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Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens Neue Folge Sabine von Heusinger JOHANNES MULBERG OP († 1414) Ein Leben im Spannungsfeld von Dominikanerobservanz und Beginenstreit

Johannes Muhlberg OP ( gest. 1414)

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Quellen und Forschungen zurGeschichte des Dominikanerordens Neue Folge

Sabine von Heusinger

JOHANNESMULBERG OP(† 1414)

Ein Leben im Spannungsfeld vonDominikanerobservanz und Beginenstreit

Sabine von Heusinger

JOHANNESMULBERG OP(† 1414)

Ein Leben im Spannungsfeld vonDominikanerobservanz und Beginenstreit

Abbildung 1: Johannes Mulbergs Grabstein in der Kirche des Zisterzienserklosters Maulbronn

Für Klaus und Judith

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung stellt meine Dissertation dar, die im Dezember 1996von der Philosophischen Fakultät der Universität Konstanz angenommenen wurde.Für die Drucklegung wurde der Text überarbeitet und gestrafft. Zwischenzeitlicherschienene Literatur wurde bis 1999 in Auswahl berücksichtigt.

Ich freue mich, an dieser Stelle allen danken zu können, die meine Arbeit auf ganzunterschiedliche Art unterstützt und gefördert haben. An erster Stelle danke ichHerrn Prof. Dr. Alexander Patschovsky (Konstanz) für die Betreuung der Arbeitund anregende Diskussionen; Herrn Prof. Dr. Helmut Maurer (Konstanz) für dieErstellung des Zweitgutachtens. P. Dr. Walter Senner OP (Köln / Rom) danke ichvor allem für die Betreuung der Edition des lateinischen Textes. Mein besondererDank gilt Herrn Dr. Bernhard Neidiger (Stuttgart), der mich immer großzügig anseinem Kenntnisreichtum teilhaben ließ und die vorliegende Arbeit mit nieerlahmendem Interesse unterstütze. Frau Renata Egli-Gerber (Kreuzlingen)begleitete mich durch das anfängliche Dickicht von Mulbergs Traktat.Entscheidende Hinweise zur Edition des lateinischen Textes ließen mir Herr Prof.Dr. Arno Borst (Konstanz) und zur Edition des deutschen Textes Herr Dr.Wolfram Schneider-Lastin (Zürich) zukommen. P. Prof. Dr. Isnard W. Frank OP(Wien) bewahrte mich vor manchem Irrtum. Herr Dr. Stefan von der Lahr(München) gab mir wertvolle Ratschläge zur Textgestaltung. Besonders herzlichmöchte ich meinem Mann für die aufwendige Erstellung der Druckvorlagedanken. Mit kritischem Interesse verfolgten Frau Dr. Brigitte Degler-Spengler(Basel) und Frau Dr. Martina Wehrli-Johns (Zürich) das Entstehen der Arbeit.Allen sei ganz herzlich gedankt. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern derbenutzten Archive und Bibliotheken möchte ich ebenfalls für ihre Hilfe sowie derStudienstiftung des deutschen Volkes für ein Promotionsstipendium danken. Lastbut not least gilt mein Dank den Freundinnen und Freunden in Konstanz, Kasselund Zürich für Beistand und konstruktive Kritik.

Ich danke den Herausgebern für die Aufnahme meiner Arbeit in ihre Reihe undder Dominikaner-Ordensprovinz Teutonia für die Finanzierung der Drucklegung.

Konstanz, August 2000 Sabine von Heusinger

Inhalt

I. Einleitung . ................................................................................................................. 1

II. Herkunft und Ausbildung von Johannes Mulberg .......................................... 5

III. Die Dominikanerobservanz ................................................................................ 11

1. Einführung ....................................................................................................... 11

2. Die Reform der Ordensprovinz Teutonia ................................................. 192.1. Colmar ..................................................................................................... 192.2. Das Provinzkapitel in Speyer ............................................................. 242.3. Würzburg ................................................................................................ 252.4. Nürnberg ................................................................................................. 262.5. Schönensteinbach .................................................................................. 29

3. Das Scheitern der frühen Observanz ......................................................... 31

IV. Der Basler Beginenstreit ..................................................................................... 39

1. Überblick zum Beginen- und Begardentum ............................................. 39

2. Der Ausbruch der Streitigkeiten ................................................................. 47

3. Basel in den Jahren 1405-1410 ................................................................... 523.1. Mulbergs Predigt und die Inquisition ............................................... 523.2. Der Beginenstreit als Rechtsstreit ...................................................... 55

4. Der Ratswechsel von 1410 ........................................................................... 664.1. Der Rat bis 1409 ................................................................................... 664.2. Der Ratswechsel .................................................................................... 68

5. Das Ende des Beginenstreits ........................................................................ 725.1. Die letzte Vertreibung .......................................................................... 725.2. Die wiederholte Enteignung der Beginen ....................................... 80

6. Ein Vergleich mit den Nachbarstädten ...................................................... 83

7. Fazit ................................................................................................................... 89

x Inhalt

V. Johannes Mulbergs letztes Lebensjahr ............................................................ 91

1. Sein Sterben ..................................................................................................... 91

2. Sein Nachwirken in der Mirakelliteratur ................................................... 96

VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger ..................................................... 99

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos ........................................... 991.1. Inhalt ........................................................................................................ 991.2. Methode ............................................................................................... 1061.3. Fazit ....................................................................................................... 113

2. Ausblick auf die Predigten ......................................................................... 116

VII. Zusammenfassung .............................................................................................. 119

VIII. English Summary ............................................................................................... 121

IX. Edition .................................................................................................................... 125

1. Schriften zum Basler Beginenstreit ......................................................... 1251.1. Überlieferung und Textgestaltung .................................................. 1251.2. Übersichtsschema zur Überlieferung und

Abkürzungsverzeichnis ..................................................................... 1291.3. Posicio Ruo dolfi Buchsmann OFM .................................................. 1311.4. Einleitung zum Traktat ..................................................................... 1331.5. Tractatus contra Beginas et Beghardos ........................................ 1351.6. Postskript ............................................................................................. 1731.7. Fragment der sog. „Wucherpedigt“ .............................................. 174

2. Bericht über Mulbergs Sterben ................................................................ 1752.1. Überlieferung und Textgestaltung .................................................. 1752.2. Brief von Konrad Schlatter ............................................................. 176

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................. 183

Verzeichnis der ungedruckten Quellen ...................................................................... 185

Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur ................................................ 187

Register ............................................................................................................................. 197

I. Einleitung

Die Biographie einer einzelnen Person in den Mittelpunkt einer Untersuchung zustellen, galt lange Zeit als methodischer Anachronismus. Dennoch fällt auf, daß inden letzten Jahren vermehrt Arbeiten erschienen sind, die am Beispiel einer zuvorkaum beachteten Persönlichkeit komplexe strukturgeschichtliche Phänomeneuntersuchen.1 Dies ist auch das Erkenntnisziel der vorliegenden Arbeit. In ihremMittelpunkt steht der Dominikaner Johannes Mulberg, dessen Lebenslauf sowohlvon der Reformbewegung innerhalt seines Ordens – der Dominikanerobservanz –als auch vom Basler Beginenstreit zu Beginn des 15. Jhs. bestimmt wurde. DasGroße Abendländische Schisma und das Streben nach einer Kirchenreformprägten nicht nur seine Zeit, sondern auch sein Leben. Eine Untersuchung der VitaMulbergs verspricht daher ein tieferes Verständnis ausgewählter Aspekte, die dieZeit um die Wende zum 15. Jh. prägten. Das Wissen über das Leben JohannesMulbergs beschränkte sich bislang im wesentlichen auf jene Jahre, in denen er indie Auseinandersetzung um das Beginen- und Begardentum eingriff. Obwohl seinkompromißloses Auftreten ihm den sowohl dauer- als auch zweifelhaften Ruhmeines fanatischen Beginengegners eingetragen hat, blieben die Beweggründe fürsein Handeln im dunkeln. Diese lassen sich aber erhellen, sobald MulbergsVorgehen vor dem Hintergrund der Armutsdiskussion betrachtet wird, dieinnerhalb des Dominikanerordens zwischen Observanten und Konventualen seitEnde des 14. Jhs. ausgetragen wurde. Folglich liegt in dieser Studie einer derSchwerpunkte auf der Darstellung und Analyse der zentralen Rolle, die JohannesMulberg als einer der Dominikanerobservanten „der ersten Stunde“ in derReformbewegung seines Ordens einnahm. Darüber hinaus sollen in diesemZusammenhang verschiedene Faktoren, die zum Scheitern der frühen

1 Zum Beispiel REINLE, Christine: Ulrich Riederer (ca. 1406-1462). Gelehrter Rat im DiensteKaiser Friedrichs III. Mannheim 1993; RUHRBERG, Christine: Der literarische Körper derHeiligen: Leben und Viten der Christina von Stommeln (1242-1312). Tübingen 1995; TöNSING,Michael: Johannes Malkaw aus Preußen (ca. 1360-1416). Studien und Quellen zu einem Streitfür die römische Obödienz während des Großen Abendländischen Schismas. Konstanz, Diss.1995 (Microfiche); MORSE, Victoria: A Complex Terrain: Church, Society, and the Individual inthe Works of Opicino de Canistris (1296-ca.1354). Berkeley / CA, Diss. 1996. Davon ist derAnsatz der Psychohistorie abzugrenzen, wie er z.B. im Sammelband von RöCKELEIN, Hedwig(Hrsg.): Biographie als Geschichte. Tübingen 1993, vorgestellt wird.

2 I. Einleitung

Dominikanerobservanz führten, diskutiert werden. Einen weiteren Schwerpunktbildet die Untersuchung des Basler Beginenstreits. Hier gilt es, die Chronologie derEreignisse mit Hilfe neuer Quellen zu berichtigen und Mulbergs Stellung im Ablaufder Auseinandersetzungen zu bestimmen. Als Erklärungsmodell für den erneutenAusbruch der Streitigkeiten im Jahr 1411 in Basel werden innerstädtischeMachtkämpfe vorgestellt. Die Frage, ob die Vertreibung der Beginen aus Baselund der streitbare Mulberg Einzelphänomene waren, soll ein Vergleich mit denNachbarstädten beantworten.

Mulbergs Angriff auf die Beginen, niedergeschrieben in seinem Tractatuscontra Beginas et Beghardos, ist in mehreren Handschriften überliefert. Diesezentrale und vielzitierte Schrift gegen Beginen und Begarden wird nun erstmalssystematisch inhaltlich und formal ausgewertet und ediert. Sie läßt Aussagen überden Wissensstand und den geistigen Horizont eines Dominikaners zu, der keinehöheren akademischen Grade erworben hatte, aber dennoch seinen Zeitgenossenals überragender Prediger galt. Die letzten Lebenstage von Johannes Mulberg hieltsein Mitbruder Konrad Schlatter in einem Brief fest, der ebenfalls vorgestellt,ausgewertet und ediert wird. Mulbergs Sterben und Tod waren noch einmal vonden Themen geprägt, die seine Zeit und sein Leben geprägt hatten: das GroßeSchisma bis zum Konstanzer Konzil und die Reform seines Ordens.

Johannes Mulberg war schon mehrfach Gegenstand der Forschung. Bereits 1790erwähnte Johann Lorenz Mosheim den Basler Dominikaner wiederholt in seinemWerk über Beginen und Begarden. Im Jahr 1830 sammelte Gustav Hänel dengrößten Teil der Handschriften, die unter dem Namen Mulbergs überliefert sind.2Eine Kurzbiographie wollte Willy Boehm im vorigen Jahrhundert verfassen,behandelte dann aber nur den Beginenstreit. Seit Ende des 19. Jhs. machteHermann Haupt mehrfach auf Johannes Mulberg und seine Streitschrift gegen dieBeginen aufmerksam. Dabei betonte er dessen Rolle im Basler Streit und seinWirken als Prediger. Die bis dahin bekannten Handschriften, die Werke Mulbergsenthalten, stellte Thomas Kaeppeli in seinem Nachschlagewerk zu dominikanischenAutoren zusammen. Dem Traktat Mulbergs widmete sich bereits Jean-ClaudeSchmitt, seiner Wucherpredigt wandte sich Hans-Jörg Gilomen zu. Mulbergs Rolleim Beginenstreit untersuchten eingehender sowohl Georg Boner, der bis dahinunbekanntes Quellenmaterial auswertete, als auch zuletzt Bernhard Neidiger undKurt Ruh in ihrem gemeinsamen Beitrag im Verfasserlexikon, der den bislangfundiertesten Überblick zu Mulberg gab und die Überlieferung seinesGesamtwerkes vorstellte.

Basierend auf Handschriften, die hauptsächlich aus dem Staatsarchiv Basel und

2 HäNEL, Gustav: Catalogi librorum manuscriptorum, qui in bibliothecis Galliae, Helvetiae,Belgii, Britanniae M., Hispaniae, Lusitaniae asservantur. Leipzig 1830, Sp. 637. Zur folgendenLiteratur vgl. das Literaturverzeichnis und die ausführlichen Besprechungen in den betreffendenAbschnitten.

I. Einleitung 3

den Bibliotheken in Basel, Aarau, Colmar, München, Leipzig, Esslingen undNürnberg stammen, wird im folgenden zunächst die Biographie JohannesMulbergs rekonstruiert, die zuvor weitgehend unbekannt war. Anschließend wirdseine Tätigkeit als Autor und Prediger untersucht. Im Anhang wird MulbergsTraktat als Lesetext ediert sowie ein Fragment einer Wucherpredigt und einBericht über seinen Tod. Der Quellen- und Forschungsstand zu den einzelnenThemenbereichen wird im jeweiligen Abschnitt dargestellt. Im Gegensatz zu denfrüheren Untersuchungen soll nun erstmals die Vita Mulbergs im Hinblick aufderen soziale, mentale und politische Rahmenbedingungen vorgestellt werden. SeinLebenslauf und sein Werk werden als exemplarisch angesehen: in seinerBiographie spiegeln sich weitreichende Fragen und Konflikte seiner Epochewieder.

4 I. Einleitung

II. Herkunft und Ausbildung vonJohannes Mulberg

Johannes Mulberg war ein eifriger Prediger, ein überzeugter Ordensreformer undein unbeugsamer Gegner der Beginen, wie umfangreich erhaltene Textzeugnissebelegen. Kein einziger Hinweis auf seine Geburt nach 1350 und seine Herkunft ausBasel sind jedoch von ihm selbst überliefert.1 Die wenigen und zugleich wichtigstenAngaben stammen von seinem Ordensbruder Johannes Nider, der ihn persönlichkannte und sich selbst als Weggefährten Mulbergs, socius itineris, bezeichnet hat.2Im Formicarius berichtet Nider, Mulberg sei Sohn eines Basler Schuhmachersgewesen und gemeinsam mit zwei Schwestern, Adelheid und Katharina, aufge-wachsen.3 Nach dem Tod des Vaters habe Mulberg die Familie bis ungefähr zum20. Lebensjahr als Schuster ernährt und sei dann von einem frommen Mann zurSchule geschickt worden, was ihm den Spott seiner Mitschüler eingebracht habe.4Seine Ausbildung habe er in Basel und Prag erhalten und sei nach seiner Rückkehraus Prag, inzwischen als Ordensmitglied, in den Colmarer Konvent gekommen.5Es gibt keinen Grund, den Bericht Niders zu bezweifeln, denn er kann durch

1 Sein Geburtsdatum lag wohl in der zweiten Hälfte des 14. Jhs.; es gibt kein Ereignis in seinenersten Lebensjahrzehnten, das sich einer bestimmten Jahreszahl zuordnen ließe.2 NIDER, Formicarius, lib. 2, cap. 1 (= S. 58f.); zu Niders Schriften siehe BRAND, hier bes. S.33-39. Zum Formicarius siehe BAILEY, S. 174-213; ebd., S. 22, geht er davon aus, daßJohannes Mulberg in den Jahren 1404/05, als er in Straßburg predigte, von Nider begleitet wurdeund deshalb socius itineris genannt wurde; dies ist aber eine reine Hypothese, die sich nichtbelegen läßt. Vgl. auch Abschnitt III 2.1, bes. Anm. 55.3 Der Name „Mulberg“ könnte sowohl von der Ortschaft Maulburg in der Nähe von Lörrach alsauch von den Orten Mühlberg im Ortenaukreis oder im Elsaß bei Mulhouse abgeleitet wordensein.4 Auch der Basler Münsterkaplan Nikolaus Gerung, genannt Blauenstein, nahm in den Ergän-zungen zu seinen Flores Temporum um 1475 den Hinweis auf, daß Mulberg als Schuhmachertätig gewesen sei, in: BASLER CHRONIKEN 7, S. 82f. (= MONE 2, S. 151). In seiner Einleitungwies AUGUST BERNOULLI, ebd., S. 36, einschränkend darauf hin, daß Blauenstein in denAbschnitten, welche die Zeit vor 1450 behandeln, „in einzelnen Fällen sich in der Zeit irrt undauch sonst nicht immer genau unterrichtet ist.“5 Dazu Abschnitt III 2.1.

6 II. Herkunft und Ausbildung von Johannes Mulberg

Basler Quellen ergänzt werden.6 Im Jahr 1373 erwähnen die größeren BaslerAnnalen, die allerdings erst im 16. Jh. entstanden sind, einen SchuhmacherMulberg.7 Die Witwe des Schuhmachers Mulberg, Bürgi, ließ im Jahr 1374 vordem Schultheissengericht die Vormundschaft für sich und ihre beiden TöchterKatharina und Elschi neu regeln.8 Bei ihnen handelt es sich wahrscheinlich umMulbergs Mutter und zwei seiner Schwestern. Eine der Schwestern Mulbergs trugzweifelsfrei den Namen Elschi oder Elß, wie aus einem Bericht zu erfahren ist, densie nach dem Tod ihres Bruders Johannes in Auftrag gab.9 Nider berichteteaußerdem von den beiden ihm persönlich bekannten Schwestern, Katharina seifrüh verstorben, Adelheid hingegen lebe gegenwärtig, also bei der Niederschriftdes Formicarius um 1435, im Alter von mehr als neunzig Jahren immer noch inunversehrter Jungfräulichkeit.10 Eine Adelheid de Mulberg, mulier Basileensis,läßt sich in den vatikanischen Registern zwischen den Einträgen zu JohannesMulberg finden. Sie bat im Jahr 1411 Papst Gregor XII., in der Stunde ihres Todeseinen Beichtvater frei wählen zu dürfen.11 Johannes Mulberg hatte wohl währendseines Aufenthaltes an der Kurie des römischen Papstes um diese Vergünstigungfür seine Schwester gebeten. War Adelheid 1435 laut Nider ungefähr neunzig, sowar sie demnach 1411 weit über sechzig – durchaus ein Alter, in dem Gedankenüber das Seelenheil in der Todesstunde nahe lagen. Es ist folglich anzunehmen, daßJohannes Mulberg mindestens drei Schwestern hatte, Katharina, Adelheid und Elß.

Bisher wurde davon ausgegangen, daß Johannes Mulberg um 1370 in denOrden eintrat und 1381 den Titel eines Bakkalars in Prag erwarb.12 Im PragerRektorbuch wird bei den Bakkalaren des Jahres 1381 ein „Johannes Mulberg“aufgeführt, jedoch ohne weitere Angaben. Zwei Jahre zuvor, am 26. August 1379,

6 Bereits für 1346 ist Elsi, die Witwe Bertschins von Mulberg, in Kleinbasel belegt, BASEL

STA, Mar. Magd. UK 127.7 BASLER CHRONIKEN 6, S. 259.8 BASEL STA, Kartause UK 27; vgl. auch BONER, BZGA 34, S. 113f., Anm. 21.9 Dazu Abschnitt V 1 und Edition in Abschnitt IX 2.10 NIDER, Formicarius, lib. 2, cap. 1 (= S. 58f.); die gleichlautende Passage zur SchwesterMulbergs von MEYER, Liber, S. 58 (= MONE, Quellensammlung 2, S. 158) stammt wörtlichvon NIDER; inhaltlich ebenso auf NIDER basierend: STEILL, Friedrich: Ephemerides dominicano-sacrae. Dillingen 1691.11 VAT. REG. 337, fol. 221v-222r; REP. GER. 2,1, Sp. 1334; dieser Eintrag steht zwischen deneinzelnen Vollmachten, die Johannes Mulberg von Gregor XII. erhielt; siehe Abschnitt IV 5.1.12 Diese Ansicht wurde wiederholt vertreten, so z.B. von KAEPPELI, Scriptores 2, S. 490f.;NEIDIGER, Mulberg, basierend auf dem Eintrag im Rektorbuch in: MONUMENTA HISTORICA

UNIVERSITATIS CAROLO-FERDINANDEAE PRAGENSIS. 3 Bde., Prag 1830, hier Bd. 1,1, S.198f. Allgemein zum Universitätsstudium siehe RüEGG; in diesem Band sind besonders vonInteresse LEFF, Gordon: Die artes liberales, S. 279-301, ASZTALOS, Monika: Die theologischeFakultät, S. 380-383; siehe auch PATSCHOVSKY, Alexander / RABE, Horst (Hrsg.): Die Univer-sität in Alteuropa. Konstanz 1994.

II. Herkunft und Ausbildung von Johannes Mulberg 7

hatte Vincentius dictus Nydek de Gorlicz kurz vor seinem Tod eine Pfründe amWenzelsaltar in der Kirche St. Stephan in der Prager Neustadt gestiftet.13 DiesePfründe sollte vom jeweils amtierenden Rektor der Artistenfakultät an einenStudenten vergeben werden, ihr erster Inhaber sollte Johannes de Mulberg,presbyter Missnensis diocesis werden. Vinzenz Nydek muß ein vermögenderMann gewesen sein, wie sein wenige Tage zuvor verfaßtes Testament offenbart.Darin bestimmte er nicht nur die größte Summe für die Prager Altarpfründe,sondern bedachte auch die Kirchen St. Nikolaus und Hl. Kreuz in Görlitz sowieeine Reihe von Görlitzer Bürgern. Als Testamentsvollstrecker setzte er Johannesde Mulwerg, presbyterum Missynensis diocesis presentem, und Nikolaus de Gubin,Pleban von St. Stephan, ein.14 Vinzenz Nydek verstarb in den folgenden Jahren,denn 1383 ließ sich derselbe Johannes de Mulberg die rechtmäßige Einrichtungder Pfründe notariell beglaubigen, während er noch Student in Prag war.15

Es ist unwahrscheinlich, daß Vinzenz Nydek aus Görlitz einen Unbekannten zuseinem Testamentsvollstrecker bestimmt und ihn mit den Einkünften einer Pfründebedacht hätte. Da er aus der Meißner Diözese kam, in der auch Johannes deMulberg als Priester tätig war und die in direkter Nachbarschaft zum PragerBistum lag, ist es wahrscheinlich, daß sie sich aus ihrem Heimatbistum schon vorder Studienzeit in Prag kannten. Johannes de Mulberg war vermutlich auch in derMeißner Diözese geboren, denn zu ihr zählten die Ortschaften Mühlberg beiAuerbach und Mühlberg bei Schwarzenberg.16 Die Wahrscheinlichkeit, daß einKleriker mit dem sehr verbreiteten Vornamen Johannes, der aus einem der beidenOrte stammte, um 1380 in Prag studierte, ist recht groß. Da sich weder vor 1380noch im weiteren Leben des Basler Dominikaners Johannes Mulberg irgendeineVerbindung zur Diözese Meißen oder der Dominikanerprovinz Saxonia herstellenläßt, handelt es sich allem Anschein nach bei dem testamentarisch bedachtenPrager Studenten Mulberg um eine andere Person, nämlich um einen sächsischenWeltgeistlichen.17 Die Frage, ob es sich bei dem Studenten, der den Grad des

13 MONUMENTA HISTORICA UNIVERSITATIS, a.a.O., Bd. 2, S. 261f. (Nr. 13). Trotz Kenntnisdieser und der folgenden Quellen mit dem Zusatz Missnensis diocesis stellt TRíSKA, Josef:Repertorium biographicum universitatis Pragensis praehussiticae, 1348-1409. Prag 1981, S.281, die Identität Mulbergs nicht in Frage; er wiederholt nur wortwörtlich KAEPPELI, Scriptores2, S. 490-493. Vgl. auch KAVKA, Frantisek (Hrsg.): Dfjeny univerzity Karlovy 1348-1990,bisher 2 Bde., Prag 1995ff., hier Bd. 1, bearb. v. Michal Svatos, S. 79f. An dieser Stellemöchte ich den Herren Prof. Dr. Ivan Hlavácek, Dr. habil. Miroslaw Polívka und Dr. MichalSvatos (Prag) für ihre Hinweise danken.

14 MONUMENTA HISTORICA UNIVERSITATIS, a.a.O., Bd. 2, S. 256-260 (Nr. 12).

15 BOROVY, Klement (Hrsg.): Libiri erectionum Archidioecesis Pragensis saeculo XIV. et XV.2 Bde., Prag 1875-1878, hier Bd. 2, S. 204f. (Nr. 349).

16 BLASCHKE, Karlheinz: Historisches Ortsverzeichnis von Sachsen. Leipzig 1957, S. 275,361.

17 Ein Domkanoniker Martinus de Mulberch ist in Meißen für 1227, Okt. 18, nachzuweisen,

8 II. Herkunft und Ausbildung von Johannes Mulberg

Bakkalars erwarb, um den aus Basel oder aus der Diözese Meißen stammendenJohannes (de) Mulberg gehandelt hat, muß leider offen bleiben.

Prag hatte seit Ausbruch des Schismas als Studienort für die Dominikaner eineganz besondere Bedeutung: ein Studium in Paris war für die Brüder der römischenObödienz nicht mehr möglich.18 Deshalb gab es unter dem Prager ErzbischofJohannes von Jenstein seit 1381 Bestrebungen, Prag an die Stelle des PariserStudiums zu setzten. Der Generalmagister der römischen Obödienz desDominikanerordens, Raimund von Capua, hielt sich als päpstlicher Gesandter 1383in Prag auf und übertrug dem Prager Ordensstudium die Privilegien, die zuvorParis vorbehalten waren.19 Das Prager Ordensstudium mußte seine Sonderstellungaber bereits einige Jahre später an Bologna abtreten. Seit den frühen achtzigerJahren hatte Raimund ordensintern eine reformfreundliche Haltung eingenommen.

Mulberg war also – wie Nider berichtet hat – erst nach seiner Studienzeit inBasel und Prag in den Orden eingetreten und ging danach an das Generalstudiumund nach Colmar. Im Jahr 1391 hatte er das Amt des Cursors im ColmarerKonvent inne.20 Dies setzt eine ordensinterne Ausbildung voraus, deren Dauernicht genau bestimmt werden kann.21 Sie qualifizierte ihn für die Predigt, das

siehe CODEX DIPLOMATICUS SAXONIAE REGIAE. Bd. 2,1: Hochstift Meißen. Leipzig 1864, S.95f. (Nr. 103); ein Meißner Vikar Friedehelmus de Mulberg erscheint in den Urkunden von1351, Juni 2, ebd., S. 380 (Nr. 458); 1355, Febr. 24, ebd., S. 416f. (Nr. 483); 1356, März 30,ebd., S. 422f. (Nr. 489).

18 Das Studium des Dominikanerkonvents St. Klemens in Prag war 1347 anläßlich derGründung der Prager Universität zum Generalstudium erhoben worden, dazu MOPH 4, S. 319;KOUDELKA, Vladimir J.: Zur Geschichte der böhmischen Dominikanerprovinz im Mittelalter. In:AFP 25 (1955), S. 75-99; 26 (1956), S. 127-160; 27 (1957), S. 39-119, hier Bd. 26, S. 139;DERS.: Raimund, S. 209-213. Zum Studiengang an einem Generalstudium vgl. auch LöHR,Kölner Dominikanerschule, S. 16-20. Vgl. zum Folgenden auch FRANK, Hausstudium, S. 72-74.

19 Zu Raimund von Capua vgl. Abschnitt III 1. Vgl. ELM, Kaspar: Die Franziskanerobservanzals Bildungsreform. In: Boockmann, Hartmut / Moeller, Bernd / Stackman, Karl (Hrsg.):Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Göttingen 1989, S.201-213, zum Bestreben der Observanten, Ordensstudien zu reformieren oder neu zu gründen.

20 REICHERT, Registrum, S. 13 (1391 Juni 7) (= KAEPPELI, Registrum, S. 138, Nr. T 145);REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 95. Zum Amt des Cursors siehe FRANK, Hausstudium,S. 160f.

21 Zur Ausbildung der Dominikaner siehe FRANK, Hausstudium, bes. S. 157-168; DERS.: ZurStudienorganisation, S. 39-69. DERS.: Die Bettelordensstudia im Gefüge des spätmittel-alterlichen Universitätswesens. Stuttgart 1988. Zur Rolle, die das Studium innerhalb desDominikanerordens spielte, ist immer noch grundlegend: DENIFLE, Heinrich: Die Constitutionendes Prediger-Ordens vom Jahre 1228. In: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittel-alters 1 (1885), S. 165-227, bes. S. 184-193; CONSTITUTIONES ANTIQUE ORDINIS FRATRUM

PREDICATORUM. In: Thomas, Antoninus H. (Hrsg.): De oudste Constituties van de Domini-

II. Herkunft und Ausbildung von Johannes Mulberg 9

Beichte-Hören und das Lehramt des Cursors. Es ist denkbar, daß Mulberg bereitswährend seiner Studienzeit in Kontakt mit Raimund von Capua und dessen Ideeeiner Ordensreform kam und durch diese Begegnung angeregt wurde, in denDominikanerorden einzutreten.

canen. Leuven 1965, S. 309-369. Vgl. auch LöHR, Gabriel Maria: Die Dominikaner an dendeutschen Universitäten am Ende des Mittelalters. In: Mélanges Mandonnet. Bd. 2, Paris 1930(Bibliothèque Tomiste 14), S. 403-435; DERS.: Die Kölner Dominikanerschule; HINNEBUSCH 2,S. 3-98. In den vatikanischen Registern lautet die Anrede für Mulberg: Gregorius etc., dilectofilio Johanni Mulderch, ordinis fratrum predicatorum professori, cappellano nostro (VAT. REG.337, fol. 220r, 220v, 225r, 225v, 227r); die Ergänzung „professori“ bedeutet nicht, daß er einenProfessorentitel trug, der aufgrund seiner fehlenden Universitätslaufbahn auch unerklärlich wäre,sondern drückt aus, daß er nach dem Ordensgelübde der Dominikaner lebte. Diesen Zusatz trägtsogar sein Grabstein, vgl. dazu Abschnitt V 1. Zur Übersetzung: GLOSSARIUM MEDIAE ET

INFIMAE LATINITATIS. Begr. v. Charles Du Fresne Du Cange, neubearb. v. Léopold Favre. 10Bde., Niort 1883-1887, hier Bd. 6, S. 525; GLOSSARIUM MEDIAE LATINITATIS SUECIAE.Stockholm 1968ff., hier Bd. 2, S. 228. Diese Hinweise und eine ausführliche Erläuterungerteilte freundlicherweise Prof. Dr. Peter Stotz (Zürich), dem ich an dieser Stelle herzlich dankenmöchte. Eine Parallelstelle läßt sich auch in einem Schreiben von Bonifaz IX. von 1391 finden:Conradum de Prussia eiusdem Ordinis professorem, in: CORMIER, S. 54-56 (§ 7) (1391 JAN.9).

10 II. Herkunft und Ausbildung von Johannes Mulberg

III. Die Dominikanerobservanz

1. Einführung

Seit der Mitte des 14. Jhs. gab es eine breite Strömung, die die Mehrzahl derreligiösen Orden erfaßte und die als „Ordensreform“ oder „Observanz“bezeichnet wird.1 Neben der postulierten Rückbesinnung auf die Zeit der

1 Zum Problem des Reformbegriffs siehe HELMRATH, Johannes: Theorie und Praxis derKirchenreform im Spätmittelalter. In: RottJbKG 11 (1992), S. 41-70, hier S. 48-50, 65; zumGegensatz observant-konventual NEIDIGER, Observanzbewegungen. Zum Begriff reformatio inder Zeit nach dem Konstanzer Konzil vgl. HAMM, Berndt: Von der spätmittelalterlichen„reformatio“ zur Reformation: der Prozeß normativer Zentrierung von Religion und Gesellschaftin Deutschland. In: Archiv für Reformationsgeschichte 84 (1993), S. 7-82; DERS.: NormativeZentrierung im 15. und 16. Jahrhundert: Beobachtungen zu Religiosität, Theologie und Ikono-logie. In: ZHF 26 (1999), S. 163-202.

Bisher fand die Dominikanerobservanz in der Forschung recht wenig Beachtung; einen erstenÜberblick über die Amtszeit Raimunds, sein Engagement für die Reform sowie Auszüge ausseinem Register legte 1907 Daniel Antonin MORTIER vor, dessen Arbeit vornehmlich aufDIETLERs „Chronik des Klosters Schönensteinbach“ basierte, da das Werk Meyers damals nochunzugänglich war, dazu Anm. 16. Benedikt Maria REICHERT machte mit seinen immer nochgrundlegenden Editionen die weitere Erforschung der Geschichte des Dominikanerordens in derTeutonia erst möglich, so z.B. die Editionen: Akten der Provinzkapitel der Dominikanerordens-provinz Teutonia aus den Jahren 1398, 1400, 1401, 1402 (1897); Acta capitulorum generalium(= MOPH 3, 4, 8 (1898-1900)); Registrum litterarum Raimundi Capuani (1911); alsHerausgeber von MEYER, Iohannes: Buch der Reformacio (1908/09); und weitere Arbeiten wie:Zur Geschichte RQ 10 (1896); 14 (1900); 15 (1901). Kürzere Untersuchungen und weitere Edi-tionen steuerten in den folgenden Jahrzehnten Gabriel Maria LöHR, Teutonia, Heribert ChristianSCHEEBEN, Chronica brevis, und Paulus VON LOë, Liber de viris illustribus, bei. Nicht alleZusammenfassungen des Forschungsstandes zum Thema, die Annette BARTHELMé vorlegte,sind zuverlässig. Einen Überblick für das 15. Jh. mit Schwerpunkt Württemberg strebte anMETZGER, Gerhard: Der Dominikanerorden in Württemberg am Ausgang des Mittelalters. In:Blätter für württembergische Kirchengeschichte 46 (1942), S. 4-60; 47 (1943), S. 1-20, hierbes. Bd. 46, S. 15-28. Den Versuch einer Gesamtdarstellung der Reform- und Observanzbewe-gungen seit der Mitte des 14. Jhs. nahm erst der 1989 von Kaspar ELM zu „Reformbemühungenund Observanzbestrebungen“ herausgegebene Sammelband in Angriff, der die jahrzehntelangisolierte Erforschung der einzelnen Orden und Regionen überwand und einer Synthese zuführte.Neben dem wegweisenden Überblick von ELM und zahllosen grundlegenden Aufsätzen zuTeilgebieten sind in diesem Sammelband besonders die Arbeiten von NEIDIGER, Bernhard:

12 III. Die Dominikanerobservanz

Ordensgründer waren die Zunahme an Neugründungen von Konventen undOrden – wie dem der hl. Birgitta – und von Bruderschaften – wie der vomGemeinsamen Leben – sowie die Erschließung von neuen geographischenRäumen mit einem Schwerpunkt im Osten ein Ergebnis der spätmittelalterlichenReformbewegungen.2 Den Anhängern der Observanz standen die Konventualengegenüber; Dieter Mertens wies auf eine „Okkupation des Reform- und Obser-vanzbegriffs seitens des organisierten Observantentums“ hin, der aus demGegensatz von reformierten und nicht-reformierten Ordensmitgliedern entstandenwar und wiederholt zu einer Instrumentalisierung des Reformbegriffs auf Seitender Observanten führte. Dies konnte im Extremfall darin gipfeln, daß dieObservanz mit moralischer Überlegenheit gleichsetzt wurde.3

Seit Ausbruch des Schismas war der Dominikanerorden in zwei Obödienzengespalten und die einzelnen Konvente unterstanden entweder einem urbanistischenoder einem clementistischen Generalmagister.4 Die Konvente der OrdensprovinzTeutonia gehörten zum größten Teil dem römischen Zweig an. Das Ziel derObservanten war die Rückkehr zur ursprünglich strengen Praxis der Regel undKonstitutionen, desiderant reduci ad primam formam observantiae regularis.5 Die

Stadtregiment und Klosterreform in Basel, S. 539-567, und HILLENBRAND, Eugen: Die Obser-vantenbewegung in der deutschen Ordensprovinz der Dominikaner, S. 219-272, für die folgen-den Ausführungen von Bedeutung. Vgl. auch den wichtigen Sammelband zur Reform inRottJbKG 11 (1992). Vergleichend zu den Augustinereremiten siehe auch WEINBRENNER,Ralph: Klosterreform im 15. Jh. zwischen Ideal und Praxis: Der Augustinereremit AndreasProles (1429-1503) und die privilegierte Observanz. Tübingen 1996. Dieter STIEVERMANN

(1989) untersuchte besonders die Kirchenherrschaft der Territorialherren unter Berücksichtigungvon personen- und sozialgeschichtlichen Fragestellungen mit einem Schwerpunkt ab der Mittedes 15. Jhs.; er strebte aber keine ordens- und kirchengeschichtliche Untersuchung an, ebd. bes.S. 9. Am Beispiel des Basler Konvents stellte Franz EGGER die späte Dominikanerobservanz darund ergänzte die bekannten Quellen durch die Analyse der Chronik des Johannes von Mainz zurReform des Konvents. Eine Gesamtdarstellung der Dominikanerobservanz von den frühestenAnfängen, die vermutlich bis in die Mitte des 14. Jhs. zurückreichen, bis zu ihrem Ende istimmer noch ein Desiderat.

2 Darauf weist ELM, Reformbemühungen, S. 10-18, eindrücklich und beispielreich hin. Vgl.auch DERS., Verfall, bes. S. 219f., 230f.

3 MERTENS, Monastische Reformbewegungen, S. 168f.; wichtig ist auch sein Hinweis auf S.181, die Forschung habe diese Kategorien meist ungeprüft übernommen und die Konventualennur am Rande behandelt.

4 Vgl. REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 79f.

5 CORMIER, S. 54; dazu Anm. 20. Siehe auch REICHERT, Akten, bes. S. 291. WALZ, S. 65. Inden Worten MEYERs, Buch QF 3, S. 4: den orden zuo halten ... nach aller volkomhait der regelund constitucion, als man in dem anvang des ordens lebt. Ebenso DIETLER, S. 171: „(...) siebegerten von hertzen, daß man in allen provintzien die observantz halten thete, als wie esgeschechen bei denen zeiten des Heiligen vatters Dominici und seeligen vatters Jordani ...“ InPrag entstand um das Jahr 1389 die Reformschrift des Dominikaners Heinrich von Bitterfeld, De

1. Einführung 13

alten Vorschriften umfaßten Fragen des Habits, der Liturgie, die genaueEinhaltung der Fastenvorschriften und eine Regelung des ordensinternenDispenswesens. Am Ende des Mittelalters forderten die Observanten eine erneuteDiskussion über die Umsetzung des Armutsideals.6 Seit dem 14. Jh. durften dieDominikaner, wie auch die anderen Bettelorden, Jahrzeitstiftungen und Besitzannehmen und damit über feste Zinseinkünfte verfügen, die sie elemosine perpetuenannten. Solche festen Einkünfte wurden von einzelnen Observanten abgelehnt.7Diese Haltung stieß jedoch bei den Konventualen auf schärfsten Widerstand, da sieihre bisherige Lebensführung in wichtigen Bereichen angegriffen sahen. Siebefürchteten insbesondere eine Verarmung der Konvente oder sogar den Verlustihres persönlichen Besitzes.

Während im Franziskanerorden einzelne Konvente die Reforminitiativeergriffen, ging bei den Dominikanern der Anstoß zur Observanz von einzelnenBrüdern aus.8 Die Observanzbewegung innerhalb der Teutonia läßt sich in zweiPhasen einteilen. Die erste Phase begann mit dem Wiener Generalkapitel anPfingsten 1388 und endete 1402 mit der Absetzung der Vikare für die Observanzdurch Bonifaz IX.9 Danach trat eine Pause ein, die sich bis zur Wiedervereinigung

formatione et reformatione ordinis Praedicatorum, der Professor der Theologie an der PragerUniversität war. Darin griff er den sog. Sittenverfall und die Simonie an und nahm einegemäßigte Postition in der Armutsfrage ein, im Gegensatz zu Konrad von Preußen und JohannesDominici; dazu KOUDELKA, Heinrich, S. 20-29, 62-65. Am Beispiel des apostolischen Idealszeigt LEFF, Gordon: The Apostolic Ideal in Later Medieval Ecclesiology. In: Journal of Theo-logical Studies 18 (1967) 58-82, wie während des Mittelalters eine neue Dimension in daspolitische Denken Eingang fand, „and with it, not for the last time, the demand for a return to thepast became a programme of action for the future.“ Zum unablässig vorgebrachten Vorwurf desSittenverfalls des Klerus und dem Fehlen der Belege in den Quellen äußerte sich bereits am An-fang unseres Jahrhunders LöHR, Joseph: Methodisch-kritische Beiträge zur Geschichte der Sitt-lichkeit des Klerus besonders der Erzdiözese Köln am Ausgang des Mittelalters, Münster 1910.Zu den gängigen, vagen Erklärungsmodellen des „Verfalls“ vgl. ELM, Verfall, S. 200-202.

6 Zum Folgenden siehe NEIDIGER, Selbstverständnis, S. 68-70; DERS.: Liegenschaftsbesitz, S.104-107, 113-117; LöHR, Mendikantenarmut. Zu den methodischen Problemen, „Armut“ alsGröße zu definieren, um „den Stellenwert monastischer Armut und Besitzentsagung zu bestim-men und damit den Grad asketischer Leistungen bewerten zu können“, siehe ELM, Verfall, S.203f. Allgemein zum Begriff der Armut mit weiterführender Literatur siehe OEXLE; vgl. auchAbschnitt VI 1.1, bes. Anm. 22.

7 Vgl. Abschnitt III 3.

8 Vgl. NYHUS, Paul L.: The Observant Reform Movement in Southern Germany. In: FranciscanStudies 32 (1972), S. 154-167.

9 Die oftmals nur fragmentarisch überlieferten Akten der Generalkapitel wurden ediert in MOPH8; die Provinzkapitel bei FINKE, Heinrich: Zur Geschichte der deutschen Dominikaner im XIII.und XIV. Jahrhundert. In: RQ 8 (1894), S. 367-392; REICHERT, Akten, S. 288-331; KAEPPELI,Thomas: Kapitelsakten der Dominikanerprovinz Teutonia (1346). In: AFP 23 (1953), S. 327-334; DERS.: Kapitelsakten der Dominikanerprovinz Teutonia (1349, 1407). In: AFP 22 (1952),

14 III. Die Dominikanerobservanz

der beiden Obödienzen des Ordens nach dem Konstanzer Konzil im Jahr 1418erstreckte. Die zweite Phase umfaßte die Zeit von 1418 bis zum Jahr 1475, als dieTeutonia offiziell für observant erklärt wurde.10 Der erste Reformversuch in dieserzweiten Phase wurde in Bern 1419 unternommen, ein weiterer im Steinenklosterzu Basel im Jahr 1423.11 Die vorliegende Studie konzentriert sich auf die erstePhase der Observanz, da Johannes Mulberg bereits 1414 verstarb. Seit Beginn desSchismas stand Raimund von Capua der römischen Obödienz als Generalmagistervor.12 Bereits in den ersten Jahren seiner Amtsausübung begann Raimund, füreinzelne Konvente Vikare zu ernennen, die den Gedanken der Ordensreform

S. 187-195; DERS.: Kapitelsakten der Dominikanerprovinz Teutonia (c. 1365-71). In: AFP 26(1956), S. 314-319; DERS.: Fragmentum Actorum Cap. Gen. a. 1372. In: AFP 6 (1936), S.383-386. Siehe auch Abschnitt III 3.

10 Im Gegensatz dazu die Unterteilung bei HILLENBRAND, S. 225-239, der die erste Phase von1388 bis 1426, die zweite Phase von 1426 bis 1475 annimmt. Dadurch muß er die Reform vonBern und des Basler Frauenklosters zur ersten Phase zählen, obwohl sich die „Rahmenbedin-gungen“ grundlegend geändert hatten. MERTENS, Monastische Reformbewegungen, S. 170f.,bezeichnet die erste Phase, die er für die Zeit vom späten 14. Jh. bis zum Basler Konzil ansetzt,als „ordensgeschichtliche Sattelzeit“, die parallel mit der Pest, dem Schisma, den Bußpredigernund Wyclifs Fundamentalkritik an den Orden einzuordnen sei. ELM, Verfall, S. 204-207, faßtdie „Rahmenbedingungen“ für den Verfall des Ordenswesens ganz allgemein wie folgtzusammen: die „Fiskalisierung und Juridifizierung des Papsttums“ durch das Schisma; dieKonsolidierung des modernen Staates und der Territorialherrschaft und die damit verbundenenkriegerischen Auseinandersetzungen; „biologische Imponderabilien“ wie Seuchen; heftigeAuseinandersetzungen durch den Streit um die Obödienz im Schisma innerhalb der Orden unddas zunehmend von Korruption gekennzeichnete Provisionswesen der päpstlichen Kurien.

11 Dazu HILLENBRAND, S. 232, 271 (mit dem Druckfehler „1491“ statt „1419“); ERDIN, EmilA.: Das Kloster der Reuerinnen Sancta Maria Magdalena an den Steinen zu Basel von denAnfängen bis zur Reformation (ca. 1230-1529). Freiburg / CH 1956, S. 49-59; WACKER-NAGEL, Geschichte 2,2, S. 810-813, 166*; EGGER, S. 20f.

12 Er hatte das Amt von 1380 bis zu seinem Tod 1399 inne, dazu MEYER, Buch QF 3, S. 7f.;DERS., Chronica, S. 69f.; DERS., Liber, S. 56f., 70f.; DIETLER, S. 172f.; VAN REE, A. P.:Raymond de Capoue, éléments biographiques. In: AFP 33 (1963), S. 159-241; KAEPPELI,Scriptores 3, S. 288-290; KOUDELKA, Raimund, S. 206-226; MORTIER 3, S. 491-686; COR-MIER, Hyacinthe-Marie: Le bienheureux Raymond de Capoue. 2. Aufl. Rom 1902; WILLIAMS-KRAPP, Werner: „Raimund von Capua“. In: VL 6, Sp. 982-986 mit weiteren Literaturangaben;RAFFIN, Pierre: „Raymond de Capoue“. In: Dict. Spir. 13, Sp. 167-171; siehe auchMEERSSEMAN, Gérard G.: Etudes sur l’ordre des Frêres Prêcheurs au début du Grand Schisme.In: AFP 25 (1955) 213-257; 26 (1956) 192-248; 27 (1957) 168-199, bes. S. 188-194; undALCE. Zum Folgenden vgl. auch WALZ, bes. S. 65-75. Die Briefregister Raimunds sind fürseine gesamte Amtszeit erhalten; die für die Ordensprovinz Teutonia relevanten Einträge edierte1911 REICHERT, Registrum; eine Gesamtedition erfolgte 1937 durch KAEPPELI, Registrum;bereits 1895 gab CORMIER eine Reihe von Briefen und kürzeren Schriften Raimunds heraus undkommentiert sie.

1. Einführung 15

verbreiten sollten.13 In den Jahren zwischen 1384 und 1387 hatte er längereVisitationsreisen durch die Ordensprovinz Teutonia unternommen, bei denen ervermutlich den reformeifrigen Dominikaner Konrad von Preußen kennenlernte.14

Als Beginn der Reformbewegung gilt das Generalkapitel im Jahr 1388 in Wien.15

Der Chronist des Predigerordens Johannes Meyer berichtet, daß Konrad vonPreußen die Regel und Konstitutionen des Ordens studiert und sie anschließendmit der Lebenspraxis im Orden verglichen habe.16 Dabei sei ihm aufgefallen, daß

13 CORMIER, S. 156. Zu den verschiedenen Ämtern, die mit dem Begriff „Vikar“ bezeichnetwurden, siehe REICHERT, Zur Geschichte RQ 15, S. 124f.; Regesten zu Amtsinhabern, ebd., S.130-132. KOUDELKA, Heinrich, S. 16-20; ebd. S. 18 eine Liste mit den Reformvikaren der Jahr1389/90.

14 CORMIER, S. 156-158; VAN REE, a.a.O., S. 194-198. Zum Leben und Wirken Konrads gibtes keine Monographie. Zu seiner Person vgl. bes. MEYER, Chronica, S. 78f.; DERS., Liber, S.57f.; VON LOë, S. 35f.; REICHERT, Registrum, S. 4, 1388 Aug. 22: Konrad wird Vikar mitGeneralvollmacht im Berner Konvent (= KAEPPELI, Registrum, S. 128, Nr. T 35); siehe auchEßER, Ambrosius O.P.: „Konrad de Grossis“. In: NDB 12, S. 540; GIERATHS, Gundolf:„Konrad von Preußen“. In: LThK, 2. Aufl. Bd. 6, Sp. 470. Von Konrad ist bisher keine Schriftbekannt, vermutlich verfaßte er nichts; dem Urteil von BARTHELMé, daß er zwar fromm, aberüberhaupt nicht intellektuell war, ist zuzustimmen: „il jouissait d’une certaine notoriété tout enn’étant aucunement apparenté à la caste intellectuelle.“ (ebd., S. 26).

15 Die Akten der unter Raimund gehaltenen, vorangegangenen Generalkapitel von Bologna imJahr 1380, wo Raimund gewählt wurde, sowie in den Jahren 1382 in Buda und 1385 in Veronasind verloren, vgl. dazu MOPH 8, S. 92, Anm. 1; vom Wiener Generalkapitel ist zumindest einFragment überliefert, siehe ebd., S. 92; zur Datierung VON LOë, S. 35. Zum Folgenden vgl.HILLENBRAND, S. 262; MERTENS, Monastische Reformbewegungen, S. 163-165; BAILEY, S.30-37.

16 MEYER war selbst ein begeisterter Anhänger der Reformbewegung der Dominikaner undwidmete ihr alle seine Schriften, die in vielen Fällen die ältesten und einzigen Quelle zurObservanz darstellen. Um 1422 in Zürich geboren, trat er dort 1432 dem Predigerorden bei; 1442wechselte er aus Begeisterung für die Observanz in den reformierten Basler Konvent; vgl. dieEinleitung von REICHERT, in: MEYER, Buch QF 2, S. III-XI; ALBERT, Peter: Johannes Meyer,ein oberdeutscher Chronist des 15. Jahrhunderts. In: ZGO 52 (1898), S. 253-263; 60 (1906), S.504-510; ein Verzeichnis seiner Schriften bei KAEPPELI, Scriptores 2, S. 476-480; sowieKöNIG, J.: Die Chronik der Anna von Munzingen. In: FDA 13 (1880), S. 129-236, hier Beilage1: Die Schriften des Johannes Meyer, S. 194-210; FECHTER, Werner: „Meyer, Johannes“. In:VL 6, Sp. 474-489; EGGER, S. 25-31; WILLIAMS-KRAPP, Frauenmystik, S. 303-307. NEIDI-GER, Armutsbegriff, S. 156f., zeigt, daß Meyer ganz subtil die strenge Form der Armut, wie siein der ersten Phase der Observanz unter Raimund von Capua und Konrad von Preußenpropagiert wurde, lobte und die Praxis in der zweiten Phase kritisierte; vgl. auch DERS.,Selbstverständnis, S. 68. Sein Leben lang kränkelnd, wirkte Meyer fast ausschließlich alsBeichtvater in Frauenklöstern und verstarb 1485 im Schwesternkonvent Adelshausen beiFreiburg, wo er auch begraben wurde. Er war bei einer Reihe von Konventen in der Teutonia ander Einführung der Observanz beteiligt, so z.B. 1465 bei den Dominikanerinnen in Freiburg und1474 beim Brüderkonvent in Frankfurt, dazu VON LOë, in: MEYER, Liber, S. 1f.; ALBERT,a.a.O., S. 504-510; EGGER, S. 26f.; NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 131-135. Das Buch der

16 III. Die Dominikanerobservanz

sie nichts mehr miteinander zu tun hätten. Dies habe ihn zu einem aufsehen-erregenden Auftritt während der Ordensversammlung veranlaßt. Wie bei jedemKapitel, so bekannten Prioren und Brüder auch in Wien öffentlich ihre Über-tretungen der Konstitutionen. Als Konrad an die Reihe kam, sei er mit einem umden Hals gebundenen Strick vor seine Mitbrüder getreten und habe seineübergroße Schuld offenbart: Er sei des Todes würdig und wünsche aufgehängt zuwerden, da er gegen die Regeln des Heiligen Predigerordens verstoßen habe.

Er hatte seine Mitbrüder richtig eingeschätzt: Seine anklagenden Worteerreichten, daz manig andechtig hertz bewegt ward, und das Kapitel beschloß, ihmund seinen reformeifrigen Mitstreitern einen Konvent anzuvertrauen, in dem sieungestört ein observantes Leben beginnen könnten.17 Konrads „Coup“ muß gutüberlegt und vorbereitet gewesen sein; mit seiner Aktion hatte er so erfolgreich an

Reformacio Predigerordens vollendete MEYER 1468 und ergänzte es bis zum Jahr 1475; es stelltsein wichtigstes Werk zur Dominikanerobservanz dar und basiert zum Teil auf Gesprächen mitOrdensbrüdern, die an der Reform persönlich beteiligt waren, vor allem mit Johannes von Mainzund Johannes Nider, sowie auf Archivalien und literarischen Vorarbeiten, dazu MEYER, BuchQF 3, S. 26-31; DERS., Liber, S. 59f.; LöHR, Teutonia, S. 74-78 (Nr. 13) (alle drei basieren lt.EGGER, S. 230, auf den Viten des Johannes von Mainz); eine ergänzende Visitationsordnung beiLöHR, Teutonia, S. 66-69 (Nr. 9). Vgl. auch FECHTER, Werner: Die Nürnberger Handschriftenvon Johannes Meyers „Buch der Reformacio“. In: ZfdA 110 (1981), S. 57-69; DERS.: „Meyer,Johannes“. In: VL 6, Sp. 474-489. Das Buch wurde in den folgenden Jahrhunderten alsStoffsammlung benutzt und z.T. wörtlich zitiert, z.B. im 17. Jh. von DOMINICUS RANCKEN-DALL und im 18. Jh. von SERAPHIN DIETLER, der Urkundentexte beifügte. Beide waren wieMeyer Beichtväter in Schönensteinbach und veröffentlichten ihre Bearbeitungen unter dem Titel„Chronik des Klosters Schönensteinbach“; DIETLERs Werk wurde von J. V. SCHLUMBERGER

im Jahr 1897 ediert; dazu REICHERT, in: MEYER, Buch QF 2, S. VIIf.MEYER hatte bereits im Jahr 1466 den Liber de viris illustribus Ordinis Praedicatorum

verfaßt, in dem er die Viten der wichtigsten Persönlichkeiten des Predigerordens zusammen-stellte. Zur Frage der benutzen Quellen, Datierung und Überlieferungssituation siehe dieEinleitung bei VON LOë, in: MEYER, Liber, S. 1-15. Sein Ordensbruder Georg Epp veröffent-lichte 1506 den Liber mit nur wenigen Abweichungen vom Original unter seinem eigenenNamen, EPP, Georg: De illustribus viris ac sanctimonialibus sacri ordinis predicatorum.Maulbronn 1506. Eine scharfe Verurteilung dieses Plagiats durch REICHERT, in: MEYER, BuchQF 2, S. VIII; dieses Urteil schwächte VON LOë, in: MEYER, Liber, S. 12f., ab. Die Bearbeitun-gen von Autoren wie DIETLER, RANCKENDALL und EPP hatten dazu geführt, daß diezugrundeliegende Arbeiten MEYERs immer mehr in Vergessenheit gerieten und erst durch dieEditionen seiner Bücher im 20. Jahrhundert wieder bekannt wurden. Neben den genanntenWerken schrieb MEYER die Chronica brevis Ordinis Praedicatorum, die er um 1470 abschloß,ediert von SCHEEBEN; zu den Fragen der Überlieferung, Autorenschaft und Datierung siehe dieEinleitung ebd., S. 9-21. Nach dem Geschichtswerk des Bernhard Gui, das MEYER ebenfallsbekannt war, stellte seine Chronica den nächsten Versuch einer Gesamtdarstellung derGeschichte des Predigerordens dar, dazu SCHEEBEN, in: MEYER, Chronica, S. 5, 14-16. ZumFolgenden MEYER, Buch QF 3, S. 7-9, 16; vgl. auch DERS., Liber, S. 57; DERS., Chronica, S.71-73.

17 MEYER, Buch QF 3, S. 8.

1. Einführung 17

das schlechte Gewissen seiner Mitbrüder appelliert, daß diese sofort mit derÜbergabe eines Konvents für einen ersten Reformversuch einverstanden waren. Erhatte vermutlich schon länger einen Kreis von reformeifrigen Anhängern um sichgeschart, der nur darauf wartete, mit ihm auszuziehen, um die Teutonia für dieObservanz zu erobern. Konrad wurde im September 1388 zum ersten Vikar cumplenissima auctoritate für das Berner Ordenshaus ernannt.18 Ob er tatsächlicheinen Reformversuch in Bern unternahm, ist unbekannt. Er erhielt abergemeinsam mit seinen Anhängern 1389 die Erlaubnis, den Dominikanerkonvent inColmar in der Diözese Basel zu reformieren, der somit der erste observanteKonvent der Provinz Teutonia wurde.19

Raimund von Capua unterstützte diese Reforminitiative und erließ am 1.November 1390 ein „Reformdekret“, in dem er alle Ordensangehörigen zurObservanz aufrief.20 Während seiner Visitationsreisen habe er viele Brüdergetroffen, die ad primam formam observantiae regularis zurückkehren wollten.Um dieses fromme Anliegen zu unterstützen, solle in jeder Provinz innerhalb einesJahres mindestens ein Konvent, der wenigstens zwölf Brüder aufnehmen könne,ausgewählt werden und die Provinziale sollten reformfreudige Brüder assignieren.Wer die Ordensreform in irgendeiner Weise behindere, werde seines Amtesenthoben und könne für mindestens zehn Jahre nicht wiedergewählt werden.Dieses Dekret wurde bereits im Januar 1391 von Bonifaz IX. in seiner Aussagebekräftigt, indem sich der Papst für die Ordensreform, wie sie Raimund anstrebte,aussprach und dessen Anordnung, in jeder Ordensprovinz mindestens einenReformkonvent einzurichten, für verbindlich erklärte.21 Der Papst wies auchdarauf hin, daß in Colmar unter der Leitung von Konrad von Preußen bereitseinige Brüder begonnen hätten, ein observantes Leben zu führen; diese seien zuunterstützen und auf keinen Fall zu behindern. Dies war an die Gegner derObservanz, die Konventualen, gerichtet, die von Anfang an der Reform ihresOrdens größten Widerstand entgegensetzten. Der Papst forderte zur Unterstützungder Reformer erneut am 1. Dezember 1393 auf und drohte, die Gegner derObservanz zu exkommunizieren.22 Die gleiche Strafe drohte er jenen an, die das„Reformdekret“ Raimunds aus dem Jahr 1390 in Frage stellen und es ohneKompetenz revozieren sollten. So verhinderte Bonifaz, daß etwa ein Generalkapiteldas „Reformdekret“ zurückziehen konnte, ohne damit gegen einen päpstlichen

18 REICHERT, Registrum, S. 4f. (1388 Sept. 22) (= KAEPPELI, Registrum, S. 128, Nr. T 35).

19 Zu Colmar siehe Abschnitt III 2.1.

20 Dieses Dekret ist in die Bulle Bonifaz’ (1391 Jan. 9) inseriert, ediert bei CORMIER, S. 54-56(§ 7) (= MORTIER 3, S. 530f., Anm. 1). Vgl. dazu auch MORTIER 3, S. 528-532; MEYER, BuchQF 3, S. 12; LAMBERMOND, S. 90f.

21 CORMIER, S. 54-56 (§ 7) (1391 Jan. 9) (= BOP 2, S. 315f.; MORTIER 3, S. 530f., Anm. 1);vgl. auch MEYER, Liber, S. 56; MORTIER 3, S. 541.

22 BOP 2, S. 338f. (1393 Dez. 1); ein Auszug bei MORTIER 3, S. 542-44 und S. 543, Anm. 1.

18 III. Die Dominikanerobservanz

Spruch zu verstoßen. In seinem „Reformdekret“ hatte der Generalmagisterdeutlich gemacht, daß die Observanz nicht nur in der Provinz Teutoniaverwirklicht werden, sondern den ganzen Predigerorden erfassen sollte. In Italienstand Johannes Dominici an der Spitze der reformbegierigen Brüder.23 In Venedigwurde das Ordenshaus San Domenico di Castello der Observanz zugeführt undJohannes Dominici wurde im Mai 1390 zum Vikar dieses Konvents ernannt.24

Raimund unterstellte 1392 alle reformierten italienischen Konvente JohannesDominici, dem das Amt eines vicarius specialis zugewiesen wurde.25 Im folgendenJahr führte Dominici weitere Frauen- und Männerkonvente der Observanz zu,26

und im November 1393 wurde er schließlich zum Generalvikar mit General-vollmacht für ganz Italien ernannt.27

Außerhalb von Deutschland und Italien kam es in England und Irland im Jahr1390 zu zwei Reformversuchen, die beide noch im selben Jahr scheiterten, in demsie begonnen worden waren. Die Brüder waren so sehr mit der Häresie derWyclifiten beschäftigt, daß sie für eine Auseinandersetzung um Fragen derObservanz keine Zeit hatten.28 In der polnischen Ordensprovinz fiel der Beginnder Observanz mit der Spaltung der Provinz in einen deutschen und einenpolnischen Teil im Jahr 1393 zusammen und sie errang deshalb keine weitereBedeutung.29

23 Zu Dominici siehe MEYER, Liber, S. 60; DERS., Chronica, S. 25f., 75; LöHR, Teutonia, S.4, Anm. 3. AA SS, 18 Junii II, S. 399-418; CRACCO, Giorgio: „Banchini, Giovanni“ (= G.Dominici). In: Dizionario biografico degli Italiani. Rom 1960ff., hier Bd. 5, S. 657-664;HINNEBUSCH 2, S. 369-380. Auf die Schwächen der Arbeit von RöSLER, Augustin: CardinalJohannes Dominici O.P.: Ein Reformatorenbild aus der Zeit des großen Schismas. Freiburg1893, wies bereits SAUERLAND, Heinrich Volbert: Kardinal Johann Dominici und Papst GregorXII. und deren neuester Panegyriker P. Augustin Rösler. In: ZKG 15 (1895), S. 387-418, hin.Siehe auch SAUERLAND, Heinrich Volbert: Kardinal Johannes Dominici und sein Verhalten zuden kirchlichen Unionsbestrebungen während der Jahre 1406 bis 1415. In: ZKG 9 (1887/88), S.239-290, zu der nicht gerade positiven Charakterisierung Dominicis bes. S. 241-246. WeitereLiteratur bei NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 119, Anm. 14; DERS.: Selbstverständnis, S. 80-83.Vgl. auch Abschnitt VI 1.24 KAEPPELI, Registrum, S. 99, Nr. R 370 (1390 Mai 18) (= MORTIER 3, S. 555, Anm. 1).Vgl. auch MORTIER 3, S. 551-555; CORMIER, S. 161f.; KOUDELKA, Heinrich, S. 19; ALCE, S.335-340; WALZ, S. 70. Zum Folgenden NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 119-121.25 CORMIER, S. 76-78 (§ 11). Im Jahr 1398 erhielt Johannes Dominici die Generalvollmachtzum Predigen, siehe KAEPPELI, Registrum, S. 60, Nr. Li 521 (1398, Dez. 20).26 Z.B. KAEPPELI, Registrum, S. 109, Nr. R 481 (1393 Mai 3), Nr. R 484 (1393 Mai 10);CORMIER, S. 79f. (§ 12).27 CORMIER, S. 81-83 (§ 13).28 Zu diesen Reformversuchen siehe MORTIER 3, S. 569f., 648-686; CORMIER, S. 71f. (§ 9).

29 KOUDELKA, Raimund, S. 213-218.

2. Die Reform der Ordensprovinz Teutonia

2.1. Colmar

Konrad von Preußen hatte auf dem Generalkapitel in Wien 1388 die Zusageerhalten, gemeinsam mit anderen Ordensbrüdern einen ersten Reformversuchunternehmen zu dürfen.30 Im folgenden Jahr, 1389, wurde nach dem Provinz-kapitel in Mainz die Reform des Colmarer Konvents beschlossen.31 Im Juniübertrug Raimund die Aufsicht und Leitung über den Brüderkonvent und diebeiden Schwesternkonvente in Colmar an Konrad, der sich zu diesem Zeitpunktim Kölner Ordenshaus aufhielt.32 Gleichzeitig entließ Raimund den amtierendenPrior und den Subprior aus ihren Ämtern und ordnete an, daß weder derProvinzialprior noch ein anderer Vikar der Nation oder irgendjemand sonstKonrad an der Reformarbeit hindern dürfe. Konrad erhielt die Vollmacht, Brüderfür das Ordensleben in Colmar auszuwählen, die wahrhaft der strengen Observanzfolgen wollten. Die nicht reformwilligen Brüder solle er vertreiben. Mit dieserVollmacht des Generalmagisters ausgestattet, konnte Konrad die Umsetzung derReform in Colmar beginnen. Meyer berichtet, daß Johannes Mulberg einer derdreißig Brüder war, die 1389 unter der Leitung Konrads von Preußen nachColmar kamen, um im ersten Brüderkonvent in der Teutonia die Observanz zuverwirklichen.33 Damit gehörte er zu dem kleinen Kreis derjenigen Brüder, die sichvon Anfang an für die Reform einsetzten.34 Im folgenden Jahr, 1390, wurde erzum Cursor im Colmarer Hausstudium ernannt und hatte dadurch unmittelbarenE i n f l u ß a u f d i e A u s b i l d u n g d e r B r ü d e r . 3 5

30 MEYER, Buch QF 3, S. 8; vgl. auch CORMIER, S. 158. Die bekanntesten Quellen stellte infranzösischer Übersetzung als Auswahl zusammen WITTMER, Charles: Colmar: Berceau de laRéforme Dominicaine 1389. In: Annuaire de Colmar 4 (1938), S. 51-60.

31 VON LOë, S. 30-44 (Nr. 3) (= BASEL UB, E III 13, fol. 135r-144r), hier S. 35; KOUDELKA,Heinrich, S. 19; WALZ, S. 65f.

32 CORMIER, S. 117-119 (§ 23); vgl. auch ALCE, bes. S. 333.

33 MEYER, Liber, S. 58: „Johannes, dictus Mülberg de Basilea (...) qui in conventu Colum-bariensi cum pluribus aliis regularem vitam nobis omnibus inchoavit.“ Zum Folgenden MEYER,Buch QF 3, S. 9; DERS., Chronica, S. 72f.; VON LOë, S. 35; EGGER, S. 17-21.

34 MEYER, Chronica, S. 72f., nennt nach Raimund von Capua, Konrad von Preußen, PetrusEngerlin und Ulrich Theobaldi folgende Brüder als Ordensreformer der „ersten Stunde“: Rudolfvon Vessenheim, Johannes Mulberg, Konrad Hoffmann, Thomas von Preußen und Dietrich vonWald.

35 REICHERT, Registrum, S. 13 (1391 Juni 7) (= KAEPPELI, Registrum, S. 138, Nr. T 145);REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 95. Vgl. Kap. II.

20 III. Die Dominikanerobservanz

Leider läßt sich nicht feststellen, wann Mulberg praedicator generalis, Predigermit besonderen Vollmachten, wurde.36 Dies könnte aber während seiner Tätigkeitin Colmar geschehen sein.

Raimund wandte sich im gleichen Jahr an die Bürger der Stadt Colmar mit derBitte um Unterstützung: Konrad würde bereits mit dreißig Brüdern in der Stadtleben, er sei Prior des Dominikanerkonvents und Vikar mit besonderenVollmachten innerhalb der Teutonia, um die Reform einzuführen.37 Die Stadt solleihn in ihren Schutz aufnehmen. Da es immer noch Widersacher im Konvent selbstgebe, solle der weltliche Arm – obwohl die Brüder rechtlich dem Ordenunterstünden – gegen sie vorgehen und jeden, der die Reform behindere, aus derStadt vertreiben. Gleichzeitig klagte Raimund darüber, daß es Konrad immer nochnicht gelungen sei, das Siegel des Konvents an sich zu bringen. Es wird bereits hiersichtbar, daß Konrad und mit ihm seine Anhänger von Anfang an größte Mühenhatten, die Observanz in Colmar durchzusetzen: Konrad benötigte die Hilfe derweltlichen Macht, um die reformfeindlichen Brüder aus Konvent und Stadt zuvertreiben, und er hatte es noch nicht geschafft, die unbestrittene Leitung desKonvents zu erringen, zu der die Führung des Siegels gehörte, das für rechts-verbindliche Geschäfte unverzichtbar war.38

Die Mehrheit des Dominikanerordens zählte zu den Konventualen, die sich vonAnfang an gegen die Reform zur Wehr setzten. Auf dem Generalkapitel vonFerrara im Jahr 1391 waren gewohnheitsgemäß die Befugnisse aller Vikare zu-

36 Mulberg als praedicator generalis bei MEYER, Chronica, S. 72. Zum Amt im allgemeinensiehe FRANK, Hausstudium, S. 159, Anm. 9. Das Generalkapitel von Udine setzte 1401 fürdieses Amt voraus: antequam theologiam audierit per tres annos, dazu MOPH 8, S. 103. DerZeitgenosse Mulbergs, Narcissus Pfister, war als Dominikaner im Jahr 1400 Cursor in Colmarund wurde im gleichen Jahr zum praedicator generalis ernannt, dazu MEIER, Ludger: DerStudiengang des Ex-Dominikaners Narcissus Pfister O.S.B. an der Universität Köln. In: AFP 4(1934), S. 228-257, hier S. 229. Es wäre also denkbar, daß auch Mulberg bereits 1390 währendseiner Tätigkeit als Cursor in Colmar dieses Amt erhielt.

37 CORMIER, S. 120-122 (§ 24). Hier zeigt sich bereits die zwingende Notwendigkeit desEngagements der weltlichen Macht, um ein Reformvorhaben erfolgreich durchführen zu können;vgl. dazu auch STIEVERMANN, bes. S. 198-201, 222-234, 261-289; WILLIAMS-KRAPP, Obser-vanzbewegungen, S. 5; VON HEUSINGER, Sabine: Beginen am Mittel- und Oberrhein zu Beginndes 15. Jahrhunderts. In: ZGO 148 (2000) (im Druck), Abschnitt 4; aber auch SPRINGER,Klaus-Bernward: Dominikaner und Obrigkeit im 16. Jahrhundert. In: Berg, Dieter (Hrsg.):Könige, Landesherren und Bettelorden: Konflikte und Kooperation in West- und Mitteleuropabis zur Frühen Neuzeit. Werl 1998, S. 393-418; zur Bedeutung der Landesfürsten für dieReformation siehe z.B. WOLGAST, Eike: Formen landesfürstlicher Reformation in Deutschland.Kursachsen-Württemberg / Brandenburg-Kurpfalz. In: Grane, Leif / Hørby, Kai (Hrsg.): Diedänische Reformation vor ihrem internationalen Hintergrund. Göttingen 1990, S. 57-90. Einweiteres entscheidendes Kriterium war in den ersten Jahren die Frage der Obödienz, dazuwichtige Hinweise bei NEIDIGER, Selbstverständnis, S. 73-83.

38 Vgl. auch MORTIER 3, S. 546.

2. Die Reform der Ordensprovinz Teutonia 21

rückgerufen worden.39 Die konventualen Dominikaner wollten diese Regelungauch für Konrad angewandt sehen und argumentierten, er könne ja gar keinerechtmäßigen Assignationen für Colmar mehr vornehmen. Um der Forderungnach Absetzung Konrads die Grundlage zu entziehen, bestätigte ihn Raimunderneut im Juni 1391 in seinen angefochtenen Rechten: Er nannte ihn priorColumbarum ac vicarius ibidem cum plena auctoritate provincie Theutonieordinis fratrum Predicatorum.40 Raimund betonte, daß der Papst und alleKardinäle die Reform unterstützten. Dieses Werk dürfe nicht durch die Ignoranzoder Schlechtigkeit der Gegner der Observanz zerstört werden. Darum verurteileer jede Ablehnung und Behinderung der Reform. Die Forderung nach derAmtsenthebung Konrads von seiten der Konventualen verstummte aber auch inden folgenden Jahren nicht, und im März 1395 verfügte Raimund, daß Konradweder vom Generalkapitel noch von irgendeiner anderen Instanz des Priorats oderdes Vikariats in Colmar enthoben werden könnte.41 Im Februar 1396 erhieltKonrad vom Generalmagister die Erlaubnis, sich in den Nürnberger Konventbegeben und das Priorat in Colmar aufgeben zu dürfen.42 Konrad zog nach Nürn-berg und Johannes von Witten übernahm das Priorat.43 Sein Nachfolger wurdewenige Jahre später, 1399, Johannes Mulberg.44 In dieser Funktion wurde er vonRaimund im März des Jahres angewiesen, Elisabeth Berchen, Ordensschwester inSt. Katharina in Colmar, wieder in ihre Rechte einzusetzen.45 Sie habe das Klostermit der ausdrücklichen Erlaubnis des Papstes verlassen und sei dennoch lange Zeitunschuldig im Kerker festgesetzt worden. Meyer betonte, daß Mulberg alsColmarer Prior gemeinsam mit den observanten Mitbrüdern vieles erduldenmußte, das nicht in Kürze wiedergegeben werden könne.46

Obwohl Konrad inzwischen Prior in Nürnberg geworden war, hatte er immer

39 Von Ferrara ist nur ein Fragment erhalten, siehe MOPH 8, S. 92; fehlt bei VON LOë, S. 30-44 (Nr. 3); vgl. auch MORTIER 3, S. 547. Raimund bezog sich aber auf dieses Kapitel in seinemBrief an Konrad, dazu CORMIER, S. 123f. (§ 25).40 CORMIER, S. 123f. (§ 25); REICHERT, Registrum, S. 13 (1391 Juni 7) (= KAEPPELI,Registrum, S. 138, Nr. T 144). Dazu MORTIER 3, S. 547f.41 REICHERT, Registrum, S. 15 (1395 März 12) (= KAEPPELI, Registrum, S. 140, Nr. T 163).42 REICHERT, Registrum, S. 20 (1396 Febr. 28) (= KAEPPELI, Registrum, S. 145, Nr. T 215).43 Konrad und Johannes waren 1387 gemeinsam ins Heilige Land gepilgert, dazu MORTIER 3,S. 526, Anm. 1; Johannes wurde einer der ersten Beichväter in Schönensteinbach, dazu MEYER,Buch QF 2, S. 36; vgl. auch QF 3, S. 20, zu den Wundern, die Konrad zuteil wurden; ebd., S.25, zu Johannes’ Mitarbeit beim Umbau von Schönensteinbach und zu seinem Tod im Jahr1411. Siehe auch DIETLER, S. 301-303.44 REICHERT, Zur Geschichte RQ 15, S. 129; MEYER, Liber, S. 58.45 REICHERT, Zur Geschichte RQ 15, S. 148.46 MEYER, Liber, S. 58: „Quanta pertulerit ibidem prior factus et sui ab emulis observancie ...non potest edisseri brevibus.“

22 III. Die Dominikanerobservanz

noch gleichzeitig das Amt des Vikars für die Konvente in Colmar, Nürnberg undUtrecht in der Saxonia inne.47 Im Jahr 1401 erkrankte er und setzte im DezemberJohannes Mülich als Vikar für Colmar ein, der in seiner Abwesenheit dafür sorgensollte, daß die Observanz eingehalten werde.48 In einem Schreiben an ihn beklagteKonrad die heftigen Widerstände, mit denen die Reformer zu kämpfen hätten.Inzwischen war Nikolaus von Vessenheim zum Prior des Colmarer Konventsgewählt worden. Er appellierte am 4. April 1402 an den Papst gegen Konrad undJohannes Mülich: Konrad habe die ihm verliehenen apostolischen Vollmachtenfreiwillig an den Ordensgeneral Thomas von Firmo zurückgegeben und sie nurunter der Auflage zurückerhalten, den Ordensstatuten zu gehorchen. Deshalbkönne er sich nicht auf die alten Vollmachten beziehen, um Mülich zum Vikar zumachen.49 Mülichs Berufung sei also nicht gültig, und er, der Prior von Colmar,erkenne ihn nicht an. Außerdem strebten Konrad und Mülich nach seinemPriorenamt, obwohl Konrad persönlich bei der rechtmäßigen Wahl Nikolaus’anwesend gewesen sei. Des weiteren würde Konrad unerlaubterweise fremdeBrüder in den Konvent schicken und gegen sein Versprechen Einkünfte und Güterdes Konvents veräußern, dessen Verarmung in Zukunft zu befürchten sei. Wie dieUmsetzung des Armutideals unter Konrad in Colmar verwirklicht wurde, läßt sichnicht eindeutig klären.50 Ohne Zweifel propagierte er die strenge Armut, gegen diesich u.a. Nikolaus zur Wehr setzte und Raimund erinnerte Konrad in seinem Briefan das Testament von Dominikus; letzteres könnte ein Hinweis auf den darinenthaltenen Fluch sein, mit dem der Ordensgründer angeblich alle Konvente belegthaben soll, die irdischen Besitz anstrebten.51 Dieser Fluch war bis zur Mitte des 14.Jhs. nur sehr selten erwähnt worden, aber danach erschien er verstärkt in derTraktatliteratur. Besonders Johannes Dominici erinnerte in aller Deutlichkeit an denFluch, der alle treffe, die nicht wie die Observanten die strenge Armut

47 Dies hatte ihm Raimund bereits 1397 bestätigt, dazu CORMIER, S. 131f. (§ 27).

48 Im Jahr 1411 wurde er in Wien immatrikuliert, siehe: DIE MATRIKEL DER UNIVERSITäT

WIEN. Hrsg. v. Archiv d. Universität Wien im Auftrag d. Akademischen Senats. Wien 1956ff.,S. 88 (II R 66). REP. GER. 2,1, unter Bonifaz IX. Sp. 362f., 705, 781; unter Innozenz VII. Sp.1320. Zum Folgenden LöHR, Teutonia, Nr. 3, S. 46-50 (überliefert in COLMAR STB, Hs. 474,fol. 78ff.). Vgl. auch Abschnitt III 2.4.

49 LöHR, Teutonia, S. 49, Anm. 1; vgl. auch MEYER, Chronica, S. 20.

50 Basierend auf umfangreichem, zuvor unbekanntem Quellenmaterial zum FolgendenNEIDIGER, Armutsbegriff, S. 122-125; DERS.: Selbstverständnis, S. 69; siehe auch MEYER,Buch QF 3, S. 2-16; DERS., Liber, S. 55-63; DERS., Chronica, S. 69-73.

51 CORMIER, S. 117-119 (§ 23), hier S. 118. Zu Überlieferung und Inhalt des Testaments vonDominikus und seiner Bedeutung innerhalb des Ordens siehe CREYTENS, Raymond: Le „testa-ment de S. Dominique“ dans la littérature dominicaine ancienne et moderne. In: AFP 43 (1973),S. 29-72.

2. Die Reform der Ordensprovinz Teutonia 23

anstrebten.52 Raimunds Erwähnung des Testaments könnte demnach bedeuten,daß er davon ausging, in Colmar seien bereits alle festen Einkünfte aufgegebenworden. Tatsächlich hatten die Observanten aber bis zum Jahr 1402 erst einen Teilder Zinsrechte veräußert, und der Schaffner des Konvents forderte ausstehendeZinseinkünfte sogar vor Gericht ein. Zudem nahm der Konvent nach 1390während Konrads Priorat neue Jahrzeitstiftungen an. Dieser Widerspruch läßt sichvielleicht damit erklären, daß Konrad über die laufenden Finanzgeschäfte nichtvollständig unterrichtet war.53

Darüber hinaus zeigt sich aber in Colmar, daß selbst die Observanten imHinblick auf die Strenge der Armut unterschiedlicher Meinung waren: Obwohlsich Konrad gegen feste Einkünfte wehrte, akzeptierte sein Vertrauter undNachfolger im Priorenamt, Johannes von Witten, ebenfalls ein überzeugterObservanter, diese bereits im Jahr 1397 wieder. Die Streitigkeiten um die Reformzu Beginn des 15. Jhs. hielten an: Am 8. April 1402 ließ Johannes Mülich inColmar drei Bullen von Bonifaz IX. vidimieren, in denen sich der Papst für dieReform ausgesprochen hatte.54 Unter den Zeugen, die der Vidimierungbeiwohnten, befand sich der junge Johannes Nider, der einige Jahrzehnte spätereiner der wichtigsten Reformer des Predigerordens werden sollte.55 Er trat imgleichen Jahr, 1402, in den observanten Colmarer Konvent ein. In dieser Zeit trafer vermutlich persönlich mit Johannes Mulberg zusammen, den er in seinemspäteren Werk, dem Formicarius, schilderte.56 Mülichs Entsendung als Vikar fürden Konvent in Colmar im Jahr 1402 macht deutlich, daß es zu dieser Zeit heftigeAuseinandersetzungen um die Reform gab, da normalerweise ein Vikar nur zuBeginn der Einführung der Observanz in einen Konvent gesandt wurde. Vielleichtkann sein Auftreten in Colmar sogar als Hinweis auf einen zweiten Reformversuchgedeutet werden, da der erste unter Konrad nicht erfolgreich war, wie es der

52 Dominici führte dies in seiner Schrift De proprio, an conveniat fratribus OrdinisPraedicatorum in communi aut in particulari aus, die LöHR untersucht hat, dazu DERS.,Mendikantenarmut, hier S. 422f.; siehe auch CREYTENS, a.a.O., S. 40; ALCE, S. 341.

53 Ein überzeugendes Beispiel aus dem Jahr 1396, als dieselbe Vergabung sofort nach KonradsAbreise erneut vorgenommen wurde, bei NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 123.

54 LöHR, Teutonia, S. 47, Anm. 3; CORMIER, S. 54-56 (§ 7) (1391 Jan. 9); BOP 2, S. 338(1393 Dez. 1), S. 362 (1397 April 9) (= MORTIER 3, S. 530f., Anm. 1; 543f., Anm. 1; 572f.,Anm. 1).

55 LöHR, Teutonia, S. 7, Anm. 4; S. 47, Anm. 3. Vgl. auch Niders Biographie bei BRAND,bes. S. 13f.; BAILEY, S. 16-48; HILLENBRAND, Eugen: „Nider, Johannes“. In: VL 6, Sp. 971-977; SCHIELER; HINNEBUSCH 2, S. 262-267; MORTIER 4, S. 216-255; KAEPPELI, Scriptores 2,S. 500-515; siehe demnächst die noch unveröffentlichte Dissertation von TSCHACHER, Werner:Der Formicarius des Johannes Nider von 1437/38. Studien zu den Anfängen der europäischenHexenverfolgungen im Spätmittelalter. Aachen, Diss. 1997.

56 Siehe Kap. II.

24 III. Die Dominikanerobservanz

Nürnberger Humanist Hartmann Schedel in seiner Geschichte des NürnbergerKonvents berichtet.57

2.2. Das Provinzkapitel in Speyer

Während des Provinzkapitels in Speyer im Oktober 1392 wurden die Prioren derOrdensprovinz Teutonia zur Einführung der Observanz verpflichtet. Im Auftragdes Generalmagisters Raimund von Capua forderte Jakob von Böhmen denProvinzial der Teutonia, Ulrich Theobaldi de Altkirch,58 und die anwesendenPrioren auf, die Observanz, wie sie in Colmar begonnen worden war, weiter zufördern.59 Deshalb verfaßte Theobaldi zusammen mit den Prioren einen Rundbrief,in dem alle Angehörigen der Provinz Teutonia verpflichtet wurden, dienotwendigen Schritte auf dem Weg zur Observanz nicht zu behindern und keinenBruder von der Reform abzuhalten.60 Konrad von Preußen und seine Mitstreiterwurden unter den besonderen Schutz des Provinzialkapitels gestellt. Zu den Unter-zeichnern des Briefes zählten die führenden Brüder innerhalb der Teutonia: Anerster Stelle siegelte Ulrich Theobaldi, der amtierende Provinzial, der wie JohannesMulberg aus dem Basler Konvent stammte.61 Es folgten die beiden ehemaligenProvinziale Ulrich Umbtuer62 und Petrus Engerlin von Augsburg,63 der spätere

57 NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 124f. mit Anm. 47 zur Überlieferung: Schedel berichtet in Deortu et progressu Ordinis Praedicatorum Norimberga, daß der Konvent in Colmar nach derReform von der Observanz abgefallen und durch Brüder aus Nürnberg zu ihr zurückgeführtwerden mußte.

58 Zum Folgenden MEYER, Chronica, S. 72f.; REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 83f.Theobaldi vermachte dem Konvent zehn Bücher und gehörte damit im 14. Jh. zu einemwichtigen Förderer der Klosterbibliothek, dazu SCHMIDT, Bibliothek, S. 165; jüngst mit einemSchwerpunkt auf Theobaldis Handschriftenbesitz NEIDIGER, Selbstverständnis, S. 98f. Denbesten Überblick über sein Leben und Wirken immer noch bei BONER, BZGA 34, S. 225;KAEPPELI, Scriptores 4, S. 423f., Nr. 3945-3947.

59 Bruchstücke der Akten des Kapitels wurden ediert von LöHR, Teutonia, Nr. 1, S. 41-44.Vgl. zum Folgenden VON LOë, S. 36; MEYER, Buch QF 3, S. 10f.; DERS., Chronica, S. 75f.;CORMIER, S. 162; DIETLER, S. 193-196.

60 Die Edition des Briefes bei HäFELE, S. 407f. (Anhang Nr. 4), basierend auf WIEN, Domini-kanerkonvent, Hs. 295, fol. 104; eine Parallelüberlieferung in COLMAR STB, Hs. 474, fol. 71.

61 Zu den Auseinandersetzungen zwischen Theobaldi und Engerlin siehe Abschnitt III 3. Zu denAnhängern der Reform siehe auch Anm. 34.

62 Daß es sich um den ehemaligen Provinzial Umbtuer (1372-1384), der Prior in Regensburgwar, und nicht um Wintner handelt (so irrtümlich VON LOë, S. 15; DIETLER, S. 194) wurderichtiggestellt von LöHR, Teutonia, S. 51, Anm. 5.

63 Vgl. REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 87f.; RQ 15, S. 130-133; VON LOë, S. 15, 45;LöHR, Kölner Dominikanerschule, S. 63, Nr. 40; vgl. auch Abschnitt III 3.

2. Die Reform der Ordensprovinz Teutonia 25

Provinzial Petrus Florin aus Utrecht,64 der Generalvikar in Schwaben Gottfriedvon Mengen,65 der spätere Wiener Professor Franz von Retz,66 der Vikar derAlsatia Johannes Arnoldi,67 der Inquisitor und Professor der Theologie Alexandervon Köln,68 Jakob von Böhmen und Ulrich Löselin aus Straßburg.69 Mit dieserAktion hatte sich Raimund von Capua die Unterstützung der führenden Männerder Teutonia schriftlich zusichern lassen und sie verpflichtet, die Observanten nichtzu behindern.

2.3. Würzburg

Über die Einführung der Reform im Würzburger Brüderkonvent ist wenigbekannt. Die Register des Ordensgenerals geben keine Auskunft darüber, wer alsVikar mit der Einführung der Observanz beauftragt worden war. Auch JohannesMeyer erwähnte den Reformversuch nicht. Es ist anzunehmen, daß eine Gruppevon Observanten von Colmar aus, dem bis 1394/5 einzigen reformierten Konventder Teutonia, zu diesem Zweck nach Würzburg gesandt wurde. Die Überlieferungder Ereignisse setzt mit dem Streit zwischen Reformgegnern und -anhängern ein.Johannes Mulberg war als erster observanter Prior eingesetzt und vor März 1395von den Würzburger Brüdern vertrieben worden.70 Daraufhin wurde UlrichTheobaldi in seiner Funktion als Provinzial der Teutonia von Raimund von Capuabeauftragt, nach Würzburg zu reisen und die Brüder, die ihren Prior Mulberg

64VON LOë, S. 15; siehe auch Abschnitt III 3.

65 Er war Vikar und Prior in Konstanz, dazu DIETLER, S. 195.

66 Dazu HäFELE; KAEPPELI, Scriptores 1, S. 397-400; GRUBMüLLER, Klaus: „Franz vonRetz“. In: VL 2, Sp. 834-837, mit neueren Literaturangaben; FRANK, Hausstudium, S. 109.

67 MEYER, Buch QF 3, S. 11; LöHR, Teutonia, S. 51, Anm. 5; REICHERT, Zur Geschichte RQ15, S. 133. Arnoldi hing 1386 noch Peter von Laufen, dem Provinzial der avignonesischenObödienz an, dazu KAEPPELI, Thomas: Kapitelsakten der Dominikanerprovinz Teutonia (c.1365-71). In: AFP 26 (1956), S. 314-319, hier S. 315.

68 LöHR, Kölner Dominikanerschule, S. 63, Nr. 41; LöHR, Gabriel: „Alexander von Köln“. In:NDB 1, Sp. 194.

69 REICHERT, Registrum, S. 12 (1391 Mai 22) (= KAEPPELI, Registrum, S. 127, Nr. T 133);1399 wird er Generalvikar der Nation Alsatia unter der Bedingung, daß nur ein Höhergestellterihn vom Amt entbinden darf, ebd., S. 39 (1399 Juni 26) (= KAEPPELI, Registrum, S. 166, Nr.T 380). Vgl. auch LöHR, Teutonia, S. 51, Anm. 5; REICHERT, Zur Geschichte RQ 15, S. 131.

70 Vgl. zum Folgenden REICHERT, Registrum, S. 15 (1395 März 12) (= KAEPPELI, Registrum,S. 140, Nr. T 163); REICHERT, Zur Geschichte RQ 15, S. 128; LöHR, Teutonia, S. 1; BONER,Predigerkloster 34, S. 189f.; WALZ, S. 70. Die Dominikaner werden nicht weiter erwähnt beimÜberblick von WITTSTADT, Klaus: Ansätze zur Klerus- und Ordensreform im spätmittel-alterlichen Würzburg. In: Roedel, Dieter (Hrsg.): Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter:Interdisziplinäre Mediävistik in Würzburg. Wiesbaden 1996, S. 82-98.

26 III. Die Dominikanerobservanz

vertrieben und eine offene Rebellion begonnen hätten, zu befragen und dieSchuldigen zu bestrafen. Außerdem sollte er Mulberg wieder in das Amt desPriors einsetzen.71 Zwei Monate später, im Mai 1395, hatten sich dieKonventualen endgültig durchgesetzt, und Raimund wandte sich an Konrad, der inseiner Funktion als Vikar alle mit der Reform beauftragten Brüder vomWürzburger Konvent zurückziehen sollte.72 Gleichzeitig wurde Johannes Mulbergoffiziell aus dem Amt des Priors entlassen.73 Mulberg kehrte nach dieserNiederlage nach Colmar zurück. Im Februar 1396 erhielt er gleichzeitig mit Rudolfvon Vessenheim die Erlaubnis, in der gesamten Ordensprovinz Teutonia beiNonnen und Schwestern die Beichte zu hören.74

2.4. Nürnberg

Nachdem die Einführung der Reform in Würzburg 1395 gescheitert war, kehrtendie observanten Brüder nach Colmar zurück. Von hier wurden ausgewählteBrüder im folgenden Jahr nach Nürnberg geschickt, wo im Jahr 1396 der nächsteReformversuch in der Teutonia unternommen wurde. Der GeneralmagisterRaimund von Capua, der sich für einige Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 1399 inder Teutonia aufhielt, nahm persönlich die Einführung der Observanz in Nürnbergin Angriff.75 Johannes Meyer behauptete, daß Papst Bonifaz IX. ausdrücklich den

71 REICHERT, Registrum, S. 15 (1395 März 12) (= KAEPPELI, Registrum, S. 140, Nr. T 163).

72 REICHERT, Registrum, S. 15 (1395 Mai 20) (= KAEPPELI, Registrum, S. 140, Nr. T 165).

73 REICHERT, Registrum, S. 15 (1395 Mai 20) (= KAEPPELI, Registrum, S. 140, Nr. T 166).Bei MORTIER 3, S. 549, gerät der Ablauf der Ereignisse etwas durcheinander, obwohl in Anm. 2die richtigen Datierungen angegeben sind: Raimund war nicht besser als Ulrich Theobaldiinformiert und zog Mulberg nicht acht Tage, sondern zwei Monate später vom Priorenamt ab.

74 REICHERT, Registrum, S. 20 (1396 Febr. 28) (= KAEPPELI, Registrum, S. 146, Nr. T 216).

75 Zum Folgenden MEYER, Buch QF 3, S. 12-14; DERS., Liber, S. 56f.; DERS., Chronica S.73 (= LöHR, Teutonia, S. 45f. (Nr. 2 zur Chronica)). DIETLER, S. 215f.; REICHERT, ZurGeschichte RQ 10, S. 302f.; LöHR, Teutonia, S. 14f.; ALCE, bes. S. 333. Vgl. auch BOCK,Friedrich: Das Nürnberger Predigerkloster. Beiträge zu seiner Geschichte. In: Mitteilungen desVereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 25 (1924), S. 147-215, hier S. 151-155; ergänzenddazu LöHR, Gabriel: Das Nürnberger Predigerkloster im 15. Jahrhundert. In: Mitteilungen desVereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 39 (1944), S. 223-232. KRAUS, Joseph: Die StadtNürnberg in ihren Beziehungen zur römischen Kurie während des Mittelalters. In: Mitteilungendes Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 41 (1950), S. 1-153, hier S. 60-71; Zu Raimundvgl. auch CORMIER, S. 164-168; MORTIER 3, S. 574f. Zum Einfluß der Observanz auf dieBücherproduktion am Beispiel von St. Katharina in Nürnberg siehe WILLIAMS-KRAPP,Observanzbewegungen, S. 3f.; und allgemein DERS., Frauenmystik.

2. Die Reform der Ordensprovinz Teutonia 27

Reformversuch in einem Schreiben gelobt habe.76 Im Dezember des Jahresverfaßte Raimund einen Brief an den Rat der Stadt, in dem er mitteilte, daß er demWunsch des Rates gefolgt sei und die Reform in Nürnberg begonnen habe.77 Erhabe Konrad bereits zum Prior bestimmt, der gemeinsam mit den aus Colmarkommenden Brüdern die Reform gewiß ganz im Sinne des Rates durchführenwerde. Bereits in früheren Briefen habe er, Raimund, die Stadt um Beistand undVerteidigung für die observanten Brüder gebeten, denn jedes gute Werk habeFeinde unter den Menschen.78 Zum Vikar des Generalmagisters für denNürnberger Konvent, der die Reform einführen sollte, wurde Johannes Mulbergernannt.79 Im Juli des folgenden Jahres, 1397, übergab Raimund den NürnbergerKonvent offiziell an Konrad.80 Nürnberg wurde in den kommenden Jahrzehntenzum wichtigsten Zentrum der Reformbewegung, von dem aus zahlreiche weitereKlöster in den Ordensprovinzen Teutonia und Saxonia der Observanz zugeführtwerden konnten, wie z.B. Basel, Köln, Wien und Ulm.81 Raimund von Capuaverfügte, daß er nach seinem Tod in Nürnberg begraben werden wollte.82

Bereits im Dezember 1397 wurde Konrad von Raimund zum confessor etvicarius des Schwesternkonvents St. Katharina ernannt.83 Meyer erzählt, daß diereformeifrigen Brüder es kaum ertragen konnten, daß St. Katharina sich nicht derObservanz anschließen wollte.84 Deshalb habe Konrad den Papst um Erlaubnisgebeten, die Schwestern mit Nachdruck zur Reform bekehren zu dürfen. Er seigemeinsam mit Ordensbrüdern und Bürgern der Stadt zum Frauenkonventgezogen, um den Nonnen die Anordnung des Papstes zu verkünden. Die

76 SCHEEBEN, in: MEYER, Chronica, S. 73, Anm. 29, weist darauf hin, daß das Papstschreibenunbekannt ist.

77 CORMIER, S. 114-116 (§ 22) (= REICHERT, Zur Geschichte RQ 10, S. 306-308 (Nr. II)).Parallelüberlieferung in Nürnberg bei BOCK, a.a.O., S. 153, Anm. 7. Siehe auch KIST, Johan-nes: Klosterreform im spätmittelalterlichen Nürnberg. In: Zeitschrift für bayerische Kirchenge-schichte 32 (1963), S. 31-45. Vgl. auch Anm. 37.

78 HILLENBRAND, S. 245, weist darauf hin, daß der Rat die Einführung der Observanz zueinem Zeitpunkt unterstützte, als die Stadt gegenüber den Burggrafen eine eigenständige Politikdurchsetzen wollte.

79 MEYER, Chronica, S. 73; DERS., Buch QF 3, S. 12: vicarii an aines prior statt.

80 CORMIER, S. 131f. (§ 27).

81 Eine Liste bei LöHR, Teutonia, S. 46 (Nr. 2 zu MüNCHEN, BStB, clm. 472).

82 MEYER, Chronica, S. 76-78; DERS., Liber, S. 56f.; CORMIER, Hyacinthe-Marie: Lebienheureux Raymond de Capoue. 2. Aufl. Rom 1902, S. 198-200.

83 REICHERT, Registrum, S. 22 (1397 Dez. 12) (= KAEPPELI, Registrum, S. 148, Nr. T 234).

84 Zum Folgenden MEYER, Buch QF 3, S. 12-14; erneute Nennung DIETLER, S. 215f. FRIES,Walther: Kirche und Kloster zu St. Katharina in Nürnberg. In: Mitteilungen des Vereins für dieGeschichte der Stadt Nürnberg 25 (1924), S. 1-144, hier S. 14-21; HILLENBRAND, S. 241-245.

28 III. Die Dominikanerobservanz

Schwestern hätten sich aber vehement dagegen gewehrt, mit grossen unzüchtigensytten und unfröwlichen wisen.85 Konrad habe darauf die Schwestern, die sichwidersetzten, bestrafen wollen, aber die Frauen hätten sich sogar handgreiflichgegen den Reformversuch zur Wehr gesetzt, und deshalb hätten sich die Predigerauf Rat des Bruders Johannes Mülich mit Mehlsäcken ausgerüstet, die sie beimnächsten Zusammentreffen mit den Widerspenstigen im Moment der Gefahr denFrauen ins Gesicht schleudern wollten. Beim folgenden Versuch, mit weiterenBrüdern heimlich in das Kloster zu schleichen, sei Konrad nur knapp dem Todedurch die Hand zweier Schwestern entkommen: do noment yr zwo an grosscrucifix und woltent daz dem selgen vatter dem prior durch sin hobt schlachen.86

Nur die Geistesgegenwart der umstehenden Bürger habe Konrad das Lebengerettet, denn er selbst wollte den Anschlag geduldig über sich ergehen lassen.Sodann sei die päpstliche Anordnung verlesen worden, im darauf ausbrechendenTumult sei zwar das Mehl verstreut worden – die Schwestern konnten aber nichtzur strengen Observanz bekehrt werden. Bereits im Juni 1397 hatte Raimund fürden weiblichen Zweig des Ordens in der Teutonia Ordinationen erlassen, diebesonders die Einhaltung der Klausur forderten und auch für den NürnbergerKonvent gedacht waren.87 Im Dezember 1398 erhielten die NürnbergerSchwestern vom Generalmagister jedoch die Zusicherung, weder zu einerstrengeren Lebensart gezwungen werden zu können, noch ihren Privatbesitzaufgeben oder einen Verwalter gegen ihren Willen dulden zu müssen.88 DieNonnen in Nürnberg hatten sich so erfolgreich gegen die Reform gewehrt, daß St.Katharina erst 1428 von Johannes Nider, der in dieser Zeit Prior desBrüderkonvents war, reformiert werden konnte.89

Der Nürnberger Dominikanerkonvent hatte von Anfang an nur über einebegrenzte Anzahl von festen Einkünften verfügt. Möglicherweise gelang es sogarnach Einführung der Observanz für einige Jahre ohne feste Einkünfte undZinseinnahmen, sine redditibus et censibus, zu leben und höchstens Bargeld fürseelsorgerische Dienste entgegenzunehmen.90

85 MEYER, Buch QF 3, S. 13.86 MEYER, Buch QF 3, S. 14.87 Siehe Anm. 96.88 REICHERT, Registrum, S. 34 (1398 Dez. 8) (= KAEPPELI, Registrum, S. 160, Nr. T 337).89 Zur Reform von St. Katharina siehe MEYER, Buch QF 3, S. 60-69; DERS., Chronica, S. 85;DIETLER, S. 350-374; VON KERN, Th.: Die Reformation des Katharinenklosters in Nürnberg imJahre 1428. In: 31. Jahresbericht d. Hist. Vereins Mittelfranken, Beilage I. Ansbach 1863, S. 1-20; FRIES, a.a.O., S. 22-27; BRAND, S. 20f. Nider wurde ebenfalls zum Vikar von Schönen-steinbach ernannt, MEYER., Buch QF 3, S. 30; zu seinem Wirken in Nürnberg, wo er auch ver-starb, siehe LöHR, Teutonia, S. 14f.; er wurde von Texerius, wie zuvor Konrad von Preußen,zum vicarius magistri generalis ernannt, vgl. dazu ebd., S. 16 und Anm. 62; BRAND, S. 22.90 NEIDIGER, Armutsbegriff, 125-128, basierend auf dem Bericht von Hartmann Schedel, dazuAnm. 57.

2. Die Reform der Ordensprovinz Teutonia 29

2.5. Schönensteinbach

Obwohl Johannes Mulberg nach Auskunft der Quellen nur an der Reform vonBrüderkonventen beteiligt war, soll kurz der Ablauf der Einführung der Observanzim ersten Frauenkonvent, dem Kloster Schönensteinbach bei Gebweiler in derDiözese Basel, dargestellt werden, da dieses Ereignis für die Observanz in derTeutonia von zentraler Bedeutung war. Ein Jahr nach der Reform des NürnbergerBrüderkonvents wurde 1397 der Schwesternkonvent Schönensteinbach derObservanzbewegung eingegliedert. Auf der Suche nach einem geeigneten Kloster,in dem Frauen ein observantes Ordensleben beginnen könnten, stieß Konrad vonPreußen auf ein verlassenes Kloster in der Diözese Basel.91 Es wurde mit Hilfe vonPapst Bonifaz IX.,92 Raimund von Capua, dem Herzog Leopold IV. von Österreichund seiner Gemahlin Katharina von Burgund93 sowie dem Bischof von Basel94

nach dem Generalkapitel in Frankfurt an Pfingsten 1397 reformiert.95 DerGeneralmagister hielt sich nach dem Kapitel noch länger in Frankfurt auf, wo erim Juni strengste Anordnungen für die Einhaltung der Klausur in denFrauenkonventen erließ, die in erster Linie für Schönensteinbach gedacht waren.96

N u r i n T o d e s g e f a h r d ü r f t e n d i e F r a u e n i h r e

91 Über die Einführung der Observanz in Schönensteinbach berichtet detailliert MEYER, Buchder Reformacio I-III, QF 2, bes. S. 26-39; DERS., Chronica, S. 74; DERS., Liber, Anhang II,S. 81-85; DIETLER, bes. S. 216-245, 282-286, 313-317; siehe auch WILLIAMS-KRAPP,Frauenmystik, S. 304f.92 Der Papst wies den Abt von Marbach an, dem das Kloster zuvor unterstanden hatte, denKonvent den Dominikanern zu übergeben, dazu DIETLER, S. 217.93 DIETLER, S. 216, 228-32, 241; FABRI, Felix: Historiae Suevorum Libri. In: Goldast,Melchior (Hrsg.): Suevicarum rerum scriptores aliquot. Frankfurt 1605, S. 46-317, hier S. 177-179. Zur Rolle der weltlichen Macht bei Reformversuchen in Klöstern seit der zweiten Hälfte des15. Jhs. siehe auch STIEVERMANN, bes. S. 198-201, 222-234, 261-289; und Anm. 37.94 Bereits 1391 sprach sich Friedrich II. von Blankenheim, der als Administrator das BaslerBistum bis zur Amtsübernahme durch Humbert von Neuenburg regierte, für den WiederaufbauSchönensteinbachs aus, dazu DIETLER, S. 187-192.95 Zum Folgenden vgl. MEYER, Buch QF 2, S. 26-53; VON LOë, S. 36.96 CORMIER, S. 125-130 (§ 26); diese Ordination ließ sich Raimund vom Papst im folgendenJahr bestätigen, siehe BOP 2, S. 376f. (1398 VI 10).

30 III. Die Dominikanerobservanz

Konvente verlassen, jeden weiteren Kontakt mit der Außenwelt schränkte er mitdetailgenauen Vorschriften ein. Bei Zuwiderhandlung drohten den Frauenstrengste Strafen bis hin zu Kerker und Exkommunikation. Raimund übergab imJuli den Konvent an Konrad mit allen Vollmachten, um darin reformwilligeSchwestern aufzunehmen.97 Aus den Bewerberinnen wählte Konrad 13Schwestern aus, die zum größten Teil aus den umliegenden Klöstern kamen undaus Familien stammten, die in enger Beziehung zur habsburgischen Herrschaftstanden.98 Die Schwestern wurden der Seelsorge der Colmarer Brüder unterstelltund Konrad wurde beauftragt, eine Priorin einzusetzen. Bei der Einweihung imgleichen Jahr, bei der die Herzogin Katharina von Burgund anwesend war,ernannte Konrad die Priorin und ihre Stellvertreterin. Die ersten Beichtväter derSchwestern wurden die observanten Johannes von Witten und Dietrich vonWald.99 Konrad von Preußen erließ im November 1397 ebenfalls eine Ordinationfür die Neuordnung der Klausur, die den Erlaß Raimunds bekräftigte.100 Verstößegegen die Anordnungen sollten im schwersten Fall mit der Exkommunikationbestraft werden. Sogar Johannes Meyer, der selbst ein großer Anhänger derstrengen Observanz war, hielt einige Jahrzehnte später diese schweren Strafen fürübertrieben, und auch der spätere Generalmagister Konrad von Asti distanziertesich in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. von ihnen.101

Das Kloster Schönensteinbach erhielt in den folgenden Jahren durch denHerzog von Österreich und seine Frau Katharina von Burgund wiederholtfinanzielle Zuwendungen.102 Auch der Basler Bischof Humbert von Neuenburgförderte den observanten Konvent, indem er ihn im Jahr 1404 von aller

97 CORMIER, im Anhang § 33 (ohne Seitenzählung) (= DIETLER, S. 219-222). Siehe auchMEYER, Buch QF 2, S. 31. Konrad kehrte am Ende seines Lebens nach Schönensteinbachzurück und ließ sich nach seinem Tod 1426 im Chor von Schönensteinbach begraben, so DERS.,Buch QF 3, S. 23.98 HILLENBRAND, S. 246f.: die erste Priorin war Claranna von Hohenberg, deren Vater, GrafRudolf III., im Jahr 1381 seine ganze Grafschaft an den Herzog von Österreich verkauft hatte.99 MEYER, Buch QF 2, S. 36; QF 3, S. 20 zur engen Beziehung zwischen Johannes undKonrad, die beide in Schönensteinbach begraben sind. Dietrich von Wald hatte gemeinsam mitJohannes von Baden die Verhandlungen mit dem Abt von Marbach über die Übereignung desKlosters an den Predigerorden geführt, dazu MEYER, Buch QF 2, S. 29. Siehe auch QF 3, S.25; DIETLER, S. 301-303.100 REICHERT, in: MEYER, Buch QF 2, S. XV, Anm. 1 (Überliefert in BASEL UB, E III 13,fol. 29).

101 REICHERT, in: MEYER, Buch QF 2, S. XV, Anm. 1.

102 DIETLER, S. 228-231, 241, 282-286.

3. Das Scheitern der frühen Observanz 31

bischöflichen Jurisdiktion und Gewalt befreite.103 Im folgenden Jahr verzichteteauch das Basler Domkapitel auf seine noch bestehenden Rechte. Das Beispiel desKonvents Schönensteinbach zeigt, daß sich die Idee der Observanz in einem zudiesem Zweck neugegründeten Konvent viel einfacher verwirklichen ließ als ineinem traditionellen und konventualen Ordenshaus. Das Basler Bistum hatte in derEinführung der Observanz in der Teutonia eine ganz besondere Rolle gespielt:Sowohl der erste reformierte Brüderkonvent in Colmar als auch das erstereformierte Frauenkloster in Schönensteinbach befanden sich in dieser Diözese.

3. Das Scheitern der frühen Observanz

Nach über zehn Jahren Reformarbeit, begonnen auf dem Generalkapitel in Wien1388 bis zum Tod von Raimund von Capua 1399 und dem Verbot der Vikaredurch Bonifaz IX. im Jahr 1402, gab es genau drei Konvente in der Teutonia, dieerfolgreich reformiert worden waren: die beiden Brüderkonvente Colmar undNürnberg und der Frauenkonvent Schönensteinbach.104 Alle anderen Versuchewaren während der ersten Phase der Observanz mißlungen oder hatten im Fall derFrauenkonvente nur eine strengere Einhaltung der Klausur bewirkt.105 Bis zurVereinigung der beiden Obödienzen als einem Ergebnis des Konstanzer Konzils imJahr 1418 stagnierte die Reformbewegung. Im folgenden Jahr wurde Bernreformiert, und unter dem Ordensgeneral Bartholomäus Texerius wurdenzahlreiche Konvente der Observanz zugeführt und damit die erfolgreiche zweitePhase der Observanz eingeleitet.106 Seit 1426 wurde zügig ein Konvent nach demanderen zur Reform veranlaßt, so daß 1468 bereits die Hälfte der Schwestern- und

103 Zum Folgenden DIETLER S. 265-271.

104 Vgl. auch Abschnitt III 2.

105 LöHR vermutet für 1399 einen Reformversuch in Köln, der aber ohne greifbare Wirkungblieb, da der Prior Nikolaus Böckeler von Raimund von Capua umfangreiche Vollmachtenerhielt; Raimunds Assistent, Dietrich von Delft, scheint sich seit diesem Jahr dauernd in Kölnaufgehalten zu haben; ebd., Teutonia, S. 1.; dazu auch WALZ, S. 70. Weitere Reformversuchevon Frauenklöstern in Straßburg, St. Katharina in Nürnberg, Engeltal und Frauenaurach bis zuRaimunds Tod können nur als partiell erfolgreich gelten, da sie nicht zur vollen Observanzführten, dazu LöHR, Teutonia, S. 1; HILLENBRAND, S. 230.

106 Zu den Anordnungen des Ordensgenerals siehe LöHR, Teutonia, S. 53-63 (Nr. 6). EineOrdination von Texerius für die Nonnen von St. Katharina in Nürnberg bei VON KERN, Th.: DieReformation des Katharinenklosters in Nürnberg im Jahre 1428. In: 31. Jahresbericht d. Hist.Vereins Mittelfranken, Beilage I. Ansbach 1863, S. 1-20 (Nr. III). Siehe auch MEYER, Buch QF3, S. 68; LöHR, Teutonia, S. 2-8; S. 19-23; S. 53-63 (Nr. 6); MORTIER 4, S. 141-309; EGGER,S. 76-79; HILLENBRAND, S. 235, 265; NEIDIGER, Bernhard: Die Bettelorden im spätmittel-alterlichen Rheinland. In: Rheinische Vierteljahrsblätter 57 (1993), S. 50-74, hier S. 66-70.

32 III. Die Dominikanerobservanz

fast ebenso viele Brüderkonvente zur Reformpartei zählten107 und 1475 diegesamte Ordensprovinz Teutonia offiziell observant war.108 Die Reformer derzweiten Phase bezogen sich immer wieder auf die „Gründungsväter“ derObservanz und brachten ihnen große Verehrung entgegen,109 dennoch muß dieerste Phase der Ordensreform als gescheitert angesehen werden.110 Meyer undNider glaubten gar, den Hauptgegner der Reform ausgemacht zu haben: Es warder Teufel, der sich bekanntermaßen jedem guten Werk in den Weg stellte.111

In Anbetracht des großen Erfolgs der Observanz in ihrer zweiten Phase, nachdem Konstanzer Konzil, verwundert ihr Scheitern in der ersten Zeit um so mehr.Im folgenden sollen die Ursachen für den Mißerfolg der ersten Phase derObservanz untersucht werden, da Johannes Mulbergs Lebensweg davon nach-

107 REICHERT, in: MEYER, Buch QF 2, S. XVI.

108 LöHR, Teutonia, S. 16-19; er sieht darin „gewiß ein(en) großartige(n) Erfolg“, ebd. S. 17;vgl. auch HüBSCHER, Bruno: Die deutsche Predigerkongregation 1517-1520: Aufhebung,Kampf und Wiederherstellung. Freiburg / CH 1953, bes. S. 16f., 87-90. HILLENBRAND, S.271, gibt eine Übersicht über alle Konvente, die zwischen 1389 und 1475 reformiert wurden;ergänzend dazu die Übersicht für den Zeitraum 1389-1468 bei REICHERT, in: MEYER, Buch QF3, S. II-VI. Die letzten Konvente, die auch um 1500 noch konventual waren, aufgelistet beiNEIDIGER, Observanzbewegungen, S. 175.

109 Z.B. MEYER, Liber, S. 53-63.

110 Dieses Urteil steht in Widerspruch zu den Ansichten der älteren Ordenshistoriker, die dieFrühphase der Observanz gerne als großen Erfolg darstellten; so urteilt z.B. 1895 CORMIER, S.169, der im restlichen Werk um eine sachliche Darstellung bemüht ist: Brevi tempore quasi totusOrdo ad pristinum disciplinae fervorem revocatus, Raymundum tamquam secundum postDominicum merito habet, vocat, veneratur fundatorem et patrem. MORTIER wies auch auf denErfolg in Brüderkonvent in Utrecht hin, der aber in der Provinz Saxonia liegt und deshalb hiernicht weiter erwähnt wurde, ebd., Bd. 3, S. 549; sein Urteil fiel 1909 ähnlich euphorisch aus (S.545): Maître Raymond, et jusqu’ici tous les réformateurs de l’Ordre, ont été pour le retour auxobservances primitives, et il faut bien dire que leur œuvre, à tous, a produit des résultatsexcellents. Und auf S. 582: Il me semble, d’après les documents cités, que la réforme de MaîtreRaymond reproduisait la vie dominicaine dans son intégrité primitive. Aus der Sicht einesdominikanischen Mitbruders urteilte aber auch noch im Jahr 1980 EßER, Ambrosius O.P.:„Konrad de Grossis“. In: NDB 12, S. 540: „(Konrad von Preußens) Bedeutung liegt in derpraktischen Durchführung der Ordensreform, die den Orden in Deutschland rettete und die Blütespätmittelalterlicher Mystik ermöglichte.“ Dagegen die neuere Forschung, z.B. HILLENBRAND,S. 220: „(...) der Generalmagister des römischen Ordenszweiges (leitete) eine Reform (ein), diewenig Zustimmung fand.“ Ebd., S. 229, zum Anfang des 15. Jhs.: „Die Reformarbeit (...) hatteeinen kläglichen Ertrag gebracht.“ Ebenso ELM, Reformbemühungen, S. 9f.: „(...) die um 1390von Raimund von Capua zunächst ohne rechten Erfolg eingeleitete (Reform)“.

111 Eine detaillierte Beschreibung, wie er im Basler Kloster gewütet haben soll, gibt MEYER,Buch QF 3, S. 35f.

3. Das Scheitern der frühen Observanz 33

haltig beeinflußt wurde.112 Ein zentrales Anliegen der Observanzbewegung wardie erneute Diskussion des Armutsideals.113 Die ersten Reformer, unter derFührung von Konrad von Preußen in der Teutonia und Johannes Dominici inItalien, strebten nach strenger Armut. Darunter verstanden sie nicht strikteBesitzlosigkeit, sondern den Verzicht auf feste Einkünfte und Grundstücksbesitz.Diese Besitztitel sollten verkauft und der Erlös zum Nutzen des Konvents einge-setzt werden. Raimund forderte die freiwillige Armut mit dem Hinweis auf dasTestament des Dominikus, in dem angeblich der Fluch über alle Konvente mitBesitz enthalten sein sollte.114 Wie schwierig aber die Umsetzung der freiwilligenArmut war, zeigten die Auseinandersetzungen nach der Einführung der Observanzin Colmar.115 Die Forderung, die strenge Form der Armut zu beachten, wurde inder zweiten Phase der Bewegung fallengelassen; bereits bei der Reform in Bern inJahr 1419 spielte der Verzicht auf feste Einkünfte überhaupt keine Rolle mehr.116

Der Ordensgeneral Bartholomäus Texerius, der seit 1426 die Reform seinesOrdens vorantrieb, trat für eine gemäßigte Position in der Armutsfrage ein:Gemeinsamer Besitz sollte der Reform nützen und bereits bestehender Besitzwurde legalisiert.117 So sollte in Basel bei Einführung der Observanz ausdrücklichkein Besitz veräußert werden.118 Durch den Kompromiß in der Armutsfragehatten sich die Observanten den Konventualen in einem entscheidenden Punktangenähert. Nachdem Papst Sixtus IV. dem Orden im Jahr 1475, als die Teutoniaobservant wurde, erlaubte, Einkünfte jeder Art uneingeschränkt zu besitzen,

112 Selbst die jüngste Arbeit zur Dominikanerobservanz von NEIDIGER, Armutsbegriff, geht aufdiesen Punkt nicht weiter ein. Nur am Rande erwähnt ELM, Verfall, die Dominikanerobservanz.

113 Zum Folgenden ELM, Reformbemühungen, S. 15; LöHR, Mendikantenarmut, S. 417-425;ALCE, S. 341. HILLENBRAND, S. 264f., weist auch darauf hin, daß nach Einführung derReform in vielen Konventen die Vermögens- und Rechtsfragen neu geordnet werden, wie dieneu angelegten Kopialbücher aus dieser Zeit zeigen. NEIDIGER, Armutsbegriff, 120f.; einenÜberblick über Entwicklung und praktische Umsetzung des Arrmutsgebots bei FRANK, IsnardW.: Ordensarmut und missae speciales bei den spätmittelalterlichen Mendikantenorden. In:Hilberath, Bernd Jochen / Sattler, Dorothea (Hrsg.): Vorgeschmack. Ökumenische Bemühungenum die Eucharistie. Mainz 1995, S. 208-224; EGGER, S. 11f.

114 CORMIER, S. 117-119 (§ 23), hier S. 118. Vgl. auch Anm. 51. CREYTENS, a.a.O.

115 Dazu Abschnitt III 2.1.

116 NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 127; MEYER, Buch QF 3, S. 50; HILLENBRAND, S. 232.

117 Zum Folgenden LöHR, Teutonia, S. 2-8; S. 19-23; S. 53-63 (Nr. 6). Auch in Italien setztesich die strenge Armut, wie sie Dominici angestrebt hatte, nicht durch: Sein Schüler, Antonin vonFlorenz, nahm eine weitaus gemäßigtere Haltung in der Armutsfrage als sein Lehrer ein, dazuLöHR, Mendikantenarmut, S. 426f.; SPICCIANI, Amleto: Capitale e interesse tra mercatura epovertà nei teologi e canonisti dei secoli XIII-XV. Rom 1990, bes. S. 167f.; vgl. auchLAMBERMOND, S. 93f.

118 LöHR, Teutonia, S. 53-63; NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 128, vgl. auch S. 139-141.

34 III. Die Dominikanerobservanz

nahmen auch die Observanten dieses Privileg in Anspruch.119 In der zweitenHälften des 15. Jhs. rühmte Johannes Meyer im Rückblick wehmütig die einsthohen Ideale der ersten obervanten Brüder: oboedientia perfectior, paupertasstrictior et castitas purior.120

Die wenigen Observanten in der Teutonia standen einer überwältigenden Mehr-heit von Konventualen gegenüber. Eines der größten Probleme der Reformer warvermutlich ihre geringe Zahl. Konrad zog zu Beginn der Reform mit dreißigreformwilligen Brüdern in den Colmarer Konvent ein, so berichtete es jedenfallsMeyer.121 Diese Anzahl von überzeugten Brüdern wurde in den folgenden Jahrennicht größer, sondern sogar eher kleiner. Als Amtsinhaber werden nur einige undimmer die gleichen Brüder genannt. Für die erfolgreiche Reform der gesamtenOrdensprovinz war jedoch diese Gruppe von Observanten eindeutig zu klein. Siewaren zudem existentiell auf die Unterstützung und Förderung durch ihreübergeordneten Instanzen angewiesen. So kam die Observanz zwangsläufig zumErliegen, als Ulrich Theobaldi 1397 das Amt des Provinzials verlor und Raimundvon Capua 1399 verstarb. Auch der wiederholte, pflichtschuldige Hinweis auf dieBedeutung der tradierten Konstitutionen und der Regel, den die Provinzkapitel indieser Zeit gaben und mit der Anmerkung versahen, daß alle Fragen dort bereitsgeregelt seien, konnten der Observanz keinen neuen Schwung verleihen.122

Bonifaz IX. versuchte zwar noch halbherzig, den neuen Generalmagister Thomasvon Firmo zu verpflichten, weder in der Gegenwart noch in der Zukunft etwasgegen die Observanz zu unternehmen, aber dies blieb nur ein Wunsch des Papstes,der vom neuen Generalmagister nicht weiter beachtet wurde.123 Schon die WahlThomas’ von Firmo war ein Zeichen dafür, daß die strengen Observanten ihrenEinfluß eingebüßt hatten.124 Bereits während Raimunds Amtszeit war der Papstden Wünschen des Generalmagisters vermutlich nur gefolgt, um eine

119 NEIDIGER, Armutsbegriff, S. 139.120 MEYER, Chronica, S. 73.121 Siehe Abschnitt III 2.1.122 REICHERT, Akten, S. 288-331; zum Provinzkapitel in Köln von 1398, S. 294: Imprimiscum constituciones nostri ordinis sint fundamentum nostre religionis, patet, quod non est aliudponendum. Ebenso Ulm 1404, S. 302; Antwerpen 1401, S. 313; Augsburg 1402, S. 323.123 BOP 2, S. 415, Nr. 173, (1401 März 25); MEYER, Chronica S. 78; DIETLER, S. 245-248;KAEPPELI, Scriptores 4, S. 362-365, Nr. 3791-3804; vgl. auch MORTIER 4, S. 1-84.124 Ebenso KOUDELKA, Heinrich, S. 29; und BAILEY, S. 35, mit Hinweis auf die Feindschaftzwischen Thomas und Johannes Dominici. WOLFS, Servatius P.: Die Reise des OrdensmeistersThomas von Fermo in die nördlichen Niederlande (Frühjahr 1403). In: AFP 48 (1978), S. 77-85, versucht hingegen, Thomas als strikten Observaten darzustellen, was ihm jedoch nichtüberzeugend gelingt. BARTHELMé, S. 39, spricht sogar von einem Kampf Thomas’ gegen dieObservanten, der noch aus der Zeit stamme, als er Provinzial der Lombardei gewesen sei undDominici dort Konvente der Observanz zugeführt habe: „Entre lui (Thomas) et l’observance,c’était la lutte sans merci (...).”

3. Das Scheitern der frühen Observanz 35

Abwanderung des römischen Ordenszweigs zum Gegenpapst zu verhindern. NachRaimunds Tod war Bonifaz deshalb auch rasch bereit, auf Drängen des neuenOrdensgenerals Thomas im April 1402 das Amt des Vikars generell abzuschaffenund dafür die Zuständigkeit der Provinziale wieder zu betonen. Dies bedeutete dasEnde für die Observanz, da damit automatisch auch Konrad aus dem Amtgestoßen und ihm seine Rechte entzogen wurden.125 Konrad war seit Beginn des15. Jhs. schwer erkrankt und zog sich resigniert vor den Gegnern der Observanz,die inzwischen die Macht im Orden übernommen hatten, als Seelsorger in dieAbgeschiedenheit des Frauenklosters Schönensteinbach zurück.126

Ein großer Nachteil für die erste Phase der Observanzbewegung bestand darin,daß sie in die Zeit des Großen Schismas fiel. Raimund von Capua wurde vonseiten der Konventualen immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, die Reformspalte den bereits durch das Schisma zerrissenen Orden ein weiteres Mal. In einemBrief vom März 1395 erwiderte er, jeder Orden sei stets in vollkommenere undweniger vollkommene Brüder unterteilt.127 Die Behauptung, diejenigen, die denKonstitutionen folgten, würden den Orden spalten, bedeute, daß diejenigen, die denOrden bildeten, ihn auch spalteten, quod est clare contradicere sibi ipsi.128 Abererst das Ende des Schismas konnte die potentielle Gefahr einer weiteren Spaltungdes Ordens endgültig abwenden: Nachdem sich die beiden Obödienzen des Ordenswieder vereint hatten, erlebte die Reform ihren Durchbruch.

Die konventualen Prioren fürchteten aber nicht nur die fortgesetzte Spaltungihres Ordens, sondern fühlten sich durch die Ernennung von Vikaren für einzelneKonvente immer häufiger in ihren Rechten eingeschränkt. Ebenso geriet derProvinzialprior in bezug auf seine Rechte in Konkurrenz zum observantenGeneralvikar. Die vom Generalmagister eingesetzten Vikare konnten zudem nichtvom Generalkapitel turnusgemäß abgesetzt und damit kontrolliert werden. Bereitsauf dem Generalkapitel in Ferrara 1391 hatten die Konventualen auf dieAbsetzung Konrads von Preußen gedrängt.129 Diese Forderung verstummte auchin den folgenden Jahren nicht, und deshalb wandten sich Konrad und JohannesDominici im April 1397 mit der Bitte um Klärung an den Papst. Bonifaz IX. erließdaraufhin eine Bulle, in der er das Reformwerk Raimunds und der observantenBrüder bestätigte und jede Einmischung und Behinderung bei Strafe derExkommunikation verbot. Die Generalvikare dürften nur vom Papst oder demamtierenden Generalmagister abgesetzt werden.130 Diese Anweisung wurde auf

125 BOP 2, S. 445 (1402 April 27).

126 MEYER, Liber, S. 57f.; DERS., Buch QF 3, S. 23f.

127 CORMIER, S. 84-94 (§ 14).

128 CORMIER, S. 84-94 (§ 14), hier S. 89f.

129 Dazu Abschnitt III 2.1.

130 BOP 2, S. 362 (1397 April 9) (= MORTIER 3, S. 572f., Anm. 1); vgl. auch DIETLER, S.

36 III. Die Dominikanerobservanz

dem Generalkapitel in Frankfurt an Pfingsten 1397 öffentlich verlesen. Der Ordengelobte pflichtschuldig, dem Papst in allem zu gehorchen und alle Anordnungendes Generalmagisters zur Einführung der Observanz zu befolgen und zu fördern,da sonst die von Bonifaz IX. in Aussicht gestellte Exkommunikation drohe.131 DieAnfeindungen Konrads hatten auch nach dem Kapitel nicht aufgehört, denn bereitsim Juli 1397 mußte der Generalmagister erneut bestätigen, daß Konrad rechtmäßigdas Amt des Generalvikars ohne Unterbrechung bekleide, da die vorgenommeneAmtsenthebung der Vikare durch das Kapitel für Konrad nicht gelte.132 IhreRechte sahen die Prioren aber nicht nur durch die observanten Vikare beschnitten,sondern auch durch das Eingreifen von observanten Brüdern in den jeweiligenKonventen, die während der Einführung der Reform plötzlich über die internenBelange eines Konvents entschieden. Sie empfanden diese Brüder als fremd, alieni,und wehrten sich gegen deren Einflußnahme.133

Seit 1390 war zudem in der Teutonia ein Machtkampf um die Leitung derProvinz entbrannt. Im April 1390 hatten Ulrich Theobaldi und Nikolaus Böckelergemeinsam mit dem Generalprokurator und dem Sekretär des Ordensgenerals denamtierenden Provinzialprior der Teutonia, Petrus Engerlin, von seinem Amtentbunden.134 Wenige Tage nach Engerlins Absetzung wurde Theobaldi mitGeneralvollmacht ausgestattet und zum Vikar der Provinz ernannt, auf demKapitel in Worms zum Provinzial gewählt und im November desselben Jahres indiesem Amt bestätigt.135 Zwischen Theobaldi und Engerlin scheint eine persönlicheFeindschaft bestanden zu haben – vermutlich schon vor der Absetzung Engerlins.Im Jahr 1395 bildete sich um Engerlin eine Gruppe, die nun im Gegenzug UlrichTheobaldi als amtierenden Provinzialprior stürzen wollte, was ihr aber erst zweiJahre später gelang. Raimund von Capua beauftragte im Mai 1395 Adam vonGladbach,136 eine Liste mit Anklagepunkten zu überprüfen und ein gerechtes

218f.

131 MOPH 8, S. 93-102, hier S. 100.

132 CORMIER, S. 131f. (§ 27).

133 CORMIER, S. 133-139 (§ 28), i.e. eine Liste von ausgewählten Stellungnahmen Raimundszu den häufigsten Kritikpunkten an der Reform, vermutlich kurz vor seinem Tod 1399 aufge-zeichnet.

134 REICHERT, Registrum, S. 9f. (1390 April 11, April 26) (= KAEPPELI, Registrum, S. 133f.,Nr. T 85, 91); vgl. auch REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 83-87. Petrus Engerlin hatte dasAmt in den Jahren 1384-1390 und 1399-1402, Ulrich Theobaldi von 1390-1398 inne, dazuMEYER, Chronica, S. 72.

135 Zur Ernennung zum Vikar siehe REICHERT, Registrum, S. 10 (1390 April 26) (=KAEPPELI, Registrum, S. 134, Nr. T 92); zur Wahl zum Provinzial siehe VON LOë, S. 15 (Nr.36), 36; zur Bestätigung im Amt siehe REICHERT, Registrum, S. 11 (1390 Nov. 11) (=KAEPPELI, Registrum, S. 135f., Nr. T 117).

136 Adam stammte aus dem Kölner Konvent (deshalb häufig Adam von Köln), im Jahr 1395

3. Das Scheitern der frühen Observanz 37

Urteil zu fällen.137 Bestätigten sich die Vorwürfe, solle er Theobaldi zum Rücktrittbewegen; würde dieser nicht einwilligen, könne Adam ihn auch zwangsweise vonseinem Amt entbinden. Für den Fall, daß die Teutonia dadurch zeitweilig ohneProvinzial sei, wurde Adam zum Vikar mit Generalvollmacht ernannt. Es gelangaber Adam in der Folge nicht, den Streit zu schlichten. Raimund bestätigte nocham 22. November Ulrich Theobaldi als verum provincialem der Teutonia undbefahl allen Brüdern der Ordensprovinz, ihm zu gehorchen.138

Der Konflikt scheint aber der Ordensleitung zunehmends entglitten zu sein,denn nur zwei Tage später, am 24. November, ordnete Raimund an, daßdiejenigen Prioren, die inzwischen mit Adam gegen den Provinzial Partei ergriffenhatten, Theobaldi bis zu seiner, d.h. Raimunds, persönlichen Ankunft in derProvinz nicht zum Rücktritt zwingen könnten.139 Wenige Tage später ernannteRaimund den Widersacher Theobaldis, Petrus Engerlin, zum Vikar der NationSchwaben und ordnete an, daß Engerlin nicht durch den noch amtierendenProvinzial, also Theobaldi, des Amtes enthoben werden könne.140 Wer dem Kreisangehörte, der sich um Adam gegen Theobaldi scharte, bleibt im dunkeln. Ebensoist unklar, was danach geschah, denn das Ordensregister verzeichnet nur, daß zweiJahre später, im Dezember 1397, Theobaldi von Raimund ohne Angabe vonGründen offiziell entlassen wurde.141 Bis zur Wahl eines neuen Provinzials wurdePetrus Florin Vikar mit Generalvollmacht für die Teutonia.142 Theobaldi wurdekurz darauf Vikar des Predigerkonvents und der Schwesternkonvente in Basel,wohl um dort 1398 einen Reformversuch einzuleiten, von dem aber nichts weiter

wurde er Inquisitor der Kölner Diözese, Vikar der Teutonia und Vikar der Natio Brabantiae; 1397wurde er Prior des Kölner Konvents; dazu REICHERT, Registrum, S. 16 (1395 Mai 20) (=KAEPPELI, Registrum, S. 141, Nr. T 168); ebd., S. 18 (1395 Nov. 22 und 24) (= KAEPPELI,Registrum, S. 143, Nr. T 190; 193), ebd., S. 23 (1397 Dez. 24) (= KAEPPELI, Registrum, S.148f., Nr. T 238); von 1402-1408 war er Provinzial (VON LOë, S. 15). Vgl. auch REICHERT,Zur Geschichte RQ 14, S. 88f.

137 Zum Folgenden REICHERT, Registrum, S. 16 (1395 Mai 20); ebd., Anm. 2. (= KAEPPELI,Registrum, S. 141, Nr. T 168). Die Liste der Anklagepunkte ist nicht überliefert.

138 REICHERT, Registrum, S. 17 (1395 Nov. 22) (= KAEPPELI, Registrum, S. 142, Nr. T 181-184).

139 REICHERT, Registrum, S. 18 (1395 Nov. 24) (= KAEPPELI, Registrum, S. 143, Nr. T194).

140 REICHERT, Registrum, S. 18 (1395 Nov. 27) (= KAEPPELI, Registrum, S. 143, Nr. T195).

141 REICHERT, Registrum, S. 23 (1397 Dez. 24) (= KAEPPELI, Registrum, S. 148f., Nr. T238).

142 REICHERT, Registrum, S. 26 (1398 Febr. 26) (= KAEPPELI, Registrum, S. 151, Nr. T258).

38 III. Die Dominikanerobservanz

bekannt ist.143 Diese Maßnahme Raimunds zeigt, daß er in Theobaldi einenBefürworter der Reform sah. So hatte der Generalmagister bereits 1395 gehofft,Theobaldi sei in der Lage, in Würzburg Johannes Mulberg wieder in sein Amt alsPrior einzusetzen, nachdem dieser von den Konventualen aus dem Klostervertrieben worden war.

Im Herbst des Jahres 1398 wurde Florin zum neuen Provinzial gewählt,144 erverstarb aber bereits im folgenden Jahr. Danach gelang es Petrus Engerlin, von1399 bis 1402 das Amt des Provinzials zu übernehmen. Jahrelang waren alsoführende Brüder der Teutonia – vor allem Ulrich Theobaldi, Petrus Engerlin undAdam von Gladbach – mit dem Ringen um die Vormacht in der Provinz und demAustragen von persönlichen Feindschaften beschäftigt.

Die Observanten in der Teutonia hatten an der Wende zum 15. Jh. mit einerVielzahl von Widerständen zu kämpfen: Nach außen standen sie in Opposition zurüberwältigenden Mehrzahl der Brüder, die konventual waren; innerhalb ihrerOrdensprovinz tobte ein Machtkampf, der wenig Platz für das Anliegen derReform ließ; und das Schisma hatte den Orden bereits in zwei Obödienzengespalten. Deshalb mußte ihr ehrgeiziges Projekt, die Reform der Provinz Teutonia– oder am besten des ganzen Ordens – durchzuführen, scheitern.

143 REICHERT, Registrum, S. 26f. (1398 April 11) (= KAEPPELI, Registrum, S. 152, Nr. T267). NEIDIGER, Selbstverständnis, S. 75.

144 REICHERT, Registrum, S. 32 (1398 Sept. 5) (= KAEPPELI, Registrum, S. 158, Nr. T 315).Florin wurde im reformierten Colmarer Konvent begraben, dazu REICHERT, Zur Geschichte RQ14, S. 87.

IV. Der Basler Beginenstreit

1. Überblick zum Beginen- und Begardentum

Seit dem 13. Jh. waren sowohl in zahlreichen Städten wie Köln, Konstanz, Straß-burg und Basel1 als auch auf dem Land religiöse Laien anzutreffen, dienachträglich unter dem Sammelbegriff Beginen und Begarden zusammengefaßtwurden und seit längerem das Interesse der Forschung gefunden haben.2 Von

1 Für Basel erfolgt die erste urkundliche Erwähnung einer Begine im Jahr 1271, vgl. URKUN-DENBUCH BASEL 2, S. 41f., Nr. 73; vermutlich gab es aber bereits seit der Mitte des 13. Jhs.Beginen, vgl. JAFFé, Philippe (Hrsg.): Annales Colmarienses maiores a. 1277-1472. In: Perz,Georg Heinrich (Hrsg.): Annales aevi Suevici. Stuttgart 1861 (MGH SS 17), ad a. 1282, S.209: Begina virgo devota, ut dicebatur, 30 annos habitum deferens religiosum, in Basilea laqueose suspendit. Begarden sind seit dem Ende des 13. Jhs. nachweisbar, dazu HS IX/2, S. 200.

2 Das Beginen- und Begardenwesen stellte erstmals 1790 MOSHEIM, De Beghardis et Beguin-abus commentarius, in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Im 19. Jh. wandte sich SCHMIDT, Charles[= Carl]: Die Strassburger Beginenhäuser im Mittelalter. In: Alsatia N.F. (1858-1861), S. 142-248, dieser Lebensform und HAUPT, Beiträge (1885), häresiegeschichtlichen Fragestellungenzu. Regionalgeschichtliches Interesse bestimmte die Arbeiten über das Schweizer und das KölnerBeginentum, die während der ersten Jahrzehnte des 20. Jhs. entstanden, so MEIER, Gabriel: DieBeginen in der Schweiz. In: ZSKG 9 (1915), S. 23-34; 119-133, und ASEN, Johannes: DieBeginen in Köln. In: AHVN 111 (1927), S. 81-180; 112 (1928), S. 13-96; DERS.: DieBegarden und Sackbrüder in Köln. In: AHVN 115 (1929), S. 167-179. Eine Verbindung zurFrömmigkeitsbewegung im 12. Jh. im Hinblick auf den belgisch-niederländischen Raum schufals erster GREVEN, Joseph: Die Anfänge der Beginen: Ein Beitrag zur Geschichte derVolksfrömmigkeit und des Ordenswesens im Hochmittelalter. Münster 1912. Grundlegend fürdie Erforschung des Beginentums sind immer noch die Arbeiten GRUNDMANNs, ReligiöseBewegungen (1935) sowie DERS., Zur Geschichte der Beginen im 13. Jahrhundert. In: AKG 21(1931), S. 296-320, in denen er einen Zusammenhang mit der Geschichte der Ketzerei und demEntstehen der Bettelorden aufzeigte. Darauf aufbauend entstanden eine Vielzahl von Einzelunter-suchungen, von denen hier nur einige der wichtigsten genannt werden sollen: zu StraßburgPHILLIPS, Dayton: Beguines in Medieval Strasburg: A Study of Social Aspect of Beguine Life.Ann Arbor / MI 1941, und PATSCHOVSKY, Straßburg (1974); eine Zusammenfassung derForschungsprobleme mit dem Schwerpunkt Niederlande von MENS, Alcantara: Oorsprong enbetekenis van de Nederlandse Begijnen- en Begardenbeweging, vergelijkende Studie: XIIdeXIIIde eeuw. Antwerpen 1947, und Belgien von MCDONNELL (1954); zum MittelrheinNEUMANN, Eva Gertrud: Rheinisches Beginen- und Begardenwesen. Meisenheim 1960; zuFrankfurt SPIES, Martina: Beginengemeinschaften in Frankfurt am Main: Zur Frage der genos-

40 IV. Der Basler Beginenstreit

ihren Zeitgenossen wurden sie häufig Brüder und Schwestern, Konversen oderdeo devotae genannt. Diese laikale Lebensform wählten sehr viel weniger Männerals Frauen. Seit dem 14. Jh. geriet das Beginentum wiederholt unter Häresie-verdacht, der häufig in Verfolgungen einmündete, wie Alexander Patschovskyexemplarisch für Straßburg gezeigt hat.3 Eine wichtige Etappe im Ringen um eineUnterscheidungsmöglichkeit zwischen rechtgläubigen und häretischen Beginen undBegarden bildete das Vienner Konzil 1311/12, dessen Beschlüsse zwar keine klarenRichtlinien enthielten, aber einen Klärungsprozeß in Gang setzten, der jahrzehnte-lang andauern sollte.4 In der Dekretale Cum de quibusdam5 wurde der statusBeguinarum verboten, da seine Anhängerinnen weder ein Gelübde abgelegt, nocheine approbierte Regel angenommen hätten und sich mit dem Tragen eines Habitsden Stand der Religiosen anmaßten. Dieses strikte Verbot wurde jedoch imSchlußsatz für diejenigen Frauen, die ein frommes und ehrenwertes

senschaftlichen Selbstorganisation von Frauen im Mittelalter. Dortmund 1998; zu Mittel- undNorddeutschland siehe auch NORDSIEK, Hans: Vom Beginenhaus zum Armenhaus: ZurGeschichte der Mindener Beginen (1295-1839). In: Mitteilungen des Mindener Geschichts-vereins 61 (1989), S. 19-44; PETERS, Günther: Norddeutsches Beginen- und Beghardenwesen.In: NdsJb 41/42 (1969/70), S. 50-118; zu Holland NüBEL, Otto: Mittelalterliche Beginen- undSozialsiedlungen in den Niederlanden. Tübingen 1970, und KOORN, Florence W.: Begijnhovenin Holland en Zeeland gedurende de Middeleeuwen. Assen 1981; im Hinblick auf den geistes-geschichtlichen Hintergrund LERNER (1972) und SCHMITT, Mort (1978); zu Hildesheim HOTZ,Brigitte: Beginen und willige Arme im spätmittelalterlichen Hildesheim. Hildesheim 1988; diewichtigsten Arbeiten zu Basel stammen von DEGLER-SPENGLER, Beginen in Basel (1969/70),NEIDIGER, Mendikanten (1981), und PATSCHOVSKY, Beginen (1993). Ein allgemeinerÜberblick über die Geschichte des Beginentums in seinen vielfältigen Organisationsformen, dermöglichen Verklösterlichung der Gemeinschaften und dem Wandel im Laufe der Jahrhundertefindet sich in den neueren Arbeiten, mit zahlreichen Beispielen aus dem Bodenseeraum beiWILTS (1994), bes. S. 35-45, 217-222, zum ländlichen Beginentum S. 239-267; und mit einerZusammenfassung der Forschung und einem systematischen Überblick mit Schwerpunkt aufdem Schweizer Raum in HS IX/2: Die Beginen und Begarden in der Schweiz (1995). EineZusammenstellung von überwiegend bereits publizierten Aufsätzen bietet der jüngsteSammelband von WEHRLI-JOHNS / OPITZ. Vgl. in diesem Band besonders die Einleitung vonWEHRLI-JOHNS und zum Ungleichgewicht zwischen Beginen und Begarden SPIES, Martina:Stiftungen für Beginengemeinschaften in Frankfurt am Main – Ein Austausch zwischen Beginenund Bürgerschaft, S. 139-167, hier S. 160-163.

3 PATSCHOVSKY, Straßburg (1974). Eine neue, umfassende Studie zu Straßburg bereitet SigridSchmitt (Mainz) derzeit zu Stiftsdamen, Klosterfrauen und Beginen vor.4 TARRANT, Jacqueline: The Clementine Decrees on the Beguines: Conciliar and PapalVersions. In: AHP 12 (1974), S. 300-308; POLONYI, Andrea: Synodale Gesetzgebung in derKirchenprovinz Mainz, dargestellt an der Beginenfrage. In: RottJbKG 5 (1986), S. 33-51;GRUNDMANN, Religiöse Bewegungen, S. 436-438; MCDONNELL, S. 521-538; SOUTHERN, S.328-331; KIECKHEFER, S. 19-22.5 Clem. 3.11.1, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed. Conc.Oecumen. Decreta, S. 374).

1. Überblick zum Beginen- und Begardentum 41

Gemeinschaftsleben führten, wieder aufgehoben. Gleichzeitig wurden in Adnostrum6 acht Irrtümer der sogenannten freigeistig-häretischen Begarden undBeginen zusammengestellt und verurteilt. Sie wurden in der Folgezeit bei jederAuseinandersetzung um die Unrecht- oder Rechtmäßigkeit des Beginenstatus vonden Zeitgenossen als Instrument der Klärung angeführt. Die Vienner Beschlüssezogen eine Verfolgungswelle der Beginen und Begarden nach sich, die in denJahren von 1318 bis 1321 auch Basel erfaßte.7 Um erneute Verfolgungenabzuwenden, sollten die Beginen und Begarden organisatorisch enger an die Ordengebunden werden. Dies geschah, indem sie der Regel des Dritten Ordens, meistderjenigen der Franziskaner, unterstellt wurden, die speziell für Laien konzipiertworden war.8 Die nicht-inkorporierten Gemeinschaften folgten häufig derAugustinusregel und erhielten die Seelsorge von den Dominikanern.9 Insgesamtzeichnete sich die weibliche Frömmigkeitsbewegung durch eine ungewöhnlicheFlexibilität aus. Dies führte aber dazu, daß die Übergänge zwischenBeginensamnungen und Drittordenskonventen meist fließend waren und diesenachträglich oft nur annähernd einzuordnen sind.10 Es gab aber auch weiterhinsogenannte „freie“ Beginen, die einzeln oder gemeinschaftlich lebten, sich keinemOrden anschlossen und die Seelsorge von den Säkulargeistlichen erhielten.Zu Beginn des 15. Jhs. hingen nur noch sehr wenige Begarden dieser laikalen

6 Clem. 5.3.3, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1183f. (= Concilium Viennense, decr. 28, ed. Conc.Oecumen. Decreta, S. 383f.).7 WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 233-237; RIPPMANN, Dorothee: Archäologie undFrauengeschichte? Beginenverfolgung und Franziskaner im 14. Jahrhundert. HistorischeAspekte eines archäologischen Befunds in Basel. In: Auf den Spuren weiblicher Vergangenheit(4. Schweizerische Historikerinnentagung). Zürich 1988, S. 95-106; VILLIGER, Johann B.: DasBistum Basel zur Zeit Johannes XXII., Benedikts XII. und Klemens VI. (1316-1352). Rom1939; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 25-28; GREIDERER, Germania Franciscana 2,S. 608f.; sehr ausführlich in HS IX/2, S. 202-204; ebd., S. 201 der Hinweis auf einen Häresie-verdacht, der bereits 1290 Beginen und Begarden in Basel traf. Auch den Verfolgungen zuBeginn des 15. Jhs. gingen rechtliche Neuregelungen voraus, dazu VON HEUSINGER, Sabine:Beginen am Mittel- und Oberrhein zu Beginn des 15. Jahrhunderts. In: ZGO 148 (2000) (imDruck), bes. Anm. 84f.8 Für die Basler Verhältnisse siehe DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 45-55;NEIDIGER, Mendikanten, S. 99-105, dort auch weiterführende Literatur. HS IX/2, S. 9, die erstesoror tertie regule in Basel ist 1323 nachzuweisen, dazu ebd., S. 194; vgl. auch DEGLER,Brigitte: Drei Fassungen der Terziarenregel aus der Oberdeutschen Franziskanerprovinz. In: AFH62 (1969), S. 503-517.9 Die Existenz einer Drittordensregel des Dominikanerordens (sogenannte Muñio-Regel) vordem 15. Jh. bestreitet WEHRLI-JOHNS, Dominikanerobservanz; an dieser Stelle möchte ich FrauWehrli-Johns danken, die mir ihren Beitrag bereits vor Drucklegung zur Einsicht überließ; imfolgenden wird nach dem unveröffentlichten Manuskript zitiert.10 Dem Sprachgebrauch der Helvetia Sacra IX/2 folgend werden Häuser von ordensunge-bundenen Beginen als Samnungen, von Terziarinnen als Konvente bezeichnet.

42 IV. Der Basler Beginenstreit

Lebensform an, aber um so mehr Beginen, die sich fast alle einem Bettelordenangeschlossen hatten.11 Neben der Drittordensregel bestimmten die Hausregeln,welche die jeweiligen Stifter bei der Gründung der einzelnen Hausgemeinschaftenerlassen und in denen sie eine eventuelle Ordensbindung festgelegt hatten, dasLeben der Beginen entscheidend.12 Um 1400 gab es wohl zwanzig Beginen- undzwei Begardenhäuser in Basel. Sechs Beginenhäuser waren den Predigern und elfden Barfüßern unterstellt, vermutlich stand das Haus der Münzmeisterin ebenfallsden Dominikanern nahe.13 Das sogenannte Dechans-Haus war seit seinerGründung ohne Ordenszugehörigkeit geblieben,14 und bei einem weiteren Haus istdie Zugehörigkeit unklar.15 Außerdem gab es zwei Begardenhäuser in Basel, abernur bei einem Haus ist seine Existenz nach 1400 gewiß.16 Vielleicht gab es auchnoch einige, wenn auch wenige, „freie“ Beginen, die sich keinemkonventähnlichen Haus zuordnen lassen.17 Die Frauen und Männer stammten zudiesem Zeitpunkt zum größten Teil aus dem Basler Umland und gehörten ärmerenSchichten an.18 Das bedeutet, daß sie ohne Besitz und in der Stadt nicht mehrsozial integriert waren.19 Schätzungen gehen für Basel im Jahr 1400 bei rund 10000 Einwohnern von annähernd 400 Beginen aus, die zum allergrößten Teil inBeginenhäusern lebten.20

Auseinandersetzungen um Beginen waren seit dem 14. Jh. nichts Ungewöhnliches.

11 Davon gehen auch WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 804, und NEIDIGER, Mendikanten,S. 127f., aus.12 Die überlieferten Gründungs- und Statutenurkunden für Basel wurden ediert von DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 70, Anhang C, S. 53-83; vgl. auch HS IX/2, S. 198.13 HS IX/2, S. 238f.; bei der Namensgebung der Häuser folge ich dem Band HS IX/2.14 Da HS IX/2, S. 192-241, hier S. 192, überwiegend auf den Vorarbeiten von DEGLER-SPENGLER, Beginen, basiert, ist diese frühere Arbeit immer noch grundlegend; zu den einzelnenHäusern vgl. DIES., Beginen BZGA 70, S. 52f., 79-82; das Dechans Haus muß mindestens bis1408 von Beginen bewohnt worden sein, da von 1405-1408 Anna de Constantia als Meisterinbelegt ist, siehe ebd., S. 53; ergänzend zu den einzelnen Häusern vgl. HS IX/2, S. 222-241.15 Das Alte Spital zu St. Leonhard, dazu DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 70, S. 41; HSIX/2, S. 229f.16 DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 76; HS IX/2, S. 232f., zum Haus zu denWilligen Armen in der St. Johannvorstadt, das zuletzt 1363 urkundlich belegt ist; S. 239f., zumHaus zu den Willigen Armen in der neuen Vorstadt, das dem Beginenstreit 1409 zum Opfer fiel.17 DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 70, S. 101f.18 DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 65; in Anlehnung daran HS IX/2, S. 195.19 DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 67.20 Die Schätzungen folgen der Darstellung des Forschungsstandes bei DEGLER-SPENGLER,Beginen BZGA 69, S. 40-42. Sie verweist für die Zeit um 1400 für Köln auf weit über 1000, fürMainz auf etwa 60 und für Straßburg auf rund 600 Beginen; ihr folgt HS IX/2, S. 194.WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 804, geht von knapp 30 Beginenhäusern in Basel aus, vgl.dazu Abschnitt IV 5.2.

1. Überblick zum Beginen- und Begardentum 43

Aber nur in Basel gipfelten sie darin, daß alle Frauen am Ende der Ausein-andersetzungen aus der Stadt verjagt wurden. Hier wurde das Beginentum alsgemeinschaftliche Lebensform vollständig und endgültig zerschlagen. In denbekannten Fällen agierten in aller Regel die Bettelorden in der Beginenfragegemeinsam gegen den Säkularklerus, der wirtschaftliche Nachteile befürchtete,wenn Beginen und Begarden sich in die Seelsorge der Mendikanten begaben. InBasel standen nur die Franziskaner ohne Unterbrechung auf der Seite der Beginen;gegen sie kämpften der Bischof, der Säkularklerus und überraschenderweise auchdie Augustiner-Eremiten und die Mehrheit der Dominikaner. Der Rat wargespalten, er fällte aber seine Entscheidungen letztendlich im Sinn der Gegner derFrauen. Als Anführer der Beginengegner trat der Dominikaner Johannes Mulbergauf.

Der Beginenstreit wurde bisher mehrfach im Rahmen von Arbeiten zu Baselsmittelalterlicher Geschichte behandelt – eine monographische Darstellung desThemas gibt es bislang nicht. Die älteste umfangreichere Bearbeitung legte 1580Christian Wurstisen in seiner Baßler Chronick vor.21 Sie wird immer noch für jedeUntersuchung herangezogen, da sie, neben seiner Auswertung der BaslerHandschrift A IX 21,22 wohl auf Quellen basiert, die heute nicht mehr erhaltensind. Zudem sind seine Vorarbeiten,23 die nur zum Teil identisch mit der Chroniksind, zu beachten. Beide Werke müssen durch weitere Zeugnisse, sofern diesmöglich ist, ergänzt werden, da Wurstisen nicht immer ein zuverlässiger Chronistwar. Um die Wende vom 18. zum 19. Jh. entstand die mehrbändige Geschichteder Stadt Basel von Peter Ochs, der die chronikalische Überlieferung mitzahlreichen Anekdoten mischte.24 Eine erste Aufzählung der Basler Beginenhäusergab im 19. Jahrhundert Daniel A. Fechter.25 Zu Beginn unseres Jahrhundertsverfaßte Rudolf Wackernagel seine noch heute grundlegende Stadtgeschichte.26

Aus der Sicht der Basler Prediger stellte Georg Boner27 den Streit dar, wobei er

21 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 202-213, 216-220.

22 Überliefert in BASEL UB; vgl. auch Abschnitt VI, Anm. 1.

23 Erhalten in BASEL UB, A λ II 14, Bl. 336-351.

24 OCHS, Geschichte der Stadt und Landschaft Basel 3, S. 35-102.

25 FECHTER, Daniel A.: Topographie mit Berücksichtigung der Kultur- und Sittengeschichte inBasel im 14. Jahrhundert. Basel 1856, S. 1-146.

26 Zum Beginenstreit WACKERNAGEL, Geschichte 2,2 (1916), S. 800-809, 164*-166*; vgl.auch STüDELI, Bernhard E. J.: Minoritenniederlassungen und mittelalterliche Stadt. Beiträge zurBedeutung von Minoriten- und anderen Mendikantenanlagen im öffentlichen Leben der mittel-alterlichen Stadtgemeinde, insbesondere der deutschen Schweiz. Werl 1969, S. 33-36, 80f., 85,98, 116-118.

27 BONER, BZGA 33 und 34, zum Basler Beginentum Bd. 34, S. 132-137, zum BeginenstreitS. 137-143.

44 IV. Der Basler Beginenstreit

als erster das unpublizierte Material des Faszikels Prediger N 5 auswertete.28

Brigitte Degler-Spengler ergänzte den bekannten Forschungsstand durch das vonihr erstmals erfaßte und bereitgestellte Material zum Basler Beginen- undBegardentum29 und zog zehn Jahre später eine Bilanz der neueren Forschung.30

Den stadt- und regionalgeschichtlichen Ansatz ließ Jean-Claude Schmitt zugunsteneiner mentalitätsgeschichtlichen Fragestellung beiseite.31 Er vertrat die spannendeThese, um das Jahr 1400 habe ein einschneidender Wechsel in der Polemik gegenBeginen und Begarden stattgefunden: Bis zu diesem Zeitpunkt seien sie alspotentielle Ketzer attackiert worden, danach habe man ihnen primär vorgehalten,zu betteln statt zu arbeiten. Einige Jahre später gelang es Bernhard Neidiger, diewirtschaftlichen Verflechtungen der Bettelorden mit den städtischen Gruppen aufeiner breiten Quellenbasis transparent zu machen und damit diejenigen zubenennen, die von den Beginen profitierten. Die Dominikaner hatten seit dembeginnenden 14. Jh. ihre enge Verbindung mit den Beginen gelockert undbetreuten sie in den meisten Fällen nur noch seelsorgerisch, eine wirtschaftlicheHilfsfunktion für die Prediger hatten die Dominikanerinnen im Kloster Klingentalübernommen.32 Bei den Barfüßern hingegen wurde das Vermögen des Männer-konvents bis in die 1380er Jahre von der sogenannten Regelmeisterin verwaltet,33

28 Überliefert in BASEL STA.

29 DEGLER-SPENGLER, Beginen in Basel (1969/70), hier S. 32-39. Eine Rezension dieserArbeit mit Forschungsüberblick zum Basler Beginentum von ELM, Kaspar: Klarissen undBeginen in Basel: Basler Beiträge zur Helvetia Sacra. In: FDA 90 (1970), S. 316-332.

30 DEGLER-SPENGLER, Brigitte: Der Beginenstreit in Basel 1400-1411. Neue Forschungs-ergebnisse und weitere Fragen. In: D’Alatri, Mariano (Hrsg): Il movimento francescano dellapenitenza nella società medioevale (Atti del 3 Convegno di Studi Francescani, Padova Settembre1979). Rom 1980, S. 95-105. (Eine Zusammenfassung dieses Artikels gibt DIES.: Le contro-versie sulle beghine a Basilea 1400-1411, nuovi risultati della ricerca ed ulteriori punti dachiarire. In: L’Italia Francescana 54 (1979), S. 409-416).

31 SCHMITT, Mort, S. 40-45, 80-95, 112-117, 152-160, 205-213; zur Untersuchung vonSCHMITT ergänzend die Rezensionen von DEGLER-SPENGLER, Brigitte: Beginen und Begardenam Oberrhein. In: ZKG 90 (1979), S. 81-84; LERNER, Robert: Rezension „J.-Cl. Schmitt, Mortd’une hérésie“. In: Speculum 54 (1979), S. 842-845.

32 NEIDIGER, Mendikanten, bes. S. 101f.

33 Alle männlichen und weiblichen Mitglieder der Dritten Regel der Franziskaner waren imsogenannten Regelverband organisiert, dem die Regelmeisterin vorstand. Ihr waren sie zuGehorsam verpflichtet, sie selbst unterstand dem Visitator, der Franziskaner war, und durch dender Orden die Aufsicht über den Regelverband ausübte. Die Regelmeisterin spielte verwaltungs-technisch eine zentrale Rolle für die Brüder: Vergabungen wurden meistens direkt an dieRegelmeisterin gemacht, welche die daraus resultierenden Zinseinkünfte, ohne eigenen Gewinn,direkt an die Brüder weiterleitete. Das Nutzungs- und Verfügungsrecht fiel den Brüdern zu, dieMeisterin hatte also nur an Stelle der Minoriten Besitz und verwaltete diesen meist in Gemein-schaft mit dem Schaffner, der ab 1380 allmählich die ganze Besitzverwaltung übernahm. DieseKonstruktion erlaubte den Franziskanern, nach außen ihren besonderen Armutsanpruch aufrecht

1. Überblick zum Beginen- und Begardentum 45

um nach außen den besonderen Armutsanspruch der Brüder aufrechterhalten zukönnen. Diese wirtschaftlichen Beziehungen wurden erst allmählich gelockert. Alsdie Beginen vertrieben wurden, brachen sowohl die noch bestehendeVermögensverflechtung als auch die Fassade der entsagungsreichen Armut derBarfüßer zusammen.34 Eine differenziertere Sicht des Beginenstreits ermöglichtedie Untersuchung von Alexander Patschovsky durch die Erschließung weitererneuer Quellen.35 Die bekannten Forschungsergebnisse faßte Veronika Feller-Vestin ihrem Beitrag für die Helvetia Sacra zusammen.36 Hans-Jochen Schiewerschlug vor, in den Visionen der „Seligen Schererin“, einer Begine, einePropagandaschrift zu sehen, die während des Beginenstreits in Basel verfaßtwurde.37 Ein völlig neues Erklärungsmodell legte Martina Wehrli-Johns vor, die

erhalten zu können. Daneben konnten die einzelnen Samnungen eigenen Besitz erlangen, der vonder hausinternen Meisterin allein oder gemeinsam mit einem weltlichen Vogt verwaltet wurde.Nur wenn der Stifter dies verfügte, mußte ein Teil des Ertrags an die Brüder abgeführt werden;dazu NEIDIGER, Mendikanten, S. 99-126; DERS.: Liegenschaftsbesitz, S. 115-117. Die Rolleder Regelmeisterin erkannte schon WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 706, der sie „Zahlstelle,Filiale, Agentur“ nannte; die Verquickung der Güter betonte DEGLER-SPENGLER, BeginenBZGA 69, S. 55-57.

34 NEIDIGER, Mendikanten, bes. S. 99-131; er erweiterte die bekannten Quellen zumBeginenstreit um BASEL UB, A VIII 7, fol. 199r-205r; A VIII 41, fol. 257r-262r (textgleich mitE I 1i, fol. 105r-108v und BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 20)); A XI 55, fol.103v-105r; E I 1i, fol. 1r-31r, 141r-142v, 458r-469r.

35 BASEL UB, E I 1k, fol. 375r-392r, 480r-484v, 486r-499r; F. L. VI 1, Nr. 5, fol. 43r-44r. Diebei PATSCHOVSKY, Beginen, S. 406, Anm. 6 darüber hinaus genannten Quellen wurden bereitsvon NEIDIGER, Mendikanten, S. 235, herangezogen.

36 HS IX/2, S. 193-241, bes. 204-211. Siehe auch BAILEY, S. 138-149. Vgl. auch NEIDIGER,Dominikaner, der im Rahmen des demnächst erscheinenden Bandes HS IV/5 den Beginenstreitebenfalls behandelt und mir dankenswerterweise bereits Einsicht in sein Manuskript gewährte.

37 SCHIEWER hält den Text der „Seligen Schererin,“ der von ihm ediert wurde, für eineprofranziskanische Propagandaschrift, die während des Beginenstreits in Basel entstanden sei.Demnach ist die Schererin eine Basler Begine, die ihrem Beichtvater ihre Visionen mitteilt.Obwohl Schiewers Argumente an vielen Punkten bestechend sind, bleiben doch grundlegendeFragen offen, deren Beantwortung die Voraussetzung für eine eindeutige, zweifelsfreieZuordnung wären. Es ist kaum vorstellbar, daß die Schererin als Begine von den Angriffen,denen Beginen in Basel ausgeliefert waren, überhaupt nichts wußte. Bis zu ihrem Tod im Jahr1409 tobte die Beginenverfolgung immerhin seit vier Jahren. Als ihr Beichvater sie gezielt aufMulbergs Attacken anspricht, antwortet sie: „Herre, ich wuste nút von der regelen, daz man ingetrenge oder in kumber wer (...)“ (ebd., S. 310). SCHIEWER geht fälschlicherweise davon aus,daß „nur dort (i.e. in Basel) die Auseinandersetzungen in rechtsförmlicher Form statt (fand)“ (S.295); der Bezug auf eine andere Stadt ist aber nicht auszuschließen, vgl. im folgenden AbschnittIV 6. Der Nachname „Scherer“ ist z.B. nicht nur in Basel, sondern am gesamten Hoch- undOberrhein sehr verbreitet; er läßt sich z.B. für Konstanz allein für das Jahr 1418 bei vierunterschiedlichen Personen nachweisen, siehe: DIE STEUERBüCHER DER STADT KONSTANZ,hrsg. v. Stadtarchiv Konstanz, Teil 1 (1418-1460). Konstanz 1958, Nr. 298, 711, 1129, 1528;

46 IV. Der Basler Beginenstreit

den Beginenstreit und Mulbergs Vorgehen in Beziehung zu den italienischenDominikanerobservanten setzte, die wohl erst zu Beginn des 15. Jhs. eineDrittordensregel für ihren Orden schufen.38

Im folgenden soll gezeigt werden, daß der ungewöhnliche Verlauf des BaslerStreits entscheidend von Johannes Mulberg geprägt wurde. Der Vorwurf desunerlaubten Bettels und die Armutsfrage, das Wiederaufflammen des Konflikts imJahr 1411 und die Rolle der Habsburger lassen sich nur vor dem Hintergrund derOrdensreform verstehen. Darüber hinaus werden neue Aspekte der BaslerStadtgeschichte vorgestellt, die ebenfalls zum spezifischen Verlaufs derStreitigkeiten beitrugen.

in Straßburg gibt es für einen Zeitraum von 70 Jahren sogar 28 Einträge, dazu URKUNDENBUCH

DER STADT STRAßBURG 7.

38 WEHRLI-JOHNS, Dominikanerobservanz, wie Anm. 9, mißt dem Umstand große Bedeutungbei, daß Johannes Mulberg in Basel seine Predigt gegen den Stand der Beginen und Begardeneinen Tag vor Erlaß der Approbationsbulle Sedis apostolicae an der päpstlichen Kurie in Italienim Juni 1405 gehalten hatte. Wehrli-Johns geht davon aus, daß vor der Konstitution Sedisapostolicae vom 26.6.1405 überhaupt keine dominikanische Drittordensregel existierte; sie wurdevielmehr unter Federführung von Tommaso da Siena, auch Il Caffarini genannt, und BartolomeoDominici nachträglich verfaßt, u.a. durch gezielte Fehldatierungen päpstlicher Bullen. Unklarbleibt dabei, warum der (nicht observante) Generalmagister Thomas von Firmo diese Aktion,wenn nicht gar unterstützt, so doch wenigstens gebilligt haben sollte. WEHRLI-JOHNS schließt,„(...) daß die dominikanische Drittordensregel, wie sie in der Konstitution Sedis apostolicae vom26.6.1405 vorliegt, ein Erzeugnis der Dominikanerobservanz ist und auch als programmatischerAusdruck ihrer Bestrebungen gelesen werden sollte.“ (ebd., S. 16). „Wirklich eingeführt wurdedie dominikanische Drittordensregel erst in der zweiten Reformphase nach dem KonstanzerKonzil (...)“ (ebd., S. 32). Obwohl Wehrli-Johns eine direkte Beteiligung Mulbergs an der„Regelfälschung“ selbst bezweifelt, nimmt sie an, „daß Mulberg die gleiche Auffassung vomstatus poenitentiae vertrat wie seine italienische(n) Ordensbrüder, daß er aber dieselbenArgumente, die diese für die Approbation der eigenen Regel ins Feld führten, gegen dieDrittordensregel der Konkurrenz im Franziskanerorden verwendete.“ (ebd., S. 27). Zum Teillassen sich unsere unterschiedlichen Interpretationen darauf zurückführen, daß wir aufunterschiedliche Handschriften zurückgreifen. WEHRLI-JOHNS kann in Mulbergs Traktat nurdeshalb diejenigen Zitate aus päpstlichen Bullen wiederfinden, die ebenfalls bei Tommaso daSiena auftauchen, da sie die Handschrift COLMAR STB, 29, fol. 126r-141v, benutzt. DieseHandschrift geht m.E. zwar auf Mulbergs Traktat zurück, wurde aber so stark ergänzt undbearbeitet, daß von einer eigenständigen Überlieferung gesprochen werden muß. Meine eigeneInterpretation basiert jedoch auf den fünf Handschriften, die gemeinsam Mulbergs Traktat ineiner Form bieten, in der die Zusätze der Colmarer Handschrift fehlen; siehe dazu auch AbschnittVI, Anm. 1.

2. Der Ausbruch der Streitigkeiten

Auf den ersten Blick scheint es unstrittig zu sein, wann der Beginenstreit in Baselausbrach. Als Ausgangspunkt wurden bisher Predigten gegen Beginen undBegarden von Johannes Mulberg und Johannes Pastoris, dem Basler Domschul-meister,39 angesehen, die angeblich im Jahr 1400 gehalten wurden, aber nichtüberliefert sind.40 Der bis heute einzige Hinweis auf diese Predigten findet sich erstMitte des 16. Jhs. in Wurstisens Chronik.41

An der Wende vom 14. zum 15. Jh. läßt sich in den Basler Quellen die Posiciodes Franziskanerlektors Rudolf Buchsmann finden, die somit der erste Beleg füreine Diskussion um die Lebensform der Beginen darstellt.42 An Allerheiligen desJahres 1400 hatte Buchsmann seine Ausführungen öffentlich vorgetragen, die ganzallgemein die Lebensform der Beginen behandelten und die anschließend inThesenform überliefert wurden. Dies könnte im Rahmen einer Predigt geschehensein, die anschließend in Form von Thesen und ohne Hinweise auf eine aktuelle,konkrete Auseinandersetzung um Beginen niedergeschrieben wurde. Buchsmannlobte in seiner Stellungnahme die Bettelarmut und betonte, daß Christus sieausdrücklich in seinem Leben und Werk gebilligt habe. Alles zurückzulassen sei einWerk evangelischer Vollkommenheit. Obwohl das Evangelium körperliche Arbeitbefehle, könnten die Nachfolger Christi diese durch geistliche Übungen reichlichersetzen. Er wollte damit nachweisen, daß es den Beginen und Begarden durchauserlaubt sei zu betteln, obwohl sie gesund und fähig seien, sich von ihrer HändeArbeit zu ernähren, wie es das Evangelium den Laien vorschreibt.

In der Basler Handschrift folgt auf Buchsmanns Posicio aus dem Jahr 1400 einTraktat von Johannes Mulberg. Schenkt man der Einleitung in der HandschriftGlauben, so antwortete Mulberg im Jahr 1405 – also fünf Jahre später – aufBuchsmanns Ausführungen zu den Beginen vor dem versammelten Basler Klerusin einer mehrstündigen Predigt.43 Mulbergs angeblich mehrjähriges Schweigenverwundert ebenso wie das Stillschweigen der Forschung zu diesem zeitlichen

39 Pastoris spielt im Beginenstreit eine entscheidende Rolle, leider ist über ihn kaum etwasbekannt; aus dem Jahr 1393 ist sein flammendes Bekenntnis zum römischen Papst erhalten,BASEL STA, Prediger N 1, 1393; eine Predigt im Autograph Basel UB A VIII 7, fol. 199r-205v.Siehe auch HAUPT, Beiträge, hier besonders S. 514f. und Anm. 3, mit Hinweis auf eine weitereColmarer Handschrift, S. 530.

40 Z.B. bei WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 806; BONER, BZGA 34, S. 138; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 33; KIECKHEFER, S. 27; auch noch in der jüngsten Arbeit,HS IX/2, S. 205f.; ohne explizite Nennung der Predigten, aber mit der Jahreszahl 1400GILOMEN, Hans-Jörg: „Basel IV: Klöster und Stifte“. In: LMA 1, Sp. 1513.

41 WURSTISEN, S. 219f.

42 Abschnitt IX 1.3.

43 Siehe Edition in Abschnitt IX 1.4; siehe auch Abschnitt VI, Anm. 1.

48 IV. Der Basler Beginenstreit

Ablauf.44 Erstmals angesprochen wurde dieses Problem von Patschovsky, dereinen Schreibfehler bei der Datierung der Disputation Buchsmanns für nicht ausge-schlossen hält und vorschlägt, den Beginn der Auseinandersetzungen ins Jahr 1404zu verlegen.45

Die Überlieferungslage legt drei verschiedene Deutungen nahe. Erstens könnteBuchsmanns Posicio tatsächlich falsch datiert worden sein und die Diskussion umdie Frauen hätte demnach erst um 1404 begonnen. Oder zweitens könnte derStreit im Jahr 1400, wie die Datierung der Posicio des Franziskanerlektors angibt,ausgebrochen und in den folgenden Jahren fortgeführt worden sein, aber dieÜberlieferung aus dieser Zeit bis zu Mulbergs Stellungnahme im Jahr 1405 wäredemnach vollständig verloren gegangen.46 Dem widerspricht die reicheÜberlieferung, die nach 1405 zum Beginenstreit einsetzt. Am wahrscheinlichstenerscheint mir eine dritte Variante, da ich von der prinzipiellen Richtigkeit der Über-lieferung ausgehe. Buchsmann hielt im Jahr 1400 eine Rede zur Lebensform derTerziarinnen, in der er in allgemeiner Form den Stand der Frauen behandelte. Wieaktuell um 1400 dieses Thema war, wird der Vergleich mit Basels Nachbarstädtenzeigen.47 Mulberg konnte nicht sofort auf diese Ausführungen reagieren, weil er sienicht kannte: er war aller Wahrscheinlichkeit nach zu diesem Zeitpunkt gar nicht inBasel. Der einzige „Beleg“ für Mulbergs Anwesenheit in Basel seit 1400 bildet deroben erwähnte, nicht überprüfbare Hinweis in Wurstisens Chronik. Folglichbegann der Basler Beginenstreit mit Johannes Mulbergs Predigt am 25. Juni 1405.

Unklar bleibt, wo sich Mulberg in den Jahren zwischen 1399 – nach seinemPriorat in Colmar – und 1405 – vor seiner aufsehenerregenden Predigt in Basel –aufgehalten hat.48 Wir wissen nur, daß er zwischen Februar 1404 und Januar 1405einen Zyklus von Lehrpredigten in Straßburg hielt.49 Es kann nur vermutet

44 Das Problem der Datierung umging WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 807; siehe auchBONER, BZGA 34, S. 138; LERNER, S. 154; ohne Problembewußtsein HS IX/2, S. 205f.; ohneabschließendes Urteil NEIDIGER, Dominikaner, S. 11.

45 PATSCHOVSKY, Beginen, S. 404-406; ihm folgen WEHRLI-JOHNS, Dominikanerobservanz,und BAILEY, S. 144.

46 Auch für diesen Zeitraum macht WURSTISEN angebliche Predigten geltend, die sonstnirgends überliefert sind, siehe dazu BASEL UB, A λ II 14, Bl. 340; WURSTISEN, Baßler Chro-nick, S. 223. Er berichtet, der Prior der Augustiner-Eremiten habe am 1. und 6. Januar 1405gegen den verbotenen Bettel der Beginen gepredigt. Als ihn Beginenfreunde darauf angesprochenhätten, habe er vorgegeben, nur auf Anweisung von Johannes Pastoris gesprochen zu haben. Inder Fastenzeit habe Johannes Mulberg gegen Laster, Ehebruch, Spiel, Gotteslästerung, Ketzereiund Aberglauben, besonders bei den Begarden, gewettert.47 Dazu Abschnitt IV 6.

48 Die Briefregister der Generalmagister, die darüber Auskunft geben könnten, sind für dieseZeit verloren.

49 Siehe dazu Abschnitt II, Anm. 2, und Abschnitt VI 2.

2. Der Ausbruch der Streitigkeiten 49

werden, was ihn nach Basel führte. Raimund hatte zwar 1398 Ulrich Theobaldi alsVikar der Predigerklöster in diese Stadt geschickt, wohl um die Reformeinzuführen, aber bei der Ankunft Mulbergs waren sowohl der reformbegeisterteGeneralmagister als auch Theobaldi schon verstorben.50 Johannes Mulberg kamwahrscheinlich um 1404 mit keinem konkreten Reformauftrag nach Basel.51 Alsüberzeugter Anhänger der Observanz verheimlichte er seine Ansichten jedochnicht.52 Dies mußte in einem Konvent, der in der Mehrheit aus konventualenBrüdern bestand, zwangsläufig zu Spannungen führen.

Gleichzeitig mit Johannes Mulberg, um 1405, kehrte auch sein OrdensbruderHeinrich von Rheinfelden in den Basler Predigerkonvent zurück, der bei derspäteren Reform des Basler Konvents im Jahr 1429 ebenfalls ein Anhänger derObservanz war.53 Ob Heinrich bereits in den ersten Jahren des 15. Jhs. demobservanten Flügel seines Ordens angehörte, oder erst durch sein Zusammen-treffen mit Johannes Mulberg ein Anhänger der Reform wurde, muß offen bleiben.Mulberg griff nach seiner Ankunft die Beginenfrage auf, die zu dieser Zeit auch in

50 MEYER, Chronica, S. 72f.; REICHERT, Zur Geschichte RQ 14, S. 83f. Theobaldi wird 1399zum letzten Mal erwähnt.

51 Offiziell wurde die Reform des Basler Konvents erst gegen Ende der zwanziger Jahre des 15.Jhs. auf Initiative des Basler Rates angestrebt, der sich direkt an den Ordensgeneral Bartholo-mäus Texerius gewandt hatte. Trotz der Unterstützung von Seiten der Ordensleitung war dieDurchsetzung der Reform sehr schwierig; vgl. zum Ablauf MEYER, Buch QF 3, S. 70-75;DERS., Chronica, S. 84f.; DERS., Liber, S. 59f.; DIETLER, S. 383-385; EGGER, bes. S. 63-75.LöHR, Teutonia, S. 2-8; 27-30; Nr. 6, S. 53-63; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 813-816,167*; WALZ, S. 72; WEIS-MüLLER, Renée: Die Reform des Klosters Klingental und ihr Perso-nenkreis. Basel 1956; NEIDIGER, Bernhard: Stadtregiment und Klosterreform in Basel. In: Elm,Reformbemühungen, S. 539-567, hier S. 542f., 549-562; DERS., Observanzbewegungen, S.180f., 184f. Das Hinzuziehen von observanten Nürnberger Brüdern unter der Leitung vonJohannes Nider, dem späteren Basler Prior, führte 1429 zum heftigen Widerstand der Brüder,worauf sich der Rat von dem Reformvorhaben distanzierte. Texerius wandte sich danach direktan Papst Martin V., der das Reformvorhaben begrüßte und die Bischöfe von Basel, Straßburgund Konstanz zur Unterstützung der Observanten verpflichtete. Erst nach der Exkommunikationdes gesamten Konvents durch Texerius und der Intervention von Basler Bürgern kam es zu einerEinigung.

52 Zum gleichen Urteil kam auch BONER, BZGA 34, S. 191.

53 Vgl. LöHR, Teutonia, S. 8; BONER, Predigerkloster 34, S. 185f., 189; EGGER S. 232; NEI-DIGER, Dominikaner, Kap. Lektoren; zum Handschriftenbesitz Heinrichs von Rheinfelden sieheDERS., Selbstverständnis, S. 100f. Heinrich wurde 1416 der Sodomie angeklagt, von diesemProzeß sind die Zeugenprotokolle erhalten, die der Rat erstellen ließ; ob Heinrich anschließendvom geistlichen Gericht verurteilt wurde, ist unbekannt, dazu SCHNEIDER-LASTIN, Wolfram /PUFF, Helmut: Vnd solt man alle die so das tuend verbrennen, es bliben nit funffzig mannen jnBasel. Homosexualität in der deutschen Schweiz im Spätmittelalter. In: Puff, Helmut (Hrsg.):Lust, Angst und Provokation. Homosexualität in der Gesellschaft. Göttingen 1993, S. 79-103;PUFF, Helmut: Localizing Sodomy. In: Journal of the History of Sexuality 8 (1997), S. 165-195, hier S. 182.

50 IV. Der Basler Beginenstreit

den Nachbarstädten aktuell war.54 Dabei stieß er auf die einige Jahre zurück-liegende Standortbestimmung des Barfüßers Buchsmann und widersprach ihr. Erstdanach begann der eigentliche Streit, ablesbar am Reichtum der Quellenüber-lieferung seit 1405.

Den Auseinandersetzungen um die Beginen gingen Streitigkeiten um dieZahlung der kanonischen Quart voraus, die sich über mehrere Jahre hinzogen. Seitdem Auftauchen der Bettelorden in den Städten gab es zwischen ihnen und demWeltklerus immer wieder Auseinandersetzungen um die seelsorgerischenBefugnisse und die Abgaben, die bei Begräbnissen an den zuständigen Leutpriesterzu leisten waren.55 Bonifaz VIII. setzte zwar 1300 in der Bulle Super cathedram56

den kanonischen Anteil, den die Bettelorden an den Weltklerus zu entrichtenhatten, auf ein Viertel fest, dennoch kam es immer wieder zu Zerwürfnissenzwischen den beiden Parteien. Bereits der erste Beginenstreit in Basel verliefzeitgleich mit Quartstreitigkeiten,57 und auch der zweite Streit überkreuzte sich miteinem Interessenkonfikt. Gegen Ende des 14. Jhs. beklagten sich der BaslerBischof, das Domkapitel und die Leutpriester bei Bonifaz IX. über dieMendikanten, die der Verpflichtung nach dem kanonischen Viertel nicht Folgeleisteten.58 Der Papst beauftragt daraufhin 1393 den Bischof von Lausanne, denDekan von Konstanz und den Thesaurar von St. Peter in Straßburg, demPfarrklerus zu seinem Recht zu verhelfen. Die Minoriten der OrdensprovinzOberdeutschland beklagten sich ihrerseits an der Kurie über den Säkularklerus, derihre Rechte einschränke.59 Ein Schiedsspruch des Domdekans von Mainz, der denStreit zwischen dem Stift St. Peter und den Basler Predigern beenden sollte,

54 Vgl. Abschnitt IV 6.

55 Zu den Streitigkeiten seit dem 13. Jh. NEIDIGER, Mendikanten, S. 146; BONER, BZGA 33,S. 298f.; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 635-640; VON SCARPATETTI, Kirche, S. 126-30.

56 BULLARIUM FRANCISCANUM 4, S. 498, Nr. 179. NEIDIGER, Mendikanten, S. 147, wider-spricht der Annahme, daß dadurch die Einnahmen der Mendikanten gekürzt worden wären,vielfach hätten sie sich gegenüber den Pfarrgeistlichen bereits zu einem früheren Zeitpunkt zuhöheren Abgaben verpflichtet. Vgl. auch IZBICKI, Thomas M.: The problem of canonical portionin the later Middle Ages: The application of „Super cathedram“. In: Linehan, Peter (Hrsg.):Proceedings of the Seventh International Congress of Medieval Cananon Law (Cambridge, 23-27 July 1984). Città del Vaticano 1988 (Monumenta iuris canonici C 8), S. 459-473. LöHR,Mendikantenarmut, S. 392f.

57 SCHMITT, Clément: Le conflit des Franciscains avec le clergé séculier à Bale sous l’évêqueGérard de Wippingen (1318-1324). In: AFH 54 (1961), S. 216-225; NEIDIGER, Mendikanten,S. 128; vgl. auch oben, Anm. 7.

58 Zum Folgenden BONER, BZGA 33, S. 298-302; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 635-642, 119*f.; BERNOULLI, August: Die Kirchengemeinden Basels vor der Reformation. In:Basler Jb. 1894, S. 220-243; 1895, S. 99-162, hier S. 128-135.

59 WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 641, 120*; SCHöNENBERGER, BZGA 27, S. 128f.

2. Der Ausbruch der Streitigkeiten 51

scheiterte im Juni 1400.60 Aber im November kam es zu einer Einigung zwischendem Stift und dem Predigerkonvent,61 ein Vergleich im März des folgenden Jahresbeendete den Streit.62 Im gleichen Monat einigten sich die Dominikaner mit St.Alban63 und dessen inkorporierten Pfarrkirchen und im Juli 1402 mit St.Leonhard.64 Die Barfüßer waren allerdings nicht bereit, sich den Vereinbarungenmit dem Weltklerus anzuschließen. Sie fanden im Rat einen Verbündeten, mit demsie im Jahr 1402 eine gemeinsame weitere Beschwerde über den Säkularklerus anBonifaz IX. sandten.65 Der Papst verbot darauf jede Form der Einschränkungender Begräbnisfreiheit, erinnerte jedoch an die Pflicht zur Abgabe der portiocanonica;66 aber seine Verfügungen wurden bereits im März 1405 von seinemNachfolger Papst Innozenz VII. aufgehoben.67 Die Barfüßer prozessierten weiterund gaben erst 1408 auf, als Gregor XII. sie zur Zahlung der Quart an St. Peterund St. Leonhard verpflichtete.68 Durch diesen Streit war seit 1402 die Aufteilungdes Basler Klerus’ in zwei rivalisierende Lager festgelegt: Die Barfüßer, dievorübergehend Unterstützung beim Rat fanden, standen der Übermacht desKlerus’ gegenüber: dem weltlichen Kollegiatstift St. Peter und demAugustinerchorherrenstift St. Leonhard, den Cluniazensern von St. Alban, denAugustiner-Eremiten und der Mehrheit der Dominikaner. Diese Konstellation bliebden ganzen Beginenstreit über bis zu seinem bitteren Ende bestehen.

60 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger UK 756.

61 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger UK 760.

62 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger UK 762.

63 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger UK 765.

64 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger UK 759; VON SCARPATETTI, Kirche, S. 129.

65 WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 641, 120*.

66 LARGIADèR 2, Nr. 912; inhaltsgleich für Kleinbasel an den Konstanzer Bischof ebd., Nr.913.

67 LARGIADèR 2, Nr. 920, 921; VON SCARPATETTI, Kirche, S. 129f.

68 BASEL STA, Klosterarchiv St. Peter UK 791; dazu WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S.165*; LARGIADèR 2, Nr. 928.

3. Basel in den Jahren 1405-1410

3.1. Mulbergs Predigt und die Inquisition

Der Basler Beginenstreit begann mit der Predigt von Johannes Mulberg, die er am25. Juni 1405 im vollbesetzten Basler Münster gehalten hatte. Diese Predigt ist inüberarbeiteter Form als Tractatus contra Beginas et Beghardos handschriftlichfestgehalten worden.69 Mulberg befaßte sich dabei vorwiegend mit zwei Themen-komplexen: erstens mit der Trennung der Stände in Kleriker und Laien undzweitens mit den verschiedenen Formen von Armut und dem damit verbundenenRecht auf Bettel. Den Beginen und Begarden warf er vor, sich klerikale Privilegienanzumaßen, da sie, statt mit ihren Händen den Lebensunterhalt zu erarbeiten, vomBettel lebten. Das Recht, als gesunder Mensch Almosen zu sammeln, stehe abernur den Bettelorden zu. Alle anderen würden sonst den wahrhaft Bedürftigen dasLebensnotwenige stehlen. Weil sich Beginen und Begarden die Privilegien wider-rechtlich anmaßten, die nur den Mitgliedern der Bettelorden zustünden, seien siezu exkommunizieren. Diese Ausführungen im Rahmen von Mulbergs Predigtdauerten angeblich mehrere Stunden und führten zu der anschließendenVerfolgung von Beginen und Begarden in Basel.

Im Verlauf der Beginenverfolgung kam es zu einer Inquisition, von derFragmente der Verhörprotokolle erhalten sind, die jedoch keine Datumsangabentragen.70 Obwohl in Mulbergs Tractatus Hinweise auf zeitgenössische Ereignisseenthalten sind, ist von einem aktuellen Inquisitionsverfahren vor Ort nichts zuerfahren. Geht man davon aus, daß erst Mulbergs Predigt am 25. Juni 1405 denBeginenstreit auslöste, fand wohl das Inquisitionsverfahren in den folgendenWochen statt. Der Basler Bischof Humbert von Neuenburg eröffnete am 21.August desselben Jahres ein offizielles Verfahren gegen Beginen und Begarden.71

Dieser Untersuchung scheint eine eingehende Befragung vorausgegangen zu sein,wie die detailliert überlieferten Anklagepunkte nahelegen. Auch der zwei Jahrespäter entstandene Bericht des von der Kurie mit der Prozeßführung beauftragtenOdo Colonnas aus dem Jahr 1407, in dem sich ebenfalls bis in die Einzelheitenausformulierte Anklagepunkte aus dem Jahr 1405 befinden, spricht für diese

69 Zur formalen und inhaltlichen Interpretation des Traktats siehe Abschnitt VI 1; zur EditionAbschnitt IX 1.

70 Ediert von STRAGANZ. Seit dem zweiten Weltkrieg gelten die Fragmente als verschollen. ZurÜberlieferungssituation siehe auch PATSCHOVSKY, Beginen, S. 411f., Anm. 30; eineInterpretation bei LERNER, S. 153-157; vgl. auch WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 807.

71 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 21). Zu Humbert von Neuenburg HS I/1, S.192f.; SCHöNENBERGER, BZGA 26, S. 137-143; BONER, Georg: Das Bistum Basel: Ein Über-blick von den Anfängen bis zur Neuordnung 1828. In: FDA 88 (1968), S. 5-101, hier S. 62f.

3. Basel in den Jahren 1405-1410 53

Annahme.72 Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte demnach die Inquisition in derZeit nach dem 25. Juni und vor dem 21. August, also im Sommer 1405, stattge-funden.73 Die Überlegung, der Dominikaner Johannes Mulberg könnte alsInquisitor nach Basel gesandt worden sein, um die Untersuchung zu leiten, drängtsich auf; ihre Richtigkeit kann aber aufgrund fehlender Quellen nicht überprüftwerden.

Während des Inquisitionsprozesses in Basel wurden mindestens dreißig Zeugenbefragt,74 von sieben sind die Aussagen zum Teil erhalten. Zwei Franziskaner-Terziarinnen und eine Begine, die den Dominikanern nahe stand,75 wurden gefragt,ob sie von häretischen Vorkommnissen in der Basler Diözese gewußt hätten; alleverneinten dies und bekräftigten, der Kirche gehorchen zu wollen. Eine dritteBarfüßer-Terziarin berichtete, zu Rudolf Buchsmann und der Regelmeisterin76

bestellt worden zu sein. Dort habe sie verkündet, ihrem Leutpriester gehorchen zuwollen, was ihr eine harsche Zurechtweisung Buchsmanns und die Drohung derRegelmeisterin eingebracht habe, sie würde wohl unter die „acht Artikel“ fallen,womit die Regelmeisterin die Beschlüsse des Konzils von Vienne meinte, die sichgegen die Freigeist-Häresie gerichtet hatten.77 Die befragte Begine wußte aber garnicht, was „die Artikel“ sind. Außerdem berichtete eine andere Zeugin von einemBasler, der seine Familie verlassen habe, um einem Begarden zu folgen, was ihmviel Spott eingebracht hätte.78 Doch neben den Terziarinnen wurden auch Laiender Inquisition unterworfen, die keinen engeren Kontakt zu einem Orden pflegten.Zuerst wurde Anna, die Frau von Wernlin Schilling, die nicht als Beginebezeichnet wird, befragt, ob es stimme, daß sie Beginen die Füße gewaschenhabe.79 Sie verneinte dies und betonte, eine Fußwaschung nur am Gründonnerstag

72 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 11); zum Inhalt vgl. Anm. 137f.

73 Ich folge hier den Überlegungen PATSCHOVSKYs, Beginen, S. 411f.; WURSTISEN, BaßlerChronick, S. 223, läßt die Inquisition auf Mulbergs (nicht belegten) Predigten in der Fastenzeitfolgen, dazu Anm. 46; nach BONER, BZGA 34, S. 138f., findet die Inquisition parallel zu diesenPredigten statt; SCHMITT, S. 85-90.

74 Die Magd Fröwelers wird als 30. Zeugin bezeichnet, Thina Henlin, testis tricesima;STRAGANZ, S. 26, Nr. 23.

75 STRAGANZ, S. 22f., Nr. 18, 19, 21. Die Angeklagte von Nr. 21 lebte im „Haus am Wege,“das von den Dominikanern die Seelsorge erhielt; vgl. dazu DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA70, S. 47f.; HS IX/2, S. 227f.

76 Zur Regelmeisterin vgl. Anm. 33.

77 STRAGANZ, S. 23-25, Nr. 22; Buchsmanns Reaktion: „Ipse“, dominum plebanum notando,„est tuus diabolus, tu posses concremari seu oburi pro eo, quod ibi dixisti“. Zu den Beschlüssenvon Vienne vgl. Abschnitt IV 1 und VI 1.1. KIECKHEFER, S. 30f., nennt weitere Beispiele, indenen „Ad nostrum“ als Vorlage für die Inquisition diente.

78 STRAGANZ, S. 27f., ohne Numerierung.

79 STRAGANZ, S. 23, Nr. 20; dies soll sich im Konvent „Zum schwarzen Bären“ ereignet

54 IV. Der Basler Beginenstreit

in der Kirche gesehen zu haben.Ferner wurde ein Knecht von Johannes Werner Fröweler verhört. Er

berichtete von Begegnungen seines Herrn aus einer einflußreichen Basler Familiemit einem Begarden, die etwa zwei Jahre zurücklagen.80 Der Begarde trug denDecknamen Jakob und soll ein Schüler des in Wien verbrannten HäretikersNikolaus von Basel81 gewesen sein. Jakob war häufig im Hause Fröwelers unddessen Frau eingeladen und übernachtete angeblich sogar dort; der SohnFröwelers und ihre Magd sollten von diesen Treffen nichts erfahren, da demEhepaar die Verbindung des Begarden mit Nikolaus von Basel durchaus bekanntwar. Im Verlauf der Untersuchung konnte aber Jakob weder nachgewiesenwerden, er habe die verbotenen Begardenkleider getragen, noch habe er denKnecht bedrängt, einen „Geheimhaltungseid“ abzulegen, wie ihn angeblich häufigBegarden erpreßten. Auch der Verdacht, Jakob habe Gesten der Ehrbezeugungvon seinen Gastgebern eingefordert, konnte nicht bestätigt werden. Sein einzigesVergehen bestand in wiederholtem, zugegebenermaßen verbotenem Würfelspiel.Auch der Verdacht, die Frau Fröwelers habe sich von ihrer Magd ex caritategeißeln lassen, ließ sich nicht beweisen.

Aus dem Verhörprotokoll lassen sich folgende Schlüsse ziehen: Von derInquisition des Jahres 1405 waren Franziskaner-Terziarinnen, den Dominikanernnahestehende Beginen und weitere Bewohner der Stadt betroffen. Dabei wurdeganz traditionell nach häretischem Gedankengut und Praktiken gefahndet, die aberin keinem einzigen Fall nachgewiesen werden konnten. Die detaillierten Aussagenüber den Schüler des Nikolaus von Basel verwundern in ihrer Harmlosigkeit, dasein Lehrer als so gefährlich und verführerisch galt, daß er sein Leben auf demScheiterhaufen beendete. Häretisches Gedankengut spielte aber anscheinend inJakobs weiterem Leben keine Rolle mehr – er war nur noch zum Würfelspiel zuverführen.82 Eine in Basel angesehene Familie verkehrte regelmäßig, zwar eherverdeckt, aber doch nicht ganz heimlich, mit ihm; ihnen mußte das damitverbundene Risiko, selbst in den Geruch der Ketzerei zu kommen, zumindestteilweise bewußt gewesen sein.83 Im Hinblick auf die Barfüßer zeigt die Episode, indie Rudolf Buchsmann verwickelt war, wie eng die Verbindung zwischen den

haben, der mit großer Wahrscheinlich der Seelsorge der Dominikaner unterstand, vgl. HS IX/2,S. 231f.80 STRAGANZ, S. 25-27, Nr. 23.81 Zu Nikolaus von Basel vgl. LERNER, S. 151-157; HAUPT, Beiträge, S. 508-511, hier S.511, geht von seiner Hinrichtung in Wien zwischen 1393 und 1397 aus.82 Vgl. dazu LERNER, S. 154.83 LERNER, S. 154: „Apparently they were impressed with James’ holiness and took him on asa private spiritual director. They must have been aware that they were defying their local clergy,but it is inconceivable that a prominent family like this would have given shelter to the follower ofa known blasphemer and preacher of fornication and murder.“

3. Basel in den Jahren 1405-1410 55

Beginen und dem Orden war. Zumindest ein Teil der Brüder wünschte an-scheinend keinen Gehorsam der Beginen gegenüber dem Säkularklerus, und auchvor massiven Drohungen scheint dieser Kreis nicht zurückgeschreckt zu sein. DieFragmente geben interessante Details zur Laienfrömmigkeit wieder – ketzerischeVergehen sucht man darin indes vergeblich.

3.2. Der Beginenstreit als Rechtsstreit

Die Franziskaner fühlten sich und ihre Terziarinnen zu Unrecht von Mulbergdiffamiert und wandten sich deshalb hilfesuchend an den Konservator ihrer Rechteund Privilegien, den Konstanzer Bischof Marquard von Randegg.84 Dieser zitierteMulberg am 1. August 1405 für den 25. des Monats nach Konstanz, um ihm alledespektierlichen Äußerungen über die Minoriten und ihre Terziarinnen zuverbieten.85 Aber bereits am 8. August appellierte Mulberg an den apostolischenStuhl.86 Dem Bischof teilte er mit, er könne sich in Konstanz nicht mit Marquardund dem Franziskanerprovinzial Johannes Leonis treffen, da ihn die Beginen mitso großem Haß verfolgten, daß er um sein Leben fürchten müsse.87 Kurz vor demvon Marquard angesetzten Termin schickte Mulberg einen Prokurator an dieKonstanzer Kurie, der den Bischof über die eingereichte Appellation an dierömische Kurie informierte.88 So erschien zur festgesetzten Zeit nur JohannesLeonis vor Marquard, dem der Bischof erleichtert mitteilten konnte, dank derAppellation nicht mehr zuständig zu sein.89 Bis zur abschließenden Klärung derRechtslage suspendierte der Bischof seine Interdiktsbestimmungen, die denVerbündeten Mulbergs gegolten hatten.90 Anfang September wiederholte er seineErmahnungen, Mulberg dürfe nicht gegen die Franziskaner und ihre Terziarinnenpredigen, vor Mulbergs Prokurator und Leonis; er betonte aber auch, die nochausstehende Entscheidung Roms akzeptieren zu wollen.91

84 Einen Überblick zu Marquard in: HS I/2,2, S. 337-340. Vgl. auch Abschnitt IV 6.85 BASEL UB, E I 1k, fol. 486r-488r (der Anfang des Notariatsinstruments fehlt).86 Somit wandte sich als erster Mulberg an Rom, und nicht die Franziskaner, wie WACKER-NAGEL, Geschichte 2,2, S. 807, behauptete.87 BASEL UB, E I 1k, fol. 488r-492v.88 BASEL UB, E I 1k, fol. 492v-494v.89 BASEL UB, E I 1k, fol. 380v-382v (am Schluß unvollständig).90 BASEL UB, E I 1k, fol. 497v-499r.91 BASEL UB, E I 1k, fol. 494v-497r.

56 IV. Der Basler Beginenstreit

In Basel sah sich Bischof Humbert von Neuenburg, wohl durch die Inquisition, diedie vermutete enge Verbindung zwischen den Beginen und den Franziskanernbestätigt hatte, veranlaßt, in vier sogenannten processus monitorii et penales dienötigen disziplinarischen Konsequenzen zu ziehen. Diese „Prozesse“ sind nichterhalten; ein Notariatsinstrument von 1407, in dem die Weltpriester nachträglichdie ordnungsgemäße Verkündung der Maßnahmen des Bischofs zwei Jahre zuvorbestätigten, faßt ihren Inhalt aber summarisch zusammen.92 In dem ersten der vieraufeinanderfolgenden Urteilssprüchen erklärte Humbert am 21. August 1405 dieBeginen, Begarden und alle, die sie unterstützten, für exkommuniziert und ihrVermögen für konfisziert, falls sie sich nicht der bischöflichen Strafgewaltunterstellten. Humberts Vorgehen traf unterschiedslos regulierte undnichtregulierte Beginen. Gegen die Ausdehnung seiner Anklagen auf Franziskanerund Terziarinnen, die ja gar nicht unter Ad nostrum und Sancta romana fielen,93

wehrte sich Rudolf Buchsmann und wandte sich ebenfalls hilfesuchend an denapostolischen Stuhl.94

Der Basler Bischof sandte am 29. August 1405 Johannes Mulberg an dieUniversität Heidelberg, um sein Vorgehen absichern zu lassen. Humbert gab demDominikaner ein Empfehlungsschreiben mit, in dem er die Universität umUnterstützung von Mulbergs Vorgehen gegen die Beginen bat.95 Trotz derVerbote von Vienne bestehe die Gefahr einer Ausbreitung der Sekte der Beginenund Begarden, deren verwerfliche Lebensweise er detailliert schilderte, und deshalbwolle Humbert sie mit Hilfe des hierfür besonders geeigneten Johannes Mulbergverfolgen.

Die Universität war erst einige Jahre zuvor, 1386, gegründet worden.96 Sie

92 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 21); vgl. WURSTISEN, Baßler Chronick, S.225; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 807; BONER, BZGA 34, S. 139. Zum Begriff desProzesses im engeren Sinn vgl. FEINE, S. 436-443.

93 Vgl. Abschnitt VI 1.1.

94 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 4).

95 Ediert in: REKTORBüCHER HEIDELBERG 1,2, S. 387-389, Nr. 397; Regest bei WINKEL-MANN, Ewald: Urkundenbuch der Universität Heidelberg. 2 Bde., Heidelberg 1886, Bd. 2, S.19, Nr. 157. Humberts Empfehlungsschreiben stimmt in weiten Teilen mit einem Schreiben desStraßburger Bischofs Lamprecht von Brunn von 1374 überein; PATSCHOVSKY, Straßburg, S.171-175, Nr. 14, konnte zeigen, daß die Übereinstimmungen für das Straßburger Schreiben ausden päpstlichen Bullen Sancta Romana, Cum de quibusdam und Ad nostrum stammen, die alsStilmuster galten und sich in Texten dieser Art öfter nachweisen lassen. Vgl. zum Folgendenauch RITTER, S. 349f.; HAUTZ, Johann Friedrich: Geschichte der Universität Heidelberg.Mannheim 1862-1864, Nachdr. 2 Bde. in 1 Bd., Hildesheim 1980, hier Bd. 1, S. 240-243;WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 224; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 807, 165*; BONER,BZGA 34, S. 139; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 34.

96 Zum Folgenden WOLGAST, Eike: Die kurpfälzische Universität 1386-1803. In: Semperapertus: Sechshundert Jahre Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 1386-1986. Berlin 1985,

3. Basel in den Jahren 1405-1410 57

folgte wie Stadt und Bistum Basel, die sich 1383 von Avignon abgewandt hatten,97

der römischen Obödienz und hatte infolge des Schismas Zulauf von deutschenProfessoren und Magistern erhalten, die die clementistische Pariser Universitätzuvor verlassen hatten. Außerdem hatte der Auszug der deutschen Nation aus derPrager Universität gleich im Gründungsjahr 1386 der Universität Heidelberg dieZuwanderung namhafter Magister beschert. Der Lehrkörper der Universitätmischte sich von Anfang an in Auseinandersetzungen um kontroverse Lehr-meinungen ein: So wurde z.B. 1406 Hieronymus von Prag, der Thesen derwyclifschen Theologie verteidigte, aus der Artistenfakultät verbannt, in die er erstkurz zuvor aufgenommen worden war.98 Nicht zuletzt die geographische Nähe zuBasel, im Unterschied zu den beiden älteren Universitäten Wien und Prag und demjüngeren Köln, dürfte Humbert bewogen haben, sich nach Heidelberg zu wenden.Im September des Jahres 1405 erhielt Mulberg ein Empfehlungsschreiben desHeidelberger Rektors und einiger Gelehrter, in dem Papst Innozenz VII. gebetenwurde, den Ausführungen des Dominikaners Mulberg mehr Glauben als denen derGegenseite zu schenken und Mulberg die Verfolgung der Sektierer über dasGebiet der Diözese Basel hinaus zu ermöglichen, da deren verderbliche Lehre vorallem dem Ansehen des Klerus schade.99 Parallel dazu ließen sich Mulberg undseine Seite die Richtigkeit ihrer Argumentation in einem Gutachten bestätigen,100

dessen Autoren namentlich überliefert sind:101 die Theologen Nikolaus Magni von

Bd. 1, S. 1-70, hier S. 1-19; MORAW; NARDI, Paolo: Die Hochschulträger. In: RüEGG, S. 102-107; immer noch von Interesse RITTER, S. 320-361; ergänzend auch DENIFLE, Heinrich: DieEntstehung der Universitäten des Mittelalters bis 1400. Berlin 1885, S. 380-387.

97 Vgl. dazu WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 798f.

98 WOLGAST, a.a.O., S. 9; RITTER, S. 353f.; vgl. auch SMAHEL, Frantisek: Leben und Werkdes Magisters Hieronymus von Prag. In: Historica 13 (1966), S. 81-111. Hieronymus’ erstesVerhör während des Konstanzer Konzils im Mai 1415 erfolgte unter Beteiligung der Heidel-berger Professoren, dazu WOLGAST, ebd.; RITTER, S. 294. Im Ketzerprozeß gegen Johann vonDrändorf 1425 waren ebenfalls vier namhafte Heidelberger Professoren als Richter tätig:Nikolaus Magni von Jauer, Konrad von Soest, Johann von Frankfurt und Nikolaus Burgmann,dazu grundlegend HEIMPEL, Hermann (Hrsg.): Drei Inquisitionsverfahren aus dem Jahre 1425:Akten der Prozesse gegen die deutschen Hussiten Johannes Drändorf und Peter Turnau sowiegegen Drändorfs Diener Martin. Göttingen 1969, hier S. 16f.; DERS.: Die Vener von Gmündund Straßburg 1162-1447. 3 Bde., Göttingen 1982, hier Bd. 1, bes. S. 396-399.

99 Ediert in: REKTORBüCHER HEIDELBERG 1,2, S. 389-391, Nr. 398; Regest bei WINKEL-MANN, a.a.O., S. 19, Nr. 158.

100 Abschnitt IX 1.5, S. 166. Vgl. auch BONER, BZGA 34, S. 139.

101 Überliefert in AARAU F 26:4, fol. 35r. Zum Folgenden vgl. PATSCHOVSKY, Beginen, S.406 und Anm. 4; FRANZ, bes. S. 94-97, 121; RITTER, S. 239-361; HEIMPEL, Drei Inquisitions-verfahren, a.a.O. Zu den pfälzischen oder königlichen Räten zählten Nikolaus Magni von Jauer,Johannes van der Noyt und Nikolaus von Bettenberg neben Matthäus von Krakau, NikolausBurgmann, Konrad von Soltau, Nikolaus Prowin und Konrad von Soest; dazu MORAW, S. 527;

58 IV. Der Basler Beginenstreit

Jauer und Wasmod von Homberg und die Dekretisten Johannes van der Noyt undNikolaus von Bettenberg, alle vier angesehene Professoren. Ihr Gutachtenbestätigte ganz im Sinne Mulbergs, daß Beginen und Begarden Laien und nichtetwa Kleriker oder Konversen seien und ihnen deshalb keine Almosen zustünden.Diesem Gedankengut folgend griff der Theologe Nikolaus von Jauer in seinerQuaestio De mendicantibus die Beginen und Begarden wegen ihres Lebens inBettelarmut ebenfalls scharf an.102 Wasmod von Homberg verfaßte seinerseitseinen Tractatus contra hereticos Beckardos Lulhardos et swestriones, in dem ergleichfalls den Stand der Beginen und Begarden verwarf.103

In Basel wiederholte Bischof Humbert am 16. Oktober 1405 in einem zweitenUrteilsspruch seine Anweisungen und führte die Barfüßer, die unerlaubtEucharistie und Salbung gespendet hätten, namentlich auf.104 Gegen Ende diesesMonats beklagte sich auch Jakob von Subinago in seiner Funktion als Provinzialund Prokurator der Basler Franziskaner und ihrer Terziarinnen bei Innozenz VII.über die schlechte Behandlung seiner Schutzbefohlenen durch Bischof Humbertund dessen Partei und forderte ein Einschreiten von seiten der Kurie.105 Der Papstbeauftragte Kardinal Odo Colonna, den späteren Papst Martin V., mit derAngelegenheit, der den Basler Bischof und Mulberg, wie es von den Barfüßerngefordert wurde, ermahnte und um persönliches Erscheinen bat.106 Am 10.November forderte Odo Colonna namentlich den Basler Bischof, JohannesMulberg, Heinrich von Rheinfelden, die Plebane von St. Alban, St. Leonhard, St.Peter und der Domkirche, den Domkanoniker Egglin, Johannes Pastoris und Priorund Konvent der Prediger auf, ihre Aussage, der Drittorden sei nicht approbiert,zu widerrufen, und er bestellte Mulberg und weitere Kleriker zu sich.107

siehe auch MIETHKE, Jürgen: Karrierechancen eines Theologiestudiums im späteren Mittelalter.In: Schwinges, Rainer C. (Hrsg.): Gelehrte im Reich. Zur Sozial- und Wirkungsgeschichteakademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts. Berlin 1996, S. 181-209 (ZHF Beiheft 18),hier S. 189-191.

102 FRANZ, S. 107-114, (Edition) S. 206-216. FRANZ hält es für möglich, daß die HeidelbergerProfessoren erst durch Mulbergs „Vorbild“ in Basel angeregt wurden, sich mit dem Beginentumzu beschäftigen, ebd. S. 108. Vgl. auch KALEC, Jaroslav: „Nikolaus von Jauer“. In: VL 6, Sp.1078-1081; LERNER, S. 156; RITTER, S. 351f.

103 Vgl. dazu Abschnitt VI 1.3, besonders Anm. 81.

104 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 21). Zum Folgenden BONER, BZGA 34, S.139-141.

105 BASEL UB, E I 1i, fol. 28r-30v.

106 BASEL UB, E I 1i, fol. 30v-31r.

107 BASEL UB, E I 1k, fol. 480r-484v (= E I 1i, fol. 105r-108v; A VIII 41, fol. 257r-262r).

3. Basel in den Jahren 1405-1410 59

Noch ohne Kenntnis vom Eingreifen der römischen Kurie hatte Humbert inseinem dritten Urteilsspruch am 1. November alle der participacio mit Beginenund Begarden Verdächtigen aufgefordert, sich absolvieren zu lassen, da auch sieunter die im ersten Urteil ausgesprochene Exkommunikation fielen und über alleihre Aufenthaltsorte das Interdikt verhängt würde. Die bereits im Oktoberangeklagten Brüder wurden nun exkommuniziert, da sie verbotenerweise über dieSpendung der Eucharistie und letzten Ölung hinaus sogar Begräbnissedurchgeführt hätten. Für die davon betroffenen Verstorbenen, die bereitsbeigesetzt worden waren, ordnete der Bischof die Exhumierung, Umbettung undRekonziliation an.108 Die Franziskaner feierten trotz des Interdikts ihreGottesdienste und hatten anscheinend besonders bei den Frauen der Adligengroßen Rückhalt.109

Da die Barfüßer, allen voran der Provinzial Johannes Leonis und RudolfBuchsmann, die ausgesprochenen Exkommunikationen nicht beachtet und sogardas Interdikt öffentlich gebrochen hätten, wandte sich Humbert am 14. November1405 an den „weltlichen Arm“ mit der Bitte, seine Gebote durchzusetzen und beiVerstößen eine Ausweisung aus der Stadt zu erwirken.110 Darauf wurden alleBeginen aus der Stadt gewiesen, falls sie ihren Stand nicht „freiwillig“ aufgäben.111

Die Beginen flüchteten in die umliegenden Dörfer, die zum Gebiet des Markgrafenvon Hachberg-Rötteln gehörten.112 Die Frauen, die seelsorgerisch von Seiten derDominikaner oder des Säkularklerus’ betreut wurden, gaben ihren Stand alsBeginen für immer auf. Der Besitz der Franziskaner-Terziarinnen wurde enteignet,aber dank der Intervention der Minoriten an der Kurie erhielten sie ihn schon imfolgenden Jahr zurück.113

Doch dies war nur ein vorübergehender Erfolg für die Beginengegner: DerProzeß an der Kurie stand noch aus, und Mulberg konnte nicht auf diebedingungslose Unterstützung seiner Ordensbrüder in dieser Frage zählen. Er sah

108 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 21); BONER, BZGA 34, S. 139.

109 So jedenfalls WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 226.

110 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 6); BONER, BZGA 34, S. 139.

111 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 225f.; seinem Bericht zufolge war der Rat so verärgertüber die Interdikte, die wegen der Beginen ständig neu erlassen wurden, daß er eine Vertreibungder Frauen beschloß; vgl. auch BASEL UB, A λ II 14, Bl. 343. Sie fanden laut dem ChronistenKonrad Schnitt bereits im Jahr 1404 statt; Schnitt schrieb im 16. Jh. seine Aufzeichnungennieder, so BASLER CHRONIKEN 6, S. 296; zum Quellenwert von Schnitt die Einleitung von A.Bernoulli, ebd. S. 89-109, 293-295.

112 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 230. Bereits für den Zeitpunkt der ersten Stellungnahmevon Buchsmann im Jahr 1400 hatte WURSTISEN von einem starken Rückhalt der Franziskaner inder Familie des Markgrafen berichtet, ebd. S. 223 und BASEL UB, A λ II 14, Bl. 340.113 Vgl. zur Intervention Innozenz’ VII. besonders Anm. 129; zur Enteignung des BesitzesAbschnitt IV 5.2.

60 IV. Der Basler Beginenstreit

sich am 24. November 1405 veranlaßt, offiziell die alleinige Verantwortung für seinweiteres Vorgehen in der Beginenfrage zu übernehmen,114 was als deutlicherHinweis auf die schwindende Solidarität seiner Ordensbrüder zu diesem Zeitpunktverstanden werden darf. Die Vorladung Mulbergs an die römische Kurie warinzwischen in Basel eingetroffen und er erhielt am 14. Dezember mit weiterenKlerikern, die ihn begleiten sollten, eine Generalvollmacht, um die Interessen derBeginengegner vor dem Papst zu vertreten.115 Das bestehende Interdikt wurdefünf Tage später für die Zeit bis zum 13. Januar 1406 aufgehoben.116 Am 20.Dezember 1405 legte die Partei des Bischofs und Mulbergs ihre Anschuldigungengegenüber den Minderbrüdern in einer Appellation an die Kurie nieder:117 DieBeginen predigten das Wort Gottes und verbreiteten verschiedene Irrtümer unterden Gläubigen, sie gehorchten ihren Weltpriestern nicht, maßten sich Almosen an,mißachteten das Interdikt und mißbrauchten die Hostie. Mulberg behauptete gar,die Barfüßer hätten den Papst mit 60 000 Gulden bestechen wollen, damit er ihnenEigentumsrechte gebe. Außerdem klagte der Bischof, die Minoriten zögen dieLandvögte des Herzogs von Österreich auf ihre Seite, damit diese den BaslerKlerus zu einer franziskanerfreundlichen Haltung trieben.118 Diese Anklageschrifttrug Johannes Inlasser als Prokurator der bischöflichen Seite am nächsten Tag denBarfüßern vor.119 Dem schlossen sich die Kleriker von St. Peter, St. Alban und derAugustiner-Eremiten ebenfalls an.120 Am 21. Dezember 1405 veröffentlichteHumbert sein viertes und letztes Urteil und exkommunizierte alle Barfüßer wegenNichtbeachtung des Interdikts.121

Aus dieser Zeit stammen auch Mulbergs Angriffe gegen die Barfüßer, die ihrProkurator Jakob von Subinago im folgenden Jahr in Viterbo vor Kardinal OdoColonna zu Protokoll gab.122 So habe Mulberg gepredigt, die antiqua et primaregula der Franziskaner habe noch nichts von Terziarinnen gewußt, und er fügtehinzu, daß sie deshalb keine Almosen empfangen dürften, nicht einmal, wenn sie

114 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger UK 780: Ego frater Iohannes Mulberg dixi: „(...) quefeci in causa Beghardorum et Beginarum sub tercia regula degentium de favoribus religiosorumscilicet Minorum et de sacramentis per eosdem illicite ministratis, si sunt bona, deus fecit, siautem sunt mala, ego solus feci neque ordo meus neque conventus (...)“. Vgl. auch BONER,BZGA 34, S. 140.

115 BASEL UB, E I 1i, fol. 141r-142v.

116 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 9).

117 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 10) (= BASEL UB, E I 1i, fol. 1r-11r).

118 Vgl. dazu Abschnitt IV 5.1.

119 BASEL UB, E I 1i, fol. 11r-13r.

120 BASEL UB, E I 1i, fol. 13r-18r.

121 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 21).

122 BASEL UB, E I 1i, fol. 458r-469r.

3. Basel in den Jahren 1405-1410 61

invalidi seien. Stolz habe sich Mulberg gerühmt, daß es seit Jahren keine solchenPredigten gegen die Barfüßer und ihren Drittorden gegeben hätte, und bissig gabJakob von Subinago zu Protokoll: Respondeo: „Quia nullus Mulberg fuit qui semorti vel ut feriretur gladio exponere vellet!“123 Mulberg habe sogar öffentlichverkündet, eine Hure sei von größerem Seelenfrieden und Gott näher als dieTerziarinnen, die zudem die 40 Milchkühe der Brüder seien, die sie mit zartemFleisch und Käse versorgten. Mit Bildern der Apokalypse wiegle er das Volk auf:Bliebe die Exkommunikation der Barfüßer aus, würden die Bäume Blut schwitzen,die Fische im Wasser erzittern, Hagel, Donner und andere Schrecknisse über dieStadt hereinbrechen.124 Mulberg habe so großen Zulauf und eine solche Wirkung,daß die Franziskaner, selbst wenn Mulberg und seine Anhänger schon längst totwären, in hundert Jahren nicht von der Verdammung und Schmach befreit werdenkönnten, da sie so schwer beschuldigt worden seien.125 Die Bitte der Barfüßer, derPrior und Konvent der Prediger, besonders aber Bruder Heinrich von Rheinfeldenmögen doch Mulberg Einhalt gebieten, sei zu dieser Zeit abgelehnt worden,Heinrich habe die Barfüßer sogar als Exkommunizierte denunziert – womit er sichfreilich nur an die bischöflichen Anordnungen gehalten hatte. Humbert hingegenhabe Gläubige, die die Kirche der Minoriten besuchten, vor seinem Offizialabschwören lassen, dies weiterhin zu tun oder gleichfalls unter die Strafe derExkommunikation zu fallen.

Vermutlich um rechtlichen Konsequenzen aus dem Weg zu gehen, gabenJohannes Pastoris, der Domkanoniker Oswald Egglin, die Münsterkapläne und diePlebane von St. Peter und St. Alban in der letzten Dezemberwoche notarielleErklärungen ab, nie gegen die Franziskaner und deren Dritten Orden gepredigt,sondern nur pflichtgemäß die bischöflichen Urteilssprüche veröffentlicht und dieordensungebundenen Beginen und deren Anhänger angegriffen zu haben.126

Damit sollte offensichtlich verhindert werden, daß die Minoriten sie wegen derVerleumdung, Terziarinnen unterstünden gar keiner approbierten Regel, belangenkönnten. Wohl aus dieser Furcht heraus gaben das Kapitel und der Domdekannoch zwei Jahre später im Namen Mulbergs, der sich in Rom aufhielt, zuProtokoll, er habe die Gültigkeit dieser Regel nie bestritten.127

123 BASEL UB, E I 1i, fol. 460v.

124 BASEL UB, E I 1i, fol. 465v: arbores sudarent sanguinem, contremescerent pisces in aqua,sequerentur grandines et tonitrua et alia terribilia (...).

125 BASEL UB, E I 1i, fol. 465v-466r.

126 BASEL UB, E I 1i, fol. 18r-22r.

127 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 13).

62 IV. Der Basler Beginenstreit

In den folgenden Monaten jagte ein Interdikt das andere; zu welch aberwitzigenSituationen dies führen konnte, illustrierte Wurstisen mit Hilfe einer Anekdote übereine tote Begine, die die Barfüßer angeblich in den ersten Wochen des Jahres 1406über ihren Kirchhof zum Begräbnis getragen und somit ein neuerliches Interdiktprovoziert hätten. Der Rat habe den Bischof gedrängt, dieses wieder aufzuheben,da die Tote eine regulierte Terziarin gewesen sei und zum Zeitpunkt ihres Todes,an dem gar kein Interdikt mehr bestanden hätte, sowieso längst durch denKonstanzer Bischof von dem früher verhängten Interdikt befreit gewesen sei.Einige Bürger hätten gar nach der Beisetzung das Wiederausgraben der armenBegine als einzige Lösung gefordert und die Minderbrüder hätten sie nur mitschärfsten Drohungen davon abhalten können.128

Die Barfüßer konnten mit dem bisherigen Ablauf des Verfahrens zufrieden sein,denn sie hatten sich zu einem günstigen Zeitpunkt an Rom gewandt: PapstInnozenz VII. war ihnen wohlgesonnen und kritisierte scharf das Vorgehen desBischofs und der Stadt gegen die Beginen. Der Papst forderte am 7. Mai 1406 denBischof und die Stadt auf, alle Verfügungen gegen die Terziarinnen und dieFranziskaner rückgängig zu machen und ihre eingezogenen Güter zurückzu-geben.129 Dieses Papstschreiben übergaben die Barfüßer Ende August in Anwe-senheit eines Notars dem Rat der Stadt und verkündeten es öffentlich imMünster.130 Wenn man Wurstisen Glauben schenken darf, kehrten die Beginendanach heimlich in die Stadt zurück, worauf der Bischof für einige Tage erneut einInterdikt erließ, an das sich aber die Minoriten nicht hielten. In dieser Phase desStreits machte aber nicht nur der Papst, sondern auch der Markgraf vonHachberg-Rötteln deutlich, auf wessen Seite er stand: Er ließ zwei seiner Töchterbei den Klarissen in Basel eintreten.131 Im Herbst des Jahres 1406 wähnten sich dieFranziskaner noch sicher, den Beginenstreit dank der Unterstützung von InnozenzVII. zu ihren Gunsten entscheiden zu können.

Doch durch den Tod des Papstes im November des Jahres und die Wahl vonGregor XII. zu seinem Nachfolger war eine neue Situation eingetreten.132 Johannes

128 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 226.

129 Beide Schreiben an Bischof und Rat in: BULLARIUM FRANCISCANUM 7, S. 186-191 u.191f. unter Nr. 516; vgl. dazu auch STRAGANZ, Max: Zur Geschichte der Minderbrüder imGebiete des Oberrheins. In: FDA 28 (1900), S. 319-395, hier S. 339, Nr. 64f., S. 383-386, VII(Nr. 83).

130 Zum Folgenden WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 227f. (= REGESTEN DER MARKGRAFEN

1, h 896). Ebenso BONER, BZGA 34, S. 140.

131 SCHUBRING, Rötteler Chronik, S. 76, nennt insgesamt vier Töchtern des Markgrafen, dieim Klarissenkloster lebten.

132 Zum Folgenden PATSCHOVSKY, Beginen, S. 415f.; WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 228,und zu den immer noch ständig erlassenen Interdikten BASEL UB, A λ II 14, Bl. 347; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 35.

3. Basel in den Jahren 1405-1410 63

Mulberg, der sich inzwischen in Rom aufhielt, schrieb Ende des Jahres 1406begeistert an seine Mitstreiter in Basel, den Bischof und Johannes Pastoris, derneue Papst habe ihn sofort empfangen und er stimme mit Mulberg in derBeginenfrage ganz überein, zudem wolle er den Entscheid, in dem die Barfüßerbegünstigt wurden, zurückrufen.133 In dem Brief an Pastoris jammerte Mulbergferner über den Geiz des Bischofs, der ihn nicht mehr finanziell unterstütze, und sosei der skandalöse Zustand eingetreten, daß er, Mulberg, alle Kosten des Gerichts-verfahrens alleine tragen müsse. Der aus Basel in Rom eingetroffene Hartman vonMünchenstein habe auch nicht die erhoffte Summe mitgebracht, da er unterwegsalles verloren habe. Aus dieser Zeit stammt vermutlich auch die Zusammenstellungvon Mulbergs Argumenten in Form von Thesen, die er an der Kurie vorgetragenhatte.134 Die ständige Geldknappheit des Bischofs und seiner Diözese sollte sichauch in den nächsten Jahren nicht ändern,135 und im Frühling 1408 schickte derKonstanzer Bischof Albrecht Blarer Bettelbriefe an die Pfarrer seiner Diözese, indenen er sie um großzügige Spenden für den Basler Klerus im Streit gegen dieBeginen bat.136

Die Wende, die durch den Pontifikat Gregors XII. eingetreten war, bescherteauch den Franziskanern eine Vorladung an die Kurie: Am 16. Juni 1407 zitierteOdo Colonna die Partei der Beginenfreunde innerhalb von fünfzig Tagen nachRom.137 In seinem Schreiben wurden sowohl die franziskanische Anklage wie auchdie von Mulberg zu Protokoll gegebene Verteidigung ausführlich referiert. Dabeizählte der Kardinal die Namen der Frauen und Beginenhäuser auf, die der Ketzereibeschuldigt wurden. Es handelte sich um zehn Häuser, die der Seelsorge derMinoriten unterstanden, es fehlt aber interessanterweise ein Haus, das diesemOrden ebenfalls zugerechnet wurde.138 Außerdem wird hier die äußerst differen-

133 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 2 u. 14); beide Briefe sind undatiert, abervermutlich kurz nach dem Amtsantritt Gregors am 30. Nov. 1406 einzuordnen; in Auszügenübersetzt und kommentiert bei BONER, BZGA 34, S. 140.134 Überliefert in AARAU F 26:4, fol. 36r; parallel in Basel UB, F.L. VI 1, fol. 43v-44r.135 Zur starken Verschuldung des Bistums unter Humbert von Neuenburg siehe BALLMER,Roger: Les assemblées dans l’ancien Evêché de Bâle: Des origines à 1730. In: SchweizerBeiträge zur Allgemeinen Geschichte 20 (1962/63), S. 54-140, hier S. 59; DERS.: Les états dupays ou les assemblées d’états dans l’ancien évêché de Bâle. Délemont 1985, S. 17. WACKER-NAGEL, Geschichte 1, S. 341f., nimmt Humbert, der gemeinhin als Verschwender galt, inSchutz und betont, daß dieser ein Bistum vorfand, dessen Rechte zum größten Teil bereitsverpfändet waren.136 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 15-19) (= REC III, 8067).137 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 11); in diesem Schreiben Colonnas sind dieAnklagepunkte gegen die Beginen und Mulbergs Position noch einmal detailliert angegeben; einefragmentarische Parallelüberlieferung in BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 1); ebensoin (Nr. 20); vgl. auch NEIDIGER, Mendikanten, S. 129f.138 Es fehlt das Haus Gesingen; die Sammlung in der weißen Gasse (= Isenlins Haus) warbereits dem Spital übereignet worden; siehe auch Anm. 220.

64 IV. Der Basler Beginenstreit

zierte Argumentation Mulbergs deutlich: Er spricht den Terziarinnen das Recht ab,der Dritten Regel zu folgen, da sie weder in moribus nec in doctrina seudisciplina deren Anforderungen gerecht würden; zudem habe der Hl. Franziskusdiese Regel gar nicht begründet. Damit hatte er sich von dem rechtlich anfecht-baren Vorwurf, die Dritte Regel sei nicht approbiert, auf kluge Weise distanziert,und doch konnte er gleichzeitig die Unrechtmäßigkeit ihrer beginalen Lebensformöffentlich anprangern. Im September 1407 setzte Odo Colonna mit päpstlicherAutorität Kleriker der Nachbardiözesen Straßburg und Konstanz als Kommissareein.139 Dies beschleunigte aber den Prozeßfortgang ebensowenig wie dasAuswechseln von Odo Colonna in der Prozeßführung durch Jacopino da Udine,den Kardinaldiakon von S. Maria Nuova, im Juni 1408.140 Für die Beginengegnerschien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis das für sie günstige Urteil aus Rom inBasel eintreffen würde.

Doch abermals änderte die Neuwahl eines Papstes die Haltung der Kurie in derBeginenfrage grundlegend. Im Verlauf des Jahres 1408 fiel die Mehrheit derKardinäle von Gregor XII. ab, und auf dem Pisanum 1409 wurden sowohl er wieauch sein Gegenpapst Benedikt XIII. abgesetzt und Alexander V. gewählt. KönigRuprecht war bis zu seinem Tod im Mai 1410 Anhänger Gregors XII. geblieben,sein Nachfolger König Sigismund schloß sich aber dem Pisaner Papst an, und diedeutschen Bischöfe folgten ihm.141 Unter ihnen waren Albrecht Blarer ausKonstanz und Humbert von Neuenburg aus Basel; eine Tatsache, die in derBeginenfrage einschneidende Konsequenzen hatte, da der Papst Minorit war. DieBarfüßer appellierten sofort an Alexander V., der Landolfo Marramauro,Kardinaldiakon von S. Niccolà in Carcere Tulliano, mit der Prozeßsachebeauftragte. Landolfo entschied ganz im Sinne der Barfüßer; zu Beginn des Jahres1410 forderte er Humbert in scharfem Ton auf, seine Maßnahmen zurückzu-nehmen und die Terziarinnen in ihre alten Rechte und Privilegien einzusetzen.142

Anfang Februar rief der Bischof seine Urteilssprüche und alle weiteren Schrift-stücke zurück, die sich gegen die Franziskaner und ihren Drittorden gerichtethatten. Zwischen Humbert und seiner Partei einerseits und den Barfüßern mitihren Terziarinnen andererseits kam es am 18. Februar 1410 zu einem Vergleich:

139 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 12) (= Prediger UK 792).

140 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 20).

141 SCHöNENBERGER, BZGA 26, bes. S. 142f.; BZGA 27, S. 129-134, 164-184; DERS.,Konstanz, bes. S. 109; WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 340f.; 2,2, S. 789f.; HAUPT,Schisma, S. 51, 314-317.

142 Die Anordnung Landulfs und Humberts anschließende Revozierung in der Chronik vonGLASSBERGER, Nicolaus: Analecta Franciscana sive Chronica aliaque varia documenta. Bd. 2,Quaracchi 1887, S. 232-235; danach BULLARIUM FRANCISCANUM 7, S. 190f. Anm.; vgl. dazuGREIDERER, Germania Franciscana 2, S. 609; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 808. ZuGlassberger siehe PROKSCH, S. 47-49, 126-128, 246f., 249f.

3. Basel in den Jahren 1405-1410 65

Humbert mußte alle Erlasse revozieren, dafür verzichteten die Minoriten auf alleweiteren Ansprüche.143 Wurstisen berichtet, daß sich die Barfüßer zuerst nicht aufden Vergleich einlassen wollten. Der Bischof habe sich aber mit den Domherrenund dem restlichen Klerus verbündet und gedroht, jeden mit einer Strafe von 500Gulden zu belegen, der der Übereinkunft widerspreche und schlußendlichstimmten auch die Barfüßer zu.144 Danach kehrten die Beginen, die sich imUmland aufgehalten hatten, in die Stadt zurück.

Der Minoritenpapst Alexander V. hatte zur Zufriedenheit der Franziskanerentschieden. Aber bereits am 3. Mai 1410 verstarb er, und sein Nachfolger wurdeJohannes XXIII., in dessen Obödienz Basel blieb. Der neue Papst ließ auf eineEntscheidung gegen die Beginen hoffen, und Johannes Pastoris versuchte, denBischof zu einem Revisionsverfahren zu bewegen.145 Humbert fürchtete wohlweitere finanzielle Aufwendungen und wandte sich nicht mehr an die Kurie,146

aber auch die Barfüßer scheuten eine Anfechtung des Vergleichs und eineWiederaufnahme des Prozesses. Auf juristischer Ebene war der Beginenstreit damitbeendet.

Doch der radikale Flügel der Beginengegner gab anscheinend noch nicht auf.Von den weiteren Ereignissen in Basel unterrichtet wieder nur Wurstisen: DieBarfüßer hätten sich in der ganzen Stadt mit dem Widerruf der bischöflichen Seitegerühmt, der das Eingeständnis des Unrechts des Bischofs darstelle. Dagegen habesich am Abend vor Palmsonntag, am 15. März 1410, Pastoris mit einer weiterenflammenden Predigt gewehrt, die denjenigen gegolten habe, die sich hinter demNamen der Dritten Regel versteckten und dadurch verbannt seien. Wer mit demBettel seinen Lebensunterhalt erschleiche, handle wider die Heilige Schrift. DieBarfüßer scheinen Ähnliches erwartet zu haben, denn, so berichtet unser Chronist,sie hörten sich diese Predigt gemeinsam mit einem von ihnen eigens dafürbestellten Notar an. Zehn Tage später habe auch ein Domherr gegen Franziskanerund Terziarinnen gepredigt und die Beginen seien nun wieder der allgemeinen Ver-achtung ausgesetzt gewesen.147

Trotz der Entscheidung der Kurie, die der franziskanischen Seite Rechtgegeben hatte, schlug die Stimmung in der Stadt tatsächlich erneut um: Die

143 BASEL STA, Prediger UK 804; WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 234; BONER, BZGA 34,S. 142; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 35.

144 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 234.

145 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 234; BASEL UB, A λ II 14, Bl. 349; WACKERNAGEL,Geschichte 2,2, S. 808; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 35.146 Siehe Anm. 135.

147 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 234f.

66 IV. Der Basler Beginenstreit

Beginen und ihre „Schutzmacht“ wurden wieder angegriffen. Wie konnte es dazukommen? Die Antwort liegt beim Lenkungsgremium der Stadt, dem Rat, der inden Jahren des Beginenstreits einen grundlegenden Wandel erlebte.

4. Der Ratswechsel von 1410

4.1. Der Rat bis 1409

In Basel bestand der städtische Rat aus vier Adligen und acht Patriziern, densogenannten Achtburgern.148 Die beiden wichtigsten Positionen im Rat, das Amtdes Bürgermeisters und des Oberzunftmeisters, wurden jedes Jahr abwechselndmit je einem Vertreter des Adels und des Patriziats besetzt. Darüber hinausgehörten dem Rat fünfzehn Zunftratsherren an. Erst seit Ende des 14. Jhs.konnten die Zünfte zu den fünfzehn Zunftherren noch weitere fünfzehn Zunft-meister in den Rat schicken. Der Umgestaltungsprozeß, durch den sich dernumerische Anteil, den die Zünftler innerhalb der Bürgerschaft hatten, auch inihrem Einfluß auf die städtische Politik widerspiegeln sollte, fand 1401 mit derneuen Zunftmeisterwahlordnung seinen Abschluß. Von nun an ergänzten sich dieVorstände einer Zunftgemeinde selbst und wählten unter sich den Meister, derbisher von der gesamten Gemeinde bestimmt wurde. Die Zunftmitglieder wurdendadurch in ihren alten Rechten empfindlich eingeschränkt. Im folgenden Jahr,1402, kam es zu einem Aufruhr.149 Der Aufstand wurde von den Messer-schmieden angezettelt, die gegen ihren Zunftvorstand rebellierten, der in ihrenAugen eine Politik betrieb, die zu sehr an die Wünsche des Rates angepaßt war.Durch sein rasches und hartes Vorgehen konnte der regierende Rat aber dasÜbergreifen der Rebellion auf größere Bevölkerungskreise verhindern. AlleVerdächtigten wurden sofort verhaftet, und bevor die anderen Zünfte näherinformiert worden waren und der Aufstand sich ausbreiten konnte, ließ der Rat dieAufständischen einen Unterstützungseid schwören – was einzelne Zunftmitgliederim nachhinein sehr bereuten. Die 43 Verhafteten beklagten sich über die Politik desRates, der sie in ihren Mitbestimmungsmöglichkeiten immer weiter eingeschränkthatte und der prinzipiell alle Finanzgeschäfte geheimhielt. Außerdem empörten siesich über finanzielle Einbußen, die sie nicht länger hinnehmen wollten. Diese waren

148 Zum Folgenden HEUSLER, S. 372-393; jede Zunft wählte einen Meister und einenSechserausschuß zur Leitung der Zunftangelegenheiten, das Kollegium aller Zunftvorständewurde seit der zweiten Hälfte des 14. Jhs. „großer Rat“ genannt, ebd., S. 382f. WACKER-NAGEL, Geschichte 1, S. 345-351.

149 Zu den folgenden Ausführungen vgl. die umfassende Darstellung bei SIMON-MUSCHEID, S.13-47, die auf der einzig erhaltenen Quelle basiert, den 43 Verbannungsurteilen im „Leistungs-buch“, überliefert in BASEL STA, Ratsbücher A 2; siehe auch „Die Aufzeichnungen von Schnitt“in: BASLER CHRONIKEN 6, S. 296; dazu auch Anm. 111. Vgl. auch HEUSLER, S. 375f.;WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 345f.; zu den Zünften vgl. Anm. 166.

4. Der Ratswechsel von 1410 67

das Ergebnis einer „neuen“ Münze, die eine Münzverschlechterung und dasAusscheren aus dem oberrheinischen Münzbund bedeutet hatte. Außerdem hatteder Erwerb Kleinbasels 1401 die Einführung einer außerordentlichen Steuer nachsich gezogen.150 Katharina Simon-Muscheid konnte zeigen, daß die Aufständischensehr gut über die städtische Politik informiert waren und zum größten Teil dasBasler Bürgerrecht besaßen.151 Acht von ihnen wurden lebenslänglich, die anderenfür die Dauer von einem bis zu fünf Jahren verbannt. Obwohl das Urteil bei einernachträglichen Amnestie der Verbannten eine weitere Strafe vorsah, lassen sicheinige der Verurteilten schon wenige Jahre später wieder in Basel nachweisen. DerRat war so gestärkt aus dieser Krise hervorgegangen, daß er die ehemaligenRebellen nicht mehr fürchten mußte und die kritisierten Zustände beibehaltenkonnte. In den folgenden Jahren war der Rat keinen Anfeindungen vonBürgerseite mehr ausgesetzt, dafür brodelte es aber im Rat selbst.152 Im Jahr 1403gelang es Peter zem Angen, der bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Ratsmitgliedgewesen war, den älteren und äußerst angesehenen Jakob Zibol aus dem Amt desOberzunftmeisters zu verdrängen.153 Zem Angen verbündete sich im folgendenJahr mit Henman Fröweler von Erenfels und dem amtierenden BürgermeisterHans Ludman von Rotberg. Diese drei bestimmten von nun an die Politik derStadt, sie hielten die beiden wichtigsten Ämter fest in ihrer Hand: Erenfels undzem Angen wechselten sich jährlich als Oberzunftmeister ab, Rotberg übernahm injedem zweiten Jahr den Posten des Bürgermeisters.

150 Dazu WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 344f.; GILOMEN-SCHENKEL, S. 35. GILOMEN,Kirchliche Theorie, S. 46, sieht im Aufstand von 1402 eine überraschende Konsequenz aus derWucherdiskussion, die seit den 1390er Jahren im Reich um den Rentenkauf entbrannt war, so„daß sich die Rentschuldner weigerten, die Renten weiter zu entrichten, mit der Begründung, dieVerträge seien ja wucherisch.“ Vgl. auch DERS., Die städtische Schuld, S. 25; sowie AbschnittIV 5.1.

151 SIMON-MUSCHEID, bes. S. 29.

152 Über die Jahre 1400 bis 1410 unterrichtet detailliert der „Bericht über den Rotberg-Erenfelsischen Handel“, ed. in BASLER CHRONIKEN 5, S. 75-102. „Der Bericht“ ist die Begrün-dung der Strafurteile, die der Rat im August 1410 gegen Rotberg und Erenfels erlassen hatte; ersollte die Entscheidung des neuen Rates legitimieren und zählte deshalb die Vergehen der beidenVerurteilten und des bereits 1409 verstorbenen zem Angen auf. Zum Folgenden vgl. auchWACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 343-355; WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 236f.

153 Zibol war 1375 Oberzunftmeister, 1388 Bürgermeister und seit 1391 in allen ungeradenJahren Oberzunftmeister gewesen; dazu BASLER CHRONIKEN 5, S. 83, Anm. 5; zu seinemLeben und seiner Familie siehe KOELNER, Paul: Die Zunft zum Schlüssel in Basel. Basel 1953,S. 37-40; 1401/03 gründete Zibol die Kartause, 1409 gerät er bei Kriegsausbruch zwischen dieFronten Österreichs und Basels und verliert den größten Teil seines Vermögens, er muß alleÄmter niederlegen und wird von den Baslern für einige Zeit gefangen gehalten. Vgl. auchWACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 371f.

68 IV. Der Basler Beginenstreit

4.2. Der Ratswechsel

Gegen die Vormachtstellung von zem Angen, Erenfels und Rotberg hatte sichinnerhalb des Rates eine Opposition gebildet. Sie ergriff sofort die Gelegenheit, als1409 der führende zem Angen verstarb, und besetzte das so freigewordene Amtdes Oberzunftmeisters mit einem ihrer Anhänger, Henman Buochpart. Dieser warMeister der Schlüsselzunft, eine der Handels- und zugleich Herrenzünfte, und seitJahren ein Gegner der drei.154 Während der Amtszeit Buochparts gelang es deroppositionellen Strömung im Rat, einige grundlegende Entscheidungen zu treffen.Zuerst führten sie eine Reform des Wehrwesens durch, die „Ordnung der 4Panner“.155 Bisher hatte der Bürgermeister, zu dieser Zeit Rotberg, die Führungdes gesamten städtischen Aufgebots innegehabt. Nun wurden die Söldner vierHauptleuten unterstellt, denen wiederum Ratsmitglieder zur Seite standen. Alsnächstes wandten sie sich an den Bischof, der traditionellerweise jährlich den Ober-zunftmeister bestimmte und auf Vorschlag des Rates den Bürgermeister ernannte,und baten ihn, für einige Jahre von dieser Regelung abzusehen und denamtierenden Rat selbst seine beiden zukünftigen Vorstände küren zu lassen.156 ZurBegründung gaben sie an, mit dem militärischen Vorgehen Rotbergs in dem seit1409 dauernden Krieg gegen Österreich nicht einverstanden zu sein, da Rotbergdie Interessen der Stadt nicht wahre. Schon 1406 hatten die drei eine Einigung mitden Grafen von Thierstein und im folgenden Jahr mit Österreich verhindert. 1409drohte sogar der erhoffte Waffenstillstand mit Katharina von Burgund an denForderungen von Erenfels zu scheitern. Nach langem Zögern lehnte der Bischofdie Bitte ab, was die gegen Rotberg und Erenfels opponierenden Ratsmitglieder soverärgerte, daß sie das Ammeistertum wieder einführten, das bereits in den Jahrenzwischen 1385 und 1389 bestanden hatte.157 Es sollte auch im Juni 1410 dazudienen, neben dem Oberzunftmeister und Bürgermeister ein drittes Stadtoberhauptzu etablieren. Dieses Amt konnte nur ein Zunftmitglied, das in keinerlei Lehnsver-pflichtungen eingebunden war, erhalten. Der Ammeister teilte sich zum einen dieLeitung des Heeres mit dem Bürgermeister und kontrollierte zum anderen diegesamten Finanzgeschäfte des Rates. Die Wiedereinführung dieser Position wardirekt gegen Rotberg und Erenfels gerichtet, aber sie beschnitt auch Bischof

154 Zu Buochpart und seiner Familie vgl. KOELNER, a.a.O., S. 40-42, 182. Auseinander-setzungen innerhalb des Rates gab es zu Beginn des 15. Jhs. z.B. auch in Straßburg, dazuALIOTH, Martin: Les groupes socio-économique de Strasbourg à la poursuite de leurs intérêts(1332-1482). In: Revue d’Alsace 114 (1988), S. 237-250.

155 Dazu BASLER CHRONIKEN 5, S. 76, und Anm. 5; MAIER, S. 37.

156 Von den Auseinandersetzungen über den Wahlmodus zwischen Rat und Bischof berichtetdie „Rötteler Chronik“, bearb. von SCHUBRING, S. 98-101.

157 Zum Ammeistertum vgl. WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 302f., 352; HEUSLER, S. 282-290; MAIER, S. 42; mit Hinblick auf das Schisma SCHöNENBERGER, BZGA 26, S. 112.

4. Der Ratswechsel von 1410 69

Humbert in seinen Rechten. Der erste Ammeister wurde Johannes Wiler, der einerHandelszunft, der Safranzunft, angehörte. Er war, wie sein berühmter Zunftge-nosse Henmann Offenburg,158 einer der reichsten Bürger Basels, der in denfolgenden Jahren ständig wichtige Ämter besetzte.159 Wiler soll ein BeichtsohnJohannes Pastoris’ gewesen sein und dürfte auf der Seite der Beginengegnergestanden haben.160 Mit dem Bischof muß es aber kurz darauf zu einer Aus-söhnung gekommen sein, denn am 24. Juni 1410 ernannte er dem Wunsch derOppositionellen gemäß den adligen Günther Marschalk zum Bürgermeister undVolmar von Jettingen zum Oberzunftmeister.161 Marschalks persönliche Feind-schaft gegenüber Rotberg und Erenfels war bekannt,162 und auch von Jettingen,wie Buochpart Mitglied der Schlüsselzunft, zählte zu ihren Gegnern.163 Mit Wiler,von Jettingen und Marschalk hatte die Opposition alle wichtigen Posten im Ratbesetzt. Der neue Rat stellte Rotberg und Erenfels vor Gericht und verbannteersteren für unbestimmte Zeit, letzteren für 20 Jahre aus der Stadt.164

Durch den Ratswechsel von 1410 werden die verschiedenen innerstädtischenGruppierungen faßbar, die um die Vormachtstellung im Rat und damit in derstädtischen Politik konkurrierten. Bereits Elsanne Gilomen-Schenkel konnte zeigen,daß die Adligen und Achtburger meistens ihre eigenen Interessen gegen diezünftigen Ratsmitglieder trotz deren zahlenmäßigen Überlegenheit durchsetzenkonnten.165 Dies verdankten die Adligen und Patrizier der Tatsache, daß es zu

158 Offenburgs Lebenslauf ist exemplarisch für den gesellschaftlichen Aufstieg, der einemAngehörigen der Herrenzunft möglich war; konsequenterweise gab er um 1420 seineZunftzugehörigkeit auf und trat der Hohen Stube bei, aus der die adligen und patrizischenMitglieder des Rates sowie der Bürgermeister und der Oberzunftmeister rekrutiert wurden; dazuGILOMEN-SCHENKEL, hier S. 53.

159 GILOMEN-SCHENKEL zeigt eindrücklich, daß die neuen Machthaber vor allem den Handels-zünften entstammen; sie bringen auch die Finanzbehörde des Rates, das Gremium der sog.Siebener, unter ihre Kontrolle, ebd., S. 38; sämtliche Inhaber der drei wichtigsten Ämter, d.h.Bürger-, Oberzunft- und Ammeister, die alle aus der Schicht der Zunfthäupter stammen, nenntsie auf S. 37f. Siehe auch SCHUBRING, Rötteler Chronik, S. 100f.; SCHöNBERG, S. 805-807.

160 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 237; er berichtet auch von den Spannungen zwischenWiler und Marschalk, der den Franziskanern anhing.

161 SCHUBRING, Rötteler Chronik, S. 98-101; Korrektur zu ebd., Anm. 131 / Übersetzung: St.Johannestag meint Juni 24 und nicht 22.

162 Im Jahr 1404 wurde er bei der Wahl übergangen, BASLER CHRONIKEN 5, S. 86.

163 Bereits 1409 war es zu einer harten Auseinandersetzung zwischen Volmar, zu diesemZeitpunkt Zunftmeister zum Schlüssel, und Erenfels gekommen, siehe BASLER CHRONIKEN 5,S. 97.

164 Am 2. August 1410 schwören sie Bürgermeister und Rat Urfehde, in: URKUNDENBUCH

BASEL 6, Nr. 35. Rotberg ist 1411 in österreichischen Diensten, dazu SCHUBRING, RöttelerChronik, S. 108f.

165 GILOMEN-SCHENKEL, S. 35-40; zum Folgenden WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 352-

70 IV. Der Basler Beginenstreit

Beginn des 15. Jhs. nur noch wenige Bewerber um die Ratsposten gab unddeshalb dieselben Leute ununterbrochen wichtige Ämter inne hatten. Im Gegen-satz dazu wechselten die zünftigen Mitglieder im Rat ständig, da es sehr viel mehrpotentielle Bewerber gab. Dies führte zu häufig wechselnden zünftigen Ratsmit-gliedern, wodurch für sie die Gestaltung einer kontinuierlichen Politik erschwertwurde. Gegen Ende des 14. Jhs. formierte sich aber eine neue Gruppe innerhalbder Zünfte, der vornehmlich Mitglieder der sogenannten Herrenzünfte ange-hörten166 und der es gelang, wie bereits dargestellt, 1410 die Macht im Rat an sichzu ziehen. Diese Beobachtung konnte Christoph Maier mit seiner Untersuchungder Sezession von 1414 differenzieren, indem er zum einen eine breitereQuellenbasis für die Jahre 1400-1414 heranzog und zum anderen diePersonenverbände innerhalb des Rates näher erfaßte.167 Im Jahr 1414 verließen 28Adlige und Patrizier aus Protest gegen die Politik des Rates die Stadt und gabenihr Bürgerrecht zurück.

Maier ordnete der Gruppe der Sezessierenden die von ihm so benannte„feudalistische Option“ zu. Damit bezeichnete er eine politische Haltung, die eineBeibehaltung der patrizischen Vorrechte und eine strenge Beachtung des Treue-und Gehorsamsverhältnisses zwischen der Bürgerschaft, dem Rat und demStadtherrn forderte. Dieser Gruppe standen die Ratsmitglieder gegenüber, die fürdie „korporative Option“ eintraten: für sie standen „die Sicherheit, die Prosperitätund das friedliche Zusammenleben der Bürgerschaft“168 an erster Stelle, auchwenn dies bedeuten konnte, daß ein Zünftler Zugang zum obersten Amt bekam.Beiden Gruppierungen gehörten sowohl Adlige als auch Patrizier und Zünftler an.Für den „feudalen“ Flügel von 1414 kann eine enge Verbundenheit der einzelnenMitglieder, die auf Familien- und Handelsbeziehungen beruht, nachgewiesenwerden. Diese beiden rivalisierenden Gruppierungen lassen sich bereits in denJahren vor 1414 finden:169 die Sezession von 1414 ist der erfolgreiche Versuch, diebeim Ratswechsel von 1410 verlorene Macht wiederzuerlangen. Beim Ratswechselwaren die alten Machthaber abgesetzt worden, die „korporative“ Parteiungbestimmte von nun an die städtische Politik. Sie war sogar bereit, eineSchlüsselposition, das Ammeisteramt, einem Vertreter der Zünfte zu übertragen,um die von Maier benannten Ziele „Sicherheit und friedliches Zusammenleben“

355.

166 In Basel gibt es 15 Zünfte, die in vier „Herren-“ und elf „Meisterzünfte“ eingeteilt werden.Vgl. dazu SIMON-MUSCHEID, S. 5f.

167 MAIER wertete neben der „Rötteler Chronik“ die Ratsbücher A 1-3 und die Missiven A 1 inBASEL STA aus.

168 MAIER, S. 49.

169 Im Gegensatz dazu MAIER, der zuerst die Gegner mit Namen benennt und dann auf S. 37äußert: „Wer genau, welche ‚parthie(n)‘ den Widerstand gegen v. Ratpert, v. Erenfels und derenAnhänger organisierten, wird aus den Quellen allerdings nicht ersichtlich.“

4. Der Ratswechsel von 1410 71

zu erreichen. Der „korporativen“ Parteiung stand die „feudalistische Option“gegenüber, deren Anführer Erenfels, Rotberg und der verstorbene zem Angenwaren. Den Zeitgenossen war bewußt, daß die noch verbliebenen zwei, vormalsdrei, nicht alleine den Rat und die Stadt beherrscht hatten und deshalb heißt esauch in der Anklageschrift: und ouch etliche andere, die ez mit inen hattent, dieman wol weisz.170 Bei ihnen handelte es sich um die Köpfe der „feudalistischen“Gruppierung im alten Rat, die um jeden Preis an den adligen und patrizischen Vor-rechten festhalten wollte. Der neue Rat wollte aber ein abschreckendes Exempelstatuieren und verwies Erenfels und Rotberg als Exponenten einer entmachtetenPartei aus der Stadt.171

Schon vier Jahr später zeigte sich, daß mit der Verurteilung von Rotberg undErenfels im Jahr 1410 nicht alle Anhänger der „feudalistischen“ Strömung ausBasel verbannt worden waren. Bei der Sezession von 1414 forderten dieAnhänger genau dieser Gruppierung die Wiederherstellung der alten rechten undharkommen172 und die Rückkehr zu den Verhältnissen vor 1410. Am meistenstörte sie die allumfassende Kompetenz des Ammeisters. Deshalb konnten sie erstzur Rückkehr bewogen werden, als seinem Amt die Finanzkontrolle abgesprochenwurde. In den folgenden Jahren wurden zur Wiederherstellung des innerenFriedens die wichtigsten Ämter gerecht zwischen dem „feudalistischen“ und dem„korporativen“ Flügel aufgeteilt. Die Sezessierenden erhielten das Amt desBürgermeisters, ihre ehemaligen Gegner stellten den Ammeister – mit HenmanBuochpart in den Amtsjahren 1414/15 und Johannes Wiler 1416/17 zwei bewährteAnführer der „korporativen“ Seite. Das Amt des Oberzunftmeisters wechseltezwischen den beiden Lagern; Claus Murer, der mit ausgezogen war, wechselte sichmit Henman Offenburg ab, der als Befürworter des Ammeistertums in Baselgeblieben war. Zu einem längerfristigen Ausgleich zwischen den beiden Lagernkam es 1417, als das Ammeistertum wieder aufgehoben wurde.173 Und so konnteRotberg bereits 1416 in die Stadt zurückkehren und 1418 sogar das Amt desBürgermeisters erneut übernehmen.174

170 BASLER CHRONIKEN 5, S. 98.

171 Dies erkannte schon A. Bernoulli in seiner Einleitung zum „Bericht“, BASLER CHRONIKEN

5, S. 77; ebenso GILOMEN-SCHENKEL, S. 36.

172 SCHUBRING, Rötteler Chronik, S. 112f.

173 Vgl. dazu Anm. 157.

174 BASLER CHRONIKEN Bd. 5, S. 77; SCHöNBERG, S. 778.

5. Das Ende des Beginenstreits

5.1. Die letzte Vertreibung

Im Jahr 1411 wurden die Franziskaner-Terziarinnen endgültig aus Basel vertrieben– dies berichten die Quellen, die von der Konfiskation ihrer Häuser und ihresVermögens handeln.175 Von den Ereignissen, die der Enteignung vorangingen,berichtet wieder nur Wurstisen.176 Die Franziskaner hätten durch moralischeVerfehlungen den Volkszorn auf sich gezogen, als eine Frau von ihrem Ehemannauf der Flucht mit einem Minoriten ertappt worden sei. Deshalb wollte man denMinoriten das Bürgerrecht entziehen, und damit allen ihre Verwerflichkeit klarwerde, sei der Wochenmarkt vom Barfüßerplatz vor das Münster verlegt worden.Ein weiteres Mal habe danach Pastoris am 2. Februar 1411 gegen die Beginengepredigt, dieses Mal über die Bibelstelle „Herr, hast du nicht in deinen Ackerguten Samen gesät, woher ist dann dieses Unkraut?“177

In den ersten Monaten des Jahres 1411 kehrte Mulberg aus Rom zurück. Erwar am 13. Februar von Papst Gregor XII. zum Ehrenkaplan ernannt worden,wodurch er der dominikanischen Jurisdiktion entzogen wurde. Außerdem hatte erdie Vollmacht erhalten, in Deutschland zu predigen ad ostendendum veritatem etpuritatem Gregorii XII. ad unionem.178 Gleichzeitig erhielt er einen Geleitbrief,um als päpstlicher Gesandter in die Kirchenprovinzen Köln und Mainz, in dieStädte und Diözesen Konstanz, Basel, Straßburg, Augsburg und in dieangrenzenden Gebiete zu reisen.179 Des weiteren erteilte ihm der Papst dieErlaubnis, in den genannten Teilen Deutschlands die Beichte zu hören180 und

175 Vgl. dazu Abschnitt IV 5.2.

176 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 237. Auch die kurzen Hinweise auf den Ausgang desStreits in BULLARIUM FRANCISCANUM, S. 191 Anm., basieren auf WURSTISEN. Diese„Zwischenfälle“ wurden häufig als Erklärung für die letzte Vertreibung der Beginenangenommen, ohne weitere Berücksichtigung des Ratswechsels, so z.B. WACKERNAGEL,Geschichte 2,2, S. 808; BONER, BZGA 34, S. 142; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S.35f. Bei PATSCHOVSKY, S. 417, findet sich zum Ratswechsel der Hinweis: „Aber imStadtregiment war 1409 (sic) ein Wechsel eingetreten, der franziskanerfeindliche Kräfte ansRuder gebracht hatte (...)“. WEHRLI-JOHNS, Dominikanerobservanz, läßt den Ratswechselebenfalls außer Acht, bietet aber dafür die „Fälschung“ der Drittordensregel der Dominikaner alsErklärungsmodell an; vgl. dazu Anm. 38.

177 Matth. 13, 27; die Predigt ist nicht überliefert.

178 VAT. REG. 337, fol. 220r-221v; REP. GER. 2,1, Sp. 1389; EUBEL, S. 101f., Anm. 4.

179 VAT. REG. 337, fol. 220r.

180 VAT. REG. 337, fol. 225r-v.

5. Das Ende des Beginenstreits 73

Schismatiker zu absolvieren.181 Nach seiner Rückkehr habe er, so berichtet wiederWurstisen, Pastoris unterstützt und in der Karwoche ab Mitte April erneut gegendie Terziarinnen gepredigt, „mit solchem Zulauf, daß die Kirchen die Menge nichtfassen mochten“.182 Aber auch die Vergehen des Klerus, nämlich Wucher undgeistige Hurerei, habe er gegeißelt. Wurstisens Behauptung, Mulberg habe gegenden Wucher gepredigt, läßt sich tatsächlich anhand der überlieferten Quellenbestätigen. In einer Sammelhandschrift der Basler Kartäuser findet sich von derHand des zweiten Kartäuserpriors, Johannes Dotzheim, ein Abschnitt zu denAuseinandersetzungen um Mulbergs „Wucherpredigt“, der eine halbe Folioseiteumfaßt.183 Die Datierung lautet anno domini Mccccx vel circa; diese Angabe magdurchaus noch die Karwoche im Jahr 1411, die Wurstisen angibt, einschließen. DerText wurde detail- und kenntnisreich von Hans-Jörg Gilomen ausgewertet undeingeordnet.184 Mulberg hatte in seiner Predigt den wucherischen Charakter der

181 VAT. REG. 337, fol. 225v-227r.

182 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 238.

183 BASEL UB, C V 36, fol. 78v; zur Edition siehe Abschnitt IX 1.7; zum Aufbau derHandschrift und ihren Schreibern siehe auch GILOMEN, Kirchliche Theorie, Anm. 8; KAEPPELI,Scriptores 2, S. 492f., Nr. 2520.

184 Das Folgende greift auf die Überlegungen von GILOMEN, Kirchliche Theorie, S. 34-62,zurück; einen sehr guten Überblick über die aktuelle Forschungslage bei DERS.: Sozial- undWirtschaftsgeschichte der Schweiz im Spätmittelalter. In: Geschichtsforschung in der Schweiz,Bilanz und Perspektiven – 1991. Basel 1992, S. 41-66; und DERS., Die städtische Schuld, S. 5,Anm. 1; mit besonderem Blick auf jüdische und lombardische Geldverleiher DERS., Wucher, S.265-301; siehe auch RöSCH, S. 592, Anm. 1; LEGOFF, bes. S. 7-66. Zur Entstehung desWucherverbots im Frühmittelalter SIEMS, Harald: Handel und Wucher im Spiegel frühmittel-alterlicher Rechtsquellen. Hannover 1992 (MGH Schriften 35); zum Zinsverbot FUHRMANN,Horst: Der „schnöde Gewinn“ oder das Zinsverbot. In: Ders.: Überall ist Mittelalter: Von derGegenwart einer vergangenen Zeit. München 1996, S. 123-149, 286-289; ebd., S. 135f., einekritische Auseinandersetzung mit LEGOFF und dessen These, der Zinsnehmer werde imMittelalter zunehmend positiv beurteilt. Vgl. auch BRAUN, Christian: Vom Wucherverbot zurZinsanalyse 1150-1700. Winterthur 1994, bes. S. 41-129. Immer noch von Interesse istENDEMANN, Wilhem: Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre bisgegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts. 2 Bde., Berlin 1874-1880, hier Bd. 2, S. 103-160;TRUSEN, Winfried: Zum Rentenkauf im Spätmittelalter. In: Mitarbeiter des Max-Planck-Institutsfür Geschichte (Hrsg.): Festschrift für Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag am 19. September1971. Bd. 2, Göttingen 1972, S. 140-158; BAUER, Clemens: Diskussionen um die Zins- undWucherfrage auf dem Konstanzer Konzil. In: Franzen, August (Hrsg.): Das Konzil vonKonstanz. Freiburg 1964, S. 174-186; NEIDIGER, Liegenschaftsbesitz, S. 117.

Ebenfalls zu Beginn des 15. Jhs., 1404/05, predigte der spanische Dominikaner VinzenzFerrer im nahen Freiburg / Schweiz und Bern gegen Wucher. Seine Predigten hatten eine sogroße Wirkung, daß einzelne Zuhörer ihren Schuldnern eine als wucherisch empfundeneTeilschuld erließen, so UTZ TREMP, Kathrin: Ein Dominikaner im Franziskanerkloster. DerWanderprediger Vinzenz Ferrer und die Freiburger Waldenser (1404): Zu codex 62 derFranziskanerbibliothek. In: Imbach, Rüedi / Tremp, Ernst (Hrsg.): Zur geistigen Welt der

74 IV. Der Basler Beginenstreit

sogenannten Wiederkaufsrenten angeprangert. Im Mittelalter waren drei Arten vonRentenkäufen üblich:185 die Leibrente, bei der die Zahlung beim Tod des Berech-tigten endete, die Ewigrente, die theoretisch bis zum jüngsten Tag weiterlief, unddie Wiederkaufsrente, bei der die Rentenverpflichtung durch Rückzahlung desKapitals aufgehoben werden konnte. Sie alle waren Kreditgeschäfte, bei denengegen Zahlung einer Summe das Recht zum Bezug eines festen jährlichen Betragserworben wurde. Diese Kreditgeschäfte wurden in die äußere Form eines Kaufver-trages gebracht, um nicht unter das kanonische Verbot reiner Darlehenszinsen zufallen.186

Die Diskussion um wucherische Zinseinnahmen war bereits seit der zweitenHälfte des 13. Jhs. an der Pariser Universität mit Blick auf die Schriften desHeinrich von Gent geführt worden, der sowohl Ewig- als auch Leibrenten alsForm des Wuchers verurteilt hatte.187 Heinrichs Schlußfolgerung war heftigkritisiert und abgelehnt worden. Mulberg wurde nun von seinen immer zahlrei-cheren Gegnern vorgeworfen, in seiner Predigt die im 15. Jh. als überholtangesehene Position des Heinrich von Gent vertreten zu haben. In der vorliegen-den Basler Handschrift führte der Schreiber diesen Vorwurf auf und fügteMulbergs wörtliche Entgegnung an. Er, Mulberg, habe über die drei Grundartendes Rentenkaufs gepredigt, nämlich Leib-, Ewig- und Wiederkaufsrenten. Diebeiden ersten seien erlaubt, bei der dritten Art befürchte er aber, daß sie inWahrheit und vor dem Gewissen Verpfändungs- oder Darlehensverträge genanntwerden müßten. Die Verträge über Wiederkaufsrenten würden allerdings erstdurch ihre Begleitumstände, die Gewinnabsicht, Hinterlist und einen betrügerischenund ungerechten Preis zu unerlaubten Geschäften. Er habe nie behauptet, daßWiederkaufsverträge, die unter gerechten Bedingungen entstanden seien, unerlaubt

Franziskaner im 14. und 15. Jahrhundert. Die Bibliothek des Franziskanerklosters in Freiburg /Schweiz. Freiburg 1996, S. 81-109, bes. S. 99-104. Vgl. dazu auch GILOMEN, Wucher, S.296f. In Straßburg hatten die Mendikanten im 15. Jh. entdeckt, daß nicht länger Renten, sondernGetreide eine stabile Einkommensquelle darstellten, um die wirtschaftliche Konjunktur zu nutzen,dazu RAPP, Francis: Die Mendikanten und die Straßburger Gesellschaft am Ende des Mittelalters.In: Elm, Kaspar (Hrsg.): Stellung und Wirksamkeit der Bettelorden in der städtischenGesellschaft. Berlin 1981, S. 85-102. Siehe auch SPICCIANI, Amleto: La povertà „involontaria“e le sue cause economiche nel pensiero e nella predicazione di Bernadino da Siena. In: Maffei,Domenico / Nardi, Paolo (Hrsg.): Atti del simposio internazionale Cateriniano-Bernardiniano(Siena 17-20 aprile 1980). Siena 1982, S. 811-834.

185 GILOMEN, Kirchliche Theorie, S. 35f.; DERS., Die städtische Schuld, S. 7f.; TRUSEN,a.a.O., S. 150f.

186 Vgl. auch FUHRMANN, a.a.O., S. 131-135; LEGOFF, S. 76-87.

187 Vgl. MACKEN, Raymond: „Hendrik van Gent (Hendricus de Gandavo)“. In: NationaalBiografisch Woordenboek 8, Sp. 377-395, mit Literaturüberblick; LANGHOLM, Odd: Economicsin the Medieval Schools. Wealth, Exchange, Value, Money and Usury according to the ParisTheological Tradition 1200-1350. Leiden 1992, S. 249-275.

5. Das Ende des Beginenstreits 75

oder wucherisch seien.Es ist kaum anzunehmen, daß Mulberg in seiner Predigt tatsächlich nur diese

gemäßigte Position vertreten hatte; aber dennoch ermöglicht auch diese abge-schwächte Argumentation, Einblick zu nehmen in eine Diskussion, die von Wienbis Basel geführt wurde. Gilomen konnte zeigen, daß zu Beginn des 15. Jhs. dieaktuelle Literatur zur Wucherdiskussion in Basel greifbar war: Neben denKartäusern mit besagter Sammelhandschrift besaß auch der Dominikanerkonventalle wichtigen einschlägigen Traktate. Heinrich von Rheinfelden hatte 1394 in Wiendie Quaestio de usura: Utrum liceat alicui emere redditus von Heinrich vonLangenstein und weitere Traktate dieses Autors sowie einen Traktat Heinrichs vonOyta zu demselben Problem abgeschrieben und mit nach Basel gebracht.188

Mulberg argumentierte in Übereinstimmung mit Heinrich von Langenstein, daßbeim Wiederkauf gewöhnlich kein echter Kauf und späterer Rückkauf, sondernvon vornherein die Absicht einer späteren Ablösung vorlag. In seiner gemäßigtenPosition, wie sie in seiner Entgegnung vorliegt, bezog Mulberg außerdem dieArgumentation des Heinrich von Oyta ein, der den Wiederkauf unter bestimmtenBedingungen als eine erlaubte Möglichkeit befürwortete.

Mulbergs Übereinstimmung mit den Positionen von Heinrich von Langensteinverwundert nicht, wenn man Heinrichs Traktat heranzieht. Gleich im Eingangs-kapitel seines Traktats diskutierte Heinrich als erstes in Zusammenhang mit demRentenkauf die Frage des Einkommens, das nicht auf Arbeit beruhte.189 Heinrichnannte dort wucherische Geschäfte, zu denen er die Wiederkaufsrente zählte, ineinem Atemzug mit dem Bettel, wenn der Bettelnde mit seinen Händen arbeitenkönnte. Heinrich lehnte den Rentenkauf ab, weil er arbeitsloses Einkommenermögliche und dadurch den Müßiggang fördere – auch Mulberg ein Greuel.Heinrich hielt den Rentenkauf nur für Alte und Invalide für gerechtfertigt. DieGemeinschaft solle nur den Unterhalt ihrer weltlichen und geistlichen Vorsteher,wie Herren, Richter und Kleriker, durch Renten bestreiten, vor allem beidenjenigen, die den Gottesdienst besorgen. Sie alle würden Aufgaben im Dienstdes Gemeinwohls wahrnehmen. Sowohl Heinrich als auch Mulberg kritisierten dasAneignen von unrechtmäßigen Möglichkeiten zum Erwerb des Lebensunterhalts,sei es in Form von Renteinnahmen oder Bettelei. Für Mulberg zählten dazu auchBeginen, die in den Genuß von kirchlichen Einkünften, beispielsweise ausJahrzeitstiftungen, gelangten. Gesunde sollten arbeiten; nur wer der Gemeinschaftauf besondere Weise diente, wie etwa der Klerus, sollte das Recht auf Zins-einkünfte oder Almosen erhalten. Heinrich propagierte somit eine funktionalarbeitsteilige Gesellschaftsauffassung. Der Gedanke der Arbeitsteilung läßt sich

188 GILOMEN, Kirchliche Theorie, S. 37f. RöSCH weist auf die Komplexität der Wucherbestim-mungen im kanonischen Recht hin, die die meisten Seelsorger, falls sie nicht Rechtsgelehrtewaren, überforderte, ebd., bes. S. 598, 609, 611, 617.

189 GILOMEN, Kirchliche Theorie, S. 42f., zum Forschungsstand bes. Anm. 33.

76 IV. Der Basler Beginenstreit

auch bei Mulberg finden, der Schwerpunkt lag aber im Gegensatz zu HeinrichsTheorie auf einer klaren Scheidung der Stände, die weiterhin Grundprinzip derGesellschaftsordnung bleiben sollte.

Mit seiner „Wucherpredigt“ hatte Mulberg die immer noch vorhandeneFeindseligkeit gegen die Beginen erneut geweckt. Seine Anklage von wucherischerworbenen Zinseinkünften schloß auch die unrechtmäßig erlangten Bettel-einkünfte der Beginen ein. Mit seiner Kritik an wucherischen Einnahmen ausRentengeschäften hatte er aber auch einen Teil des Basler Klerus gegen sichaufgebracht, der sich Gewinne aus diesen Finanzgeschäften erhoffte. So erlangtenzum Beispiel für das stark verschuldete Kloster St. Alban die Einkünfte ausLeibrenten seit der Jahrhundertwende immer mehr an Bedeutung, auch wenn esinnerhalb des Ordens eine durchaus kontroverse Diskussion über ihre Zulässigkeitgab.190 Ganz ähnlich war auch die Lage des Chorherrenstifts St. Leonhard.191

Obwohl Mulbergs Intervention ausschlaggebend für den erneutenMeinungsumschwung war, hätte er alleine keine Lösung der Beginenfrageerzwingen können. Auf seiner Seite stand der neue Rat. Der alte Rat hatte keineeinheitliche Haltung im Streit um die Frauen eingenommen, das päpstliche Urteilzugunsten der Franziskaner und ihrer Terziarinnen jedoch akzeptiert. Für einender verbannten Anführer des alten Regimes, Henman Fröweler von Erenfels, läßtsich seine Stellung im Beginenstreit eindeutig bestimmen. Aufschluß darüber gibtein Testament, das er 1413 in der Verbannung verfaßte. Dort setzte er vierTestamentsvollstrecker ein, all min guoten fründe aelli vieri, von denen einer zuden Protagonisten im Beginenstreit zählt: Rudolf Buchsmann, ein guter Freundvon Erenfels.192 Damit kann ziemlich genau auf Erenfels’ Position im Beginenstreitgeschlossen werden. Er stand auf Seiten der Barfüßer und somit im Widerspruchzu Mulbergs Vorgehen gegen die Beginen. Darüber hinaus bestand die bereitsbeschriebene Gegnerschaft zwischen dem Repräsentanten des alten Rates und denneuen Machthabern: Es bestand eine persönliche Feindschaft zwischen Erenfelsund von Jettingen, dem neuen Oberzunftmeister einerseits, und Marschalk, dem

190 Vgl. GILOMEN, Hans-Jörg: Die Grundherrschaft des Basler Cluniazenser-Priorates St.Alban im Mittelalter. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte am Oberrhein. Basel 1977, hier S.279-293.

191 VON SCARPATETTI, Kirche, S. 141, 153, 179.

192 BASEL STA, Klosterarchiv N 7, Testament Erenfels; neben Buchsmann setzt er ClaraRoetin, Ursula Schalerin und den Predigerbruder Hermann Scholl als Testamentsvollstrecker ein.Scholl war 1404, 1410 und 1419 Prior des Konvents, also zu einem Zeitpunkt, als sich derKonvent längst von seinem Mitbruder Mulberg distanziert hatte; seine Schwester war eineBegine, diese verwandtschaftliche Beziehung spricht ebenfalls für eine Unterstützung derBeginenbefürworter; vgl. auch BONER, BZGA 34, S. 226f., bes. Anm. 41.

5. Das Ende des Beginenstreits 77

neuen Bürgermeister andererseits.193 Der alte Rat tendierte eher zur Seite derFranziskaner; so zählte das Geschlecht des verstorbenen Peter zem Angen im 14.Jh. zu den Basler Familien, die sehr eng mit dem Barfüßerkonvent verbundenwaren.194 Ludman von Rotberg, der dritte im Bunde, soll angeblich ebenfalls einGönner der Barfüßer gewesen sein.195

Der neue Rat hingegen stellte sich eindeutig auf die Seite von JohannesMulberg. Er sandte im September 1411 einen Brief an das Provinzkapitel derDominikaner, in dem er für Mulberg Fürsprache einlegte.196 Aber nicht nur diesesWohlwollen gegenüber dem Anliegen Mulbergs, sondern auch pragmatischeGesichtspunkte dürften dazu geführt haben, daß der neue Rat 1411 die erneuteVertreibung der Beginen zuließ. Er war gerade unter großen Schwierigkeiten andie Macht gelangt und mußte seine Position festigen. In dieser Situation stellte derBeginenstreit, der von neuem zu brodeln begann, einen unerwünschten Störfaktordar, der beseitigt werden mußte. Damit wurde auch der Bischof nicht weiterprovoziert, der vermutlich aus finanziellen Gründen keine Wiederaufnahme dergerichtlichen Auseinandersetzungen um die Beginen wünschte.197

Bisher wurde wiederholt in der Vertreibung der Beginen eine Schädigung derBarfüßer als Parteigänger der Habsburger gesehen.198 Das wichtigste Argumentfür die angebliche Franziskanerfreundlichkeit der Österreicher stellt die Gründungdes Klarissenklosters und des Barfüßerkonvents in Königsfelden im Jahr 1311dar.199 Nach dem Mord an König Albrecht I. unterzeichneten Königin Elisabethund ihre fünf Söhne in Wien die Urkunde, in der sie den Grund und regelmäßigeEinkünfte für das Doppelkloster stifteten. Ihre Tochter Agnes, die Witwe desungarischen Königs, trat anschließend auf Wunsch der Mutter in dasneugegründete Klarissenkloster ein. Am Ende des 14. Jhs. hatte sich die Situationjedoch völlig geändert. Nach dem Tod des clementistischen Herzogs Leopold III.bei Sempach übernahm sein Bruder Albrecht III. vorübergehend die Macht, derein überzeugter Anhänger des römischen Papstes war.200 Sein Neffe, Herzog

193 Vgl. Anm. 160-164.

194 NEIDIGER, Mendikanten, S. 173.

195 Der einzige Beleg zu dieser Vermutung bei WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 225.

196 Vgl. Anm. 206.

197 Vgl. Anm. 135.

198 So z.B. PATSCHOVSKY, Beginen, S. 417, mit Bezug auf WURSTISEN: „Man demütigte dieBettelmönche als habsburgische Klientel, nicht als Beginenfreunde.“ Ebenso die jüngste Darstel-lung zum Ausgang des Beginenstreits von FELLER-VEST in HS IX/2, S. 210, basierend aufWURSTISEN, Baßler Chronick, S. 214, 228, 232, 235f., 238f. Siehe auch WACKERNAGEL,Geschichte 1, S. 335-337, 356-392.

199 Siehe HS V/1, S. 561-567.

200 Zum Folgenden HAUPT, Schisma, S. 47, 292f.; HILLENBRAND, S. 246. Zur Territorial-

78 IV. Der Basler Beginenstreit

Leopold IV., bekannte sich unter seinem Einfluß ebenfalls offiziell zu Bonifaz IX.,obwohl er die Clementisten in seinem Gebiet bis zum Konzil von Pisa duldete, demer sich mit seinem Bruder Friedrich IV. in der Frage der Obödienz im Jahr 1409sofort anschloß.201 Leopold IV. und seine Ehefrau Katharina von Burgund wareneinflußreiche Förderer der Dominikanerobservanten, die während des Pontifikatsvon Bonifaz IX. eine Reform der Ordensprovinz Teutonia anstrebten. Der Herzogund seine Frau hatten sich auf vielfältige Art und Weise für die Errichtung desersten observanten Frauenkonvents in Schönensteinbach in der Diözese Basel imJahr 1397 eingesetzt.202 Deshalb ist es äußerst unwahrscheinlich, daß dieHabsburger in den Vorlanden zu Beginn des Beginenstreits immer nochfranziskanerfreundlich waren. Sie standen eindeutig auf Seiten derDominikanerobservanten, deren populärster Vertreter in Basel Johannes Mulbergwar, der die Gegner der Beginen anführte. Aber auch der Rat der Stadt hätte dieFranziskaner nicht als österreichische Klientel schädigen wollen, denn den altenMachthabern war ja gerade ihre habsburgerfeindliche Politik vorgeworfen worden,und der neue Rat setzte sich vehement für einen Friedensschluß mit denÖsterreichern ein. Innenpolitisch wurde jedoch mit der Vertreibung der Begineneines der größten Spannungsfelder beseitigt, und außenpolitisch kehrte Ruhe inBasel ein. Die Stadt beendete 1411 den Krieg mit Katharina von Burgund und imfolgenden Jahr schloß sie nach dem Tod Leopolds IV. mit Katharina und ihremSchwager Herzog Friedrich IV. ein mehrjähriges Bündnis, durch das Basel derVerbündete Österreichs wurde.203

Der Basler Beginenstreit endete mit der Vertreibung der Terziarinnen im Jahr1411 gegen alle päpstlichen Sentenzen und Privilegien.204 Die Stadt und ihreBürger waren der Beginen überdrüssig geworden – und der Basler Klerus und derDominikanerkonvent seines streitlustigen Ordensbruders Johannes Mulberg.205

Von Anfang an bekämpfte der observante Mulberg die Terziarinnen ohneallzugroße Unterstützung seiner konventualen Basler Ordensbrüder. Die Mehrheitder Mitbrüder stand weder auf der Seite der von Mulberg favorisierten Ordens-reform, noch interessierte sie sich für das Problem der theoretischen Scheidung

politik der Habsburger siehe BAUM, Wilhelm: Die Habsburger in den Vorlanden 1386-1486.Krise und Höhepunkt der habsburgischen Machtstellung in Schwaben am Ausgang des Mittel-alters. Wien 1993, bes. S. 75-108; HöDL, Günther: Habsburg und Österreich 1273-1493.Gestalten und Gestalt des österreichischen Spätmittelalters. Wien 1988, S. 131-156.

201 HAUPT, Schisma, S. 314f.

202 Dazu Abschnitt III 2.5; vgl. auch NEIDIGER, Selbstverständnis, S. 73-83; STIEVERMANN,bes. S. 198-201, 222-234, 261-289.

203 WACKERNAGEL, Geschichte 1, S. 356-392, bes. S. 387, 391f.

204 WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 808.

205 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 238.

5. Das Ende des Beginenstreits 79

von Laien und Klerikern. Mulbergs Festhalten am römischen Papst Gregor XII. bisins Jahr 1411 besiegelte sein kurioses Schicksal. Mit der Begründung, er sei einSchismatiker und Ketzer, wurde er gemeinsam mit den Beginen aus der Stadtvertrieben. Seine Ordensbrüder beschwerten sich sogar über ihn beimProvinzkapitel der Dominikaner in Colmar im folgenden Jahr, 1411. Nur der Ratder Stadt, der seit dem Ratswechsel 1410 auf der Seite der Beginengegner stand,trat noch als sein Fürsprecher auf. Der Rat sandte im September 1411 einen Briefan den Provinzial mit der Bitte, Mulberg nicht zu bestrafen, da ihn viele nurdeshalb haßten, weil er das Unrecht verfolge.206 Er habe in seinen öffentlichenReden keinem Papst den Vorrang gegeben, und den gegen ihn vorgebrachten Vor-würfen solle kein Glaube geschenkt werden. Aber auch die Beginen hatten keinenFürsprecher mehr – die Barfüßer strebten keinen weiteren Prozeß an der Kurie an.

Nach der Vertreibung der Frauen im Jahr 1411 gab es in der zweiten Hälftedes 15. Jhs. nur noch ganz vereinzelt Beginen in der Stadt.207 Sie pflegten wiederKranke und beklagten die Toten.208 Sie bemühten sich sogar um erneutenAnschluß an die Bettelorden, aber, wie Wackernagel zeigte, waren es dieses Maldie Barfüßer, welche die alten beginenfeindlichen Gesetze angewandt wissenwollten und seit der zweiten Hälfte des 15. Jhs. in diesem Sinne an den päpstlichenStuhl appellierten.209 Die Bewohnerinnen der Klöster und Klausen im Umland, wiezum Beispiel Schauenburg, Engeltal und Rothaus, bezeichneten sich selbst alsBeginen. Der Basler Beginenstreit im ersten Jahrzehnt des 15. Jhs. hatte zwar nichtdie vollständige Vertreibung der Frauen bewirkt, aber doch zur endgültigenZerstörung des in zahlreichen Häusern organisierten Gemeinschaftslebens derBeginen geführt. So gab es nach 1411 nur noch einzeln lebende Beginen, diejedoch keine Bedeutung mehr erlangten.210

5.2. Die wiederholte Enteignung der Beginen

Die Beginen wurden mehrfach ihres Besitzes beraubt. Welche Häuser und welchesVermögen betroffen waren, wann sie eingezogen und eventuell wiederzurückerstattet wurden, läßt sich nicht mehr eindeutig feststellen. Die Quellen

206 BASEL STA, Missiven A 1, Bl. 238-239; dazu auch WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S.166*; BONER, BZGA 34, S. 143; NEIDIGER, Mendikanten, S. 128.

207 Zum Folgenden WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 847, 173*; EUBEL, Karl: Geschichteder oberdeutschen Minoritenprovinz. Würzburg 1886; GREIDERER, Germania Franciscana 2, S.609; HS IX/2, S. 194.

208 DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 39.

209 WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 847.

210 Die gleiche Einschätzung bei WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 847; DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 39.

80 IV. Der Basler Beginenstreit

geben keine vollständige Auskunft, und bisher wurde auch in der Forschung nochkeine endgültige Antwort auf diese Fragen gegeben.211 Im folgenden soll dieQuellenlage dargelegt und die annähernden Aussagen – nur solche sind möglich –sollen zusammengestellt werden. Zur ersten Enteigung der Häuser im Jahr 1405gibt es eine vergleichsweise gute Überlieferung. Als Folge der ersten Vertreibungder Beginen schickten Bürgermeister und Rat in diesem Jahr Beauftragte in dieBeginenhäuser, die den Besitz der Frauen beschlagnahmten.212 Darüberbeschwerten sich die Barfüßer bei Papst Innozenz VII., der im Mai 1406 dieRückgabe aller Güter anordnete.213 In keinem der beiden Schriftstücke werden dieNamen der betroffenen Häuser genannt. Im Jahr 1407 wurden zehn Häuser derFranziskaner-Terziarinnen und das sogenannte Dechans Haus, das ohneOrdenszugehörigkeit war, im Rahmen der Anklage gegen die Franziskaner alsHerde der Ketzerei bezeichnet.214 Der nächste Hinweis auf eine Enteignung vonBeginenbesitz findet sich nur bei Wurstisen, der berichtet, daß im Jahr 1409sechzehn leerstehende Beginenhäuser beschlagnahmt und dem Spital übergebenworden seien.215 Sie stammten vermutlich aus dem Besitz jener Beginen, die beider Basler Verfolgung 1405 auf dem angrenzenden Gebiet des Markgrafen vonHachberg Unterschlupf gefunden hatten und die 1409 der Konstanzer Beginen-vertreibung zum Opfer fielen, da das Gebiet des Markgrafen zum KonstanzerBistum gehörte.216 Für diese Übereignung von Beginenbesitz an das Basler Spitalgibt es kein weiteres Zeugnis; einige Häuser lassen sich aber seit 1405 im Besitzdes Spitals nachweisen. Bei der Vertreibung 1411 hatte der Bischof die nochbestehenden zehn Häuser der Terziarinnen an sich gezogen. Dagegen wehrten sich

211 Vgl. zum Folgenden WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 225, 230; WACKERNAGEL,Geschichte 2,2, S. 808; NEIDIGER, Mendikanten, S. 125-132; DEGLER-SPENGLER, BeginenBZGA 69, S. 37-39. Zuletzt die Darstellung der Enteignungen durch VELLER-FEST in HS IX/2,S. 207, basierend auf der Argumentation DEGLER-SPENGLERs, hier S. 38, Anm. 82, die davonausgeht, daß 16 Häuser im Jahr 1405 konfisziert wurden, 10 Samnungen an die Terziarinnen1409 zurückgegeben und 1411 erneut eingezogen wurden. Eine eindeutige Feststellung derBesitzverhältnisse ist häufig nicht möglich; dies führte in beiden Arbeiten zur verschwommenenAngabe des Enteignungsjahres mit „1405/09“. Daß dies zu Ungenauigkeiten führen kann, zeigtdas Beispiel der Samnung in der weißen Gasse, die sich bereits 1405 im Besitz des Spitalsbefindet, weshalb die Angabe „1405/09“ in HS IX/2, S. 230, irreführend ist.

212 NEIDIGER, Mendikanten, S. 129 u. Anm. 293, basierend auf BASEL STA Ratsbücher G 1,231.

213 BULLARIUM FRANCISCANUM 7, S. 186-191, Nr. 516.

214 BASEL STA, Prediger N 5, Nr. 1, 11, 20 (= UK 789, 790, 794).

215 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 230; zur Bedeutung des Spitals vgl. VON TSCHARNER-AUE, Michaela: Die Wirtschaftsführung des Basler Spitals bis zum Jahre 1500. Ein Beitrag zurGeschichte der Löhne und Preise. Basel 1983.

216 Vgl. Anm. 249.

5. Das Ende des Beginenstreits 81

die Franziskaner erfolgreich, und der Rat erkannte die Brüder im Jahr 1412 alsRechtsnachfolger der vertriebenen Terziarinnen an.217 Den bereits erfolgtenVerkauf von drei Häusern mußte der Bischof deshalb rückgängig machen, dieVeräußerung des Hauses am Rindermarkt218 an die Schmiedenzunft erkannten dieBarfüßer hingegen an und billigten auch die Überschreibung des Hauses St. Ulrichan die Münsterkapläne.

Versucht man, das Dargestellte in Beziehung zur Überlieferung der einzelnenKonvente zu setzen,219 ergibt sich folgendes Bild: Ein einziges Haus derFranziskaner-Terziarinnen ging bereits 1405 in den Besitz des Spitals über.220

Zehn weitere Häuser der Franziskaner-Beginen galten 1407 als Hort der Ketzerei;vermutlich waren sie bereits 1405 eingezogen und anschließend zurückgegebenworden und gingen nach 1411 endgültig in den Besitz der Franziskaner über.221

Von den elf bestehenden Häuser der Franziskaner-Beginen gelangten nach demStreit folglich zehn in die Hände der Brüder. Bei den Beginen, die von denPredigern seelsorgerisch betreut wurden, lassen sich vier Häuser um 1409 imBesitz des Spitals nachweisen.222 Das Haus der Münzmeisterin, dessen Zuordnungzu den Predigern nicht eindeutig geklärt ist, und das Begardenhaus der willigenArmen in der neuen Vorstadt erscheinen ebenfalls in dieser Zeit in Spitalbesitz.Diese sechs Häuser könnten von der Enteigung von 1405 ebenfalls betroffengewesen sein, sie wären aber nicht unter die von Innozenz VII. im folgenden Jahrverfügte Rückgabeforderung gefallen.223 Um 1409 waren sie aber im Spitalbesitz.Bei den übrigen Häusern ist die Lage noch unübersichtlicher: Den Dominikanernzugewandt war das Haus am Weg, das erst 1425 im Besitz des Spitals geführtwird. Die Ordensbindung des Hauses zum Schwarzen Bären ist unklar; es blieb bis

217 DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 38f., Anm. 83-85, basierend auf BASEL STAGericht A 8 und Barfüßer D; BASEL STA, Prediger UK 906.

218 WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 166*, berichtet, daß die Franziskaner aber auch noch1415 Rechte an der Großen Samnung am Rindermarkt inne hatten.

219 Basierend auf HS IX/2, S. 222-241; ergänzt werden Korrekturen zu Detailfragen.

220 Samnung in der Weißen Gasse (= Isenlins Haus), dazu DEGLER-SPENGLER, BeginenBZGA 69, S. 38, Anm. 82.

221 1. Große Samnung am Rindermarkt, 2. Haus Heidweiler, 3. Goldschmiedin Haus, 4. HausBeuggen, 5. Kraftshof, 6. Haus Gesingen, 7. Bischofin Haus, 8. St. Ulrich, 9. GysinbetterinHaus, 10. Harerin Haus.

222 1. Haus Rechtenberg, 2. Schulers Haus, 3. Haus zem Angen, 4. Haus zur Mägd (ein Teildes Hauses ist erst 1425 beim Spital).

223 Zu der von WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 230, genannten Anzahl von sechzehnHäusern könnte man folgendermaßen gelangen: zehn Franziskaner-Konvente und diese sechsweiteren Konvente; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 808, spricht von sechsundzwanzigKonventen; er zählte vermutlich zu diesen sechzehn Häusern die zehn enteigneten undzurückerstatteten Terziarinnen-Konvente hinzu.

82 IV. Der Basler Beginenstreit

1413 in Spitalbesitz, könnte also 1405, 1409 oder 1411 dem Spital zugesprochenworden sein. Ob das Begardenhaus der willigen Armen in der St. Johannvorstadt1405 noch bestand, ist ungewiß.224 Diese zwei bzw. drei Häuser könntentheoretisch bereits 1405 enteignet worden sein, gemeinsam mit den Häusern derFranziskaner-Terziarinnen. Wenn man Wurstisens Bericht Glauben schenkt, 1409sei dem Spital Beginenbesitz übereignet worden, und dies mit dem Erscheinen vonehemaligen Beginenhäusern im Spitalbesitz in Zusammenhang bringt, entstehtfolgendes Bild: Zum ersten Mal wurden 1405 Häuser eingezogen, von denenzumindest der franziskanische Anteil dank der Intervention von Papst InnozenzVII. zurückgegeben wurde. Vielleicht gab es 1409 eine zweite Enteignungsserie,die durch die Beginenverfolgung im benachbarten Konstanzer Bistum ausgelöstwurde. Die letzte Welle von Enteignungen fand im Jahr 1411 statt, der alle nochverbliebenen Basler Beginenhäuser zum Opfer fielen. Die Barfüßer sicherten nachder ersten Auseinandersetzung um enteigneten Beginenbesitz ihre Rechte weiterab. Im Jahr 1410 übermittelte der Bürgermeister dem Gericht die Ratsent-scheidung, von nun an alle Zinseinkünfte, die bisher der Regelmeisterin225 alsStellvertreterin der Beginenhäuser zugeflossen waren, auf den Franziskaner-konvent zu übertragen.226 Die Brüder sicherten sich diese Zinseinkünfte in denJahren 1410 und 1415 vor Gericht, aber sie wurden 1413 im Gegenzug auchverurteilt, einen Kredit, der für den Beginenkonvent „Gysinbetterin Haus“ aufge-nommen worden war, zurückzuzahlen.227 Von einem Versuch der Prediger, alsRechtsnachfolger derjenigen vertriebenen Beginen eingesetzt zu werden, die sieseelsorgerisch betreut hatten, ist nichts zu erfahren. Aber es muß auch hier zueiner Regelung zu ihren Gunsten gekommen sein, denn 1420 läßt sich ein Zins,der früher an die Beginen ausbezahlt wurde, im Besitz des Predigerordens nach-weisen.228 Schließlich erhielt das Spital aber doch noch das Vermögen der Franzis-kaner-Terziarinnen, als sich 1447 der Minoritenkonvent der Reformrichtung seinesOrdens anschloß und auf allen Besitz verzichtete.229

224 HS IX/2, S. 232f.225 Vgl. Anm. 33.226 NEIDIGER, Mendikanten, S. 126 u. Anm. 277f.227 NEIDIGER, Mendikanten, S. 126 u. Anm. 279f.228 NEIDIGER, Mendikanten, S. 125, Anm. 275.229 DEGLER-SPENGLER, Beginen BZGA 69, S. 39 Anm. 86; VON TSCHARNER-AUE, a.a.O.,S. 84.

6. Ein Vergleich mit den Nachbarstädten

Der Streit um Beginen und Begarden war zu Beginn des 15. Jhs. kein Phänomen,das sich auf Basel beschränken ließe. Auch in Basels Nachbarstädten ist eineallgemeine Verurteilung der Lebensform der Beginen und Begarden und eine hoheBereitschaft zur Unterdrückung dieser Lebensform zu beobachten. Im folgendensoll der Frage nachgegangen werden, ob Basel ein Einzelfall und Mulberg einEinzelphänomen war. Beispiele aus Konstanz, Straßburg und Mainz, aber auch ausden entfernteren Orten Bern und Freiburg in der Schweiz, die aufgrund derdürftigen Quellenlage meist nur kurz skizziert werden können, sollen deutlichmachen, daß zu Beginn des 15. Jhs. am gesamten Hoch-, Ober- und Mittelrheinder Stand dieser Männer und Frauen angegriffen und meist verurteilt wurde.230

Direkt an das Basler Bistum grenzte die Konstanzer Diözese, die Kleinbaselumfaßte, und auch dort kam es zu Auseinandersetzungen um die Beginen. In derForschung fand der Konstanzer Beginenstreit auf Grund der schlechtenQuellenlage nur am Rande Beachtung.231 Zu Beginn des 15. Jhs., im Dezember1400, ließen sich die Barfüßer in Konstanz die Privilegien ihrer Drittordens-mitglieder erneut bestätigen.232 Bischof Marquard von Randegg ließ durch seinenGeneralvikar dem ortsansässigen Klerus mitteilen, daß die Terziarinnen derBarfüßer nicht unter die Extravagante Johannes’ XXII. Sancta Romana fielen. Inden ersten Januartagen des Jahres 1401 wiederholte er dies in Form eines Befehlsan den Klerus, die Drittordensmitglieder nicht zu belästigen, und billigte denbetroffenen Frauen zum Beispiel das Tragen eines Skapuliers mit Cingulum sowieeines Schleiers für die Inklusen zu.233 Johann von Windesdorf, Kustos derFranziskaner am See und Visitator der Provinz, ließ gleichzeitig von Marquard vonRandegg für die Überlinger Terziarinnen eine Urkunde ausstellen, die sie als Ange-hörige eines approbierten Ordens auswies und ihre Privilegien und Gewohnheitenbestätigte,234 da der Überlinger Konvent bereits seit 1396 Anfeindungen ausgesetztwar.235

230 Vgl. zum Folgenden auch VON HEUSINGER, Sabine: Beginen am Mittel- und Oberrhein zuBeginn des 15. Jahrhunderts. In: ZGO 148 (2000) (im Druck), zu Speyer bes. Anm. 6f.

231 Einen allgemeinen Überblich bei SCHMITT, Mort, S. 91-95; eine Zusammenfassung desBekannten bei WILTS, S. 220f.

232 REC III, 7684.

233 REC III, 7687.

234 REC III, 7688; WILTS, S. 448-452, hier S. 448f.

235 WILTS, S. 448; REC III, 7688.

84 IV. Der Basler Beginenstreit

Diese Vorfälle zeigen, daß es auch im Konstanzer Bistum zu Beginn des 15. Jhs. zuAnfeindungen der Beginen kam, die sich unter anderem gegen ihren ordens-ähnlichen Habit richteten und vom Säkularklerus mitgetragen wurden. Sofern essich um Terziarinnen handelte, konnten diese Angriffe, wie in Basel, dankfranziskanischer Intervention abgewehrt werden. Maßten sich aber einzelneunrechtmäßig den Ordensstand an, erließ der Bischof harte Strafen, wie im April1402, als er Begarden und Lollarden in Neunkirch, die sich angeblich alsEremitenbrüder ausgaben, exkommunizierte.236

Marquard von Randegg mußte zwei sich widersprechende Positionen vertreten.Als Bischof von Konstanz ging er gegen die Beginen vor, deren Privilegien er alsKonservator der Rechte der Franziskaner in Oberdeutschland zu schützen hatte.Als in Basel im Herbst 1405 die Beginen zum ersten Mal vertrieben wurden, griffder Konstanzer Bischof in seiner Funktion als Konservator der Franziskaner in denBasler Streit ein und forderte Mulberg auf, Äußerungen, die sich gegen dieMinderbrüder und deren Dritten Orden richteten, zu unterlassen.237 Daß er diesnur auf Drängen der Barfüßer pflichtschuldigst tat, zeigen die scharfen Verfü-gungen, die er selbst im Widerspruch zur Maßregelung Mulbergs im Novemberfür seine eigene Diözese gegen Beginen und Begarden erließ. Darin warf er denBeginen, Begarden und Terziarinnen seines Bistums unter Hinweis auf die ViennerBeschlüsse vor allem das Predigen in der Öffentlichkeit vor, und er befahl seinemKlerus, die Terziarinnen nur so lange zu dulden, bis eine Entscheidung der Kurieeintreffe.238 Dies ist ein Hinweis auf den laufenden Prozeß in Basel, der auch fürdie Konstanzer Diözese von Bedeutung war. In der Absicht, die Konflikte um dieTerziarinnen nicht unnötig zu verschärfen, beauftragte er Johannes Schönbentz,den Visitator des Dritten Ordens der Franziskaner in der Diözese Konstanz, mitder Durchführung der Einzelbestimmungen. Schönbentz verfügte am 12. März1406 detailliert, wie sich die Terziarinnen zu kleiden und zu verhalten hätten, damites von seiten des Weltklerus zu keinen ungewollten Verwechslungen mit denhäretischen Beginen kommen könne, und er sicherte gleichzeitig ihr Existenz-minimum ab.239 Die Angriffe auf die Lebensform der Beginen in Konstanzdauerten auch in den folgenden Jahren an. Deshalb ließen die Barfüßer dieZugehörigkeit der einzelnen Konvente zur Dritten Regel bestätigen, so für Walds-hut im Jahr 1406;240 oder sie verpflichteten erst jetzt die Häuser zur Annahme der

236 REC III, 7737.

237 Vgl. oben, bes. Anm. 84-91.

238 BASEL STA, Klosterarchiv Prediger N 5 (Nr. 7 u. 8) (= BASEL UB, E I 1k, fol. 383r-389r;REC III, 7925).

239 BULLARIUM FRANCISCANUM 7, S. 189f., Anm. (= REC III, 7937).

240 REC III, 7965.

6. Ein Vergleich mit den Nachbarstädten 85

Regel, wie die Beispiele von Bremgarten,241 Biberach,242 Ravensburg243 und dasSchwesternhaus Hermannsberg244 zeigen. Aber auch die Predigerbrüder sichertenBeginenhäuser, die sie seelsorgerisch betreuten, rechtlich ab. So wurden ihnen dieSchwestern der Sammlung zu Aarau im gleichen Jahr unterstellt.245 In den Jahren1404 und 1409 ließen sich die Prediger durch den Bischof bestätigen, daßInklusen, die seit mehr als hundert Jahren von ihnen seelsorgerisch betreut wurden,unter ihren besonderen Schutz fielen und von Interdikten, die denSakramentempfang betrafen, ausgenommen bleiben sollten.246 Durch dieseunterschiedlichen Formen der Anbindung an ihren Dritten Orden wollten diebeiden Bettelorden mit Unterstützung des Bischofs den Schutz der Frauensicherstellen, um sie vor unberechtigten Übergriffen zu schützen.247 Aber auchunter Marquards Nachfolger im Bischofsamt, Albrecht Blarer,248 blieb dieseKonfliktsituation bestehen. Die Beginen, die 1405 aus Basel verjagt worden waren,hatten im Gebiet des Markgrafen Unterschlupf gefunden, das zum KonstanzerBistum gehörte. Im Juni 1409 beklagten sich die Basler Barfüßer bei AlbrechtBlarer, daß durch seine Prozesse gegen die Beginen die bereits früher vertriebenenBasler Schwestern erneut fliehen mußten.249 Und auch sein Nachfolger auf demBischofsstuhl, Otto II. von Hachberg,250 mußte sich mit dieser Frage beschäftigen.Im August 1413 hob er die Strafen, die Bischof Marquard gegen Beginen undBegarden in Baden im Aargau verhängt hatte, so lange auf, bis andere Weisung

241 REC III, 7965.

242 PETRUS, Franciscus: Suevia ecclesiastica seu clericalia collegiatum seculariatum regularis.Augsburg / Dillingen 1699, hier S. 165f.243 WILTS, S. 399-405, hier S. 403.244 WILTS, S. 337-341, hier S. 341.245 REC III, 7972.246 REC III, 7851, 8112.247 So auch HS I/2,1, S. 339, Anm. 27. Unklar bleibt, weshalb in diesem Vorgehen WILTS, S.220, eine „beginenfeindliche Haltung“, zu erkennen glaubt; seine Auffassung, Marquard vonRandegg habe gemeinsam mit Johann Schönbentz „mehrere Schwesterngemeinschaften zwangs-weise in den dritten franziskanischen Orden ein(gegliedert)“, und die beiden hätten über derenKleidung und Lebenswandel „zur besseren Identifizierbarkeit der häretischen, ohne Regel undOrdensanschluß lebenden Beginen“ (ebd.) bestimmt, scheint nicht überzeugend begründet;anders als WILTS auch PATSCHOVSKY, Beginen, S. 413, Anm. 39.248 Einen Überblick zu seiner Person in HS I/2,1, S. 340-343.249 REC III, 8136 (zum Teil basierend auf WURSTISEN, Baßler Chronick S. 213) (= REGESTEN

DER MARKGRAFEN 1, h 914). SCHMITT, Mort, S. 84, 93, basierend auf Niders Formicarius,nennt für das Jahr 1409 einen Begarden namens Burginus, der verbrannt worden sein soll, dazuauch LEA 2, S. 460.250 Einen Überblick zu Person und Wirken in HS I/2,1, S. 343-348; SCHöNENBERGER,Konstanz, S. 110, S. 185f.: Otto war der 16-jährige Sohn des Markgrafen Rudolf vonHachberg-Rötteln und zuvor Domherr in Basel gewesen.

86 IV. Der Basler Beginenstreit

aus Rom einträfe.251

Im ersten Jahrzehnt des 15. Jhs. war Johannes Mulberg aus Basel nicht dereinzige Gegner der beginalen Lebensform. In Bern attackierte Markus Aichenlochaus Ulm, Priester der Konstanzer Diözese, um 1403 Beginen und Begardenebenfalls scharf. Er sprach den Minderbrüdern das Recht des Beichtehörens abund verurteilte bereits die Gabe eines Almosens an jene oder die Brüder alsschwere Sünde. Der Berner Franziskanerkonvent bestellte seinen OrdensbruderJohann von Münster und die beiden Konstanzer Minoriten, den Lektor JohannesSchönbentz und Johannes Sundersdorf, Pönitentiar des Konstanzer Bischofs, imOktober 1404 als Sachwalter für das bischöfliche Gericht.252 Johann von Münsterbeschwerte sich Ende November 1404 beim Konstanzer Bischof als Konservatorder Rechte und Privilegien der Franziskaner in Oberdeutschland über AichenlochsAngriffe.253 Darauf bestellte Bischof Marquard von Randegg den streitlustigenAichenloch, der angeblich keinen festen Wohnsitz hatte und umherzog, auf den 15.Januar 1405 nach Konstanz. Von dieser Unterredung, die entweder nicht stattfandoder ergebnislos verlief, ist nichts bekannt. Am 20. Januar 1405 beschwerten sichdie drei Sachwalter Johannes Schönbentz, Johannes von Sundersdorf und Johannvon Münster erneut beim Bischof über Aichenloch, der inzwischen sogar gepredigthabe, der Dritte Orden der Franziskaner sei gar nicht päpstlich approbiert.254 DerBischof verurteilte diese Verleumdungen und bestätigte die Rechtmäßigkeit derLebensform der Drittordensmitglieder. Eine Ausnahme seien aber diejenigenBeginen, die zwar den Habit der Terziarinnen tragen, aber der Regel in Wahrheitgar nicht unterstehen würden, sowie Begarden; diese Beginen und Begarden seienzu exkommunizieren. Im gleichen Jahr verurteilte er im November ihre Leben-form und Lehren als häretisch und verhängte schwere Strafen gegen sie.255

In seiner Berner Chronik, die im zweiten Jahrzehnt des 15. Jhs. entstand,berichtet Conrad Justinger, daß in Bern die Basler Beginenverfolgung unter derFührung von Johannes Mulberg bekannt wurde.256 Durch dieses Beispiel angeregt

251 REC III, 8362.

252 REC III, 7859.

253 REC III, 7849; UTZ TREMP, Katrin: „Kanton Bern“. In: HS IX/2, S. 243-311, hier S.255f., nennt Aichenloch/Aigenloch „ein(en) kleine(n) Mulberg“; auf diesem Artikel basierendDIES.: Zwischen Ketzerei und Krankenpflege – Die Beginen in der spätmittelalterlichen StadtBern. In: Wehrli-Johns / Opitz, S. 169-194, 267-272; auf S. 184 die interessante These, daß inBern das Begehen von Jahrzeiten durch die Beginen und deren Tätigkeit im Spital als Arbeit (imneuzeitlichen Sinn) verstanden wurde und die Frauen hier sozial besser integriert waren, was sievor endgültigen Vertreibungen wie in Basel schützte.

254 Zum Folgenden BASEL STA, Prediger N 5, Nr. 5 (= REC III, 7872).

255 REC III, 7925.

256 Zum Folgenden JUSTINGER, Berner Chronik, S. 193f.; zu JUSTINGER als Chronist vgl.STRAHM, Hans: Der Chronist Conrad Justinger und seine Berner Chronik von 1420. Bern 1978.

6. Ein Vergleich mit den Nachbarstädten 87

habe auch der Rat der Stadt Bern den Lausanner Offizial und weitere Gelehrtebefragt, ob der Stand der Beginen überhaupt rechtmäßig sei.257 Obwohl dieBarfüßer vor diesem Gremium auf die Privilegien hingewiesen hätten, welche dieLebensweise der Frauen erlaubten, sei ihr Stand als rechtswidrig verurteilt worden.Am meisten habe ihre Bettelarmut Anstoß erregt – ein Vorwurf, der ja auch inBasel und Konstanz erhoben worden war. Der Aufforderung, ihre Beginentrachtabzulegen, seien die angeklagten Frauen nicht gefolgt, aber der Rat sei auch nichtweiter gegen sie vorgegangen. Der Bericht von Justinger, der ein ZeitgenosseMulbergs war, belegt die Wirkung und Bekanntheit des Basler Predigers, die weitüber seine Heimatstadt hinausreichte.

Auch in der Schweizer Nachbarstadt Freiburg war es seit der Jahrhundert-wende wiederholt zu Angriffen auf die Lebensform der Beginen und Terziarinnengekommen. Im Freiburger Franziskanerkonvent befindet sich ein Vidimus vonacht Papst- und Bischofsurkunden, die die Dritte Regel betrafen.258 VomLausanner Bischof Johannes Münch, ein Anhänger der avignonesischen Obödienz,ließ sich der Barfüßerprovinzial Johannes Leonis am 7. Juli 1404 in Basel dasVidimus der Privilegien der Terziarinnen mit der Begründung erteilen, er brauchedie Urkunden in der Diözese Lausanne an verschiedenen Orten und befürchte denVerlust der Originale. Im Jahr 1413 wurde einigen Terziarinnen vorgeworfen, einunehrenhaftes Leben zu führen.259 Sie hätten die Anweisung ihrer Oberen, dieOrdenstracht der Dritten Regel abzulegen, nicht befolgt. Der Rat beschloß imAugust 1413, in Zukunft alle Beginen, die moralischen Anstoß erregten, aus derStadt zu weisen.

In Basels Nachbarstadt Straßburg kam es ebenfalls zu Anfeindungen vonBeginen und Begarden. Wurstisen berichtet, der Rat habe 1404 Juristen beauftragt,ein Gutachten über die Beginen und Begarden zu erstellen. Ihr Stand sowie ihrLeben in Bettelarmut sei von den Gelehrten als unrechtmäßig verworfen wordenund der Rat habe deshalb ein Edikt erlassen, das selbst den Drittordensmitgliederndas Tragen eines speziellen Habits verboten hätte.260 Darauf seien jene Beginenund Begarden, die ihren Habit nicht gegen die Kleidung der Weltleute aus-tauschten, aus der Stadt gejagt worden und in die umliegenden Städte geflohen.

Vgl. auch UTZ TREMP, a.a.O., S. 254f.

257 STETTLER, Michael: Schweizer Chronik: Annales oder gründliche Beschreibung. 2 Bde. ineinem Bd., Bern 1626/27, hier Bd. 1, S. 102, datiert die Auseinandersetzungen auf 1403;JUSTINGER, Berner Chronik, S. 193, datiert auf 1404; es könnte sein, daß sich auch in Bern derStreit über mehrere Monate hinzog und beide Jahresangaben stimmig wären; beide Chronikennennen Mulbergs Predigten als Auslöser für die Verfolgungen, wobei vermutlich JUSTINGER alsVorlage diente. Ebenfalls das Jahr 1403 bei GREIDERER, Germania Franciscana 2, S. 610f.

258 UTZ TREMP, Katrin: „Kanton Freiburg“. In: HS IX/2, S. 313-343, hier S. 320f.; vgl. auchBULLARIUM FRANCISCANUM 7, S. 187, Anm.; WACKERNAGEL, Geschichte 2,2, S. 165*.

259 Zum Folgenden UTZ TREMP, a.a.O., S. 321.

88 IV. Der Basler Beginenstreit

Dieser Bericht Wurstisens kann durch einen Hinweis von Johannes Mulberg inseinem Traktat ergänzt werden, in dem er an die Beginenverfolgung unterFriedrich II. von Blankenheim erinnert, der von 1375 bis 1393 Bischof vonStraßburg war.261 Ob die Jahresangabe 1404 bei Wurstisen korrekt ist, oder ob esschon zuvor zu Anfeindungen der Beginen kam, wie Mulbergs Bericht nahelegt,kann aufgrund des Fehlens von weiteren Quellen nicht entschieden werden –denkbar wäre sogar ein zweimaliger Angriff auf die Frauen. Es kann aber davonausgegangen werden, daß es in Straßburg zur Vertreibung von Beginen undBegarden um die Wende zum 15. Jhs. kam.

Die aus Straßburg geflohenen Frauen lassen sich kurze Zeit später in Mainzfinden, wo sie erneut von Verfolgungen betroffen waren.262 Nur im ChroniconMoguntinum wird berichtet, im Jahr 1406 sei es zu einer Beginen- undBegardenverfolgung gekommen. Eine Mainzer Begine sei der Häresie angeklagtund überführt worden, sowie einige aus Straßburg stammende Beginen – hierhandelt es sich zweifelsfrei um die von Straßburg nach Mainz geflohenen Frauen.Der Mainzer Chronist berichtet außerdem, ein aus Rothenburg ob der Tauberstammender Junge sei bezichtigt worden, einer der siebzig Schüler des Teufels zusein. Er sei von einem sogenannten Lollarden hinters Licht geführt worden, derihm und weiteren Beginen und Begarden die Beichte abgenommen habe. DerJunge habe darauf öffentlich abgeschworen und sei entlassen worden. Dieserchronikalische Hinweis ist die einzig bekannte Quelle zu den Mainzer Vorfällen.Robert Lerner sah in der Vertreibung der Beginen aus Mainz zweifelsfrei MulbergsImpuls.263 Selbst wenn es keinerlei Verbindungen zwischen den Mainzer Vorfällenund Mulbergs Vorgehen in Basel geben sollte, so zeigen sie dennoch erneut, wiebeginenfeindlich die Stimmung zu dieser Zeit war.

260 WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 223; siehe auch MOSHEIM, De Beghardis, S. 455-457;darauf basierend SCHMIDT, Charles [= Carl]: Über die Secten zu Straßburg im Mittelalter. In: Zs.für die historische Theologie 10,3 (1840), S. 31-73, hier S. 68f. PATSCHOVSKY, Straßburg, S.115f., Anm. 151, stellte den Quellen- und Forschungsstand zusammen; vgl. ferner LERNER, S.103-105; KIECKHEFER, S. 22-26.

261 Abschnitt IX 1.5, S. 166.

262 HEGEL, Karl (Hrsg.): Chronicon Moguntinum. Hannover 1885 (MGH SS, rer. ger. 20), S.82; darauf basierend MOSHEIM, De Beghardis, S. 456; LEA, 2, S. 459f.; LERNER, S. 156f.Siehe auch NEUMANN, wie Anm. 2, S. 157f.

263 LERNER, S. 156: „(...) undoubtedly initiated under Mulberg’s impetus.“

7. Fazit

Der Basler Beginenstreit war zu Beginn des 15. Jhs. kein Einzelfall. In denumliegenden Städten Straßburg, Konstanz und Mainz sowie Bern und Freiburg inder Schweiz führte die Überprüfung der Lebensform ebenfalls zu Vertreibungenvon Beginen, Begarden und Terziarinnen. Konnte Rudolf Buchsmanns ersteStellungnahme zur beginalen Lebensform aus dem Jahr 1400 zunächst nicht inBezug zu Mulbergs Predigt im Jahr 1405 gesetzt werden, so wurde durch denVergleich mit den umliegenden Städten deutlich, daß Buchsmann bereits im Jahr1400 aus aktuellem Anlaß über dieses Thema sprach. Der Verlauf derAuseinandersetzung in Basel unterschied sich in zwei wichtigen Punkten von demin anderen Städten. Erstens wurde hier das organisierte Beginentum alsgemeinschaftliche Lebensform für immer beendet. Zweitens ist die Überlieferungdes Basler Streits im Vergleich zu den anderen Städten besonders reichhaltig, wasauf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist. Die Einbeziehung von auswärtigenInstanzen wie der römischen Kurie und der Heidelberger Universität haben diesebenso begünstigt wie die Anwesenheit von Johannes Mulberg. Sein hartnäckigesVorgehen gegen den Stand der Beginen, das er in seinem umfangreichen Traktattheoretisch begründete und von dem er auch in den folgenden Jahren allenWidrigkeiten zum Trotz nicht abließ, prägten die Entwicklung des Konfliktsentscheidend. Mulberg stand mit seinen Attacken gegen die Beginen nicht alleine.So predigte beispielsweise auch der Kleriker Markus Aichenloch aus Ulmunermüdlich gegen ihre Lebensweise, und Wasmod von Homburg setzte sichebenfalls theoretisch mit den Beginen auseinander und verwarf ihren Stand. Wederder Basler Beginenstreit noch das Vorgehen von Johannes Mulberg waren alsoEinzelfälle – vielmehr sind der Basler Ablauf und Mulbergs Vorgehen, sieht manvon spezifischen Eigenheiten ab, repräsentativ für die Zeit um 1400 im Südwestendes Reiches.

90 IV. Der Basler Beginenstreit

V. Johannes Mulbergs letztes Lebensjahr

1. Sein Sterben

Nachdem Johannes Mulberg 1411 aus Basel vertrieben worden war, verliert sichseine Spur. Wo er sich in den folgenden Jahren aufgehalten hat, ist unbekannt. DieÜberlieferung setzt erst wieder mit der detaillierten Beschreibung seiner letztenLebenswochen Ende 1414 ein, die dem Dominikaner Konrad Schlatter zuverdanken ist.1 In einem Brief an die Nonnen von Schönensteinbach schildertSchlatter die letzte Zeit, die er gemeinsam mit Mulberg bis zu dessen Tod am 5.Dezember 1414 verbracht hatte.2 Er habe diesen Bericht auf Wunsch von ElßMulberg, der Schwester, verfaßt. Der Brief ist in einer nach 1444 verfaßtenSammelhandschrift aus dem Kloster St. Katharina in Nürnberg überliefert.Schlatter nennt sich darin ein unwirdiger schuoler und kneht von JohannesMulberg, was als Demutsformel verstanden werden darf.3 Konrad Schlattergehörte vermutlich seit 1393 dem reformierten Colmarer Konvent an, in demMulberg im Jahr 1399 Prior war. Schlatter wurde 1428 Beichtvater des refor-mierten Dominikanerinnenklosters an den Steinen in Basel und hatte zwischen1435 und 1455 wiederholt das Amt des Priors im dortigen Männerkonvent inne.

Johannes Mulberg und Konrad Schlatter waren, so heißt es in dem Brief, vomDeutschen Reich aus nach Italien gereist, in welischen landen.4 Schlatter unter-richtet seine Leser nur über den Zeitpunkt ihrer Rückkehr aus Italien ins Reich,nicht aber über die Abreise; im November 1414 trafen beide wieder in derBodenseeregion ein. Sie reisten im Gefolge eines Kardinals und eines Patriarchen

1 Den aktuellen Forschungsstand zu Schlatter bei NEIDIGER, Dominikaner, Kap. Prioren. Sieheauch SCHIEWER, Hans-Jochen: „Schlatter Konrad O.P.“. In: VL 8, Sp. 706-709; KAEPPELI,Scriptores 1, S. 287f.; EGGER, S. 236.2 Der Brief wurde ediert in Abschnitt IX 2.2. Es handelt sich um eine im Katharinenkloster inNürnberg geschriebene Sammelhandschrift, die hauptsächlich Briefabschriften enthält und nach1444 entstand. Dazu: DIE HANDSCHRIFTEN DER STADTBIBLIOTHEK NüRNBERG. Wiesbaden1965ff., hier Bd. 1, S. 285-294.3 Abschnitt IX 2.2, S. 176.4 Abschnitt IX 2.2, S. 176; „welische lande“ umfaßt alle romanischen Länder, sowohl Frank-reich als auch Italien, dazu MATTHIAS LEXERs Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. 34.Aufl., Stuttgart 1974, S. 306: „walhisch, welhisch, welsch“.

92 V. Johannes Mulbergs letztes Lebensjahr

zuerst nach Arbon und danach weiter nach Überlingen am See.5 Leicht kannerschlossen werden, was Mulberg zu dieser Zeit an den Bodensee führte. Er warauf dem Weg zum Konstanzer Konzil. Schlatter nennt leider die Namen der beidenWürdenträger nicht, denen sich Mulberg angeschlossen hatte. Wer also waren derKardinal und der Patriarch, mit denen Mulberg die folgenden Tage bis zu seinemTod verbrachte? Mulberg war 1414 noch ein überzeugter Anhänger PapstGregors XII. gewesen, so wie die beiden Würdenträger, mit denen er sichgemeinsam auf dem Weg zum Konzil befand. Papst Gregor XII. hatte seinenKardinal Johannes Dominici und Johannes Contarini, Patriarch-Elekt von Konstan-tinopel, zu seinen Gesandten für das Konstanzer Konzil ernannt.6 Dominici hattean der römischen Kurie in Rimini die Unionsvorschläge für das bevorstehendeKonstanzer Konzil im Frühjahr 1414 erarbeitet.7 Außerdem war er unter Raimundvon Capua und Bonifaz IX. der führende Reformer des Dominikanerordens inItalien gewesen.8 Mulberg kannte ihn vermutlich persönlich seit seinem Aufenthaltan der römischen Kurie in den Jahren zwischen 1406 und 1411; beide gehörten1414 mit wenigen anderen Brüdern zu den letzten noch verbliebenenObservanten. Falls sich Johannes Mulberg durch das Konstanzer Konzil eineWende für die erlahmte Ordensreform erhoffte, so war Dominici vermutlich dereinzige im ganzen Orden, der ihm weiterhelfen konnte.

Der Brief schildert, wie Mulberg gemeinsam mit dem Kardinal auf dem Schiffvon Arbon nach Überlingen übersetzte und Schlatter mit den anderen Knechtenauf dem Landweg reiste. In Überlingen nahmen sie Herberge und der Kardinal batnach zwei Nächten den Rat der Stadt, für ihn und seinen Troß ein Haus oder einKloster zur Verfügung zu stellen, denn er wünsche größere Ruhe und geringereKosten.9 Da es vor Ort keinen Predigerkonvent gab, wandte sich der Rat an dieBarfüßer, die nach längerem Zögern einwilligten, die Gäste aufzunehmen.10

5 Abschnitt IX 2.2, S. 178.6 ACC I, S. 191, Anm. 1; S. 309, Anm. 2; siehe auch BRANDMüLLER, S. 111f.7 BRANDMüLLER, S. 106f.; zu Dominicis Unionsvorschlag siehe ACC 1, S. 192-196, 272-275. Vgl. auch BRANDMüLLER, S. 139; zum Folgenden auch HOLLERBACH; SAUERLAND,Heinrich Volbert: Kardinal Johannes Dominici und sein Verhalten zu den kirchlichen Unions-bestrebungen während der Jahre 1406 bis 1415. In: ZKG 9 (1887/88), S. 239-290.8 Siehe Abschnitt III 1.9 Abschnitt IX 2.2, S. 177.10 Abschnitt IX 2.2, S. 177. Zu den Überlinger Franziskanern siehe ALEMANIA FRANCISCANA

ANTIQUA. Bd. 14, Landshut 1970, S. 193-254, mit weiterführender Literatur; ebenso HS V/1,S. 42-97; BAUR, Ludwig: Die Ausbreitung der Bettelorden in der Diöcese Konstanz. In: FDA 28(1900), S. 1-101, Bd. 29 (1901), S. 1-107, hier Bd. 28, S. 6-68. Siehe auch STENGELE,Benvenut: Linzgovia Sacra. Überlingen 1887.

1. Sein Sterben 93

Auf den ersten Blick verwundert, daß sich Dominici und sein Gefolge nicht inKonstanz aufhielten, wo das Konzil bereits am 5. November 1414 offiziell eröffnetworden war und seit Sommer 1414 Kongregationen aus ganz Europa eintrafen.11

Hier führt das Konzilstagebuch von Cerretanus weiter, das die Zuverlässigkeit desBriefes Schlatters und die Vorüberlegungen bestätigt.12 Cerretanus berichtetebenfalls, daß Dominici bereits am 19. November am Bodensee eingetroffen warund sich zuerst in Rheineck13 und anschließend in Arbon aufhielt.14 SchlattersZeitangaben, die insgesamt eher vage sind,15 widersprechen Cerretanus nicht.Auch nach seinem Bericht trafen er und Mulberg Mitte November, um den 14.des Monats, in Arbon ein, wo sie bis zur Abreise nach Überlingen um den 20.November blieben. Dominici verhandelte von Arbon aus mit den GesandtenSigismunds und der Stadt Konstanz und erhielt für sich und seinen Anhang das fürGregor XII. vorgesehene Quartier im Konvent der Augustiner-Eremiten inKonstanz zugewiesen. Er sandte einen Teil seines Gefolges nach Konstanz, erselbst hielt sich aber in angemessenem Abstand zum Konzil auf, um erst inSigismunds Anwesenheit in Konstanz einzuziehen.16 Von Arbon aus zog Dominicimit seinem restlichen Anhang, dem Mulberg und Schlatter angehörten, auf dieandere Seeseite nach Überlingen, um dort auf Sigismund zu warten. Cerretanusgibt dies in gewohnt abfälliger Weise wieder, wenn er auf die römische Delegationzu sprechen kommt: Sie hätten sich bei Sigismund einschmeicheln wollen, indemsie in Überlingen auf seine Ankunft warteten.17 Dominici wollte erst nachSigismunds Ankunft, mit dem er schon länger in engem Kontakt stand, inKonstanz einziehen. Seine Stellung war sehr schwach, da Gregor XII. undBenedikt XIII. seit dem Pisanum als abgesetzt galten.18 Aber nicht nur Dominici alsFührer der römischen Kongregation, auch die avignonesischen Gesandten sahen in

11 Besonders ACC 2, S. 182-190; BRANDMüLLER, S. 155f.; zum Eintreffen der Teilnehmersiehe ebd., S. 136-159.12 Der Liber gestorum des Cerretanus, in: ACC 2, S. 171-348; siehe auch die Einleitung, ebd.,S. 9-12.13 Rheineck liegt im Unterrheintal im Kanton St. Gallen bei Rorschach, ca. 35 km vonKonstanz entfernt.14 ACC 2, S. 187.15 Abschnitt IX 2.2, z.B. S. 177.16 BRANDMüLLER, S. 167f., bes. Anm. 15; ebd. zur Auseinandersetzung um das Anbringendes Wappens von Gregor XII. an der Unterkunft in Konstanz, das zum Eklat führen mußte; dazuauch HOLLERBACH, RQ 24, S. 6.17 ACC 2, S. 203f.18 Zum Folgenden bes. BRANDMüLLER, S. 175-180; zusammenfassend NIEDERSTäTTER,Alois: Ante Portas. Herrscherbesuche am Bodensee 839-1507. Konstanz 1993, S. 125-142.HOLLERBACH, RQ 24, S. 11f.; er interpretiert die Situation so, daß Gregor seinen Kardinal „inerster Linie“ zu Sigismund geschickt habe.

94 V. Johannes Mulbergs letztes Lebensjahr

der Anwesenheit des Königs die Voraussetzung für ihre Konzilsteilnahme.Sigismund selbst wollte erst nach seiner Krönung in Aachen am 8. November1414 am Konstanzer Konzil teilnehmen. Deshalb forderte er das Konzil auf, mitallen wichtigen Entscheidungen bis zu seiner Ankunft zu warten.

Am Heiligen Abend im Jahr 1414 war es endlich so weit. Sigismund traf mitseinem Gefolge in Überlingen ein. Er setzte in großer Eile von Überlingen nachKonstanz über, da er unbedingt mindestens eine Lesung im Festgottesdienst derHeiligen Nacht übernehmen wollte, wie es ihm als Rex Romanorum zustand.19

Dominici und Contarini blieben jedoch vorerst zurück und erbaten Anfang Januarvon Sigismund einen speziellen Salvus conductus und die Zusicherung, daßDominici mit dem sichtbaren Zeichen eines Kardinals, cum capello rubeo, inKonstanz einziehen dürfe.20 Unter den bereits anwesenden Konzilsteilnehmernkam es zum Streit über diese Frage, aber letztendlich setzte sich Dominici durch:am 22. Januar zog er endlich feierlich in Konstanz ein und bezog sein Quartier beiden Augustinern.21 Er trug beim Einzug den umstrittenen roten Kardinalshut undbefand sich in Begleitung des Patriarch-Elekten von Konstantinopel, seinerseitscum capello nigro, und den weiteren Anhängern Gregors XII., den Herzögen vonBayern und Brieg sowie den Bischöfen von Worms, Speyer und Verden.

Zu diesem Zeitpunkt war Johannes Mulberg längst tot. Er war bereits in Italienzweimal krank gewesen und nach drei Tagen Aufenthalt in Arbon zeigte er dieSymptome der Ruhr.22 Nach Ausbruch der Krankheit, um dem 17. November,blieb er noch weitere acht Tage, also bis zum 25. des Monats, in Arbon. Schlattermachte sich Sorgen, ob Mulberg die Schiffahrt von Arbon nach Überlingenüberhaupt überstehen werde, aber Mulberg beruhigte ihn bei der Ankunft.23 ImFranziskanerkonvent nahm er die ersten zwei Tage noch die Mahlzeiten am Tischdes Kardinals ein, er aß aber nur noch wenig. Danach konnte er das Bett nichtmehr verlassen. Schlatter wandte sich an ihn mit der Frage, ob er denn vor seinemTod seine Schwester Elß noch einmal sehen wolle? Mulberg antwortete barsch,falls Schlatter seine Gunst behalten wolle, solle er sie auf keinen Fallbenachrichtigen. In diesen letzten Tagen besuchten ihn Dominici und Contarini anseinem Krankenlager. Einmal kam der Kardinal sogar ohne Begleitung, umarmte

19 Unklar bleibt, ob er ein oder zwei Lesungen übernahm, dazu HEIMPEL, Hermann:Königlicher Weihnachtsdienst im späteren Mittelalter. In: DA 39 (1983), S. 131-206, hier S.169-173. Von zwei Lesungen spricht auch ULRICH RICHENTAL: Chronik des KonstanzerKonzils 1414-1418. 2. Aufl. Konstanz 1984 (Faksimile), fol. 18r; vgl. auch BRANDMüLLER, S.178f.20 ACC 2, S. 203f.; siehe auch BRANDMüLLER, S. 182.21 ACC 2, S. 208; HOLLERBACH, RQ 24, S. 16; dazu BRANDMüLLER, S. 184, besondersAnm. 51. Das Gutachten Dominicis im Petit-Prozeß zu dessen Tyrannenmordthese siehe ACC 4,S. 279-282 (Nr. 403).22 Abschnitt IX 2.2, S. 177.23 Abschnitt IX 2.2, S. 177.

1. Sein Sterben 95

Mulberg und küßte ihn auf den Mund und sprach mit ihm Latein, wie Schlatterehrfurchtsvoll berichtet.24 Mit dem Antlitz zur Wand gekehrt, alz auch SantAugustinus,25 verstarb Mulberg am 5. Dezember 1414.26

Johannes Mulberg, der im Dezember 1414 einer der letzten Anhänger PapstGregors XII. war, verstarb ausgerechnet in einem Konvent der Franziskaner, dieer doch in Basel so heftig bekämpft hatte und die, wie die Reichsstadt Überlingen,dem Pisaner Papst anhingen. Deshalb konnte Mulberg unmöglich bei denBarfüßern begraben werden. Sein Leichnam wurde in einen Sarg gelegt, Dominicimietete einen Karren und beauftragte Schlatter, dem er noch einen Knecht zurSeite stellte, den Toten wegzuschaffen. Er sollte an einem Ort begraben werden,wo man dem „wahren“ Papst Gregor XII. anhing.27 Zu diesem Zeitpunkt gab esjedoch kaum noch Gebiete, die der römischen Obödienz folgten; die Diözesen derBischöfe von Worms und Speyer zählten zu den letzten Bastionen derGregorianer. Der tote Mulberg wurde deshalb während der folgenden sechs Tagein das rund 150 Kilometer entfernte Zisterzienserkloster Maulbronn in der DiözeseSpeyer gebracht.28 Die Zisterzienser fühlten sich geehrt, einen so überzeugtenAnhänger Gregors bei sich begraben zu dürfen. Sie bestatteten Mulberg, als ob erzu Lebzeiten einer ihrer bedeutendsten Mitbrüder gewesen wäre, und Abt Albertvon Ötisheim hielt persönlich das Totenamt. Er gab Schlatter einen Brief anDominici mit auf den Weg, den Schlatter auf deutsch auszugsweise in seinem Briefan die Nonnen wiedergibt. Darin bestätigte der Abt, Mulberg am 11. Dezemberwürdig in seinem Kloster begraben zu haben. Es scheint, daß Mulberg zuLebzeiten bereits einmal in Maulbronn gewesen war, denn der Abt führte aus, siefreuten sich um so mehr, Mulberg bei sich bestattet zu haben, da sie ihm frühern u r s e l t e n b e g e g n e t

24 Abschnitt IX 2.2, S. 178.25 Dieser Topos, der Mulbergs heiligmäßiges Sterben zeigen sollte, geht auf Possidius, denSchüler Augustins, zurück, der berichtet, wie sich sein Lehrer, als er im Sterben lag, die PsalmenDavids an die Wand heften ließ, um sich immer wieder zum Gebet dorthin wenden zu können,siehe POSSIDIUS: Sancti Augustini vita, hrsg v. Herbert T. Weiskotten. Princeton 1919, caput 31(= S. 140-144). Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Prof. Dr. A. Borst (Konstanz), dem ich andieser Stelle herzlich danken möchte.26 Abschnitt IX 2.2, S. 177.27 Abschnitt IX 2.2, S. 179.28 MEYER, Liber, S. 58, wußte noch, daß Maulbronn nur der Begräbnisort war. Danach galtallgemein Maulbronn als Sterbeort, vermutlich seit WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 238.

96 V. Johannes Mulbergs letztes Lebensjahr

wären.29 Der Abt versprach Konrad, für Mulberg einen neuen Grabstein mit derüblichen Inschrift anfertigen zu lassen, und Konrad ergänzte in seinem Brief, diessei auch geschehen.30 An dieser Stelle bestätigt sich einmal mehr die Zuver-lässigkeit von Schlatters Bericht: Der Grabstein Mulbergs ist noch heute erhalten,er befindet sich inzwischen an der Nordwand des Nordseitenschiffs im Herrenchordes Kloster Maulbronn.31

Ursprünglich war Mulberg im Kreuzgang inmitten der Äbte und berühmtenBrüder der Zisterzienser bestattet worden;32 die Grabplatte wurde erst im 16. Jh.in die Kirche gebracht. Sie besteht aus gelbem Sandstein mit einer Umschrift, inder Mitte befindet sich der Rest einer Ritzzeichnung, die vermutlich einen Leuchterdarstellte.33 Auf dem Grabstein wurde der 4. Dezember als Todesdatumeingemeißelt, doch gibt es keinen Anlaß, an der Datierung von Schlatter, derAugenzeuge war, zu zweifeln: Johannes Mulberg verstarb am 5. Dezember 1414.

2. Sein Nachwirken in der Mirakelliteratur

Johannes Mulberg wurde bereits von jenen Zeitgenossen, die seine strengenLebensideale befürworteten, als ein besonders frommer Mann angesehen. Sobezeichnete der Abt von Maulbronn in seinem Brief an Johannes Dominici dengerade verstorbenen Mulberg voller Hochachtung als heilligen man.34 Aus dieserBewunderung heraus wurden Johannes Mulberg in den folgenden Jahrzehntenwundersame Taten und Visionen zugeschrieben, von denen zwei überliefert sind.Der Basler Münsterkaplan Nikolaus Gerung, genannt Blauenstein, berichtet um1475 davon, daß Mulberg über zukünftige Ereignisse gepredigt habe, die danachauch tatsächlich eingetreten seien. Bei seiner Vertreibung im Jahr 1411 sei ernachts vor dem verschlossenen Münsterportal niedergekniet und habe das SalveRegina angestimmt. Darauf habe sich die Türe von selbst geöffnet und singend seier zum Marienaltar und anschließend aus der Stadt gezogen. Viele ehrbare Bürger

29 Abschnitt IX 2.2, S. 179.30 Abschnitt IX 2.2, S. 179.31 Vgl. NEUMüLLERS-KLAUSER, S. 28f. (Nr. 55); Abb. 22. Unklar ist, warum sie den Namenals Mühlberg/Maulberg angibt, da doch die Grabinschrift eindeutig „Mulberg“ lautet. JENISCH,E.F.: Monumenta Monasterii Mulifontani, Maulbronn 1769 (handschriftl.), Bl. 37. Vgl. dazuauch Abbildung 1 in der vorliegenden Arbeit.32 Abschnitt IX 2.2, S. 179.33 Die Inschrift lautet: anno domini M CCCC XIIII, II nonas decembris, obiit venerabilis etegregius frater Iohannes Mulberg, sacerdos de Basilea, professor ordinis fratrum Praedicatorum,cuius anima requiescat in pace.34 Abschnitt IX 2.2, S. 180.

2. Sein Nachwirken in der Mirakelliteratur 97

hätten dies gesehen.35 Der zweite Bericht wurde im Anhang der Chronik derBurgunderkriege um 1483 unter dem Titel „Ein prophecy“ überliefert. Im Jahr1480 – der Herausgeber Bernoulli korrigierte in 140036 – hätte Mulberg gepredigt,daß die Stadt Basel von aller Ketzerei durch harte Arbeit befreit werde. Romwerde nach Basel kommen und um Herberge bitten und diese erhalten. Alle reinenHerzens sollten sich freuen, denn es werde eine Reform geben. Diese angeblichePredigt Mulbergs wurde als Prophezeiung des Basler Konzils verstanden. Beide„Prophetien“ zu Mulberg sind Ausdruck der Popularität und des Ansehens, dieder zu Lebzeiten so streitlustige Dominikaner auch noch Jahrzehnte nach seinemTod in Basel genoß.

35 BASLER CHRONIKEN 7, S. 82f. (= MONE 2, S. 151). Zum insgesamt eher zweifelhaftenWert dieses Berichts siehe Kap. II, Anm. 4.36 BASLER CHRONIKEN 5, S. 537f., hier S. 537, Anm. 2; siehe auch die Einleitung, ebd., S.501-505, 535f. Überliefert in BASEL UB, A IV 14, fol. 95v; WüRZBURG UB, cod. M. ch. fol.20, fol. 127r/v, vgl. dazu MORVAY, Karin / GRUBE, Dagmar: Bibliographie der deutschenPredigt. Veröffentlichte Predigten. Hrsg. v. d. Forschungsstelle für dt. Prosa des Mittelalters amSeminar für dt. Philologie d. Univ. Würzburg unter Leitung v. Kurt Ruh. München 1974, S.157; RUH, Mulberg, Sp. 733.

98 V. Johannes Mulbergs letztes Lebensjahr

VI. Johannes Mulberg als Autorund Prediger

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos

1.1. Inhalt

Zum Basler Beginenstreits wurden neben den Prozeßakten weitere Schriftstückeverfaßt, von denen Mulbergs Tractatus contra Beginas et Beghardos derwichtigste Beitrag ist.1 Der Traktat basiert auf derjenigen Predigt, die JohannesMulberg am 25. Juni 1405 im Basler Münster gehalten hatte und die als Beginndes Beginenstreits angesehen werden kann.2 Die Predigt wurde in überarbeiteterund ergänzter Form niedergeschrieben und enthält Mulbergs Argumentationgegen die Beginen. Am Beispiel des Traktats soll im folgenden Mulbergsmethodisches Vorgehen exemplarisch aufgezeigt werden. Zuerst wird jedoch die

1 Mulbergs Traktat sowie ein Einleitungsteil und ein Postskript wurden in den Handschriftenüberliefert BASEL UB, A IX 21, fol. 91r-109v; AARAU KANTONSBIBL, Cod. Wett. F 26:4, fol.29r-35v; LEIPZIG UB, 1549, fol. 209r-220r (= Wurzen Nr. 160); MüNCHEN BSTB, Clm. 14265,fol. 243rb-249vb; vgl. die Edition in Abschnitt IX 1.

Vgl. auch KAEPPELI, Scriptores 2, Nr. 2513. SCHMITT, Mort, S. 207f., hat bereits einigePassagen aus dieser Handschrift ediert. HAUPT, Beiträge, S. 511-531, hat die ebenfalls unterMulbergs Namen überlieferte Materia contra beghardos, COLMAR STB, Hs. 29, fol. 126r-141v,auszugsweise ediert. Diese Handschrift stammt aus dem Besitz von Johannes Pastoris, der siemit umfangreichen Zusätzen versehen hat (ebd., S. 515, 521). Sie stimmt jedoch nur in manchenAbschnitten wörtlich mit Mulbergs vorliegendem Traktat überein und gibt ungekürzt mehrereBullentexte wieder, die im Tractatus aber nur als Belegstellen angeführt und höchstens um einenSatz erweitert. Andere Abschnitte fehlen ganz (HAUPT, Nr. 3, 4, 6, 13, 15-19). Die ColmarerHandschrift basiert entweder auf den Vorarbeiten Mulbergs oder auf einer ursprünglich weitausumfangreicheren, bisher unbekannten Version des Traktats. Der Schreiber hat aber die VorlageMulbergs umfangreich glossiert, manche Stellen gekürzt, andere umfangreich ergänzt; sie stelltdeshalb eine eigene, unabhängige Überlieferung dar. Vgl. auch CATALOGUE GéNéRAL DES

MANUSCRITS DES BIBLIOTHèQUES PUBLIQUES DE FRANCE. (Départements). 65 Bde., Paris1886-1990, hier Bd. 56 (1969), S. 178f., Nr. 474.

2 Dazu Abschnitt IV und IX 1.4-1.6.

100 VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

Schrift, die Mulbergs theoretische Auseinandersetzung mit den Beginen darstellt,inhaltlich ausgewertet und kommentiert.3

In seinem Traktat wandte sich Johannes Mulberg Fragestellungen zu, die in derBeginenproblematik von grundlegender Bedeutung waren.4 Erstens: wer darf fürseinen Lebensunterhalt betteln und von Almosen leben und braucht nicht zuarbeiten? Zweitens: wer gehört dem Stand der Laien, wer dem Stand der Klerikeran? Mulbergs Beurteilung der Bettelarmut ist eindeutig: weder Kleriker noch Laiendürfen betteln.5 Das einfache Volk habe die Gottgeweihten zu ernähren, die zwar

3 SCHMITT, Les citations, ging methodisch anders vor. Er sammelte zu Mulbergs Traktat dieZitate aus der Bibel sowie dem kanonischen und römischen Recht, wertete ihr Auftretenstatistisch aus und stellte sie in Form von Tabellen und einer Graphik dar. Mulbergs Traktat, derihm nur in der Handschrift BASEL UB, A IX 21 vorlag, stellte er einer Schrift des ZüricherKanonikers Felix Hemmerlin, Contra validos mendicantes, gegenüber, um so die Standpunktevon Mulberg und Hemmerlin in Bezug auf die Armutsfrage vergleichen zu können. Dieserinteressante Ansatz weist aber – zumindest für Mulbergs Traktat – grundlegende Mängel auf. Soläßt SCHMITT alle Zitate beiseite, die nicht aus der Bibel oder dem Recht stammen. Auch ist seineZitatensammlung unvollständig und z.T. falsch. Im Folgenden verzichte ich auf die detaillierteNennung der fehlenden Zitate, da dies den Rahmen einer Anmerkung sprengen würde. Mulbergnannte insgesamt 62 Bibelstellen, von denen SCHMITT aber nur 31 erwähnt. Von den 30 von ihmerfaßten Bibelstellen lassen sich 17 nicht bei Mulberg nachweisen, einige sind unzutreffendangegeben (die meisten Fehler zum Buch Ecclesiasticus: Kapitel 19,24 ist falsch / richtig wäre21,25; 28,29f. ist falsch / richtig wäre 40,29f. usf.). Von 39 von Mulberg angeführten Gesetzenaus dem kanonischen Recht erwähnt SCHMITT vier. In SCHMITTs Auswertung fehlen zudem die18 Zitate aus den päpstlichen Dekretalen völlig, in denen sich jedoch die Rechtssprechung zurBeginenfrage befindet.

4 Eine andere Interpretation des Tractatus bei SCHMITT, Mort, S. 111-114, 152-160. Er gehtdavon aus, daß Mulbergs theoretische Auseinandersetzung mit dem Bettel der Beginen auf derenkonkretem Almosensammeln in Basel beruhe: „Mais elles étaient nombreuses à n’avoir pas nonplus les rentes et la fortune personnelle qui constituaient l’assise matérielle des anciensbéguinages. Ainsi étaient-elles contraintes de mendier. La cohésion du groupe leur offrait, plusque la solitude, des chances de subsister.“ (ebd., S. 157). Weitere zusammenfassende Interpre-tationen in BASEL UB, A λ II 14, Bl. 339; WURSTISEN, Baßler Chronick, S. 219; BONER,BZGA 34, S. 139.5 Zum Folgenden vgl. Abschnitt IX 1.5, bes. S. 141. Eine klare Trennung zwischen Klerikernund Laien war im Neuen Testament nicht enthalten und gab es auch in der Urkirche nicht; siebildete sich erst in der folgenden Zeit heraus, wurde Ende des 2. Jhs. durch Tertullian etabliertund später im kanonischen Recht verankert. Vgl. dazu den begriffsgeschichtlichen Überblickvom NT bis zur Gegenwart bei RITTER, Adolf Martin / BARTH, Hans-Martin: „Laie I/II“. In:TRE 20, S. 378-393. Anmerkungen zum Begriff „Laie“ aus katholischer Sicht bei CONGAR,Yves: Der Laie: Entwurf einer Theologie des Laientums. 2. Aufl. Stuttgart 1956 (Jalons pour unethéologie du laicat, Paris 1952), S. 21-42. Der neuere Forschungsstand und die Doppeldeutigkeitdes Begriffs „Laie“ als Nicht-Kleriker oder als illiteratus bei IMBACH, Ruedi: Laien in derPhilosophie des Mittelalters. Hinweise und Anregungen zu einem vernachlässigten Thema.Amsterdam 1989, S. 11-26. Zur veränderten Stellung des Laien in der Dominikanermystik seitdem 14. Jh. vgl. STEER, Georg: Die Stellung des „Laien“ im Schrifttum des Straßburger

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos 101

vom Gut der Kirche leben dürften, ihr aber dafür Gehorsam leisten müßten. Seitder Vertreibung aus dem Paradies gelte deshalb: „Im Schweiße deines Angesichtssollst du dein Brot essen.“6 Daraus folge, daß der Gesunde mit seinen Händenarbeiten müsse und ihm das Almosensammeln verboten sei. Dabei müßten nichtalle dasselbe arbeiten,7 denn die einen arbeiteten auf den Äckern, die anderen imWasser, andere in den Wäldern, wieder andere auf den Feldern, aber sieerarbeiteten sich selbst den Lebensunterhalt. Die zumeist gesunden Bettlerhingegen, so klagte Mulberg, wollten Brot haben, aber nicht die Äcker bearbeiten,wollten Wein trinken, aber nicht die Weinstöcke bearbeiten, wollten Käse, Milch,Butter und Honig haben, aber nicht Kühe, Lämmer und Bienen ernähren. Diesegesunden Bettler sonderten sich von der Arbeitswelt der Mitmenschen ab undmaßten sich an, ein perfektes Leben in Bettelarmut zu führen. Mulberg erinnertedaran, daß es in der ganzen Bibel keine einzige Stelle gäbe, in der Gesunde zumBettel angehalten würden. Und an anderer Stelle führte er zahlreiche Personen ausdem Alten und Neuen Testament und der Kirchengeschichte an, von Maria und

Gottesfreundes Rulman Merswin und der deutschen Dominikanermystik des 14. Jahrhunderts.In: Grenzmann, Ludger / Stackmann, Karl (Hrsg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalterund in der Reformationszeit (Symposion Wolfenbüttel 1981). Stuttgart 1984, S. 643-658. Sieheauch BORST, Arno: „Laie“. In: Hist. Wb. Phil. 5, Sp. 8-10; OEXLE, S. 75; vgl. auch Anm. 31.

6 Gn. 3,19. Dazu DE LEO, Pietro: L’esegesi medievale dell’immagine biblica del lavoro: Gen.III, 17-19; Lc. X, 7; 2. Thess. III, 10. In: Lavorare nel Medio Evo: Rappresentazioni ed esempidall’Italia dei secc. X-XVI (12-15 ottobre 1980). Todi 1983, S.169-197. Zum Arbeitsethos imAT und im Judentum vgl. BIENERT, Walther: Die Arbeit nach der Lehre der Bibel. Ein Beitragzur evangelischen Sozialethik. 2. Aufl. Stuttgart 1956, S. 21-130; ebd., S. 1f.: eine Definitiondes Begriffs „Arbeit“. Vgl. auch den Überblick bei CONZE, Walter: „Arbeit“. In: GeschichtlicheGrundbegriffe 1, S. 154-215; CHENU, Marie-Dominique: „Arbeit“. In: Hist. Wb. Phil. 1, Sp.480-482; BOSL, Karl: Armut, Arbeit, Emanzipation. In: Schulz, Knut (Hrsg.): Beiträge zurWirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters. Köln 1976, S. 128-146; LEGOFF, Jacques:Le travail dans les systèmes de valeur de l’Occident médiéval. In: Hamesse, Jacqueline /Muraille-Samaran, Colette (Hrsg.): Le Travail au Moyen Age, une approche interdisciplinaire(Actes du colloque international de Louvain-la-Neuve, 21-23 Mars 1987). Louvain-la-Neuve1990, S. 7-21. Einen Überblick über den christlich-katholischen Begriff der Arbeit bei SCHMITT,Karl: „Einleitung“. In: CHENU, Marie-Dominique: Die Arbeit und der göttliche Kosmos: Versucheiner Theologie der Arbeit. Übers. v. Karl Schmitt. Mainz 1956 (Pour une théologie du travail,Paris 1955), S. 7-40. OEXLE, S. 74f., betont die Aufwertung und Verquickung von „Arbeit“und „Armut“ im Christentum, die in dieser Form in der Antike noch nicht vorhanden war. Vgl.auch jüngst mit Betonung einer anthropologischen Sichtweise APPLEBAUM, Herbert: TheConcept of Work, Ancient, Medieval, and Modern. New York 1992, bes. S. 227-265, 309-318;ein vorzüglicher Überblick bis zum 13. Jh. zuletzt bei VAN DEN HOVEN, Birgit: Work in Ancientand Medieval Thought. Ancient Philosophers, Medieval Monks and Theologians and TheirConcept of Work, Occupations and Technology. Amsterdam 1996; und MEIER, Christel: Laborimprobus oder opus nobile? Zur Neubewertung der Arbeit in philosophisch-theologischen Textendes 12. Jahrhunderts. In: Frühmittelalterliche Studien 30 (1996), S. 315-342.

7 Zum Folgenden Abschnitt IX 1.5, S. 146-148.

102 VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

Joseph und den Aposteln bis hin zu Elizabeth moderna, Elisabeth von Thüringen,die alle ihren Lebensunterhalt rechtmäßig mit Arbeit verdient und zusätzlich diewahrhaft bedürftigen Armen unterstützt hätten.8 Dies bekräftigte Mulberg immerwieder mit dem bekannten Vers aus dem Neuen Testament: „Wer nicht arbeitenwill, soll nicht essen.“9 Bereits Augustin habe betont, daß Gott sowohl von Laienals auch von Klerikern fordere, zu arbeiten statt zu betteln.10 Ebenso habeHieronymus die ägyptischen Klöster gelobt, die nur arbeitende Mitglieder ausSorge um ihr Seelenheil aufnähmen, damit diese kein gefährliches Gedankengutverbreiten könnten,11 und auch Benedikt habe in seiner Ordensregel die Mönchezur Handarbeit verpflichtet.12 Mit Thomas von Aquin sah Mulberg in den Händendes Menschen, im Gegensatz zu den Tieren, den Beweis für die Notwendigkeit zurArbeit, und er ergänzte: „Der Mensch wurde für die Arbeit geboren und derVogel zum Fliegen.“13

Immer wieder kam Mulberg auf das Matthäuswort „Sorget euch nicht, was ihressen werdet“14 zurück, das aber nur scheinbar im Widerspruch zum Vorher-gesagten stehe, wie schon Thomas in der Summa theologiae gezeigt habe.15 Gotthabe nämlich schädliche und überflüssige Sorgen verboten, nicht aber die Arbeit,denn nicht alle Sorgen seien von Gott verboten worden. Und so wiederholteMulberg die Forderung, unnötige Sorgen aufzugeben, damit die Gläubigen allesVertrauen in Gott setzen könnten. Die Bettler arbeiteten nicht, so wie „die Vögeldes Himmels, weder säen noch ernten sie, aber der Herr nährt sie doch.“16 Aberdie Bettler beachteten nicht, was auf diesen Vers über die Vögel folgt: „und siesammeln nicht in Scheunen an.“ Die Bettler wollten jedoch das, was sich dieanderen täglich erarbeiteten, für sich nutzen; das machten aber die Vögel nicht.Zum Almosensammeln führte Mulberg eine Reihe von Versen aus dem Buch JesusSirach an, von zentraler Bedeutung ist der Vers „Deine Hand sei nicht aus-

8 Dazu Abschnitt IX 1.5, besonders S. 152-158. Auf die Frage der Armut Christi geht Mulbergnicht weiter ein, vgl. dazu LECLERCQ, Jean: Les controverses sur la pauvreté du Christ. In:Mollat, Études, Teil 1, S. 45-56. Vgl. auch Anm. 22.

9 2 Th. 3,10. Z.B. Abschnitt IX 1.5, S. 143-145, 147, 153f.

10 Dazu Abschnitt IX 1.5, S. 144. Siehe auch den kurzen Überblick bei MOLLAT, Die Armen,S. 21-29.

11 Dazu Abschnitt IX 1.5, S. 149.

12 Dazu Abschnitt IX 1.5, S. 149.

13 Iob 5,7. Abschnitt IX 1.5, S. 145f.

14 Mt. 6,31. Abschnitt IX 1.5, S. 143f., 156.

15 Abschnitt IX 1.5, S. 145f., zum Folgenden bes. S. 156.

16 Vgl. Mt. 6,26. Abschnitt IX 1.5, hier S. 157: „Item propterea se dicunt operari non debere,quia neque uolucres celi seminant neque metunt, de quibus dominus similitudinem dedit. Curergo non attendunt, quod sequitur, neque congregant in horrea.“

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos 103

gestreckt, um zu empfangen, und erst recht nicht verschlossen beim Geben.“17

Von dem prinzipiellen Verbot des Bettels seien nur die Angehörigen der vierBettelorden ausgenommen, die vom Volk Lebensmittel und Kleidung erbetteltenund dafür seelsorgerisch tätig würden.18 Dies schreibe auch das kanonische Rechtvor,19 und Johannes Andreae und Johannes Teutonicus würden in ihrenKommentaren nur Arbeitsunfähige von dem Verbot ausnehmen, von Almosen zuleben.20 Denn wer von anderem leben könne und trotzdem bettle, sündigeschwer.21 Neben den Bettelorden sei es nur den Armen, die krank sind und nichtarbeiten können, erlaubt, von Almosen zu leben.22 Wer aber trotz körperlicherUnversehrtheit bettle, statt zu arbeiten, gehöre zu den validi mendicantes, derenLebensform verboten und auf keinen Fall zu dulden sei.23 Mit dieser

17 Sir. 4,36. Abschnitt IX 1.5, S. 146; er zitiert auch Sir. 4,26; 7,16; 21,25; 29,31 u. 33; 40,1u. 29f., siehe auch S. 143, 146f.18 Zum Folgenden Abschnitt IX 1.5, bes. S. 149f. Johannes Dominici lobte in seinem TraktatDe proprio, an conveniat fratribus Ordinis Praedicatorum in communi aut in particulari den Bettelbei den Brüdern und verurteilte Einkünfte aus Besitz, dazu LöHR, Mendikantenarmut, S. 425f.Zur Frage des Bettels im Dominikanerorden LAMBERMOND, S. 24-30; mit Betonung desinstrumentellen Armutsverständnisses bei Thomas von Aquin siehe HORST, Evangelische Armutund Kirche, bes. S. 121-132; DERS., Bischöfe S. 154-161; zur Problematik der Almosen-vergabe siehe auch FISCHER, S. 140-160.19 Hier bezieht er sich vor allem auf d. 93 c. 23, ed. FRIEDBERG 1, Sp. 326f.20 Abschnitt IX 1.5, z.B. S. 150, 158f.21 Mit Verweis auf C. 1 q. 2 c. 7, ed. FRIEDBERG 1, Sp. 409f., und C. 5 q. 5 c. 2, ed.FRIEDBERG 1, Sp. 549f., dazu Abschnitt IX 1.5, S. 150f.22 Abschnitt IX 1.5, besonders S. 158. Zur Definition, wer als arm galt, besonders ausjuristischer Sicht, vgl. STAMMLER, Wolfgang: „arm“. In: HRG 1, Sp. 223-228; JOMBART,Émile: „Pauvreté religieuse“. In: DDC 6, Sp. 1278-1282; WIßMANN, Hans / MICHEL, Diethelm /KECK, Leander / MAIER, Johann / FLODD, David / KRAUSE, Gerhard / HILLERDAL, Gunnar:„Armut“. In: TRE 4 (1979), S. 69-121; TIERNEY, Brian: Medieval Poor Law. Berkeley / CA1959, PLöCHL 1, S. 456f. Im Hinblick auf den Dominikanerorden siehe HINNEBUSCH, WilliamA.: Poverty in the Order of the Preachers. In: Catholic historical review 45 (1960), S. 436-543;ALTANER, Berthold: Der Armutsgedanke des hl. Dominikus. In: Theologie und Glaube 11(1919), S. 404-417; HORST, Evangelische Armut und Kirche, bes. S. 121-132, 135-167;DERS., Bischöfe S. 154-161; mit besonderem Augenmerk auf die päpstliche Politik LAMBER-MOND, S. 1-18; LöHR, Mendikantenarmut. Die Auswirkungen des apostolischen Ideals auf daspolitische Denken, besonders in Bezug auf das Papsttum, zeigte LEFF, Gordon: The ApostolicIdeal in Later Medieval Ecclesiology. In: Journal of Theological Studies 18 (1967), S. 58-82.Zur Armut bei Laien gibt einen allgemeinen Überblick OEXLE, hier S. 77-85; mit wirtschafts-geschichtlichem Schwerpunkt zuletzt LASSOTTA, Friedrich-Arnold: Formen der Armut im spätenMittelalter und zu Beginn der Neuzeit: Untersuchungen vornehmlich an Kölner Quellen des 14.bis 17. Jahrhunderts. 2 Bde., Köln 1993, hier S. 21-36. Siehe auch den Sammelband vonMOLLAT, Études, zu Einzelfragen und die Weiterführung seiner Forschung in DERS., DieArmen, bes. S. 107-121; vgl. auch FISCHER, S. 17-90; GEREMEK, Bronislaw: Geschichte derArmut, Elend und Barmherzigkeit in Europa. Zürich 1988 (Lito,� i szubienica. Polen 1978,unveröffentlicht), bes. S. 21-87.23 Siehe Abschnitt IX 1.5, S. 141f., 147, 149, 158, 162. Zum Topos der validi mendicantes,

104 VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

Argumentation schied Mulberg die Angehörigen der Bettelorden aber auch vonallen anderen Klerikern, denen er, wie den Laien, das Recht auf Almosensammelnstrikt absprach.

Mulberg kam im Verlauf seiner Ausführungen immer wieder auf die päpstli-chen Erlasse und dazugehörenden Glossen zurück, deren wichtigste Stellen imFolgenden dargestellt werden sollen. Bonifaz VIII. sprach in Religionum diver-sitatem nimiam ein generelles Verbot aus, neue Orden zu bilden, und er befahl,nicht-approbierte Gemeinschaften, wie sie bei Beginen und Begarden anzutreffensind, aufzulösen.24 Im Rahmen des Konzils von Vienne 1311/12 promulgierteClemens V. eine Reihe von Dekretalen, die sich zum Teil ebenfalls mit derBeginenproblematik befaßten. Die beiden am weitesten verbreiteten Dekretalen zudiesem Thema, Cum de quibusdam und Ad nostrum, fehlen auch bei Mulbergnicht.25 In der Dekretale Cum de quibusdam26 wurde der status Beguinarum unddas Tragen eines ordensähnlichen Habits, das eine Anmaßung des Ordensstandesbedeute, verboten, weil sich die Frauen keiner approbierten Regel unterstellthätten. Von diesem strikten Verbot wurden im Schlußsatz aber die Frauen, die einfrommes und ehrenwertes Leben in einer Gemeinschaft führten, wiederausgenommen. Mulberg zog daraus den Schluß, daß die Terziarinnen von denverbotenen Beginen in der Praxis nicht zu unterscheiden und deshalb zuexkommunizieren seien. In Ad nostrum27 wurden acht sogenannte freigeistigeIrrtümer von Beginen und Begarden angeführt und verurteilt. Im Hinblick daraufbetonte Mulberg, daß nicht nur diese Ketzerei, sondern die gesamte beginaleLebensform nach Lehre und Ritus verdammt worden sei.28 Von ihm wurde auchdie Clementine Cum ex eo29 herangezogen, in der diejenigen Franziskaner, diewährend eines Interdikts sakramentale Handlungen für ihre Drittordensmitgliedervornahmen, exkommuniziert wurden. In Sancta Romana30 verbot Johannes XXII.

besonders in Verbindung mit dem Häresievorwurf, ist immer noch die Arbeit von SCHMITT,Mort, bes. S. 156, 174-187, grundlegend.

24 VIo 3.17.1, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1054f; vgl. dazu Abschnitt IX 1.5, S. 149f., 160.

25 Siehe auch Abschnitt IV 1.

26 Clem. 3.11.1, ed. Friedberg 2, Sp. 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed. Conc.Oecumen. Decreta, S. 374); dazu auch Abschnitt IX 1.5, S. 160-166, 168, 171f. Siehe auchPOLONYI, Andrea: Synodale Gesetzgebung in der Kirchenprovinz Mainz, dargestellt an derBeginenfrage. In: RottJbKG 5 (1986), S. 33-51.

27 Clem. 5.3.3, ed. Friedberg 2, Sp. 1183f. (= Concilium Viennense, decr. 28, ed. Conc.Oecumen. Decreta, S. 383f.).

28 Dazu Abschnitt IX 1.5, S. 161, 164f.

29 Clem. 5.10.3, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1192; Abschnitt IX 1.5, S. 168-170.

30 Extr. Ioann. XXII. 7.un., ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1213f.; dazu Abschnitt IX 1.5, S. 151f.,165, 171f.

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos 105

erneut die Sekte der Beginen und Begarden, die unter verschiedenen Namen, wiez.B. Fraticellen, Verbreitung gefunden hätten und die sich fälschlicherweise selbsthäufig als Mitglieder des Dritten Ordens der Franziskaner bezeichnen würden. Sielebten in Gemeinschaften, hätten Obere, bettelten öffentlich, als ob ihre „Sekte“ein vom apostolischen Stuhl approbierter Orden sei. Alle Prälaten und Bischöfe,die sie in dieser Lebensform unterstützten, sollten gleichfalls exkommuniziertwerden.

Mulberg betonte, daß selbst die Angehörigen der Dritten Regel des Franziskus,die ja unter einer approbierten Regel lebten, Laien und keine Kleriker seien.31 Ersah den Beweis für die Richtigkeit dieser Aussage in der Drittordensregel selbst,die weiterhin den Besuch der Parochialkirchen vorschreibe. Deshalb nenneJohannes Andreae diese Lebensform quemdam modum vivendi, bei der die dreisubstantiellen Gelübde nicht geleistet würden.32 Sie sei auch für Männer undFrauen im Ehestand möglich, die nicht enthaltsam lebten und die ihren eigenenBesitz weiter behalten wollten.33 Dennoch kamen sie laut Mulberg nicht nur in denGenuß der Privilegien der Dritten Regel, sondern auch der Privilegien der Kleriker,die ihnen als Laien aber nicht zustanden, wie auch Johannes de Lignano betonthabe.34 Mulberg legte großen Wert auf die Unterscheidung, daß die Dritte Regelkein Mönchsorden begründe, auch wenn sie oft Dritter Orden genannt würde, daman ordo und religio fälschlicherweise wie Synonyme gebrauche.35 DieTerziarinnen gehörten aber weder einem ordo, noch einer religio, sondern nureinem status an. Guilelmus de Monte Lauduno habe die Dritte Regel einebestimmte erlaubte Ordnung, ordinacio, genannt, aber auch dieser Begriff seimehrdeutig. Diese unklare Situation konnte in den Augen Mulbergs nur dadurchbeendet werden, daß allein die Angehörigen der ersten und zweiten Regel desFranziskus „wahre Brüder und Schwestern“ genannt werden durften.Aufgrund des freiwilligen Bettels maßten sich die Beginen sogar an, ein christus-gemäßes Leben zu führen und vollkommener als andere Laien zu sein.36 Durch

31 Abschnitt IX 1.5, S. 168. Obwohl Mulberg die Scheidung zwischen Klerikern und Laienmehrfach mit dem Hinweis auf das kanonische Recht begründete, fehlt bei ihm der grundlegendeKanon C. 12 q. 1 c. 7 (ed. FRIEDBERG 1, Sp. 678), in dem es heißt: „Duo sunt generachristianorum: ... ut sunt clerici ... ut sunt laici“; dazu PROSDOCIMI, Luigi: Chierici e laici nellasocietà occidentale del secolo XII: A proposito di Decr. Grat. C. 12, q. 1, c. 7: Duo sunt generaChristianorum. In: Proceedings of the Second International Congress of Medieval Canon Law.Città del Vaticano 1965, S. 105-122. Siehe auch BECKER, Hans J.: „Klerus“. In: HRG 2, Sp.876-878; HORST, Bischöfe, S. 111-177.32 Abschnitt IX 1.5, S. 168.33 Abschnitt IX 1.5, S. 168f.34 Zum Folgenden Abschnitt IX 1.5, S. 169; vgl. auch unten Anm. 47.35 Zum Folgenden Abschnitt IX 1.5, S. 170. Auch SCHMITT, Mort, S. 112f.; GRUNDMANN,S. 199-203. Zu Guilelmus siehe unten Anm. 48.36 Zum Folgenden Abschnitt IX 1.5, S. 167.

106 VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

die Exkommunikation, unter die sie fielen, seien sie aber von Christus, demBräutigam, getrennt, weil sie sich von der Kirche, der Braut, entfernt hätten. Denn,so fährt Mulberg fort, die materiellen Werke wie Beten, Fasten, Wachen undKeuschsein ließen uns nur dann Christus nachfolgen, wenn sie aus dem Gehorsamgegenüber der Kirche folgten, denn selbst eine Elster könne daran gewöhntwerden, zu beten und keusch zu bleiben. Die Beginen seien aber, selbst wenn sieder Dritten Regel des Franziskus unterstellt seien, einfache Laien, die wederkirchliche Einkünfte, noch Jahrzeitstiftungen oder Almosen in Anspruch nehmendürften, sondern arbeiten müßten.37 Obwohl in Cum de quibusdam dieAngehörigen der Drittorden von dem Verbot ausgenommen würden, seien dochdiejenigen Terziarinnen, die in Lebensweise, Ritus und Kleidung den verdammtenBeginen anhingen, exkommuniziert, denn sie stimmten mit den verurteiltenBeginen im Namen überein, da sie wie jene vulgariter sorores, swestriones (et)Begine hießen.38 Mit diesen Ausführungen hatte sich Johannes Mulberg deutlichfür die Exkommunikation der Beginen ausgesprochen; ihre vorübergehendeAusweisung aus der Stadt im Jahr 1405 und ihre endgültige Vertreibung 1411waren eine Konsequenz seiner Vorwürfe. Die Forderung nach strenger Armut vonSeiten der Dominikanerobservanten hatte auch in Mulbergs Traktat ihrenNiederschlag gefunden. Nur den Mitgliedern der Bettelorden und den Krankensollten Almosen zustehen, alle anderen Kleriker und Laien waren zur Arbeit zuverpflichten.

1.2. Methode

Nachdem der Inhalt von Mulbergs Traktat vorgestellt wurde, soll seineArbeitsweise untersucht werden, um sich dem „geistigen Horizont“ einesDominikanerbruders annähern zu können. Von den fünf Handschriften, die denTraktat Mulbergs überliefern, enthält nur die Basler Quelle einen Einleitungsteil,der Ort, Zeitpunkt und Thema jener Predigt nennt, die wohl dem Traktatzugrunde gelegt wurde.39 Ihr Thema lautete: „Oh Herr, verleih mir Weisheit und

37 Zum Folgenden Abschnitt IX 1.5, S. 170f.38 Abschnitt IX 1.5, S. 171.39 Abschnitt IX 1.4. Zur Verschriftlichung von Predigten und der damit verbundenenGattungsdiskussion vgl. HEINZLE, Joachim: Geschichte der deutschen Literatur von denAnfängen bis zum Beginn der Neuzeit. Königstein 1984, Bd. 2,2, S. 215-220; mit ausführlichenLiteraturhinweisen FRANK, Isnard W.: „Predigt VI“. In: TRE 27, Sp. 248-262; LONGèRE, S.110-122, 161-164, 178-184. Vgl. auch SCHNEYER, Johannes B.: Repertorium der lateinschenSermones des Mittelalters für die Zeit von 1150-1350. 11 Bde., Münster 1969-1990, EinleitungBd. 1, S. 1-32; mit neuerer Literatur MENZEL, Michael: Predigt und Predigtorganisation imMittelalter. In: HistJb. 111 (1991), S. 337-384; DERS.: Predigt und Geschichte: HistorischeExempel in der geistlichen Rhetorik des Mittelalters. Köln 1998 (Beiheft zum Archiv fürKulturgeschichte 45); zum Vergleich mit Predigern wie Berthold oder Kapistran siehe STEER,

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos 107

Einsicht.“40 Gemäß der gängigen scholastischen Schultradition unterteilte Mulbergden Anfangsteil seines Traktats in partes, corollarii, conclusiones und erneutepartes und probaciones.41 Diese Strukturierung führte er aber nicht konsequentweiter, sondern er ging zu einem Text über, der nur noch von Zeit zu Zeit eineUnterteilung aufweist. Der Text besteht, wie dies in der spätmittelalterlichenTraktatliteratur üblich war, aus einer Kompilation von Zitaten, die vom Autorkommentiert wurden, wobei die traditionellen auctoritates mehr Beachtung fandenals zeitgenössische Autoren.

Seine Argumentationsgrundlage waren die Bibel und das kanonische Recht.Mit deren Auslegung und den wichtigsten Kommentaren war Mulberg währendseines Studiums im Dominikanerorden vertraut gemacht worden, das zu Seelsorgeund Predigt befähigen sollte.42 Die zitierten Bibelstellen ergänzte er häufig mit derGlossa ordinaria, mit Auszügen aus den Schriften der Kirchenväter Augustinus,Hieronymus, Ambrosius und Gregor dem Großen.43 Erwartungsgemäß gingMulberg mehrfach auf die zentralen Stellen zur Beginenproblematik imkanonischen Recht ein. So zitierte er wiederholt aus der Clementine Cum de

Georg: Bettelorden-Predigt als ‚Massenmedium‘. In: Heinzle, Joachim (Hrsg.): LiterarischeInteressenbildung im Mittelalter (DFG-Symposion 1991). Stutttgart 1993, S. 314-336; zuüberlieferten Predigtsammlungen des 15. Jhs. siehe den grundlegenden Artikel von WILLIAMS-KRAPP, Observanzbewegung. Vgl. den Überblick bei RAPP, Francis: La prière dans lesmonastères de Dominicaines observantes en Alsace au XVe siècle. In: La Mystique Rhénane(Colloque de Strasboug, 16-19 mai 1961). Paris 1963, S. 207-218; siehe immer nochLINSENMAYER, Anton: Beiträge zur Geschichte der Predigt in Deutschland am Ausgang desMittelalters. Passau 1889; CRUEL, Rudolf: Geschichte der deutschen Predigt im Mittelalter.Detmold 1879; STINGEDER, Franz: Geschichte der Schriftpredigt: Ein Beitrag zur Geschichte derPredigt. Paderborn 1920. Zu Mulbergs weiteren Predigten vgl. Abschnitt VI 2.40 2. Paral. 1,10.41 Vgl. dazu GRABMANN, Martin (Hrsg.): Die Geschichte der scholastischen Methode. 2 Bde.,Freiburg 1909-1911; PIEPER, Josef: Scholastik. Gestalten und Probleme der mittelalterlichenPhilosphie. München 1978; SCHMIDINGER, Heinrich M.: „Scholastik“. In: Hist. Wb. Philos. 8,Sp. 1332-1342; ELDERS, Leo J.: „Scholastische Methode“. In: LMA 7, Sp. 1526-1528. Einweiterer Basler Prediger des 15. Jhs., bei dem der dominierende Einfluß der scholastischenMethode ebenfalls deutlich hervortritt, ist Johannes Grütsch, dazu MURITH, André: Jean etConrad Grütsch de Bâle: Contribution à l’histoire de la prédication franciscaine au XVme siècle.Fribourg 1940, bes. S. 59-64.42 Dazu Kap. II.43 Zum Folgenden siehe SMALLEY; LERNER, Robert (Hrsg.): Neue Richtungen in der hoch-und spätmittelalterlichen Bibelexegese. München 1996. Zum Problem der Übersetzung desBegriffs pauper in der Verwendung der Vulgata aus dem Hebräischen und Griechischen sieheLECLERCQ, Jean: Aux origines bibliques du vocabulaire de la pauvreté. In: Mollat, Études, Teil1, S. 35-43.

108 VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

quibusdam44 und ließ verschiedene Glossatoren zu Wort kommen. An erster Stellestand Johannes Andreae, der die Glossa ordinaria zu den Clementinen und demLiber Sextus in den ersten Jahrzehnten des 14. Jhs. verfaßt und die Glossaordinaria des Liber Extra von Bernhardus Parmensis mit seiner Novella ergänzthatte.45 Seinen Kommentar zu Cum de quibusdam benutzte Mulberg deshalbmehrmals und zog diesen Glossator auch für weitere Belege zu Rate. Danebenbenutze er auch die Kommentare von Paulus de Liazariis46 und dessen SchülerJohannes de Lignano47 sowie die kaum verbreiteten von Guilelmus de MonteLauduno zu dieser Clementine.48 Wie sein Lehrer Johannes Andreae war auchPaulus de Liazariis vor allem für seinen Kommentar zu den Clementinen bekannt.

Zur Beginenproblematik zählte Ad nostrum von Clemens V., die Mulbergebenso wie die ältere Dekretale von Bonifaz VIII., Religionum diversitatemnimiam, wiederholt und mit Andreaes Kommentaren versehen anführt.49 Aberauch die Dekretale Cum ex eo50 ließ Mulberg nicht aus, die er wieder um dieGlossen von Johannes Andreae, Johannes de Lignano und Guilelmus de MonteLauduno ergänzte.51

44 Clem. 3.11.1, ed. Friedberg 2, Sp. 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed. Conc.Oecumen. Decreta, S. 374).45 Vgl. dazu KUTTNER, Stefan: Joannes Andreae and his Novella on the Decretals of GregoryIX. In: The Jurist 24 (1964), S. 393-408 (Nachdr. in: Studies in History of Medieval CanonLaw. Hampshire / GB 1990 (collected studies 325), Kap. XVI), mit ausführlichen Literatur-angaben zu Andreae. Zum Folgenden vgl. die Einleitung von NöRR, Kanonistische Literatur, S.377f.; PLöCHL 2, S. 510, 520f.; VON SCHULTE 2, S. 205-229. Zu Mulbergs Zitaten ausJohannes Andreaes Kommentar zu „Cum de quibusdam“ siehe Abschnitt IX 1.5, S. 160f.,163f., 168, 171f.46 Vgl. VON SCHULTE 2, S. 246f.; CHABANNE, Robert: „Paulus de Liazariis“. In: DDC 6, Sp.1276f., vgl. Abschnitt IX 1.5, S. 161.47 Vgl. STELLING-MICHAUD, Sven: „Jean de Legnano“. In: DDC 6, Sp. 111f.; CONTAMINE,Philippe: „Lignano (Legnano), Johannes v.“. In: LMA 5, Sp. 1977f.; MCCALL, John P.: TheWritings of John of Legnano with a List of Manuscripts. In: Traditio 23 (1967), S. 415-437; vgl.Abschnitt IX 1.5, S. 169, 171.48 MOLLAT, Guillaume: „Guillaume de Montlauzun“. In: DDC 5, Sp. 1078f.; VON SCHULTE 2,S. 197-199; vgl. Abschnitt IX 1.5, S. 162f., 170.49 „Ad nostrum“, in: Clem. 5.3.3, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1183f. (= Concilium Viennense,decr. 28, ed. Conc. Oecumen. Decreta, S. 383f.); vgl. Abschnitt IV 1; „Religionum diversita-tem“, in: VIo 3.17.1, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1054f.; zu Mulbergs Zitaten siehe Abschnitt IX 1.5,S. 149f., 160f., 164f.50 Clem. 5.10.3, ed. FRIEDBERG 2, Sp. 1192; Abschnitt IX 1.5, S. 168-170.51 Die Glosse von Andreae in Abschnitt IX 1.5, S. 168f.; zu Lignano S. 169; zu MonteLauduno S. 170.

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos 109

Von Henricus de Segusio, dessen Mitte des 13. Jhs. vollendete sogenannte Summaaurea als die bedeutendste Summe der Dekretalistik gilt, benutzte Mulberg denspäter entstandenen Kommentar zum Liber Extra.52 Mulberg zitierte fast genausooft aus dem Dekret Gratians wie aus den zeitlich später entstandenen päpstlichenDekretalen, dem Liber Extra, Liber Sextus, den Clementinen und Extravaganten-sammlungen. Diese Ausgewogenheit findet sich aber bei seiner Benutzung derGlossenkommentare nicht wieder. Zum Dekret zog er nur einmal diegrundlegende Glossa ordinaria des Johannes Teutonicus53 und vielleicht einweiteres Mal Johannes Andreae54 heran. Die häufigere Benutzung derKommentare zu den päpstlichen Dekretalen ist inhaltlich begründet; erst nach derEntstehung des Dekrets Gratians gab es Beginen und Begarden undAuseinandersetzungen um ihre Lebensform. Insgesamt fanden somit dieeinschlägigen Glossenkommentare des Johannes Teutonicus, Henricus de Segusiound Johannes Andreae, wenn auch in ganz unterschiedlichem Umfang, Eingang inMulbergs Traktat. Neben diesen Glossatoren gibt Mulberg an, auch dieKommentare des Bartholomeus de Pisis55 benutzt zu haben. Bei Bartholomeus dePisis kann nicht endgültig geklärt werden, ob Mulberg tatsächlich dengleichnamigen Dominikanertheologen meinte, der vor allem als Verfasser der im13. Jh. entstandenen moraltheologischen Schrift Summa de casibus conscientiaebekannt war.56 Mit diesen Ergänzungen der Rechtsglossen hatte er die gängigenKommentare herangezogen, wobei verwundert, daß er die Glossa ordinaria desBernhardus de Botone Parmensis57 zum Liber Extra völlig außer acht ließ. Seineausführlichen Zitate von Andreae lassen darauf schließen, daß ihm eine von diesem

52 Zu Henricus vgl. NöRR, Kanonistische Literatur, S. 378; VON SCHULTE 2, S. 123-129;BRIESKORN, Norbert: „Henricus de Segusio“. In: LMA 4, Sp. 2138f. Zu Mulbergs Text sieheAbschnitt IX 1.5, S. 160.

53 Abschnitt IX 1.5, S. 168: zu d. 82 c. 1, ed. FRIEDBERG 1, Sp. 289. PLöCHL 2, S. 509;NöRR, Kanonistische Literatur, S. 371, 374, 841; VON SCHULTE 1, S. 172-175; vgl. auchKUTTNER, Stefan: Repertorium der Kanonistik (1140-1234). Biblioteca Apostolica Vaticana,Città del Vaticano 1937, S. 93-99.

54 Abschnitt IX 1.5, S. 158f.: zu d. 93 c. 23, ed. FRIEDBERG 1, Sp. 326f. Andreae verfaßteZusätze zur Glossa ordinaria des Dekrets, so PLöCHL 2, S. 510.

55 Vgl. den umfangreichen Artikel von TEETAERT, Amedee: „Barthélmy de Pise ou de SanConcordio“. In DDC 2, Sp. 213-216; Abschnitt IX 1.5, S. 165.

56 Obwohl die Vornamen identisch sind, ist eine Verwechslung mit dem KanonistenBartholomeus Brixiensis sehr unwahrscheinlich, da dieser vor allem durch seinen Kommentarzur Glossa ordinaria des Johannes Teutonicus zum Dekret Gratians bekannt war und nicht alsKommentator der Clementinen, dazu NöRR, Kanonistische Literatur, S. 371, 375, 379;KUTTNER, Repertorium, a.a.O., S. 100-115; ZAPP, Hartmut: „Bartholom(a)eus Brixiensis“. In:LMA 1, Sp. 1493.

57 Vgl. NöRR, Kanonistische Literatur, S. 376; ZAPP, Hartmut: „Bernardus de Botone“. In:LMA 1, Sp. 1976.

110 VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

Autor glossierte Ausgabe vorlag, die weit verbreitet war.Ergänzend zu den beiden Hauptquellen, der Bibel und dem kanonischen Recht,

führte er Zitate der Kirchenväter und Kirchenlehrer an. Auch hier läßt sich eintraditionelles Vorgehen beobachten: Die beiden Kirchenväter Augustin undHieronymus dominieren, hinzugefügt wurden Zitate von Thomas von Aquin undZitate von Gregor dem Großen und Beda Venerabilis. Mulberg zitierte meisteinzelne kurze Sätze und keine längeren Abschnitte dieser Autoren, was auf dieBenutzung der Glossa ordinaria zur Bibel und von Florilegien schließen läßt. DasHeranziehen solcher „Blütensammlungen“, in denen wörtliche Zitate antiker undchristlicher Autoren ohne verbindenden Text zusammengestellt wurden, die häufigzu einem bestimmten Thema oder Autor ausgewählt worden waren, war imMittelalter weit verbreitet.58 Ihre Benutzung wertete einen Autor in den Augen derZeitgenossen keineswegs ab. Das einzige Aristoteles-Zitat, das Mulberg anführte,läßt sich tatsächlich in einem zu diesem Autor zusammengestellten Florilegwiederfinden.59 Ein Beda-Zitat übernahm Mulberg wohl aus der Glossaordinaria.60 Mit Augustin, Hieronymus und Gregor dem Großen hatte Mulbergbis auf Ambrosius alle Kirchenväter genannt, wenn man der klassischen Definitionvon Bonifaz VIII. aus dem Jahr 1295 folgt. Mulberg zitierte aus Augustins anti-manichäischer Schrift Contra epistulam fundamenti Manicheorum.61 Außerdembenutzte er die Retractationes,62 in denen Augustin sein Werk verbessert underläutert hatte.63 Zu Augustins moral- und pastoraltheologischen Schriften zählenDe opere monachorum,64 in der er die Forderung aufstellt, Mönche sollten sichdurch Handarbeit den Lebensunterhalt verdienen, und De mendacio,65 das von derVerwerflichkeit der Lüge handelt; beide finden bei Mulberg Erwähnung. Mulberg

58 Vgl. BRUNHöLZL, Franz: „Lateinische Florilegien“. In: TRE 11, S. 219-221; er betont, daßeine Übersicht und Gesamtdarstellung zur Florilegienliteratur fehlt; BLOK, Dirk P.: „Florilegien“.In: LMA 4, Sp. 566-572; FRANK, Zur Studienorganisation, S. 63; LONGèRE, S. 194.

59 Das Aristoteleszitat ist nachweisbar bei HAMESSE, Jacqueline: Les auctoritates aristotelis. Unflorilège médiéval, étude historique et édition critique. Paris 1974, S. 235 (37).

60 Abschnitt IX 1.5, S. 143.

61 Abschnitt IX 1.5, S. 138.

62 Abschnitt IX 1.5, S. 138.

63 Zum Folgenden ALTANER / STUIBER, S. 412-449. Zu Augustins Wirkung im Hoch- undSpätmittelalter und weiterführende Literaturangaben siehe LEFF, Gordon: „Augustin / Augustin-ismus II“. In: TRE 1, S. 700-717; hier auch eine Darstellung des Einflusses der augustinischenPhilosophie auf Thomas von Aquin, S. 705-712. Vgl. auch GRABMANN, Martin: Mittel-alterliches Geistesleben. 3 Bde., München 1926-1956, hier Bd. 2, S. 1-24; COPLESTON,Frederick C.: A history of medieval philosophy. London 1972, S. 27-49; SCHMAUS, Michael:„Augustinus“. In: LMA 1, Sp. 1223-1229, ebenfalls mit Literaturangaben.

64 Abschnitt IX 1.5, S. 144, 158.

65 Abschnitt IX 1.5, S. 152.

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos 111

zitierte häufig aus dem Matthäusevangelium und ergänzte einzelne Verse durchAugustins Schrift De sermone Domini in Monte,66 die dieses Evangeliumkommentiert. Von Hieronymus bezog Mulberg ebenfalls den Matthäuskommentarmit ein und fügte zwei Zitate aus dessen umfangreicher Briefsammlung hinzu, eineStelle aus ep. 52 an Nepotian, die vom Leben eines Geistlichen handelt, und ep.125 an den Mönch Rusticus über das monastische Leben.67

Als dritten Kirchenvater zitierte Mulberg Gregor den Großen mit einem Satzaus seinen Homilien zum Evangelium.68 Von Beda übernahm Mulberg eineBibelglosse aus dessen Lukaskommentar, eine andere Glosse hatte Beda vermut-lich selbst von Hieronymus übernommen.69 Die Mönchsregel des Benedikt vonNursia fand ebenfalls Eingang in Mulbergs Traktat.70 Aber auch einen derwichtigsten Glossatoren der Bibel, den Franziskaner Nikolaus von Lyra, dessenPostilla litteralis super totam Bibliam in die Glossa ordinaria aufgenommenworden war, erwähnte Mulberg an einer Stelle zu den Psalmen.71

Neben den erwähnten Autoren waren besonders das Werk und die Lehre seinesOrdensbruders Thomas von Aquin für den Dominikaner Mulberg von Bedeutung,die seit Beginn des 14. Jhs. für den Orden als verbindlich galten.72 Thomas’ Haupt-

66 Abschnitt IX 1.5, S. 156, 159.

67 Abschnitt IX 1.5, S. 143, 145, 149. ALTANER / STUIBER, S. 394-404; einen kritischenÜberblick mit Literaturangaben gibt NAUTIN, Pierre: „Hieronymus“. In: TRE 15, S. 304-315.Der Matthäuskommentar gilt ALTANER / STUIBER, S. 400, als „oberflächlich“.

68 Abschnitt IX 1.5, S. 149. Vgl. zu Gregor ALTANER / STUIBER, S. 466-473; RICHARDS,Jeffrey / GERWING, Manfred / HEINZELMANN, Martin / BIERBRAUER, Katharina: „Gregor I. d.Gr.“. In: LMA 4, Sp. 1663-1666.

69 Zum Lukaskommentar siehe Abschnitt IX 1.5, S. 143; zur übernommenen Glosse siehe ebd.:S. 148. Vgl. dazu Gen. 3,19; BACHT, Heinrich / BECKER, Wolfgang / FOLKERTS, Menso /SCHMID, Hans: „Beda Venerabilis“. In: LMA 1, Sp. 1774-1779, mit Literaturangaben; LOYN,Henry Royston: „Beda Venerabilis“. In: TRE 5, S. 397-402.

70 Abschnitt IX 1.5, S. 149.

71 Abschnitt IX 1.5, S. 143. Zu Nikolaus von Lyra immer noch grundlegend die Untersuchungvon LABROSSE, Henri: Biographie et œuvres de Nicolaus de Lyre. In: Études Franciscaines 16(1906), S. 383-404; 17 (1907), S. 489-505, 593-608; 19 (1908), S. 41-52, 153-175 (Überblicküber sein Werk), 368-379 (zum Hauptwerk, der postilla litteralis); 35 (1923), S. 171-187, 400-432; GOSSELIN, Edward A.: A Listing of the Printed Editions of Nicolaus de Lyra. In: Traditio26 (1970), S. 399-426.

72 CHENU, Marie-Dominique: Maître Thomas, est-il une autorité. In: Revue Thomiste 30(1925), S. 187-194; HORST, Evangelische Armut und Kirche, bes. S. 29-132; TORRELL, Jean-Pierre: Magister Thomas: Leben und Werk des Thomas von Aquin. Freiburg 1995 (Initiation àSaint Thomas d’Aquin. Paris 1993); HINNEBUSCH 2, S. 117-190; COPLESTON, a.a.O., S. 176-198, hier S. 198; PIEPER, a.a.O., S. 108-123. Weitere Literaturangaben vgl. PANNENBERG,Wolfhart: „Thomas von Aquin“. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart 6, Sp. 856-863;

112 VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

werk, die Summa theologiae, galt als Handbuch für die Einführung in die spekula-tive thomistische Gesamttheologie.73 Mulberg bezog sich auf die Secundasecundae, in der in dem Abschnitt der quaestiones 184-188 eine Tugend- undStändelehre entwickelt worden war.74 Thomas betonte dort den Wert des tätigenund warnte vor einer Überschätzung des beschaulichen Lebens. Ein Gleichgewichtzwischen tätigem und beschaulichem Leben, die vita mixta, stellte die höchsteLebensform dar. Mulberg führte Passagen aus q. 187 und 188 an, die mit denvorangehenden und nachfolgenden quaestiones eine umfassende Abhandlung überdie Ideale des Ordenslebens darstellen.75 In der q. 187 zählte Thomas vier Gründefür die Arbeit des Menschen auf: Zum Erwerb des notwendigen Lebensunterhalts,zur Vermeidung des Müßiggangs als ein Hauptlaster, als Askese gegen fleischlicheBegierden und zur Schaffung von materiellem Überfluß, um Almosen zu geben.Mulbergs gezielte Auswahl dieser Passagen läßt auf die Lektüre des Werks vonThomas entweder im Original oder doch zumindest in Auszügen schließen, dieüber ein Florileg weit hinausreichen. Die Argumentation in seinem Traktat stützteMulberg darüber hinaus mit zahlreichen Beispielen aus Heiligenlegenden und -vitenab, die allgemein bekannt waren und sich zum Teil in der Legenda aurea desJacobus de Voragine wiederfinden lassen.76 Zudem verwies er auf die Statuten der

die ältere Literatur wurde zusammengestellt von VAN STEENBERGHEN, Fernand: Philosophie desMittelalters. Bern 1950; siehe auch BECKMANN, Ian P. (Hrsg.): Philosophie im Mittelalter.Entwicklungslinien und Paradigmen. Hamburg 1987, S. 93-102, 169-171. Einen Überblick zuThomas’ Positionen in seinem gesamten Werk in Auseinandersetzung mit der Arbeiter-Enzyklikavon Papst Leo XIII. gibt HAESSLE, Johannes: Das katholische Arbeits-Ethos nach Thomas vonAquin und Leo XIII. Heidelberg, Diss. phil. maschinenschriftl. 1922, bes. §§ 4-14, 19. ZumArmutsstreit siehe auch HORST, Ulrich: Evangelische Armut und päpstliches Lehramt. Mino-ritentheologen im Konflikt mit Papst Johannes XXII. (1316-34). Stuttgart 1996. Vgl. auch Anm.75.

73 HORST, Evangelische Armut und Kirche, S. 93-132; DERS., Bischöfe, S. 119-129; CHENU,bes. S. 255-276; GRABMANN, Einführung, S. 28, 107; METZ, Wilhelm: Die Architektonik derSumma Theologiae des Thomas von Aquin. Hamburg 1998; den Bezug zwischen Thomas’Leben und der Summa theologiae stellt TORRELL, a.a.O., bes. S. 162-176, her.

74 GRABMANN, Einführung, S. 155-172; METZ, a.a.O., S. 23-31, 59f.; LAMBERMOND, S. 65-70; siehe auch KILLEEN, Sylvester Michael: The Philosophy of Labor According to ThomasAquinas. Washington / DC 1939, bes. S. 1-106.

75 Abschnitt IX 1.5, S. 145f., 156. Vgl. HORST, Bischöfe, S. 182-186. GRABMANN,Einführung, S. 104. Diese quaestiones wurden auch von Johannes Dambach, O.P., in seinem1362 verfaßten Tractatus de proprietate mendicantium interpretiert, dazu LöHR, Mendikanten-armut, S. 395-415, bes. S. 407f. Dazu auch LAMBERMOND, S. 91.

76 Abschnitt IX 1.5, S. 152-156. Vgl. dazu BARONE, Giulia / VITALE-BROVARONE,Alessandro / BRIESEMEISTER, Dietrich / KUNZE, Konrad / GöRLACH, Manfred / DESCHAMPS,Jan / LIMAN, Kasimierz: „Legenda aurea“. In: LMA 5, Sp. 1796-1801; LONGèRE, S. 112;RHEIN, Reglinde: Die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine. Köln 1995 (Beiheft zum AKG40). Wie DAHMUS, John W.: A Medieval Preacher and his sources: Joahnnes Nider’s Use of

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos 113

Mainzer und Trierer Synoden,77 auf denen die Beginen 1317 ebenfalls verdammtworden waren, und auf den in Straßburg kurz zuvor stattgefundenen Beginen-prozeß.78

Für die vermutete Benutzung der Florilegienliteratur sprechen noch weitereHinweise. Mulberg glaubte, Augustin und Leo den Großen zu zitieren, tatsächlichstammen aber beide Zitate aus der Predigtsammlung des Petrus Chrysologus.79

Diese Beobachtungen werten Mulberg als Autor aber keineswegs ab; es war zumeinen zu seiner Zeit durchaus üblich, auf Florilegien zurückzugreifen, und zumanderen waren die tatsächlichen Autoren in vielen Fällen gar nicht bekannt, wie dieMasse an Schriften belegt, die sich erst nachträglich als Pseudo-Augustin, -Rainer,-Bernhard usw. identifizieren ließen.

1.3. Fazit

Die inhaltliche und methodische Auswertung des Traktats hat Johannes MulbergsAusbildung, seine Stoßrichtung und seine Arbeitsweise erkennen lassen. Er warnicht der erste, der sich mit der Frage des Bettels in Bezug auf Laienauseinandergesetzt hatte. Bereits um 1364 hatte sich Konrad von Megenberg inseiner Schrift Lacrima ecclesiae, die später den Titel Tractatus contramendicantes trug, gegen die Bettelorden, ihr Armutsideal und ihr Verhältnis zuLaien gewandt.80 Als Säkulargeistlicher ging Konrad sogar so weit, die Aufhebungder von ihm gehaßten Bettelorden und ihre Eingliederung in bestehende, ältereOrden zu fordern. Mulberg hatte sich mit der Forderung nach Exkommunikationder Beginen, die, trotz körperlicher Unversehrtheit, betteln statt zu arbeiten undsich dadurch Privilegien der Mendikanten anmaßen, weit von der Argumentationder traditionellen Beginengegner entfernt. Diese hatten in Beginen und Begardenin erster Linie Häretiker gesehen. Der Vorwurf der Häresie wurde aber auch nochvon Mulbergs Zeitgenossen erhoben. Wenige Jahre vor Mulbergs Traktat verfaßte

Jacobus de Voragine. In: AFP 58 (1988), S. 121-176, zeigen konnte, benutzte auch der Ordens-bruder von Mulberg, Johannes Nider, besonders häufig Jacobus und Thomas von Aquin fürseine Predigten.

77 Abschnitt IX 1.5, S. 162f.

78 Abschnitt IX 1.5, S. 166. Siehe dazu PATSCHOVSKY, Straßburg, besonders S. 115f., Anm.151; S. 127-161, Anlage 1-9 (zu Bischof Johann I. von Zürich), S. 171-175, Anlage 14 (zuBischof Lamprecht von Brunn). Vgl. auch Abschnitt. IV 6.

79 Abschnitt IX 1.5, S. 136.

80 LERNER, S. 55-57; STEER, Georg: „Konrad v. Megenberg“. In: VL 5, Sp. 221-236; er weistdarauf hin, daß das 2. Kapitel von Konrads Werk unter dem Titel Liber de erroribusbegehardorum Verbreitung fand. Vgl. auch PATSCHOVSKY, Beginen, S. 409, mit einemHinweis auf das Editionsprojekt zu Konrad von Katharina Colberg bei den MGH.

114 VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

Wasmod von Homberg kurz nach 1396 seinen Tractatus contra hereticosBeckardos Lulhardos et swestriones.81 Wasmod war seit 1389 wiederholt alsInquisitor beauftragt worden, gegen die Anhänger der waldensischen Sekte inMainz vorzugehen. Vermutlich ging er in dieser Funktion auch gegen Begardenvor. Nach der Abfassung seines Traktats war er in den Jahren 1399 und 1403Rektor der Heidelberger Universität und danach einer der Autoren, die für denBasler Bischof Humbert von Neuenburg ein Gutachten über den Stand derBeginen verfaßten.82 Sein Traktat glich im Aufbau Mulbergs Schrift, beide fügtendie Zitate zahlreicher Autoritäten in der Art einer Kompilation aneinander, um ihreAussagen zu beweisen.83 In seiner Schärfe und Polemik wich aber Wasmod vonMulberg stark ab. Bei Wasmod wurden die Vorwürfe, die Waldensern gemachtwurden, mit der Beschreibung der Laienfrömmigkeit der Beginen vermischt.84 Diebekannten Verdächtigungen, die gegen Ketzer gleich welcher Art erhoben wurdenund meist in die Richtung von Ausschweifungen sexueller und anderer Art zieltenund deren Quellenwert nur im Hinblick auf ihre Funktion als Topoi besteht, findensich auch hier.85 Im Vergleich zu diesen scharfen Attacken Wasmods gegen dieBeginen erscheinen Mulbergs Forderung, die Frauen zur Arbeit anzuhalten,beinahe gemäßigt und wohlüberlegt.

Johannes Mulbergs Position, die er im Beginenstreit eingenommen und in

81 Ed. von SCHMIDT, Tractatus; zu Wasmod vgl. HAUPT, Beiträge, S. 533-556; BREUNING,Wilhelm: „Wasmudus de Homberg“. In: LThK, 2. Aufl. Bd. 10, Sp. 962; STEGMüLLER,Friedrich: Repertorium biblicum Medii Aevi. 11 Bde., Madrid 1941-1980, hier Bd. 5, Nr. 8337,S. 432; MCDONNELL, S. 571f.; KIECKHEFER, S. 44f.; LERNER, S. 457-459; F. F. [Falk,Franz]: Waldensertum in Mainz. In: Der Katholik 83 (1903), II, S. 263-265. Dieser Traktat ist inder Handschrift AARAU KANTONSBIBL., Cod. Wett. F 26:4, fol. 1ra-20ra überliefert, die auchMulbergs Traktat enthält, dazu LERNER, Robert: New Evidence for the Condemnation of MeisterEckhart. In: Speculum 72 (1997), S. 347-366, hier S. 355, Anm. 25. In der Handschrift folgenVaria in materia begardorum, fol. 20va-26ra. Vgl. VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 9.

82 RITTER, S. 191, 350f., 497f; siehe Abschnitt IV 3.2.

83 Sein Argumentationsgang und die zahllosen Belegstellen aus der Bibel, dem Corpus iuriscanonici, den Werken der Kirchenlehrer und Kirchenschriftsteller erinnern an Mulbergs Schrift.Auch bei Wasmod überwiegen die Zitate aus der Bibel und dem kanonischen Recht; die Kirchen-väter Augustin und Hieronymus werden sehr häufig zitiert, alle anderen Schriftsteller, wie z.B.Thomas von Aquin, werden nur ein- oder zweimal genannt. Widmete Mulberg den Heiligenvitenund -legenden einen ganzen Abschnitt, so erwähnt sie Wasmod nur kurz; er bezieht sich dagegenwiederholt und ausführlich auf Bernhard von Clairvaux. Im Vergleich mit Mulberg fällt auf, daßer darüber hinaus noch weitere Autoren in seine Argumentation einbezieht: So finden auchAmbrosius, Hrabanus Maurus, Basilius, Chrysostomus und Hugo von St. Viktor Erwähnung.

84 Vgl. dazu HAUPT, Beiträge, bes. S. 555; in kritischer Auseinandersetzung mit HAUPT sieheLERNER, S. 57-60.

85 SCHMIDT, Tractatus, bes. S. 353f.; eine Interpretation der bei Wasmod erhobenen Vorwürfebei SCHMITT, Mort, S. 97-105, bes. Anm. 10, 21, 22, 34, 35, 48. Zum Vorwurf von sexuellenVergehen der Ketzer LERNER, Kap. 1: Heresy and fornication, S. 10-34.

1. Der Tractatus contra Beginas et Beghardos 115

seinem Traktat ausgearbeitet hatte, konnte sich jedoch in seinem Orden nichtdurchsetzen. Wie die Forderung der ersten Observanten nach strenger Armut vonden späteren Ordensreformern aufgegeben wurde,86 so wurde auch die strikteVerdammung der Beginen schon wenige Jahrzehnte später zurückgenommen. Derobservante Johannes Nider revidierte Mulbergs Position in seinem Traktat Desaecularium religionibus, der zwischen 1434 und 1438 entstand.87 Nider billigtedie Lebensform der Terziarinnen und befürwortete sogar die Zulässigkeit vonnichtregulierten Beginengemeinschaften. Im gleichen Jahrzehnt verfaßt derZürcher Kanoniker Felix Hemmerlin um 1438 die Schrift Contra validosmendicantes, einen Dialog zwischen Felix und einem Begarden, der ein großerpublizistischer Erfolg wurde.88 Er verurteilte den freiwilligen Bettel ebenso alsLaster wie Laienkongregationen, die gewöhnlich der Ketzerei nahe stünden. Fürdiese Mißstände forderte Hemmerlin ein striktes Verbot. Johannes MulbergsAttacken gegen Beginen, die unrechtmäßig den Bettelorden und Kranken dieAlmosen wegschnappten, brachte ihm auch eine Erwähnung in der Schrift„Reformation Kaiser Siegmunds“ ein. Dieses Werk verfaßte ein noch immerunbekannter Autor im Jahr 1439 auf dem Konzil von Basel und gab vor, dieReformpläne Sigismunds wiederzugeben. In dem Abschnitt Begeynen undLolharten wurde Mulbergs bekannte Argumentation gegen die Beginen dargestelltund der Autor kommentierte: als Maulperg predigt, er hat recht.89

86 Dazu Abschnitt III 3.

87 BAILEY, S. 135-137 und S. 150-173. PATSCHOVSKY, Beginen, S. 407f.; ein erster Hinweisdarauf bereits bei LERNER, Robert: Rezension „J.-Cl. Schmitt, Mort d’une hérésie“. In:Speculum 54 (1979), 842-845, hier S. 843. Zu Nider siehe auch Abschnitt III 2.1.

88 SCHMITT, Mort, S. 163-172 und SCHMITT, Les citations, siehe Anm. 3; LERNER, S. 170-174; einen hervorragenden Überblick über Leben und reichhaltiges Werk bei COLBERG,Katharina: „Hemmerli, Felix“. In: VL 3, Sp. 989-1001.

89 KOLLER, Heinrich (Hrsg.): Reformation Kaiser Siegmunds. Stuttgart 1964 (MGHStaatsschriften 6), S. 219, Z. 4f. Vgl. auch BOEHM, S. 145-150; BOOCKMANN, Hartmut: Zuden Wirkungen der „Reform Kaiser Siegmunds“. In: DA 35 (1979), S. 514-541.

2. Ausblick auf die Predigten

Die Ergebnisse der inhaltlichen und formalen Auswertung des Tractatus contraBeginas et Beghardos haben Mulbergs Fragestellungen und Bildung erkennenlassen; sie können als exemplarisch für sein ganzes Werk angesehen werden.Neben dem Traktat sind von ihm noch eine Reihe von Predigten und kleinerenSchriften erhalten.90 Da von diesen bisher keine Edition oder weiterführendeInterpretationen vorliegen, werden sie kurz vorgestellt, um ein möglichst voll-ständiges Bild von Mulberg als Prediger und Autor zu entwerfen.

Von seinem Lebenswerk als Prediger ist vermutlich nur ein ganz begrenzterAusschnitt in den erhaltenen Texten überliefert. Teilweise handelt es sich nur umknappe Exzerpte, die kaum eine Seite umfassen. Von Mulberg sind sowohlPredigtaufzeichnungen in Latein als auch in der Volkssprache Deutsch bekannt.Ein Zyklus von über neunzig theologischen Lehrpredigten auf Latein ist in einerHandschrift aus dem 15. Jh. überliefert.91 Diese Predigten hielt Mulberg inStraßburg, der Datierung der Handschrift folgend, zwischen dem 24. Februar1404 und dem 6. Januar 1405 vermutlich bei den Dominikanerinnen,92 wobei ermindestens eine Predigt bei den Kartäusern wiederholte.93 Sie wurden erstmalsvon Magister Burkhard Gelsdorf von Rottweil aufgezeichnet,94 der einzelnePredigten ausführlich, andere in stark gekürzter Form wiedergab und mehrfachSatzteile in Deutsch sowie eigene Anmerkungen einfügte. Im ersten Teil behan-delte Johannes Mulberg die sieben Sakramente und Märtyrer, im zweiten Teil die

90 Zur sog. „Wucherpredigt“ siehe Abschnitt IV 5.1. Zum Folgenden NEIDIGER u. RUH,Mulberg; vgl. auch Anm. 39.

91 BASEL UB, A VI 28, fol. 1ra-276rb; die Handschrift stammt von 1425, siehe BINZ, S. 62f.;VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 138. Zum Folgenden siehe auch BONER, BZGA 34, S.114.

92 Von einer Predigt ist überliefert, daß Mulberg sie nach dem Mittagessen hielt, BASEL UB, AVI 28, fol. 210rb: facto prandio. Da der Straßburger Brüderkonvent zu diesem Zeitpunktkonventual war, ist nicht anzunehmen, daß der observante Mulberg gebeten wurde, bei ihnen zupredigen. Möglicherweise hielt Mulberg diese Predigten in Gegenwart von Nider, dazu BAILEY,S. 22.

93 BASEL UB, A VI 28, fol. 123rb: apud Carthusienses repetitus etc.

94 BASEL UB, A VI 28, fol. 2va: Incipit tractatus sermonum de septem sacramentis et pluribusaliis materiis reportatus per magistrum Burgkardum de Rotwil presbyterum ad pennam ab orevenerabilis patris Iohannis Mulberg de ordine Predicatorum in civitate Argentinensi predicantisetc.; fol. 275rb (Nr. 1): Expliciunt dicta patris Iohannis Mulberg reportata per BurkardumGelstorff presbyterum de Rotwila etc. sub anno domini 1404. Fol. 1-192 und 256-276 stammenvon der Hand des Johannes Lapiscida von Colmar aus dem Jahr 1424; fol. 275rb (Nr. 2):Expliciunt sermones fratris prefati Iohannis Mulberg ordinis Predicatorum per manus IohannisLapiscide de Columbaria sub anno domini 1424 etc.

2. Ausblick auf die Predigten 117

sieben Tugenden und die sieben Gaben des Heiligen Geistes.95 Mulberg sprach indiesen Predigten zu theologischen Fragen, die er, wie üblich, oft zum gleichenBibelwort an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen erörterte.96 Dabei griff er aufdie Werke derjenigen Autoren zurück, die er bereits für die Niederschrift seinesTraktats herangezogen hatte. Außerdem ist eine ähnliche Einzelpredigt zurAuferstehung Christi erhalten.97 Eine weitere Schrift handelt von den SiebenHauptsünden, in der den lateinischen Begriffsdefinitionen eine deutsche Erläute-rung folgt, und den zehn Geboten.98 Von dem Ehesakrament und der Gnadehandeln zwei in Basel überlieferte Exzerpte.99

Ein zweiter größerer Predigtzyklus ist auf Deutsch erhalten, der ebenfalls auseinem Dominikanerinnenkloster stammt.100 Er besteht aus fünf Einzelpredigten,die aufeinander Bezug nehmen und alle dem gleichen Thema gewidmet sind: „Unddas Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“.101 Sie handeln vom erstenWeltzeitalter bis zu Noah. Kurt Ruh zählt diesen Zyklus zu den „herausragendenStücken“ deutscher Predigt, der für ein gebildetes, städtisches Laienpublikum

95 BASEL UB, A VI 28, 1. Teil fol. 2va-183rb; 2. Teil fol. 183va-275rb.

96 Z.B. BASEL UB, A VI 28, fol. 83v-93v, 106r-110v, 189r, 190r, 191v, 194v.

97 AARAU, KANTONSBIBL., Ms. Wett. F 26:6, fol. 192r-194r, aus dem Basler Steinenkloster;vgl. SCHöNHERR, Bd. 2,2, S. 42.

98 BASEL UB, A IV 14, fol. 119r-122v, in einer moraltheologischen Sammelhandschrift ausdem Kartäuserkloster überliefert, um 1417 verfaßt; dazu BINZ, S. 9-13; VON SCARPATETTI,Katalog 1,1, Nr. 89.

99 BASEL UB, A VI 1, Bl. 336, aus der Bibliothek des Augustiner-Eremitenklosters,geschrieben im Jahr 1442; dazu VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 127; SCHMIDT,Bibliothek, Nr. 66. BASEL UB, cod A X 102, fol. 61r: aus der Bibliothek des Kartäuserklosters.Nicht zweifelsfrei ist die Zuschreibung der Handschrift AARAU, KANTONSBIBL., Ms. Wett. F26:4, fol. 50v-52r, in der gute und schlechte Kleriker unterschieden werden, wobei nur ersterendas Sammeln von Almosen zustehe, letztere als Räuber anzusehen seien.

100 ST. GALLEN, Stiftsbibl., cod. 1915, fol. 101r-191v (S. 201-381). Vgl. DIE HAND-SCHRIFTEN DER STIFTSBIBLIOTHEK ST. GALLEN. Beschreibendes Verzeichnis codd. 1726-1984(14.-19. Jh.). Hrsg. von Beat M. von Scarpatetti. St. Gallen 1983, S. 191-194, mit Initien-verzeichnis; die vermutete Provenienz aus einem der Straßburger Dominikanerinnenklöster istsehr unsicher. Zu einem weiteren, verlorenen Predigtzyklus von Mulberg aus Nürnberg sieheNüRNBERG STB, cent. VII, 79, fol. 109r/v; dazu vgl. Mittelalterliche BibliothekskatalogeDeutschlands und der Schweiz. Hrsg. von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften inMünchen. 4 Bde. in 8 Teilbdn. u. 2 Ergänzungsbde., München 1918-1989, hier Bd. 3,3, S.610f.; JOSTES, Franz: Meister Eckhard und seine Jünger. Freiburg / CH 1895, S. 128, Nr. LIV.Vgl. auch RUH, Thomas von Aquin, S. 364.

101 „Verbum caro factum est et habitabit in nobis“ (Joh. 1,14). Die Einzelpredigten nehmen wiefolgt aufeinander Bezug: II auf I , III auf II, IV auf I, V auf IV; dazu RUH, Mulberg, Sp. 730-732.

118 VI. Johannes Mulberg als Autor und Prediger

bestimmt war.102 Mulberg erinnert sein Publikum immer wieder streng daran, daßsie gut zuhören sollen,103 sein Name fällt wiederholt104 und er appelliert an dieMoral seiner Zuhörer. Obwohl in dieser Sammlung zahlreiche Elemente einesmündlichen Vortrags enthalten sind, wurden sie, wie vermutlich alle seinePredigten, erst nachträglich niedergeschrieben. Außerdem sind zwei weiteredeutsche Predigten erhalten, die vom Auszug der Kinder Israels aus Ägyptendurch die Wüste105 und vom Leiden Christi handeln.106

Ein Kurztraktat handelt von der reinen weißen Seele, die, je nach ihremSündenstand, mit einzelnen oder vielen schwarzen Tupfen befleckt ist.107 Diesieben verschiedenen Farbstadien stehen für den jeweiligen Sündenstand derMenschen. In einem Sendbrief an Dominikanerinnen kritisierte er die lauenMenschen, mit denen er vermutlich die Adressatinnen meinte, die er wohl für dieObservanz begeistern wollte.108 Er erinnerte sie an das Leiden Christi und seineErscheinungsformen nach der Auferstehung, durch deren Betrachtung der neueMensch entstehen könne. Eine Untersuchung, die Johannes Mulberg als Predigerin ihren Mittelpunkt stellt, wäre wünschenswert. Bei seinen Zeitgenossen scheint erein populärer Prediger gewesen zu sein. So berichtet Johannes Meyer, daß beiseinen Predigten das gesamte Volk zusammenlief.109

102 RUH, Mulberg, Sp. 732, betont besonders, daß Maria „Göttin“ genannt wird (fol. 101r,164r).

103 ST. GALLEN, Stiftsbibl., cod. 1915, fol. 122v: gedenkent nutt hein in die kisten; fol. 172r:nu losent wol, lieben kinter gottes.

104 fol. 120v so spricht Mulberg; fol. 124v ich bin ein munch ich Mulberg; fol. 110r: daz sag in(den spuntzierern) von mir und sprich, Mulberg hab es gepredyget; RUH, Mulberg, Sp. 731,vergleicht ihn mit Berthold von Regensburg.

105 BERLIN, Staatsbibl., germ. qu. 149, fol. 84v-93r, in einer elsässischen Sammelhandschriftaus dem 15. Jh., dazu DEGERING, Hermann: Kurzes Verzeichnis der germanischenHandschriften der preußischen Staatsbibliothek. Leipzig 1925-1932 (Mitteilungen aus derPreußischen Staatsbibliothek Bd. 7-9), hier Bd. 2, S. 24-26. Beide in Berlin überliefertePredigten werden im Rahmen des Projekts „Predigtrepertorium“ unter der Leitung von Prof. Dr.Volker Mertens und PD Dr. Hans-Jochen Schiewer in Berlin eingehend beschrieben.

106 BERLIN, Staatsbibl., germ. oct. 570, fol. 135r-140r, überliefert in einem Gebets- undAndachtsbuch für Nonnen aus dem 16. Jh.; dazu DEGERING, a.a.O., Bd. 3, S. 201-205.

107 STUTTGART LB, cod. bibl. 2o 35, fol. 106v (nicht katalogisiert).

108 NüRNBERG StB, cod. Cent. VII, 20, fol. 120r-128v; dazu: DIE HANDSCHRIFTEN DER

STADTBIBLIOTHEK NüRNBERG. Wiesbaden 1965ff, hier Bd. 1: Die deutschen mittelalterlichenHandschriften, S. 285-294.; in ihr wurde auch der Brief Konrad Schlatters über MulbergsSterben überliefert, vgl. dazu auch Abschnitt V 1 und IX 2.

109 MEYER, Liber, S. 58.

VII. Zusammenfassung

Am Beispiel des Johannes Mulberg konnten die Auswirkungen sozialer, geistigerund politischer Rahmenbedingen einer Epoche auf das Leben eines einzelnenuntersucht werden. Mulbergs Wahl, in den Dominikanerorden einzutreten und sichder Reformrichtung seines Ordens anzuschließen, ermöglichte ihm alsHandwerkersohn eine beachtliche Karriere. Er kam in engen Kontakt mit PapstGregor XII., Kardinal Johannes Dominici, dem Ordensgeneral Raimund vonCapua, und er zählte zur Delegation Papst Gregors XII. für das Konstanzer Konzil.Die Zugehörigkeit zur Reformrichtung der Dominikanerobservanz bestimmte denlängsten Teil seines Lebens: er zog erfolglos von Konvent zu Konvent, um seineMitbrüder doch noch zur Reform zu bewegen. Dabei zeigte sich die Forderungnach einer strengen Auslegung des Armutsgebotes als unüberwindbares Hindernisfür die Akzeptanz des Reformgedankens. In Verbindung mit der zu geringen Zahlan Reformern und ordensinternen Streitigkeiten scheiterte die erste Phase derDominikanerobservanz.

Mulbergs Haltung im Basler Beginenstreit kann nur vor dem Hintergrund derOrdensreform verstanden werden. Die anhaltende Diskussion über dieArmutsfrage innerhalb des Dominikanerordens übertrug er auf die Beginen undwurde einer ihrer entschiedensten Gegner. Vor diesem Hintergrund ist seinewichtigste Schrift, der Tractatus contra Beginas et Beghardos, zu verstehen. Folg-lich sucht man vergebens nach Überlegungen, ob die Beginen häretischemGedankengut anhängen könnten. Mulberg behandelte in seiner Schrift für dasmittelalterliche Denken grundlegende Fragen: wer gehörte dem Stand der Laienund wer dem Stand der Kleriker an? Wem war ein Leben in Bettelarmut erlaubt:nur Kranken und den Angehörigen der vier Bettelorden oder auch gesundenLaien, die Christus ganz im wörtlichen Sinn in Armut nachfolgen wollten? Nebendem Einblick in die Polemik gegen Beginen und validi mendicantes, gesundenBettlern, läßt diese Schrift auch Rückschlüsse auf den geistigen Horizont undAusbildungsstand eines Dominikaners zu Beginn des 15. Jhs. zu.

Durch umfangreiche Quellenrecherchen zur Basler Stadtgeschichte konnte derAblauf des Beginenstreits nachgezeichnet und sein Beginn auf das Jahr 1405, statt1400 bzw. 1404, datiert werden. Prosopographische Studien erlaubten die Benen-nung der konkurrierenden innerstädtischen laikalen und klerikalen Gruppierungen,die zwischen 1405 und 1411 in Basel um die Vormachtstellung rangen. Unter-

120 VII. Zusammenfassung

stützung suchten sie – abhängig von den jeweiligen Interessen – bei der päpstlichenKurie, der jungen Heidelberger Universität oder dem Bischof von Konstanz oderdem Haus Habsburg. Der Vergleich mit den Auseinandersetzungen um Beginen inden Nachbarstädten, die zeitgleich stattfanden, zeigte, daß Mulberg und seineFörderer mit ihrem Vorgehen gegen die Frauen nicht alleine standen, sondern ineinem ihren Zielen gegenüber wohlwollenden politischen Klima die strittigeBeginenfrage erneut aufgegriffen hatten. Der Gegensatz zwischenreformbegeisterten und konventualen Brüdern hatte Mulberg sehr früh in eineisolierte Position im Basler Konvent gedrängt. Nachdem er mit seinerWucherpredigt im Jahr 1411 auch noch seine letzten Anhänger außerhalb desOrdens gegen sich aufgebracht hatte, war jeder Rückhalt in der Stadt und imKonvent verloren und er wurde gemeinsam mit den von ihm so verachtetenBeginen vertrieben.

Neben Ordensreform und Beginenstreitigkeiten war das Große AbendländischeSchisma ein weiterer prägender Faktor in Mulbergs Leben. Die Mehrzahl seinerMitbrüder lehnten einen Reformversuch mit dem Argument ab, ihr Orden seibereits in einen römischen und einen avignonesischen Zweig gespalten und eineweitere Zersplitterung in Observante und Konventuale sei zu befürchteten. Dieletzten Wochen seines Lebens verbrachte Mulberg im kleinen Kreis der Gesandtendes römischen Papstes Gregor XII., die sich von Italien aus auf den Weg zumKonstanzer Konzil gemacht hatten. Ein Brief seines Ordensbruders KonradSchlatter berichtet detailliert über Mulbergs letzte Tage. Nach seinem Todbestimmte die Zugehörigkeit zu den letzten Anhängern des römischen Papstes dieWahl von Mulbergs Begräbnisort, der dem Diktat der komplizierten kirchen-politischen Verhältnissen folgend ausgewählt werden mußte.

Mulbergs Leben und Werk zeigen ihn als einen Menschen, der sichkompromißlos und häufig sogar fanatisch für seine Ideen einsetzte. SelbstRückschläge und jahrelanger Mißerfolg konnten ihn nicht dazu bewegen, sich umpragmatische Lösungen oder Kompromisse zu bemühen. Gewiß war er keinDiplomat oder geschickter Politiker, aber er war auch niemals auf seinen persön-lichen Vorteil bedacht. Obwohl er von den späteren Dominikanerobservanten fürseinen Eifer und seine Predigtkunst hochgelobt wurde, übernahmen sie seinGedankengut nicht, sondern bezogen eine gemäßigte Position, die derOrdensreform im Laufe des 15. Jh. in der Teutonia zum Durchbruch verhalf.

In Mulbergs Sterben und Tod bündelte sich sein Schicksal zum letzten Mal. Alseiner der allerletzten Dominikanerobservanten und Anhänger des römischenPapstes verstarb er auf dem Weg zum Konzil und mußte aus dem Bodenseeraumins Zisterzienserkloster Maulbronn geschafft werden. Dort wurde er ehrenvollbeigesetzt: verjagt aus dem Dominikanerkonvent, vertrieben vom Sterbeort, imKreuzgang eines fremden Ordens und in der Gegenwart eines einzigen, jungenMitbruders.

VIII. English Summary*

This books is a biography of the Dominican Johannes Mulberg. It pays closeattention to the intellectual, social, and political factors that shaped the life of a friarat the end of the fourteenth century. Mulberg’s life displays the affect of the GreatSchism on local events, and it sheds light on the origins of the DominicanObservant movement in Germany. In previous studies, Mulberg has been seen asa fanatical opponent of beguines. Indeed, he was a leading figure in thecontroversy over beguines at Basel from 1405 to 1411. Drawing on previouslyoverlooked archival sources, this book provides a new view of that controversy.By comparing Mulberg and the Basel controversy with similar controversies inneighboring cities, the book also determines the degree to which the Basel conflictover beguines was unique or typical.

Too often, Mulberg’s role in the Basel conflict over beguines has been assessedin isolation from his other activities. It can only be understood in the light of theObservant movement. Mulberg belonged to the inner circle of reform-mindedDominicans, centered around the Dominican master general, Raymond of Capua,and Konrad of Prussia. He took part in the early phase of Dominican Observancein Germany, from 1388 to 1414. Mulberg left behind a number of writings,including a Tractatus contra Beginas et Beghardos, that provide a detailed pictureof his frame of mind. Additional evidence of his mentality and ambitions arediscovered in the events surrounding his last days.

The book begins with Mulberg’s background and education (Chapter II: Herkunftund Ausbildung), drawing especially from Johannes Nider’s Formicarius. Niderand Mulberg probably knew each other while Mulberg lived in the Dominicanconvent of Colmar, when Nider entered the Order there. Supplemented by otherBasel sources, Nider’s report expands our knowledge of Mulberg’s familybackground and his work as a shoemaker after his father’s death. He was alreadyabout twenty years old when he began his studies in Basel. From there, he wentto Prague, where he probably first learned of Dominican reform and where hemay have met Raymond of Capua. A reference to “Johannes Mulberg” asbaccalarius in the university rector’s book may refer to our Mulberg or to

* Many thanks to Professor Christopher Ocker (San Francisco) for correcting my English.

122 VIII. English Summary

another clergyman with the same name from the diocese of Meissen. Afterstudying at Prague, Mulberg returned to Germany and entered the DominicanOrder at Colmar. By 1391, he completed his studies in the Dominican school; heis noted as a cursor at Colmar in that year. The degree qualified him to preach,hear confessions, and teach.

The book then turns to the spiritual and political circumstances from whichDominican reform arose around 1400 (Chapter III: Die Dominikanerobservanz).It also examines Mulberg’s and his companions’ role as reformers up to theCouncil of Constance. Since the beginning of the Great Schism, the DominicanOrder had been divided into two branches, according to the two papal obediences.It was the Roman branch, under the leadership of Raymond of Capua, thatintroduced Observant reform, insisting on a return to its “original” rule andconstitutions: desiderant reduci ad primam formam observantiae regularis. Atthe General Chapter of 1388 held at Vienna, Konrad of Prussia receivedpermission to reform a convent. In 1389, he reformed Colmar with the help ofthirty Observant friars. According to Johannes Meyer, chronicler of theDominican reform, Mulberg was one of them. In the following year, Raymond ofCapua issued decrees supporting reform, which were reinforced by bulls of PopeBoniface IX.

The reform of Colmar was no easy task. Konrad was undermined by friars ofColmar, so Raymond turned to the city for help. Since the fourteenth century, theDominicans, like the other mendicant Orders, held interest-earning investments,which, the Observants argued, contradicted the Order’s original ideal of poverty.At Colmar, it was poverty that divided Observants and non-Observants. In 1392at the chapter of the province at Speyer, several priors signed a letter in whichthey committed their convents to support reform in the province of Teutonia.Würzburg was reformed in 1394 with the help of Mulberg, although little is knownabout it. Nürnberg was reformed in 1396, with the personal intervention ofRaymond of Capua, who appointed Konrad of Prussia prior and Mulberg vicarwith special privileges. Nürnberg became the center of reform for the entireprovince of Teutonia, even though they failed to reform the Dominican nuns of thecity. The center of reform of the female branch of the Order becameSchönensteinbach in the diocese of Basel. In addition, the movement wassupported by the Habsburgs, shedding light on a neglected aspect of theirecclesiastical policy.

In 1399, Raymond of Capua died. Soon after, in 1402, Pope Boniface IX,ceased to support the reform. By that time, only three convents of the province ofTeutonia had become Observant: the men’s convents at Colmar and Nürnbergand the women’s convent of Schönensteinbach. There was no advance of thereform movement until 1418, when the Roman and Avignonese branches of theOrder reunited at the Council of Constance. The book attributes the failure of thefirst phase of the Observant movement to its strict demand for poverty, the

VIII. English Summary 123

insufficient number of Observant friars, the division of the Order by the Schism,and dissension among the Dominicans.

After a thorough account of the early reform movement, the book turns toMulberg and his application of the doctrine of poverty to the beguines of Basel(Chapter IV: Der Basler Beginenstreit). The chapter examines in detail the eventsleading up to the repeated expulsions and readmissions of the beguines within thecontext of confrontations between urban interest groups and opponents andsupporters, as well as papal politics.

June 25, 1405, Mulberg gave a sermon. It served as the basis for his Tractatuscontra Beginas et Beghardos, which is edited in Chapter IX. The sermon focussedon the nature of poverty and the right to beg. In his eyes, alms could only begiven to invalids. Appart from them, only members of the mendicant Orderscould beg, even though they may be wealthy. If healthy people—beguines andbeghards—begged, they were stealing from the needy. What was worse inMulberg’s mind, beguines and beghards by begging imitated clergy and presumedto be more perfect than simple lay people. They deserved excommunication. Thesermon launched the beguine controversy in Basel.

In August, 1405, the bishop of Basel, Humbert of Neuenburg, began theproceedings that led to the first expulsion of beguines that November. Fragmentsof the inquisition held against them survive. There is not a single hint of hereticalteaching or practice in the testimonies of the inquisition, nor in Mulberg’s tractagainst the beguines and beghards. The clergy stood behind Mulberg, with theexception of the Franciscans, who supported the beguines. That division of partiesfollowed an earlier controversy over burial privileges, i.e. the ultimum vale. In thenext years, interventions came from the theologians of the University ofHeidelberg, the Roman papal court, and the bishop of Constance. Mulberg wassent to Rome, where he remained until 1411. Both sides took advantage ofchanges in popes and changes in the city’s obedience. In 1410, the bishop of Baselfor the opponents and the Franciscans for the supporters of the beguines reachedan agreement. The women returned to the city.

In spite of papal decrees and privileges to the contrary, the beguines wereexpelled again in 1411. The sudden reversal was due to conflict in the citygovernment. There was a putsch in 1410. The new council took Mulberg’s sideagainst the beguines. But after Mulberg’s return from Rome in 1411, he preacheda sensational sermon against usury. He attacked income earned without laborunequivocally. It implicated not only the beguines, but also the clergy, who werewell invested in the local bond market. He quickly lost all urban support. Whenthe beguines were expelled, he was thrown out with them. A comparison withneighboring cities—Constance, Strasbourg, Mainz, Fribourg, and Bern—showsthat Basel was no isolated case. In addition, Mulberg was not the only one toagitate against beguines. Around 1400, there was widespread hostility to beguinesin the southwest of the Empire. Basel and Mulberg were representative of their

124 VIII. English Summary

time.The book then turns to the end of Mulberg’s life, as he tried to reach the

Council of Constance (Chapter V: Johannes Mulbergs letztes Lebensjahr). Wehave no knowledge of Mulberg’s whereabouts after his expulsion from Basel. Buta detailed report, written by Konrad Schlatter, tells us of his end in 1414. It isedited in Chapter IX as well. Schlatter was a young Dominican who servedMulberg as his socius. In November of that year, the two returned from Italy asmembers of Pope Gregoy XII’s delegation to the Council of Constance. Duringthe journey, Mulberg became ill and finally died in the Franciscan convent ofÜberlingen, on Lake Constance. Because he did not die in the Roman obedience,his body had to be moved to a place within it: it was moved to the diocese ofSpeyer. After a difficult journey, he was laid to rest in the Cistercian monastery ofMaulbronn, where his tombstone can still be found. Admired by hiscontemporaries, several miracles were attributed to him soon after his death.

The book ends with a study of Mulberg as author and preacher (Chapter VI:Johannes Mulberg als Autor und Prediger). A thorough examination of contentand method in the Tractatus contra Beginas et Beghardos reveals a preacher’sgood, basic knowledge of theology and canon law, as well as the mentality of anopponent of beguines. The chapter includes a review of the sources noted in thetext in Mulberg’s own hand, and it shows his dependence on florilegii, medievalcollections of quotations of philosophers and church fathers. That fact explains hisrestricted use of even important sources, like the writings of Thomas Aquinas. Thechapter comprises a short summary of his sermons. Editions of relevant texts canbe found in Chapter IX.

Mulberg was a clergyman who promoted reform, but his ambitions could notescape the great conflicts of his age. His life’s work was also shaped by the GreatSchism and the Councils that tried and eventually did resolve it, by urban socialconflict, and by the beguines.

IX. Edition

1. Schriften zum Basler Beginenstreit

1.1. Überlieferung und Textgestaltung

Die Überlieferungslage zum Basler Beginenstreit ist vergleichsweise reichhaltig. Diezentrale Schrift von Johannes Mulberg, der Tractatus contra Beginas etBeghardos, wird im Folgenden als Lesetext ediert. Ergänzend wird die PosicioRudolf Buchsmanns,1 eine Einleitung zum Traktat sowie ein Postskript beigegeben,die jeweils nur in einer Handschrift überliefert sind. Mulbergs Tractatus wurde inmehreren Handschriften überliefert, die im Folgenden knapp skizziert werden.

Bei BASEL UB, A IX 21 (Sigel B) handelt es sich um eine theologischeSammelhandschrift des 15. Jahrhunderts, die aus dem ehemaligen Domini-kanerkloster in Basel stammt und von einer einzigen Hand geschrieben wurde. Sieenthält von Nicolaus de Oresme De astronomia sectanda, von JohannesMüntzinger die Prepositiones de sacramento sowie bisher nicht identifiziertePredigten. Nur diese Handschrift enthält das Predigtthema und Datierung der vonMulberg 1405 gehaltenen Predigt sowie die Einleitung in den Text.2

AARAU KANTONSBIBL., Cod. Wett. F 26:4 (Sigel A) ist ebenfalls eine Sammel-handschrift vom Ende des 15. Jahrhunderts mit theologischem Inhalt. Sie enthältauch Thesen von Johannes Mulberg (fol. 36r), die Schrift des Wasmod vonHomberg, Tractatus de statu begardorum et beginarum (fol. 1ra-20ra),3 sowieVaria in materia begardorum (fol. 20va-26ra).4

1 Ein Teil der Posicio, Basel UB A IX 21, fol. 91r-v, wurde bereits ediert und ins Französischeübersetzt von SCHMITT, Mort, S. 205-207.

2 Vgl. VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 210 und 1,2, Abb. 85; SCHMIDT, Bibliothek, S.203, Nr. 126; vgl. zum Folgenden auch KAEPPELI, Scriptores, Nr. 2513.

3 Vgl. dazu Abschnitt IV, Anm. 101 und VI, Anm. 81.

4 Vgl. Abschnitt IV, Anm. 134; VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 9 und Abb. 324.

126 IX. Edition

Die Handschrift ESSLINGEN KIRCHENBIBL. evangl. Stadtkirche St. Dionys, Hs.12 (VI, 14) (Sigel E) wurde vom Oberesslinger Pfarrer und Dekan Petrus Mayer inder Zeit von 1463 bis 1464 geschrieben. Sie enthält bisher nicht identifizierte Texteüber Armut und Bettel (7r-12v), Auszüge aus aus der Summa confessorum desJohannes von Freiburg und weiterer Autoren, u.a. Predigten des Franciscus deAbbatibus (13v-306v).5

Zur Handschrift LEIPZIG UB, 1549 (= Wurzen Nr. 160) (Sigel L) liegt bisherkeine Beschreibung vor.6 Die Sammelhandschrift München BStB, Clm. 14265(Sigel M) stammt aus den Jahren 1445/56. Sie enthält neben Mulbergs Text eineLectura des Magister Engelschalk, einen Traktat von Nikolaus von Dinkelspühl,Briefe des Hieronymus, einen Tractatus contra mendicitatem von Nicolaus deOresme sowie die Übersetzung der Phatetra fidei contra Judaeos eines Domini-kaners Theobald sowie eine Disputatio inter Christianum et Judaeum.7

Die Handschrift COLMAR STB, 474 (= 29), hier fol. 126r-141v, fand hier keineweitere Berücksichtigung, da sie zwar auf Mulbergs Traktat zurückgeht, dieVorlage aber durch Ergänzungen und Kürzungen so stark verändert wieder-gegeben hat, daß hier ein eigene, unabhängige Redaktion vorliegt.8

Im Verlauf des Basler Beginenstreits spielte eine Wucherpredigt, die JohannesMulberg 1414 in Basel hielt, ebenfalls eine entscheidende Rolle. Von dieser Predigtist ein Fragment in BASEL UB, C V 36 (Sigel C), überliefert, das in Abschnitt 1.7.ediert wird.9 Dieses Stück befindet sich in einer Sammelhandschrift, die 1394 inWien geschrieben wurde und bald danach in die Basler Kartause gelangte. Siebesteht aus zwei Hauptteilen, deren erster Teil unter der Überschrift Liber decontractibus Texte zur Wucherdiskussion, und deren zweiter Teil für die Kartäusererlassene Privilegien enthält. Im ersten Teil ist die Quaestio de usura des Heinrichvon Gent enthalten (fol. 73r-78v). Zu den Vorwürfen, die Johannes Mulberg 1414in Bezug auf seine Position zu Heinrichs von Gent gemacht wurden, fügte der

5 Vgl. BRINKHUS, Gerd / HEINZER, Felix: Die Esslinger mittelalterlichen Papierhandschriften.In: Esslinger Studien 36 (1997), S. 41-78.

6 Fehlt im Katalog, da die Fortsetzung nicht erschienen ist: KATALOG DER HANDSCHRIFTEN

DER UNIVERSITäTS-BIBLIOTHEK ZU LEIPZIG, Bd. 4: Die lat. Handschriften, Teil 1: Die theol.Handschriften, (cod. 1-500), hrsg. v. R. Helssig. Leipzig 1926.

7 Vgl.CATALOGUS CODICUM LATINORUM BIBLIOTHECAE MONACENSIS. München 1895ff.,bisher 10 Bde., hier Bd. 2,2, Nr. 1257.

8 Die Handschrift hat einen beträchtlichen Wasserschaden; in Auszügen wurde sie ediert vonHAUPT, Hermann: Beiträge zur Geschichte der Sekte vom freien Geiste und des Beghardentums.In: ZKG 7 (1885), S. 503-576, hier „Johannes Mülberg’s Materia contra beghardos“, S. 511-531. Vgl. auch Abschnitt VI, Anm. 1.

9 Vgl. GILOMEN, Kirchliche Theorie, der erste Absatz ebd. ediert in Anm. 8; KAEPPELI,Scriptores 2, S. 492f., Nr. 2520; VON SCARPATETTI, Katalog 1,1, Nr. 439 und 1,2, Abb. 54.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 127

Basler Kartäuserprior Johannes Dotzheim nachträglich einen Zusatz ein, der hierediert wird (fol. 78v).

Angesichts der großen Menge kleiner, den Sinn des Textes nicht berührenderVarianten, die jedoch die vollständige Erarbeitung einer kritischen Edition nichtunwesentlich aufgehalten und einen umfangreichen textkritischen Apparaterfordert hätten – ohne zum Textverständnis wesentlich beizutragen – wird hierbewußt nur ein Lesetext geboten. Gleichwohl sind sowohl alle längeren als auchalle sinnverändernden Varianten wiedergegeben. Den vollständigen Varianten-apparat bietet die Microfichefassung meiner Dissertation.10

Handschrift B ist nicht nur zeitlich am ältesten, sondern auch am voll-ständigsten überliefert und wurde deshalb als Leithandschrift gewählt. EineAnalyse der Varianten ergibt folgenden Befund. B kann keine Kopie von A, E, L,M sein (Anm. 83). A und L mit jeweils 3 spezifischen Homoioteleuta (für A Anm.206, 341, 400, für L Anm. 224, 289, 340) können nicht Vorlage eines anderenTextzeugen gewesen sein. E und M haben ein gemeinsames Homoioteleuton, daseinen gemeinsamen Vorfahren möglich macht (Anm. 297); da sowohl E (Anm.369) als auch M (Anm. 235, 357) aber eigene Homoioteleuta haben und E einesinnstörende Omission (Anm. 347) – wahrscheinlich durch das Überspringen einerZeile – aufweist, kann keine der beiden Handschriften die Kopie der jeweilsanderen sein.

Bereits aus der Analyse der Omissionen durch Homoioteleuta ergibt sich, daßkeine der bekannten Textzeugen direkte Vorlage einer anderen gewesen sein kann.Es liegt nahe, daß die Textradition von dem nachstehenden stemmatischen Typ ist:

•A

B

L

ME

10 VON HEUSINGER, Sabine: Der observante Dominikaner Johannes Mulberg († 1414) und derBasler Beginenstreit. Konstanz, Diss. 1996 (Mikrofiche), Anhang H 3, jedoch ohne dieEsslinger Handschrift, da mich erst nach Beendigung der Dissertation dankenswerterweise Prof.Dr. Maurer (Konstanz) auf diese Handschrift aufmerksam gemacht hat.

128 IX. Edition

Während in E eine Korrektur loyca → logyca zu bemerken ist (Anm. 326), dieder Kopist unschwer selbständig vornehmen konnte, bringt B häufig längere undpräzisere Zitate und Quellenangaben als alle anderen Textzeugen. Eine Ausnahmestellt hier Anm. 327 dar, wo die Handschriften A, E, L, M einen ausführlicherenNachweis des Zitats geben. In drei Fällen wurden wichtige Ergänzungen ausHandschrift A in spitzen Klammern in den Text übernommen (S. 142, 144 und162f.).

Im Allgemeinen wurden Gliederung und Schreibweise der Vorlage beibehalten,aber bei Personennamen und „Quasi-Personennamen“, z.B. als Indikator für einZitat, erfolgte Großschreibung. Die Satzgliederung wurde in Anlehnung an dieVorlage nach heutigen syntaktischen Regeln gestaltet. Fast vollständig wurden dievon Mulberg benutzten Quellen identifiziert und im Text durch Kursivdruckkenntlich gemacht. Runde Klammern wurden für Ergänzungen bei Eigennamenoder bei der Auflösung mehrdeutiger Kürzungen benutzt, spitze Klammernkennzeichnen Ergänzungen, die abweichend von der Leithandschrift beigefügtwurden.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 129

1.2. Übersichtsschema zur Überlieferung und Abkürzungsverzeichnis

Nr. Benennung Aarau(A)

Basel(B)

Esslingen(E)

Leipzig(L)

München(M)

1.3 Posicio Ruo dolfiBuchsman — 91r-91v — — —

1.4 Einleitung zum Traktatdes Johannes Mulberg — 91v-92v — — —

1.5 Tractatus contra Beginaset Beghardos 29r-35r 92v-109v 1r-6v 209r-220r 243rb-249vb

1.6 Postskript35r-v — — — —

130 IX. Edition

Textkritische Abkürzungen

ADD Addit Hinzufügung in der Handschrift, die durch die nachfolgende Sigelbezeichnet wird

CORR Correxit Korrektur in der Vorlage

DEL Delevit Durchstreichung in der Vorlage

DUB Dubium zweifelhafte Lesart

ERR Error Hinweis auf Fehler in der Vorlage

GL Glossa Randglosse in der Vorlage

ILL Illisibile unleserliche(s) Wort(e)

INV Invertit Umstellung in einem Satz

IT Iteravit Wortwiederholung in der Vorlage

MARG In Margine Zufügung am Rand der Vorlage

OM Omittit weggelassene(s) Wort(e)

OM HOM Omittit per

homoioteleuton Das letzte in der Vorlage weggelassene Wort gleicht dem letztenvor der Weglassung

SCR Scripsit Hinweis auf semantisch unpassende Lesart der Vorlage

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 131

1.3. Posicio Ruo dolfi Buchsmann OFM

ÜberlieferungBasel UB A IX 21 fol. 91r-91v

5Posicio fratris Ruo dolfi Buchsman pro defensione Beginarum

(91r) Utrum amplexus amorosus mendice paupertatis sit status uie generosusewangelice dignitatis.

10Conclusio prima:Quamuis summe perfectionis exemplar loculos quandoque habuerint apparenter,tamen mendice paupertatis normam uita et doctrina approbauerint euidenter.

Corollarium primum:15Regula certissima de ewangelica perfectione non consistit in omnimoda Christi-formi actione.

Secundum corollarium:Omnia relinquere in proposito et in communi maxime appropinquat ewangelice20perfectioni.

Conclusio secunda:Sicut elemosinarum piarum successiua largicio est actus generalis iusticie, sicomnimoda rerum11 pro Christo abrenunciacio est actus perfectionis ewangelice.25

Corollarium primum:Perfectius est simul omnia relinquere et pro Christo mendicare, quam successiuebona temporalia pauperibus errogare.

30Corollarium secundum:12

Mendicare pro Christo et uiuere de elemosinis cottidianis est meritorium etewangelice perfectionis.

Conclusio tercia:35Etsi ewangelice <perfectionis> sectatores pro neccessariis uictus debeant laborare,poterunt tamen corporalem spiritualibus exerciciis habundanter recompensare.

11 rerum ] per CORR B.

12 corollarium secundum ] MARG B.

132 IX. Edition

Corollarium primum:Stat aliquem corporaliter nichil laborare, et tamen corporalis laboris mercedemiuste accipere.

Corollarium secundum:5Mendice paupertatis amorosi sectatores sunt ewangelice ueritatis aptissimiannunciatores.

Corollarium responsiuum est pars affirmatiua quesiti.10

(91v) Prescripta posicio fuit disputata anno domini M CCCCo circa festumomnium sanctorum13 per fratrem Ruo dolfum Buchsman, ordinis sancti Franciscilectorem domus Basiliensis pro defensione Lolhardorum, Beghardorum siueBeginarum, tam in regula tercia sancti Francisci quam extra existencium ad finem,quod illis liceret mendicitate se posse nutrire, non obstante, quod sunt ualidi layci et15ad laborandum manibus robusti.

13 1400 Nov. 1.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 133

1.4. Einleitung zum Traktat

Überlieferung:Basel UB, A IX 21 fol. 91v-92v

5(91v) Prescripte posicioni frater Iohannes Mulberg ordinis Predicatorum domusBasiliensis se opposuit in modum, qui sequitur publice coram toto clero Basiliensiin choro Basiliensi anno domini Mo CCCCo V, proxima die post festum natiuitatissancti Iohannis Baptiste.14

10Frater Iohannes Mulberg predicte se opposuit posicioni:Da michi, domine, sapienciam et intelligenciam;15 2 q. 4 Salomon. Venerabilespatres, magistri et domini, beatus ipse Apostolus ad diuine nominis inuocacionem,quod est super omne nomen,16 ad Ephe. 2 c., inuitare nos conatur dicens: Siuemanducatis siue bibatis siue aut aliud facitis,17 in nomine domini Ihesu Christi15facite in quo uiuimus, mouemur et sumus,18 1 ad Chor. 11; et 21 q. ultima „Nonobseruetis“;19 2 q. 5 „Non liceat“.20 Et Iacobus 1 c.: Si quis indiget sapienciampostulet a deo qui dat omnibus affluenter, et non inproperat.21 Qui enim sine hacsapiencia estimat se prudentem fieri posse (92r) non sanus, sed eger, necprudens, quoniam stultus. In egritudine enim assidua laborabit, et in noxia20cecitate, stultus et demens permanebit,22 ut scribit beatus Augustinus originaliter inlibro „De ciuitate dei“ et transumptiue 26 q. 2 in canone „Qui sine“. Per queuerba beatus Augustinus nos monet, quod, si saltem consequi conamur precipuesapienciam ueram et dominum Ihesum Christum, qui est essencie unitas etpersonarum trinitas, De summa trinitate, „Firmiter“,23 et uera sapiencia, De25consecracione, di. 1, „Omnis christianus“,24 quoniam perfectio fragilitatis nostre abipso est, ad Cor. 3o. Respondetur igitur tamquam caritatem non habens sim uelut

14 1405 Junii 25.

15 2. Paral. 1,10.

16 Eph. 1,21.

17 1 Cor. 10,31.

18 Cf. Act. 17,28.

19 C. 26 q. 7 c. 16, ed. FRIEDBERG 1, 1045s.

20 C. 26 q. 5 c. 3, ed. FRIEDBERG 1, 1027s.

21 Iac. 1,5s.

22 C. 26 q. 2. c. 7, ed. FRIEDBERG 1, 1022s.

23 X 1.1.1, ed. FRIEDBERG 2, 5.

24 d. 1 c. 69, de cons., ed. FRIEDBERG 1, 1312s.

134 IX. Edition

es sonans et cymbalum tiniens,25 ad Cor. 13; et transumptiue 1 q. 1 c.26 opponitur,nomen suum inuoco dicens: Da michi domine sedium tuarum asistricemsapienciam;27 Sapientia 9, 2 q. 4, Salomon. Cum aput eum non sit inpossibileomne uerbum,28 Luc. 1; c. De consecracione, di. 2 „Reuera“.29 Quod euidenterclaret, quia immaturorum et puerorum in spiritu prophetico dotauit sic, ut lingua305caldaica omne uerbum sapiencie et sciencie31 pre cunctis permittis magiseloqueretur Daniel 1 c., et 37 di. „Qui de mensa“.32 Unde nimirum, si intellectummichi stulto homini prebeat, qui ueritatem suam per ora iumentorum cum uoluerit,enarrauit Numeri 22.33 Ipse enim dixit Moysi Exodi 4 c. Quis fecit os hominis autquis fabricatus est mutum loquentem et cecum uidentem? (92v) Nonne ego?10Unde perge et ero in ore tuo et docebo te, quid loquaris.34

25 1 Cor. 13,1.

26 C. 1 q. 1 c. 97, ed. FRIEDBERG 1, 396.

27 Sap. 9,4.

28 Lc. 1,37.

29 d. 2 c. 69, de cons., ed. FRIEDBERG 1, 1339s.

30 lingua ] ligua SCR B.

31 Dn. 1,20.

32 d. 37 c. 11, ed. FRIEDBERG 1, 138s.

33 Cf. Num. 22,28-31.

34 Exod. 4,11s.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 135

1.5. Tractatus contra Beginas et Beghardos

Überlieferung:Basel UB, A IX 21 fol. 92v-109v (= B)Aarau Kantonsbibl., Cod. Wett. F 26:4 fol. 29r-35r (= A)Esslingen Stadtkirche St. Dionys, Hs. 12 (VI, 14), fol. 1r-6v (= E)5Leipzig UB, 1549, fol. 209r-220r (= Wurzen n. 160) (= L)München BStB, Clm. 14265, fol. 243rb-249vb (= M)

(92v B; 29r A; 1r E; 209r L; 243rb M)10

Prima conclusio:35

Quemadmodum mediator dei (243va M) et hominum deus et homo Ihesus Christusnoluit36 descendere37 ad nos nisi per matrem uirginem eius genitricem, sic nemopotest ascendere in celum nisi per uniuersalem katholicam et apostolicam ecclesiam15eius sponsam et nostram regeneratricem.38

Ista conclusio duas habet partes: Prima dicit uerbum incarnandum39 peruirginem Mariam ad nos descendisse.40 Secunda pars est catholica41 simul etiuridica seu canonica. Prima autem pars est teologica et licet non indigeatprobacione, cum per argumentum fidei pateat, quod est efficacissimum argu-20mentum, cum fidei catholice non possit subesse falsum, probatur tamen aliquotuiis.42

Primo per ritum et cantum ecclesie, cum43 canitur in festo Epiphanie: (209v L)A patre unigenitus ad nos uenit per uirginem, baptisma cruce consecrans,cunctos fideles generans44 etc.25

35 Prima conclusio ] Incipit tractatus Johannis Mulberg ordinis Predicatorum contra ualidosmendicantes A, alia ergo L, alia conclusio M.

36 noluit ] uoluit A L.

37 descendere ] de celo ADD A E L M.

38 nostram regeneratricem ] matrem regenatricem A, nostram regnatricem L, etc. ADD E.

39 incarnandum ] incarnatum A E L M.

40 descendisse ] secunda uero pars dicit per ecclesiam uirginem ad ipsum descendere oportereADD A, secunda uero nos per ecclesiam uirginem (OM E) ad ipsum ascendere oportere E L M.

41 catholica ] theologica A E M.

42 aliquot uiis ] per aliqua media A.

43 cum ] nam A E L M.

44 Hymnus ad Laudes: Breviarium OP. Tom. 1, Romae 1962, 137b.

136 IX. Edition

Secundo Ysaie 7: Ecce uirgo concipiet et pariet filium.45 Sed illa uirgo est Maria,filius autem46 Ihesus Christus. Igitur etc. Item Mt. 1o: Iacob genuit Ioseph, uirumMarie, de qua natus est Ihesus, qui uocatur Christus.47

Item Origenes48 in omelia super ewangelio49 Mt. 1 c.: Cum esset desponsatamater Ihesu Maria Ioseph50 etc.51 in uigilia natiuitatis domini, dicit: Desponsata fuit5Maria Joseph, non tamen in concupiscencia iuncta. Mater, inquit, eius immaculata,mater incorrupta, mater intacta, mater eius cuius eius (93r B) mater dei unigenitidei52 et regis omnium, plasmatoris et creatoris cunctorum; illius, qui in excelsis estsine matre et in terris sine patre; illius qui in celis secundum deitatem in sinu estpatris et in terris secundum corporis suscepcionem in sinu est matris. Hec ille.5310

Item Augustinus in sermone quodam de natiuitate domini: Nascitur ab intactafemina Christus, quia fas non erat, ut uirtus per uoluptatem, castitas perluxuriam, per corrupcionem incorrupcio nasceretur.54

Item Leo papa in sermone de natiuitate domini: Non autem te dei conceptusconturbet, partus non confundat,55 quoniam uirginitas, quitquid est humani15pudoris, excusat.56 Et ista pro prime partis probacione sufficiant, que dixit uerbumincarnandum (243vb M) per uirginem matrem ad nos descendisse.

Secunda autem pars conclusionis, que dicit nos per ecclesiam ad ipsum ascendereoportere, probatur primo testimoniis scripture sacre et doctorum.20

45 Is. 7,14.

46 autem ] eius est dominus noster ADD A, eius ADD E L.

47 Mt. 1,16.

48 Cf. HILARIUS Pictaviensis: Sur Matthieu. Ed. Jean Doignon. Paris 1979 (Sourceschrétiennes 258), 264-269.

49 ewangelio ] OM E L M; ewangelio Mt. 1 c. ] Mattheum et illud primo A.

50 Mt. 1,18. Maria Ioseph ] OM A M.

51 etc. ] OM A E; in uigilia natiuitatis domini ] OM E.

52 dei ... creatoris ] omnium plasmatorum et creatorum A.

53 ille ] etc. uide originale primo beatus ADD A, ergo ADD E.

54 Petrus CHRYSOLOGUS: Collectio sermonum, sermo 148 bis, extrav. 3. Ed. AlexanderOlivar. Turnholti 1982 (CC 24b), 924.

55 confundat ] auditus ADD A E L M.

56 Petrus CHRYSOLOGUS: Collectio sermonum, sermo 148 bis, extrav. 3. Ed. AlexanderOlivar. Turnholti 1982 (CC 24b), 920.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 137

Secundo testimoniis iuris canonici, cum ista secunda pars etiam57 sit canonica sicutet theologica ut supra.

Primo probatur argumento fidei. Sine fide catholica formali58 et eiusdem fideimeritis nemo potest uenire ad regnum dei,59 cum Apostolus 1160 ad Hebre. dicat:Sine fide impossibile est placere deo. Credere enim oportet accedentem ad deum,5quia61 est et inquirentibus se62 remunerator.63 Sed ecclesiam credere est articulusfidei, quod patet primo64 per symbolum apostolorum, ubi dicitur: In spiritumsanctum, sanctam ecclesiam catholicam.65

Secundo66 patet per symbolum misse in quo dicitur: Et (93v B) unam sanctamcatholicam et apostolicam ecclesiam.67 Et id ipsum uult Athanasius68 in symbolo10suo: Quicumque uult saluus esse.69 Igitur per ecclesiam Ihesu Christi sponsam etmatrem nostram, que nos ad fidem et sacramenta regenerat, oportet nos ad (210r

L) eius sponsam peruenire. Igitur conclusio uera pro eius secunda parte.

57 etiam sit ] sit etiam L M; etiam ... supra ] est canonica et catholica A.

58 formali et ] firma E; formali ... meritis ] OM A.

59 dei ] OM A.

60 2o A, L, M; ad Hebreos 11o E.

61 quia ... remunerator ] OM E.

62 se ] OM CORR B.

63 Hebr. 11,6.

64 primo ... sanctum ] in simbolo A E.

65 DENZINGER, Heinrich (Hrsg.): Euchiridion symbolorum definitionum et declarationum derebes fidei et morum / Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrent-scheidungen. 38. aktualisierte Aufl hrsg. v. Peter Hünermann. Freiburg 1999, CodexLaudianus, 25 (n. 12). catholicam ] catholicam et apostolicam ecclesiam L.

66 Secundo ... suo ] Item ex Niceno concilio unam sanctam ecclesiam catholicam etapostolicam. Item in symbolo Athanasii A; Item ex ... ecclesiam apostolicam catholicam. Et item... Athanasii E; Item ex ... sanctam et apostolicam. Item in symbolo Athanasii L; Item patet persymbolum misse, in quo dicitur et unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam. Item exNiceno concilio unam sanctam et apostolicam ecclesiam. Item in symbolo Athanasii M.

67 Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum, ed. CONCILIORUM OECUMENICORUM

DECRETA, 24.

68 Athanasius ] Anastasius B.

69 DENZINGER, Heinrich (Hrsg.): Euchiridion symbolorum definitionum et declarationum derebes fidei et morum / Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrent-scheidungen. 38. aktualisierte Aufl hrsg. v. Peter Hünermann. Freiburg 1999, Pseudo-Athanasianisches Bekenntnis „Quicumque“, 51 (n. 75).

138 IX. Edition

Item super illo uerbo Mt. 16: Tu es Petrus et super hanc petram edificaboecclesiam meam,70 dicit Augustinus in libro suarum retractacionum: Dixi inquodam loco de apostolo Petro, quod in illo tamquam in petra edificata sitecclesia. Sed scio me sepissime postea sic exposuisse, quod a domino dictum est:‚Tu es Petrus, et super hanc petram edificabo ecclesiam meam‘,71 ut super hanc5intelligeretur quem confessus est Petrus dicens: ‚Tu es Christus, filius dei uiui‘.72

Ac si Petrus ab hac petra appellatus, personam ecclesie figuraret, que super hancpetram edificatur. Non enim dictum est illi: ‚Tu es petra‘, sed: ‚Tu es Petrus‘.‚Petra autem erat Christus‘.73 Est ergo ecclesia super Christum Ihesum fundata,quod et Apostolus clamat 1 ad Corinthos 4o: Fundamentum enim aliud nemo10potest ponere (29v A) preter id quod positum est, quod est Christus Ihesus.74

Item ad Ephe. 2o: Iam non estis hospites et aduene, sed estis ciues sanctorumet domestici dei, superedificati super fundamentum apostolorum et prophetarum,ipso summo angulari lapide Ihesu Christo domino nostro.75 Quilibet autempredestinatus76 saluandus (244ra M) est pars ecclesie tocius, sicut ergo quelibet pars15edificii mediante toto edificio (94r B) reducitur in fundamentum. Sic quilibetsaluandus mediante ecclesia et eius fide et sacramentis reducitur ad ChristumIhesum. Ergo oportet nos peruenire ad celum per sacrosanctam ecclesiam nostramregeneratricem, que fuit pars probanda.

Item Augustinus in epistula sua contra epistulam fundamenti Manichei: Tanta20est ecclesie auctoritas quod ewangeliis non crederem nisi ecclesia me ad hocmoueret.77

Quia78 autem, ut dictum est, illa secunda pars conclusionis est etiam canonicaigitur restat eam breuiter canonice probare. (1v E)

70 Mt. 16,18.

71 Mt. 16,18.

72 Mt. 16,16.

73 1 Cor. 10,4. AUGUSTINUS, Aurelius: Retractationum libri 2. Ed. Almut Mutzenbecher.Turnholti 1994 (CC 57), 62.

74 1 Cor. 3,11.

75 Eph. 2,19-20.

76 predestinatus ] seu ADD A E M; sed ADD L.

77 AUGUSTINUS, Aurelius: Contra epistulam fundamenti Manicheorum. Ed. Joseph Zycha.Pragae 1891 (CSEL 25), 197. moueret ] igitur etc. ADD A, et hoc ex probacione theologica ADDE, moneret L.

78 Quia ... pars ex ] Nunc restat eandem conclusionis partis canonice probare etc. Primo patetexprese ex A; Nunc restat probare eandem conclusionis partem secundam canonice seu iuridice.Patet primo expresse in E; Nunc restat probare eandem conclusionis partem canonice. Patetexpresse ex L M; Nunc ] autem ADD L.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 139

Patet expresse huius conclusionis secunda pars ex canone 29, q. 1 „Alienus“, ubidicitur: Alienus est, prophanus est, hostis est, habere non potest deum patrem, quiuniuersalis ecclesie non tenet unitatem.79 Item quota cause 2 q. „Quicumque“, ubidicit canon: Quicumque ab unitate fidei uel societatis Petri apostoli quolibetmodo se ipsos segregant, tales nec uinculis peccatorum absolui nec ianuam5possunt regni celestis ingredi.80 Item patet conclusio pro eadem eius parte Extra,De summa trinitate et fide catholica, „Firmiter credimus“: Una est fideliumuniuersalis ecclesia, extra quam nullus omnino saluatur.81

Multis modis posset hec conclusio probari pro ambabus eius partibus, sedreputo eam cuilibet fideli per se notam. Dico „per se“ non naturaliter sed10fiducialiter, quia per fidem; igitur transeo.

Corollarium primum:82

Ex83 secunda parte conclusionis sequitur hoc corollarium: Fides spes caritas,84

quamuis <sunt> uirtutes theologice nec non et earum filie cardinales uel15qualitercumque uocate, nullatenus sunt regni syderei (94v B) meritorie nisi perobedienciam ecclesie. Patet corollarium ex canone 8 q. 1 „Sciendum“, ubi dicitur:Obediencia (210v L) uictimis iure preponitur, quia per uictimas aliena caro, perobedienciam uero uoluntas propria mactatur.85 Et statim post: Sola est, que fideipossidet meritum obediencia, sine qua quisque infidelis conuincitur, et si fidelis20esse inueniatur.86

Corollarium ex ambabus partibus secundum:Ex conclusione ista prima et ex primo corollario sequitur, quod omnes actushumani ad eternitatem ualituri habent se ad Christi domini et eius sponse25obedienciam, quodammodo sicut materia ad formam. Probatur: Quodlibet totumest suarum parcium completiuum perfectum et formaliter denominatiuum. Nonenim dicitur pes uel (244rb M) oculus humanus nisi essent partes corporis humani.Sed Christus Ihesus est totum respectu fidelium, qui sunt partes, quia ipse caput,nos membra similiter et sui actus respiciunt nostros ut totum partes in esse meriti,30

79 C. 24 q. 1 c. 19, ed. FRIEDBERG 1, 972s.

80 C. 24 q. 1 c. 27, ed. FRIEDBERG 1, 977.

81 X 1.1.1, ed. FRIEDBERG 2, 5.

82 Corollarium primum ] MARG B.

83 ex ... corollarium ] OM HOM A E L M.

84 Cf. 1 Cor. 13,13.

85 C. 8 q. 1 c. 10, ed. FRIEDBERG 1, 593.

86 C. 8 q. 1 c. 10, ed. FRIEDBERG 1, 593. inueniatur ] uideatur A E L M.

140 IX. Edition

et proporcionabiliter87 sancta ecclesia, eius sponsa, cum sit mater nostra, respicitnos consimili proporcione. Igitur corollarium uerum, consequencia liquet exterminis. Et similiter prima pars antecedentis seu maior, sed minor88 pro prima eiusparte, que dicit: Christum esse totum89 seu caput, nos autem partes et membra,patet Mt. 24: Ubicumque fuerit corpus, illic et congregabuntur aquile.90 Que5auctoritas non litteraliter, sed secundum methaphoram seu secundum similitudinemcapta, probat propositum, ut patet intuenti Glossam.91

Item ad Eph. primo capitulo: Ipsum – scilicet Christum – dedit – supple„pater“ – caput super omnem92 ecclesiam, que est corpus eius.93 Item ad (95r B)Colo.: Omnia in ipso constant, et ipse caput corporis ecclesie.9410

Secunda autem eius pars, que dicit ecclesiam suo modo esse totum et95 caputnostrum, cum sit mater nostra, patet per se, quia ideo dicitur Christi Ihesu sponsaet uxor, quia per ipsam nos regenerat, igitur mater. Sic patet corollarium.

Corollarium tertium et hoc ex prima parte conclusionis et secundo corollario:15Quamuis in statu nature humane institute et in statu eiusdem nature destitute sinteedem uirtutes theologice et cardinales, tunc que et nunc, quantum ad essenciam etsubiectiue differunt, tamen in spem, moris et obiectiue. Prima pars corollarii uideturpatere per se, quia in primo statu fuit caritas, ergo et omnes uirtutes, queconnexionem habent ad caritatem.20

Secunda pars probatur: Non enim prima ueritas est obiectum fidei absolute,prout fuit in paradiso, sed ueritatem incarnatam respicit iam fides obiectiue.Summum arduum humanatum spes, summum bonum carnem factum iam amatcaritas. Fides enim separans humanitatem a diuinitate non est fides sed perfidia. Etquia moralia recipiunt speciem ab obiecto, igitur corollarium uerum.25

87 proporcionabiliter ] proporcionaliter A.

88 minor ] probatur ADD E.

89 totum seu ] IT B.

90 Mt. 24,28.

91 BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 4, 74: Id est in celum, quo hinc leuauit corpus susceptum, quiarapiemur obseruanciam Christo in aera et sic semper cum domino erimus.

92 omnem ] ILL creaturam ADD DEL B.

93 Eph. 1,22s.

94 Col. 1,17s.

95 et ... nostra ] OM A E L M.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 141

Hic96 incipit tangere mendicitatem Beghardorum et Beginarum

(30r A) Conclusio secunda:Licet de patrimonio crucifixi uiuere sit altario seruientibus debitum, nec non (211r

L) aliena stipe97 sustentari, ordinibus mendicantibus sit a iure concessum,5mendicitate98 tamen se (244va M) transigere est tam clericis quam laycis ualidisuniuersaliter illicitum. (95v B)

Ista conclusio habet tres partes sicut patet intuenti. Prima pars dicit: Deo deditos99

et in diuinis ministeriis seruientes posse et debere nutriri a uulgari populo. Que pars10prima, quamuis clara sit uetus et nouum testamentum decurrenti, probatur tamenbreuiter in speciali.

Prima ad Cor. 9 Apostolus hanc conclusionem disputans dicit: Quis militat suisstipendiis umquam, quis plantat uineam et de fructu eius non edit, quis pascit15gregem et de lacte gregis non manducat?100 Et confirmans ex ueteri testamentodicit: Scriptum est in lege Moysi: ‚Non alligabis os bouis triturantis‘,101 Deuto.25 c.102 Postea concludit propositum dicens: Qui altari deseruiunt, cum altariparticipantur.103 Nec reputat talia benificia clero a populo debita elemosinas, sedoperis seu laboris stipendium et precium. Ergo etc.20

Item probatur ista proposicio, Extra, De prebendis et (2r E) dignitatibus, „Cumsecundum Apostolum“, ubi dicit Innocencius tercius: Cum secundum Apostolum,qui altari seruit et qui ad onus104eligitur, repelli non debeat a mercede, patet asimili, ut clerici uiuere debeant de patrimonio Ihesu Christi, cuius obsequiodeputantur.10525

96 hic ... Beginarum ] OM A E L M.

97 stipe ] stipite L.

98 mendicitate ] mendicantem A.

99 deditos ] deditas CORR B.

100 1 Cor. 9,7.

101 1 Cor. 9,9.

102 Dt. 25,4.

103 1 Cor. 9,13.

104 ad onus ] a domino A, ydoneus E.

105 X 3.5.16, ed. FRIEDBERG 2, 469. deputantur ] deprimitur M, etc. ADD A.

142 IX. Edition

<Secunda106 pars eiusdem conclusionis, que dicit107 quod aliena stipesustentari108 etc. probatur: Extra, De religiosis,109 libro 6o, capituloprimo, per totum.>

Tercia autem pars eiusdem conclusionis, que dicit de mendicitate uiuere sit110 aliis5clericis, aliis scilicet a mendicantibus ordinibus et laycis ualidis uniuersaliter illicitum,probatur multipliciter.

Procedunt autem probaciones isti duplici uia:Primo, quod sit laborandum manibus seu aliis corporalibus laboribus. Secundo,10quod non sit utendum elemosinis. Secundum sequitur ex primo.

Primam111 uiam aggrediendo de labore (96r B) corporali probatur nostreconclusionis tercia pars. Sicut enim auctor nature deus cunctis112 animantibusprouidit uictum et amictum, sic etiam prouiderat homini in statu innocencie, utscilicet amictu exteriori non indigeret et in uictu plenarie habundaret. Postquam15autem homo perdidit innocenciam, perdidit etiam istam prouidenciam113 etsufficienciam et hoc114 in culpe penam, ita ut hominem iam sollicitari oporteat etelaborare pro hiis predictis, que prius a creatore sine sollicitudine habuerat. Et ideodictum est (244vb M) homini peccanti: In sudore uultus tui uesceris pane tuo,115

Gen. 3o. Et quia secundum propagacionem primus homo fuit omnis homo, ergo20quod sibi indicitur de omnibus hominibus intelligitur, ut nemo intelligatur exceptus(211v L) nisi qui a peccato eius esset116 immunis. Qui ergo filius Ade peccantis nonest, manducet et non laboret.117 Ergo proposicio uera tenet consequenciam: Quia silabor est ualidis indictus, sequitur, quod elemosina eisdem sit illicita. Intelligiturautem hic labor non tantum manualis, sed uniuersaliter corporalis.25

106 Secunda ... totum ] OM B, Ibi vide capitulo „Si placet“ (locus non inventus) ADD E.

107 que dicit ] OM L M.

108 stipe sustentari ] stipe E M, stipite L.

109 X 3.36, ed. FRIEDBERG 2, 602s.

110 sit ... ualidis ] OM E; aliis ... laycis ] OM L M.

111 Primam ... pars ] quo ad primam uiam probatur A E L M.

112 cunctis animantibus prouidit ] prouidit cunctis animantibus INV A E L M; animantibus ]animalibus A.

113 prouidenciam et ] OM A E L M.

114 hoc ] habet A.

115 Gn. 3,19.

116 esset ] essent M, emunis seu E.

117 laboret ] qui ergo non inmunis est, laboret et manducet ADD A.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 143

Item Ecci. 7: Non oderis laboriosa opera et rusticacionem ab altissimo creata.118

Ubi dicit Glossa: Peccanti homini est data sciencia, ut labore manuum sibi queratuictum; allegans illud, ubi supra Gen. 3:‘In sudore uultus tui uesceris panetuo‘.119 Et Glossa interlinearis dicit: Laborare et ocium fugere laudabile est.120

Igitur etc.5Item Psalmus 127: Labores manuum tuarum manducabis,121 beatus es et bene

tibi erit.122 Quem uersum exponens Lira dicit: ¸Labores manuum tuarummanducabis‘, ita quod non oportebit te de alieno uiuere.123 Item Luc. 12: Vendite(96v B) que possidetis et date elemosinam.124 Ubi Glossa ordinaria, et estoriginaliter uenerabilis Beda: Non tantum cibos uestros communicate pauperibus,10sed etiam uendite uestras possessiones, ut omnibus uestris separetis semel prodomino, postea labore manuum operemini, unde uiuatis, et elemosinasfaciatis.125

Item Mt. 6: Nolite solliciti esse.126 Glossa: Quia in sudore uultus preparamusnobis panem nostrum, labor exercendus est, sollicitudo tollenda.127 Item 1 ad15Thess. 4a: Operemini manibus uestris, sicut precepimus uobis, ut honesteambuletis ad eos, qui foras sunt, et nullius aliquit desideretis.128 Glossa: Nedumnon rogetis, uel tollatis aliquit (30v A) sed nec desideretis.129 Item 2a ad Thess.3o: Si quis non uult laborare, non manducet;130 ubi Glossa.131 (245ra M) Et est

118 Sir. 7,16.

119 Gn. 3,19. BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 2, 751.

120 BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 2, 751.

121 manducabis ] ita ADD DEL B.

122 Ps. 127,2.

123 NICOLAUS de Lyra: Postilla super totam Bibliam. Argentinae 1492, t. 3, in Ps. 127.

124 Lc. 12,33.

125 BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 4, 187. Cf. BEDA Venerabilis: In Lucae euangeliumexpositio. Ed. David Hurst. Turnholti 1960 (CC 120), 254s.

126 Mt. 6,31 et 34.

127 Cf. Gen 3,19; HIERONYMUS, Sophronius Eusebius: Commentariorum in Mattheum libri 4.Ed. David Hurst, Marcus Adriaen. Turnholti 1969 (CC 77), In Matheum I, 6,25 (= 40); cf.BEDA Venerabilis: In Lucae euangelium expositio. Ed. David Hurst. Turnholti 1960 (CC 120),252 (= in Lc. IV, 853s.).

128 1 Th. 4,11s.

129 BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 4, 398.

130 2 Th. 3,10.

131 Cf. HUGO de Santo Caro: Postilla super Epistolas Pauli ... Parisiis 1538, ad 2 Th. 3,10,fol. 188r-v.

144 IX. Edition

sumpta ex libro Augustini „De opere monachorum“.132 Dicunt quidam deoperibus spiritualibus hoc Apostolum precepisse, alioquin si de opere corporali hocdiceret: In quo et agricole uel opifices laborant, uideretur sentire aduersusdominum, qui in ewangelio ait: Nolite solliciti esse, quid manducetis;133 sed:Superflue conantur sibi et ceteris caliginem obducere, ut quod utiliter caritas5moneret non solum facere nolint, sed nec intelligere.134 Cum multis aliisepistularum locis suarum, quid hic sentiat, Apostolus apertissime doceat. Vult enimseruos135 dei corporaliter operari, unde uiuant, ut non compellantur (212r L)egestate necessaria petere. Nec est contra illud, quod predictum est: Nolite sollicitiesse, quid manducetis.136 Non enim ideo hoc dictum est, ut ista non procurent10quantum necessitati satis est, (97r B) unde honeste uiuere potuerint, sed ut ista nonintueantur et non propter ista faciant quidquid in ewangelii preconio facereiubentur.

Item idem Paulus ad Ephe. 2o: Audiuimus enim inter uos quosdam ambulareinquiete nichil operantes, sed curiose137 agentes; hiis autem qui huiusmodi sunt15denunciamus,138 ut cum silencio operantes suum panem manducent.139

<Item140 ibidem dicit Apostolus: Ipsi enim scitis quoniam non inquietifuimus apud uos neque gratis panem manducauimus ab aliquo, sed inlabore et fatigacione nocte et die operantes ne quem uestrum20aggrauaremus.141 Et sequitur postea: Item si quis non uult operari necmanducet.142 Igitur etc.>

Item clericis qui indubitanter sunt altioris gradus et status quam layci indiciturlabor; igitur a fortiori laycis. Nam in decretis scribitur d. 91: Clericus uictum et25uestitum sibi in artificiolo uel agricultura, absque officii sui dumtaxat

132 Cf. AUGUSTINUS, Aurelius: De opere monachorum. Ed. Joseph Zycha. Pragae 1900 (CSEL41), n. 2s. (= 532).

133 Mt. 6,31 et 34.

134 AUGUSTINUS, Aurelius: De opere monachorum. Ed. Joseph Zycha. Pragae 1900 (CSEL41), n. 3 (= 535).

135 seruos ] filios A.

136 Mt. 6,31 et 34.

137 curiose] criminose A.

138 denunciamus ] et obsecramus in domino Iesu Christo ADD A ut loc. cit.

139 2 Th. 3,11s. manducent ] etc. ADD A.

140 Item ... etc. ] OM B E L M.

141 2 Th. 3,7s.

142 2 Th. 3,10.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 145

detrimento preparet.143 Et iterum ibidem: Clericus quilibet uerbo dei eruditusartificio uictum querat.144

Item: Omnes clerici qui ad laborandum ualidi sunt, et artificiola et (2v E)litteras discant, hoc ibi. Item Actuum 20o super illud: Beacius est magis darequam accipere.145 Dicit Glossa: Illos maxime glorificat, qui cunctis, que possident5simul renunciantes, nichilominus laborant manibus operando, ut habeant, undetribuant necessitatem pacienti.146

Item Ieronimus ad Rusticum monachum: Egipciorum monasteria hunc moremtenent, ut nullum (245rb M) absque opere ac labore suscipiant, non tam propteruictus necessaria quam propter anime salutem, ne uagetur uanis1 4 710cogitationibus.148

Item Sanctus Thomas de Aquino 2a 2e q. 187149 articulo 3o dicit: Sit labormanualis secundum quod ordinatur ad uictum querendum cadit sub necessitateprecepti [...]. Et ideo, qui non habet aliunde, unde possit uiuere, tenetur manibusoperari, cuiuscumque sit condicionis. (97v B) Etiam hoc significant uerba15Apostoli dicentis: ‚Qui non uult operari, non manducet‘, 150 quasi dicens: ‚Eaneccesitate tenetur aliquis ad manibus operandum, qua tenetur admanducandum‘. Unde si quis absque manducatione posset uitam transigere, nonteneretur manibus operari. Et eadem ratio est de illis, qui habent alias, undelicite uiuere possint. Non enim intelligitur aliquis posse facere, quod non licite20facere potest.151 Et ibidem in solucione quarti argumenti dicit: Quod illi, quiomnia propter deum spreuerunt,152 tenentur manibus operari, quando non habentalias, unde uiuant uel unde elemosinas faciant in casu in quo facere elemosinamcadit sub precepto.153 Item in solucione primi argumenti dicit: Quod illudpreceptum – Apostoli 1 ad Thess. 4o operemini manibus uestris,25

143 d. 91 c. 3, ed. FRIEDBERG 1, 316.

144 d. 91 c. 4, ed. FRIEDBERG 1, 316.

145 Act. 20,35.

146 HUGO de Santo Caro: Postilla super Epistolas Pauli ... Parisiis 1538, ad Act. 20,35, fol.276r. pascienti ] etc. ADD A, non de facto Paulo ADD E.

147 uanis ] perniciosis A E L M.

148 HIERONYMUS, Sophronius Eusebius: Epistulae, pars 3. Ed. Isidor Hilberg. Vindobonae1910 (CSEL 56), 125, 11 (= 131) (= DC d 5 c. 33, ed. FRIEDBERG 1, 1420s.).

149 187 ] 18 SCR B E.

150 2 Th. 3,10.

151 THOMAS de Aquino: Summa theologiae II-II, q. 187, a. 3 c. (= tom. 10, 510).

152 spreuerunt ] spernunt M.

153 THOMAS de Aquino: Summa theologiae II-II, q. 187, a. 3 ad 4 (= tom. 10, 511).

146 IX. Edition

sicut precepimus uobis154 – est de iure naturali. Et probat hoc per Glossam 2 adThess. 3o: Ut subtrahatis uos ab omni fratre inordinate ambulante.155 (212v L)Glossa: ‚Aliter quam nature ordo exigit‘: Loquitur autem ibi de hiis, qui ab operemanuali cessabant. Unde et natura manus homini dedit loco armorum ettegumentorum, que aliis animalibus156 tribuit: ut scilicet per manus hec et alia1575neccessaria conquirat.158 Cum ergo contra ius naturale nulla admittaturdispensacio,159 ut habetur di. 13 in principio, sequitur propositum, scilicet quod sitmanibus laborandum.

Item Iob 5 c.: Homo ad laborem nascitur et auis (31r A) ad uolandum.160 Item:10Manus eius in cophino seruierunt;161 et intelligitur de Ioseph patriarcha in egiptoPs. 80. Item: In labore hominum non sunt et cum hominibus nonflagellabuntur;162 Ps. 72. Item: Exibit homo ad opus suum et ad operacionemsuam usque ad uesperam,163 Ps. 103. Ecce dei dispositio ad laborandum.

Item multis aliis modis posset probari secunde huius conclusionis (98r B) tercia15(245va M) pars, quoad primam probacionis eius uiam, scilicet quod sit manibuslaborandum; sed ista sufficiant. Nunc autem restat probare quod non sit utendumelemosinis; que est secunda uia ad probandum eandem partem.164

Quod non sit utendum elemosinis20Sapiens mendicitatem prohibet et reprobat dicens: Non sit porrecta manus tua adaccipiendum, sed ad dandum collecta,165 Ecci. 4o. Ubi Glossa: Auariciam uetat,misericordiam commendat, ut non rapiamus aliena, sed largiamur nostra,‚beacius est enim dare quam accipere‘.166

154 1 Th. 4,11.

155 2 Th. 3,6.

156 animalibus ] non ADD E, brutis ADD L M.

157 alia ] omnia A E L M, THOMAS de Aquino, loc. cit.

158 THOMAS de Aquino: Summa theologiae II-II, q. 187, a. 3 ad 1 (= tom. 10, 511).

159 d. 13 I. pars, ed. FRIEDBERG 1, 31.

160 Iob 5,7.

161 Ps. 80,7.

162 Ps. 72,5.

163 Ps. 103,23.

164 partem ] tercie partis conclusionis secunde prius posicione primo ADD E.

165 Sir. 4,36.

166 HUGO de Santo Caro: Postilla super Esaiam ... Parisiis 1532, ad Sir. 4,36, fol. 161r;‚beacius ...‘ Act. 20,35.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 147

Item in eodem libro c. 29: Vita nequam167 hospitandi de domo ad domum – etmodicum infra – transi hospes etc.168 Ubi Glossa: Quasi tu, qui alieno delectarishospicio, redi ad propria, de labore tuo te et alios pasce.169 Item: Pes fatuifacilis in domum proximi;170 in eodem libro c. 21. Item in eodem: Vir respiciensin mensam alienam non est uita eius in cogitacione uictus, alit enim animan5suam cibis alienis;171 40o c. Glossa: Stultum est enim ociari et de alieno laboremercedem querere. Recipiet enim unusquisque secundum opera sua.172

Item Prou. 30: Mendicitatem ne dederis michi; ne forte egestate conpulsus fureret periurem nomen dei mei.173 Item Ecci. 40: Fili, in tempore uite tue ne10indigeas, melius est enim mori quam indigere.174

Item Ps. 108o: Nutantes175 transferentur filii eius et mendicent.176 (213r L)Ecce quomodo propheta reputat mendicitatem quandam maledictionem. Item Ps.72: In labore hominum non sunt etc.177 Ex quo Psalmo178 supra fuit argumentumcontra operari nolentes. Hic autem per prophetam Dauit179 ex eodem (98v B)15Psalmo arguitur contra mendicantes ualidos sic, hii de quibus propheta loquitur:Non sunt in labore hominum;180 cum tamen laborare et operari homini in statunature lapse sit indictum et inflictum. Et qui non operatur, non manducet,181 ut exsupra argumentis182 patet. Alii namque in agris, alii in siluis, alii in campis, alii in (3r

E ) m i l l e d i u e r s i t a t u m o f f i c i i s20

167 nequam ] inquam SCR B.

168 Sir. 29,31 et 33. etc. ] scilicet ad propria, dicit Glossa interlinearis A M.

169 BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 2, 775.

170 Sir. 21,25.

171 Sir. 40,30.

172 BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 2, 786. sua ] Et ibidem: „Occupacio magna creata estomnibus hominibus et iugum graue super filios Adam a die exitus de uentre matris eorum, usquediem sepulture in matrem omnium“ (Sir. 40,1) ADD A.

173 Prv. 30,8s.

174 Sir. 40,29.

175 Nutantes ] metantes L M.

176 Ps. 108,10.

177 Ps. 72,5.

178 Psalmo ] Psalmus SCR B L M.

179 Dauit ... arguitur ] OM A; Dauit ... Psalmo ] OM E L M.

180 Ps. 72,5.

181 2 Th. 3,10.

182 argumentis ] argutis SCR B.

148 IX. Edition

artificiis et laboribus (245vb M) uictum sibi querunt. Sed mendicantes, presertimualidi, seu spontanei uolunt habere panem, sed nolunt colere agros,183 bibereuinum, sed nolunt colere uineas, uolunt habere caseum, lac, putirum184 et mel, sednolunt nutrire uaccas, oues uel apes. Et quia in labore hominum non sunt, et185

cum hominibus non flagellantur, ideo tenet eos superbia ficte sanctitatis et ociandi5curiositas. Ergo operti sunt iniquitate et inpietate sua, asserentes eorum uitam esseperfectam, cuius oppositum patet scripturas intuenti. Igitur etc.

Item Ioh. 20o: Dixit Petrus: ‚Vado piscari‘, dicunt ei alii discipuli: ‚Venimuset nos tecum,‘186 scilicet ut haberent, unde uiuerent ne mendicarent. Item: Cumueniret ille spiritus ueritatis docebit uos omnem ueritatem,187 Iohannes 16. Sed10non docuit de mendicitate, nusquam enim in tota scriptura sacra ualidos deberemendicare reperitur. Ergo etc.188

Item Apostolus actis 20o189 oportet meminisse uerbi domini nostri Ihesu Christi,quoniam ipse dixit: Beatius est magis dare quam accipere.190 Glossa Bede:191 Illosmaxime glorificat, qui cunctis, que possident semel renunciantes nichilominus15laborant (99r B) operando manibus, ut habeant, unde tribuant necessitatempatienti.192

Probatur per doctoresItem Augustinus in libro de opere monachorum contra ualidos mendicantes20scribens, quod per totum facit librum dicens: Omnes petunt, omnes exigunt autsumptus lucrose egestatis aut simulate precium sanctitatis.193

183 agros ] egros SCR B.

184 putirum ] butirum A E L.

185 et ... flagellantur ] OM A E L M.

186 Ioh. 21,3.

187 Ioh. 16,13.

188 etc. ] Item Lucas 16 (cf. Lc. 16,3): „De uillico diffamato“, dicente: „Mendicare erubesco“.Ergo est uicium et per consequens illicitum. Igitur etc. ADD A.

189 actis 20o ] actuum 2o L, actis 2o M, XIo ADD CORR XXo B.

190 Act. 20,35.

191 Bede ] OM A E L M.

192 BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 4, 423.

193 Collectio canonum in V libris. Ed. Mario Fornasari, lib. I-III. Turnholti 1970 (CC cont.med. 6 ), lib. II, 109 (= 255).

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 149

Item Gregorius, IV. libro moralium,194 mendicitate spontanea (31v A) nulla maiorignominia.

Item Ieronimus in epistula ad Nepocianum: Numquam petentes, raroaccipiamus rogati.195 Et si hoc dicit in prima persona de se ipso presbytero et perconsequens de aliis presbyteris, ergo a forciori de laycis et omnibus aliis hominibus.5Item Ieronimus super Mt. 21 super illo uerbo: ‚Vos autem fecistis eam – scilicetdomum dei – speluncam latronum,‘196 dicit197 sic: Latro enim est et templum deiin latronum conuertit specum,198 qui lucra de religione sectatur.199 ItemBenedictus in regula dicit sic: Tunc uere monachi sunt, si de opere manuumsuarum uiuant (213v L) sicut patres nostri et apostoli.200 Ergo non est10mendicandum.201

Reprobatio mendicitatis per iura:Sancta ecclesia solis religiosis uiris (246ra M) quattuor ordinum HeremitarumSancti Augustini, Carmelitarum, Predicatorum et Minorum, propter utilitatem15uidelicet ipsi ecclesie ex illis prouenientem concessit, ut uictum et amictummendicando possint accipere a populo, pro quo in spiritualibus laborant:predicando, confessiones audiendo, ceteraque ad eorum statum pertinenciafaciendo. Ceterasque uero mendicantes religiones uel habitum religioni202

conformem deferentes, perpetue prohibicioni subiecit, Extra, De religiosis domibus,20c. 1 libro 6,203 ex quo arguit (99v B) sic: Aliis204 religiosis, ab istis iam dictorumo r d i n u m 2 0 5 paupertatem tamen uouentibus, cum quelibet uera

194 Cf. GREGORIUS Magnus: Moralia in Iob. Ed. Marcus Adriaen. Turnholti 1979 (CC 143),lib. 10,31 (n. 52) (= 575): „(...) ut simul tunc iudex cum indice ueniat qui nunc consideracioneiudicii sese spontanea paupertate castigat“.

195 HIERONYMUS, Sophronius Eusebius: Epistulae, pars 1. Ed. Isidor Hilberg. Vindobonae1910 (CSEL 54), ep. 52, 15 (= 439).

196 Mt. 21,13.

197 dicit ... et ] OM A; dicit ... specum ] OM E.

198 specum ] speluncam latronum A, speluncam L.

199 Cf. Gen 3,19; HIERONYMUS, Sophronius Eusebius: Commentariorum in Mattheum libri 4.Ed. David Hurst, Marcus Adriaen. Turnholti 1969 (CC 77), 187.

200 BENEDICTI REGULA. Ed. Rudolphus Hanslik. Vindobonae 1977 (CSEL 75), XLVIII,8 (=127).

201 mendicandum ] igitur tercia pars conclusionis etiam uera unumquisque ADD E.

202 religioni ] religiosis A.

203 Cf. VIo 3.17.1, ed. FRIEDBERG 2, 1054s.

204 aliis ] OM A.

205 ordinum ] distinctis ADD A.

150 IX. Edition

religio requirat tria uota, scilicet castitatem, paupertatem et obedienciam, mendicareest illicitum, nec206 a iure concessum ymo inhibitum. Ergo a forciori omnibus aliistam clericis quam laycis est illicitum, cum nullus talium paupertatem uouere207

habeat, uel status eius hoc208 requirat. Ergo etc.Item: Mendicat infelix in plateis clericus et seruili operi mancipatus, publicam5

a quolibet poscit elemosinam. Qui eo magis despicitur a cunctis, quo miser etdesolatus iuste putatur, ad hanc ignominiam deuenisse;209 distinctione 93„Dyaconi“ ultimo. In quibus uerbis expresse reprobatur mendicitas clericorum etper consequens aliorum. Quod patet per Iohannem Andree, Extra, De religiosisdomibus, libro 6, capitulo unico, ubi dicit: Uniuersaliter reprobatur mendicitas10probans per iam dictum decretum; et subdit dicens: Licet paupertas non sit degenere malorum 45210 q. 1 illa in fine.211

Item illis pauperibus danda est elemosina, qui suis manibus laborare nonpossunt;212 distinctione 82 „Generaliter“, ubi dicit Glossa: Pauper enim, quilaborare potest, si se inmiscet elemosine imperatoris, redigitur in seruitutem, ut15capitulo de mendicantibus ualidis l(ex) 1 li(bro) 11213 ‚Non possunt‘,214 et quipotest laborare, non debet ecclesia prouidere (...) ut 5 q. 5 ‚Non omnis‘.215 Etdicit Glossa super Mt.: Quod inscius feceris, si iniuste petentem (246rb M)correxeris, quam si ei dederis.216 Hoc217 in Glossa eiusdem decreti scilicet 82 di.„Generaliter“.21820

206 nec ... illicitum ] OM HOM A.

207 uouere ] fouere M.

208 hoc ] OM B.

209 d. 93 c. 23, ed. FRIEDBERG 1, 326s.

210 45 ] 41 A, 15 B, 3 E L, 29 M.

211 Iohannes ANDREAE, ad „Religionum diuersitatem“ (VIo 3.17.1) (= BONIFATIUS VIII.:Sextus decretalium liber, 502).

212 d. 82 pars 1, ed. FRIEDBERG 1, 289.

213 l(ex) 1 li(bro) 11 ] lex unica li. 5 A, l. 6 E, 12 L, le. 1a li. 5o M.

214 C. 11.26, Corpus Iuris Civilis 2: Codex Iustinianus. Ed. Paul Krüger. Berolini 1884, 435.

215 C. 5 q. 5 c. 2, ed. FRIEDBERG 1, 549s.

216 JOHANNES Teutonicus, ad „Generaliter“ (d. 82 c. 1) (= Decretum Gratiani. Lugduni 1584,394).

217 hoc ... generaliter ] igitur etc. A.

218 Cf. d. 82 pars 1, ed. FRIEDBERG 1, 289.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 151

Item: Integritas membrorum et robur in conferendo elemosinas sunt attendenda li.„In curia“,219 ibidem ubi supra.220 (100r B) Item illi, qui aliter (214r L) haberepossunt, grauiter peccant221 si mendicant, quia unde uicturus pauper erat accipiunt1 q. 2 „Pastor“.222 Item 23 q. 4 „Nimium“: utilius esurienti223 panis tollitur,224 side cibo securus iusticiam negligat, (3v E) quam esurienti panis frangatur, ut5iniusticie seductus acquiescat.225

Item: Nullus clericus absque certo titulo est ordinandus; Extra, De prebendis,capitulo „Episcopus“226 et capitulo „Cum secundum apostolum“.227 Ibi Glossa: Nein obprobrium cleri mendicare cogetur, concordat Iohannes de Lignano228 supereisdem capitulis.10

Item: Beacius est dare quam accipere,229 16 q. 1 „Predicator“230 et Decelebracione231 misse, „Cum Marthe“.232 Item 1 q. 2 „Clericos“: Qui bonisparentum et operibus sustentari possunt, si, quod pauperum est accipiunt,sacrilegium profecto committunt, et per abusionem talium iudicium sibimanducant et bibunt.23315

Item papa Iohannes XXII. in Extrauagante, „Sancta Romana“234 et papaBonifacius IX.235 in Extrauagante, „Bonifacius episcopus seruus“,236 Beghardos etBeginas reprobantes et eorum statum et sectam precipue in eis reprobant

219 li. ] lege E, OM L M. „In curia“ locus non inventus.

220 Locus non inventus.

221 peccant ] mendicant CORR B.

222 Cf. C. 1 q. 2 c. 7, ed. FRIEDBERG 1, 409s.

223 esurienti ] panem CORR B, OM L.

224 tollitur ... panis ] OM HOM L.

225 C. 23 q. 4 c. 37, ed. FRIEDBERG 1, 917.

226 Cf. X 3.5.4, ed. FRIEDBERG 2, 465.

227 Cf. X 3.5.16, ed. FRIEDBERG 2, 469.

228 Locus non inventus .

229 Act. 20,35.

230 C. 16 q. 1 c. 64, ed. FRIEDBERG 1, 782s.

231 celebracione ... Marthe ] celis mistum A.

232 X 3.41.6, ed. FRIEDBERG 2, 636-639. Marthe ] in arte E, Item Hieronimus ad Damasumpapam ADD A.

233 C. 1 q. 2 c. 6, ed. FRIEDBERG 1, 409.

234 Cf. Extrav. Ioann 7.un., ed. FRIEDBERG 2, 1213s.

235 IX. ... Bonifacius ] OM HOM M.

236 Cf. „Sedis apostolice“, ed. FREDERICQ. Tom. 1, 256s., n. 241. seruus ] OM A E L M.

152 IX. Edition

publicam mendicitatem. Igitur conclusionis secunde, tercia pars pro ambabus eiuspartibus uera.237

Cum autem teste beato Augustino in libro suo „Contra mendacium“: Diuinescripture non solum precepta dei contineant, sed et uitam et mores iustorum, ut,si forte occultum est, quemadmodum accipiendum sit quod precipitur, in factis5iustorum intelligatur.238 (32r A) Ideo contra eandem mendicitatem, nunc exemplisiustorum est procedendum, quia tam ex uitis patrum quam ex legendis sanctorummultipliciter inuenimus sanctos corporaliter laborasse, ut uictu et uestitu a nullo(100v B) indigerent et pauperibus subuenirent.239

Reprobatur mendicitas per patres utriusque testamenti10Omnes sancti ueteris et noui testamenti de negociis licitis et bonis propriis uel iuresibi debitis suam uitam transigebant, patriarche peccora pauerunt, manus Ioseph incophino seruierunt. 240 Amos pastor fuit,241 Ioseph uir Marie carpentarius,242

(246va M) apostoli stipendia sibi debita recipiebant dicente domino: Dignus estoperarius243 etc. Maria mater Ihesu colo et acu, secundum Bernardum, sibi et filio15necessaria acquisiuit.244 Beatus Petrus matrem Clementis mendicantem inuenit,quam ideo reprehendit dicens: Quare te huic iniurie subiecisti, ut stipem petas etnon pocius tuis manibus operans cibum queras?245 Libro de miraculisapostolorum246 c. 15 et in legenda (214v L) sancti Clementis;247 Margarethanu t r i c i s sue oues pasceba t ; 2 4 8 Aga tha , 2 4 9 Agnes , 2 5 020

237 uera ] etc. ADD E, Reprobatur mendicitas per utriusque testamenti patres et sanctos ADD L.

238 AUGUSTINUS HIPPONENSIS: De mendacio. Ed. Joseph Zycha. Pragae 1900 (CSEL 41), n.26 (= 446).

239 pauperibus subuenirent ] pauberibus pretendum subuenirent, ideo laborare non valentibus E.

240 Ps. 80,7.

241 Am. 1,1.

242 Mc. 6,3; Mt. 13,55.

243 Mt. 10,10. operarius ] mercenarius L, mercede sua ADD A, E.

244 BHL 5347; Liber de infancia Mariae et Christi Salvatoris ex codice Stuttgartensi. Ed. OskarSCHADE. Halle a. d. Saale 1869, 16.

245 Cf. BHL 1852; IACOPO da Varazze: Legenda Aurea, De sancto Clemente, c. 165, 11891s.

246 Locus non inventus.

247 Clementis ] pape ADD A L M, pape habetur idem ADD E.

248 BHL Nr. 5309; IACOPO da Varazze: Legenda Aurea, De sancta Margaret, c. 89, 616.

249 BHL 133; AA SS Febr. 11, 615-18 et BHL 139; AA SS Febr. 11, 637-43. Agatha ]Agathes SCR B E L M.

250 BHL 156; AA SS Ian. 12, 331-54.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 153

Lucia251 etc. de propriis et sibi debitis uiuebant. Theobaldus genere nobili proconsequenda perfectione omnia dereliquit et exulando uictum suis laboribusquesiuit lapides portando, stabula mundando, carbones parando.252 Verena insacerdotis seruicio deo complacebat.253 Item Elysabeth moderna legitur, quodapprehendens fusum254 uictus querit, usum egens egenis largiens nil sibi retinuit.2555Crispinus et Crispinianus arte sutoria sibi necessaria querebant.256 Cosmas etDamianus medici erant,257 Iuo iurista et aduocatus,258 Seuerus textor,259 Elogiusfaber etc.260

Reprobatur261 mendicitas per uitas patrumSancti patres heremite in artissima paupertate dominum (101r B) sequentes, relictis10omnibus suis, se manibus transigebant.262 Sic enim in uitis patrum legiturAnthonius, adhuc iuuenis, cum in seculo audiret ewangelium: ‚Si uis perfectus esse,uende,263 que habes et da pauperibus.‘264 Statim obtemperans heremum estingressus ibique suis manibus operabatur, sciens esse scriptum: ‚Qui non laboratnon manducet‘.265 Mercedem operis sui precio panis266 excepto egentibus15

251 BHL 4996; IACOPO da Varazze: Legenda Aurea, De sancta Lucia, c. 4, 49-52.

252 BHL 8032; AA SS Iun. 15, 593.

253 BHL 8541; AA SS Sept. 11, 164-67.

254 fusum ] manuum consilio ADD E.

255 BHL 2491b, 2506; HUYSKENS, Albert: Quellenstudien zur Geschichte der hl. Elisabeth.Marburg 1908, appendix: Epistola magistri Cunradi de Marburch ad papam de vita beateElizabet, 157; THEODORICUS de Apolda: Die Vita der heiligen Elisabeth. Ed. Monika Rener.Marburg 1993, 57s.

256 BHL 1990; AA SS Okt. 111, 535.

257 BHL 1970; AA SS Sept. 17, 475.

258 BHL 4622; AA SS Junii 12, 288-91. Iuo ] ymo A, nota L; Iuo ... aduocatus ] OM E.

259 BHL 7683; AA SS Febr. 11, 82, n. 3.

260 La vie de saint Eloque, d'après un manuscrit du XIIIe siècle. Ed. Joseph Barbier. In:Analectes pour servir á l'histoire ecclésiastique de la Belgique, Louvain 5 (1868), 345.

261 Reprobatur ... patrum ] item reprobatur mendicitas per uitas patrum L.

262 transigebant ] transsiebant L, nutriebant M.

263 esse, vende ... pauperibus ] etc. E; vende .... pauperibus ] etc. A M, OM L.

264 Mt. 19,21.

265 2 Th. 3,10.

266 panis ... egentibus ] panis accepto A.

154 IX. Edition

largiebatur. Cibum et uestimentum palma sibi ferebat.267 <Hilarius>268 elemosinaset beneficia declinabat, cuidam pecuniam sibi offerenti dicebat: Qui propriisrenunciaui aliena, quomodo recipiam?269 Rastro fimum fodiens simulque fiscellasiunco270 contexens emulabatur monachorum Egypti disciplinam et apostolisentenciam dicentis: Qui non laborat etc.271 Et quadam uice dum in5peregrinacione sumptus deessent fascem lignorum aptauit et (246vb M) per suumdiscipulum uendendum ne mendicaret transmisit. Similiterque legitur de laboribusMacharii,272 Serapionis,273 Pauli274 et aliorum patrum, quos breuitatis causaobmitto.

Item penitus non inuenitur in scripturis sacris, sanctum aliquem mendicum10fuisse et in ea perseuerasse, exceptis de religionibus predictis.

Pretense275 allogaciones et ficta argumenta mendicitatem defendenciumcum ueris solucionibus eandem mendicitatem276 reprobancium sequuntur(4r E; 215vr L) Validi277 mendicantes hoc sibi licere pretendunt Christi exemplo,15qui mendicabat secundum Bernhardum super ewangelio.278 Cum factus essetIhesus annorum 12 Luc. 2: Ut te domine per omnia nostre paupertaticonformares, quasi (101v B) unus in turba pauperum stipem per hostiamendicabas?279 Admisso illo ad huc tamen impertinens est ista eorum defensio exeo, quia Christus in illo triduo parentum presidio caruit, et puer scilicet inualidus20

267 BHL 609; cf. AA SS Ian. 12, 121s.

268 Hilarius ] Hylaricens A, Hylarion B E L, Hilaria M, ADD DEL sibi B.

269 BHL 3882; AA SS Mai 12, 27s.

270 iunco ] ex iunctis A, iuncto E.

271 2 Th. 3,10.

272 (BHL sine numero); AA SS Ian. 11, 1007.

273 Tyrannius RUFINUS: Historia monachorum siue de uita sanctorum patrum. Ed. Eva Schulz-Flügel. Berolini 1990, XVIII 1 (= 349).

274 Act. 18,3; 1 Cor. 4,12; 9,12-18; 1 Th. 2,9; 2 Th. 3,7-9; BHL 6578; IACOPO da Varazze:Legenda Aurea, De sancto Paulo apostolo, c. 85, 577.

275 pretense ... sequuntur ] OM M.

276 mendicitatem ... sequuntur ] reprobancium A L; reprobancium subiugatum item E.

277 Validi ] unde ualidi A, item ualidi L, M; Bernhard dicit prius: „De hiis omnibus estimare uelconiicere uel opinari aliquid libet, affirmare autem temere nichil licet. Quid dicam, deus meus? Anut te per omnia nostre conformares paupertati“ etc. (AELREDUS Rievallensis: Opera omnia. Ed.Anselm Hoste. Turnholti 1971 (CC cont. med. 1), I,6 (= 254)) GL MARG A.

278 ewangelio ] illud Lc. 2 A E L.

279 Lc. 2,44-46; AELREDUS Rievallensis: Opera omnia. Ed. Anselm Hoste. Turnholti 1971 (CCcont. med. 1), I,6 (= 254).

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 155

ad280 laborandum fuit, et sic neccesitate compulsus stipem recepitur etc.Item nec281 defendit eos exemplum, quod sibi assumunt de Alexio, qui 17

annos in exilio mendicabat.282 Primo ex eo, quia ea, que a iure communi exorbitantad consequenciam non sunt trahenda, regula iuris libro VI.283 Secundo quia inmendicitate non perseuerauit, sed diuina inspiracione plenius edoctus maluit et5elegit uitam suam (32v A) de bonis parentum et sibi debitis pocius, quam de alienistransigere. Ideoque dixit: In domo patris mei ignotus manebo et nulli284 onerosusero.285 Et sic reliquos 12 annos in domo parentum felicius conclusit, ceterasqueuirtutes proficiendo seruauit mendicitatem uero tamquam imperfectionem ueluicium declinauit.10

Tercio excusabilis dici potest familiari sancti spiritus instinctu sicut Abraham deadulterio286 et Sampson de homicidio287 etc. Priuata enim lex publice preiudicatExtra, De regularibus et trans(euntibus), „Licet“.288 Ipsi enim opinantur, quod adconsequendam perfectionem (247ra M) et uirtutes seu beatitudines ewangelicas,quarum prima est paupertas spiritus,289 necessaria sit uoluntaria paupertas,15temporalium rerum siue abdicacio proprietatis earum ad hoc moneri uidentur exuerbis domini,290 que allegant, dicentis: Qui non renunciauerit omnibus etc.291

Item: Si uis perfectus esse etc.292 Cum similibus, ex quibus etiam inferunt, quodhomini taliter affecto293 non expediat neque liceat pro temporalibus sollicitari necde corporali (102r B) labore uel artificio, sed de incerta mendicitate uictum20querere, uel sperare racione pretense sanctitatis, ad quos quidem errores nonu e n i s s e n t , s i s a n u m e t c a t h o l i c u m s e n s u m

280 ad ... recepitur etc. ] ut patet ex textu ewangelii; item aliter dicitur, quod plus creditur bene-dictum hoc dixisse ex deuocione quam ex neccesitate; igitur A.

281 nec defendit eos ] ut hoc A.

282 BHL 291; IACOPO da Varazze: Legenda Aurea, De sancto Alexio, c. 90, 621-626.

283 Dig. 22.6.9, Corpus Iuris civilis 1: Digesta. Ed. Theodor Mommsen. Berolini 1882, 329.

284 nulli ] nullus B.

285 2 Cor. 11,9.

286 Gn. 12,10-20; 20.

287 Idc. 15s.

288 Cf. X 3.31.18, ed. FRIEDBERG 2, 575s.

289 spiritus ... paupertas ] OM HOM L.

290 domini ... dicentis ] dicunt M.

291 Lc. 14,33.

292 Mt. 19,21.

293 affecto ] perfecto A.

156 IX. Edition

haberent earum auctoritatum, secundum Glossam doctorum sanctorum, quasallegant et non secundum Glossas capitis sui. Ideoque ad abolendum tales erroresexposiciones,294 quorundam doctorum ecclesie, a quarum sentencia non est fasdeclinare, super huiusmodi auctoritatibus hic assignantur.

5Exposicio295 auctoritatum, quarundam secundum doctoresPrimo de prohibicione sollicitudinis dicentem domino: Nolite solliciti esse etc.,Matth. 6.296 Respondetur, quod hic non labor, sed sollicitudo superflua297 etnociua prohibetur, non enim omnis sollicitudo a domino interdicitur. (...) Necesseest enim hominem aliqualiter sollicitari de acquirendis et conseruandis10temporalibus (215v L) rebus, (...) quantum sufficit ad simplicem uictum.298 Velsecundum status hominis exigenciam, nec hoc perfectioni repugnat. Huiussentencie est299 assertor Thomas 2a 2e, q. 186 ar(ticulo) 7. Ad idem canon„Habebat dominus loculos“ 12 q. 1.300

Item: Qui non renunciauerit omnibus etc.301 Gregorius: Qui per uitam ueterem15aliena concupiscitis, per noue conuersacionis studium et uestra largimini.302

Item: Beati pauperes spiritu, Mt. 8.303 Augustinus: Pauperes spiritu sunt humileset timentes deum.304

Item dominus in ewangelio: In quamcumque domum intraueritis, ibi maneteedentes et bibentes, que aput illos sunt, dignus est enim operarius305 mercede20sua, et nolite (102v B) transire de domo ad domum; Luc. 10;306 et concordanterMt. 10.307 Ex quibus clare patet error dicencium apostolos uixisse

294 exposiciones ] exponnes SCR B, exponens SCR M.

295 exposicio ... doctores ] OM A E L M.

296 Mt. 6,31 et 34.

297 superflua ... sollicitudo ] OM HOM E M.

298 THOMAS de Aquino: Summa theologiae II-II, q. 188, a. 7 corpus (= tom. 10, 530).

299 est assertor ] assertor est INV A E L M, Gregorius, doctor sanctus ADD A.

300 C. 12 q. 1 c. 17, ed. FRIEDBERG 1, 683.

301 Lc. 14,33.

302 GREGORIUS Magnus: Homilia in Evangelia. Ed. Raymond Étaix. Turnholti 1999 (CC 120),Hom XXXIII (= 278).

303 Mt. 5,3.

304 AUGUSTINUS, Aurelius: De sermone Domini in monte libri 2. Ed. Almut Mutzenbecher.Turnholti 1967 (CC 35), I 1,3 (= 4).

305 operarius ] mercenarius L M, CORR B.

306 Lc. 10,7.

307 Mt. 10,10.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 157

de elemosina, et quod mendicare sit actus308 alicuius (247rb M) perfectionis, etquod uoluntarii mendici sint imitatores apostolorum; ymo patet oppositum esseuerum. Nam uocat eos operarios et uictum eis debitum computat mercedemlaboris et inhibet eis mendicitatem, cum dicit: Ne de domo in domum transeant.309

Et quia ut dictum est: Vocat eos operarios;310 uult, ut panem suum non gratis5comedant.

Item: Nolite portare sacculum neque peram, ibidem scilicet Luc. 10o.311

Glossa: Qui sacculum et peram prohibuit sumptus ex predicacione concessit, nonigitur ex mendicitate.312 Item: Considerate313 lilia agri, Mt. 6o Glossa.314 Illaexempla non prohibent prouidenciam et laborem sed sollicitudinem, ut tota fiducia10sit in deo cum et aues sine cura uiuant; frustra igitur mendicantes premissa allegant.

Item propterea se dicunt operari non debere, quia neque uolucres celiseminant315 neque metunt,316 de quibus dominus similitudinem dedit. Cur ergonon attendunt, quod sequitur, neque congregant in horrea317 – horrea autemrepositoria dici possunt? Cur ergo isti manus ociosas et plena repositoria uolunt15habere? Cur ea, que sumunt ex laboribus aliorum, recondunt et seruant benecottidie?318 Hoc enim uolucres non faciunt. Qua propter isti, qui ex ewangelioperuerse319 intellecto tam manifesta apostolica precepta peruertere (4v E)moliuntur, aut non cogitent in crastinum, sicut (103r B) uolucres et uolatiliaceli,320 aut obtemperent apostolo, sicut filii dilecti ymo utrumque faciant, quia (33r20A) utrumque concordat.

308 actus ] illicitus ADD E.

309 Cf. Lc. 10,7.

310 Cf. Mt. 20,8.

311 Lc. 10,4.

312 BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 4, 141: Tanta predicatori debet esse fiducia in deo, utpresentis uite sumptus et si non preuideat tamen sibi non defecturos certissime sciat, ne dumoccuparet mensa ad temporalia minus predicat eterna.

313 Considerate lilia agri ] consideracio li DUB Augustinus M.

314 Mt. 6,28. BIBLIA LATINA CUM GLOSSA 4, 28: Exhortationem de indumento satis congruoconfirmat exemplo.

315 seminant ... dedit ] etc. A E L M.

316 Cf. Mt. 6,26.

317 Mt. 6,26.

318 bene cottidie ] unde bene proferantur A, bene proferatur E, unde quo bene proferatur L M.

319 peruerse ] pers CORR B.

320 Cf. Mt. 6,26.

158 IX. Edition

Item plures possent fieri responsiones et soluciones ex Augustino, in „De operemonachorum“,321 et alibi et per alia scripta et doctores alios ad eorum pretensas(216r L) argumentaciones et uerbosas euasiones, quibus nituntur mendicitatemfallaciter defendere, et se cum suis sequacibus in baratrum errorum traicere. Sedcausa breuitatis et cauillacionum earundem uilitatem322 predicta sufficiant.5

Ex prenotatis igitur summarie patet, quod auctoritates multe ueteris et nouitestamenti, lex diuina, ius naturale, dicta sanctorum uitaque exemplaris eorum,statuta canonica, lex ciuilis, uita patrum dicta quoque doctorum implicite etexpresse reprobant, prohibent (247va M) et dampnant mendicitatem, solaAugustinensium, Carmelitarum, Predicatorum et Minorum, nec non ad laboran-10dum inualidorum mendicitate excepta.

Ex ista conclusione sequuntur corollaria:<Corollarium> primum:Mendicare siue mendicatis uti non est actus alicuius uirtutis acquisite, uel infuse15loquendo essencialiter et proprie probatur corollarium: Omnis actus uirtuosus estbonus, et per consequens licitus, sed mendicare est actus illicitus. Ergo corollariumuerum tenet consequencia ex forma terminorum sillogistica assumptum pro primaparte, scilicet maior proposicio probatur, quia uirtus est, que habentem perficit etopus eius bonum reddit;323 ethicorum 2o.20

Secunda pars assumpti seu (103v B) minor patet per conclusionem. Diciturautem essencialiter et proprie, quia quamuis ordinibus mendicantibus mendicare, utsupra dictum est, sit actus concessus324 bonus et licitus. Hoc tamen non est exspecie et natura actus, nec simpliciter325 obstat inualidis ad laborandum posse setransigere elemosinis et mendicitate, quia hoc est per accidens, et non ex ui25bonitatis ipsius actus, sed ex ui neccesitatis corporalis.

Corollarium secundum:Paupertas et mendicitas desperate se inuicem respiciunt in logyca,326 quia nec sibiopponuntur proprie, nec se consecuntur in formali consequencia. Patet30

321 Cf. AUGUSTINUS, Aurelius: De opere monachorum. Ed. Joseph Zycha. Pragae 1900 (CSEL41).

322 uilitatem ] utilitatis E, uilitatis L M.

323 ARISTOTELES: Ethica ad Nicomachum, B 5, 1106 a 15-24 (= ARISTOTELES Latinus (Fasc.26,2), Ethica Nicomachea. Ed. Renatus Antonius Gauthier. Leiden 1972, 12, linea 16-25); cf.HAMESSE, Jacqueline: Les auctoritates aristotelis. Un florilège médiéval, étude historique etédition critique. Paris 1974, 235 (37).

324 concessus ] excessiue A.

325 simpliciter ] elemosinam E, similiter M.

326 logyca ] loyca SCR A B M, loica SCR L.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 159

corollarium327 per Iohannem Andree 93328 distinctione „Dyaconi“,329 ultra330 licetpaupertas non sit de genere malorum;331 15 q. 1332 illa in fine, prout333 supra estallegatum. Igitur corollarium uerum.

Corollarium tercium:5Habere diuicias temporales in hoc seculo non repugnat paupertati spiritus, nec eiuspremio in futuro334 patet corollarium ex predictis. Et similiter per beatumAugustinum, qui exponens illud Mt. 5: Beati pauperes spiritu,335 dicit: Pauperesspiritu sunt humiles et deum timentes.336 Stat ergo diuiciis habundantempauperem esse spiritu et econtra mendicum, et nichil in mundo possidentem stat10esse diuitem spiritu et habundantem. Ergo337 corollarium uerum. (216v L)

Conclusio tercia:Nedum Beghardorum et Beginarum ritus, secta, habitus uel uiuendi modus perecclesiam est reprobatus, sed tam illi, quam ille sunt excommunicati. Et eorum15ritus, secte, habitus, uel uiuendi modus uel modi late sentencie censura ab eademecclesia sunt penitus (247vb M) precipitati.

Ista conclusio exprimit duo: Primo Beghardorum et Beginarum racione statusreprobacionem intelligendo per ly status, nomen generale ritum, sectam, (104r B)habitum et uiuendi modum. Secundo exprimit eorundem, scilicet Beghardorum et20Beginarum racione eiusdem status excommunicacionem;338 primum probaturmultipliciter. Primo contra eosdem habetur,3 3 9 De religiosis

327 corollarium ... Andree ] per Iohannem Andree (Iohanni An. L M) De religiosis domibus, lib.6, in Glossa dicente (dicentem E M): Reprobatur mendicitas (3 ADD L, c. 4 ADD M) A E L M.

328 93a ] quam E; 93a ... q. 1 ] OM L M.

329 d. 93 c. 23, ed. FRIEDBERG 1, 326s.

330 ultra ] OM A, ultimo E.

331 malorum ] bona CORR B.

332 q. 1 ] distinctione A.

333 prout ... uerum ] etc. A, OM E.

334 in futuro ... similiter per ] patet per A E L M.

335 Mt. 5,3.

336 AUGUSTINUS, Aurelius: De sermone Domini in monte libri 2. Ed. Almut Mutzenbecher.Turnholti 1967 (CC 35), I 1,3 (= 4).

337 Ergo ] item ut supra illius super Psalmum 12m dicit: unde diuicias possesas habentempossunt pauperes spiritu ambulari, ergo etc. ADD E (locus non inventus), gratia L.

338 excommunicacionem ] ad communicacionem E, excommunicationis M, etc. ADD A.

339 habetur ] Extra A E L M.

160 IX. Edition

domibus, „Ne nimia“.340 Item:341 Extra, De religiosis domibus, „Religionumdiuersitatem nimiam“,342 libro 6, specialiter343 de Beginis.

Item Hostiensis, De penitentii et remissionibus, „Cum ex eo“;344 et infraquestores elemosinarum non hospitentur in locis in congruis,345 super ly „Incongruis“ dicit in sua Glossa: Parcit, quod non dicit prostibulis, sed cauendum5est, quasi a prostibulis sicut sunt hospicia Beginarum, quod est perniciosumgenus mulierum, nec de facili alios, quam religiosos admittunt a quibus modisomnibus est cauendum.346 Hoc Hostiensis in predicta Glossa, quem IohannesAndree in forma iam dicta347 allegat super Clementinis in apparatu suo, Dereligiosis domibus, „Cum de quibusdam“.348 Et addit pro earundem Beginarum10reprobacione uolens cum Hostiensi, quod omnibus modis ab eis sit abstinendum,allegans decreta 18, q. 2 ‚Diffinimus‘349 et c. ‚Perniciosam‘.350 Et subditIohannes Andree ibidem: Alibi etiam nota a Beginis cauendum, De uita ethonestate clericorum, ‚Monasteria‘.351

Item: Extra, De iureiurando, „Etsi Christus“,352 Hostiensis in Glossa secularis15quidam dixit: Quod ex quo consciencia cepit esse peccatum, et deus scitiuramentum et Beginatus religio non fuit bonum tempus.353 Et subdit post pauca

340 ne ... domibus ] OM HOM L. X 3.36.9, ed. FRIEDBERG 2, 607.

341 item ... Beginis ] OM HOM A; item ] secundo contra utrosque L M.

342 VIo 3.17.1, ed. FRIEDBERG 2, 1054s.

343 specialiter ... Beginis ] OM E.

344 Cf. X 5.38.14, ed. FRIEDBERG 2, 888s.; HENRICUS de Segusia Cardinalis Hostiensis: InTertium Decretalium librum commentaria. Venetiis 1581, ad X 5.38.14, super quinto decret,104A, n. 12s.

345 Cf. BONIFATIUS VIII.: Sextus decretalium liber, 201.

346 HENRICUS de Segusia Cardinalis Hostiensis: In Tertium Decretalium librum commentaria.Venetiis 1581, ad X 5.38.14, super quinto decret, 104A, n. 13.

347 dicta ... domibus ] OM E.

348 Cf. Clem. 3.11.1, ed. FRIEDBERG 2, 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed.CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 374).

349 C. 18 q. 2 c. 21, ed. FRIEDBERG 1, 834s.

350 C. 18 q. 2 c. 25, ed. FRIEDBERG 1, 836. Cf. Iohannes ANDREAE, ad „Cum de quibusdam“(Clem. 3.11.1) (= Constitutiones Clementis Pape Quinti una cum apparatu Iohannis Andree.Norimberga 1482).

351 X 3.1.8, ed. FRIEDBERG 2, 450; cf. etiam Iohannes ANDREAE, ad „Cum de quibusdam“(Clem. 3.11.1) (= Constitutiones Clementis Pape Quinti una cum apparatu Iohannis Andree.Norimberga 1482).

352 X 2.24.26, ed. FRIEDBERG 2, 369s.

353 HENRICUS de Segusia Cardinalis Hostiensis: In Tertium Decretalium librum commentaria.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 161

Hostiensis: Ypocrisim nutriunt et uelamenta sunt peccatorum, ut patet 18, q. 2.‚Perniciosam‘354 et capitulo ‚Diffinimus‘.355 (33v A) Hoc356 Hostiensis ibidem; etconcordat Johannes357 Andree in358 Clementinis, De religiosis domibus, „Cum dequibusdam“,359 ut supra.

Item in Clementinis, De hereticis, „Ad nostrum“,360 dicit Johannes Andree in5lectura sui apparatus: Hic dampnat – supple papa Clemens V.361 – sectamBeghardorum et Beginarum (104v B) et octo ipsius secte errores;362 dansintelligere, quod non solum errores earum363 et hereses reprobantur, quod et perantiquum ius sit, sed etiam secta et ritus eorum intelliguntur reprobati. Igiturconclusio uera.10

Item in Clementinis, De religiosis domibus, (5r E) „Cum de quibusdam“ superly „Beginabus“ dicit (217r L) Iohannes Andree: (248ra M) De erroribusBeginarum et Beghardorum alamanie 1, De hereticis, ‚Ad nostrum‘.364

Et Paulus de Leaseris dicit ibidem: Causam dedit huic constitucioniperniciosus status istarum Beginarum.365 Igitur status est reprobatus. Ergo15conclusio pro prima eius parte uera.

Venetiis 1581, ad X 2.24.26, super secundo decret., 134A, n. 17.

354 Cf. C. 18 q. 2 c. 25, ed. FRIEDBERG 1, 836.

355 Cf. C. 18 q. 2 c. 21, ed. FRIEDBERG 1, 834s.

356 hoc ... ibidem ] OM A E L M.

357 Johannes ... dicit ] OM HOM M.

358 in ... supra ] OM A E L.

359 Cf. Clem. 3.11.1, ed. FRIEDBERG 2, 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed.CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 374); cf. Iohannes ANDREAE, ad „Cum dequibusdam“ (Clem. 3.11.1) (= BONIFATIUS VIII.: Sextus decretalium liber, 200-202).

360 Cf. Clem. 5.3.3, ed. FRIEDBERG 2, 1183s. (= Concilium Viennense, decr. 28, ed.CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 383s.).

361 V. ] IIus B.

362 Cf. Iohannes ANDREAE, ad „Ad nostrum“ (Clem. 5.3.3) (= BONIFATIUS VIII.: Sextusdecretalium liber, 248).

363 earum ] eorum A E L M.

364 Cf. Iohannes ANDREAE, ad „Cum de quibusdam“ (Clem. 3.11.1) (= BONIFATIUS VIII.:Sextus decretalium liber, 201), ad „Ad nostrum“ cf. Clem. 5.3.3, ed. FRIEDBERG 2, 1183s. (=Concilium Viennense, decr. 28, ed. CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 383s.).

365 PAULUS de Liazariis, ad „Cum de quibusdam“ (Clem. 3.11.1), in: BIBL. APOST. VAT.,Vat. Lat. 1452, fol. 225v.

162 IX. Edition

Item Wilhelmus de Laudano super uerbo ‚Quamquam habitum, qui Beginarumdicitur deferant‘366 dicit: ‚Habitum‘, id est uestes quasdam brunas etc.367

Item in statutis synodalibus ecclesie Maguntine scribitur sic: Sectam et habitum368

nec non conuenticula Beghardorum suspicione mali non uacua, clamancium per5plateas et uicos ciuitatum et oppidorum et uillarum hoc uulgare ‚Brot durchgot‘, nec non quaslibet alias singularitates a sancta ecclesia non receptascolencium reprobamus et369 in hoc sacro concilio dampnamus.370 Et post paucaconcludit: Idem de Beginis pestiferis duximus statuendum,371 dicit autemepiscopus Maguntinus predictis, quia in precedenti statuto fecit mencionem de10Beginis. Igitur etc.

<Item372 in statutis Treuerensibus capitulo 36, tytulo „De falsisconuersis“, Beghardos se appellantibus, cum quidam sint layci inciuitate, dyocesi et prouincia Treuerensi, qui sub pretextu cuiusdam15ficte religionis Beghardos se appellant, cum tabhardis et tunicislongis et largis cum otio incedentes, ac labores manuum detestantes,conuenticula inter se aliquibus temporibus faciunt et conseruant, sesefingunt coram personis simplicibus expositores sacrarumscripturarum: Nos uitam eorum, qui extra religionem approbatam20ualidi mendicantes discurrunt, merito reprobantes, monemus omnes etsingulos huiusmodi Beghardos, quos etiam a quolibet parrochialipresbytero in sua parrochia moueri uolumus diligenter, ut infraquindenam a premissis desistant, et de laboribus suis uiuant, circalabores, que sicut ceteri homines se exponant. Alioquin ipsos et25quemlibet eorum, quos excommunicamus in hiis scripturis, denunciariin parrochialibus ecclesiis excommunicatos precipimus et mandamussingulis diebus dominicis et festiuis.373 Hoc ibi uide in precedenti

366 deferant ] etc. A, OM E L M. Clem. 3.11.1, ed. FRIEDBERG 2, 1169 (= ConciliumViennense, decr. 16, ed. CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 374).

367 brunas ] „male compositas sub specie agni gerentes lupum“ ADD A (= GULIELMUS deMonte Hauduno). GULIELMUS de Monte Hauduno: Super Clementinis, ad „Cum de quibusdam“(Clem. 3.11.1), in: BIBL. APOST. VAT., Vat. Lat. 2583, fol. 58rb.

368 habitum ] habitus CORR B.

369 et ... dampnamus ] OM HOM E.

370 „Tenor concilii Moguntini contra Beghardos et Beginas brot durch got“. Ed.PATSCHOVSKY, Straßburg, 142 (Appendix 1); MOSHEIM, De Beghardis, 203s.

371 Cf. n. 370.

372 Item ... mundum ] OM B E L M.

373 BLATTAU, Iohannes Iacobus: Statuta synodalia, ordinationes et mandata Archidioecesis

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 163

capitulo excommunicationem falsorum apostolorum discurencium permundum.>

Secunda pars conclusionis tercie, que dicit: Statum374 Beghardorum et Beginarumnec non et ipsos375 racione status esse excommunicatos, probatur.5

Primo in Clementinis, De religiosis domibus, „Cum de quibusdam“, ubi dicit papaClemens V.:376 Statum earundem – supple Beginarum – sacro approbante concilioperpetuo prohibendum (105r B) duximus, et a dei ecclesia penitus abolendum.Eisdem et aliis mulieribus, quibuscumque sub excommunicacionis pena, quam in10contrarium facientes incurrere uolumus ipso facto, iniungentes expresse, nestatum huiusmodi, dudum forte ab ipsis assumptum, quo quomodo sectenturulterius, uel ipsum aliquatenus de nouo assumant.377 Cum ergo dicat papa „ipsofacto“, patet sentenciam esse latam, quod et Iohannes Andree testatur dicens supereodem uerbo „ipso facto“: Ex quo papa sibi uel alteri non reseruat, absoluat15ordinarius, De sentencia excommunicacionis, ‚Nuper‘.378 Ex quo utique sequitur:Si Begine sunt absoluende, quod fuerunt ligate. Et ergo dicit Wilhelmus deLauduno super eodem uerbo in suo apparatu: Iste est sextus casus, in quo quisexcommunicacionis sentenciam379 ipso facto incurrit.380 Nec obstat, quod insequenti § dicitur sane per (248rb M) predicta prohibere381 non intendimus, quin si20fuerunt fideles alique mulieres etc. Non enim ibi papa facit aliquam excepcionem,cum non uocet eas plus Beginas, quas utique aboleuit ab ecclesia dei per predictamconstitucionem, sed uult, si essent alique mulieres, scilicet uirgines, innupte382 ueluidue, quod uidetur a simili patere ex Glossa Iohannis Andree,383 seu apparatusupra in eodem capitulo super ly „mulieribus“, ubi dicit in isto termino:25

Trevirensis. Tom. 1, Augustae Trevirorum 1844, 93s.

374 statum ... nec non et ] OM A E L M.

375 ipsos ] ipsas M.

376 V. ] 2us B.

377 Cf. Clem. 3.11.1, ed. FRIEDBERG 2, 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed.CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 374).

378 Iohannes ANDREAE, ad „Cum de quibusdam“ (Clem. 3.11.1) (= BONIFATIUS VIII.: Sextusdecretalium liber, 201). Ad „Nuper“ cf. X 5.39.29, ed. FRIEDBERG 2, 900s.

379 sentenciam ] summam A B L M ut GULIELMUS de Monte Hauduno.

380 GULIELMUS de Monte Hauduno: Super Clementinis, ad „Cum de quibusdam“ (Clem.3.11.1), in: BIBL. APOST. VAT., Vat. Lat. 2583, fol. 58va.

381 prohibere ... mulieres ] OM A E L M.

382 innupte ] nupte A E L M.

383 Andree ] pape, seu ... quod iste OM E; seu ... uiduas ] OM A L M.

164 IX. Edition

‚Mulieribus‘ comprehendi uirgines, innuptas et uiduas;384 quod iste (34r A)mulieres continencia promissa uel non promissa possent in suis conuersari hospiciispenitenciam agendo et385 uirtutibus domino seruiendo. (217v L) Permittit enimstatum penitencialem, prius autem aboleuit statum Beginalem. Igitur etc.

Item in Clementinis, De hereticis, „Ad nostrum“,386 sentencia excommuni-5cacionis fulminatur non solum contra errores illos (105v B) octo, cum omnishereticus per se secundum antiqua iura sit excommunicatus,387 sed etiam ferriuidetur in Beghardos et Beginas, nam dicitur in textu: Nos approbante conciliosectam ipsam cum premissis erroribus dampnamus.388 Ubi Iohannes Andree superuerbo „secta“ dicit: Secta scribitur per ‚c‘ et non per ‚p‘ et dicitur a seco secas,10et est proprie habitus animorum et propositum in malo circa falsam disciplinam,unde tales dicuntur secti, id est seperati et diuisi389 ab unitate fidei390 etecclesie.391 Quia ergo392 Beghardi et Begine in contemptum clauium contraprohibiciones sacrorum canonum nouum religionis seu conformem habitum, proutdicit Bonifacius IX. in sua reuocatoria,393 assumere presumunt, igitur ab obediencia15ecclesie se diuidunt. Ergo secti a secta merito dicuntur, et per consequens percensuram ecclesiasticam in predicto capitulo „Ad nostrum“394 fulminantur. Etconfirmatur per Iohannem Andree statim in accessu eius ad idem capitulum inapparatu suo, ubi dicit: Sicut395 et supra allegatum fuit, hic dampnat sectamBeghardorum et Beginarum et octo ipsius errores.396 Ecce, quomodo non solum20

384 Iohannes ANDREAE, ad „Cum de quibusdam“ (Clem. 3.11.1) (= BONIFATIUS VIII.: Sextusdecretalium liber, 201).

385 et ... seruiendo ] OM A.

386 Cf. Clem. 5.3.3, ed. FRIEDBERG 2, 1183s. (= Concilium Viennense, decr. 28, ed.CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 383s.).

387 excommunicatus ] utique Extra, De sentencia excommunicacionis, „Nouerit“ (X 5.39.49,FRIEDBERG 2, 910) ADD E.

388 Clem. 5.3.3, ed. FRIEDBERG 2, 1183s. (= Concilium Viennense, decr. 28, ed.CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 383s.).

389 et diuisi ] OM L M.

390 fidei et ] OM L M.

391 Iohannes ANDREAE, ad „Ad nostrum“ (Clem. 5.3.3) (= BONIFATIUS VIII.: Sextusdecretalium liber, 248).

392 ergo ... Begine ] OM L M.

393 Cf. „Sedis apostolice“, ed. FREDERICQ. Tom. 1, 256s., n. 241.

394 Cf. Clem. 5.3.3, ed. FRIEDBERG 2, 1183s. (= Concilium Viennense, decr. 28, ed.CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 383s.).

395 sicut ... fuit ] OM A E L M.

396 Iohannes ANDREAE, ad „Ad nostrum“ (Clem. 5.3.3) (= BONIFATIUS VIII.: Sextus

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 165

istos octo errores hereticos dampnat, sed et sectam, et si sectam, cur non ritum etmodum et statum, cum prius expresse sentenciam tulerit contra statum Beginarumsupra „Cum de quibusdam“,397 De religiosis domibus, ubi tamen nichil deerroribus illis dixit, et tamen Beghardi non sint minoris culpe.398 Sequitur (248va

M) propositum, scilicet quod conclusio pro secunda eius parte sit uera.5

Item Iohannes XXII. in Extrauagante „Sancta Romana Ecclesia“, Beghardorumsectam, ritum et statum crudeliter per censuram ecclesiasticam non ferendam, sedlatam dampnatur, excommunicat episcopos insuper et alios ipsorum Beghardorumprelatos, qui eis uel aliis (106r B) ritum uiuendi et habitum supra dictos preter10specialem sedis apostolice auctoritatem deinceps concederent;399 eodem gladioexcommunicacionis scilicet sentencia ferit.

Item400 probatur ista conclusio pro eius secunda parte per SummamSummarum iuris parte secundam li. 5, De casibus excommunicacionis, ubiBeginarum excommunicacionem ponit pro casu 62.40115

Item probatur (5v E) conclusio per dominum Bonifacium IX. in suareuocatoria,402 qui cassatis omnibus Beghardorum et Beginarum exempcionibus etconcessionibus a se et a suis predecessoribus eis qualitercumque collatis, sicut pateteandem reuocatoriam intuenti,403 precipitat404 eos in iuris sentenciam communis,sed per hoc ius sunt excommunicati. Igitur conclusio uera.20

Item Beginas esse excommunicatas seu excommunicacionis gladio fore percussaslate sentencie iaculo patet expresse (218r L) per magistrum Bartholomeum dePisis,405 qui in Summa sua primo tractans de casibus excommunicacionis Clemen-tinarum, sextum casum de Beginis dicens in hec uerba: Sextus casus est25

decretalium liber, 248).

397 Cf. Clem. 3.11.1, ed. FRIEDBERG 2, 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed.CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 374).

398 culpe ] quam Begine ADD A E L M.

399 Extrav. Ioann. XXII 7.un., ed. FRIEDBERG 2, 1214.

400 item ... 62 ] OM HOM A.

401 Locus non inventus.

402 Cf. „Sedis apostolice“, ed. FREDERICQ. Tom. 1, 256s., n. 241.

403 intuenti ] et per consequens ADD A E L M.

404 precipitat ... hoc ius ] OM A.

405 Locus non inventus.

166 IX. Edition

de quibusdam mulieribus, que dicuntur communiter Begine similiter et religiosi, quieas in tali statu fouent, ut De religiosis domibus, „Cum de quibusdam“.406

Item idem in eadem Summa „Religio“,407 primo capitulo, si iterum earumexcommunicacionem protestans dicit: Erant autem quedam alie,408 que dicebanturBegine, assumentes ritum, habitum, nulli promittentes obedienciam, nec5renunciantes propriis, nec habentes regulam, licet religiosis quibusdam adhereant.Iste Begine et omnes assumentes statum earum et religiosi, qui fouent eas in statuBeginali,409 sunt excommunicati ut supra 1410 c. 4 B. 5.

Item episcopi Argentinenses Iohannes, Lampertus, Fridericus in suis executoriis10processibus contra Beginas,411 expresse (106v B) asserunt eas per constitucionesiuris communis fore excommunicatas (248vb M) et absolucione indigere, quas etpromittunt se easdem inpensuros412 si ad obedienciam ecclesie redire uelint,413

patent hec eosdem processus legenti. Igitur conclusio uera; hec sufficiant pro terciaconclusione.15

Corollarium primum: doctores de Heydelberga414

Beghardorum et Beginarum secta in Christi fidelium communione nullatenus estsustinenda; hoc corollarium non indiget probacione, cum sequatur apertissime exprobata eius conclusione.20

406 Cf. Clem. 3.11.1, ed. FRIEDBERG 2, 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed.CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 374).

407 Locus non inventus.

408 alie ] a longe Alimannie A.

409 Beginali ] beginaii SCR B, beginagii L.

410 1 ... 5 ] excommunicacio primo conclusione 4 uero etc. A E, excommunicacio 1 § 4 ubi 5 LM.

411 Cf. PATSCHOVSKY, Straßburg, 115s., n. 151; 127-161, appendix 1-9; 171-175, appendix14.

412 inpensuros ] in censuros A, impensuros L, inpensuras E M.

413 uelint ] noluerint A, uoluerint E L M.

414 doctores de Heydelberga ] OM A E L M.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 167

Corollarium secundum:Beghardi et Begine asserentes racione mendicitatis spontanee sine racione aliarumcerimoniarum fictarum se esse conformes uite Christi, et aliis laycis perfectiores(34v A) arguendi, sunt tamquam nugaces erronei et temerarii mulieres et uiri.Probatur corollarium415 per locum ab oppositis. Nam ipsi sunt aliis mulieribus et5uiris etiam laycis a uita Christi distanciores et eidem domino Ihesu Christodifformiores, quia ipsi in quantum tales sunt reprobati ymo et excommunicati. Sednullus laycus ut talis est excommunicatus. Ergo corollarium uerum. Et confirmaturconformitas nostra416 ad Christum. Requirit uitam et statum sibi esse conformes,sed neutrum illorum competit istis, nam ipsi propter statum et cum statu sunt10reprobati, ut patet ex precedentibus. Status enim eorum separat eos a sponso, quiaseparat eos a sponsa, id est ab ecclesia. Nec opera ista materialia orare, ieiunare,uigilare, castum esse faciunt nos conformes Christo per obedienciam ecclesie (107r

B) non formalizata. Una pica posset assuefieri, ut oraret et casta permaneret. Nonenim deus remunerator est hominum nominum uel417 uerborum, sed aduerbiorum.15Igitur etc.

Corollarium tercium:Beghardi et Begine uniuersaliter (218v L) nec cibo spirituali, id est sacramentis, neccorporali, id est alimentis, citra necessitatis articulum sunt confortandi aliqualiter.20Quamuis hoc corollarium sit notum ex predictis ex eo, quod sunt excommunicati,probatur tamen racione et auctoritate. Alienum peccatum contrahitur, quandooccasio delinquendi prestatur. Sed qui tales potat et cibat, uel quod ius auxilium eisprestat, eas in sua pertinacia prolongat. Igitur etc. Consequencia (249ra M) nota418

et similiter secunda pars assumpti, sed prima pars probatur 12, q. 1 „Nolo“.41925Item420 mendicare est eis, ut probatum est, illicitum. Ideo elemosinarum munus estiuste eis subtrahendum. Assumptum est tercia conclusio consequencia probatur 82d i . „ G e n e r a l i t e r “ 4 2 1 i n G l o s s a , u b i

415 corollarium ] OM A L M; corollarium ... locum ] OM E.

416 nostra ] OM A, nostri B.

417 uel ] et A E L M.

418 nota ] de tercia regula GL M.

419 C. 12 q. 1 c. 10, ed. FRIEDBERG 1, 679s.

420 item ... igitur etc. ] OM A L M; ergo hec de tercia conclusione sufficiant E.

421 Cf. d. 82 pars 1, ed. FRIEDBERG 1, 289.

168 IX. Edition

dicitur. Dicit Glossa super Mt. originaliter scilicet, quod iuscius feceris, si iniustepetentem correxeris, quam si ei422 dederis;423 sicut supra allegatum fuit. Igitur etc.

Conclusio quarta:Quamuis regula fratrum Minorum tercia,424 penitencium uocata, admittatur, ut5approbata degentes, tamen ex utroque sexu sub ea non religiosi, sed laycinuncupandi sunt in sancta ecclesia.

Primo probatur ista conclusio per ipsam regulam, in qua continetur, quoddebeant frequentare ecclesias parrochiales. Similiter canit425 regulam de sororibuspregnantibus,426 et (107v B) in427 pluribus similibus eadem regula probat sibi10subiectos non religiosos fore, sed laycos. Igitur conclusio uera.

Item Iohannes Andree in Clementinis, De religiosis domibus, „Cum dequibusdam“428 in Glossa uocat regulam istam quemdam modum uiuendi,429 in quonon promittuntur tria uota substancialia; et per consequens sunt layci. Et infra: Desentencia excommunicacionis, „Cum ex eo“,430 dicit idem Iohannes Andree in15apparatu sic: Iste tercius – ordo supple equiuoce – etiam pro uiuentibus inconiugio maribus et feminis inuentus est et habent professi proprium in singulariet pocius est modus uiuendi, quam proprie dicatur regula: est431 tamenapprobata per Nicolaum IV. et hoc constat.432 Cum ergo non sit proprie regula,sed uiuendi modus, cumque possunt habere propria nec non et matrimonio uti,20

422 ei ] eis CORR B.

423 JOHANNES TEUTONICUS, ad „Generaliter“ (d. 82 c. 1) (= Decretum Gratiani. Lugduni1584, 394).

424 Regula Nicolai IV.: „Supra montem“, 1289 Aug. 18. Ed. i.a. MEERSSEMAN, Gilles Gerard:Dossier de l'ordre de la Pénitence aux XIIIe siècle (Spicilegium Friburgense 7). Fribourg 1961,75, n. 50.

425 canit ... de ] dicit A; canit regulam ] dicit E M, dicitur L.

426 pregnantibus ] impregnantibus L, inpregnantibus M.

427 in ] IT B.

428 Cf. Clem. 3.11.1, ed. FRIEDBERG 2, 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed.CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 374).

429 Cf. Iohannes ANDREAE, ad „Cum de quibusdam“ (Clem. 3.11.1) (= ConstitutionesClementis Pape Quinti una cum apparatu Iohannis Andree. Norimbergae 1482) ad„obedienciam“: (...) Et per hoc uidetur quod hec constitutio sorores minorum que dicuntur terciiordinis non includat: cum ille promittant obedianciam et habent regula, non proprie quo ad triasubstancialiam sed quedam modum uiuendi per se. ap. approbatum (...).

430 Clem. 5.10.3, ed. FRIEDBERG 2, 1192.

431 est ... matrimonio uti ] unde A E L M.

432 Cf. Iohannes ANDREAE, ad „Cum ex eo“ (Clem. 5.10.3) (= BONIFATIUS VIII.: Sextusdecretalium liber, 284).

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 169

sequitur quod sunt layci.Item dicit Iohannes Andree consequenter:433 Non promittunt continenciam,

ymo uiuunt in coniugio, ut predixi, tamen et secundum modum ipsis datum certisdiebus qualibet septimana abstinent (6r E) a thoro. Igitur sunt layci.

Item: Si sentencia interdicti proferatur in populum, clerus non est5interdictus;434 Extra, De sentencia excommunicacionis, c. „Si sentencia“,435 libro6. Sed436 interdicto populo etiam illi de tercio ordine a diuinis excluduntur; Extra,De sentencia excommunicacionis, c. „Cum ex eo“437 in Clementinis. Igitur suntlayci et de populo, non de clero nec per consequens religiosi nec conuersi.Appellacione enim cleri non solum intelliguntur promoti ad ordines, sed etiam10religiosi et religiose, conuersi et conuerse, (108r B) qui ita ad ecclesiam sunttranslati, quod de populo proprie dici non possunt. Et hii omnes gaudent priuilegioclericali, non autem illi de tercio ordine, quare etiam nec percuciens eos incidit incanonem.

Item Iohannes de Lignano super eadem Clementina dicit (249rb M) aperte,15quod isti de tercio ordine sancti Francisci ‚non sunt clerici neque religiosi,‘438

quare concludo, quod ipsi nec in personis nec in rebus gaudent priuilegioclericali, (219r L) et sic sunt sine lege sicut locuste, unde iudicabo eos ut nudosomni priuilegio clericali, quasi de nouo egressos de utero matris sue.439

Item concordat Laudan(ensis). Igitur440 sunt layci, quod fuit probandum. Multa20plura possunt fieri pro conclusione argumenta; sed quia regula tercia441 fatetur etexplicite subiectos sibi esse laycos, ut supra dictum est de inpregnatis, ideosufficiant ista.

433 consequenter ] OM E L M; consequenter non ] ibidem A.

434 Cf. Iohannes ANDREAE, ad „Cum ex eo“ (Clem. 5.10.3) (= BONIFATIUS VIII.: Sextusdecretalium liber, 284).

435 Cf. VIo 5.11.16, ed. FRIEDBERG 2, 1104.

436 Sed ] ADD ergo DUB B.

437 Clem. 5.10.3, ed. FRIEDBERG 2, 1192.

438 non sunt ... religiosi ] Iohannes ANDREAE, ad „Cum ex eo“ (Clem. 5.10.3) (= BONIFATIUS

VIII.: Sextus decretalium liber, 284).

439 non sunt .... matris ] JOHANNES de Lignano, ad „Cum ex eo“ (Clem. 5.10.3), in: BIBL.APOST. VAT., Ms. Chigi E VIII 241, fol. 140rb.

440 Igitur ... ista ] igitur etc. Sequitur igitur semper quod sunt layci A, ergo sunt layci E, igitursunt layci L M.

441 tercia ] DUB B.

170 IX. Edition

Corollarium primum:Status regule subiectorum, regule tercie, non est ordo, nisi equiuoce probatur442

corollarium, hoc per conclusionem, quia sunt layci, igitur etc. Sed quia ius et eiusdoctores appellant sepe regulam ipsam tercium ordinem, ideo notandum est, quodisti termini religio et ordo interdum sunt synonima. Sicut443 cum dicitur, quattuor5sunt ordines mendicantes, id est religiones. Et sic notum est, quod regula tercia nonfacit ordinem, quia non facit religionem, quandoque autem capitur communius etequiuoce. Et444 sic capitur hic in corollario et ubicumque445 uocatur tercius ordo,nec ponit suos extra metam laycorum.

Ideo dicit Wilhelmus de Laudano, ideo ille446 ordo tercius ponitur, (108v B)10per quem omnis incertitudo (35r A) et imperfectio denotatur;447 super448

Clementina, „Cum ex eo“,449 De sentencia excommunicacionis. Conceditur ergo,quod regula tercia sit ordo, id est quedam approbata ordinacio, sed450 hoc estequiuoce.451 Sic familia domus et scolares in scolis faciunt ordinem, etperegrinantes faciunt452 comites, fratres et sorores. Prima autem et secundam15Francisci regule faciunt ordinem. Uniuoce et proprie et conformiter, sub hiis regulisdegentes uocantur uere fratres et sorores.

Corollarium secundum:Tercie regule subiecti nec prouenientibus ecclesiasticis nec anniuersariis nec20elemosinis debent uti, cum non sunt religiosi sed layci. Ultima pars corollarii exsuperioribus nota est, probat ceteras eius partes, quia cum layci non debent talibus,sed laboribus suis uti, quia layci non debent uiuere de patrimonio crucifixi sed453

clerici, ut ex superioribus colligitur. Igitur corollarium uerum.

442 probatur ... conclusionem ] patet A E L M.

443 Sicut ] ut A E L M.

444 et ... corollario ] sicut hic A L M, sic hic E.

445 ubicumque ] regula ADD A L M, ita ADD E.

446 ille ] illo B.

447 GULIELMUS de Monte Hauduno: Super Clementinis, ad „Cum ex eo“ (Clem. 5.10.3), in:BIBL. APOST. VAT., Vat. Lat. 2583, fol. 80vb.

448 super ... excommunicationis ] OM A E L M.

449 Clem. 5.10.3, ed. FRIEDBERG 2, 1192.

450 sed ... equiuoce ] OM E.

451 equiuoce ] terminos equiuocare A L M.

452 faciunt ] uocant suos A E L M.

453 sed ... uerum ] igitur etc. de tercia regula A, OM E L M.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 171

Corollarium tercium:Viri et mulieres, sub tercia regula degentes, statum, habitum et uiuendi modumBeghardorum uel Beginarum tenentes, non obstante regulam454 eadem suntreprobati, et per censuram late sentencie a sancta ecclesia repulsi. Istud corollariumprimo (249va M) probatur per omnia argumenta et media excommunicacionem5Beghardorum et Beginarum probancia, quia, ut dictum est, layci sunt. Et in hacparte suffragatur eis regula, in aliquo cum talis habitus, status et uiuendi modus. Inregula ipsis non sit concessus, sicut etiam manifeste clamat dominus IohannesXXII. in Extrauagante „Ecclesia Sancta Romana“, ubi notat455 reprobatumstatum, habitum et ritum Beghardorum (109r B) et Beginarum, (219v L) talem10licenciam racione regule sibi usurpantes, quorum excusacionem friuolam affirmat,sic dicens: Nonnulli etiam asserentes se esse de tercio ordine sancti Francisci,penitencium uocato, predictum statum et ritum eorum sub uelamine talis nominissatagunt palliare, cum456 tamen in regula ipsius eius ordinis talis uiuendi ritusnullatenus sit concessus.457 Hec ille.15

Item Iohannes de Lignano allegans predictam, scilicet quomodo sub uelaminenominis tercie regule satagunt suos errores palliare. Super Clementina, „Cum dequibusdam“458 dicit sic: Hic – scilicet a sentencia excommunicacionis – ibidem latenon excluduntur sorores de tercia regula, que fuit approbata per dominumNycolaum IV.,459 ut manifestat dominus Iohannes XXII. per suas patentes20litteras.460

Sed Iohannes Andree461 uidetur uelle contrarium super eodem capitulo, sedconcordancia est facilis. Sorores enim de tercia regula in quantum tales nonincluduntur in excommunicacione huius Clementine, cum habent regulamapprobatam. Et hoc notat Iohannes Andree. Sed uiuendi ritum et habitum,25Beginis462 reprobatum, sectantur, ideo non excluduntur ab ista excommunicacione,sed sunt excommunicate. Et hoc notat Iohannes de Lignano. Et est ratio, quia nec

454 regulam ] regula E.

455 ubi notat ] sic uacat plures de tercia regula participare A, plures de tercia regula participareADD E L M.

456 cum ] non A.

457 Extr. Joann. 7.un., ed. FRIEDBERG 2, 1213.

458 Cf. Clem. 3.11.1, ed. FRIEDBERG 2, 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed.CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 374).

459 Cf. n. 424.

460 JOHANNES de Lignano, ad „Cum de quibusdam“ (Clem. 3.11.1), in: BIBL. APOST. VAT.,Ms. Chigi E VIII 241, fol. 114rb.

461 Cf. Iohannes ANDREAE, ad „Cum de quibusdam“ (Clem. 3.11.1) (= BONIFATIUS VIII.:Sextus decretalium liber, 201).

462 Beginis ] in aliis Beghardis A, in aliis Beginis E L M.

172 IX. Edition

talis habitus nec uiuendi modus in ipsarum regula inuenitur. Et hoc expresseponitur dicens Iohannes papa XXII. in sua constitucione „Sancta Romana“,463

sicut464 et supra dictum est. Item ex eo, quia quilibet incidit in excommunica-cionem, qui in crimine dampnato participat criminoso, Extra, De sentenciaexcommunicacionis, „Nuper“465 (109v B) et capitulo „Si concubine“.4665

Item iste de tercia regula conueniunt cum aliis Beginis in nomine, cum tam ille,quam iste uulgariter sorores, swestriones, Begine et aliis similibus et eisdem (6v E)nominibus nuncupantur. (249vb M) Inspicitur enim elocucio uulgi,467 ut notatIohannes Andree super uerbo „uulgariter“ in eadem Clementina „Cum dequibusdam“.468 Et hec pro corollario isto probando sufficiant pro nunc.10

Ex istis omnibus conclusionibus precedentibus, scilicet de mendicitate, de statuBeghardorum et Beginarum et de tercia regula, infertur corollarium,469 quod littereapostolice pro statu Beghardorum et Beginarum tollerando470 impetrate uidenturfuisse surrepticie, ex eo, quod in eis de mendicitate ac aliis eorum (220r L) ritibus a15iure reprobatis ueritas est suppressa, qua expressa tales littere non fuissent obtente.

Explicit471 materia fratris Iohannis de Mulberg ordinis predicatorum contraBeghardos,472 Beginas, Lollhardos et Swestriones.

20

463 Cf. Extr. Joann. 7.un., ed. FRIEDBERG 2, 1213.

464 sicut ... est ] OM A.

465 Cf. X 5.39.29, ed. FRIEDBERG 2, 900s.

466 Cf. X 5.39.55, ed. FRIEDBERG 2, 912.

467 Iohannes ANDREAE, ad „Cum de quibusdam“ (Clem. 3.11.1) (= BONIFATIUS VIII.: Sextusdecretalium liber, 201).

468 Cf. Clem. 3.11.1, ed. FRIEDBERG 2, 1169 (= Concilium Viennense, decr. 16, ed.CONCILIORUM OECUMENICORUM DECRETA, 374).

469 corollarium ] corollarie B.

470 tollerando ] ante reuocatoriam dominum Bonifacii (dominum E) IX. ADD A E L M.

471 explicit ... swestriones ] OM A E L.

472 Beghardos ... Swestriones ] Beginas et Beghardos super reprobacione status eorundem M.

1. Schriften zum Basler Beginenstreit 173

1.6. Postskript

Überlieferung:Aarau Kantonsbibl., Cod. Wett. F 26:4 fol. 35r/v (= A)

(35r) Nos, Nycolaus de Ianwer et Wasmodus de Honberg sacre theologie,Iohannes de Noet et Nicolaus de Bechenber, iuris canonici professores,conclusiones scilicet secundam, que incipt: „Licet de patrimonio crucifixi uiuere“etc.;473 et terciam, que incipit: „Nedum uere Beghardorum et Beginarum ritus“etc.;474 et quartam, que incipit: „Quamuis regula fratrum Minorum“ etc.;475 nobisper reuerendum magistrum Heynricum de Reynueldia, sacre theologieprofessorem (35v) ordinis predicatorum exhibitas, credimus probabiliter positas etut ueras posse defendi.

473 Cf. p. 141.

474 Cf. p. 159.

475 Cf. p. 168.

174 IX. Edition

1.7. Fragment der sog. „Wucherpedigt“

Überlieferung:Basel UB, C V 36, fol. 78v (= C)

5Anno domini Mccccx uel circa uenerabili domino fratri Iohanni Mulberg de ordinePredicatorum famoso et egregio predicatori, qui sua predicacione multum fructumfecit in populo pro tunc predicante in Basilea ciuitate obiectus fuit ei iste articulus,quod ipsum predicauerit, scilicet quod omnis contractus reempcionum sit usurariuset illicitus et quidquid ultra sortem recipitur sit usura.10

Responsio eiusdem fratris Johannis Mulberg ad eundem articulum per scripturammanus proprie in hec uerba: Ex quo secundum beatum Augustinum non dimittiturpeccatum nisi restituatur ablatum.476 Ideo pro zelo salutis animarum dixipredicando laycis de triplici empcionum contractu, quod temporaliter soleret emi15redditus. Quidam enim emuntur ad tempus perpetuum, quidam ad tempus uite,quidam uero ad tempus477 reempcionis. De primis et secundis contractibus dixiquod liciti essent sine dolo et fraude et communiter apud deum secundum omnesstare possent; de terciis autem puta de reempcionibus dixi quod eo modo quo talescontractus iam communiter solent fieri quod apud deum et in foro consciencie ut20timerem non essent contractus empcionis uel reempcionis dicendi sed contractuspignoris uel mutui et per consequens mali; tum quia spes lucri fecit usurarium inmutuo, tum quia contractus uicinatur478 dolo, tum quia diminuta quantitas preciipresumit contractum dolo et fraude fore circumuentum. Ideo tales nuncupateempciones uidentur esse illicite et in foro anime abiciende. Contractus autem25reempcionum bene circumstancionatos nec intendo nec intendebam esse illicitosuel usurarios.

476 AUGUSTINUS, Aurelius: Epistulae. Ed. Alois Goldbacher. Vindobonae 1904 (CSEL 44), ep.153 (= 419).

477 tempus ] tempore C.

478 uicinatur ex ] SCR C.

2. Bericht über Mulbergs Sterben

2.1. Überlieferung und Textgestaltung

Über die letzten Tage im Leben Johannes Mulbergs, sein Sterben und dasanschließende Begräbnis berichtet ein detaillierter Brief seines Mitbruders KonradSchlatter. Er verfaßte diesen Brief auf Wunsch von Mulbergs Schwester, ElßMulberg, und sandte ihn an die Schwestern von Schönensteinbach. Dieser Brief istin NüRNBERG STADTBIBL., Cod. Cent. VII, 20 (Sigel N) überliefert. Dabei handeltes sich um eine Sammelhandschrift, die im Katharinenkloster in Nürberg nach1444 entstanden ist und neben Gebeten und Predigten hauptsächlichBriefabschriften umfaßt.479 Dieser Band enthält neben einem Brief des observantenDominikaners Johannes Niders, vermutlich an die Schwestern vonSchönensteinbach (fol. 105v-111v), auch einen Brief Johannes Mulbergs anSchwestern (fol. 120r-128r). Konrad Schlatters Bericht über den Tod Mulbergs (fol.169r-179v) folgt ein Brief des Dominikaners Johannes von Mainz, ebenfalls an dieSchwestern von Schönensteinbach, aus dem Jahr 1444 (fol. 180r-189r).

Die Edition folgt im wesentlichen der Handschrift. Aus Gründen der leichterenLesbarkeit wurden jedoch einige Änderungen im Text vorgenommen, die nichteigens bezeichnet sind. So wurden u/v und i/j nach vokalischem undkonsonantischem Lautwert dissimiliert. Die Schreibung ih mit dem Lautwert j(Ihesus) wurde als j wiedergegeben. Abkürzungen wurden, wenn eindeutig,stillschweigend aufgelöst, ebenso wurden die zahlreichen Korrekturen in derHandschrift stillschweigend übernommen.

Spitze Klammern kennzeichnen Ergänzungen, die abweichend von derHandschrift beigefügt wurden. Satzanfänge und Eigennamen wurden groß, alleanderen Wörter konsequent klein geschrieben. Es wurde eine an modernen Regelnorientierte Interpunktion eingeführt und der Text wurde in Abschnitte gegliedert.

479 Vgl. DIE HANDSCHRIFTEN DER STADTBIBLIOTHEK NüRNBERG. Wiesbaden 1965ff., bisher3 Bde., hier Bd. 1, S. 285-294; KAEPPELI, Scriptores 1, S. 287f.

176 IX. Edition

2.2. Brief von Konrad Schlatter

Überlieferung:Stadtbibl. Nürnberg, Cod. Cent. VII, 20, fol. 169r-179v (= N)

5(169r) In Christo Jesu mein gepet.Wirdigen geistlichen frowen! Ich, der da ist gesin von der genaden gotz einunwirdiger schuler und kneht dez heilligen, wirdigen und geistlichen vaters prudersJohans von Mulberg seligen, lan euch wissen, daz mich dy demutige und betrubtejunckfrow Elß480 von Mulberg, meins wirdigen herren seligen swester, hat10gepeten, daz ich üwer groß gotlicher begirde und demudikeit etwas welleverschriben von meinem gerehten und götforchtigen herren und geistlichen vaterpruder Johans Mulperg.

Dor umb zu dem ersten sond ir wißen, daz ez ym und mir alweg ist wol gegangen15wff den weg hin in zevarn und auch in welischen landen. Wir stunden (169v) ineinen closter eürs ordens, do poten ym pede, ir oberster, der provintzial, und dypruder gemeinlich, so groß zuht und ere, daz ich ez nit geschriben kan. Dorumb sogan ich fürpaß ze schriben von seinem minyclichen leben und selligen sterben,wann sein sterben nit anders ist gesin, den alz auch sein rein leben waß. Ich getrüw20auch, daz er vor weste, daz sein dot ym nach wer, und daz mag ich wol zihen usssynner rede und auch ws seinem sunderlichen strengen, herten leben, daz erbesunder hat geubet, alz wir von Basel zugen untz an sein ende.

Ich han auch vil sunderlicher guter ubung und götlicher werken von (170r) ymgesehen, dy ich nun zemal nit wol kan geschriben. Ir sond ouch wißen, so ich ym25gedaht der bredige und ich meint, ez wer weger, daz wir werren ezwa in tewtzelanden, daz er mochte bredien, do antwort er mir also und sprach: „Ich getraw,daz ünßer here Jesus Christus ditz ding hat verhenget umb mein aller pestes, wannich han lang gebrediet den leüten, ich sol auch nu mir selber bredien und michgentzlich zu got keren, wann got hat mir zites genung geben, und mich hindert nu30von gotz genaden nüt.“ Er sprach auch dick zu mir: „Wissest, Kunrad, daz michnüt me gelustet ze leren noch ze studiren den allein, daz ich mich gäntzlich (170v)zu got mochte keren und von der unreinen, posen welt ziehen, wan ünser leben indirre zit ist und weret kaum drie tag gegen der ewigen selikeit“. Auch sein gotlichbegird waß so gar enpflammet und enzuntet und sunderlichen me den auff ander35zeit, wie er sich gäntzlich nit alz die anfahenden leute, me alz die volkumen möchtzu got keren. Er hat sich auch gentzlich got gelaßen, und daz merckt ich gar an vilstücken, daz nun ze lang wer ze schriben.

480 Elß ] elsche am Rand eingefügt N.

2. Bericht über Mulbergs Sterben 177

Und er wart auch wol zwirent in wellischen landen gar kranck, daz er alz gantzvon got uffnam, und bat got dik in seinem we, daz er seinen gotlichen willen wolan ym volpreht. Nu alz wir in tutsche land (171r) kumen481 waren yn die stat zeArban, dy da gelegen ist ob Costentz drey mil, do wir wol dry tag in der statwaren gesin, da wolt got seinen sunderlichen getrewen diner gesehen mit einem5we, daz da heiset die rure. Do beliben wir in der selben stat noch da wol acht tag.Da fugte ez sich, daz ünßer kardenal nit me wolt in der vorgenanten stat beleiben,und zugen gen Überlingen. Der kardenal und mein seliger herre mit den andernprelaten zugen auff dem wasser, aber ich und die andern kneht zugen durchCostentz ze ross, alzo daz wir ze ross e ze Überlingen waren den sy ze waßer. Nun10da sy ze lande komen, da waren wir auch da, und also half yeclicher dem seinemuss dem schiff. Und mein lieber herr seit mir, daz ez ym wol ergangen waß yn482

dem schiffe, der sichtagen hät ynn483 nit getrenget. (171v) Und also giengen erund ich mit ein ander in die herberg, und der kardenal kam nach üns über ein kleinweil. Und also beliben wir alle pey ein ander zwu näht.15

Dar nach pat der kardenal den rat von Überlingen, daz sy ym etwe versehenumb ein haus oder umb ein kloster, da er mocht gesein mit merer rwe und mitmynern kosten. Da ging der rat zu den484 parfussen und pat sy von dez küngeswegen, daz sy den kardenal mit allem seinen volk wolten herbergen. Die parfussenwurden ze rat und hiessen den kardenal mit seinem volk komen in ir kloster. Und20also gingen wir all mit ein ander yn daz closter, und da gab der kardenal meinemherren und mir ein sunderlich zelle.

Und also ging mein lieber herre noch da wol zwen tag über dez kardenals tisch,aber er (172r) mocht gar wenig speise prauchen. Dar nach an dem driten tag dabeleib er in der zelle an dem pette wol vir tag, die lag er ze pette. Und waß wol X25tag gegangen mit dem sichtagen, e er sych485 leyte. Und also verschid er auff santNycolaus abend nach der complet zit.486 Wissent auch, daz er den487 sichtagen undsin we gantz von got auff nam, und sprach dick zu mir, ich sölte got gröslichdancken. Er hat sich got gäntzlich gelasen in allen dingen, alz er wol kond. Ermocht auch nyman wol liden in der zelle, er sprach, sy hinderten in an gutten30dingen. Ich fragt auch dick, ob ich seiner swester schriben sölt, daz sy zu ym kom.Do sprach er: „Wiltu mein huld behan, so lug, daz du ir nit schribest noch enpitest;ich wölt nit, daz sy pey mir wer.“ (172v)

481 kumen ] kumem N.

482 yn ] ym N.

483 ynn ] ym N; ym nit getrenget ] ym nit getan korrigiert N.

484 den ] dem N.

485 sych ] sy N.

486 5. Dezember 1414.

487 den ] dem N.

178 IX. Edition

Ir sond auch wißen, daz der kardenal und der patryarch dick zu meinem herrenseligen in dy zelle komen, in zesehen. Und zu einenn mal kam der kardenal alleinzu meinen getrwen herren seligen und grust meinen herren und mecht sich nitüber han, er umbvieng und kuste in an seinen mund, do er noch den in dem pettelag. Und da rette der kardenal mit meinem lieben herrren gar gute wort in latyne,5und unter andern worten sprach er zu ym: „Lieber vater von Mulperg, ir söllendein gut gemut han und got wol getrwen.“ Und dez geleich ret er vil mit ym. Undmein geduldiger hërre selig der liß den kardenal (173r) voll reden488 und sprach,alz sant Paulus sprichet: „Nymis est avarus, cui non sufficit Iesus Christus.“489 Dazspricht ze teütsch: „Der mensch der ist ze vil geitig, den da nit genungk ist Jesus10Christus“ oder „der da nit ein gantz benungung hat an Christo Jesu,“ recht alz ober sprech: „Ich han Jesum Christum, dar umb wil ich ein gantz benugung han inallen dingen, wann alle ding in ym beslossen sind.“ Er rett auch noch vil anderguter und götlicher wort in seinem geliger, dy ich nu ze mal nit mag geschriben.

Wißent, er lebete nit lang da nach, do sasß ich allein vil truriclichen py minem15wol lidenden herren und wermet (173v) ym sein wirdig fusß. Do lag er alwegendgekert mit490 dem antlütz gegen der want, alz auch sant Augustinus sin antluz hattgekert gegen der want in seinen totpett, umb daz er sich dester paß möcht zu gotkerren und von der welt zihen. Und also lag auch mein seliger herr und ruftalwegent got heimlichen an, daz er im ze hilf kome. Do dunckt mich über ein20kleine weil, wie er sich wölte richten und schicken zu dem tot. Do sprach ich zuim: „Myn lieber herr, wollent ir it, oder sol ich ymant zu mir ruffen?“ Do spracher zu mir: „O Cunrat, furchtest du dich aber? Furcht dich nit, ker dich zu got und(174r) sorge nit, wann ich betrahte yezunden von der heilligen kristenheit.“ Unddez geleich rett er vil mit mir, daz ich allez unterwegen laße durch der kürtz willen.25

Nu vernemt furpas, alz mein götlicher seliger herr mynniclichen verschidenwas, da besorgeten wir im einen sarch und leiten in mit großem leid und bitterkeitin den sarch mit allem recht und zugehorde, alz zu eim prediger horen sol. Und doward ze rat der kardenal mit seinen491 prelaten, daz er nit wolt verhengen, dazmein lieber herr selig yenant wurde begraben denn da, do man den gewaren pabst30Gregorium hielte, dem (174v) er so getrwlich hat nach gevolget und in dez dinster auch gestorben waß und der hei l l igen kr is tenhei t .

488 reden ] rede N.

489 Vgl. 1 Tim 6,6-8.

490 mit ] wiederholt N.

491 seinen ] seinem N.

2. Bericht über Mulbergs Sterben 179

Und da dingten wir ein karren, und gab mir der kardenal noch einen492 anderngesellen zu, und also ritten wir VI tag, eb wir kamen gen Mulprunen, do mynlieber herre selig solt rwen und begraben werden. Nw wissend, alz wir warenkomen zu dem closter gen Mulbrunnen, da koment dy pruder gemeinclich gegenuns und enpfingen den wirdigen lib mit großer wirdigkeit und götlicher freud und5auch mit geistlicher und leiplicher trurikeit; wan sy warend frölich, daz unser herreJesus Christus (175r) inen den seligen leichnam zu hat gefugt, sy warend auch zemal trurig, daz daz gut exempel sins reines lebens und sein mynnicliche und seingerechte lere sölt so493 mängem menschen werden unterzogen494.

Dar nach do begruben und bestatgeten sy mein lieben herren seligen, reht alz10wer er einer von den grosten unter inen gesein. Und die pesten, dy ienand unterinen waren, ir fir dy trugent inn dem crutze nach zu dem grab an ein wirdige stat,alz sy ienant in dem crützgang ist, da die pesten und die wirdigsten ir prudrenligen. Und da sy zu dem grab komen, do stundent sy pey dem grab, piß daz ervergraben ward, mit singen und lesen, als gewönlich ist und gehört zu den toten.15Sy sungen vigilige (175v) und selmes und begingend sein begrebt mit fir kertzen.Und nach der messe leit sich der abt selber an und ging mit seinem stab und seinenprudern gemeinlich uber daz grab; und der abt sprenget selber und laß auch dycollecten, dy dar zu gehorend.

Der abt sprach auch zu mir, daz er wölt ein newen stein heissen machen uber20sein grab und dor auff hawen sein namen und waz dor zu gehort. Und daz ist auchgeschehen, alz er mir auch sider har hatt geseit. Dorumb, wirdigen geistlichenfrawen, sider daz ez nu nüt anders mag gesein, und wir auch alle sterben mußen,so sond wir doch sunderlichen got dancken und loben, daz der almehtig got (176r)unßern wirdigen vatter einen guten anvang und ein pesser mitel und ein aller25pestes ende hat gegeben und daz er seinen selligen lieb nach seinen dot so gar anein wirdige stat hat geordent an allez myns herren seligen zutun, wenn er sych inseinem geliger mit semlichen dingen nüt bekumert.

Nun wirdigen, seligen frawen, ir mügend wol zu einem teil han verstanden in den30vorgeschriben dingen, wie ez meinem gerrechten herren seligen ist gegangen uffdem wege hin in ze faren und auch in welischen landen; zu dem andern mal, wieez nu umb in ervaren ist, und sunderlich, wie sein wirdiger leip so (176v)garwirdiclichen von den lieben und demutigen prudern ist enpfangen worden undauch begraben und bestatget. Dor umb daz ir mir dester paz gelaubend diser35dingen, so schick ich euch vil sinnen ze teutsche einez priefes, den dy demutigenherren und pruder dem kardenal pey mir schickten, do ich von ynnen scheidenwolt, in welhem prief sy gröslichen danckten dem kardenal <der> wirdigen,

492 einen ] einem N.

493 so ] lo N.

494 unterzogen ] untzogen N.

180 IX. Edition

myniclichen und seligen gabe, die er inen durch dy ordenunge dez heilligen geistesgeschikt hatt. Und spricht der prief in teutsch alsus:

„Mit eim aller dymutigesten enpfelhen myn und auch myns gantzen (177r)coventz in unßerm herren Jesu Christo bevor. Aller wirdigester vater, wissent, daz5ich an dem XI. tag dez manentz, der da heisset december alder winter monet, mitgroßer wirdigkeit, alz ez auch zimlichen waß, enpfangen han den leip dez heilligenmans herrn Johans von Mulberg, dez uns, alz wir getrwen, usser der ordenung dezheilligen geistes und mit ewrem prief und botschaft geschickt ist. Wölte got, dazwir den leip dez heilligen mans mit sölcher wirdikeit hetten enpfangen, alz er auch10wol wirdig wer gesin. Und wisent, daz ich zu der virden stund nach mitten tag densarch mit seinen (177v) heiligen495 lip enpfalch der cristenlichen begrebte, und dazwissent für war, daz wir daz uff genomen hand für ein große fröwd und für eingeistlich trostung, alz ir üns auch verschriben hant. Und auch ist ez üns einsunderliche fröwd, daz wir den, den wir in syme leben in got liep hatten und dez15gegenwurtikeit wir selten hant gehaben, daz wir den iegnot von der genaden gotzmit ewr vetterlichen fursihtikeit lieplichen hant. Wir getrawen auch ze haben denkünftigen tag seiner urstend, auch hand wir ein gantz zuversiht, daz er durch dyhertigkeit seines lebens (178r) von seiner heillikeit wegen iezendan sige ingegangen <in> den götlichen gewalt gottez, und auch dy himelischen fröwd und20getrwen, daz er sige vor der angesiht gotes ünns ein trostung und ein496 ergetzungfür ünser heile, und getrawen auch, daz er iezendan gentzlicher erberbe mit seinemgepet umb got ein heillikeit der heilligen cristenheit, umb welhe cristenheit, dy wiler noch den lebt, <er> groß und sunderlich arbeit hat gehaben. Wir getrwen auch,daz er in die hertzen, alz ünßers heilligen vatters, dez bapst Gregorius, und der25andern teillen, alz der küngen, der prelaten und andern fürsten, werde gissen underberben von got, daz in ir hertzen (178v) gegossen wirt ein wisse und ein weg,daz sy dester e ze friden und über ein këmen umb ein hellikeit der heilligencristenheit.“

30Nu in dem selben prief gat ein ander synn nach den vorgeschriben synnen undworten, dy ich unter wegen laß und nüt schribe in disem gegenwürtigen brief, wensy nit zu disen synnen gehörent und auch ze vil wurde. Dorumb nach den497

vorgeschriben498 synnen dez vorgenanten priefs gat nach die conclusio und diebeslisung dez selben priefs, in weller conclusio und beslisung der abt mit syme35gantzen covent sich gentzlich enpfilt der vetterlichen wirdikeit dez kardenals und

495 heiligen ] seiligen N.

496 ein ] wiederholt N.

497 den ] dem N.

498 vorgeschriben ] vorgesriben N.

2. Bericht über Mulbergs Sterben 181

dancket auch dem kardenal mit sunderlicher (179r) dankberkeitt umb die großen,wirdigen gabe und umb den vorgenanten leip des heiligen mans her Johans vonMulberg, der do dem abt ward geschikt, das er den seligen leip enpfienge für einsunderlich kleinot und für ein geistliche freüde. Und da mit hatt auch der selbe brifein ende, und wart der selbe brif gegeben ze Mulbrunnen in dem closter an sant5Lucien tag, der heiligen junckfrawen, in dem jor, do man zalt von gottes gepurt MCCCC XIIII jar.499

Hie hat ein ende der brif, den der erber (179v) her Cunrad Schlater sant denswestren ze Steinpach von des seligen vaters bruder Johans von Mulberg seligem10tod, wand er was da ze mal sein getrewer schuler.

499 13. Dezember 1414.

Abkürzungsverzeichnis

Verwandt wurden die üblichen Abkürzungen, wie sie z.B. in der TRE, Abkür-zungsverzeichnis, aufgelistet sind. Daneben bedeutet:

AASS Acta Sanctorum

ACC Acta Concilii Constanciensis

ADB Allgemeine Deutsche Biographie

AFH Archivum Franciscanum Historicum

AFP Archivum Fratrum Praedicatorum

AHP Archivum Historiae Pontificiae

AHVN Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein

AKG Archiv für Kulturgeschichte

BHL Bibliotheca hagiographica latina antiquae et mediae aetatis

AÖG Archiv für österreichische Geschichte

BOP Bullarium Ordinis Fratrum Praedicatorum

BZGA Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde

CC Corpus Christianorum

Conc. Oecumen.

Decreta Conciliorum Oecumenicorum Decreta

DA Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters

DDC Dictionnaire de droit canonique

Dict. spir. Dictionnaire de Spiritualité

FDA Freiburger Diözesan-Archiv

HistJb. Historisches Jahrbuch

Hist. Wb. Philos. Historisches Wörterbuch der Philosophie

HRG Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte

HS Helvetia Sacra

HZ Historische Zeitschrift

IASL Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur

LMA Lexikon des Mittelalters

LThK Lexikon für Theologie und Kirche

184 Abkürzungsverzeichnis

MGH Monumenta Germaniae Historica

MOPH Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum Historica

MPI Max-Planck-Institut

NDB Neue Deutsche Biographie

NdsJb Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte

PL Patrologiae cursus completus, series Latina

QF Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens inDeutschland

REC Regesta episcoporum Constantiensium

Rep. Ger. Repertorium Germanicum

RottJbKG Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte

RQ Römische Quartalschrift für christliche Alterthumskunde und fürKirchengeschichte

TRE Theologische Realenzyklopädie

VL Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon

ZfdA Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur

ZGO Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins

ZHF Zeitschrift für historische Forschung

ZKG Zeitschrift für Kirchengeschichte

ZRG KA Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, KanonistischeAbteilung

ZSKG Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte

Verzeichnis der ungedruckten Quellen

Aarau, KantonsbibliothekWett. F. 26:4

Wett. F. 26:6

Basel, Staatsarchiv des Kantons Basel-StadtMissiven A 1

Klosterarchiv Kartause

Klosterarchiv Maria Magdalena

Klosterarchiv Prediger

Klosterarchiv St. Peter

Basel, UniversitätsbibliothekA IV 14

A VI 1

A VI 28

A VIII 7

A VIII 41

A IX 21

A X 102

A XI 55

A λ II 14

C V 36

E I 1i

E I 1k

E III 13

F.L. VI 1

186 Verzeichnis der ungedruckten Quellen

Berlin, Staatsbibliothekmgo 570

mgq 149

Colmar, StadtbibliothekHs. 474 (alt: 29)

Esslingen, Kirchenbibl. St. DionysHs. 12 (VI, 14)

Leipzig, Universitätsbibliothek1549

München, Bayerische StaatsbibliothekClm. 14265

Nürnberg, Stadtbibliothekcent. VII, 20

cent. VII, 79

St. Gallen, Stiftsbibliothek1915

Stuttgart, Württembergische Landesbibliothekbibl. 2o 35

Rom, Città del Vaticano, Archivio Segreto VaticanoVat. Lat. 1452

Vat. Lat. 2583

Vat. Reg. 337

Ms. Chigi E VIII 241

Würzburg, UniversitätsbibliothekM. ch. f. 20

Verzeichnis der gedruckten Quellenund Literatur

Hier wurden nur diejenigen Titel aufgenommen, die für die Arbeit von maßgeb-licher Bedeutung waren und deshalb in der Regel mehrfach zitiert wurden. Titel,die nur selten benutzt wurden, sind am betreffenden Ort mit allen biblio-graphischen Angaben genannt, benutzte Abkürzungen finden sich im Abkürzungs-verzeichnis.

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ACTA SANCTORUM. Hrsg. v. d. Bollandisten. Seit 1634 Bd. 1-60, 3. Aufl. Paris 1863-1870.

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DICTIONNAIRE DE SPIRITUALITé, ASCéTIQUE ET MYSTIQUE, DOCTRINE ET HISTOIRE. Begr. v.Marcel Viller u.a., hrsg. v. Alain Derville u.a. 16 Bde. u. 1 Indexbd., Paris 1937-1995.

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WILLIAMS-KRAPP, Werner: Observanzbewegungen, monastische Spiritualität und geistlicheLiteratur im 15. Jahrhundert. In: IASL 20 (1995), S. 1-15.

WILTS, Andreas: Beginen im Bodenseeraum. Sigmaringen 1994.

WURSTISEN, Christian: Baßler Chronick. Basel 1580, verb. u. erw. Aufl. Bd. 1, Basel 1765;Bd. 2 Basel 1772.

Register

Aachen 94

Aarau 85

Abraham 155

Adam von Gladbach 37f.

Adelheid Mulberg 5f.

Adelshausen 15n.

Agatha Hl. 152

Agnes Hl. 152

Albert von Ötisheim 95

Albrecht Blarer 63f., 85

Albrecht I. König 77

Albrecht III. Herzog von Österreich 78f.

Alexander V. 64f.

Alexander von Köln 25

Alexius 155

Ambrosius 107, 110, 114n.

Amos 152

Anna de Constantia 42n.

Antonin von Florenz 33n.

Arbon 92, 94, 177f.

Aristoteles 110, 158n.

Athanasius 137

Augsburg 72

Augustinus 95n., 102, 107, 110, 113,114n., 138, 144, 148, 152-159, 174

Baden im Aargau 86

Bartholomäus Texerius 31, 33, 49n.

Bartholomeus Brixiensis 109n.

Bartholomeus de Pisis 109, 165

Basel 8, 27, 33, 39-89

Basilius 114n.

Beda Venerabilis 110f., 143, 148

Benedikt von Nursia 111, 149

Benedikt XIII. 64, 93

Bern 14, 17, 31, 33, 83, 86-89

Bernhard Gui 16n.

Bernhard von Clairvaux 114n.

Bernhardus de Botone Parmensis 108f.

Berthold von Regensburg 107n.

Bertschin Mulberg 6n.

Bürgi Mulberg 6

Biberach 85

Birgitta Hl. 12

Bologna 8, 15n.

Bonifaz VIII. 50, 104, 108, 110

Bonifaz IX. 9n., 13, 17f., 23, 26-36, 50f.,78, 92, 151, 164f.

Bremgarten 85

Buda 15n.

Burkhard Gelsdorf von Rottweil 116

Cerretanus 93

Clara Roetin 76n.

Claus Murer 71

Clemens Hl. 152

Clemens V. 108, 163

Colmar 5, 8, 17, 19-27, 30f., 33f., 38n.,48, 79, 99n.

Cosmas Hl. 153

Crispinianus Hl. 153

Crispinus Hl. 153

198 Register

Damianus Hl. 153

Dietrich von Delft 31n.

Dietrich von Wald 19n., 30

Dominikus 22, 33

Elisabeth Berchen 21

Elisabeth von Thüringen 102, 153

Elogius Hl. 153

Elsche Mulberg 94

Elsi Mulberg 6n.

Elß Mulberg 6, 91, 175f.

Engeltal 31n., 79

England 18

Felix Hemmerlin 100n., 115

Ferrara 20, 21n., 35

Frankfurt a.M. 15n., 29, 36, 39n., 40n.

Franz von Retz 25

Franziskus 64, 105f.

Frauenaurach 31n.

Freiburg im Uechtland 83, 87-89

Friedehelmus de Mulberg 8n.

Friedrich II. von Blankenheim29n., 88

Friedrich IV. Herzog vonÖsterreich 78f.

Giovanni Dominici siehe JohannesDominici

Görlitz 7

Gottfried von Mengen 25

Gregor der Große 107, 110, 111, 149

Gregor XII. 6, 51, 62-64, 72, 79,92-95, 156, 179f.

Guilelmus de Monte Hauduno / Lauduno105, 108, 162f., 169f.

Günther Marschalk 69, 77

Habsburg 46, 77

Hachberg siehe Hachberg-Rötteln, Otto,Rudolf

Hachberg-Rötteln Markgraf 59, 62, 80, 85

Hans Ludman von Rotberg 67-71, 77

Hartman von Münchenstein 63

Heidelberg 56, 89, 114, 166

Heinrich von Bitterfeld 13n.

Heinrich von Gent 74, 126f.

Heinrich von Langenstein 75

Heinrich von Rheinfelden 49, 58, 61,75, 173

Heinrich von Segusio siehe Henricus deSegusio

Heinrich von Oyta 75

Henman Buochpart 68f., 71

Henman Fröweler von Erenfels 67-71, 77

Henmann Offenburg 69

Henricus de Segusio 109, 160f.

Hermann Scholl 76n.

Hermannsberg 85

Hieronymus von Prag 57

Hieronymus 102, 107, 110, 111, 114n.,143n., 145, 149

Hilarius Hl. 154

Hildesheim 40n.

Hostiensis siehe Henricus de Segusio

Hrabanus Maurus 114n.

Hugo von St. Viktor 114n.

Humbert von Neuenburg 29n., 30,52-65, 114

Iacopo da Varazze siehe Jacobus deVoragine

Innozenz VII. 51, 57-62, 80

Irland 18

Italien 18, 33, 91, 94

Ivo Hl. 153

Orts- und Namensregister 199

Jacobus de Voragine 112, 152-155

Jacopino da Udine 64

Jakob Begarde 54

Jakob von Böhmen 24, 25

Jakob von Subinago 58, 60

Jakob Zibol 67

Johann Schönbentz 85n.

Johann von Münster 86

Johann von Windesdorf 83

Johannes Andreae 103-110, 150-172

Johannes Arnoldi 25

Johannes Contarini 92-94

Johannes de Lignano 105-108, 169-171

Johannes Dominici 13n., 18, 22f., 33-35,92-96, 103n.

Johannes Dotzheim 73, 127

Johannes Grütsch 107n.

Johannes Inlasser 60

Johannes Leonis 55, 59, 87

Johannes Meyer 15-34, 118

Johannes Mülich 22f., 28

Johannes (de) Mulberg 7

Johannes Münch 87

Johannes Nider 5, 8, 16n., 23, 28, 32,49n., 115f., 175

Johannes Pastoris 47f., 58, 61-65, 69,73, 99n.

Johannes Schönbentz 84, 86

Johannes Sundersdorf 86

Johannes Teutonicus 103, 109, 150n.

Johannes van der Noyt 57n., 58, 173

Johannes von Baden 30n.

Johannes von Jenstein 8

Johannes von Mainz 12n., 16n., 175

Johannes von Noet siehe Johannesvan der Noyt

Johannes von Witten 21, 23, 30

Johannes Werner Fröweler 54

Johannes Wiler 69, 71

Johannes XXII. 83, 105, 151, 165, 171

Johannes XXIII. 65

Joseph Hl. 136, 152

Katharina Mulberg 5f.

Katharina von Burgund 29f., 68, 78

Kleinbasel 67, 83

Köln 9n., 19, 27, 31n., 37-42, 57, 72

Königsfelden 77

Konrad Hoffmann 19n.

Konrad Schlatter 2, 91-96, 176-181

Konrad von Asti 30

Konrad von Megenberg 113

Konrad von Preussen 9n., 13-36

Konrad von Soest 58n.

Konrad von Soltau 58n.

Konstanz 14, 31f., 39, 49n., 64, 72,81-89, 92f.

Landolfo Marramauro 64

Lausanne 87

Leo der Große 113, 136

Leopold III. Herzog von Österreich 78

Leopold IV. Herzog von Österreich 29, 78

Lucia Hl. 153

Ludman von Rotberg siehe Hans Ludmanvon Rotberg

Macharius Hl. 154

Mainz 19, 40n., 72, 83, 88f., 113f.

Marbach 99n.

Margaretha Hl. 152

Maria Hl. 135f., 152

Markus Aichenloch 86-89

Marquard von Randegg 55, 83-86

Martinus de Mulberch 8n.

Mattäus von Krakau 57n.

200 Register

Maulbronn 95, 96, 179f.

Maulburg 6n.

Meißen 7

Mühlberg bei Auerbach 7

Mühlberg bei Schwarzenberg 7

Mühlberg im Ortenaukreis 6n.

Mulberch siehe Mulberg

Mulberg siehe auch Adelheid, Bertschin,Bürgin, Elsi, Elß, Elsch, Friedehelmus,Johannes, Katharina, Martinus,Schumacher

Narcissus Pfister 20n.

Neunkirch 84

Nikolaus Böckeler 30n., 36

Nikolaus Burgmann 57n.

Nikolaus de Gubin 7

Nikolaus Gerung 96

Nikolaus Magni von Jauer 57, 173

Nikolaus Prowin 58n.

Nikolaus von Basel 54

Nikolaus von Bettenberg 57n., 58, 173

Nikolaus von Lyra 111, 143

Nikolaus von Vessenheim 22

Nikolaus IV. Papst 168

Nürnberg 21f., 24n., 26-29, 31, 39, 117n.

Odo Colonna 52, 58-64

Offenburg 71

Origenes 136

Oswald Egglin 58, 61

Otto II. von Hachberg 85

Paris 8, 57, 74

Paulus de Liazariis 108, 161

Peter von Laufen 25n.

Peter zem Angen 67f., 77

Petrus Chrysologus 113, 136

Petrus Chysostomus 114n.

Petrus Engerlin 19n., 24, 36-38

Petrus Florin 24, 27f.

Pisa 64, 78

Possidius 95n.

Prag 6-8, 57

Raimund von Capua 8, 10-37, 49, 92

Ravensburg 85

Rheineck 93

Rimini 92

Rom 61-64, 72, 86

Rothaus 79

Rothenburg ob der Tauber 88

Rudolf Buchsmann 47-59, 76, 89, 133f.

Rudolf von Hachberg-Rötteln 85n.

Rudolf von Vessenheim 19n., 26

Ruprecht König 64

Rusticus Mönch 111

Sampson 155

Saxonia 7, 22, 27

Schauenburg 79

Scherer siehe Selige Schererin

Schönensteinbach 10n., 16n., 21n., 26-31,35, 78, 91

Schuhmacher Mulberg 6

Selige Schererin 45n.

Sempach 78

Seraphinus Hl. 154

Severus Hl. 153

Sigismund König 64, 93f.

Sixtus IV. 33

Speyer 24f.

Straßburg 31n., 39-42, 49, 64, 72, 83-89,113, 116f., 166

Sundersdorf 86

Orts- und Namensregister 201

Tertullian 100n.

Teutonia 10n., 13-38, 78

Theobaldus Hl. 153

Thierstein Graf 68

Thomas von Aquin 102f., 110-114,145f., 156

Thomas von Firmo 22, 34, 46n.

Thomas von Preußen 19n.

Tommaso da Firmo siehe Thomas vonFirmo

Tommaso da Siena 46n.

Trier 113

Überlingen 83, 92-95, 177f.

Ulm 27

Ulrich Löselin 25

Ulrich Theobaldi 19-38, 49

Ulrich Umbtuer 24

Urban VI. 78

Ursula Schalerin 76n.

Utrecht 22

Venedig 18

Verena Hl. 153

Verona 15n.

Vienne 40, 56, 84, 104

Vinzenz Ferrer 73n.

Vinzenz Nydek 7

Viterbo 60

Volmar von Jettingen 69, 77

Waldshut 84

Wasmod von Homberg 57, 114, 125, 173

Wien 13, 15f., 19, 22n., 27, 31, 57, 75, 77

Wilhelmus de Laudano siehe Guilelmus deMonte Lauduno

Worms 36

Würzburg 25f., 38