9
1 23 Standort Zeitschrift für Angewandte Geographie ISSN 0174-3635 Standort DOI 10.1007/s00548-015-0380-2 Ringen um Grün in der Stadt Peter Dannenberg & Alexander Follmann

Ringen um Grün in der Stadt

Embed Size (px)

Citation preview

1 23

StandortZeitschrift für Angewandte Geographie ISSN 0174-3635 StandortDOI 10.1007/s00548-015-0380-2

Ringen um Grün in der Stadt

Peter Dannenberg & AlexanderFollmann

1 23

Your article is protected by copyright and

all rights are held exclusively by Springer-

Verlag Berlin Heidelberg. This e-offprint is

for personal use only and shall not be self-

archived in electronic repositories. If you wish

to self-archive your article, please use the

accepted manuscript version for posting on

your own website. You may further deposit

the accepted manuscript version in any

repository, provided it is only made publicly

available 12 months after official publication

or later and provided acknowledgement is

given to the original source of publication

and a link is inserted to the published article

on Springer's website. The link must be

accompanied by the following text: "The final

publication is available at link.springer.com”.

1 3

ANGeWANDTe GeOGRAPHIe

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

Ringen um Grün in der StadtDas Tempelhofer Feld

Peter Dannenberg · Alexander Follmann

STANDORTDOI 10.1007/s00548-015-0380-2

wirtschaftliche Interessen von Unternehmen und sozioöko-nomische Überlegungen der Stadtentwicklung – etwa zur Schaffung von Arbeitsplätzen – vermehrt auf Widerstände und Konflikte mit zivilgesellschaftlichen Initiativen in unterschiedlichsten, oft temporären Koalitionen (vgl. Ibert 2007). Letztere versuchen „ihr“ Recht auf Mitbestimmung zu erwirken, um zum Beispiel ökologisch oder historisch wertvolle Grün- und Freiflächen sowie Baustrukturen zu erhalten. Neue partizipative Planungsprozesse eröffnen einerseits die Möglichkeit, diese Aushandlungsprozesse zu steuern, führen andererseits aber auch zu neuen Herausfor-derungen. Der planerisch-politische Prozess um die Schlie-ßung des Flughafens Tempelhof sowie dessen Nachnutzung stellt in diesem Kontext ein interessantes Beispiel partizi-pativ-planerischer Stadtentwicklung dar und wirft viele Fragen auf. Unter anderem: Wie gestaltet sich das Zusam-menspiel von Bürgerbeteiligung, Zwischennutzung und direkter Demokratie über Volksentscheide? Und wie lassen sich Top-down- mit Bottom-up-Prozessen verbinden?

Der Flughafen Tempelhof

Der Flughafen Tempelhof nahm 1923 als einer der ersten Flughäfen Deutschlands den Betrieb auf und wuchs rasch zu einem der größten der Welt. Von 1936 bis 1941 entstand das Flughafengebäude mit seiner neoklassizistischen Abfer-tigungshalle als ein Vorbote der geplanten „Welthauptstadt Germania“. Während des zweiten Weltkriegs war das Gelände ein Standort der Rüstungsindustrie mit Arbeitslager. Zentrale Bedeutung – auch symbolisch – erlangte der nach dem zwei-ten Weltkrieg von der amerikanischen Luftwaffe kontrollierte Flughafen Tempelhof im Rahmen der „Berliner Luftbrücke“ 1948/1949. In den 1950er Jahren gewann Tempelhof auch wieder als Verkehrsflughafen an Bedeutung. Nach der Eröff-

Relevanz und Fragestellung

In den letzten Jahren hat die Debatte über Bürgerbeteili-gung und echte Mitbestimmung in der Stadtentwicklungs-planung nicht zuletzt durch die medial intensiv diskutierten Proteste gegen städtebauliche Großprojekte wie Stuttgart 21 in vielfältiger Weise die Begehrlichkeiten um innerstäd-tische Flächen und die Defizite und Problembereiche von Planungsprozessen aufgezeigt (vgl. u. a. Selle 2013; Wag-ner 2013). Die Privatisierung von öffentlichem Grund steht vermehrt in der Kritik, Gentrifizierung ist in aller Munde und unterschiedlichste Akteure definieren ihre Raum- und Nutzungsansprüche auf vielfältige Weise. Insbesondere bei der Nachnutzung von großflächigen Verkehrs- oder Industrieflächen durch städtebauliche Großprojekte treffen

Prof. Dr. P. Dannenberg () · Dipl.-Geogr. A. FollmannGeographisches Institut, Universität zu Köln,Albertus Magnus-Platz,50923 Köln, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Dipl.-Geogr. A. FollmannE-Mail: [email protected]

Die konfliktreiche Schließung und Umnutzung des ehemaligen Flughafens Berlin Tempelhof verdeutlicht die vielschichtige Problematik aktueller Stadtentwick-lungsprozesse in Deutschland. Ausgehend von einer chronologischen Betrachtung des Nutzungs- und Bedeutungswandels des Standortes diskutiert der Bei-trag die Planungen zur Nachnutzung und die Rolle der Bürgerbeteiligung.

Author's personal copy

2

1 3

P. Dannenberg, A. Follmann

nung des Flughafens Tegel 1961 schwand diese Bedeutung jedoch wieder. Auch erwies sich Tempelhof auf Grund feh- lender Erweiterungsflächen angesichts angrenzender Wohn-gebiete zunehmend als zu klein. Nach der Wiedervereinigung beendete zudem das US-Militär alle wesentlichen Aktivitä-ten auf dem Flugfeld (Fröhlich et al. 2005).

Die Schließung des Flughafens und der erste Volksentscheid

Bereits 1996 gab es Pläne, den Flughafen Tempelhof und langfristig auch Tegel zu schließen und einen alleinigen Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI) am Standort des ehemaligen DDR-Zentralflughafens in Schö-nefeld zu errichten (Haenecke et al. 2009), der sowohl kostengünstiger wirtschaften als auch größere Mengen an Fluggästen aufnehmen sollte. Als weitere Gründe für die Schließung wurde das Potenzial der Flughafenflächen für künftige Nachnutzungen diskutiert. Befürworter der Schlie-ßung des Flughafens machten geltend, dass dieser eine Lärmbelästigung und eine Gefahr für die angrenzenden Wohngebiete darstelle (Fröhlich et al. 2005).

Zu den Kritikern der Schließung gehörten beispielsweise die Berliner CDU und FDP, die Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof (ICAT) sowie zahlreiche Bundes-politiker und Prominente. Diese betonten unter anderem, dass ein zentraler Innenstadtflughafen Berlin einen wesent-lichen Standortvorteil etwa für die Ansiedlung und den Erhalt von Firmenzentralen bieten würde (Fröhlich et al. 2005). Auch verwiesen sie auf die historische Symbolkraft des Flughafens, die durch eine Umgestaltung gefährdet sei (Wasmuth 2010). Weitere Kritikpunkte waren ein fehlendes Nachnutzungskonzept für das Areal sowie die Befürchtung, dass sich bei einer Verzögerung der Eröffnung des neuen Großflughafens Engpässe im Flugverkehr ergeben könnten.

Auf Druck der Schließungskritiker fand 2008 ein Volks-entscheid statt, bei dem diese knapp scheiterten. Noch im gleichen Jahr setzte der Senat die Schließung durch. Das Land Berlin übernahm dabei alle Anteile des Bundes und ist seit 2009 alleiniger Eigentümer des Geländes (Kunkel 2009).

Aktuelle Nutzung des Tempelhofer Felds

Die aktuelle Nutzung des Flughafengebäudes geschieht über die landeseigene Tempelhof Projekt GmbH, die Teile des Gebäudes nach ihren Angaben an über 100 Unterneh-men und Institutionen vermieten konnte. Zudem erfolgt die Nutzung als Eventstandort unter anderem für Messen und Konzerte. Große Flächen stehen jedoch leer (Tempel-hof Projekt GmbH 2014, vgl. Abb. 1). Aufgrund der hohen Aufwendungen für die Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes (ca. 194 Mio. €) sowie die laufenden Kosten (ca. 43 Mio. € bis 2025, u. a. aufgrund von Denkmalschutz-auflagen) sind die bisherigen Mieteinnahmen jedoch nicht kostendeckend (Wasmuth 2010; Paul 2014).

Seit der Öffnung des 386 Hektar großen ehemaligen Flugfelds für die Bevölkerung 2010, hat sich der „Tempel-hofer Park“ zu einer beliebten Grün- und Freifläche mit viel-fältigen Nutzungen entwickelt (Abb. 2). Um die spontane und ungeplante Nutzung zu lenken und bürgerschaftliches Engagement in die Entwicklung der Nachnutzung einzube-ziehen, wurden sogenannte Pionierfelder für soziale, kultu-relle, sportliche und unternehmerische Zwischennutzungen auf dem Gelände ausgewiesen (SenStadt 2012a). Diese umfassen etwa Gemeinschaftsgärten, Bildungs- und Kultur-angebote sowie Sport- und weitere Freizeitaktivitäten.

Bürgerbeteiligung, Ideen- und Realisierungswettbewerb

Seit 2007 beteiligte das Land Bürger, Fachleute und Orga-nisationen der Zivilgesellschaft an der Planung der Nach-nutzung. Hierzu gehörten Internetforen, stichprobenhafte Bürgerbefragungen, Diskussionen und Präsentationen von Planungen.

Neben diesen gelenkten Bottom-up-Initiativen setzte das Land Berlin aber auch auf Top-down-Strategien zur Ent-wicklung größerer innerstädtischer Areale und bewarb sich 2009 erfolgreich für die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2017 auf dem Tempelhofer Feld (SenStadt 2012a). Tatsächlich wurde die IGA jedoch 2012 nach Mahrzahn-Hellersdorf verlegt. Gründe dafür waren die zunehmende

Abb. 1 Nachnutzung Flughafen-gebäude. (SenStadt 2013)

Author's personal copy

3

1 3

Ringen um Grün in der Stadt

2. die unternehmerisch zukunftsorientierte und eigeninitia-tive Stadt sowie

3. die partnerschaftliche-integrative Stadt.

Daneben war es Vorgabe, dass „die Dimension des Gelän-des wie auch des Flughafengebäudes erlebbar bleiben soll“ (SenStadt 2012b, S. 33), zugleich aber eine Integration weiterer Nutzungen (u. a. Wohnen, Gewerbe) und Freizeit-angebote (z. B. Gärten, Sport- und Spielmöglichkeiten) sowie die Bedürfnisse der IGA Berücksichtigung finden sollten. Die Wettbewerbsausschreibung spiegelte insofern die Vielfältigkeit der Anregungen aus dem Bürgerbetei-ligungsverfahren wider. Das Wettbewerbsverfahren glie-derte sich in eine offene Wettbewerbsrunde, aus der sechs Beträge von einer Jury aus Fachleuten, Senat und Bezir-

Nutzung des Feldes durch die Bevölkerung, Proteste gegen die IGA sowie Nutzungskonflikte mit der gleich-zeitigen Ausrichtung der Modemesse Bread & Butter im Flughafengebäude.

Der große Konflikt bei der Entwicklung des Feldes bestand in der Frage, ob und wie viel der Freifläche bebaut bzw. planerisch gestaltet werden soll. Unter Kenntnisnahme der öffentlichen Debatte schrieb die Senatsverwaltung 2010 den international offenen landschaftsplanerischen Ideen- und Realisierungswettbewerb „Parklandschaft Tempel-hof“ aus. Die Aufgabenstellung des Wettbewerbs umfasste drei Leitthemen für eine prozessorientierte Planung der Nachnutzung:

1. die klima- und ressourceneffiziente Stadt,

Abb. 2 Übersicht über das Tempelhofer Feld in seiner aktuellen Nutzung. (Tempelhof-Projekt-GmbH o. D.)

Author's personal copy

4

1 3

P. Dannenberg, A. Follmann

Vom Masterplan Tempelhofer Freiheit zum Tempelhofer Feld Gesetz

„Radikale Gegensätze“ (Geipel 2011) prägten die Diskus-sion um die weitere Zukunft des Tempelhofer Felds. Wäh-rend der auf Basis des GROSS.MAX.-Entwurfs von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (kurz SenStadt) erstellte „Masterplan Tempelhofer Freiheit“ eine Bebauung

ken für die zweite Runde ausgewählt wurden. Auf diese Auswahl folgten eine Vorstellung der Entwürfe und eine weitere Bürgerbeteiligung. In dieser Beteiligungsrunde wurden die Gestaltung der Landschaft und die Bebauung kritisch diskutiert. Darauf aufbauend kürte die Jury ein-stimmig das Team GROSS.MAX. und Sutherland Hussey als Sieger (SenStadt 2012b).

Abb. 3 Masterplan Tempelhofer Freiheit. (SenStadt 2013)

Author's personal copy

5

1 3

Ringen um Grün in der Stadt

bedingt im Äußeren Wiesenring zulässig, beispielsweise für sanitäre Einrichtungen und Hinweisschilder. Damit müs-sen auch große versiegelte Flächen in ihrer jetzigen Form erhalten bleiben (Abb. 4). Die Anlage öffentlich-zugäng-licher Allmende-Gärten (Abb. 5) beschränkt sich ebenfalls auf den Außenbereich. Zudem wird das Bürgerbeteiligungs-verfahren fortgesetzt. Seit 2015 läuft die Beteiligung zur Erstellung des Entwicklungs- und Pflegeplanes (EPP). Die Koordination übernimmt dabei mit Tilman Heuser (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland [BUND]), ein Kritiker der vorherigen Planungen des Senats.

Diskussion und Fazit

Die Diskussion um das Flughafengelände Tempelhof spie-gelt einerseits einige typische Entwicklungen in Berlin wider und sagt einiges über das Selbstverständnis vieler seiner Bewohner – und auch generell über aktuelle urbane Lebensstile – aus. Die Analyse des Planungsprozesses zeigt andererseits positive wie auch negative Entwicklungen im Hinblick auf die Bürgerbeteiligung, die in diesem Beitrag nur kurz angerissen werden konnten (einen tieferen Ein-blick in die Vor- und Nachteile partizipativer Planungspro-zesse bietet z. B. Blakeley 2010).

Frei nach dem inoffiziellen Leitspruch der Stadt „Arm aber Sexy“ herrscht in vielen Teilen der Berliner Gesell-schaft und unter den Zuziehenden eine Grundstimmung, einen vermeintlichen Ausverkauf städtischer Flächen abzu-lehnen und eine Sehnsucht nach kreativen und alternativen Lebensstilen. Dies muss nicht im Widerspruch zu sozioöko-nomischen Entwicklungsüberlegungen stehen. So machen die zahlreichen Parks, Pioniernutzungen, Kulturevents und die Kreativwirtschaft – gerade auch mit dem Tempel-hofer Feld in seiner jetzigen Form – Berlin als internationa-

in den Randbereichen vorsah, forderte eine Bürgerinitiative mit dem Namen „Demokratische Initiative 100 % Tempel-hofer Feld e.V.“ den Erhalt des Feldes als „innerstädtische Offenlandschaft“ in der „gesamten Größendimensionie-rung“ des ehemaligen Flugfeldes (Demokratische Initiative 100 % Tempelhofer Feld 2012).

Der Masterplan beinhaltete eine Funktionsmischung aus Wohnen, Arbeiten sowie Freizeit/Kultur (vgl. Abb. 3). Der innere Bereich des Flugfeldes sollte erhalten bleiben und war als Freifläche für Freizeit, Erholung, Events und Gastronomie vorgesehen. Für die oben genannten Pioniere sollten Flächen reserviert bleiben (SenStadt 2013). Ins-gesamt umfasste die Planung rund 50 Hektar für den Bau gewerblicher und öffentlicher Einrichtungen mit ca. 7000 Arbeitsplätzen und ca. 4700 Wohnungen. Klare Aussagen über bezahlbaren Wohnraum, in der Bürgerbeteiligung viel-fach diskutiert und gefordert, wurden jedoch nicht getätigt.

Die Bürgerinitiative gegen die Bebauung hatte hingegen 2013 einen ersten Gesetzentwurf zum vollständigen Erhalt der Freifläche eingereicht und einen Volksentscheid gegen die Umsetzung des Masterplans, bei dem über zwei Gesetz-entwürfe abgestimmt wurde, erwirkt (vgl. Tab. 1).

Mit 739.124 Ja-Stimmen unterstützten fast zwei Drit-tel (64,3 %) derjenigen, die sich am Volksentscheid betei-ligten und 29,7 % der Stimmberechtigten die Forderung, das Tempelhofer Feld unbebaut zu erhalten. Entsprechend wurde der Masterplan eingestellt. Im Sinne dieses soge-nannten ThF-Gesetzes (Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz 2014) sind Veränderungen nun nur noch

Tab. 1 Gegenüberstellung der beiden Gesetzentwürfe basierend auf Stimmzettel (Landesabstimmungsleiterin Berlin 2014)Gesetzentwurf der Bürgerinitiative

Gesetzentwurf des Abgeordne-tenhauses von Berlin

• Das Land Berlin verzichtet auf eine Veräußerung, Bebauung und Teilprivatisierung des Tempelhofer Feldes

• Das Tempelhofer Feld steht der Öffentlichkeit weiterhin in seiner Gesamtheit und ohne dauerhafte Einschränkungen zur Verfügung

• Es dient auch zukünftig der Freizeit und Erholung und wird in seiner Funktion als innerstädtisches Kaltluft-entstehungsgebiet und als Lebensraum für Pflanzen und Tiere geschützt

• Dabei wird das Tempelhofer Feld in seiner Bedeutung als historischer Ort und als Ort des Gedenkens erhalten

• Auf dem Tempelhofer Feld wird eine Freifläche von mindestens 230 ha dauerhaft als öffentlich genutzte Grün-fläche erhalten. Sie verbleibt im Eigentum des Landes Berlin

• Die Freifläche wird als barrierefrei zugänglicher Erholungsraum für alle Be-völkerungsgruppen gesichert und dient dem Natur- und Artenschutz sowie der Stadtklimatisierung

• Die Möglichkeit einer Rand-entwicklung des Tempel-hofer Feldes für Wohnen, Wirtschaft und Freizeit bleibt erhalten

• Historische Spuren auf dem Tempelhofer Feld werden bewahrt

• Es wird ein Nutzerbeirat gebildet

Abb. 4 Allmende-Gärten auf dem Tempelhofer Feld. (eigene Aufnah-me 2012)

Author's personal copy

6

1 3

P. Dannenberg, A. Follmann

Tempelhofer Felds fehlte es letztlich an diesen Punkten, da unter anderem bis zum Schluss völlig unklar blieb, wie die konkrete Wohnbebauung aussehen sollte und wie die Ver-teilung zwischen sozialem und freifinanziertem Wohnungs-bau (Stichwort: Luxuswohnungen) aussehen sollte. Der Planungsprozess erweckte den Anschein einer intensiven Partizipation, jedoch wurde dieses von der Mehrheit der Berliner letztendlich eher als eine Form von „Akzeptanz-management“ (Wagner 2013, S. 73) wahrgenommen, weil wahre Mitbestimmung in der Entscheidungsfindung nicht gegeben war. Dieses führte ausgehend von den gesetzlichen Möglichkeiten zur Einforderung von Bürgerentscheiden zu einem zweiten Entscheid und somit zu einem fundamenta-len Bruch im Planungsprozess.

Literatur

Blakeley G (2010) Governing ourselves: citizen participation and governance in Barcelona and Manchester. Int J Urban Reg Res 34(1):130–145

Dannenberg P (2013) Neue Herausforderungen und Perspektiven für Berlin. Geographische Rundschau 65(2):4–11

Demokratische Initiative 100 % Tempelhofer Feld (2012) Der Verein. www.thf100.de/der-verein.html. Zugegriffen: 15. Mai 2015

Fröhlich K, Steverink B, van Tol O, Weiser F (Hrsg) (2005) Tempelhof airport “Turning history into future” – The analysis of the past and present. Amsterdam school of technology, University of Applied Sciences Bremen, Amsterdam

Geipel K (2011) The big empty. Bauwelt 36:20–25Haenecke H, Dittrich-Brauner K, Dittmann E (2009) Aus 3 mach 1

– Der Strategieprozess der Berliner Flughäfen Organisations Ent-wicklung. Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management 9(1):15–22

Ibert O (2007) Megaprojekte und Partizipation. disP Plan Rev 43(171):50–63

Kabisch N, Haase D (2014) Green justice or just green? Provision of urban green spaces in Berlin, Germany. Landscape Urban Plan 122(0):129–139

Kunkel R (2009) Geschäftsbericht 2008. Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH, Berlin

Landesabstimmungsleiterin Berlin (2014) Amtliche Information zum Volksentscheid über den Erhalt des Tempelhofer Feldes am 25. Mai 2014. Berlin. www.wahlen-berlin.de/abstimmungen/VE2014_TFeld/Brosch%C3%BCre_TempelhFeld.pdf. Zugegrif-fen: 20. Mai 2015

Paul U (2014) Flughafen-Sanierung kostet 237 Mio.. Berliner Zei-tung. 29. August 2014. www.berliner-zeitung.de/tempelhofer-feld/tempelhof-flughafen-sanierung-kostet-237-millionen, 22786336,28252954.html. Zugegriffen: 11. Mai 2015

Selle K (2013) Über Bürgerbeteiligung hinaus: Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe? Analysen und Konzepte. Verlag Dorothea Rohn, Detmold

Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (2014) Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes (ThF-Gesetz). Berlin, den 24. Juni 2014. In: Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin, 70 (15) Berlin

SenStadt (2012a) Parklandschaft Tempelhof – Das Konzept. Senats-verwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin

SenStadt (2012b) Parklandschaft Tempelhof. Wettbewerbsdokumenta-tion. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin

len Tourismusstandort aber auch als Anziehungspunkt für humankapitalintensive Branchen attraktiv. Die vorgestell-ten Prozesse verdeutlichen die zunehmende Pluralisierung, Fragmentierung und Heterogenisierung des Stadtraums sowie der Lebensstile im Zuge eines anhaltenden sozio-ökonomischen Wandels in Berlin und darüber hinaus. Den-noch gilt abzuwägen, inwieweit sich die Stadt – die schon ohne das Feld über einen der höchsten Grünflächenanteile Deutschlands verfügt – angesichts steigender Mieten, hoher Arbeitslosigkeit und geringer Steuereinnahmen den Ver-zicht auf eine intensivere Nutzung zumindest der ohnehin versiegelten Flächen leisten kann (Dannenberg 2013). Wei-terhin deuten aktuelle Forschungen daraufhin (Kabisch und Haase 2014), dass für die Mehrheit der Bevölkerung die Erhaltung des „Wiesenmeeres“ nicht höchste Priorität hatte, sondern teilweise ganz andere Präferenzen vorlagen.

In der langjährigen Bürgerbeteiligung konnte eine Viel-zahl von Akteuren und Interessengruppen unterschiedliche Ansprüche – die sich zum Teil gegenseitig ausschlossen – artikulieren. Trotz – oder gerade wegen der vorher groß-angelegten Beteiligung – wurde die Entscheidungsfindung durch die Jury und anschließende Erstellung des Master-plans ohne direkte Partizipation der Bürgerinnen und Bür-ger von den Kritikern als widersprüchlich und unzureichend empfunden. Die Entwicklung unterstreicht die Frage, in welcher Form städtebauliche Wettbewerbe und partizipa-tive Ansätze verknüpfbar sind und zeigt darüber hinaus, dass sich großangelegte partizipative Prozesse nicht allein auf eine Ideensammlung beschränken können, sondern gegebenenfalls auch neue Formen der bürgerschaftlichen Mitbestimmung in der Entscheidungsfindung erfordern (vgl. Blakeley 2010). Transparenz der Verfahren, voll-ständige Information der Öffentlichkeit, Beteiligung in der Entscheidungsfindung und Vertrauen in die politischen und verwaltungstechnischen Akteure erscheinen dabei als wich-tige Grundvorrausetzungen (vgl. Selle 2013). Im Falle des

Abb. 5 Versiegelte Flächen am Rand des Tempelhofer Feld. (eigene Aufnahme 2012)

Author's personal copy

7

1 3

Ringen um Grün in der Stadt

Dipl.-Geogr. Alexander Follmann, Jg. 1983. Studium Geographie, Städtebau und Verkehrswissenschaften an den Universitäten Köln und Bonn sowie an der Simon Fraser University (Vancouver) 2003–2009. Seit 2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geographischen Institut, Universität zu Köln. Arbeitsschwerpunkte: Stadt- und Regionalent-wicklung, Urban Environmental Governance, Urbanes Grün. Regio-naler Fokus: Indien, Deutschland.

SenStadt (2013) Freiraum für die Stadt von Morgen – Informationen zur Entwicklung des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin. www.thf-berlin.de/file-admin/user_upload/Ueber_die_Tempelhofer_Freiheit/Aktuelles_neu/Downloads/2013-10-Freiraum_fuer_die_Stadt_von_morgen.pdf. Zugegriffen: 20. Mai 2015

Tempelhof Projekt GmbH (o. D.) Viele Wege führen zum Flughafen Tempelhof. http://www.thf-berlin.de/aktuelles-vom-standort/kar-te-und-anfahrt/. Zugegriffen 20. Mai 2015

Tempelhof-Projekt-GmbH (2014) Konsequenzen des Volksentscheids. www.thf-berlin.de/tempelhofer-feld/thf-gesetz/konsequenzen-des-volksentscheids/. Zugegriffen: 20. Mai 2015

Wagner T (2013) Die Mitmachfalle. Bürgerbeteiligung als Herr-schaftsinstrument. PapyRossa Verlag, Köln

Wasmuth G (2010) Der Flughafen Tempelhof als Kandidat für die European Tentative List. kunsttexte.de 1(1):1–5

Prof. Dr. Peter Dannenberg, Jg. 1977. Studium Geographie, Volks-wirtschaft und Betriebswirtschaft (Dipl.) an der Leibniz Universität Hannover und City and Regional Planning (MSc.) an der Cardiff Uni-versity. Promotion (2006) und Habilitation (2012) am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin. Gastprofessur an der Stel-lenbosch University 2012. Seit 2014 Professor am Geographischen Institut und am Global South Studies Center, Universität zu Köln. Arbeitsschwerpunkte: Stadt- und Regionalentwicklung, Wirtschafts-geographie, Globalisierung und Globaler Süden.

Author's personal copy