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55 Mario Küßner EIN REICH AUSGESTATTETES GRAB DER GLOCKENBECHERKULTUR VON APFELSTÄDT, LKR. GOTHA – VORBERICHT Einführung Wenige Kilometer nordwestlich von Arnstadt liegt in einem durch die Flüsse Apfelstädt und Gera geprägten hügeligen Gebiet die Fundstellenkonzentration von Apfelstädt. Die Kleinregion zwischen Arnstadt und Gotha ist seit längerem als Altsiedelgebiet mit zahl- reichen Fundplätzen bekannt (z. B. Caemmerer 1956; Müller 1980). Die Fundstellen entlang des Verlaufes der Erdgas- leitung in den Gemarkungen Apfelstädt und Sülzen- brücken (Abb. 1) sind nach Art und Zahl der ur- und früh- geschichtlichen Hinterlassenschaften herausragend. Das Altsiedelgebiet wurde durch die Trasse in Nord- Süd- und Ost-West-Richtung teilweise durchschnitten. Der westlich des Trassenverlaufes und damit der Unter- suchungsflächen gelegene Bereich mit den Ortsfluren Wandersleben und Wechmar wurde am Ende der 70er-Jahre in einer das Gothaer Land betreffenden Arbeit umfassend untersucht und vorgelegt (Müller 1980). Seitdem wurden in besagtem Gebiet zahlreiche Neufunde gemacht. Ein großer Teil geht auf den Bau der Hauptgasleitung Anfang der 90er-Jahre des letz- ten Jahrhunderts zurück ( Jelitzki 1994), andere sind den Aktivitäten ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger zu danken. Abb. 1 Apfelstädt, Lkr. Gotha. Lage der Fundstellen im Trassenverlauf (dunkelblau) südlich und südwestlich von Apfelstädt (hell- blau: spätneolithisches Gräberfeld, gelber Punkt: reich ausgestattetes Grab der Glockenbecherkultur)

Küßner, Mario 2006: Ein reich ausgestattetes Grab der Glockenbecherkultur von Apfelstädt, Lkr. Gotha – Vorbericht. In: Neue Ausgrabungen und Funde in Thüringen 2, 55-62

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Mario Küßner

EIN REICH AUSGESTATTETES GRAB DER GLOCKENBECHERKULTUR VON APFELSTÄDT, LKR. GOTHA – VORBERICHT

Einführung

Wenige Kilometer nordwestlich von Arnstadt liegt in einem durch die Flüsse Apfelstädt und Gera gepräg ten hügeligen Gebiet die Fund stellen kon zen tra tion von Apfel städt. Die Kleinregion zwischen Arnstadt und Gotha ist seit längerem als Altsiedelgebiet mit zahl-reichen Fund plätzen bekannt (z. B. Caemmerer 1956; Müller 1980).

Die Fundstellen entlang des Verlaufes der Erdgas-lei tung in den Gemarkungen Apfelstädt und Sül zen-brücken (Abb. 1) sind nach Art und Zahl der ur- und früh-ges chicht lichen Hinter lassen schaften heraus ragend. Das Altsiedelgebiet wurde durch die Trasse in Nord-

Süd- und Ost-West-Richtung teilweise durchschnitten. Der westlich des Trassenverlaufes und damit der Unter-suchungsfl ächen gelegene Bereich mit den Ortsfl uren Wandersleben und Wechmar wurde am Ende der 70er-Jahre in einer das Gothaer Land betreffenden Arbeit umfassend untersucht und vorgelegt (Müller 1980). Seitdem wurden in besagtem Gebiet zahlreiche Neufunde gemacht. Ein großer Teil geht auf den Bau der Hauptgasleitung Anfang der 90er-Jahre des letz-ten Jahrhunderts zurück ( Jelitzki 1994), andere sind den Aktivitäten ehrenamtlicher Bodendenkmalpfl eger zu danken.

Abb. 1 Apfelstädt, Lkr. Gotha. Lage der Fundstellen im Trassenverlauf (dunkelblau) südlich und südwestlich von Apfelstädt (hell-blau: spätneolithisches Gräberfeld, gelber Punkt: reich ausgestattetes Grab der Glockenbecherkultur)

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Der Bau des STEGAL-Loop stellte nun einen Schnitt durch den östlichen Teil der südlich der Apfelstädt gele-genen Kleinlandschaft dar, südwestlich von Erfurt und nördlich der BAB A4 gelegen.

Die Fundareale, welche in Abbildung 1 darge-stellt sind, erbrachten – in unterschiedlicher Zahl und Qualität – Befunde und Funde aus dem Mesolithikum, der Linien- und Stichbandkeramik, der Bernburger Kultur, der Schnurkeramik, der Glockenbecherkultur, der Aunje titzer Kultur, der Unstrutgruppe, stammen vom Übergang Bronzezeit/frühe Eisenzeit, aus der jün-geren römischen Kaiser zeit und schließlich der Mero-win gerzeit.

Mit 800 m Länge ist die Fundstelle (05/134) das längste als bauvorgreifende Ausgrabung untersuchte geschlos sene Teilstück im östlichen Trassenverlauf. Zu sam men mit den fast bruchlos anschließenden Unter-su chungs fl ächen südwestlich von Apfelstädt (05/133) und der ca. 600 m östlich einsetzenden Fund stelle Sül-zen brü cken (05/137) konnten hier fast zwei Kilo meter Trassenverlauf bauvorgreifend untersucht werden.

Circa 175 m nördlich der BAB A4 liegt in einem Ost-West verlaufenden Trassenabschnitt ein spätneo-lithisches1 Gräberfeld, dessen West-Ost-Ausdehnung mindestens 270 m beträgt. In seiner Nord-Süd-Aus-deh nung konnte es lediglich auf 15 m Trassen- und

Rohr gra benbreite erfasst werden. Berücksichtigt man die Gelände situation, wird sie nicht mehr als ca. 200 m betragen.

Die Fundstelle befi ndet sich im nördlichsten hüge-ligen Vorland des Thüringer Waldes, ca. 1 km südlich der Apfelstädt auf der saalekaltzeitlichen Mittelterrasse dieses Flüsschens und schließt mit nur wenigen Metern Abstand östlich an eine frühneolithische Fundstelle an (vgl. M. Küßner in diesem Heft mit weiteren Angaben zum Naturraum). Im Bereich des Gräberfeldes wechseln Zonen mit Schwemmlößerhaltung über den Apfelstädt-schottern mit solchen, in denen der Pfl ughorizont direkt den Schottern aufl iegt. Im Schotter körper konnte unter den Lößinseln und teilweise darüber hinaus-gehend eine mehrere Zentimeter mächtige Zone mit durch Kalkausfällung zementiertem Schotter beobach-tet werden. Die tieferen Gräber durchschneiden diese sehr harte Zone (vgl. R. Lippmann in diesem Heft).

Im Westen und im Zentrum – bis ca. 60 m westlich des reich ausgestatteten Grabes der Glocken becher-kultur – des untersuchten Gräberfeldbereiches wur-den sieben Einzelgräber aufgefunden, von denen drei sicher der Schnurkeramik zuzuweisen sind. Die anderen vier können vorerst lediglich aufgrund von Lage und Orientierung der Bestatteten und des Kontextes mit der Schnurkeramik in Verbindung gebracht werden. Zu den drei sicheren Gräbern der Schnurkeramik gehört auch das westlichste aufgefundene spätneolithische Grab (Abb. 2; 3). Dieses barg in einer geräu migen und durch

Abb. 2 Plan des westlichen Teiles des spätneolithischen Gräberfeldes

1 Hier soll die bewährte Gliederung des mitteldeutschen Neo li thi-kums nach H. Behrens (1973) beibehalten werden.

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mehrere Brandschichten in der Verfüllung gekenn-zeichneten Grube in großer Tiefe, ca. 2,00 m unter dem heutigen Bodenniveau, die West-Ost orientierte rechte Hockerbestattung eines Mannes. Der aufwän-dige Grabbau verweist zusammen mit den zahlreichen Beigaben (Abb. 4), darunter ein Fischgrätenbecher, eine Amphore, zwei Felsgesteinbeile, eine sorgfältig gearbeitete Feuer stein klinge mit Kratzerretusche, ein kräftiger Knochen pfriem und Reste weiterer Knochen-geräte, auf eine herausgehobene Persön lichkeit, wohl den Anführer der Residenzgruppe. Über der Bestat-tung stand eine Totenhütte in Pfostenbauweise. Öst-lich der Grablege und mit dem Mittelpunkt in der Flucht der Totenhütte konnte ein Kreisgraben mit ca. 11,00 m Innendurchmesser aufgedeckt werden, den der Verfasser, auch aufgrund der beiden dazwischen

liegenden Gruben, in Verbindung mit der Bestattung stellt. Kreisgräben liegen mehrfach in Verbin dung mit Bestattungen der Schnurkeramik mit Fisch gräten-becher beigabe vor (Schunke 2000). Der einzige Befund im Inneren des hier vorliegenden Kreisgrabens ist eine Grube, welche unter anderem einen Klopf- bzw. Hammerstein und einen zerbrochenen Knochenmeißel enthielt.

Im östlichen Teil des Kreisgrabens (Abb. 2) fand sich eine in den teilweise verfüllten Graben eingetiefte Bestattung. Die Person wurde Nord-Süd orientiert, in gestreckter Rückenlage beigesetzt und mit einem Steinschutz versehen. Beigaben waren nicht vorhan-den. Der Verfasser sieht eine Datierung in die Bronzezeit oder in die frühe Eisenzeit als wahrscheinlich an.

Nur sechs Meter östlich des Kreisgrabens kam eine Ost-West orientierte Bestattung in linker Hocklage zu Tage (Abb. 2; 5). Nach erster anthropologischer Ansprache2 handelt es sich um eine Frau. Das Inventar (Abb. 6), besteht aus einer Füßchenschale, einem Becher und zwei Bechernäpfen, teilweise mit deutlich

Abb. 3 Grab der Schnurkeramik mit Totenhütte und Kreis-graben

Abb. 6 Beigaben eines Frauengrabes der Schnurkeramik

Abb. 4 Beigaben des Männergrabes der Schnurkeramik unter der Totenhütte

Abb. 5 Schnurkeramische Bestattung einer Frau mit Muschelschmuck

2 Die anthropologische Untersuchung wurde durch Frau Sabine Birkenbeil, TLDA, durchgeführt, der an dieser Stelle herzlich gedankt sei.

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abgesetztem Standfuß, einer Amphore und zahlrei-chen Scheibenperlen sowie zwei verzierten und durch-bohrten Klappen der Flussperlmuschel (Abb. 7), drei durchbohrten Tierzähnen sowie einer Silexklinge und einem Pfriem.

des Gräberfeldes verteilt eine Anzahl von undatierten Befunden sowie Befunden anderer Zeitstellung.

Abb. 7 Verzierte und durchbohrte Klappe einer Fluss perl-muschel aus einem Frauengrab der Schnurkeramik

0 2 cm

Der Glockenbecherkultur gehören insgesamt fünf Ein zel gräber an, wobei vier Gräber eine Grab gruppe bil-den. Zu diesen Bestattungen und dem reich ausgestat-teten Grab liegen schon detailliertere anthropologische Anga ben vor (vgl. S. Birkenbeil in diesem Heft).

Zunächst ist ein Männergrab, ein linker Hocker in regelhafter Nord-Süd-Orientierung (Abb. 8) mit ei ner bemer kens wer ten Aus stattung aus einem un ver zier-ten Glo cken becher, einer klei nen Arm schutz platte, drei Pfeil spitzen, einem Feuer stein ab schlag und einer retu-schierten Porphyrklinge zu nennen. Außer gewöhnlich ist die Beigabe einer knöchernen Pet schaft kopf nadel, welche unter den wenigen Nadel funden der Glocken-becher kultur in Mittel deutschland (Hille 2005) keine Parallelen hat und wohl eher in den Süd osten ver-weist.

Direkt südlich des beschriebenen Grabes fand sich die beigabenlose, Süd-Nord orientierte Grablege einer Frau in rechter Hocklage. Westlich an dieses Grab schlossen sich in Form einer Reihe zwei Kindergräber an. Es handelt sich um Nord-Süd orientierte linke Hocker. Das westlicher gelegene ältere Kind war mit einem kleinen unverzierten Gefäß ausgestattet, welches an den Übergang zwischen Bechernäpfen und echten Glockenbechern gehört. Die Fürsorge für das kleinere, beigabenlose Kind unterstreicht eine Deckplatte, wel-che tatsächlich wie eine Decke unter Freilassung des Schädelbereiches niedergelegt worden ist. Im von den Gräbern gebildeten Winkel konnte eine kleine Grube dokumentierte werden, die wohl zur Aufnahme einer Grabmarkierung diente. Neben den spätneoli-thischen Gräbern fand sich über das gesamte Areal

Abb. 8 Grab eines Mannes der Glockenbecherkultur

Das reich ausgestattete Grab der Glockenbecherkultur

Die östlichste Grablege der spätneolithischen Kulturen lag im Abstand von ca. 75 m im Osten der soeben bespro chenen Grabgruppe der Glockenbecherkultur. Es handelt sich um ein Holzkammergrab mit reicher Beigabenausstattung (Abb. 9; 10). Zu diesen Beigaben zählen auch die ältesten Edelmetallfunde Thürin gens, zwei Lockenringe aus Elektron.3 Diese Stücke gehören

3 Bei Elektron handelt es sich um eine auch natürlich vorkom-mende Legierung aus Gold und Silber. In diesem Falle weisen etwa 7 % Kupfer auf eine intentionelle Legierung hin. Gold macht über die Hälfte der Masse, Silber ca. 40 % aus. Die Bestim-mung führte Dr. O. Mecking, Archäometrielabor TLDA, durch.

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Abb. 10 Das Grab während der Freilegung

Abb. 9 Das reich ausgestattetes Grab eines Mannes der Glockenbecherkultur (Planum)

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zu den ältesten Edelmetallfunden Mittel deutschlands und sind der erste Nach weis von Locken ringen mit schildförmig ausgetriebener Platte in Deutschland.

Im Baggerplanum lag eine an nä h er nd rechteckige, Nordwest-Südost aus gerich tete Ver fär bung von etwa 1,50 m Länge und 1,20 m Breite vor. Nord östlich vor-gelagert befand sich eine weitere, wesentlich klei-nere, unregelmäßig ovale und fl ache Ver fär bung. Die kleine Grube hat wahr scheinlich zur Aufnahme einer Grabmarkierung gedient.

Die Grabgrube selbst war scharf abgegrenzt. Ihre Tiefe unter der heutigen Geländeoberfl äche betrug ungefähr 0,80 m. In den Ecken fanden sich Hinweise auf Einbauten, während die Längswände eingedrückt waren. Der Bestattete war in regulärer Manier der Glo-cken becherkultur als Nord-Süd orientierter linker Hocker mit Blick nach Osten niedergelegt. Dabei erlaubte es die Orien tierung der Kammer, den Toten bei begrenztem Innenraum in genauer Nord-Süd-Lage zu bestatten.

Hinter dem Rücken des Bestatteten stand ein Glo-cken becher. Ein weiterer großer Becher befand sich im Osten der Grabgrube in Knienähe. Beide Gefäße zeig-ten durch das Abklappen ihrer Oberteile nach außen einen ehemaligen Hohlraum, die kleine Holzkammer, an. Eine Armschutzplatte und ein Schaber lagen öst-lich des Beckens, eine Feuersteinklinge unter der rech-ten Beckenschaufel. Die Pfeilspitzen fanden sich im Westen (nur ca. 10 cm westlich der rechten Ferse). Alle Spitzen wiesen nach Süden, eine Aufbewahrung im Köcher ist anzunehmen. Die Lockenringe lagen im Brustbereich der Bestattung. Ein Exemplar konnte durch M. Gosch in situ erkannt werden, der zweite wurde später durch W. Walther mittels eines hochemp-fi ndlichen Detektors im Aushub aus dem Brustbereich aufgefunden. Der sicherlich beigegebene Bogen hat im vorliegenden wasserzügigen Mineralboden natur-gemäß keine Spuren hinterlassen. Nach der Arm- und Handhaltung könnte der Bestattete den Bogen gehal-ten haben.

Das Inventar im Einzelnen (Abb. 11; 12)

1. Lockenring: in eineinhalb Windungen gelegter Band draht, eine Windung als Draht, nach fl ießendem Übergang eine halbe Windung zu einem Schild aus-gehämmert, darauf randparallel (außer im Über gang zum Draht) zwei von innen getriebene Punz reihen, im sich ergebenden Raum von den Enden ein spit-zer Winkel aus Einfachpunzen, daran anschließend Doppelpunzreihe und symmetrisch zum unteren Winkel ein stumpfer Winkel aus einer Doppelpunz-reihe, Spirale vom Schild linkslaufendMaterial: ElektronFarbe: helles Goldgelb

Durchmesser: 1,63 bis 1,64 cmabgerollte Länge: 8,8 cmLänge Schild (eingebogen): 1,58 cmBreite Draht: 0,19 cmDicke Draht: 0,04 cmBreite Schild: 1,09 cmMasse: 0,91 gInventarnummer: 05/134-2

2. Lockenring: wie der erste Ring, aber axialsymme-trisch zu diesem, Spirale vom Schild rechtslaufend Material: ElektronFarbe: helles GoldgelbDurchmesser: 1,60 bis 1,68 cmabgerollte Länge: 8,9 cmLänge Schild (eingebogen): 1,62 cmBreite Draht: 0,19 cmDicke Draht: 0,04 cmBreite Schild: 1,08 cmMasse: 0,96 gInventarnummer: 05/134-20

3. Glockenbecher (Böhmischer Becher): mit eingewölb-tem Boden, Umbruch relativ tief, Rand abgestrichen (Höhe: 16,7 cm)Verzierung: auf den freien Zonen rote glänzende Reste (Bema lung?), in den eingestempelten Verzierungen Reste weißer Kalkinkrustation, Zonenverzierung (von oben, alle Zonen mit einfacher Kammstempellinie von-einander getrennt): Zickzack band – Leerzone – Sand uhr/Rauten band – Leer-zone – Zickzackband – Leer zone – Sanduhr/Rau ten-band – Leer zone – Zick zack band – Leer zone – waage-rechtes voll gefülltes Band – Leer zone – waage rechtes, voll gefüll tes Band – Band mit gegenständiger senk-rechter Kommaverzierung – Rau ten band, auf die Stand-fl äche grei fend

Abb. 11 Die Lockenringe aus dem reich ausgestatteten Grab der Glockenbecherkultur

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4. Becher: sehr großes becherartiges Gefäß, Boden nicht abgesetzt, eingewölbt, Wandung geschweift, abge stri-chener Rand, teilweise relativ grobe Steingrus mage rung, dünnwandig (Höhe: ca. 25,0 cm)Verzierung: direkt unter dem Rand eine waagerechte dichte Einstichreihe, auch darunter liegende zweite Reihe deutlich erkennbar, nach unten Aufl ösung der Reihen und fl ächendeckende Einstichzier in ungefähr gleichen Abständen bis ca. 5,0 cm über dem Boden

5. Armschutzplatte: grüngraue, leicht gewölbte Arm-schutzplatte mit schwach (ca. 0,1 cm) einziehenden Lang seiten und einer in der Bohrung alt ausgebroche-nen Ecke, leichte alte Beschädigungen rundum, vier Durch boh rungen, alle ursprünglich doppelkonisch (Kie-sel schiefer?)

6. sorgfältig gleichmäßig rund dorsal retuschierter Schaber an Abschlag (Feuerstein)

7. mediales Klingenfragment mit beidseitiger Lateral- und beidseitiger Endretusche (Feuerstein)

8. gestielte trianguläre Pfeilspitze (Feuerstein)

9., 10. trianguläre Pfeilspitzen mit trapezförmig einge-zogener Basis (Feuerstein)

11., 12. trianguläre Pfeilspitze mit konkav eingezoge-ner Basis (Feuerstein)

Mit dem in der kleinen Holzkammer Bestatteten ca. 35–50-jährigen Mann (Abb. 13), welcher bei guter Kons ti-tution war und schwere Verletzungen gut überstanden hatte (vgl. S. Birkenbeil in diesem Heft), tritt uns eine sozial hochstehende Persönlichkeit gegenüber. Der Böhmische Becher weist eindeutig in den Südosten, dasselbe gilt für den Grabbau. In Mitteldeutschland liegen bisher nur wenige Nachweise für Holzschreine bzw. -kammern vor (Hille 2005). In noch stärkerem Maße gilt dies für die beiden Lockenringe. Ihr mit-teleuropäisches Verbreitungsgebiet ist Mähren und Böhmen, Einzelstücke liegen auch aus Österreich und der Schweiz vor (Hásek 1989; Heyd 2000). In Mittel-deutschland kennen wir lediglich einen gesicherten Fund platz mit Goldplättchen der Glockenbecherkultur (Campen 2004).

Für eine frühe Zeitstellung in der mitteldeutschen Glock en becherkultur sprechen neben der Machart und Verzierung des Glockenbechers und der gestielten Pfeilspitze auch die Lockenringe.

Eine erste 14C-Datierung an einer Knochen probe4 des Bestatteten ergab gegenüber dem oben gemach-ten Zeitansatz eine leicht jüngere Zeitstellung (s. u.).

Abb. 12 Teile des Inventars des reich ausgestatteten Grabes der Glockenbecherkultur

Abb. 13 Gesichtsrekonstruktion nach dem Schädelbefund des Bestatteten (ausgeführt im Landeskriminalamt Thüringen)

4 Die 14C-Datierungen wurden am Leibniz-Labor für Alter tums-bestimmung und Isotopenforschung der Christian-Albrechts-Universität Kiel durchgeführt.

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Zusätz lich liegt auch eine Datierung für das west-lichste aufgefundene Grab des Gräber feldes, das Männer grab der Schnurkeramik unter der Totenhütte, vor.

Grab Glockenbecherkultur: KIA27869: Menschenknochen, 3825±30 BP, δ13C -22,43 ± 0,24

Grab Schnurkeramik: KIA30215: Menschenknochen4030 ± 30 BP, δ13C -19,02 ± 0,18

Die Ergebnisse der Kalibration beider Daten mit CalPal5 lassen darauf schließen, dass das Gräberfeld min destens zwischen dem 26. und 23. vorchristlichen Jahrhundert belegt war (Abb. 14).

Ob zwischen den Bestattungen der Schnurkeramik und der Glocken becherkultur ein zeitlicher Hiatus liegt, kann noch nicht entschieden werden. Laufende und geplante Untersuchungen, darunter auch weitere naturwissenschaftliche Datierungen, werden dazu und zur Klärung weiterer offener Fragen beitragen.

Abb. 14 Kalibrierte 14C-Daten vom spätneolithischen Gräberfeld

Literatur

Behrens, H. 1973: Die Jungsteinzeit im Mittelelbe-Saale-Gebiet. (Veröff. Landesmus. Vor gesch. Halle 27). Berlin.

Caemmerer, E. 1956: Vor- und Frühgeschichte Arn-stadts und seiner weiteren Umgebung bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts. (Beitr. z. mittelalterlichen, neueren u. allgemeinen Gesch. 26). Jena.

Campen, I. 2004: Unscheinbar, aber bedeutsam. In: Archaeo 1, 27–28. Dresden.

Hásek, I. 1989: Die ältesten Gold- und Silberfunde Mit-tel europas. In: Das Äneolithikum und die früheste Bronzezeit (C14 3000–2000 b. c.) in Mittel europa: kulturelle und chronologische Beziehungen. (Acta des XIV. Internationalen Symposiums Prag-Liblice 20.–24. 10. 1986, Praehistorica XV). 49–54. Prag.

Heyd, V. 2000: Die Spätkupferzeit in Süddeutschland. Untersuchungen zur Chronologie von der ausge-henden Mittelkupferzeit bis zum Beginn der Früh-bronzezeit im süddeutschen Donau einzugsgebiet

5 © Universität Köln 2001, www.calpal.de

und den benachbarten Regionen bei besonderer Berücksichtigung der keramischen Funde. (Saar-brücker Beitr. Altkde. 73). Bonn.

Hille, A. 2005: Die Glockenbecherkultur in Mittel-deutschland. (Unveröff. Diss., Martin-Luther-Uni-versität Halle-Wittenberg). Halle.

Jelitzki, F. 1994: Neufunde an der Erdgasleitung Hessen-Thüringen in Mittelthüringen. In: Ausgr. u. Funde 39, 221–229. Berlin.

Müller, D. W. 1980: Die ur- und frühgeschichtliche Besiedlung des Gothaer Landes: naturräumli-che Voraussetzungen und Kulturenfolge. In: Alt-Thüringen 17, 19–180. Weimar.

Schunke, T. 2000: Die keramischen Funde aus dem Bereich des Grabenwerkes der Aunjetitzer Kultur im Braunkohlentagebau Zwenkau-West, Ldkr. Leip-ziger Land. (Unveröff. Mag.-Arb., Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg). Halle.