsentation nach

Restauri.erung des Telephosfri.r.r (rqqz); I. La Rocca, Die zwölf

Götteq Hera und die Verherrlichung der Attaliden am Großen

Altar von Pergamon, Jahrbuch der Berliner Museen 4o, r9g8,7 ff.;

V. Kästner, in: Staatliche Äntikensammlung zu Berlin, Die Anti-

kensammlung $998) 242tr. (mit einer tbersichtlich zusammenfas-

senden, den neuesten Forschungsstand berücksichtigenden

Beschreibung); C. Maderna-Lauter, IJnordnung als Bedrohung.

Der Kampf der Giganten gegen die Götter in der Bildkunst der hel-

lenistischen und römischen Zeit, in: Hölscher (Hrsg.), Gegenwel-

ten2ooo (wie Anm.r9) 435ff.; F. Queyrel, La fonction du Grand

autel de Pergame, Revue des dtudes grecques n5, zooz, 56rff.;H. Heres und V. Kästner, Der Pergamonaltar (zoo4); I. Schrau-

do1ph, in: P. C. Bol (Hrsg.), Die Geschichte der antiken Bildhauer-

kunst III. Hellenistische Plastik (zoo7) rSqff.; C. Maderna, in:

45

D. Grassinger, T, de Oliveira Pinto und A. Scholl (Hrsg.), Die Räck-

kehr der Götter. Berlins verborgener Olymp, Ausst.-Kat. Antiken-

sammlung Berlin (zoo8) 382 ff.2a Vgl. zu den Friesen des Siphnierschatzhauses: V. Brinkmann, Die

Friese des Siphnierschatzhauses (1994) (mit der älteren For-

schungsgeschichte). Speziell zur Mimik des Kopfes auch L. Giu-

liani, Bilclnis und Botschaft Gq86) rro.25 In diesem Sinn auch Giuliani, Bildnis 1986 (wie Anm. z4) ro5 ff.26 Zunldeal des griechischen Symposions und seinen Regeln vgl.

F. Lissarague, Un flot d'images. Une esth6tique du banquet grec

Gq8z); M. Aurell, O. Dumoulin und F. Thelamou (Hrsg.), La so-

ciabilit6 i table. Commensalit6 et convivalitd ä travers 1es ages

(1992); W. Rösler, Wine and truth in the Greek Symposion. in:

O. Murray und M. Tecusan (Hrsg.), In vino ventas. Record of an in-

ternational conference on vine and society in the ancient world,

held in Rome frornrg-zz March r99r (1995) ro6 ff.; O. Murray, Der

griechische Mensch und die Formen der Geselligkeit, in:J. P. Ver-

nant (Hrsg.), Der Mensch der griechischen Antike ft996) z55ff.;

A. Schifer, Unterhaltung beim griechischen Symposion (r997)l

A. Heinemann, Bilderspiele beim Gelage, Symposiast und Satyr im

Athen des 5.Jahrhunderts v. Chr., in: Hölscher (Hrsg.), Gegenwel-

ten 2ooo (wie Anm.rg) 32rff.; R. F. Sutton, The Good, The Base,

and the Ugly: The Drunken Orgy in Attic Vase Painting and the

Athenian Se1f, in: B. Cohen (Ursg.), Not the Classical Idealzooo

(wie Anm. 13) r8o ff ; Stihli, Die Rhetorik zooz (wie Änm. 9) z4 ff.27 Homeq Odyssee zr, z9z ff. 3o3 - 3o4.28 Homer, Odyssee 16, z9z f.2e Fragment 94 K, gz K/A, überliefert bei Athenaios z, 36 b-c.30 Platon, Nomoi 637a31 Aristoteles, Nikornachische Ethik 3, rrrob, z6;r:.r3b,3o. Nach O.

Gigon und N. Hoesch, in: K. Vierneisel und B. Kaeser (Hrsg.),

Kunst der Schale, Kultur des Trinkens, Äusst.-Kat. der Staatlichen

Antikensammlungen München (rSqo) :oS.32 Vg1. F. Lissarague, Le banquet impossible, in: Aurell./Dumoulin,/

Thelarnon (ursg.), r-a sociabilite ä table r99z (wie Anm. z6) bes.

s4 ff.; N. R. E. Fisher, Hybris, A Study in the Values of Honour and

Shame in Ancient Greece (1992) ry5f.2o4f.46f.3o7f. und passim;

Stihli, Die Rhetorik zooz (wie Anm. 9) z4 ff.33 Allgemein zum Mythos der Gigantomachie vgl. M. Mayer, Die Gi-

ganten und Titanen in der antiken Sage und Kunst (rAS7); F. Vian,

R6pertoire des gigantomachies figur6es dans l'art grec et romaln

(ts+q); Derr., La guerre des g6ants. Le mythe avant 1'6poque helle-

nistique GSSr); E. Simon, Pergamon und Hesiod (1975); Lexikon

Iconographicum Mythologiae Classicae a (1988) s. v. Gigantes (F.

Vian); L. Giuliani, Die Giganten als Gegenbild der attischen Bürger

im6. und5.Jahrhundertv. Chr., in: Hölscher (Hrsg.), Gegenwelten

zooo (wie Anm.ry) z@ff.; C. Maderna-Lauter, IJnordnung als Be-

drohung. Der Kampf der Giganten gegen die Götter in der Bild-

kunst der hellenistischen und römischen Zeit, ebd.45ff.3a Zu Theorien der ästhetischen Annehmlichkeiten von Furcht,

Schrecken, Schauer und Mitleid vg1. K. H. Bohreq Die Asthetik des

Schreckens (1978); U. Raulff, Chemie des Ekels und des Genusses,

in: D. Kamper und C. Wulf (Hrsg.), Die Wiederkehr des Körpers

$9sz) ; C. Zelle, Angenehmes Grauen. Literaturhistorische Beiträge

zur Asthetik des Schrecklichen im 18. Jahrhundert (rq8z); K. H.

Bohrer, Imagination des Bosen (zoo4); U. Eco (Hrsg.), Die Ge-

schichte der Haßlichkeit (zoo7).35 Seneca, De ira r, r, 3 -5. Nach M. Rosenbach, L. A. Seneca, Philoso-

phische Schriften r (rsqq).16 Senec r . De i r a3 . l . 3 -4 . Ebenda .17 Senecr. De i r , z . r6. Ebenda.

38 Seneca, De Ira 3,6, r. Ebenda.3e Seneca, Deh: 3,z6,t. Ebenda.40 Zenon von Kition, Begründer der Stoa, bezeichnete den Affekt

(patho) :'ls eine unvernünftige, unnatärliche Seelenbewegung oder

als exzessiven Tiieb; Chrysippos nennt Affekte >Krankheiten der

Seele<, die ausgerottet werden müssen. F. Jurß (Hng.), Diogenes

Laertios, Leben und Lehre der Philosophen (1998) 336.a1 >Die Unterteilung der menschiichen Seele nach ihren rationalen

und irrationalen Kräften hatte indessen ihren festen Platz in der

griechischen Vorstellungswelt, lange bevor die Philosophen began-

nen, sich mit psychologischen Fragen zu beschaftigen.<; Dihle r985

(wie Anm.ro) 36. Vgl. übergreifend auch A. Bäumet Die Bestie

Mensch. Senecas Aggressionstheorie, ihre philosophischen Vorstu-

fen und ihre literarischen Auswirkungen (r982); Foxhall, The poli-

tics (wie Anm.r4); K. Iming, Die lJnvernunft des Begehrens.

Platon über den Gegensatz von Vernunft und Affekt, in: S. Hübsch

und D. Kaegi (Ursg.), affekte. Philosophische Beiträge zur Theo-

rie der Emotionen (1999) rr tT.; D. Kaegi, Ein gutes Gefühl. Aristo-

teles über den Zusammenhang von AfGkt und Gefuhl, ebd.:l ff.;

E. Angehrn, Der Weg zur Metaphysik. Vorsokratik. Platon Aristo-

teles (zooo) ro3 ff.; D. L. Cairns, Anger and the veil in ancient Greek

culture, Greece and Rome 48, zoor, 18 ff.; W. V. Harris, Restraining

Rage. The Ideology of Anger Control in Classical Antiquity (zoor)l

S. Morton-Braund und G. W Most (Hrsg.), Ancient anger: per-

spectives fiom Homer to Galen (zoo3); K. Eming, Tumult und Er-

fahrung. Platon tiber die Natur unserer Emotionen (zoo6); L. van

Hoof, Strategic differences, Seneca and Plutarch on controlling

lnger. M nemosyne 60. 2oo7. 59 ff.a2 Epikur r[ ] für uns bedeutet Freude: keine Schmerzen haben im

körperlichen Bereich und im seelischen Bereich keine lJnruhe ver-

spüren.< Epikur, Brief an Menoikos r3r.a3 Fragment r9r. Nach H. Diehls, Fragmente der Vorsokratiker

(tgZ+ff.). Vgl. auch ganz im späteren Sinne des Epikur: >Die Arz-

neikunst heilt des Leibes Kranlcheiten. die Weisheit befreit die Seele

von den Leidenschaften.<aa Vgl. Heraklit, Fragment B rr5.4s Pausanias, Reisen in Griechenland ro,24,r. Vgl. V. Rosenberger,

Orakelspräche und Weihgeschenke: Delphi als Kristallisations-

punkt griechischer Identitäten, in: von den Hoff,zSchmidt (Hrsg.).

Konstruktionen zoor (wie Anm. rz) rr4 ff.a6 Sophokles, Antigone 875. Vgl. Dihle 1985 (wie Anm. ro) 4r.47 >Liebe, wenn sie in Stürmen weht,,/Nimmer bringt sie dem

Menschgeschlecht./Segen und Ihre./Goldene Kypris,./Rauscht

sanft dein Flügel,/Strahlst du hell über alle Götter./Sende vom

goldenen Bogen,/Herrin, nie den tödlichen Pfeil,/Rasender

Stürme.,/Bleibe, o heilige Mäßigung,,/Herrlichste Botin aus Grie-

chenland,/Tieu mir ztr Seite!/Grausame K1pris,./O schick mir

niemals,/Zank und Hader und böse Zwietracht,,/Streit ums verra-

tene LagerllHerrin, stifte das friedliche Glück!./Schirme die Ehe!<

(Verse 628-642). Vgl. Dihle 1985 (wie Anm. ro) 39; H. Visser, Medea,

Daughteq sister, wife and mother. Natal family versus coniugal fa-

mily in Greek and Roman myths about women, in: M. Cropp,

I. Fantham und S. E. Scu11y (Hrsg.), Greek tragedy and rts legacy.

Festschrift D.J. Conacher (1936) ra9 ff.; K. Fer1a, Sozia.le Normen in

der Medea des Euripides, in: H.J. Gehrke und A. Moller (Hrsg.).

Vergangenheit und Lebenswelt. Soziale Kommunikation, Tiadi-

tionsbildung und historisches Bewußtsein $996) zryff.; C. Sour-

vinu-Inwood, Medea at a shifting distance, Images and Euripidean

tragedy, in:J.J. Clauß und S. I.Johnston (Hrsg.), Medea. Issays on

Medea in myth, literature, philosophy and art (997) zytr.; P. A. Pe-

rotti, La vendetta di Medea, Rudiae rr, 1999, 69 ff.; G. Attinger-Gries,

46

Medea. Kein Ort. Nirgends, in: Festschrift P. Isler (zoor) 15ff.;

Ä. Klöckner, Mordende Mütter. Medea, Proknc und das Motiv der

fr-rrchtbaren Rache im klassischen Athen, il: Fischer/Moraw

(Hrsg.) . Die andere Seire zooz (wie Annr.5) 247 f [a8 >Mit der Feigheit befreundet und unvernünftig ist der Drang, sich

dem Leiden und demJamrnern hinzugeben [...].r Platon, Politeia

603^.ae Vgl. Platon, Phaidros 245 c ff., wo das Verheltnis der geistigen Ver-

nunft zu den sinnlichen Neigungen und Leidenschaften in einem

Gleichnis mit dem der'Wagenlenker zu ihren Rossen und die Seele

mit einem gut erzogenen Gespann verglichel wird. >Der Götter

Rosse und Ftihrer nun sind alle selbst gr-rt und guter Abkunft, die

anderl aber vermischt. Zuerst nun ztigelt bei uns der Ftihrer das

Gespann, demnächst ist von den Rossen das eine gut und edel und

solchel Ursprungs, das andere aber entgegengcsetzter Abstam-

mung und Beschaffenhcit. Schwierig und mühsam ist daher natür-

lich bei uns die Lenkung.< (246a-b) rDie Kraft dcs Gefieders

besteht darin, das scl-rwere ernporhebend hinaufzufuhren, wo das

Geschlecht der Götter wohnt. Auch teilr es vorzüglich der Seele

mit von dem was des göttlichen Leibes ist. Das Göttliche nämlich

ist das Schöne,'Weise und Gute und was dem ihnlich ist. Hiervon

also nährt sich und wächst vornehmlich das Gefieder der Seele,

durch das mißgestaltete aber, das böse und was sonstjenem entge-

gengesetzt ist, zehrt es ab und vergeht.< (za6d-e). Nach F. Schlei-

ermachcr, Platon, Simtliche Werke (r99i). Grundsätzlich K.Iming,

in: Htibsch.zKaegi (Hrsg.), Affekte 1999 (wie Anm.4r).50 Platon, Politeia588 b-e; Timaios69 d. Vgl. auch Platon, Phaidon66

c.66 e.8o b.83b. Zum Gleichnis H. Schmitz, Die Verwaltung der

Gefühle in Theorie, Macl-rt und Phantasie, in: C. Benthien, A. Fleig

und I. Kasten (Hrsg.), Emotionahtät.Zrr Geschichte der Gefthle(zooo) 48f.: >Der ir.rl}ere Mensch dieses Gleichnisses ist die Seele,

die psycl-rologistisch abgcschlossene und zentrierte Innenwelt; der

innere, eigentliche Mensch iu diesem Menschen ist die Vernunft,

die lach dem Prinzip rdivide et irnpcra< herrscht, indem sie die Af-

fekte unter sich entzweit und eilen vol beiden Teilen in ihrcn

Dienst stellt. Dieser Teil ist der Löwe, nämlich dcr Herd de!enigen

Affekte, die aufeine Ehrkrlnkung aggressiv reagieren, insbesondere

also zorniger Mut. Der Tiick der Vernunft besteht darin, den Im-

puls dieses Herdes von der Richtung gegen Kränkungen von aulsen

abzulenken auf die kränkende Beschimung dadurch, unwillktirli-

chen sinnlichen Regungen unterworfen zu sein, und den Löwen sozu bewegen, sich mit dem Menschen im Menschen gegen das viel-

kopfige Ungehcu.er im Menschen, die begehrliche Simrlichkeit, zu

wenden.<sl Platon, Politeia 6o6. Vgl. auch G. Gebauer und C. Wulf, Mimesis.

Kultur - Kunst - Gesellschaft (1992) bes.4r ff.; A. Kabbitz (Hrsg.),

Mirnesis und Simulation (r998).52 Aristoteles, Nikornachische lthik rro6 b. Im folgenden nach O.

Gigon, Aristoteles, Die Nikomachische Ethik (tqq4.Vgl.D. Kaegi,in: Hübsch.u Kaegi (Hrsg.), Affekte 1999 (wie Anm.4r) 39ff.

53 Aristoteles, Nikomachische Ethik 3, rrr4 b z6 ff.5a Aristoteles, Nikomachische Ethik 3, 1116 b z3 ff. Nach O. Gigon, Ari-

stoteles, Die Nikomachische Ethik (r99r).55 Aristoteles, Nikornachische Ithik rrz5 b-tz6 a.56 Bci Ioannes Stobaios, Anthologion 4,z,zo. Dihle r985 (wie Anm. ro)

42f.57 Brescia, Museo Civico l{omano, aus Vulci: J. D. Beazley, Attic

tslack-Figure Vase-Paintcrs $956) z9z,r; Simon, Vasen 1976 (wie

Anm. 16) 89 f. zu Abb. 78 - 8o mit Farbtafel xxvrr.58 Paris, Mus6e du Louvre, aus Cerweteri, von Euphronios als Maler si-

gniert: Beazley, Attic Red-Figure '1963 (wie Anm. 16) 14, z; Simon,

Vasen 1976 (wie Anrn.16) 99 zu Abb.ro4-ro6; Iuphronios, Der

Maler, Ausst.-Kat. Staatlichc Museen Preußischer Kulturbesitz Ber-

lin (r99r) 77 ff. rnit Farbabb.se München, Staatliche Antikensammlungen: M. Ohly, Schale nit

Theseus und Sinis, MünchenerJahrbuch der bildenden Kr.rnst r97r,

7ff.; K. Schefold, Die Urkönige Perseus, Bellerophon, Hcrakles und

Theseus in der klassischen und hellcnistischen Kunst (r9S8) 236f.

Äbb.287.60 Paris, Mus6e du Louvre: Lexikon Iconographicum Mythologiae

Classicae 8 (1997) Supplement, s. v. Kentauroi et Kentauridai (M.

Levcntopoulou) Nr. r84 Täf.427.{'1 München, Staatliche Äntikensammlungen, aus Vulci, von luphro-

nios als Töpfer signiert: Beazley, Attic-Red-Figure 1963 (wic

Anm. 16) 372, 3z; Simon, Vasen 1976 (wie Anm. 16) 116 zu Abb. r57.

Zr:r Figr.rr des Theseus im 5. Jahrhundert v. Chr. vgl. unlängst

J. McNiven, Behaving Like and Other: Telltale Gestures in Athenian

Vase Painting, in: B. Cohen (Hrsg.), Not the Classical Idealzooo (wie

Anm.13) 86ff.; R. von den Hoff, Die Posen des Siegers. Die Kon-

struktion von Überlegelrheit iu attischen Theseusbildern des 5.Jahr-hunderts v. Chr., in: von den Hoff,zSchmidt (Hrsg.), Konstruktionen

2oor (wie Arun. rz) 73 ff. Vgl. auch W. Raeck, Barbarenangst und Skla-

ventrauer. Emotionskontrolle als kulturelles und soziales ljnter-

scheidungsmerkmal in der griechisch-römischen Kunst und Kultur,

in: K. Herding und B. Stumpl}aus (Hrsg.), Pathos, Affekt, Gefuhl.

Die Emotionen in den Kilnsten (zoo4) bes.3oi ff.62 Vgl. Aristotcles, Peri rhetorikes 1385 b 13 ff. Der Affekt des Mitleids

hatte fur Aristoteles bezeichnender-weise zur ausdrücklichen Vor-

aussetzung, daß der >Irlcidende< seil Schicksal eben nicb.t ver-

diente. Zur unterschiedlichen Bewertung und Empfindung von

>Mitleid< in der Antike und im Christentum L. Giu[ani, Die Not des

Sterbens als ästhetisches Phdlomel. Zur Mitleidlosigkeit des antiken

Betrachters, Pegasus, Berliner Beiträge zum Nachleben der Antike 6,zoo4, gff. Vgl. auch B. Felrr. Über den Umgrng mit Feinden der

Zivilisation in Griechenland und Rom, Hephaistos ro, r99r, 89 ff.63 Berlin, Sraatliche Museen Preußischer Kulturbesitz: G. Daltrop, Il

gruppo mironiano di Ätena e Marsia nei Musei Vaticani (r9So) rr f.

Abb. 8; Schefold, Die Götersage r98r (wie Anm. zz) ry4f. Abb. zjr

R. F. Sutton, The Good, The Base, and the Ugly: The Drunken

Orgy in Attic Vase Painting and the Athenian Self, in: B. Cohen(Hrsg.), Not the Classical Ideal zooo (wie Änm.13) zor Abb.7.ro;

V. Brinkmann, in: Launen des Olymp. Der Mythos von Athena,

Marsyas und Apoll, Ausst.-Kat. Liebieghaus Frankfurt am Main

(zoo8) 4r Abb.r8. Zur Gruppe des Myron vgl. auch'W. Gauer,

Athena und Marsyas, in: Modus in Rebus. Gedenkschrift ftir

W. Schindler (rqqs) soff.; K.Junker, Die Athena-Marsyas-Gruppe

des Myron, Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instiruts rrZ

zooz,nTff. mit problematischer Deutung (das Vasenbild ebd.r4o

Äbb. r5); W. Geominy, Athena und Marsyas - Line frühklassische

Gruppe in Raum und Zert, rn: P. C. Bol (Hrsg.), Zum Verhältnis

von Raum und Zeit in der griechischen Kunst (2oo3) r43 ff. (mit der

ilteren Forschungsgeschichte); P. C. Bo1, in: tsol (Hrsg.), Geschichte

2oo4 (wie Änm. zo) z6ff. Ygl. Platons rKritik< an der Musik:

Politeia 398 cff.; H. Junker, Griechischc Mythenbilder. Eine Ein-

führung in ihre Interpretation (zoo5) rr8 ff.6a New York, The Metropolitan Museum of Art: Schefold, Die Göt-

tersage r98r (wie Änm. zz) r75 ff. Abb.234 (mit weiteren Vergleichs-

beispielen); M. Denoyelle, in: Modi e funzioni del racconto mitico

nella ceramica greca, italiotica ed etrusca da1 vr a rv secdo a. C.(rqq+) qq, Atrb. +.

65 Be azley, Attic Red-Figure '1963 (wie Anm. 16) r9r, roz; Schefold, Die

Göttersage r98r (wie Anm. zz) rz4f. Abb.r57.

47

oo München, Staatliche Andkensammlr.rngen: Beazley, Ättic Red_F!gure '1963 (wie Anm. 16) rr4j,36; Simon, V"s.r, 1976 (wie Anm. 16)431. zu Abb. zo8-2o9.

67Bezeichnenderweise ist dem auch der heilige dionysische Rausch

der Mänaden, ganz im Gegensatz "u

d.n hie. behanderten unko'-trollierten Leidenschaften, zu keiner Zeit mit diesen gleichgesetztoder negariv beurteilt worden. >O dreimal selig, wei kunÄg de.'W'eihen,/sein

Leben läutert,/die psyche begJistert,zrn tsergenschwärmr./ zu reiner Enrsühnung. u (nuripides, da cchen 7 z _ 77). y gI.aulJer der hier in Anm. 13

"ngeg.b.rren Literatur auch L. Bridg'es

Joyce, Maenads and Bacchantes: Images of Female Ecstasy in Greekand Roman Art Glf), n. Osborne, The Ecstasy and the Tiagedy.Varieties of Religious Experience in Art, Drama

"rrd So.iet|, irr:

C. Pelling (Hrsg.), Greek Tiagedy and the Historian (1997);S. Moraw, Die Mänade in der attischen Vasenmalerei des 6. uncl5.Jahrhunderts v. Chr. Rezeptionsästhetische Änalyse eines antiken'Wirklichleitsentwurfs

(r998); R. Schlesier, Die dionysische psvche.Zu Euripides tsakchen, in: Benthien /Fleig/ Kart.r., E_otiorr"lititzooo (wie Anm.5o) ztff. Zt vergleichba-ren Darstellturgen auchA. Heinemann, Bilderspiele beim Gelage, Symposiast unJSaryr imAthen des5.Jahrhunderts v. Chr., in: Holschei(Hrsg.), C.g.rr*"1_ten 2ooo (wie Anm. r9) 3zr ff

68 Kairo, Agyptisches Museum: G. Grimm und D.Johannes, Kunstder Ptolemäer- und Römerzeit im Agyptischen Museum Kairo$gzs) +,rz Nr. 7 Täf z-5; H. p. l""br.[er, Ein ptolemäisches Gal_lierdenkmal, Antike Kunst 3 o,r987, 4r lf . Taf . )o, r 4;Ä. Stewart,Greek Sculptr-rre (r99o) Abb. ZSq; K. Strobel, Galatren und seineGrenzregionen. Zu Fragen der histonschen Geographie Galatiens,in: E. Schwertheim (Hrsg.). Forschungen in Galatien. Asia MinorStudien Bd.n $994) 79f.; B. Andreae, Schönheit des Realismus.Auft-raggeber, Schöpfe r, B etrachter hellenistische r plastik (r99s)r87 ff.; Ders., Skulprur des Hellenismus (zoor) Abb. z3; H. p. Müller,in: H. U. Cain und S. Rieckhoff (Hrsg.), fromm, fremd, barbarisch.Die Religion der Kelten, Ausst._Kat. des Archäologischen Museumsder.Universitlt Leipzig (zooz) r8o f.; C. Maderna, äum Feindbild inptolemäischer Zeit, itt: Aglpten _ Griechenland _ Rom. Abwehrund Berührung, Ausst.-Kat. Städelsches Kunstinstitut uncr Städti-sche Galerie Frankfurt am Main (zoo5) zef. Abb. 6. Kat._Nr. r43;A. Krug, Der Gallier in Agypten, in: H. von Steuben, G. Lahusenund H. Kotsidou (Hrsg.), Mouseion. Beiträge zur antiken plastik,Festschrift zu Ihren von p. C. Bol (zoo7) 3g3 ff.6e Die Datierung des Anathems

"1, .lrr. t#.ihorrg Attalos II. oder sei_

nes Vorgängers Eumenes t. (r97_r59 v. Chr.) ist nach wie vor um_stritten. Aus stilistischen Gründen scheintjejoch nur ein zeitlicherAnsatz der Figuren in das mittlere z. JahÄundert v. Chr. sinnvollZur äheren Forschungsgeschichte: A. Stewarr, Attika. Str"rclies in

, Athenian Sculprure of the Hellenistic Äge (1979) r9ff. Vgl. auchB. Palma, Il piccolo donarro pergameno, Xenia r, rggr, 45 ff.; T Höl_scher, Die Geschlagenen und die Ausgelieferten in der Kunst desHellenismus; Antike Kunst 28, r9g5, rz3 ff.; F. eueyrel, Art perga_m6nien, histoire, collections. Le perse du Muste ä,al .l l. o.ri,ex-voto attalide, Revue Arch6ologique ry89,zyff.; S. e fox, Cli>Orlazi e Curazi< dipalazzo Madama. Fortuna di un tipo iconofra_fico, Xenia zo, r99o, rrr ff; W. Hoepfner, Siegestempel und Sieges_altäre. Der pergamonaltar, in: W Hoepfner u"a C. li_-.. 1Hrig.),Die griechische polis. Architekmr und polidk (1993) rnff.; O..s.,Der-vollendete pergamonaltar, Archaologische t Anzerger ry96,rr5 ff.; J. R. Marszal,Tradition and irrnou"tilon in early pergamene

l.:lpT*, in: O. Palagia und'Wi Coulson (Hrsg.), Regional Schools

in Hellenistic Sculpture (tggs) mff.; H. p. Mtiiler (ivre Anm. 6s)r9of.; W Raeck, Barbarenangst und Sklaventrauer. Emotionskon_

trolle als kulturelles und soziales Unterscheidungsmerkmal in cgriechisch-römischen Kunsr und Kultur, in: HeÄng,/Stumpfha(Hrsg.), Pathos zoo4 (wie Anm.6r) 3o4f.; H. lro,r'p.it it, u,

," 9rtr::r, in: Bol

.(Hrsg.), Geschichte zooT (wie Anm. z3) z4r ff.'u Zur Marcus-Säule vgl.: M.Jordan_Ruwe, Zur Rekonstruktion ur

Datierung der Marcussäule, Boreas r3,r99o,53 ff; K. R. Krierer, Siund Niederlage. Untersuchungen physiognomischer und minscher Phänomene in Kampfda.rt.[.rrrg.r, d.. römischen plast(1995) 136 f. und passim. z16 Kat._Nr. Ts or Taf. 63 _ 89 (mit der :teren Forschungsgeschichte); F. pirson, Style and message on tlColumn of Marcus Aurelius, BSR 64, 1996,49ff.; La colonrAur6lienne. Autour de la colonne Aur6lienne. Geste et rmage surcolonne de Marc Auröle ä Rome (zooo); S. Dillon, in: S. Dillon urK. E. Welch (Hrsg.), Representations of war in Ancrent Rorr(zoo) z44ff.

71 Zum Parthermonument: Wien, Kunsthistorisches Museum unEphesos, Archlologisches Museum: C. C. Vermeule, Roman Inperial Arr in Greece and Asia Minor (1968) 95 ff Abb.34_52; F. Iict|er, Ztm Partherdenkmal von Ephesos, ,. n.ih.f,;"hr.shefte deösterreichischen Archäologisch.r, Instirot, in.Wtei 49,r97r,roz ffW. Oberleitner, in: Katalog der Antikensammlungen II. Funde atrIphesos und Samothrake ft975) A6ff.; E. Diez, ii: Festschrift füH. Stern (1982) ro9 ff. Taf.6r; WJobst,Jahreshefte des österreichischen Archäologischen Instituts in

.Wien 64, rgg;, Zgff. S+, ryBl

Beibl. r49 ff.; Ders., ebd. 55, r9 8+, zg ff .:W Ob.rl.iä.r, Drei unbekannte Köpfe des partherdenkmals, in: Fesrschrifr H. Kenner:(r9s5)258 ff. T Ganschow, überlegungen zum parthercienkmal vorEphesos, Archäologischer Anzeig er ryg6,zo9 ff.;F.price, Riruals anc

1"y"1: Jh. Roman Imperial Cult in Asia Minor (1986) r58ff.

D. Knibbe, Das rparthermorument< von lph.ror. (p".ih..ri.gj"lt.,der Artemis (und Kenotaph des L. Verus) an de, ,T.iodor,. ösc.._reichisches Archäologisches Insritut. Berichte und Materialien r(tsq4 sff;

'W. Oberleitner, Die Apollo-Heliosplatte des parther_

denkmals. Ein Neufund,Jahreshefte des ösrerr;ichischen Ärchäo_logischen Instituts in Wien; Krierer, Sieg und Niederlage 1995 (wieAnm. 7o) bes.r69ff. zr4 Kat.-Nr. R o3 Täf.49, 168 _ Täf.53, r85;W Oberleitner, Zum partherdenkmal von Ephesos, Rekonstruk_tionsversuch des Stieropfers in: Festschrift D. Knibbe $9g9) n3tr.;Ders., Das Partherdenkmal von Ephesos, in: rooJahre österreichi_sche Forschungen in Ephesos. Akten des SympJsions

.Wien 1995

$999) 6r9ff.; A. Landskron, Ithnikon ojer Ethnika auf demSchlachtfries des partherdenkmals von Ephesos, in: Akten des8. österreichischen Archäologentages am Institut für klassische Ar_chäologie der Universität Wien vom 4. bts 25. April 1999 (zooo)orff.;J. Engemann, Das Apotheosebild des partherdenkmals ausnphesos, ebd.033 ff,; W.Jobst, parthermonument und pergamonal_tar. Hellenistische und römische Täumphaikunst in Klernasren, in:T, Ganschow, M. Steinhert und D. Berger (Hrsg.), Otiurn. Fest_schrift fur V. M. Strocka (zoo5) rytry9;k. ei,,r.["", Dre portrrtsam sogenannren parrhermonument, ebd.7r_g7; W Seipel (Hrsg.),Das Par-rhermonument von Iphesos, Akten des Kolloquiums Wien

_^ 27.- 28. Aprll zoo3 (zoo6).

" Zum Römer-Barbaren-Gegensarz in Schriftquellen und Bildernvgl. z. B. Y A. Dauge, Le Barbare. Recherches sur la conceotronRomaine de la barbarie et de la civilisation. Collection Laromus 176(t98r); H. Bellen, Metus Gallicus - Merus punicus. Zum Furcht_motiv in der römischen Republik (r9a5);Ä. A. Lund, Zum Germa_nenbild der Römer (r99o); R.M. Schneider, in: W. Speyer,Reallexikon ftir Antike und Christentum Supplement r (rqqr) ,.

".Barbaren 8rz if.; C. Tlzaska-Richte., F.,ro. t .ritinicus. Das römischeGermanenbild in politik und propaganda von den Änfänsen bis

48

zum 2. Jahrhundert n. Chr. (rqqI); ts. Kremer, Das Bild der Kelten

bis in augusteische Zeit. Studien zur Instrumentalisierung eiues rn-

tiken Fremdenbildes bei griechischen und römischen Autoren

(rqs+); A. Kneppe, Metus tcmporum. Zur Bedeutung von Angst in

Politik und Gesellschaft der römischen Kaiserzeit des r. undz.Jahr-

hunderts l.Chr. (rqq+); Kriereq Sieg und Niederlage 1995 (wie

Anm.7o); P. Zanker, Die Gegenwelt der Barbaren und die Über-

höhung der häuslichen Lebenswelt, in: Hölscher (Hrsg.), Gegen-

welten (wie Anm. rg) 4o9ff.; Ders., Die Barbaren, der Kaiser und

die Arena, in: I. Polito (Hrsg.), Un' arte per i'impero. Funzione e

intenzione delle irnrnagini nel mondo romano (zooz) 38 ff.; Raeck,

in: Herding./Stumpfhaus (Hrsg.), Pathos zoo4 (wie Anm.6r) zgZ lf.;

K. I{. Krierer, Antike Germanenbilder (zoo+); H. U. Cain, Kelten-

Bilder in l{om. Inszenierte Denütigung und erlebte Siegermoral,

MtinchnerJahrbücher der bildenden Kunst57 zoo6,9 ff.;J.J. Äilla-

gon, U. Roberto und Y. Riviöre, Roma e i barbari. La nascita di un

nuovo mondo (zoo8).73 Caesar, Bellum gallicum t,3r,of.7+ Plutarch, Marius zo,z.75 Rom, Museo Archeologico Nazionale delle Terme di Diocleziano,

Sogenannter Großer Schlachtsarkophag Ludovisi: L. De Lachenal,

in: A. Giuliano (Hrsg.), Museo Nazionale Romano. Le Sculture I5.

I Marmi Ludovisi nel Museo Nazionale Romano (1983) 56 ff. Kat.-

Nr. z5 mit Abb.; Krierer, Sieg und Niederlage r99i (wie Anm.7o)

rcof{. zt3 Kat.-Nr. S ro Täf. 43 und 48 (mit der älteren Forschungs-

geschichte).' ' ' L lCerO, I ,e l ln lDUS 4,3r .77 Zur Denkmälergattung vgl. H. P. Laubscher, Fischer und Landleute.

Srudien zur hellenistischen Genreplastik (r982); E. Bayer, Fischer-

bilder in der hellenistischen Plastik GqS:); S. Pfisterer-Haas, Dar-

stellungen alter Fraueu in der griechischen Kunst (rg8g); P. Zanker,

Die Trunkene Alte. Das Lachen der Verhöhnten (1989); H. Wrede,

Matronen im Kult des Dionysos. Zur hellenistischen Genreplastik,

Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Insdrr"rts, Römische

Abteilung 98,ry9\ßzff.;P. Ztnkel Brüche im Bürgerbild? Zur

bilrgerlichen Selbstdarstellung in den hellenistischen Städten, in:

Stadtbild und Bilrgerbild im Hellenismus. Kolloquium München

24.-z6.lrni 1993 (I99S) z5rff.; N. Lubtchansky, Le pdcheur et la

mdtis. P€che et statut social en Italie centrale ä l'6poque archaique,

M6lange de l'Ecole Francaise ä Rome rro, rgg8, ru ff.; C. Kunze, Ver-

kannte Götterfreunde. Zu Deutung und Funktion hellenistischer

Genreskulpturen, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen In-

stituts, Römische Abteilung rc{ ryg9, +lff; M. Pipili, Wearing an

other hat: Workman in town and country, in: B. Cohen (Hrsg.),

Not the classical Ideal zooo (wie Anm. I3) IS: ff.; E. Flaig, Den

lJntermenschen konstruieien. Wie die griechische Klassik den

Sklaven von Natur erfand, in: von den HolT Schmidt (Hrsg.), Kon-

struktionen zoor (wie Anm. rz) zz ff.; D. Wannagat, Eurymedon

eimi, Zeichen von ethnische! sozialer und psychischer Differenz in

der Vasenmalerei des 5. Jahrhunderts v. Chr., ebd. 5r ff.7o Laubtcher. Fischer r98z (wie Anm. 77) 99 Kat. -Nr. r a Taf . r -2. r16 f .

Kat.-Nr.38 Taf.z6,z-27; E. Bayer, Zwei Kopfrepliken des alten Fi-

schers Vatikan-Louvre, Mitteilungen des Deutschen Archäologi-

sclren Institutes Istanbul 34, rg84, r83ff.; Kunze, Verkamte

Götterfreunde 1999 (wie Anrn. 77) S: ff. Abb. + und Abb. z; B. An-

dreae, Skulptur des Hellenismus (zoor) 85ff. zu Abb. :q-+6;K. Stähler, Bildthema und Bildbedeutung. Zum sog. rAlten Fischer<

(Seneca:T1pus), Hephaistos 23, zoo5, r79 ff.; U. Eco (Hrsg.), Die Ge-

schichte der Häl3lichkeit (zoo7) ßof. mit Abb.; U. Mandel in: Bol

(Hrsg.), Geschichte zooT (wie Anm. 4) r7ff. sowie die oben ge-

nannte Literatur.

7e Kunze, Verkannte Götterfreunde 1999 (wie Anm. zz), wohl zu

Recht gegen die fräher meist als rAngeln< gedeutete Handlung der

Figur.80 Vgl. Dihle 1985 (wie Änm. ro) 56 ff.8l >Das Lebewesen besteht primär aus Seele und Leib, wovon das eine

seiner Natur nach ein Herrschendes, das andere ein Beherrschtes

ist. [...] Zuerst also kann man, wie wir sagen, beim Lebewesen das

Herrenverhältnis und das staatsmännische Verhiltnis beobachten.

Denn die Seele regiert über den Körper in der Weise eines Herrn

und der Geist über das Streben in der Weise eines Staatsmannes

oder Fürsten. Daraus wird klar, dall es für den Körper narurgemäß

und zuträglich ist, von der Seele beherrscht zu werden; ebenso für

den leidenschaftsbegabten Teil der Seele, vom Geiste und vom ver-

nunftbegabten Teil beherrscht zu werden; Gleichheit oder ein um-

gekehrtes Verhältnis wäre für alle Teile schädlich. [. . .] Auf dieselbe-Weise

muß es sich nun auch bei den Menschen im allgemeinen

verhalten. Diejenigen, die so weit voneinander verschieden sind wie

die Seele vom Körper und der Mensch vom Tier (dies gilt bei allen

denjenigen, deren Aufgabe die Verwendung ihres Körpers ist und

bei denen dies das Beste ist, was sie leisten können), diese sind Skla-

ven von Natur [. . . ].n Aristoteles, Politika rz54 a 30 - r2S4 b 15. Nach

O. Gigon, Aristoteles Politik (1973). Zum normativen Selbswer-

ständnis der Bürgergemeinschaften in den griechischen Poleis des

Helienismus vgl. H.J. Gehrke, Bürgerliches Selbswerständnis und

Polisidentitit im Hellenismus, in: Hölkeskamp /Reisen,/Stein-Höl-

keskamp./ Grütter (Hrsg.), Sinn zoo3 (wie Anm. 4) zz5 ff. (mit wei-

terer Literarur).82 Zu älteren, teilweise humoristischen Darstellungen von rLandleu-

ten< in der klassischen Vasenmalerei vgl. Pipili, Wearing zooo (wie

Anm.77). Zur Bedeutung von Raum und Landschaft für die Insze-

nierung hellenistischer Skulpturen z. B. B. S. Ridgway, The setting

of Greek sculpture, Hesperia4o,r97t,346ff.; H. Lauter, Kunstund

Landschaft. Ein Beitrag zum rhodischen Hellenismus, Ancike Kunst

15,rg7z, 49ff.; Laubscher, Fischer r98z (wie Anm. zz) 8off.; Ders.,

Hellenistische Herrscher und Pan, Mitteilungen des Deutschen Ar-

chäologischen Institutes Athen roo, 1985, lsof.; M. Söldner, Unter-

suchungen zu liegenden Eroten in der hellenistischen und römischen

Kunst (1986) bes.z97ff.; H. Lauter, Die Architektur des Hellenismus

(r9s6) 3oof.; M. Achenbach-Kosse, Die Ringergruppe in Florenz,

Äntike Kunst3z,rgSg,ZZf.;W. Höpfner, Hermogenes und die hoch-

hellenistische Architektur, in: Akten des XIII. internationalen Kon-

gresses fär klassische Archäologie Berlin rg88 (rqgo) zllf.;

G. Konstantinopoulos, Städtebau im hellenistischen Rhodos, ebd.

zroff;8. D. Mette, Skulprur und Landschaft. Mythologische Skulp-

turengruppen in griechischer und römischer Äufstellung (1992).83 Zu den Süd-Metopen des Parthenon vgl. zuletzt: U. Höckmann,

Die Metope Süd zr und das Thema der Südmetopen des Parthe-

non, in: I. Pöhlmann und'W. Gauer (Hrsg.), Griechische Klassik

(rg9z) 247 ff.; D. Gasparro, Dessins sans dessin. Une cl6 de lecture

simple pour les mdtopes 13 - zo Sud du Parthenon, Revue Arch6o-

logique zoo5, 3 ff.; K. A. Schwab, Celebrations of victory. The me-

topes of the Parthenon, in:J. Neils (Hrsg.), The Parthenon. From

antiquiq/ to the present (2oo5) r58 ff. Zur nach wie vor umstrittenen

Rekonstruktion, Datierung und Interpretation der Marsyas-Gruppe

vgl. A. H. Borbein, Die Statue des hängenden Marsyas, Marburger

Winckelmann Programm Gsz:); R. Fleischer, Marsyas und Achaios,

Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Instirutes in

Wien 5o, rg72-75, Beiblatt ro3 ff; H. Weis, The hanging Marsyas

(r98o); H. Meyer, Der weiße und der rote Marsyas. Münchener Ar-

chäologische Studien z (rSsz);'R. Wüsche, Marsyas in der antiken

Kunst, in: Apoll schindet Marsyas. Über das Schreckliche in der

49

Kunst, München, Bayerisches Nationalmuseum (r995) 19 ff.; C. Ma_derna-Lauter, in: P. C. Bol (Hrsg.), Hellenistische Gruppen, Ge_denkschrift ftr Ä. Linfert (1999) rr5 ff.; C. Maderna, Augenblick undDauer in griechischen Mythenbildern, in: Bo1 (Hrsg.), Vom Ver_hältnis zoo3 (wie Anm. 63) z9o f.; L. Giuliani, Die Not des Sterbensals ästhetisches Phänomen. Zur Mitleidlosigkeit des antiken Be_trachters, Pegasus, Berliner Beiträg. ,rr,r, N"chl.ben der Antike 6,zoo4,9ff.; V. Brinkmann, in: Launen zoog (wie Änm. 63) Oo ff.

8a Zum 'Wesen

der Sarym: F. Lissarague, De la sexualit6 des Satyres,Metis z, rg87,Qfl.; Ders., Les saryres er le monde animal, in: pro_ceedings of the 3 rd Symposium of Ancient Greek an Related pot_tery Copenhagen Äugust3r - September 4, r937 (r988) 335 ff.; Ders.,'Why

saryrs are good to represent, in: Nothing to do with Diony_sos?, Äthenian drama in its social context (r99o) zz8[f.; H.Walter,Saryrs Traum. Ein Gang durch die griechische Saryrlandschaft(1993); F. Lissarague, Ijhomme, le singe et le Saryre, in: Lanimaldans 1'antiquit6 ft9g7) 455ff.; A. Stähli, Die Verweigerung der Lüste.Erotische Gruppen in der antiken plastik (r999);J. M. padgett, Thestable hands of Dionysos. Saryrs and donkeys as symbols of socialmarginalization in Attic Vase painring, in: Not the Classical ldeal.Athens and the construction ofthe other in Greek art (zooo) 43ff.;R. M. Schneider, Lust und Loyalitet, Saryrstaruen in hellenistischer7.eit, in: Hölscher (Hrsg.), Gegenwelren zooo (wie Anm. 19) 35r ff.(mit weiterer Literatur);Ä. Heinemann, Bilderspiele beim Gelage.Symposiast und Satyr im Athen des 5. Jahrhunderts v. Chr., ebd.3zrff.i C. Kunze, Die Konstruktion einer realen Begegnung: zurStatue des Barberinischen Fauns in München, in: G. Zimmer(Hrsg.), Neue Forschungen zur hellenistischen plastik. Kolloquium

- zLrm jo. Geburtstag von Georg Daltrop (zooz) 9tr.

o'Paris, Mus6e du Louvre: Beazley, Ättic Red-Figure ,1963 (wieAnrn.16) 53, r; Lexikon Iconographicum Mythologiae Classicae I

- Gss4 s. v. Achilles Nr.4z Täf.6r (A. Kosatz-DeirrÄ"rr,r).86 Zum ambivalenten Wesen der Kentauren vgl. bes. G. Morawietz,

Der gezähmte Kentaur. Bedeutungsveränderungen der Kentauren_bilder in der Änrike (zooo)l Hölscher, Feindwelren - Glückswelten2ooo (wie Anm. r9) zgr[f.; G. Schörner, H 0r1].etc Innoxev.rtruqogdes Zetrxis - Farniliarisierung des Fremden ?, Boreas 25, zooz,97 ff.;A. Schffer, Achill und Chiron. Ein mythologisches paradigma zur

-_ LJnterweisung der rnännlichenJugend Athens (zoo6).

87 Helbig II Nr.1398 (H. v. Steuben); Lexikon Iconographicum My_thologiae Classicae 8 (1997) Supplemenr, s. v. Kentauroi et Kentau_ridai Nr.483 (M. Leventopoulou); Morawierz zooo (wie Änm. g6)

9o ff.; Ders., Die Kentauren des Aristeas und papias und die Repli_ken der beiden Statuentypen, in: Äntike plastik z9 (zoo5), a)ff.Täf. 15-52; C. Vorster, in: Bol (Hrsg.), Geschichte zooT (wie Anm.zj) 3o7 f. Abb.299 a-c.

88 Vgl. richtungsweisend Schneider, Lusr und Loyalität zooo (wieAnrn. 84) (mit weiterer Literatur).

8e H. Walteq Pans Wiederkehr. Der Gon der griechischen Wildnis(rgso) 9z ff.; R. M. Schneider, in: Die zweire H1ut. panther-,'W.olfs-und Ferkelfell im Bild des Satyrn, Ausst.-Kat. des Museums fur Ab-grisse Klassischer Bildwerke München und des Instituts [ür Klassi_sche Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München,25. Mai - 15. Juli zoo5 (zoo5) 36ff. Äbb.39 (rnit der älteren For_schungsgeschichte).

e0 Schneider, Lust und Loyalität zooo (wie Anm. 84) 36g Abb. rr. ZurForschungsgeschichte der Gruppe: W. Geominy, Zur Kompositionder Gruppe >Die Aufforderung zum Tanz<, in: Bol (Hrsg.), Helle_nistische Gruppen 1999 (wie Anm.83) r4r ff.; Stlhli, Die Verweiqe_rung 1999 (wie Änm. 84) 46ff.; H. von pritnvitz und Gaffron.ln:tsol (Hrsg.), Geschichte zooT (wie Änm. z3), z6r ff.

e1 P. Moreno, Scultura ellenisrica II (Ips+) 662f. Abb. Sog_ 8r..669ff..,Kunze, Die Konsrruktionzooz (wie Anm.84) 32ff. Abb.9_ro (mitder älteren Literatur).

e2 New York, The Brooklyn Museum:J. Vercoutter u. a., The Imageofthe Black in VTestern Art I. From the pharaos to the Fall oftheRoman Empire GSqd rq+ f. Abb. z5r-252.

e3 Paris, Bibliothöque narionale de France: C. Rolley, Die griechischenBronzen ft984) zzz Abb. zoo; A. Stewarr, Greek Sculptur" (rqSo)Abb. 6+q; Vercoumer, Image rggr (wie Anm. 9z) ry9f. Abb. z5j_255;Ändreae, Skulptur zoor (wie Anm. 78) 97 f. zt Abb. 56.ea Zur Laokoon-Gruppe vgl. G. Daltrop, Die Laokoongruppe rm Va_tikan (1982); B. Andreae, Laokoon und die Grtndung Roms (r9Sg);S. Settis u. a., Laocoonre. Fama e stile (1999) (eweils mit der älterenForschungsgeschichte) sowie S. Muth, Laokoon, in: L. Giuliani(Hrsg.), Meisterwerke der anciken Kunst (zoo5) 7zff.

e5 Lexikon Iconographicun-r Mythologiae Classicae V (rqqo) s. v. IxionNr. rz Taf.556 (C. Lochin); B. Fehr, über den Umgang mit Feindender Zivilisation in Griechenland und Rom, Hephaistos ro, rg 9r,g9ff.;C. Brillante, Ixion (wie Anm. 19) 47 ff.

e6 Vgl. zum folgenden S. Hübsch und D. Kaegi (Hrsg.), Affekte 1999(wie Änm.4r) .

e7 Vgl. E. Verheyen, Das Fürstenportal des Bamberger Doms, Zeit_sclrrift fär Kunsrgeschichte 26, 196z, z4fl.;M. Sculler, Das Fürsten_portal des Bamberger Doms (1993); H. C. Feldmann, Bambers.Batrhättenbetriebe im Vergleich: Zw Dominrnz von Meistern iirBauhüttenbetrieb und ihre Einflußnahme aufdie Konzeprion undAusführung von Skulpturenprogrammen, in: H. Beck und K. Hen_gevoss-Dürkop (Hrsg.), Studien zur Geschichte der EuropäischenSkulptur im:;-./g.la,hrhunderr (1994) 37ff. (mit der älteren For_sclrungsgeschichte); Reil3er, physiognomik 1997 (wie Anm. r 4) 252tr.Abb.65 und 67; speziell zum Affekt des Lachens im Mittelalter:J. Le Goff, Das Lachen irn Mirtelalter GqSq); ebd. R. M. Schneider,Plädoyer für eine Geschichte des Lachens, 79 ff. mit Abb. r_ r zumBanrberger Fürstenportal.

e8 Paris, Bibliothöque nationale de France, Le Livre d,images der Ma_dame Marie, St. Agatha. Ich danke Anna Möhrle für diesen Hin_weis. Vgl. zum Phänomen: M. H. Caviness, Visualizine Women inthe Middle Äges - Sight, Spectacle, and Scopic Economy (zoor).Zum Phänomen auch W. Weisbach, Ausdrucksgestaltung in mit_telalterlicher Kunst (1948);'W'. perpeet, Asthetik im Mitelalter$szz);8. H. Rosenwein, Anger's past. The social uses of emotionin the middleages (1998); H. Schmitz, Die Verwalrune der Geftihlein Theorie, Macht und Phanrasie, in: Benthien,zilerslKasten(Hrsg.), Imotionalität zooo (wie Anm. 5o) bes. 5o ff.; H. Böhme,Himmel und Hcille als Gefühlsräume, ebd. ooff.; G. Althoff, Ge_ftihle in der öffentlichen Kommunikation des Mittelalters, ebd.82ff.; W Röcke, Die Faszination der Traurigkeit. Inszenierung undReglementierung von Trauer und Melancholie in der Literatur clesSpätmittelalters, ebd.rooff.; I. Kasten, G. Stedmann und M. Zim_nermann, Kulturen der Geftihle in Mimelalter und frther Neuzeit,Querelles,Jahrbuch für Frauenforschung (zooz); E. Wenzel, SchöneFrauen - Böse Frauen, Zur Konstruktion von Frauenbildern in mit_telalterlicher Literarur und Kunst, in: Zybok (Hrsg.), Von Angesichtzu Angesicht zooo (wie Anm. r4) 48 ff.; I. Kasten und C. S. Jaeger(Hrsg.), Codierungen von Imotionen im Mittelalter (roo3)iC.J._ritz (Hrsg.), Emotions and Material Culture. Forschungen des In_stituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit,Diskussionen und Materialien 7 (zoq).Vgl. Augustinus, Sermones z4t,z,zff.: >Fraqe die Schönheit derIrde, frage die Schonheit des Meeres, [ ] ft;ge die Schonheit desHimrnels, frage die Ordnung der Gestirne, frage die Sonne, die

5o

mit ihrem Glanz den Tag überhellt, frage den Mond, der mit sei-

nem Schimmer die Finsternis der nachfolgenden Nacht mäßigt,

frage die Tiere, die im Wasser sich bewegen, die auf der Erde wei-

len, die in der Luft fliegen; Seelen, die sich bergen - Körper, die of-

fenliegen; Sichtbares, das gelenkt wird - Unsichtbares, das lenkt:

frag sie! Sie anrworten dir alle: Sie heq schön sind wir. Ihre Schön-

heit ist ihr Bekenntnis.< Nach E. Przyrvara, Augustinus. Die Gestalt

als Gefüge (tq4) 24.

Ders., De civitate Dei 14, r9: >Das ist der Grund, weswegen auch

jene Philosophen, die sich der'Wahrheit näherten, zugestanden,

daß Zotn und Begehrlichkeit fehlsame Seelenteile seien, weil sie

wild und ordnungswidrig auch nach dem trachten, was Weisheit

zu tun verbietet, und darum der Zügelung durch Geist und Ver-

nunft bedürfen. Dieser dritte Seelenteil wohne gleichsam, sie zu

regieren, auf einer Burg, und nu! wenn er befehle und sie gehor-

chen, könne Gerechtigkeit in allen Seelenteilen gewahrt werden.<

Nach'W. Thimme, Augustinus, Vom Gottesstaat (1978). Vgl. B.

Lang und C. McDannel, Irenäus und Augustinus über den himm-

lischen Leib, in: Der Himmel (tg96) 7aff.ee'Wien, Kunsthistorisches Museum: R. Lightbown, Mantegna:

With a Complete Catalogue ofthe Paintings, Drawings and Prints

(1936) r7o Abb. a3.4o8 Kat.-Nr. ro;J. M. Greenstein, Mantegna and

Painting as Historical Narrative ftg9z) 7tff.; U. Eco (Hrsg.), Die

Geschichte der Häßlichkeit (zoo7) eo mit Abb.r00 Lightbown (wie Anm. 99); Reißer, Physiognomik ry97 (wie

Anm.u,) zs+ff. Abb.66.101 Berlin, Kupferstichkabinett Inv. KdZzt F. Winkler, Die Zeich-

nungen Albrecht Dürers Gs:s -:q) rrr, z7 und Nr.556; I. Rebel, Die

Modellierung der Person, Studien zu Dürers Bildnis des Hans Kle-

berger (r99o) 4+; Reißer, Physiognomik 1997 (wie Anm.14) 3r4Abb. 165. Zur Darstellung von Affekten in der Kunst der Renais-

sance vgl. außer Reißer auch K. Winkleg Studien zur Theorie der

Affektdarstellung in der Kunstliteratur des Quattrocento (1983);

M. Barasch, Der Ausdruck in der italienischen Kunsttheorie der

Renaissance, in: G. Boehm und K. Stierle (Ursg.), Das Gottesbild.

Studie zur Darstellung des Unsichtbaren (rqq8) m[{.;]. Peschke

(Hrsg.), Tugenden und Affekte in der Philosophie, Literatur und

Kunst der Renaissance (zooz); Jritz (Hrsg.), Imotions 2oo3 (wie

Anm. 98); M. Diers, Affekt und Effekt, in: M. Warnl<e (Hrsg.), lo-

litische Kunst, Gebärden und Gebaren. Hamburger Forschungen

zur Kunstgeschichte, Studien, Theorien, Quellen (zoo4) ry ff.102 Gent, Museum voor Schone Kunsten:J. Koldeweij, P. Vanden-

broeck und B. Vermet (Hrsg.), Hieronymus Bosch, Das Gesamt-

werk (zoor) zgff. ltbb.6z,qz,r56, 163, 165. Zu unserem Kontext vor

allem Schneider, Plädoyer 1999 (wie Anm. 97) rrr ff. mit Abb. 5.103 Die Schrift Le Bruns reflektiert überdies bekanntlich Ren6 Des-

cartes 1649 erschienene Abhandlung >Les passions d'ämer. A.

Mechcild, LEloquence du Corps - Conversation et s6miocique cor-

porelle au siöcle classique, in: Germanisch-Romanische Monats-

schrift,39, 1989, 156[f.; L. O. Larsson, Der Maler als Erzähler:

Gebärdensprache und Mimik in der französischen Malerei und

Kunsttheorie des 17.Jahrhunderts am Beispiel Charles Le Bruns,

in: V. Kapp (Hrsg.), Die Sprache der Zeichen und Bilder. Rheto-

rik und nonverbale Kommunikation in der frühen Neuzeit (r99o)

ryzff.;T. Kirchner, I-lexpression des passions. Ausdruck als Dar-

stellungsproblem in der französischen Kunst und Kunsttheorie des

17. und 18.Jahrhunderts (r99r);J. Montagu, The Origin and Influ-

ence ofCharles Le Brun's Conf6rence sur l'expression g6n6rale et

particuliöre (r994); N. Borrmann, Kunst und Physiognomik. Men-

schendeutung und Menschendarstellung im Abendland (1994) 68 ff

Vgl. auch H. Meise, Gefthl und Repräsentation in höfischen

Selbstinszenierungen des r7. Jahrhunderts, in: Be nthien / Fleig / Ku

sten (Hrsg.), Emotionalität zooo (wie Anm. 5o) rr9 ff.104 C. Bell, The Anatomy and Philosophy of Expression (r8o0) r8r;

L. Jordanova, The Representarion of the Body. Ärt and Medicine

in the Works of Charles Bell, in: B. Ällen (Hrsg.), Towards a Mo-

dern Art World, Studies in British Art I (1995) so ff.; G. Schmidt,

Patho-Logien, in: P. Löffler und L. Scholz (Hrsg.), Das Gesicht ist

eine starke Organisation (zooa) ra3 ff Abb. r. Vgl. Charles Darwin,

The Erpression of the Emotions in Man and Animal (rs7z).10s London, British Museum: M. Gallo, Geschichte der Plakate, mit

einem Aufsatz über die Entlvicklung der Plakatkunst von C. A.

Quintavalle (1975) Abb. S.23.106 .Entsprechende Verdikte, welche gerade die im rg.Jahrhundert erst-

mals als selbstständige wissenschaftliche Disziplin von der Philo-

sophie abgespaltene Psychologie anfanglich sogar noch dadurch

förderte, daß sie einfache Menschen, die zu einem unwillkürlichen

Gefuhlsausdruck neigten, h:iufig als geisteskrank einsrufte, finden

sich bis zum Inde des r9. Jahrhunderts umfinglich auf sämtliche

Lebensbereiche des Menschen bezogen. Ein von T G. Hatchard

verfaßter, vielgelesener Leitfaden zur Kindererziehung, welcher

1853 in seiner 16. Auflage erschien, verbreitete die Maxime, daß

Kinder nur dann positive Gefühlsregungen erlernen könnten,

wenn sie zu einer stets >geordneten Darstellung< ihrer seibst ange-

leitet würden. Das >Zuwenig< und das >Zuvie|< wurden gleicher-

maßen kritisiert und das >rechte Maß< selbst zum privatesten

Maßstab. In seiner 1879 in 3. Auflage erschienenen Abhandlung

>Das W'eib als Gattin. Lebrbuch über die psychischen, seelischen

und sittlichen Pflichten, Rechte und Gesundheitsregeln der deut-

schen Frau im Xheleben zur Begründung der leiblichen und sitt-

lichen'Wohlfahrt ihrer selbst und ihrer Familie. Eine Körper- und

Seelendiätetik des'W'eibes in der Liebe und Ehe< kritisierte der

Göttinger Mediziner Hermann Klencke nersöse Frauen als nicht

nur einseitig leidenschaftlich und eigensinnig, sondern auch als

allzu verschlossen und gerade deshalb ebenso unberechenbar. Der

Arbeiterftihrer Ferdinand Lassalle formulierte in einem Briefvom

September desJahres 1845: >Ich brach den Tiotz meines Körpers.

Ich hob auf den Unterschied zwischen ihm und meinem Willen,

raubte ihmjede Eigenheit. Der zitternde Ton meiner Stimme und

der leuchtende Glanz meines Auges,jedes Zucken, jede Mine hat

knechtisch [...] wiederzugeben das Gepräge, das ich ihm auf-

drücke.< Nach W. Dreßen, Infame Körper: Widerstand im Erzie-

hungsprozeß, in:'W'. Kamper (Hrsg.), Der andere Körper (1984)

79. Sigmund Freud forderte in seiner r9z7 erschienenen Schrift

>Die Zukunft einer Illusion< von zur Macht berufenen politischen

Führern: >Nur durch Einfluß vorbildlicher Individuen, die sie als

ihre Führer anerkennen, sind sie zu Arbeitsleistungen und Entsa-

gungen zu bewegen, aufwelche der Bestand der Kultur ange-

wiesen ist [...] denn die Massen sind träge und einsichtslos, sie

lieben den Tiiebverzicht nicht, sind durch Argumente nicht von

dessen lJnvermeidlichkeit zu überzeugen und ihre Individuen be-

stärken einander im Gewährenlassen ihrer Zügellosigkeit.< In:

Sigmund Freud, Gesammelte 'Werke

14 $976) 328. Vgl. umfassend

auch R. Sennett, Verfall und Inde des öffentlichen Lebens. Die

Tyrannei der Intimität (zooo), im Original >The Fall of Public

Man< $974/76) bes. zo9ff.; M. Kessel, Das Trauma der Affekt-

kontrolle. Zur Sehnsucht nach Gefühlen im r9. Jahrhundert, in:

Benthien /FleiglKasten (Hrsg.), Imotionalität zooo (wie Anm.

5o) 156 ff.107 Paris, Bibliothöque nationale de France: Gallo 1975 (wie Anm. ro5)

Abb. S. z7o. Der englische Text zum Bild lautet: )French resistance

helos throttle the Bocheo.

5r

108 London, Imperial War Museum: >Let lJs Go Forward Together(,ebd. Abb. S. z6o.

10e S. Regeneq Facial Politics - Bilder des Bösen nach dem rr. Sep-tembeq in: Löffler,/Scholz (Hrsg.), Das Gesicht 2oo4 (wie

Anm. ro4) zo4 ff. Abb. r und z.110 Derzeit beispielsweise in der politischen wie konsumorientierten

Werbruna.

"' Z.B.J.fallir, tgon Schiele: The Complete Works (r99o); R. Neu-gebauer, George Grosz - Macht und Ohnmacht satirischer Kunst

ftqg:); Bruce Nauman, lmrge /Text1966-1996, Ausst.-Kat. Kunsr-museum Wolfsburg Gssz); C. Brockhaus, Bruce Nauman,.Werkeaus belgischen, deutschen und niederländischen Sammlungen(zooo); S. Dillemuth, Thomas RulL Andere Porrraits (1995)

112 Zur Bedingtheit des Menschen und seiner Geftihle durch die ihmauGrlegten Normen der Gesellschaft, in die er hineingeboren wirdin seiner grundsätziichen Fragestellung nach wie vor klarsichtig:N. Elias, Über den Prozeß der Zivilisacion. Soziogenetische undpsychogenetische Untersuchungen (1939). >Oft genug erschienund erscheint es den Menschen so, als seien die Gebote und Ver-bote, durch die sie ihr Verhalten zueinander regeln, und ihnenentsprechend auch die Angste, die sie bewegen, etwas Außer-menschliches. Je weiter man sich in die geschichtlichen Zusam-menhänge vertieft, in deren Verlauf sich Verbote, wie Angsrebilden und umbilden, desto stärker drängt sich dem Nachdenken-den die Einsicht auf, die für unser Handeln ebenso, wie für dasVerständnis unserer selbst nicht ohne Bedeutung ist; desto klarerzeigt sich, in welchem Maße die Angste, die den Menschen be-wegen, menschen-geschaffen sind. Sicherlich ist die Moglichkeit,Angst zu empfinden, genau wie die Möglichkeit, Lust zu empfin-den, eine unwandelbare Mitgift der Menschennatur. Aber dieStirke, die Art der Struktur der Angste, die in dem Einzelnenschwellen oder aufflammen, sie hängen niemals allein von selnerNatur ab, und, zum mindesten in differenzierteren Gesellschaften,auch niemals von der Narur. in deren Mitte er lebt: sie werden letz-ten Endes immer durch die Geschichte und den aktuellen Aufbauseiner Beziehungen zu anderen Menschen, durch die Strukrur sei-ner Gesellschaft bestimmt; und sie wandeln sich mit dieser.< (zi-

tiert nach der Ausgabe suhrkamp 1994 Bd. rr a46) Vgl. auch Sennen,Verfallzooo (wie Anm. ro6); B. Krame und u. Scheck (Hrsg.), Emo-tions and cultural change. Gefuhle und kultureller Wandel (zoo7).

113 Wer in Gruppen-Diskursen Wut, Zorn oder allzu leidenschaft-liche Begeisterung erkennen lißt, wird in der Regel abgemahnt.Gefthle wirken störend, haben keinen guten Rufund sollten sichlieber dem Anstand, der maßvollen Vernunft unterwerfen. Werseine emocionale Selbstkontrolle verliert, steht im Verdacht, nichtklar denken zu können; das Gefuhl hat am Stock der Gedanken zugehen.

Von den weit über2oo. ooo (!) rl-inks<, die man derzeit im Internetzum Stichwort rEmotionale Selbstkontrolle< findet, beschäftigensich dabei die Mehrzahl allerdings kaum zufillig mit dem Postu-lat einer angeblich remotional intelligenten< Selbstkontrolle in denBereichen Management und Wirtschaft. Spätestens seit dem r995veröffentlichten Buch rlmotional Intelligence. Why it can mattermore than IQ( des Psychologen und'Wissenschaftsjournalisten Da-niel Goleman scheint in diesen Bereichen der als >Schlüsselqua-Iität< oder >Selbstmanagement( bezeichnete Begriff nachgeradezum Synonym ftir >Führungsstärke, Leistungsanrrieb, Optimismusund Erfolg< geworden zu sein. (In diesem Sinn bereits R. Gerling,Die Gymnastik des Willens. Praktische Anleinrng zur Erhöhungder Energie und Selbstbeherrschung. Kräftigung von Gedächtnisund Arbeitslust durch Stärkune der Willenskraft ohne fremde

Hilfe, rgoz). Selbst in Computerspielenwerden angeblich Tiainings-modelle zur Selbstkontrolle als rkompetenzförderlicher Faktor<vermittelt (vg1. Instirut ftir MedienpadagogikJFF - www.jff. de).

114 Vgl. allein in Deutschland entsprechende Sonderforschungspro-jekte etwa an den medizinischen und psychologischen Insritutender Universitäten Frankfurt am Main, Freiburg, Gießen, Heidel-berg, Osnabrück, Tiier, Würzburg, an der Universität des Saar-landes sowie die hier in Anm. rz8 angegebene Literatur.

11s Vgl. z. B. P. Ekman, W. V. Friesen und P. Ellsworth, Gesichtsspra-che. Wege zur Objektivierung menschlicher Emotionen (1972);

P. Ekman und W V Friesen, Unmasking the Face: A Guide to Re-cognizing Emotions from Facial Clues (tSZS); P. Ekman und E. L.Rosenberg,-What the Face Reveals: Basic and Applied Studies of

Spontaneous using the Facial Action Coding System (FACS)

GSSZ);P.Ikman und R. Davidson, The Nature of .Emorion: Fun-damental Questions (tg97);P. Ekman,J. Campos, R.J. Davidsonund F. De'Waals, Emotions Inside Out (zooz); P. Ekman, Gefthlelesen (zoo4).

116 lJmstritten bleibt allerdings, ob es sich dabei, wie Paul Lkmann

auf der Basis umfangreicher pankultureller Rezeptionsstudien ver-mutet, um ein interkulturelles Phänomen handelt. In diesem Sinnkritischer beispielsweise der Neurologe Antonio R. Damasio:>Aller Wahrscheinlichkeit nach nimmt der Iinfluß von Enrwick-lung und Kulrur auf die vorprogrammierten Mechanismen fol-gende Formen an: Erstens, sie prägen das, was nachher denangemessenen Auslöser einer gegebenen Emotion darstellt; zwei-tens, sie prägen einige Aspekte des emotionalen Ausdrucks; und

drittens, sie prägen die Kognition und das Verhalten, die auf dieManifestation einer Emotion folgen.n A. R. Damasio, Ich ftihle,also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewußtseins (zooo) 75. Vgl.auch M. Adam, Symbol oder Symptom? Lesbarmachungen des

Gesichts, in: Löffler,/Scholz (Hrsg.), Das Gesicht zoo4 (wie

Anm.ro4) bes.rz4ff.117 .Entsprechende Beobachtungen finden wir bezeichnenderweise be-

reits im r6.Jahrhundert bei Michel de Montaigne, der irn 3r. Kapi-

tel des Zweiten Buches seinenEßais< in einer Abhandlung überden Zorn - >De la Colere< - denZwang eines trotz heftiger in-nerlicher Erregung raufgesetzt< gleichmütigen Gesichtes - rCe

masque et cette regl6e apparance par le dehors< (2,3r,696) - alsMangel an Aufrichtigkeit, als ein in seiner Zeit verbreiteres unlau-

teres Medium der Verstellung kritisiert: >car la dissimulation estde plus notables qualitez de ce siecle< (z;8,6a9). Vg1. C. Dutt,Montaignes Versuch über den Zorn, in: Htibsch,zKaegi (Hrsg.),

Affekte 1999 (wie Anm. 4r) o9 ff.r18 Aristoteles, Poetik, r454b, 8 ff.lle Gebauer./Wu1f, Mimesis r99z (wie Anm.5r); E. Auerbach, Mi-

mesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur(zoor); F. Helm, Der Code der Dinge. Die Phänomenologie derMimesis (zooz);7. Metscher, Mimesis (zoo3). Vgl. auch G. Pochat,

Geschichte der Kunsttheorie. Von der Antike bis zum rg.Jahrhun-

dert (r986).120 Besonders spektakuläre Selbstinszenierungen nach den Normen

des rrechten Maßes< sind bekanntlich für Perikles, Augustus und

Konstantin den Großen überliefert.

Vgl. Plutarch, Perikles5: >[...] seine Gesinnungvoll hohenErnstes,

seine erhabene Sprechweise, die sich rein erhielt von aller niedri-

gen und gemeinen Schmeichelei, das beherrschte Antlitz, das so

selten lachte, den gelassenen Gang, den anständigen Faltenwurf

des Mantels, der auch bei leidenschaftlicher Rede nicht in Unord-nung geriet, den ruhigen Klang seiner Stimme und noch viele Ii-

genschaften dieser Art, welche überall staunende Bewunderung

52

erweckten. So wurde er einmal auf offenem Markt von einem un-

verschämten Frechling den ganzen Täg geschmäht und verlästert.

Perikles hielt schweigend stand und erledigte dabei ein paar drin-

gende Geschtfte. Gegen Abend ging er ruhig nach Hause, ständig

verfolgt von dem Kerl und seinen wtiLsten Beschimpfungen. Als

er ins Haus treten wollte - es war inzwischen ganz dunkel ge-

worden - befahl er einem Diener, eine Laterne zu nehmen und

den Menschen sicher nach Hause zu geleiten.< Nach K. Ziegler,

Pltrtarch, Große Griechen und Römer t ftg7).Sueton, Augustus 79: >Sein Antlitz strahlte, ob er sprach oder

schwieg, eine solch ruhige Heiterkeit aus, daß ein gallischer Färst

einmal seinen Landsleuten gestand, er habe den Plan gehabt, Au-

gusrus w:ihrend eines Alpenübergangs in den Abgrund zu srilrzen,

und sich zu diesem Zweck unter den Vor-wand, ihm etwas sagen

zu mässen, Zrtritt ztt ihm verschafft, habe daln aber sein Vorha-

ben nicht ausfuhren können, da Augusrus'Anblick ihn zurückhielt

und vcrsöhnlich stimmte.( Nach A. Lambert. Sueton. Leben der

Caesaren (rg7z).

Amnianlts Marcellinus, Res gestae 16, ro, 9 ff. zu Konstantin d. Gr.:rGläckverheißende Zurufe begrüßten den Kaiser, und er er-

schauerte nicht bei dem Widerhall, den Berge und Ufer zurtick-

warfen, sondem zeigte sich so unbeweglich, wie man ihn in seinen

Provinzen sah. Sooft er durch eins der hohen Tore fuhr, bückte er

sich, obwohl von kleiner Statur, sonst richtete cr wie mit gepan-

zertcr.n Hals den leuchtenden Blick geradeaus und wandte das Ge-

sicht weder nach rechts noch nach links. Wie ein menschliches

Standbild schwankte er nicht, wenn ein Rad cinen Stoß verur-

sachtc, und er spuckte nicht aus und rieb oder wischte sich nicht

die Nase, r-rnd nie sah man ihn au.ch nur eine Hand bewegen. Frei-

lich nahrn er diese Halnurg bewußt ein, doch waren dies und man-

ches andere in diesseitigen Leben Anzeichen für eine

überdr.rrchschnimliche Selbstbeherrschung, die, wie man zu ver-

stehcn gab, ihm allein zustand.< Nach W. Seyfarth, Ammianus

Marcellinus, Res gestae IV (r97o). Vgl. auch W. Raeck, Barbaren-

angst und Sklaventrauer. Emofionskontrolle als kulturelles und so-

zialcs Unterschcidungsrnerkmal in der griechisch-römischen

Kunst, in: Herding,/Stump{haus (Hrsg.), Pathos zoo4 (wie Änm.

6r) 3rof Zurn Ph:inomen grundsätzlich T, Hölscher, Formen der

Kunst nnd Forrnen des Lebens, in: T. Hölscher und R. Lauter

(Hrsg.), Formen der Kunst und Formen des Lebens. Positionen

zur Gcgenwartskunst r (1995) rr {f.121 Enneade r,6,9. Nach R. Harder, Plotin, Das Schöne - Das Gute -

Entstehr.urg und Ordnur-rg der Dinge (r986).122 Der Bcrliner Buchhändler Nicolai berichtete in diesem Sinn: , [. . .]

Wenn er in seinem ljnterleibe oder an seinen Schenkeln Schmer-

zen ernpfand (wie dieß jedem Menschen, besonders dem der eine

sitzende Lebensart führt, sehr leicht geschehen kann), so bildete

er sich ein, dieß käme daher, daß er an einem marmornen oder

bleyernen Bilde gerade an einer Stelle des Gesichtes arbeitete, wel-

chc mit einer gewissen Stelle der untern Theile des Körpers ana-

log wirc. [...] er dichtete sich, weil seine Phantasie mit Geistern

angeftillt war, einen besondern Geist der Proportion.'W'eil ihm

seinc Eitelkeit einbildete, er habe über die Proportionen und deren-Wirkr:ngen

ganz unerhörte neuc Entdeckungen gemacht, und

weil er rnitten unter diescn Intdeckungen [...] im Unterleibe

Schmerzen ftihlte; so ließ er sich träLlmen, der Geist der Propor-

tionen sey neidisch auf ihn, und verursache ihm daher diese

Schmerzen. Da er von cinem lesten Charakter waq so fasstc cr

Muth. nrn diesen vermeintlich bosl-raften Geist zu r,iberwinden. Er

gieng darauf aus, in die Tiefe der Verhältnisse immer fester einzu-

dringen, damit er endlich tiber den Geist Macht bekomme, und

nicht mehr der Geist über ihn. [...] Nun gieng er wirklich hier-

nach zu Werke: er kniff sich, er schnitt Grimassen vor dem Spie-

gel, und glaubte die bewunderungswürdigsten Wirkungen von

seiner Herrschaft tiber die Geister zu erfahren. Er freuete sich sei-

nes Systems, und beschloß, es durch Abbildung dieser grimassie-

renden Verhältnisse festzusetzen und auf die Nachwelt zu

bringen.< Ziaert in: H. G. Behr, H. Grohmann r.rnd B. O. Hage-

dorn, Charakter-Köpfe. Der Fall F. X. Messerschmidt:'Wie ver-

rückt darfKunst sein? (1983) r5r ff.123 Vgl. 2.ts. U. H. Peters, Physiognomik als Mittel der Psychoana-

lyse? Ernst Kris deutet Franz Xaver Messerschmidt, in: C. Schmöl-

ders und S. Gilman (Hrsg.), Gesichter der Y/eimarer Republik.

Eine physiognomische Kulturgeschichte (zooo) z6zff. sowie

M. Bückling, Die phantastischen Köpfe des Franz Xaver Messer-

schmidt, Ausst.-Kat. Liebieghaus Frankfurt arn Main (zoo6).124 Ganz in diesem Sinn schilderte Diderot die mimischen >Forrnen<

von David Garrick, den er für einen vorbildlichen Schauspieler

hielt: >Garrick steckt seinen Kopf durch einen Türspalt, und im

Laufe von vier bis ftinf Sekunden verändert sich sein Gesichtsar.rs-

druck von wilder Freude über gemäßigte Freude zur Ruhe, von

der Ruhe zur Überraschung, von der Überraschung zum Erstau-

nen, vom Erstauneu zur Trauer, von der Trauer zur Niederge-

schlagenheit, von der Niedergeschlagenheit zum Schrecken, vom

Schrecken zum Entsetzen, vom Entsetzen zur Verzweiflung. Von

dieser letzten Stufe steigt er wieder bis an den Ausgangspunkt.

Kann eine Seele all diese Gefthle empfinden und diese ganze

Skala in Übereinstimnung mit dem Gesicht?< Nach Denis Dide-

rot, Paradox über den Schauspieler $g6a) 26. Der originale Text

wurde in denJahren r77o-1773 verfaßt. Vgl. mit dem Zitat attch

Sennett, Verfall zooo (wie Anm. ro6) bes. r47 ff.; B. Korte, Theatra-

lität der Emocionen. Zur Körpersprache im englischen Roman des

r8. Jahrhunderts, in: Benthien./Fleig.u Kasten (Hrsg.), Emotionali-

tät zooo (wie Änm. 5o) r4r ff.t" Vgl.J. Walsh (Hrsg.), Bill Viola The Passions, Ausst.-Kat. The

J. Paul Gery Museum, Los Angeles - The National Gallery Lon-

don (zoo3).126 EbrL4z Abb.13-14 undpassrm.127 Zitiert in P. Löffler, Intro: Krisen der Facialen Semantik, in: LöfI-

ler,/Scholz (Hrsg.), Das Gesicht zoo4 (wie Anm. ro4) 244.128 Vgl. z. B. A. Oksenberg Rorry (Ursg.), txplaining Emotions (r98o);

I. Craemer-Ruegenberg (Hrsg.), Pathos, Affekt, Gefuhl (r98r);

R. Harrd (Hrsg.), The Social Construction of Emotion (1986);

O. H. Green, The Emotions. A Philosophical Theory (1992);

H. Fink-Eitel und G. Lohmann Hinrich (Hrsg.), Zur Philosophie

der Geftlhle (rqq:); M. W. Battacchi, T, Suslow und M. Renna,

Emotion und Sprache. Zur Definition der Imotion und ihren tse-

ziehungen zu kognitiven Prozessen, dem Gedächtnis und der Spra-

che Gqq6); R. de Sousa, Die Rationalität des Gefühls (1997);

C. Meier-Seethaler, Gefthl und Urteilskraft. Ein Plidoyer ftir die

emotionale Vernunft tqq8); Hübsch/Kaegi (Hrsg.), Affekte r999(wie Anm.4r);8. Angehrn und B. Baertschi (Hrsg.), Emotion und

Vernunft (zooo); A. R. Damasio, Ich ftihle, also bin ich (zooo);

P. Goldie, The Emotions. A Philosophical Exploration (zooo);

P. Goldie, Understanding .Emotions. Mind and Morals (zooz);

S. Döring und V. Mayer (Ursg.), tlie Moralität der Gefühle, Son-

derband 4 der Deutschen Zeitschrift für Philosophie (zooz);

M. R. Bennett, P. M. Hacker u. a., Philosophical Foundations of

Neuroscience (zoo3); A. Hatzimoysis (Hrsg.), Philosophy and the

Emotions (zoo3); A. Stephan und H. Walter (Hrsg.), Natur und

Theorie der Imotion (zoo4); L. C. Harlan und R. C. Solomon(Hrsg.), Thinknrg about Feeling. Conternporary Philosophers on

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Emotions (zooa); C. Demmerling, Gefuhle und Moral. Eine phi-

losophische Analyse (zoo4); A. R. Damasio, Der Spinoza-Effekt.

Wie Geftihle unser Leben bestimmen (zoo5). Eine übersichtliche

Einführung und kritische Bewerrung des Forschungsstandes sowie

umfangreiche weitere Literatur finden sich bei M. Hartmann, Ge-

fuhle. Wie die Wissenschaften sie erklären (zoo5); M. Equit,

Sprachinhalt und Mimik bei der Kommunikation ron Arger(zoo7).

12e Die im r7. und r8.Jahrhundert vor allem bei Thomas Hobbes und

David Hume faßbaren Umkehrungen solcher Vorstellungen haben

sich nicht durchgesetzt. Letzterer pledierte in seiner r739 -r74o ver-

faßten Schrift >Ein Tiaktat über die menschliche Natur< daftr, daß

ganz im Gegenteil die Vernunft dem Geftihl untergeordnet sei:

>Die Vernunft ist nur der Sklave der Affekte und soll es sein; sie

darf niemals eine andere Funktion beanspruchen, als die, densel-

ben zu dienen und zu gehorchen.< Zitiert in Hartmannzoo5 (wie

Anm.rz8) 16. Vgl. M. Hampe, Interne Komplexität und Theorie

der Affekte bei Hobbes, in: Hübsch/Kaegr (Hrsg.), Affekte 1999(wie Anm. +r) zz ff

130 Vgl. z. B. H. Kuhn und F. Wiedmann (Hrsg.), Das Problem der

Ordnung. Sechster Deutscher Kongreß ftir Philosophie München

ry6o ft962); I. Goffmann, Das Individuum im öffentlichen Aus-

tausch. Mikrostudien zur öffentlichen Ordnung (1999); G. Ktlp-

pers (Hrsg.), Chaos und Ordnung. Formen der Selbstorganisacion

in Natur und Gesellschaft (Igq6); E. Angehrn, Die Überwindung

des Chaos. Zur Philosophie des Mythos (mit umfangreichen Lite-

raturhinweisen); Ders., Der'Weg zur Metaphysik. Vorsokratiker.

Platon. Aristoteles (zooo) bes.6gff.z6off.;J. Assmann (Hrsg.), Die

kosmologischen Reiche des Alten Orients - Mesopotamien und

Agypten, in: E. Voegtlin, Ordnung und Geschichte I (zooz);

A. AnteS Die Macht der Ordnung. Aspekte einer Grundkategorie

des Politischen (zoo4).131 Platon, Gorgias5o6e-5o8a. Nach K. Hülser (Hrsg.), Platon. Samr

liche W'erke rr (r99r).132 K. Xming, Die Unvernunft des Begehrens. Platon über den Ge-

gensatz von Vernunft und Affekt, in: Hübsch./Kaegi (Hrsg.), Af-

fekte 1999 (wie Anm. 4r) 26ff.; Angehrn, Der'Weg zur Metaphy-

sik zooo (wie Anm. r3o) rro f. >Ordnung ist Maß objektiver Voll-

endung wie subjektiven W'ohlbefindens. Das Subjekt ist Instanz

der Wahrnehmung und der Herstellung von Ordnung. Es ist ir

ein größeres Ganzes eingefügt, in dem und über dessen Voll-

endung es seine eigene Erfullung findet.< Ebd. rrr.r33 Ch. Meier, Athen. Ein Neubeginn der Weltgeschichte Gqqz) rS8 ff

>Die griechische Suche nach dem Maß meint zum einen kaurn

mehr als das Mittlere, das man anstreben soll, das den beiden Ex.

tremen des Zuviel und des Zuwenig vorzuziehen ist. Auch von

ihm heßt es, es sei das Beste, und entsprechend deuten die Grie-

chen ihre Eigenart später von ihrer geographischen Mittellage her

[.,.]. Zum anderenjedoch geht es um spezielle Verhältnisse, die als

die rechten Maße vermutet und erkannt werden. [...] Da nimmt

der Tempelbau das Joch zwischen zwei Säulen zum Grundmaß,

aus dem sich alle weiteren Maße durch Teilung oder Verviel-

fachung ergeben. Da verstehen die Musiker Oktave, Quint und

Quart als Ausdruck bestimmter ausgezeichneter Zahlenrelationen,

und Polyklet stellt Messungen an menschlichen Körpern an, um

den rKanon< für dessen Darstellung zu gewinnen. Hippodamos

entwirft Städte und Häuserblocks nach ganz bestimmten Relatio-

nen [.. .] - all dies und anderes zeigt, daß die Griechen damals die

Ordnung der 'W'elt

in bestimmten Maßverhältnissen nt entztfferc,

suchten, um sich danach zu richten. Das Gesetz, das rechte Maß

das hinter den Dingen wirken mußte, war relativ einfach und re.

lativ abstrakt [ ]. Indem aber die Suche nach den rechten Maßer

die spezifisch griechische Gegenwehr gegen die Bedrohung durcl

Unordnung und Hybris war, das Mittel, untereinander nicht nur

zu Ordnung, sondern auch zu Selbstbeherrschung zu gelangen, er.

weist sich die Abstraktionsfehigkeit ihres Denkens als Korrela

ihrer Freiheit.< Vgl. ders., Von Athen bis Auschwitz, Betrachtun.

gen ntr Lage der Geschichte (zooz) bes. 7 ff.134 Platon, Phaidon 99a-c. Vgl. G. Figal, Wo sich das Handeln nich

ableiten l;ßt, in: Htibsch,u Kaegi (Hrsg.), Affekte 1999 (wie Anm

4lß7ff.

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