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Mehrwertsteuer, Staatsverschuldung, Hartz IV Lassen sich die Einstellungen der Bevölkerung durch Framing verschieben? Thorsten Faas und Harald Schoen 1 Einleitung Eine der am häufigsten und heftigsten diskutierten Streitfragen des Wahlkampfes 2005 war die künftige Höhe des Mehrwertsteuersatzes. Die Unionsparteien zogen mit dem Vorhaben einer Mehrwertsteueranhebung in die Kampagne: „Wir werden die Lohnzusatzkosten dauerhaft senken und verbinden dies mit zukunftsträchtigen Strukturveränderungen in den sozialen Sicherungssystemen. Im Gegenzug erhöhen wir die Mehrwertsteuer von 16% auf 18%“ (CDU/CSU 2005: 13). Die größte Regierungspartei mit Bundeskanzler Schröder an der Spitze lehnte diesen Plan entschieden ab, und zwar mit folgender Begründung: „Eine Anhebung der Mehrwertsteuer würde angesichts der derzeit schwachen Binnennachfrage in die falsche Richtung weisen und die sich abzeichnende wirtschaftliche Erholung gefährden“ (SPD 2005: 39). Doch nicht nur die SPD, sondern auch der gewünschte liberale Koalitionspartner mochte sich der Forderung von CDU und CSU nicht anschließen: „Die FDP spricht sich gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Reform der direkten Steuern oder anderer indirekter Steuern aus. (…) Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer würde den Verbrauch und das Wachstum dämpfen und damit die Arbeitslosigkeit weiter erhöhen“ (FDP 2005: 9). In dieser Sachfrage wurde die Auseinandersetzung also nicht entlang, sondern quer zu den koalitionären Fronten geführt. Doch nicht allein das ist bemerkenswert, vielmehr zeigen die Zitate auch, dass Verfechter und Gegner einer Mehrwertsteuererhöhung sich verschiedener Argumentationsmuster bedienten: Während die Befürworter sie als Mittel zum Umbau der Sozialversicherungssysteme beschrieben, stellten sie die Gegner als eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung dar. Die konkurrierenden Parteien gingen also weniger auf die Argumente der Gegenseite ein, sondern versuchten ihre Sichtweise auf die Mehrwertsteuerfrage durchzusetzen. Am Ende, so die implizite Annahme der Akteure, würden Wahlberechtigte, die ihre Problemdefinition akzeptierten, ihr daraus abgeleitetes Votum zur Höhe des Mehrwertsteuersatzes unterstützen. Damit bedienten sich die Parteien im Wahlkampf 2005 einer sogenannten Framing-Strategie. Diese geht davon aus, dass eine politische Frage unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden kann und das Urteil über einen Policy-Vorschlag mit dem gewählten Blickwinkel variiert. Politische Akteure

Mehrwertsteuer und Staatsverschuldung: Lassen sich die Einstellungen der Bevölkerung durch Framing verschieben?

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Mehrwertsteuer, Staatsverschuldung, Hartz IV Lassen sich die Einstellungen der Bevölkerung durch Framing verschieben? Thorsten Faas und Harald Schoen

1 Einleitung Eine der am häufigsten und heftigsten diskutierten Streitfragen des Wahlkampfes 2005 war die künftige Höhe des Mehrwertsteuersatzes. Die Unionsparteien zogen mit dem Vorhaben einer Mehrwertsteueranhebung in die Kampagne: „Wir werden die Lohnzusatzkosten dauerhaft senken und verbinden dies mit zukunftsträchtigen Strukturveränderungen in den sozialen Sicherungssystemen. Im Gegenzug erhöhen wir die Mehrwertsteuer von 16% auf 18%“ (CDU/CSU 2005: 13). Die größte Regierungspartei mit Bundeskanzler Schröder an der Spitze lehnte diesen Plan entschieden ab, und zwar mit folgender Begründung: „Eine Anhebung der Mehrwertsteuer würde angesichts der derzeit schwachen Binnennachfrage in die falsche Richtung weisen und die sich abzeichnende wirtschaftliche Erholung gefährden“ (SPD 2005: 39). Doch nicht nur die SPD, sondern auch der gewünschte liberale Koalitionspartner mochte sich der Forderung von CDU und CSU nicht anschließen: „Die FDP spricht sich gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Reform der direkten Steuern oder anderer indirekter Steuern aus. (…) Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer würde den Verbrauch und das Wachstum dämpfen und damit die Arbeitslosigkeit weiter erhöhen“ (FDP 2005: 9). In dieser Sachfrage wurde die Auseinandersetzung also nicht entlang, sondern quer zu den koalitionären Fronten geführt. Doch nicht allein das ist bemerkenswert, vielmehr zeigen die Zitate auch, dass Verfechter und Gegner einer Mehrwertsteuererhöhung sich verschiedener Argumentationsmuster bedienten: Während die Befürworter sie als Mittel zum Umbau der Sozialversicherungssysteme beschrieben, stellten sie die Gegner als eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung dar. Die konkurrierenden Parteien gingen also weniger auf die Argumente der Gegenseite ein, sondern versuchten ihre Sichtweise auf die Mehrwertsteuerfrage durchzusetzen. Am Ende, so die implizite Annahme der Akteure, würden Wahlberechtigte, die ihre Problemdefinition akzeptierten, ihr daraus abgeleitetes Votum zur Höhe des Mehrwertsteuersatzes unterstützen.

Damit bedienten sich die Parteien im Wahlkampf 2005 einer sogenannten Framing-Strategie. Diese geht davon aus, dass eine politische Frage unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden kann und das Urteil über einen Policy-Vorschlag mit dem gewählten Blickwinkel variiert. Politische Akteure

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betten daher eine Sachfrage in einen bestimmten Interpretationsrahmen ein, der beispielsweise eine Problembeschreibung, Aussagen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, einschlägige moralische Normen oder einen Lösungsvorschlag umfassen kann, und versuchen diese Sichtweise in der Öffentlichkeit durchzusetzen (vgl. etwa Gamson/Lasch 1983; Gamson/Modigliani 1987, 1989; Entman 1993). Ziel dieser Strategie ist es, mit der Akzeptanz für den Interpretationsrahmen die öffentliche Zustimmung für damit verknüpfte Policy-Vorschläge zu steigern. Solche Versuche gelten als ausgesprochen wirkungsvoll (vgl. etwa Zaller 1992: 96) und haben in der Folge zu ernsthaften Bedenken geführt, politische und andere Eliten könnten mit Hilfe der richtigen Strategie die öffentliche Meinung oder die Ergebnisse von Wahlen beinahe beliebig manipulieren und damit das Demokratiepostulat ad absurdum führen (etwa Entman 1993; Riker 1986). Gleichwohl sind gerade in jüngerer Zeit die Stimmen lauter geworden, die diese Strategie als wesentlich voraussetzungsvoller ansehen, als es euphorische Verfechter und kulturkritische Skeptiker postulieren (etwa Chong/Druckman 2007a; Kinder 2007). Demnach ist der Erfolg solcher Strategien keineswegs garantiert, sondern hängt von verschiedenen Faktoren ab, weshalb in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen ist, wie erfolgreich ein Framing-Versuch tatsächlich ist.

Die bisherige Forschung ist dabei fast ausschließlich auf den angelsächsischen Sprachraum konzentriert. Wir möchten im Rahmen dieses Beitrags an drei ausgewählten Beispielen prüfen, ob sich auch für Deutschland Framing-Effekte nachweisen lassen. Dazu stellen wir zunächst das Framing-Argument vor und diskutieren den Forschungsstand. Auf dieser Grundlage entwickeln wir Hypothesen zu den drei ausgewählten Fällen. Anschließend untersuchen wir anhand von Daten aus Experimenten, die in eine Online-Umfrage integriert waren, inwieweit tatsächlich Framing-Effekte aufgetreten sind. Abschließend fassen wir die Ergebnisse kurz zusammen und diskutieren sie.

2 Framing und Framing-Effekte Politische Einstellungen sind seit etlichen Jahrzehnten Gegenstand der Forschung. Eine simple Sichtweise nimmt an, Bürger besäßen zu jeder beliebigen politischen Frage Einstellungen, die in Interviews lediglich erhoben werden müssten. Converse (1964, 1970) zeigte jedoch, dass die Interviewangaben zu Policy-Fragen über die Zeit hinweg erheblich variieren. Er folgerte daraus, dass nur ein kleiner Teil der Bevölkerung auskristallisierte Einstellungen besitze, während die übrigen Personen spontan Antworten konstruierten und non-attitudes zu Protokoll gäben. Diesen Gedanken radikalisiert die jüngere Forschung, indem sie annimmt, dass praktisch kein Mensch zu politischen Fragen auskristallisierte Einstellungen besitze, die er aus seinem Langzeitgedächtnis abrufen und äußern könne (vgl. etwa Zaller 1992; siehe auch Alvarez/Brehm 2002). Vielmehr besäßen Menschen

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zahlreiche Eindrücke und Überlegungen, aus denen sie Einschätzungen zu politischen Fragen, sei es in einem Interview, sei es in Alltagssituationen, momentan konstruierten (siehe dagegen das Online-Modell von Lodge et al. 1989).

Gemäss dieser Vorstellung kann man eine geäußerte Meinung zu einer politischen Frage als gewichtete Summe der Bewertungen der mit dem Einstellungsobjekt subjektiv verknüpften Attribute auffassen (etwa Fishbein 1965; Chong/Druckman 2007a). Beispielsweise wird eine Person, die mit einer Mehrwertsteuererhöhung eine negativ bewertete Einbuße an persönlicher Kaufkraft, eine Gefährdung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums oder eine Verletzung des hochgeschätzten Werts „soziale Gerechtigkeit“ verbunden sieht, diese Idee negativ bewerten. Unterschiede in der Gesamtbewertung des Objekts „Mehrwertsteuererhöhung“ würden auf diesem Wege aus Differenzen in der Bewertung von einzelnen damit verbundenen Attributen resultieren. Dies ist aber nicht der einzig mögliche Mechanismus; vielmehr können auch Unterschiede in der Stärke der Verknüpfungen zwischen Bewertungsdimensionen und dem Einstellungsobjekt zu Unterschieden in der Gesamtbilanz führen.

Welche Bewertungsdimensionen eine Person dabei heranzieht, hängt zunächst von ihrer individuellen kognitiven Architektur ab. Menschen erwerben im Laufe der Zeit Vorstellungen davon, welche Objekte zusammengehören und wie sie zu bewerten sind. Ohne weitere äußere Anreize wird eine Person die Bewertungsdimensionen entsprechend dieser Gewichtung, also ihrer persönlichen Definition der Situation (etwa Goffman 1974), in ihre Bewertung einfließen lassen. So wird eine Person, der gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge fremd sind, die aber aus ihrem Alltagsleben weiß, dass die Mehrwertsteuer ihre Konsummöglichkeiten einschränkt, allein diesen Gesichtspunkt berücksichtigen, wenn sie sich ein – im Ergebnis negatives – Urteil über eine Mehrwertsteuererhöhung bildet. Diesem Argument folgend unterscheiden sich Menschen aufgrund ihrer Erfahrungen in den verwendeten Bewertungsdimensionen über die Zeit stabil.1 Aus kognitionspsychologischer Sicht liegt die Ursache dafür darin, dass bei verschiedenen Menschen im Langzeitgedächtnis abgespeicherte Bewertungsdimensionen unterschiedlich gut chronisch zugänglich sind (etwa Steenbergen/Lodge 2003).

Gleichwohl existieren auch Ansatzpunkte, die zu kurzfristigen Änderungen der Meinungen bei ein- und derselben Person führen können. Der Einfluss von Bewertungsdimensionen kann situativ variieren. Einen wesentlichen Beitrag dazu kann interpersonale oder massenmediale Kommunikation leisten. Sie kann die Verknüpfung einer Bewertungsdimension zu einem Objekt im Langzeitgedächtnis etablieren oder verstärken, sie dadurch leichter zugänglich machen und damit deren Gewicht bei der Beurteilung des Einstellungsobjekts steigern (vgl. etwa Zaller 1992). Wird eine Person darauf aufmerksam gemacht, dass die Anhebung

1 Dabei darf natürlich nicht übersehen werden, dass individuelle Situationsdeutungen stets kulturell eingebettet sind (etwa Gamson/Modigliani 1987, 1989).

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des Mehrwertsteuersatzes mit einem positiv bewerteten Rückgang der Lohnzusatzkosten einhergehen und ihren Arbeitsplatz sichern werde, wird dieser Gesichtspunkt im Langzeitgedächtnis leichter zugänglich und daher bei der Bewertung über eine Mehrwertsteuererhöhung eine größere Rolle spielen.2 Im Ergebnis wird das Urteil über diesen Policy-Vorschlag weniger negativ ausfallen.3

In einer anderen Argumentation wirkt Framing nicht allein dadurch, dass es Konzepte im Langzeitgedächtnis leichter zugänglich macht, also zum „Top of the Head“ fördert. Sie nimmt vielmehr an, dass Personen bei der Urteilsbildung bewusst die Wichtigkeit der zugänglichen Argumente abwägen und eine entsprechende Gewichtung vornehmen. Dementsprechend könnte Framing dazu führen, dass die subjektive Relevanz der zugänglichen Überlegungen zu einer Frage verändert wird (vgl. etwa Nelson et al. 1997; Scheufele 2000; Chong/Druckman 2007a). Wenngleich beide Argumentationsmuster unterschiedliche Annahmen über die politische Urteilsbildung treffen, stimmen sie doch darin überein, dass Kommunikationsinhalte die subjektive Definition der relevanten Bewertungsstandards und damit das Gesamturteil über ein Einstellungsobjekt beeinflussen können.

Unabhängig von der theoretischen Grundlage sprechen die Möglichkeiten, über Kommunikation die Gewichte von Bewertungsdimensionen zu beeinflussen, für ein erhebliches Einflusspotential politischer Eliten, von Massenmedien und anderen gesellschaftlichen Akteuren. Sie können bestimmte Interpretationsrahmen oder Frames propagieren, die etwa mit historischen Analogien, Annahmen über Ursachen und Wirkungen oder einschlägigen Normen und Symbolen zu definieren versuchen, worum es bei einer politischen Frage im Kern geht (vgl. Gamson/Modigliani 1987: 143; 1989: 3-4; Entman 1993). Letztlich soll so bestimmten Überlegungen zu größerem Einfluss auf die Meinungsbildung verholfen werden. Da eine Problemdefinition dazu passende Lösungsvorschläge favorisiert, können Eliten damit im Endeffekt die Entscheidung für oder gegen Policy-Vorschläge und damit die öffentliche Meinung steuern. Die Forschung hat zahlreiche Beispiele für gelungenes Issue-Framing vorgelegt.4 So konnten in den USA Framing-Effekte auf die Haltung zu den Staatsausgaben, zu Affirmative Action sowie zu den Schusswaffengesetzen nachgewiesen werden (etwa Jacoby 2000; Haider-Markel/Joslyn 2001; Kinder/Sanders 1996). Überdies zeigten

2 An dieser Stelle wird die enge Verwandtschaft des Framing-Konzepts zum Priming-Konzept deutlich. 3 Bei Personen mit großem politischem Vorwissen, die – bildlich gesprochen – im Langzeitgedächtnis eng geknüpfte Netze politischer Überzeugungen und Bewertungen besitzen, kann die Aktivierung eines Konzepts auf andere, nicht explizit genannte Konzepte übergreifen und diese für die Urteilsbildung relevant machen (vgl. etwa Domke et al. 1998; Valentino 1999; siehe in diesem Zusammenhang zum Schema-Konzept z.B. Hwang et al. 2007). 4 Das hier untersuchte Issue-framing ist zu unterscheiden vom sog. equivalency framing, bei dem logisch äquivalente Sachverhalte unterschiedlich formuliert werden (vgl. Druckman 2004: 672; siehe z.B. Tversky/Kahneman 1981).

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Berinsky/Kinder (2006), dass bereits Veränderungen in der Struktur eines Textes merkliche Effekte auf policy-bezogene Einschätzungen verursachen können. In ihrer Gesamtheit trugen diese Framing-Analysen zu dem Eindruck bei, Bürger seien politisch hochgradig manipulierbar und praktisch Marionetten an den Fäden politischer und medialer Eliten, so dass das Demokratiepostulat eher als eine Karikatur denn als eine Beschreibung der politischen Willensbildung in modernen Demokratien erscheinen könnte (etwa Entman/Herbst 2001; Bartels 2003).

Allerdings scheint die Forschung mit diesen weitreichenden Schlussfolgerungen über das Ziel hinausgeschossen zu sein, wird doch in jüngerer Zeit die Aussagekraft früherer Arbeiten relativiert. Sieht man einmal von einem Signifikanzbias in der Publikationspraxis ab (Druckman 2004), wird zunächst auf die moderierende Rolle von Individualmerkmalen hingewiesen: Nicht alle Personen sind für Framing-Effekte gleichermaßen zugänglich. Eine zentrale Voraussetzung für die Wirksamkeit von Elitenframes ist deren Rezeption durch die Bürger. Sie kann in der sozialen Realität nicht als selbstverständlich angenommen werden, wird aber in vielen Untersuchungen als gegeben betrachtet (Kinder 2007). Auch scheint politisches Vorwissen die Fähigkeit, von Massenmedien oder politischen Eliten offerierte Interpretationsmuster zu übernehmen,5 zu verbessern, während auskristallisierte Einstellungen zu einer Frage die Wahrscheinlichkeit von Framing-Effekten reduzieren. Zudem ist fraglich, ob ein von Eliten offeriertes Interpretationsangebot mit der Vorstellungswelt einer Person vereinbar ist und nahegelegte Kriterien als relevant erachtet werden (etwa Nelson et al. 1997; Price et al. 1997; Brewer 2001; Haider-Markel/Joslyn 2001; Druckman/Nelson 2003; Sniderman/Theriault 2004; Shen/Edwards 2005; Edy/Meirick 2007; Hwang et al. 2007; siehe auch Chong/Druckman 2007a: 109).

Aus diesen Befunden kann man auch folgern, dass die Wahrscheinlichkeit von Framing-Effekten themenspezifisch variiert. Ein für viele Bürger obskures Thema, etwa ein Militäreinsatz in einem ihnen unbekannten Land, ist demnach wesentlich besser für Framing-Effekte geeignet als eine Frage, zu der viele Bürger Alltagserfahrungen besitzen oder dem Themenpublikum zuzurechnen sind (Sniderman/Theriault 2004). Das Ergebnis einer Framing-Analyse hängt somit von der Issue-Auswahl ab.

Ferner darf soziale Interaktion im persönlichen Umfeld als ein möglicher Störfaktor nicht übersehen werden. Denn Gespräche in politisch heterogenen Umgebungen – und damit der Kontakt zu anderen Sichtweisen – schwächen Framing-Effekte ab (Druckman/Nelson 2003; siehe auch Druckman 2004). Damit scheint für Framing-Effekte ähnliches zu gelten wie für sämtliche Effekte massenmedialer Kommunikation (vgl. etwa Schmitt-Beck 2000). Mit diesen Wirkungen persönlicher Kommunikation dürfte auch zu erklären sein, dass sich

5 Anderslautende Befunde zum Vorwissen (etwa Kinder/Sanders 1990; Haider-Markel/Joslyn 2001) dürften damit zusammenhängen, dass Vorwissen und Vor-Urteile positiv korreliert sind, aber letztere in Analysen häufig nicht statistisch kontrolliert werden (vgl. Druckman/Nelson 2003).

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Framing-Effekte in der Regel als nicht sehr langlebig erweisen (Druckman/Nelson 2003).

Schließlich ist an differenzierende Faktoren bei den Anbietern von Interpretationsrahmen zu denken. Zum einen spielt die zugeschriebene Glaubwürdigkeit des Anbieters eine limitierende Rolle (Druckman 2001). Zum anderen ist der Wettbewerbscharakter der politischen Auseinandersetzung in der Demokratie zu bedenken. In der Regel versucht nicht eine monolithische Elite einen Interpretationsrahmen zu oktroyieren, sondern eine Vielzahl miteinander konkurrierender Eliteakteure streben danach, jeweils ihrem Deutungsmuster Akzeptanz zu verschaffen. Berücksichtigt man die Angebotskonkurrenz, scheinen sich Framing-Effekte – zumindest bei etablierten Themen – abzuschwächen (Sniderman/Theriault 2004; Brewer/Gross 2005; Chong/Druckman 2007b). Die Bedeutung politischer Eliten wird zusätzlich relativiert, wenn man die wichtige eigenständige Rolle der Journalisten in der politischen Kommunikation bedenkt.

Diese Relativierungen sprechen dagegen, durchschlagende Erfolge elitenseitigen Framings in der politischen Kommunikation als unausweichlich anzusehen. Vielmehr scheinen Framingerfolge voraussetzungsreicher zu sein, als es auf den ersten Blick den Anschein haben könnte. Entsprechend sollte man die Ergebnisse einzelner Analysen sorgfältig auf ihre Aussagekraft prüfen. Zugleich können die einschränkenden Bedingungen dazu dienen, vor unserer Analyse von Framing-Effekten nach der Bundestagswahl 2005 die einzelnen Themen sorgfältig zu diskutieren und Erwartungen zu formulieren.

3 Framing-Effekte im Umfeld der Bundestagswahl 2005: Hypothesen, Datengrundlage und Operationalisierung

3.1 Datengrundlage: Online-Experimente Vor diesem Hintergrund möchten wir nun anhand von drei Beispielen herleiten und prüfen, ob im Nachgang zur Bundestagswahl 2005 und dem Start der Großen Koalition Framing-Effekte zu erwarten waren und ob es dafür empirische Evidenz gibt. Wir untersuchen drei politische Themen: Veränderungen des Arbeitslosengeldes II, die Mehrwertsteuererhöhung sowie den Abbau der Staatsverschuldung. Ehe wir diese im Detail vorstellen, möchten wir zunächst unsere Datengrundlage kurz präsentieren. Grundlage der folgenden empirischen Analysen sind drei Experimente, die – neben anderen – in der Zeit vom 21. Dezember 2005 bis zum 30. Januar 2006 in eine Online-Umfrage unter der Internetadresse www.politexi.de integriert waren. Insgesamt haben 862 Personen an dieser Online-Befragung von Anfang bis Ende teilgenommen, die als offene Webumfrage anlässlich des Starts der Großen Koalition realisiert wurde. Diese 862 Personen wurden zufällig auf insgesamt sechs verschiedene Versionen der Umfrage verteilt, in denen die verschiedenen

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experimentellen Bedingungen enthalten waren. Dass diese zufällige Verteilung erfolgreich war, zeigt Tabelle 1: Die Teilnehmerzahl in den einzelnen Versionen weicht nicht signifikant von einer Gleichverteilung ab; zudem unterscheidet sich die Verteilung der Bildungsabschlüsse, des Familienstandes, des Alters sowie – nicht ausgewiesen – der Religionszugehörigkeit und der Haushaltsgröße nicht signifikant zwischen den verschiedenen Abläufen. Lediglich für das Geschlecht finden sich signifikante Abweichungen, die allerdings in ihrer Größenordnung auch bescheiden bleiben.

-- Tabelle 1 etwa hier -

Wie der Tabelle ebenfalls zu entnehmen ist, handelt es sich bei den Teilnehmern unserer Umfrage nicht um ein repräsentatives Sample aus der Grundgesamtheit der deutschen Bevölkerung. Vielmehr ist die Stichprobe deutlich verzerrt. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich um eine Online-Umfrage im universitären Umfeld handelt, kann es nicht verwundern, dass jüngere, männliche, formal hochgebildete Personen in der Stichprobe deutlich überrepräsentiert sind.

Natürlich wäre ein repräsentatives Sample auch für diese Studie wünschens- und erstrebenswert. Angesichts der experimentellen Logik, die ihr zugrunde liegt, ist aber das Fehlen von Repräsentativität nicht gleichbedeutend mit Wertlosigkeit der Ergebnisse. Für Experimente ist die interne Validität das „sine qua non“ (Campbell/Stanley 1966: 5), ein „basic minimum without which any experiment is uninterpretable: Did in fact the experimental treatments make a difference in this specific experimental instance?“ (Campbell/Stanley 1966: 5). Die externe Validität – im Sinne der Repräsentativität, also der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf weitere Kontexte – ist ihr eindeutig nachgeordnet, worauf auch McDermott (2002b: 336) hinweist: „Experiments should not be evaluated based on the appearances of broader generalizability, but rather on the merit of their underlying theoretical constructs“. Allerdings ist die (mangelnde) externe Validität natürlich bei der Bewertung der Aussagekraft der Ergebnisse zu berücksichtigen.

Auf dieser Basis können wir uns nun die hier interessierenden Experimente anschauen, die sich thematisch mit zentralen Policy-Ankündigungen der zum Erhebungszeitpunkt neuen Großen Koalition befassen: Mehrwertsteuererhöhung, Senkung der Staatsverschuldung sowie Verschärfungen der Kontrollen bei Hartz-IV-Empfängern. Die Logik der Experimente ist in allen drei Fällen identisch: Den Befragten werden zur Einstimmung auf den jeweiligen Themenkomplex einschlägige Informationen – Frames – zur Verfügung gestellt. Diese Informationen aber unterscheiden sich zwischen den verschiedenen experimentellen Abläufen, um anschließend prüfen zu können, ob und gegebenenfalls wie sich die unterschiedlichen Informationen auf das Urteil der Befragten zu diesem Thema ausgewirkt haben.

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3.2 Die Experimente im Detail

Betrachten wir die einzelnen Issues im Detail. Zunächst geht es um das Arbeitslosengeld II, das in der Öffentlichkeit eher mit der Formel „Hartz IV“ in Verbindung gebracht wird. Hierzu wurde den Befragten – der politischen Realität entsprechend – mitgeteilt, dass die Große Koalition Einsparungen und Einschränkungen bei den Empfängern von Arbeitslosengeld II beschlossen habe. In einer Version des Experiments wurden sie im unmittelbaren Anschluss nach ihrer Meinung zu dieser Entscheidung befragt. In einer zweiten Version wurde als Begründung der Großen Koalition für diese Entscheidung angeführt, „dass auch das Geld für Hartz IV von den Bürgern erwirtschaftet werden muss, die jeden Morgen zur Arbeit fahren, den ganzen Tag über arbeiten und somit dafür sorgen, dass Steuern gezahlt werden. Sie haben ein Recht darauf, dass auch andere ihre Verpflichtungen einhalten.“ In weiteren Varianten wurde diese Aussage explizit Angela Merkel bzw. Franz Müntefering zugeschrieben – auch dies realistisch, denn beide hatten in der Tat im Bundestag annähernd wortgleich eine solche Äußerung gemacht (siehe für die genauen Ablaufpläne den Anhang).

Dieses Experiment ermöglicht es uns zunächst zu untersuchen, ob der Urheber die Akzeptanz des Interpretationsrahmens, man könnte vom „Pflichten-Frame“ sprechen, beeinflusst. Dabei könnte man annehmen, dass Franz Müntefering als SPD-Vorsitzender und „Anwalt der kleinen Leute“ die Akzeptanz im Vergleich zu den beiden anderen Urhebern, vor allem aber zu Angela Merkel als Wahlkämpferin für einen „schlanken Staat“ steigern sollte. Gemäß der Cue-taking-These sollten Menschen Aussagen ihnen nahe stehender oder vertrauenswürdig erscheinender Akteure besonders bereitwillig akzeptieren (etwa Sniderman/Bullock 2004). Dementsprechend sollte Müntefering (Merkel) als Urheber(in) bei SPD-Anhängern, aber auch bei selbst deklarierten Linken und Verfechtern eines expansiven Sozialstaats, die Akzeptanz besonders deutlich steigern (senken). Gerade umgekehrt sollten Unionsanhänger den Pflichten-Frame besonders bereitwillig akzeptieren, wenn er von Frau Merkel vertreten wird. Als Verfechterin des freien Spiels der Marktkräfte dürfte Frau Merkel auch bei Erwerbstätigen auf besonders große Resonanz stoßen, während Erwerbslose den Pflichten-Frame aus dem Munde von Angela Merkel, die nicht ihre Interessen vertritt, ausgesprochen ablehnend bewerten sollten. Aus einer anderen Perspektive könnte die eigene Arbeitslosigkeitserfahrung die Wirkung verschiedener Attributionen generell reduzieren. Schließlich untersuchen wir die Effekte der subjektiven politischen Kompetenz und des politischen Interesses auf die Wirkung der verschiedenen Attributionen. Die Literatur legt für diese in der Wahl- und Einstellungsforschung gängigen Merkmalen zwei gegenläufige Hypothesen nahe. Beide Merkmale dürften mit politischem Vorwissen und mit auskristallisierten Einstellungen zusammenhängen. Letztere schwächen Framing-Effekte ab, während ersteres ihnen

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eher zuträglich zu sein scheint. Folglich ist es eine offene Frage, welche moderierende Wirkung von subjektiver politischer Kompetenz und politischem Interesse ausgeht.

Zudem fragen wir, ob die Präsentation des verschiedenen Urhebern zugeschriebenen Pflichten-Frame die Haltung zu Kürzungen des Arbeitslosengeldes II beeinflußt. Dieser Frame rechtfertigt Einschränkungen und Kürzungen und lenkt den Blick auf die Finanzierung des Arbeitslosengeldes II. Akzeptieren die Befragten das Deutungsmuster, sollte die Zustimmung zu den Regierungsmaßnahmen zunehmen. Wie bei der ersten Teilfrage müssten Anhänger der Unionsparteien auf den Pflichten-Frame dann besonders positiv reagieren, wenn er Angela Merkel zugeschrieben wird, während SPD-Anhänger besonders responsiv sein sollten, wenn ihnen Franz Müntefering als Urheber des Pflichten-Frames präsentiert wird. Auch die anderen Überlegungen aus dem vorangegangenen Abschnitt gelten analog. Allerdings kann man das Zusammenspiel von Sozialstaatsorientierung und experimenteller Variation nicht nur im Sinne einer überdurchschnittlichen Bereitschaft bestimmter Bevölkerungsgruppen, Elitenargumente zu akzeptieren, deuten. Vielmehr kann man umgekehrt vermuten, dass der Pflichten-Frame den Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit bei der Beurteilung von Einschränkungen für Arbeitslosengeld II-Empfängern zurückdrängen sollte.

Zugleich wollen wir die Erwartungen an erfolgreiches Framing im Falle von Arbeitslosengeld II generell relativieren. Denn diese sozialstaatliche Leistung ist im Zusammenhang mit den sogenannten Hartz-IV-Reformen intensiv und emotional diskutiert worden. Daher kann das Thema schwerlich als neu oder unbekannt gelten. Zudem sind viele Menschen von diesen Regelungen zumindest potentiell persönlich betroffen, was im Licht der Literatur gegen starke Framing-Effekte spricht.

Unser zweites Experiment bezieht sich auf die von der Großen Koalition beschlossene Erhöhung des Mehrwertsteuerregelsatzes um drei Punkte auf 19 Prozent. Diese Information wurde in einer anderen Variante um den Hinweis ergänzt, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent, der vor allem für Güter des täglichen Bedarfs gilt, unverändert bleibt. Befragten in beiden Varianten wurde zusätzlich eine graphische Darstellung zur relativen Position der (neuen) deutschen Mehrwertsteuer im europäischen Vergleich gezeigt. In einer ersten Variante wurde Deutschland (durch die gezielte Auswahl bestimmter Vergleichsländer) als Spitzenreiter dargestellt, in einer zweiten auf einem Mittelplatz und in einer dritten am Ende des Feldes. Somit ergibt sich insgesamt ein 3x2 Design mit sechs experimentellen Bedingungen. Anschließend wurden die Respondenten gebeten, anzugeben, ob sie die Mehrwertsteuererhöhung für angemessen halten, diese als sozial ausgewogen erachten und ob sie für eine europaweite Harmonisierung der Mehrwertsteuersätze eintreten.

Die Erwartungen zu diesem Experiment liegen auf der Hand. Die Erwähnung des konstanten ermäßigten Mehrwertsteuersatzes als „reasoning device“

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(Gamson/Modigliani 1989: 3) sollte die Zustimmung zur Anhebung des regulären Steuersatzes steigern und mehr Befragte dazu bewegen, sie als sozial ausgewogen zu erachten. Die gleiche Wirkung sollte der Hinweis auf den hinteren Platz Deutschlands im europäischen Vergleich entfalten, während die Information, Deutschland stehe mit dem neuen Umsatzsteuersatz an der Spitze, die Zustimmung reduzieren sollte. Gerade die umgekehrte Wirkung sollte von den Vergleichsszenarien auf die Zustimmung zu einer europäischen Harmonisierung der Umsatzsteuer ausgehen. Denn ein hinterer Platz Deutschlands könnte suggerieren, dass eine Vereinheitlichung für Deutschland eine (weitere) Anhebung bedeuten werde, während ein vorderer Rang im europäischen Vergleich eine Harmonisierung als Instrument zu einer Senkung des deutschen Mehrwertsteuersatzes erscheinen lassen könnte.

Neben diesen direkten Effekten wollen wir auch hier mögliche Interaktionseffekte thematisieren. Neben subjektiver Kompetenz und politischem Interesse interessieren wir uns vor allem für die moderierende Rolle politischer Prädispositionen. Denn Linke und Befürworter des Sozialstaats könnten die Mehrwertsteuer als ein eher unfaires Instrument ansehen, da keine Kopplung an die Höhe der Löhne und Gehälter besteht. Allerdings sollten sich solche Unterschiede abschwächen, sobald auf den konstanten und niedrigeren Mehrwertsteuersatz für die Güter des täglichen Bedarfs hingewiesen wird. Ähnliche Effekte politischer Prädispositionen sind bei der Frage nach der europäischen Harmonisierung der Mehrwertsteuer nicht zu erwarten.

Auch bei diesem Experiment erwarten wir allerdings keine allzu starken Effekte. Denn das Thema Mehrwertsteuererhöhung war eines der am intensivsten diskutierten Issues des wenige Wochen vor unserer Befragung zu Ende gegangenen Bundestagswahlkampfes. Und auch nach der Wahl blieb das Thema auf der öffentlichen Agenda, da die Große Koalition die Anhebung der Mehrwertsteuer um drei Punkte beschloss, womit sie über die von den Unionsparteien im Wahlkampf geforderten zwei Punkte hinausging und die SPD, die vor der Wahl jede Mehrwertsteuererhöhung entschieden abgelehnt hatte, desavouierte. Viele Befragte dürften daher klare und nicht leicht beeinflussbare Vorstellungen von der Angemessenheit und sozialen Ausgewogenheit der Mehrwertsteuererhöhung besessen haben. Dagegen war die europäische Harmonisierung weder im Wahlkampf noch danach Gegenstand der öffentlichen Diskussion. Daher sind bei dieser Frage stärkere Framing-Effekte zu erwarten.

Drittens schließlich nutzen wir ein Experiment zu Vorschlägen, die Staatsverschuldung zu reduzieren. In einer ersten Variante wurde den Befragten dazu mitgeteilt, dass die Staatsverschuldung in Deutschland bei 1,4 Billionen Euro liege, was einer Pro-Kopf-Verschuldung von über 17.000 Euro entspreche. Um die Staatsverschuldung zu bekämpfen, habe die Große Koalition ein Sparpaket aus Steuererhöhungen und Kürzungen staatlicher Leistungen und von Steuervergünstigungen beschlossen. Anschließend wurden die Befragten gebeten, anzugeben, für wie dringlich sie die Haushaltskonsolidierung hielten und ob sie das

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Vorhaben der Großen Koalition befürworteten. In einer zweiten Version wurde – ohne Nennung der Absolutzahlen zur deutschen Staatsverschuldung – auf die deutsche Schuldenstandsquote von 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hingewiesen, die im internationalen Vergleich im Mittelfeld liege, jene Japans etwa betrage 150 Prozent, Italiens 120 Prozent und jene der USA ebenfalls 65 Prozent. Die dritte Variante schließlich beinhaltete beide Informationen – die absolute Verschuldung Deutschlands, aber auch die relative Schuldenstandsquote.

Indem sie einen internationalen Vergleich zu anderen Ländern ziehen, relativieren die zweite und dritte Version die Höhe der deutschen Staatsverschuldung; dies gilt für die zweite, die Deutschland als relativ wenig verschuldet erscheinen lässt, noch stärker als für die dritte. Folglich sollten beide Relativierungen, vor allem aber die zweite Version die wahrgenommene Dringlichkeit und die Zustimmung zur Haushaltskonsolidierung sinken lassen. Anders formuliert: Die (ausschließliche) Erwähnung der Absolutwerte sollte die Zustimmung (deutlich) ansteigen lassen. Im Vergleich zu den beiden anderen Issues ist die Staatsverschuldung zudem eine Frage, die nicht über längere Zeit im Zentrum der politischen Auseinandersetzung stand und zu der die Befragten kaum Alltagserfahrungen sammeln können. Daher ist in diesem Fall mit deutlicheren Framing-Effekten zu rechnen. Auch hier untersuchen wir Interaktionseffekte der politischen Involvierung und politischer Prädispositionen. Zusätzlich betrachten wir das Lebensalter, da junge Menschen auf die Experimentalvariation besonders sensibel reagieren könnten, da es tendenziell sie sind, die den Schuldenberg abtragen müssen.

3.3 Analysestrategie Diese Experimente gilt es nun im Folgenden zu analysieren. Dabei werden wir zweistufig vorgehen. Zunächst werden wir mit exklusivem Blick auf die Haupteffekte der experimentellen Bedingungen prüfen, ob sich pauschale Unterschiede in den Antworten der Befragten zwischen den verschiedenen experimentellen Bedingungen nachweisen lassen. Anschließend werden wir die Analyse verfeinern und mittels entsprechender Interaktionsterme prüfen, ob sich für bestimmte Subgruppen Unterschiede ergeben, ob also bestimmte Personen eher (oder in anderer Art und Weise) auf die experimentellen Stimuli reagiert haben als andere.

Für beide Herangehensweisen verwenden wir regressionsanalytische Verfahren; die experimentellen Stimuli modellieren wir über entsprechende dichotome Indikatorvariablen. Deren (In-)Signifikanz wird anzeigen, ob die Einstellungen der Befragten tatsächlich auf die von uns selektiv präsentierten Frames reagiert haben. Die verschiedenen unabhängigen Variablen haben wir dabei alle auf einen Wertebereich von 0 bis 1 codiert, um gerade auch die möglichen Interaktionseffekte leichter interpretierbar zu machen.

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4 Empirische Befunde 4.1 Haupteffekte Beginnen wir mit den Ergebnissen zum Arbeitslosengeld II. Verändern sich die Antworten der Befragten in Abhängigkeit davon, wem man die begründenden Worte zur Kürzung des Arbeitslosengeldes II in den Mund legt? Tatsächlich kann man Tabelle 2 entnehmen, dass sich die Befragten unserer Online-Umfrage je nach zugeschriebener Quelle im Grad ihrer Zustimmung zu der präsentierten Aussage unterscheiden. Die Aussage findet erwartungsgemäß dann besonders hohe Zustimmung, wenn sie Vizekanzler und Arbeitsminister Müntefering zugeschrieben wird. In den Szenarien, in denen die Aussage Bundeskanzlerin Merkel oder pauschal der Großen Koalition zugeschrieben wird, liegt die Zustimmung rund einen Viertelskalenpunkt niedriger. Ein gewisses Framing hat hier offensichtlich stattgefunden. Dem (linken) Arbeitsminister nimmt man die Notwendigkeit zur Kürzung offensichtlich etwas eher ab als der bürgerlichen Seite.

-- Tabelle 2 etwa hier --

Nach der Frage zur Zustimmung zu der präsentierten Aussage, wonach auch Empfänger von Arbeitslosengeld II ihren Beitrag leisten müssten, sollten alle Befragten6 noch die Angemessenheit von Kürzungen bei Hartz-IV-Empfängern einschätzen. Wie die letzte Spalte von Tabelle 2 zeigt, hatte die Zuschreibung der Aussage hier aber überhaupt keinen statistisch signifikanten Effekt. Ganz gleich, von wem die Begründung stammte – und auch unabhängig davon, ob überhaupt eine Begründung geliefert wurde oder nicht – die Angemessenheit von Kürzungen bei Hartz-IV-Empfängern wurde davon nicht berührt. Dieses Ergebnis spricht im Einklang mit unseren Erwartungen für relativ gut auskristallisierte Einstellungen zu den Kürzungen des Arbeitslosengeldes II.

-- Tabelle 3 etwa hier --

6 Begründende Aussagen waren ja nur in drei der vier Abläufe enthalten. Die zwischengeschalteten Fragen zu den Begründungen selbst könnten zudem als Störfaktoren bei der Analyse der Haltung zu den Kürzungen wirken.

13 Thorsten Faas und Harald Schoen

Als nächstes betrachten wir das Experiment zur Mehrwertsteuererhöhung. Da es sich dabei um ein 3x2-Design handelt, in dem zwei Variablen gleichzeitig variiert werden, sind natürlich beide Variationen simultan im Modell zu berücksichtigen.7

Wie Tabelle 3 zeigt, ergeben sich einige Effekte je nach experimenteller Bedingung – wenn auch nicht immer in der erwarteten Richtung. Zudem bleibt die Modellgüte an dieser Stelle gering.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Erhöhung der Mehrwertsteuererhöhung vor allem dann als eher unangemessen angesehen wurde, wenn Deutschland als Spitzenreiter in Sachen Mehrwertsteuer in Europa dargestellt wurde. Allerdings weist auch der Koeffizient für das Szenario, in dem Deutschland einen hinteren Platz belegt, ein negatives Vorzeichen auf (auch wenn dies statistisch nicht signifikant ist). Die Nennung oder Nicht-Nennung des konstanten Satzes für die Güter des täglichen Bedarfs verursacht dagegen keine Unterschiede in der wahrgenommenen Angemessenheit.

Dies gilt auch für die Frage der sozialen Ausgewogenheit der Erhöhung, wo wir genau einen solchen Effekt eigentlich erwartet hatten. Die Nennung des unveränderten niedrigeren Satzes bleibt aber empirisch ohne Folgen. Vielmehr zeigt sich auch hier ein Effekt, wonach die Erhöhung gerade dann als weniger ausgewogen angesehen wird, wenn Deutschland auf einem hinteren Platz in der europäischen Rangliste steht.

Im Einklang mit unseren Vermutungen finden wir hinsichtlich der Frage, ob die Mehrwertsteuer europaweit vereinheitlicht werden soll, einen signifikanten Effekt. Wenn Deutschland mit überdurchschnittlich hoher Mehrwertsteuer präsentiert wird, erhöht dies die Zustimmung zur europaweiten Harmonisierung. Umgekehrt ist die Zustimmung niedriger, wenn Deutschland auf einem hinteren Platz präsentiert wird, aber auch, wenn der ermäßigte Satz erwähnt wird. Allerdings erreichen beide Koeffizienten nicht die Marke statistischer Signifikanz.

-- Tabelle 4 etwa hier --

Auch im dritten Fall – dem Thema Staatsverschuldung – finden wir signifikante Effekte. Insbesondere die Einschätzung der Dringlichkeit der Senkung der Staatsverschuldung reagiert auf die präsentierten Frames. Dabei erweist sich die Nennung der absoluten Höhe der Verschuldung in Deutschland als das entscheidende Moment. Denn die beiden Bedingungen, in denen dies der Fall ist, unterscheiden sich von der Version ohne diese Informationen. Im Vergleich zu den abstrakteren Informationen zur „Schuldenstandsquote“ scheinen vor allem die 17.000 Euro pro Kopf vorstellbar zu sein und offenbar bedrohlich zu wirken. Die

7 Auch eine mögliche Interaktion zwischen beiden Variationen ist zu berücksichtigen, erweist sich aber im vorliegenden Fall als wirkungslos. Bei der Darstellung wird daher darauf verzichtet.

Mehrwertsteuer, Staatsverschuldung, Hartz IV 14

höhere Dringlichkeit geht aber im zweiten Schritt nicht mit einer höheren Zustimmung zu den verabschiedeten Maßnahmen einher. Wie die letzte Spalte von Tabelle 4 zeigt, bleiben die Frames hier ohne Effekt.

4.2 Interaktionseffekte Im nächsten Schritt wollen wir prüfen, ob unsere Überlegungen zu möglichen Interaktionseffekten zutreffen. Lässt sich für bestimmte Personengruppen eine stärkere Anfälligkeit für Frames nachweisen? In allen Fällen prüfen wir mögliche Effekte politischer Involvierung sowie politischer Prädispositionen. Darüber hinaus betrachten wir in ausgewählten Fällen die moderierende Wirkung von Parteibindungen, eigener Betroffenheit von Arbeitslosigkeit sowie des Lebensalters.

Beginnen wir mit den Kürzungen des Arbeitslosengeldes II und hier der Zustimmung zu den Begründungen je nach angegebener Quelle; die Ergebnisse zeigt Tabelle 5. Im Einklang mit unseren Erwartungen stimmen Unionsanhänger der Begründung für die Kürzungen besonders bereitwillig zu, wenn sie von Frau Merkel stammt. Bei Unionsanhängern resultiert ein positiver Effekt der Merkelaussage (-0.492+1.072 = 0.580), während bei allen anderen Respondenten die Aussage aus Frau Merkels Mund die Zustimmung mindert (-0.492). Dies ist ein deutliches Indiz für die Cue-taking-These. Dagegen ist bei SPD-Anhängern kein solcher Effekt nachweisbar; für sie könnte diese Kombination auch durchaus kognitive Dissonanzen auslösen: Zwar passt die Quelle (Müntefering), aber nicht der Inhalt (Kürzungen bei Arbeitslosen). Politische Dispositionen steuern die Reaktion auf die Begründung ebenfalls. Anhänger eines expansiven Sozialstaats lehnen das Pflichten-Argument besonders vehement ab, wenn es Frau Merkel oder der Großen Koalition zugeschrieben wird; der Unterschied beträgt fast einen Skalenpunkt. Die Links-Rechts-Dimension bleibt dagegen ohne moderierende Wirkung, was an ihrem inhaltlichen Facettenreichtum liegen könnte.

Politisches Interesse und subjektive politische Kompetenz entfalten tendenziell abschwächende Wirkungen auf die Framing-Effekte, bleiben aber statistisch insignifikant. Der Erwerbsstatus der Befragungsteilnehmer bleibt ebenfalls ohne durchschlagenden Effekt auf die Bereitschaft, auf die Zuschreibung an verschiedene Urheber zu reagieren. Soweit sich Muster abzeichnen, stehen sie eher in Einklang mit der Annahme, dass die Erwerbsposition mit bestimmten Interessen einhergeht, als mit der Vorstellung, eigene Erfahrung mindere die Zugänglichkeit für Zuschreibungseffekte. Denn Arbeitslose reagieren auf das Pflichten-Argument aus Frau Merkels Mund tendenziell kritischer, während Erwerbstätige darauf vergleichsweise wohlwollend reagieren.

-- Tabelle 5 etwa hier --

15 Thorsten Faas und Harald Schoen

Fragt man nach der Wirkung des verschiedenen Quellen zugeschriebenen Pflichtenarguments auf die Haltung zu den Kürzungen des Arbeitslosengelds II, dann lässt sich keine signifikante Evidenz im Sinne eines parteipolitischen Cue-Taking finden (Tabelle 6). Ebensowenig ist eine Interaktion zwischen politischen Prädispositionen und der experimentellen Variation festzustellen. Die Präsentation des Pflichtenarguments mindert offenbar weder den Einfluß von Sozialstaatsüberlegungen bei der Bewertung der geplanten Maßnahme, noch macht sie diese beispielsweise Befürwortern eines Sozialstaatsabbaus besonders schmackhaft. Die Erwerbssituation der Befragten bleibt ebenfalls ohne Wirkung.

Einzig das Kompetenzgefühl und politisches Interesse zeitigen signifikante Interaktionseffekte. Unter politisch wenig interessierten und sich wenig kompetent wähnenden Personen scheint das Pflichtenargument aus dem Munde Franz Münteferings – relativ zu den anderen Experimentalvariationen – die Befragten die Kürzung von Hartz IV positiv bewerten zu lassen. Personen, die sich für Politik interessieren oder sich eine hohe politische Kompetenz zuschreiben, reagieren auf den Policy-Vorschlag hingegen praktisch identisch, unabhängig davon, ob das Pflichtenargument überhaupt angeführt wird und wem es zugeschrieben wird. Diesen Befund kann man als Indiz dafür deuten, dass politische interessierte und subjektiv kompetente Personen häufiger als andere über diese Fragen nachgedacht haben und sich daher nicht von einem Argument umstimmen lassen. Überdies könnte ihnen bewusster sein, dass seit der Wahl 2005 Franz Müntefering und Angela Merkel an der Spitze einer Großen Koalition stehen, so dass die Erwähnung eines Akteurs auch die beiden anderen in ihr Bewusstsein hebt. In jedem Fall scheinen beide Merkmale an dieser Stelle Framing-Effekte eher abzuschwächen als zu verstärken.

-- Tabelle 6 etwa hier --

Kommen wir damit zum zweiten Experiment – der Erhöhung der Mehrwertsteuer – und hier zunächst zur Frage der Angemessenheit dieser Erhöhung. Politisches Interesse und die selbst zugeschriebene politische Kompetenz moderieren auch hier die Wirkung der experimentellen Variation etwas. Betrachten wir zunächst den resultierenden Unterschied zwischen dem Szenario mit Deutschland an der Spitze zum Szenario mit Deutschland auf einem hinteren Platz bei politisch uninteressierten bzw. bei politisch wenig kompetenten Personen. Dieser Unterschied – die Differenz zwischen den beiden angegebenen Effekten – liegt in beiden Fällen bei etwa 0.45 Skalenpunkten und ist, wie weitere Analysen zeigen, signifikant. Bei politisch interessierten bzw. kompetenten Personen dagegen

Mehrwertsteuer, Staatsverschuldung, Hartz IV 16

reduzieren sich die Unterschiede dagegen auf (dann nicht mehr signifikante) 0.158

Skalenpunkte. Politisches Interesse und subjektive Kompetenz scheinen also den Framing-Effekt etwas abzuschwächen, insbesondere den Effekt des Frames, in dem Deutschland auf einem Spitzenplatz präsentiert wird. Das könnte damit zusammenhängen, dass Personen, die auf diesen beiden Dimensionen eine hohe Position einnehmen, klar auskristallisierte und daher kaum veränderbare Einstellungen besitzen oder die relative Position Deutschlands in der europäischen Mehrwertsteuerrangliste kennen und deshalb nicht auf Manipulationsversuche reagieren. Ein ähnlicher Effekt ist bei der Nennung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes nicht (oder doch nur mit sehr viel Wohlwollen) festzustellen. Ebensowenig lassen sich entsprechende Moderatorwirkungen bei der Frage nach der sozialen Ausgewogenheit der Mehrwertsteuererhöhung in nennenswertem Umfang nachweisen. Offenbar spielt für diese Frage die relative Position im internationalen Vergleich generell eine geringere Rolle.

Betrachten wir im nächsten Schritt politische Prädispositionen. Diese interagieren nicht nennenswert mit der angeführten relativen Position Deutschlands. Offenbar ist ein internationaler Vergleich kein Argument, wenn man eine Policy-Maßnahme an auf die nationale Ebene bezogenen Prinzipien misst. Ein wenig anders verhält es sich mit der Erwähnung des konstanten ermäßigten Steuersatzes, wo sich ein signifikanter Interaktionseffekt zeigt. Während nämlich die Nennung des ermäßigten Satzes die Zustimmung bei den Linken tendenziell ansteigen lässt, bewirkt sie bei Personen, die sich rechts einstufen, das genaue Gegenteil: Die Nennung führt dazu, dass sie – von einem generell höheren Niveau kommend – die Mehrwertsteuererhöhung dann relativ unangemessener finden. Es scheint, als ob dieser Hinweis ein für die Links-Rechts-Bewertung konstitutives Argument, etwa soziale Gerechtigkeit, entkräfte. In den übrigen Fällen tritt ein solcher Effekt allerdings nicht auf. Mit anderen Worten, die Respondenten scheinen unabhängig von politischen Prädispositionen auf die Experimentalvariation zu reagieren.

-- Tabelle 7 etwa hier --

-- Tabelle 8 etwa hier --

Bei der Frage zur europaweiten Harmonisierung der Mehrwertsteuer schneiden die potentiellen Moderatorvariablen unterschiedlich ab. Die Sozialstaatsorientierung

8 Am Beispiel des Interesses ergibt sich etwa bei politisch wenig interessierten Personen: Differenz = Spitzenplatz – Hinterer Platz = -.230 - .241 = -.471. Bei politisch Interessierten dagegen ergibt sich: -(-.230 + .144) – (.241-.479) = -0.086 + .238 = .152.

17 Thorsten Faas und Harald Schoen

entfaltet keine Interaktionseffekte. Das dürfte daran liegen, dass mit der europäischen Harmonisierung ein Aspekt angesprochen wird, der in den Augen der Befragten keinen direkten Bezug zu dieser Dimension aufweist. Die Links-Rechts-Selbsteinstufung trägt ebenfalls wenig zur Erklärung bei. Jedoch zeichnet sich zumindest eine signifikante Interaktion ab. Demnach reagieren Rechte vergleichsweise harmonisierungsskeptisch, wenn sie auf den hinteren Platz Deutschlands hingewiesen werden. Eine ähnliche Tendenz zeichnet sich bei der Nennung eines deutschen Spitzenplatzes ab. Im Ergebnis reagieren Rechte generell kritischer als Linke, wenn Deutschland eine vordere oder hintere Position im EU-Vergleich zugeschrieben wird.

Deutliche Interaktionseffekte sind dagegen für internal efficacy und politisches Interesse zu erkennen. Demnach schwächen hohe Ausprägungen auf beiden Merkmalsdimensionen die – im Vergleich zum Mittelplatz – positive Wirkung der Erwähnung eines Spitzen- oder hinteren Platzes auf die Unterstützung für die europäische Harmonisierung ab. Diese Effekte führen dazu, dass unter den hochgradig interessierten und kompetenten Befragten die Erwähnung des Spitzenplatzes praktisch keinen Effekt mehr ausübt, während der Hinweis auf den hinteren Platz in dieser Gruppe sogar zu größerer Skepsis führt. Mit anderen Worten: Politisch interessierte und subjektiv kompetente Personen reagieren eher im Sinne des angestrebten Framings als andere Personen. Bei den weniger interessierten Personen dagegen verursacht eher eine Extremposition Deutschlands höhere Zustimmung. Sie scheinen also eher bei – aus deutscher Sicht – einseitigen Abweichungen für eine Angleichung zu plädieren, während politisch Involvierte Personen eher einen höheren Steuersatz vermeiden zu wollen scheinen.

-- Tabelle 9 etwa hier --

-- Tabelle 10 etwa hier --

In unseren Experimenten zum Schuldenabbau schließlich erweist sich die politische Involvierung der Tendenz nach als eine moderierende Variable. Involvierte Personen reagieren bei der Frage nach der Dringlichkeit des Schuldenabbaus etwas weniger stark auf die Frames – vermutlich, weil sie mit der abstrakten Schuldenstandsquote mehr anfangen können oder diese aufgrund des Vorwissens dieser Personen auch Vorstellungen über die absolute Verschuldung aktiviert. Bei der Bewertung des Schuldenabbaus lässt sich dieses Muster nicht erkennen, was an den in diesem Fall generell schwachen Wirkungen der Frames liegen dürfte.

Die beiden politischen Prädispositionen schneiden unterschiedlich ab. Die Links-Rechts-Orientierung interagiert mit der experimentellen Variation nicht.

Mehrwertsteuer, Staatsverschuldung, Hartz IV 18

Anders die Haltung zum Sozialstaat. Werden die Respondenten nach der Präsentation der Schuldenstandsquoten nach der Dringlichkeit von Ausgabenkürzungen zum Schuldenabbau gefragt und um ein Urteil über dieses Vorhaben gebeten, spielt die Sozialstaatsorientierung eine deutliche Rolle. Befürworter eines expansiven Sozialstaats zeigen sich wesentlich skeptischer als dessen Kritiker. Werden die Befragten jedoch nur oder auch mit absoluten Angaben zum Schuldenstand konfrontiert, vermindern sich die Effekte deutlich. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die Erwähnung der absoluten Werte bei den Befragten andere Wertorientierungen, etwa intergenerationale Gerechtigkeit, aktivieren und Vorstellungen von der sozialen Gerechtigkeit, wie sie mit der Sozialstaatsorientierung gemessen werden dürften, bei der Beurteilung des Schuldenabbaus zurückdrängen.

-- Tabelle 11 etwa hier --

Schließlich zeigen sich auch beim Alter nennenswerte Effekte. Unter dem Einfluß des Quoten-Frames nimmt mit dem Lebensalter die Unterstützung für den Schuldenabbau in beiden Varianten leicht zu. Die Nennung der absoluten Verschuldungswerte schwächt diesen Effekt ab.

5 Fazit Ziel dieses Beitrages war es, Framing-Effekte auf die Haltung zu staatlichen Policies zu untersuchen. In der empirischen Analyse von Daten, die wenige Wochen nach der Bundestagswahl 2005 erhoben wurden, konnten wir verschiedene Effekte zeigen. Personen akzeptierten das Pflichtenargument zur Kürzung des Arbeitslosengeldes II generell leichter, wenn dieses Franz Müntefering zugeschrieben wurde, als wenn Angela Merkel oder die Große Koalition als Urheber genannt wurden. Dies gilt umso mehr bei Befürwortern des Sozialstaates, während bei Anhängern der Unionsparteien und Erwerbstätigen dieser Effekt zu Frau Merkels Gunsten verändert wird. Dieses Pflichtenargument blieb im Einklang mit unseren Erwartungen praktisch wirkungslos auf die Haltung zu den Kürzungsmaßnahmen. Allenfalls politisch wenig involvierte Personen ließen sich von diesem Argument aus Münteferings Munde beeindrucken. Bei der Bewertung der umstrittenen Mehrwertsteuererhöhung lassen sich leichte Framing-Effekte nachweisen, vor allem aber bei der Frage nach einer europäischen Harmonisierung der Umsatzsteuer. Die Responsivität gegenüber den Framingversuchen hängt dabei in gewissem Maß von der politischen Involvierung ab, wie auch politische Prädispositionen nicht völlig bedeutungslos sind. Im dritten Experiment haben wir die Haltung zu Ausgabenkürzungen zum Zwecke des Schuldenabbaus untersucht. Hier konnten wir erwartungsgemäß deutliche und nur

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marginal involvierungsabhängige Framing-Effekte nachweisen. Überdies konnten wir zeigen, dass die verschiedenen Frames offenbar die Wirkung von sozialstaatlichen Orientierungen auf die Haltung zu diesen Policy-Maßnahmen beeinflussen.

Die Ergebnisse deuten insgesamt darauf hin, dass die öffentliche Meinung zu Policy-Fragen nicht ohne weiteres mit geeigneten Interpretationsrahmen massiv in die eine oder die andere Richtung gelenkt werden kann. Allerdings haben wir bei der Frage nach der Staatsverschuldung, die ja nach der Wahl 2005 in der öffentlichen Diskussion durchaus eine Rolle gespielt hat, nennenswerte Effekte nachweisen können. Erst recht sollten daher bei neuen Themen, zu denen die Bürger noch keine klaren Vorstellungen und auskristallisierten Einstellungen bilden konnten, deutliche Wirkungen nachweisbar sein.

Für die (potentielle) Relevanz von Framing-Effekten sprechen zudem verschiedene Schwächen unserer Analyse. So liegt unserer Untersuchung keineswegs eine repräsentative Stichprobe zugrunde. Vielmehr zeichnen sich die Befragten durch ein hohes Bildungsniveau, niedriges Alter und ausgeprägte politische Involvierung aus. Vor dem Hintergrund der moderierenden Wirkung politischer Involvierung, die wir an verschiedenen Stellen nachgewiesen haben, könnten wir daher in der Summe die Framing-Effekte etwas unterschätzt haben. Zudem haben wir den Respondenten die Interpretationsrahmen nur einmal (kurz) präsentiert, nicht aber wiederholt, wie es in der Realität eher der Fall sein dürfte. Schließlich erscheinen unsere Frames im Vergleich zu dem Konzept, wie es etwa Gamson/Modigliani (1987, 1989) formuliert haben, recht bescheiden. Wir haben lediglich bestimmte Informationen variiert, jedoch nicht mit ausführlichen Argumentationsmustern, Appellen an Vorurteile oder emotionalisierenden Symbolen operiert. Setzte man solche stärkeren Frames ein, könnte man vermutlich deutlichere Effekte erzielen. Damit würde man im übrigen nicht die externe Validität der Analyse schwächen, da Politiker und Massenmedien durchaus solche Instrumente einsetzen.

Allerdings sind auch einige Argumente zu bedenken, die eher in die entgegengesetzte Richtung deuten. Erstens haben wir die Realität des politischen Wettbewerbs nicht zutreffend abgebildet, weil wir den Befragten nicht widerstreitende Argumente präsentiert haben, was zu veränderten Effekten führen könnte. Zweitens haben wir die Respondenten – vermutlich – sozial isoliert an ihrem Rechner befragt. Da soziale Interaktion Framing-Effekte abschwächt, ist auch dies Gesichtspunkt, der eher für eine Über- als eine Unterschätzung der Effekte spricht.9 Drittens haben wir die Effekte nur zu einem Zeitpunkt untersucht, nicht aber deren Dauerhaftigkeit. Da diese begrenzt ist, überschätzt eine Momentaufnahme die Wirkung von Frames. Viertens schließlich mussten alle Respondenten alle Frames zur Kenntnis nehmen. In der Realität ist die Rezeption

9 Der Onlinemodus der Befragung selbst könnte vermehrt zu weniger ernsthaften Antworten beigetragen haben.

Mehrwertsteuer, Staatsverschuldung, Hartz IV 20

politischer Kommunikationsinhalte keine Konstante, sondern eine Variable. Diese Argumente relativieren die Aussagekraft unserer Ergebnisse und geben gleichzeitig Hinweise auf wichtige Desiderata, derer sich die künftige Forschung annehmen sollte.

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Mehrwertsteuer, Staatsverschuldung, Hartz IV 24

7 Anhang Experiment zur Mehrwertsteuererhöhung (3x2-Design)

Der allgemeine Mehrwertsteuersatz in Deutschland nimmt damit im Vergleich zu anderen europäischen Staaten einen Spitzenplatz ein,wie die folgende Abbildung zeigt:

Der allgemeine Mehrwertsteuersatz in Deutschland nimmt damit im Vergleich zu anderen europäischen Staaten einen mittleren Platz ein,wie die folgende Abbildung zeigt:

Der allgemeine Mehrwertsteuersatz in Deutschland nimmt damit im Vergleich zu anderen europäischen Staaten einen hinteren Platz ein,wie die folgende Abbildung zeigt:

Im unmittelbaren Anschluss daran wurden den Befragten drei Fragen gestellt. • Einmal ganz allgemein gesprochen – finden Sie die Beschlüsse der

Großen Koalition zur Mehrwertsteuererhöhung angemessen, teils angemessen, teils aber auch nicht oder unangemessen?

• Und halten Sie die Mehrwertsteuererhöhung für sozial ausgewogen, teils sozial ausgewogen, teils aber auch nicht oder sozial unausgewogen?

• Und sollte die Mehrwertsteuer Ihrer Meinung nach europaweit vereinheitlicht werden – ja oder nein?

25 Thorsten Faas und Harald Schoen

Experiment zur Staatsverschuldung Ein weiteres Thema, über das derzeit viel diskutiert wird, ist die Staatsverschuldung.

Aktuell liegt die Staatsverschuldung bei etwa 1,4 Billionen Euro. Pro Kopf ist damit jeder Deutsche statistisch mit über 17.000 Euro verschuldet.

Vor diesem Hintergrund hat die Große Koalition ein umfassendes Sparpaket - bestehend aus Steuererhöhungen und dem Streichen von Steuervergünstigungen und staatlichen Leistungen - beschlossen. Damit sollen die Staatsfinanzen konsolidiert werden.

Ein weiteres Thema, über das derzeit viel diskutiert wird, ist die Staatsverschuldung.

Die deutsche Staatsverschuldung liegt im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Die Schuldenstandsquote (also das Verhältnis von Staatsverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt) liegt bei etwa 65 Prozent. Zum Vergleich: In Japan liegt die Quote bei über 150 Prozent, in Italien bei 120 Prozent, in den USA ebenfalls bei etwa 65 Prozent.

Dennoch hat die Große Koalition ein umfassendes Sparpaket - bestehend aus Steuererhöhungen und dem Streichen von Steuervergünstigungen und staatlichen Leistungen - beschlossen. Damit sollen die Staatsfinanzen konsolidiert werden.

Ein weiteres Thema, über das derzeit viel diskutiert wird, ist die Staatsverschuldung. Aktuell liegt die Staatsverschuldung bei etwa 1,4 Billionen Euro. Pro Kopf ist damit jeder Deutsche statistisch mit über 17.000 Euro verschuldet. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit im Mittelfeld. Die Schuldenstandsquote (also das Verhältnis von Staatsverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt) liegt bei etwa 65 Prozent. Zum Vergleich: In Japan liegt die Quote bei über 150 Prozent, in Italien bei 120 Prozent, in den USA ebenfalls bei etwa 65 Prozent. Die Große Koalition hat ein umfassendes Sparpaket - bestehend aus Steuererhöhungen sowie dem Streichen von Steuervergünstigungen und staatlichen Leistungen - beschlossen. Damit sollen die Staatsfinanzen konsolidiert werden.

Mehrwertsteuer, Staatsverschuldung, Hartz IV 26

An dieser Stelle gibt es zwei interessierende Folgefragen: • Für wie dringlich halten Sie die Konsolidierung der Staatshaushalte in

Deutschland – sehr dringlich, ziemlich dringlich, mittelmäßig, weniger dringlich oder überhaupt nicht dringlich?

• Finden Sie dieses Vorhaben der Großen Koalition sehr gut, eher gut, teils gut, teils schlecht, eher schlecht oder sehr schlecht?

27 Thorsten Faas und Harald Schoen

Experiment zum Arbeitslosengeld II Die Große Koalition hat unter anderem auch Einsparungen und Einschränkungen bei Empfängern des Arbeitslosengelds II (also Hartz IV) beschlossen. Zur Begründung sagte etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Auch das Geld für Hartz IV muss von den Bürgern erwirtschaftet werden, die jeden Morgen zur Arbeit fahren, den ganzen Tag über arbeiten und somit dafür sorgen, dass Steuern gezahlt werden. Sie haben ein Recht darauf, dass auch andere ihre Verpflichtungen einhalten.“

Die Große Koalition hat unter anderem auch Einsparungen und Einschränkungen bei Empfängern des Arbeitslosengelds II (also Hartz IV) beschlossen. Zur Begründung sagte etwa Vizekanzler Franz Müntefering: „Auch das Geld für Hartz IV muss von den Bürgern erwirtschaftet werden, die jeden Morgen zur Arbeit fahren, den ganzen Tag über arbeiten und somit dafür sorgen, dass Steuern gezahlt werden. Sie haben ein Recht darauf, dass auch andere ihre Verpflichtungen einhalten.“

Die Große Koalition hat unter anderem auch Einsparungen und Einschränkungen bei Empfängern des Arbeitslosengelds II (also Hartz IV) beschlossen. Zur Begründung wurde angeführt, „dass auch das Geld für Hartz IV von den Bürgern erwirtschaftet werden muss, die jeden Morgen zur Arbeit fahren, den ganzen Tag über arbeiten und somit dafür sorgen, dass Steuern gezahlt werden. Sie haben ein Recht darauf, dass auch andere ihre Verpflichtungen einhalten.“

Die Große Koalition hat unter anderem auch Einsparungen und Einschränkungen bei Empfängern des Arbeitslosengelds II (also Hartz IV) beschlossen.

Mehrwertsteuer, Staatsverschuldung, Hartz IV 28

Auch an dieser Stelle gibt es zwei interessierende Folgefragen, wobei die erste allerdings nur für die Bedingungen eins bis drei gestellt wurde, da sie sich explizit auf die dort enthaltene Aussage bezieht:

• Inwieweit stimmen Sie dieser Aussage zu – voll und ganz, eher, teils, teils, eher nicht, überhaupt nicht?

• Wie ist Ihre Meinung dazu: Halten Sie alles in allem Kürzungen auch bei Hartz-IV-Empfängern für angemessen, teils angemessen, teils aber auch nicht oder unangemessen?

29 Thorsten Faas und Harald Schoen

8 Tabellen

Tabelle 1: Teilnehmerzahl und Sozialstruktur nach Fragebogenversion

Version Anteil Teilnehmer

Anteil Männer Mittleres Alter Anteil

Abitur Anteil Ledige

1 16,5 74,8 30,0 75,0 78,3 2 18,2 65,2 31,7 77,4 73,6 3 16,1 65,2 27,8 80,0 78,5 4 14,5 68,6 31,2 70,8 72,7 5 16,6 76,8 29,0 76,3 79,0 6 18,1 77,6 28,9 85,0 83,4 χ2 / F 4,9n,s, 11,6* 1,84n,s, 9,1n,s, 6,6n,s, Signifikanzen: # p<.1, * p<.05, ** p<.01, *** p<.001

Tabelle 2: Zustimmung und Bewertung der Kürzung des Arbeitslosengeldes II Zustimmung zur

Aussage Angemessenheit der

Kürzungen Referenz: Aussage Müntefering b bAussage Merkel -0,282# -0,050 Aussage Große Koalition -0,235# -0,020 Ohne Aussage -0,006 Konstante 0,942*** 0,071 R2 0,007 0,000 N 552 843 # p<.1, * p<.05, ** p<.01, *** p<.001

Tabelle 3: Mehrwertsteuererhöhung

Angemessenheit der Erhöhung

Ausgewogenheit der Erhöhung

Europäische Standardisierung

Referenz: Mittelfeldplatz, ohne Nennung b b b (Logit)

D Spitzenplatz -0,124# -0,106 0,368*

D hinterer Platz -0,096 -0,125# -0,074 erm. Satz genannt -0,018 0,012 -0,183 Konstante -0,195*** -0,281*** 0,025 R2 0,005 0,005 0,008 N 845 845 842 # p<.1, * p<.05, ** p<.01, *** p<.001

Mehrwertsteuer, Staatsverschuldung, Hartz IV 30

Tabelle 4: Staatsverschuldung Dringlichkeit Bewertung Referenz: ohne absolute, mit internationalen Vergleichszahlen

b b

mit absoluten, ohne internationale Vergleichszahlen 0,288*** 0,009 mit absoluten und internationalen Vergleichszahlen 0,221** -0,069 Konstante 0,878*** 0,445*** R2 0,015 0,001 N 842 843 # p<.1, * p<.05, ** p<.01, *** p<.001

Tabelle 5: Zustimmung zu den Begründungen der Kürzung des Arbeitslosengeldes II

Eigene aktuelle Arbeitslosigkeit

Eigene aktuelle

Erwerbs-tätigkeit

Internal Efficacy

Politisches Interesse

Links-Rechts Sozialstaat PI

Union PI SPD

B b b b B b b b

Aussage Merkel -0,237 -0,482* -0,339 -0,342 -0,628* 0,228 -0,492** -0,315#

Aussage Große Koalition -0,259# -0,381* -0,330 -0,571 -0,155 0,346 -0,341* -0,208

Interaktionsvariable * Merkel -0,820 0,619# 0,080 0,106 0,855 -0,899# 1,072* 0,110

Interaktionsvariable * Große Koalition 0,059 0,296 0,136 0,478 -0,205 -1,061* 0,278 -0,112

Interaktionsvariable -0,767 -0,295 -0,407 -0,631 2,152*** -2,137*** 0,411 0,087

Konstante 0,967*** 1,092*** 1,239** 1,390*** 0,027 1,965*** 0,889*** 0,913***

R2 0,030 0,014 0,010 0,014 0,180 0,292 0,078 0,009 N 549 501 551 551 550 550 550 550 # p<.1, * p<.05, ** p<.01, *** p<.001

31 Thorsten Faas und Harald Schoen

Tabelle 6: Angemessenheit der Kürzung des Arbeitslosengeldes II Eigene aktuelle

Arbeitslosigkeit Eigene aktuelle

Erwerbs-tätigkeit

Internal Efficacy

Politisches Interesse

Links-Rechts

Sozialstaat PI Union

PI SPD

b b b b b b b b

Aussage Merkel -0,033 -0,145 -0,310 -0,423 -0,118 0,001 -0,140 0,004

Aussage Große Koalition -0,046 -0,138 -0,377 -0,432# 0,133 -0,016 -0,033 -0,040

Ohne Aussage -0,026 -0,145 -0,622* -0,539* -0,046 0,121 -0,056 0,014

Interaktionsvariable * ohne Aussage -0,224 0,286 0,356 0,532 0,181 -0,011 0,340 -0,174

Interaktionsvariable * Merkel 0,396 0,211 0,490 0,578# -0,372 0,074 -0,204 0,053

Interaktionsvariable * Große Koalition 0,626 0,259 0,842* 0,752* 0,093 -0,238 0,068 -0,079

Interaktionsvariable -0,693# -0,130 -0,348 -0,651* 1,305*** -1,643*** 0,607*** 0,009

Konstante 0,093 0,145 0,325 0,533** -0,484*** 0,858*** -0,007 0,068

R2 0,016 0,006 0,008 0,009 0,145 0,272 0,099 0,003 N 839 770 842 840 839 840 839 839 # p<.1, * p<.05, ** p<.01, *** p<.001

Tabelle 7: Angemessenheit der Mehrwertsteuererhöhung Internal

Efficacy Politisches Interesse

Links-Rechts

Sozialstaat

b b b b

Spitzenplatz 0,139 -0,230 -0,138 0,056

Hinterer Platz 0,587* 0,241 -0,114 -0,153

Ermäßigter Satz genannt -0,047 0,058 0,184 -0,087

Interaktionsvariable * Spitzenplatz -0,368 0,144 0,046 -0,343

Interaktionsvariable * hinterer Platz -0,948** -0,479# 0,070 0,136

Interaktionsvariable * ermäßigter Satz 0,057 -0,080 -0,478* 0,121

Interaktionsvariable 0,695** 0,406# 0,870*** -0,785***

Konstante -0,700*** -0,487** -0,567*** 0,189

R2 0,021 0,018 0,048 0,071 N 843 843 841 841 # p<.1, * p<.05, ** p<.01, *** p<.001

Mehrwertsteuer, Staatsverschuldung, Hartz IV 32

Tabelle 8: Ausgewogenheit der Mehrwertsteuererhöhung Internal

Efficacy Politisches Interesse

Links-Rechts

Sozialstaat

b b b b

Spitzenplatz -0,247 -0,252 -0,054 0,077

Hinterer Platz -0,035 -0,119 -0,046 -0,151

Ermäßigter Satz genannt 0,121 -0,127 -0,042 0,026

Interaktionsvariable * Spitzenplatz 0,187 0,205 -0,120 -0,334

Interaktionsvariable * hinterer Platz -0,135 -0,021 -0,144 0,069

Interaktionsvariable * ermäßigter Satz -0,141 0,218 0,123 -0,037

Interaktionsvariable 0,540* 0,193 1,151*** -1,000***

Konstante -0,671*** -0,418** -0,773*** 0,208#

R2 0,023 0,019 0,113 0,123 N 842 842 840 840 # p<.1, * p<.05, ** p<.01, *** p<.001

Tabelle 9: Europaweite Harmonisierung der Mehrwertsteuer Internal

Efficacy Politisches Interesse

Links-Rechts

Sozialstaat

b b b b

Spitzenplatz 1,462* 0,856# 0,862* 0,254

Hinterer Platz 1,562* 0,852 0,530 -0,170

Ermäßigter Satz genannt -0,128 -0,263 -0,489# 0,005

Interaktionsvariable * Spitzenplatz -1,497# -0,691 -1,124 0,224

Interaktionsvariable * hinterer Platz -2,251** -1,321# -1,391# 0,226

Interaktionsvariable * ermäßigter Satz -0,049 0,157 0,708 -0,426

Interaktionsvariable 1,785** 0,898 0,250 -0,209

Konstante -1,280* -0,612 -0,093 0,128

R2 0,018 0,012 0,013 0,009 N 840 840 838 838 # p<.1, * p<.05, ** p<.01, *** p<.001

33 Thorsten Faas und Harald Schoen

Tabelle 10: Dringlichkeit des Schuldenabbaus Internal

Efficacy Politisches Interesse

Links-Rechts

Sozialstaat Alter

b b B b bmit absoluten, ohne Vergleichszahlen (1) 0,423 0,149 0,368* -0,254 0,449***

mit absoluten und Vergleichszahlen (2) 0,256 0,172 0,363* -0,149 0,344**

Interaktionsvariable * (1) -0,197 0,172 -0,168 1,038** -0,763#

Interaktionsvariable * (2) -0,058 0,062 -0,304 0,676* -0,587

Interaktionsvariable 0,580* 0,310 1,237*** -1,975*** 0,990**

Konstante 0,463* 0,668*** 0,348** 1,880*** 0,663***

R2 0,026 0,025 0,080 0,132 0,028 N 841 839 839 840 830 # p<.1, * p<.05, ** p<.01, *** p<.001

Tabelle 11: Bewertung des Schuldenabbaus Internal

Efficacy Politisches Interesse

Links-Rechts

Sozialstaat Alter

b b b b bmit absoluten, ohne Vergleichszahlen (1) 0,327 -0,222 0,067 -0,349# 0,006

mit absoluten und Vergleichszahlen (2) 0,240 -0,214 -0,109 -0,708*** 0,188

Interaktionsvariable * (1) -0,451 0,295 -0,114 0,645# -0,068

Interaktionsvariable * (2) -0,436 0,191 0,130 1,211** -1,193*

Interaktionsvariable 0,946** 0,387 1,366*** -1,953*** 0,644#

Konstante -0,235 0,181 -0,141 1,446*** 0,318**

R2 0,018 0,017 0,087 0,094 0,012 N 842 840 840 840 830 # p<.1, * p<.05, ** p<.01, *** p<.001