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Seminararbeit: „geschützter Berufsstand in Deutschland. Welche Kosten verursachen
die Lobbygruppen von Ärzten?“
Seminar: Wirtschaftskrieg
WS 2015/2016
Angefertigt bei Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Blum
Am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsforschung
Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Wirtschaftswissenschaftlicher Bereich
Vorgelegt von: Marwin Gaube
Vorgelegt am: 18.01.2016
- 1 -
Inhaltsverzeichnis Seminararbeit: ..................................................................................................................................... - 0 -
1. Einleitung ............................................................................................................................. - 2 -
2. Lobbyismus .......................................................................................................................... - 2 -
3. Lobbyismus in der Ärzteschaft ............................................................................................ - 4 -
4. Die Logik des kollektiven Handelns ..................................................................................... - 5 -
4.1 Einführung in die „Logik des kollektiven Handelns“ von Mancur Olson ............................... - 5 -
4.2 Anwendung auf die „Lobby in Weiß“ .................................................................................... - 7 -
5. Lokalisierung der konkreten Kosten .................................................................................... - 8 -
6. Fazit ................................................................................................................................... - 10 -
7. Abbildungsverzeichnis: ...................................................................................................... - 11 -
8. Literaturverzeichnis ................................................................................................................... - 13 -
- 2 -
1. Einleitung
In Deutschland waren im Jahr 2014 insgesamt rund 365.200 Ärzte berufstätig. Damit setzte
sich der kontinuierliche Anstieg der Arztzahlen der letzten Jahre fort1. Im Vergleich verdienen
Ärzte aber nicht wenig. So verdient ein niedergelassener Allgemeinarzt aus kassenärztlicher
Tätigkeit 187.000€ im Jahr, ein Chefarzt mit Berufserfahrung sogar bis zu 750.000€ pro Jahr2.
Die entsprechende Lobby, die „Lobby in Weiß“ (Rauskolb 1976), wie sie auch genannt wird,
spielt dabei eine wesentliche Rolle, auch bei der politischen Einflussnahme in der
Gesundheitspolitik. Vertreten werden die berufspolitischen und wirtschaftlichen Interessen der
Ärzteschaft gegenüber der Politik hauptsächlich durch die Ärztekammern und Kassenärztliche
Vereinigungen3. Schon in den 1960er Jahren wurden bei den geplanten Gesundheitsreformen
von Theodor Blank Beschlüsse trotz Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und Bundesrat
blockiert4. Wie ist das möglich? Wie kann die Wirtschaft die Politik so stark beeinflussen, dass
sie sich gegen die Bürger entscheidet und für die Unternehmen? Ein Dilemma, könnte man
meinen. Die politischen Vertreter des Volkes handeln gegen die Bürgerinteressen, oder scheint
es nur so? Eine freie Arztwahl, kostengünstige medizinische Mittel, Laboruntersuchungen nach
eigenem Willen – hört sich doch gut an! Während wir eine Pro- und Kontra-Liste anfertigen,
dürfte aber auffallen, dass es viele Argumente gibt, welche nicht zu kategorisieren sind. Aus
einer anderen Perspektive lässt es sich leichter betrachten. Was für Kosten entstehen durch die
Lobbygruppen und ihre politische Arbeit? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir den
Begriff Lobbyismus näher erläutern und die Akteure identifizieren. Mit dieser Thematik möchte
ich mich in der folgenden Seminararbeit mehr auseinandersetzen.
2. Lobbyismus
Das erste Stichwort, welches bei der Beeinflussung von Kosten ins Auge springt ist
Lobbyismus. Was ist Lobbyismus? Das Kernthema ist so einfach und doch zu kompliziert, um
es in einem Satz zu erklären. Das Prinzip ist einfach: Vertreter der Wirtschaft setzen sich mit
Vertretern aus der Politik in Kontakt um ihre Interessen durchzusetzen. Das kann
verschiedenste Ansätze implizieren. Fakt ist aber, so sagt es Schulze van Loon aus Sicht seiner
1 Statista http://de.statista.com/themen/576/aerzte/ 02.01.2016 2 Kienbaum (2014) 3 Bpb http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/gesundheitspolitik/200658/lobbyismus-in-der-gesundheitspolitik
02.01.2016 4 Bandelow (1998), S.181 Übersicht 4.3-3
- 3 -
Praxis: „Entscheidungen auf politischer Ebene sollen beeinflusst, herbeigeführt oder verhindert,
beschleunigt oder verzögert werden“ (Kolbe et al. 2011). Wenn man es also differenziert von
der politischen Ebene betrachtet, kann man sagen „Lobbying ist vielmehr das Einwirken auf
Entscheidungsträger und Entscheidungsprozesse durch präzise Information“ (Strauch 1993).
Wenn man sich die Praxis anschaut, kann man feststellen, bei dem Begriff geht es aber bei
einem übermäßig hohen Teil der Fälle um die Vertretung von Unternehmen der Wirtschaft in
der Politik. Ob es sich dabei um Glücksspiel, der Rüstungsindustrie, der Automobilbranche
oder Banken5 handelt, spielt in der Regel für das Prinzip in erster Linie keine Rolle.
Unterschiedlich sind jedoch die Strukturen der Vertretungen, was ganz deutlich auch bei Ärzten
der Fall ist6 (Bandelow 1998). Auf diese besonderen Strukturen werde ich später näher
eingehen.
Das Problem des Prinzips als Ganzes betrachtet ist die Offenlegung der Praxis. Wären jeweils
die Vertreter nach außen hin präsent, wäre das System transparent und regulierbar, so ist es aber
nicht, zu welchem Fazit auch die Otto Brenner Stiftung in ihrer Studie 2011 kam (Kolbe et al.
2011). Meist agieren die Lobbyisten hinter den Kulissen. Die Absprachen finden in
Hinterzimmern fernab von der Öffentlichkeit statt. Das macht die Lobbyarbeit für
Außenstehende schwer verständlich und nicht eingreifbar, weder für Zivilgesellschaft noch für
die Politik. Dass das Thema auch im Bundestag anstößt, beweist die Rede von Wolfgang
Nešković7, Bundestagsabgeordneter der Linken. Lobbyismus muss auch bestimmte Regeln
zugutekommen, ist ein Fazit, zu welchem nicht nur kritische Organisationen wie Transparency
International und Lobbycontrol kommen8. Auch Autoren von weiterer Fachlektüre (Dagger und
Kambeck 2007)9 schließen sich der Meinung an. Deutschland ist eines der wenigen Länder in
der Europäischen Union, wo Lobbyisten noch frei ohne Regeln agieren können. Warum das so
ist? „Willkommen im Lobbyland Deutschland“ kann man in der „Mittelbayerischen“ in der
Rubrik Wirtschaft lesen10. Eine Überschrift, welche fast als Aufforderung aufgenommen
werden kann. Die Frage ist nur, wie mächtig ist der Lobbyismus wirklich? Während in den 60er
Jahren Verbände weitgehend als unverzichtbare Elemente der demokratischen Politik ( Vgl.
u.a. Fraenkel 1991, 1973) anerkannt wurden, dominiert heute eine populär-populistische
5 http://www.mittelbayerische.de/wirtschaft/willkommen-im-lobbyland-deutschland-20010-art1134630.html
07.01.2016 6 Bandelow, Nils (1998), S. 83 7 Nešković, Rede vom 19.06.2008 8 Positionspapier Transparency International 21.03.2013
https://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Politik/Papier_Transparency_Lobbycontrol_Regulierung_
Lobbyismus_13-03-21.pdf 9 Dagger/ Kambeck (2007) S. 195 f. 10 Vgl. „Mittelbayerische“ 13.10.2014 „Willkommen um Lobbyland Deutschland“
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Verbändeaversion (Daumann 1999)11: Da regiert die Lobby das Land (Simmert und Engels
2002). Lobbyismus sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Den Einfluss auf
die Gesundheitspolitik werde ich am Beispiel des Lobbying der Ärzteschaft aufzeigen.
3. Lobbyismus in der Ärzteschaft
Bei der Lobbyarbeit in der Gesundheitspolitik denkt man als erstes an die großen
Pharmaunternehmen und Millionen Beträge. Diese Lobbyarbeit ist aber von der der Ärzte zu
unterscheiden. Die Lobbyarbeit für Ärzte ist weitaus komplexer gestaltet. Die heutige
Bundesärztekammer (kurz: BÄK) ist heute als Dachorganisation der Landesärztekammern
(kurz LÄK) im Gegensatz zur früheren Reichsärztekammer keine Körperschaft des öffentlichen
Rechts (Bandelow 1998) mehr. Die Grundlage für eine organisierte Struktur liegt aber aufgrund
dessen zugrunde (Abb. 1.1). Alle Ärzte sind Mitglied einer (Landes-)Ärztekammer (Bandelow
1998)12. Wichtig ist dieser Fakt, da Vertreter der Ärztekammern auch als Akteure in der
Gesundheitspolitik bei der Gesetzgebung mitwirken (Arbeitsgemeinschaft der deutschen
Ärztekammer (Bundesärztekammer) 2015)13. Speziell der Pressestellen Apparat der BÄK wird
zur Informationsweitergabe und Beeinflussung der politischen Handlungsträger gegenüber der
Öffentlichkeit eingesetzt14. Die Ärzteschaft wird aber nicht nur über die BÄK oder LÄK
vertreten, sondern auch über weitere wichtige Verbände wie bspw. Die Kassenärztliche
Bundesvereinigung15, die Bundeszahnärztekammer16, den Hartmannbund17 oder den
Marburger Bund18 vertreten. Die Ärztekammern sind selbsterklärend die Vertretung der
jeweiligen Fachbereiche. Eine Ausnahme bilden der Hartmannbund und der Marburger Bund.
„Der Marburger Bund ist die gewerkschaftliche, gesundheits- und berufspolitische
Interessenvertretung aller angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland.“19
Mit ca. 117.000 Mitgliedern ist er „die einzige tariffähige Ärztegewerkschaft in Deutschland
11 Winter, Willems (2007), S.15 12 Bandelow, Nils (1998) Gesundheitspolitik, S.82 13 Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer 2014, S.26 14 Anmk.: die BÄK verfügt seit 1950 über einen zentral gesteuerten Apparat von Pressestellen;
Quelle: Bandelow, Nils (1998) Gesundheitspolitik, S. 82 15 Anm.: Berufsvertretung aller Kassenärzte und Körperschaft des öffentlichen Rechts 16 Anm.: Berufsvertretung aller Zahnärzte in Deutschland 17 Anm.: „Der Hartmannbund – Verband der Ärzte Deutschlands e.V. ist ein auf Bundesebene organisierter
Verband mit föderalen Strukturen im operativen und politischen Geschäft.“
Quelle: http://www.hartmannbund.de/wir-ueber-uns/der-verband/ 05.01.2016 18 Anm.: Der Marburger Bund ist die gewerkschaftliche, gesundheits- und berufspolitische Interessenvertretung
aller angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland.
19 https://www.marburger-bund.de/der-marburger-bund 09.01.2016
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und Europas größte Ärzte-Organisation mit freiwilliger Mitgliedschaft.“20 Der Name kommt
dabei lediglich von dem Entstehungsort Marburg, in welchem sich erstmal 1947 junge Ärzte
und Medizinstudenten zusammen tragen, um sich Gedanken für bessere Arbeitsbedingungen
zu machen. Der Hartmannbund – Verband der Ärzte Deutschlands e.V. hingegen ist die
Vertretung aller Ärzte. „Unabhängig vom Fachgebiet, ob niedergelassen, angestellt oder im
öffentlichen Gesundheitsdienst tätig – jeder angehende oder praktizierende Arzt findet hier eine
starke Interessenverbindung.“21 Entstanden ist der Bund durch seinen Gründer den Leipziger
Arzt Dr. Hermann Hartmann bereits 1900.
Das System der Ärztekammern ist sehr gut strukturiert, wie in Abb 1.1 dargestellt ist. Die
Ärzteschaft wird darüber hinaus durch Vertretungen des „Deutschen Ärztetages“, die LÄK’s,
die Pressestelle der BÄK und die Ausschüsse und ständige Einrichtungen wie bspw. den
Deutschen Senat für ärztliche Fortbildung und die Deutsche Akademie für Allgemeinmedizin
in der Öffentlichkeit als Organe vertreten22.
Die Vernetzung zwischen den Verbänden ist sehr dicht, wie die Grafik (1.2) belegt. Durch das
enge Netz der Verbände können gemeinsame Absichten und Interessen schnell vermittelt und
in den dafür vorgesehenen Gremien angetragen, sowie umgesetzt werden.
4. Die Logik des kollektiven Handelns
4.1 Einführung in die „Logik des kollektiven Handelns“ von Mancur Olson
Das von Mancur Olson geschriebene Buch „Die Logik des kollektiven Handelns“ ist eine
Abhandlung über das Erreichen eines Gruppenzieles auf Basis von ausschließlich handelnden
Eigennutzmaximierern. Es wird dem Phänomen von Gruppen, Verbänden oder kurz
Kollektiven auf den Grund gegangen. Dabei werden zahlreiche Autoren zitiert, auf denen die
Theorie der Gruppen basiert.
In Anbetracht von wirtschaftlichen Gruppen, wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass
die Mitglieder daran interessiert sind, die gemeinsamen Interessen zu fördern23 bzw. dass
Gruppen wenn nötig auch gemeinsam handeln, um ihre gemeinsamen oder Gruppenziele zu
20 https://www.marburger-bund.de/der-marburger-bund 09.01.2016 21 Ebd. 22 Anm.: Weitere Ausschüsse siehe Abb. 1.1 23 Olson, Mancur (1998) S.2, Abs.1
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fördern(Olson 1998). Diese Erkenntnis basiert laut Olson auf der Grundlage, dass jeder
Teilnehmer der Gruppe daran interessiert ist, auf das Kollektivgut zugreifen zu können und in
dem Sinne seine Eigeninteressen umzusetzen. Da von einer Gruppe mit gemeinsamen
Interessen ausgegangen wird, decken sich die Eigeninteressen mit denen der Gruppe. Wird aber
das Eigeninteresse des Teilnehmers erreicht, folgt nicht in der Zielsetzung das
Gruppeninteresse. Nur im Fall, dass die Gruppe sehr klein ist, oder es andere Mittel gibt, führt
dies zum Handeln im Gruppeninteresse24. Allein die Zahl der Individuen oder Einheiten in einer
Gruppe zu berücksichtigen reicht aber nicht, denn der Bruchteil des Gruppengewinns25 jedes
Gruppenmitgliedes hängt nicht nur von der Zahl der Gruppenmitglieder ab, sondern auch von
der Größe des einzelnen Mitgliedes26. Grundsätzlich lassen sich also die Gruppen
kategorisieren. Bevor man die Gruppen in Größe und Struktur einteilt, wird bei Olson
unterschieden zwischen exklusiven und inklusiven Gruppen27. Während die exklusive Gruppe
marktorientiert und daran interessiert ist, dass möglichst wenige Mitglieder der Gruppe
beitreten, sind inklusive Gruppen an einer hohen Mitgliederanzahl interessiert und nicht-
marktorientiert. Dabei möchten exklusive Gruppen entgegen der inklusiven Gruppen
Konkurrenz meiden und den Preis für das Kollektivgut senken (Vgl. Olson 1998: 35 f.).
Die Größe der Gruppen wird von Olson in privilegierte, mittelgroße und latente Gruppen
unterteilt. Eine privilegierte Gruppe, besteht aus einer geringen Anzahl von Teilnehmern und
ist weites gehend homogen. Die Teilnehmer kennen sich untereinander und können schnell
interagieren um ohne große Gruppenorganisation Kollektivgüter bereitstellen zu können (Vgl.
Olson 1998:48). In einer mittelgroßen Gruppe fällt Passivität durch die höhere Anzahl an
Teilnehmern nicht auf. Es besteht keine Motivation der Teilnehmer, sich an der Beschaffung
des Kollektivgutes einzubringen, so dass nur durch Gruppenorganisation Kollektivgüter
bereitgestellt werden können (Vgl. Olson 1998: 49). Die latente Gruppe besteht im Vergleich
dazu aus einer sehr hohen Anzahl an Mitgliedern. Diese kennen sich nicht persönlich und
verspüren so nur eine sehr geringe persönliche Abhängigkeit gegenüber der Gruppe. Durch die
hohe Anzahl wird nicht wahrgenommen, welche Teilnehmer zum Wert des Kollektivgutes
beitragen und welche Teilnehmer nur als Trittbrettfahrer agieren. Olson beschreibt deshalb
große Gruppen als latent, „da sie eine latente Macht oder Fähigkeit zum Handeln haben, aber
diese mögliche Macht nur mit Hilfe von „selektiven Anreizen“ realisieren oder „mobilisieren“
24 Vgl. Olson, Mancur (1998) S.2, Abs.2. 25 Vgl. ebd., S.22. 26 Vgl. ebd., 27. 27 Vgl. ebd., 35.
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können“ (Olson 1998, 1998: 50). Wenn nun als Kollektivgut die Umsetzung der Interessen der
jeweiligen Gruppe ersetzen werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass kleine Gruppen ihre
Interessen durchsetzen wesentlich höher, gegenüber der Wahrscheinlichkeit von großen
latenten Gruppen, „weil die einen im allgemeinen organisiert und aktiv sind, während die
anderen normalerweise nicht organisiert und untätig sind“28 (Olson 1998). Das Fazit besteht im
Endeffekt darin, dass kleine Gruppen tendenziell eher in der Lage sind, sich freiwillig zu
organisieren und ihre gemeinsamen Interessen zu verfolgen. Große Gruppen sind dazu nur unter
sehr hohem Aufwand in der Lage, so dass das Ergebnis der politischen Einflussnahme
zwischen den verschiedenen Gruppen in die Gesellschaft nicht gleichmäßig ist29.
4.2 Anwendung auf die „Lobby in Weiß“
Um die Logik des kollektiven Handelns von Mancur Olson auf die Gruppe der Ärzte zu
übertragen, müssen wir die vorliegende Gruppe einordnen. Es liegt hier anhand der Zielsetzung
eine inklusive Gruppe vor. Die Gruppen der Ärzte sind marktorientiert und allein für ein
Berufsfeld geöffnet. Ziel derer ist es, die Interessen der Ärzte zu vertreten, das heißt die
Vergütung positiv zu beeinflussen und einen Zugang für neue Mitglieder zu beschränken.
Damit ist eine Marktüberflutung und Lohnsenkung theoretisch ausgeschlossen. In Bezug auf
die Größe sind die Organisationen verhältnismäßig kleine Gruppen30, so hat im Vergleich dazu
Ver.di mit ungefähr 2 Mio. Mitgliedern sechs Mal so viele Mitglieder und vertritt mehr als 1000
Berufe.
Die Größe der Ärztegruppen und dementsprechend auch ihre Vertretung ist klein, homogen und
hat einen gemeinsamen Konsens. Das vereinfacht eine gemeinsame Meinungsbildung, sowie
die Interessenvertretung im Sinne aller Mitglieder. Differenziert werden kann im Rahmen der
Ärzte zusätzlich zwischen den Organisationen für alle Beteiligten31 und den im Detail
spezielleren Gruppen wie den Landesärztekammern32 oder den Ärztekammern der jeweiligen
Fachbereiche33. Im Folgenden wird aber von einer Vertretung der Ärzte als Gesamtheit
ausgegangen.
28 Olson (1998) S.126 f. 29 Vgl. ebd., S.125. 30 Quelle: https://www.verdi.de/ueber-uns vom 09.01.2016 31 Anm.: gemeint ist hier bspw. die Bundesärztekammer 32 Anm.: LÄK’s sind eine jeweils differenzierte Gruppe auf Ebene der örtlichen Zusammensetzung 33 Anm.: bspw. die Zahnärztekammer
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Das Besondere an der Vertretung ist, wie bereits in Kapitel 3 erläutert, die Entstehung und
Entwicklung aus einer größtenteils vom Staat geschaffenen Körperschaft34. Auch hierbei
handelt es sich um vom Staat geschaffene und beaufsichtigte öffentlich-rechtliche
Körperschaften, welche neben der Vertretung auch Aufgaben einer mittelständischen
Staatsverwaltung wahrnehmen35. Dadurch wurde der Weg der Politikvernetzung automatisch
geebnet. Eine zusätzliche Vernetzung durch Lobbyisten ist kaum notwendig, da die Interessen
stark durch bestehende Organe vertreten werden. Neben der Interessenvertretung der Ärzte in
der Politik, ist aber auch die Politik an einer Zusammenarbeit mit den Ärztegruppen bei
gesetzlichen Regulierungen oder der Gestaltung der geltenden Gebührenordnung für Ärzte
(GOÄ) interessiert36. Durch die gegenseitigen Interessen an einer Zusammenarbeit, ist trotz der
geringen Größe der Gruppe eine sehr starke Beeinflussung der politischen Entscheidungen
möglich.
5. Lokalisierung der konkreten Kosten
Im vierten Kapitel bin ich auf die Theorie des kollektiven Handelns und damit auf die
Grundlage für die Beeinflussung von den Ärztlichen Gruppen eingegangen. Im folgenden
Kapitel möchte ich nun ins Detail gehen und die beeinflussten Kosten der betroffenen Gruppen,
der Kassen und der Patienten, eingehen.
Auch die Kassen werden im System der Gesundheitspolitik gut vertreten, wodurch
Verhandlungen stattfinden können, statt einseitige Beschlüsse. Die Krankenkassen der
gesetzlichen Krankenversicherung sind in Verbänden organisiert, welche
zusammengeschlossen im GKV-Spitzenverband vertreten werden. Dieser ist eine „durch das
Gesetz geschaffene Körperschaft des öffentlichen Rechts.“37 Das Problem des GKV-
Spitzenverbandes ist die teils widersprüchliche Meinung der verschiedenen vertretenden
Krankenkassen, welche sich gegenüber im Wettbewerb stehen.
Auch die Privaten Krankenkassen sind in einem Spitzenverband zusammengeschlossen. Der
PKV-Verband vertritt die 50 umsatzstärksten PK- Unternehmen, darunter
34 Anm.: damit sind vor allem Kassenärztliche Vereinigungen gemeint (KV) nach §75 SGB V 35 Vgl. Bpb http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/gesundheitspolitik/200658/lobbyismus-in-der-
gesundheitspolitik 02.01.2016 36 Vgl. ebd., Abschnitt: Ärztekammern 37 Vgl. ebd., Abschnitt: Verbände der Kostenträger
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Versicherungsvereine, Aktiengesellschaften, sowie auch verbundene Einrichtungen wie die
Postbeamtenkrankenkasse und die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten38.
Durch die Lobbyarbeit der Ärztevertretungen kommen zwei Arten von Kosten für die Kassen
auf. Nicht nur monetärer, sondern auch Einfluss-Verlust resultiert daraus. Ein Beispiel für
monetäre Verluste sind zusätzliche Kostenübernahmen von Leistungen wie Schlaflabor-
Untersuchungen (Klakow-Franck 2004) oder Einfluss auf Kürzungen für Leistungen
(Bundesärztekammer 2015)39 sowie Übernahme von kostenintensiven Doppeluntersuchungen
wie MRT oder Laboruntersuchungen. Für Einfluss-Verluste ist das Positionspapier der BÄK
zur Bundestagswahl zum Thema der Bürgerversicherung zu zitieren, in welcher es heißt:
„Ohne Wettbewerb um die beste Versorgung wird es keinen Fortschritt geben. Die
Bürgerversicherung stärkt ausschließlich die Macht der Krankenkassen und ihrer Funktionäre.
Dies lehnen wir ab.“40
5.2 Auch, und noch viel mehr kommen aber durch die Lobbyarbeit Kosten für die Patienten
auf. Dabei gibt es bereits Vertretungen der Patienten wie die Deutsche Gesellschaft für
Versicherte und Patienten (DGVP) e.V. bereits seit 1989 (Geissler 2004). Die DGVP hat sich
dabei im Laufe der Jahre nicht nur zu einem wichtigen politischen Akteur sondern auch einem
gefragten Ansprechpartner von Presse, Funk und Fernsehen entwickelt, wenn es um die
Belange der Patienten geht41. Auch bei Gesetzesänderungen zum Gesundheitssystem auf
Bundesebene wird eine Stellungnahme des DGVP wie zur Gesundheitsreform 2000 ebenso wie
bei den Neuregelungen der Kassenwahlrechte eingeholt42. Der Einfluss auf die Politik ist aber
bei Weitem nicht so groß, wie von Seiten der Ärzte oder Kassen. Da es im Folgenden um die
Kosten geht, welche durch die Lobbygruppen der Ärzte entstehen, werde ich die Einflussnahme
der Kassen-Lobby auf die Patienten-Lobby nicht näher erläutern.
Ein flächendeckendes Problem von Patienten sind die Anreisekosten in ländlichen Regionen.
In Abbildung 1.3 ist klar zu sehen, dass in den flächengrößten Regionen die wenigsten Ärzte
vertreten sind. Die Verteilung der Ärzte wird aber absichtlich niedrig gehalten. So steigen die
Einnahmen pro Arzt. Aber die Kosten für Patienten werden auch durch weitere Praktiken
unnötig erhöht. So werden unkritische prophylaktische Untersuchungen (Checks) von Ärzten
38 Vgl. https://www.pkv.de/verband/ueber-uns/ 10.01.2016 39 Vgl. Bundesärztekammer (2015), zu Nummer 10, e, bb: § 291 Absatz 2b 40http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/Positionspapier_zur_Bundestagswahl.pdf 10.01.2016 41 Vgl. http://www.bagso.de/publikationen/bagsonachrichten/archiv/2002-01/02-01-38.html 10.01.2016 42 Vgl. ebd.
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angeboten, welche aber besonders bei Patienten höheren Alters unnötige Kosten entstehen
lassen. Ähnlich werden auch iGe-Leistungen (iGeL) angeboten. iGel sind Leistungen, welche
von den Krankenkassen nicht leistungspflichtig sind und dadurch nach §92 SGB V von der
Leistungspflicht der GK’s ausgeschlossen wurden. Somit müssen diese Leistungen von den
Patienten selbst bezahlt werden. Beispiele dafür sind bspw. Laboruntersuchungen bei Prostata
und Ressonanzdiagnostik. Durch Absprache zwischen den Ärzten und den Krankenkassen,
wären solche zusätzlichen Kosten vermeidbar. Da die Lobby der Patienten aber proportional
zur Lobby der Ärzte und Kassen sehr wenig Gewicht hat, existiert ein Ungleichgewicht und
damit auch eine ungleiche Verteilung der Kosten.
6. Fazit
Die Vertreter der Ärzte sind eine nicht zu unterschätzende Lobby. Trotz der geringen Größe
haben sie durch die enge Verzahnung zur Politik sowohl Durchblick als auch die Möglichkeiten
ihre Interessen nach Belieben umzusetzen. Während man anderen Lobbygruppen aus der
Industrie oder der Finanzwirtschaft rein hypothetisch den Zutritt zum politischen Geschehen
durch Gesetze begrenzen oder gar verbieten könnte, ist dies in der Gesundheitspolitik nicht
möglich. Das heißt, es gibt keinerlei Möglichkeiten sich der Lobby zu verschließen. Die
Verbindung hat aber auch Vorteile. So ist eine Zusammenarbeit der Politik mit den Kassen-
und Ärzteverbänden unabdingbar. Dass eine Begrenzung des Lobbyismus in der Politik
teilweise notwendig ist, um rein wirtschaftliche Aspekte von Unternehmen umzusetzen, kann
man in der Gesundheitspolitik so einfach nicht behaupten, da hier durch die Stellung der
Kassenärztlichen Vereinigungen ihnen als Körperschaften des öffentlichen Rechts einerseits
ein gesetzlicher Auftrag der Vertretung der wirtschaftlichen Interessen der Vertragsärzte und
andererseits für die Regulierung der ambulanten ärztlichen Versorgung der GKV-Versicherten
zuständig ist. Die Schwierigkeit liegt also im Gleichgewicht. Die dadurch entstehenden Kosten
verteilen sich aber nicht nur auf die Patienten, sondern durch entsprechende Maßnahmen auch
auf die Krankenkassen, was nur durch eine entsprechende Vertretung der Patienten43 möglich
ist. Wie wir also sehen, ist eine Balance zwischen den Lobbygruppen untereinander.
43 Siehe Abschnitt 5.2 „Kosten für Patienten“
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7. Abbildungsverzeichnis:
1.1 Abbildung Organigramm Bundesärztekammer
Quelle: Bandelow (1998), S.83 Übersicht 3.2.1-3
1.2 Abbildung Netzwerkanalyse, Ärzteverbände
Quelle: eigene Recherche, Marwin Gaube 06.01.2016
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Kienbaum (2014): Kienbaum-Studie zur Vergütung von Führungs- und Fachkräften in
Krankenhäusern, Online-Publikation, erhältlich unter:
http://www.kienbaum.de/desktopdefault.aspx/tabid-68/149_read-1275/148_read-194/
BpB (2016): Lobbyismus in der Gesundheitspolitik, Online-Publikation,
http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/gesundheitspolitik/200658/lobbyismus-in-der-
gesundheitspolitik (02.01.2016)
Mittelbayerische (2016): Willkommen im Lobbyland Deutschland , Online-Publikation
http://www.mittelbayerische.de/wirtschaft/willkommen-im-lobbyland-deutschland-20010-
art1134630.html (07.01.2016)
Transparency International (2013): Regulierung und Transparenz von Einflussnahme und Lobbyismus,
Online-Publikation, erhältlich unter:
https://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/Themen/Politik/Papier_Transparency_Lobbycontrol_R
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Hartmannbund: Der Verband, Online-Publikation, erhältlich unter:
http://www.hartmannbund.de/wir-ueber-uns/der-verband/ (05.01.2016)
Marburger-Bund: Der Marburger Bund, Online-Publikation, erhältlich unter: https://www.marburger-
bund.de/der-marburger-bund (09.01.2016)
Ver.di: Über uns, Online-Publikation, erhältlich unter: https://www.verdi.de/ueber-uns (09.01.2016)
Verband der Privaten Krankenversicherung: Über uns, Online-Publikation, erhältlich unter:
https://www.pkv.de/verband/ueber-uns/ (10.01.2016)