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Wirtschaftspsychologie I. 2007 • 9. Jahrgang I. 2007 - 9. Jahrgang - ISSN 1615-7729 Pabst Science Publishers Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen Herausgeber: Gian-Claudio Gentile, Theo Wehner

INHALT 3 Editorial: "Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen

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I. 2007 - 9. Jahrgang - ISSN 1615-7729

Pabst Science Publishers

Bürgerschaftliches Engagement vonUnternehmenHerausgeber: Gian-Claudio Gentile, Theo Wehner

titelseite.qxd 22.03.2007 13:08 Seite 1

Herausgeber:PROF. DR. LORENZ FISCHER, Köln

PROF. DR. ECKHARD GROS, Wiesbaden

PROF. DR. THEO WEHNER, Zürich

Wissenschaftlicher Beirat:Prof. Dr. Eva Bamberg, HamburgDr. Frank Belschak, AmsterdamProf. Dr. Egon Endres, MünchenProf. Dr. Ullrich Günther, LüneburgDr. Gabriele Jacobs, RotterdamPD Dr. Ingela Jöns, MannheimProf. Dr. Uwe Kleinbeck, DortmundProf. Dr. Heinz Schüpbach, FreiburgProf. Dr. Alexander Thomas, RegensburgProf. Dr. Karl Westhoff, DresdenProf. Dr. Günter Wiswede, KölnProf. Dr. Erich H. Witte, HamburgProf. Dr. Manfred Zielke, Mönkeberg

Chefredaktion:Prof. Dr. Theo WehnerETH ZürichZentrum für Organisations- und Arbeitswissenschaften Kreuzplatz 5, CH-8092 ZürichTel.: ++41-44-632-7088Fax: ++41-44-632-1186E-Mail: [email protected]

WOLFGANG PABST

PABST SCIENCE PUBLISHERS

Eichengrund 28, D-49525 LengerichTelefon 05484-308, Telefax 05484-550E-Mail: [email protected] Internet: www.pabst-publishers.deKonto-Nr.: 0709772403BLZ: 26580070

Erscheinungsweise: 4x jährlichEinzelpreis: 12,50 EuroJahresabonnement: 45,- Euro (incl. MwSt undVersand)Anzeigenpreisliste: Nr. 2 ist gültig

Herstellung: DCDruck: KM Druck, D-64823 Groß Umstadt

Wirtschaftspsychologie kann über GBI

(www.gbi.de/_de/wpsy.ein) im Volltext

recherchiert werden.

ISSN 1615-7729

INHALT3 Editorial: „Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen“

Gian-Claudio Gentile, Theo Wehner

6 Corporate Social Responsibility - Quo Vadis?Jan Jonker, Angela Marberg

14 Freiwilligenagenturen als Mittler zwischen Unternehmen undNon-Profit-OrganisationenGisela Jakob, Heinz Janning

23 „ Learning on the job – of another“Wissenskooperationen zwischen sozialen Organisationen undWirtschaftsunternehmenBettina Drexler, Egon Endres

31 Gesellschaftliche Verantwortung als Unternehmenswert. Qualitative und quantitative Untersuchungen der Sicht von Führungskräften, Betriebsräten und Vertretern des HR-Manage-mentsAlexander Pundt, Erko Martins, Claes S. Horsmann,

Friedemann W. Nerdinger

40 Soziale Handlungsorientierungen von freigemeinnützig engagier-ten Unternehmensvertretern – Der Einfluss der betrieblichenFunktion und des EngagementbereichsTheo Wehner, Gian-Claudio Gentile

48 Das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen in Baden-WürttembergMartina Wegner

58 Auf dem Weg zum Corporate Citizen – eine Bestandsaufnahmeanleitender TexteGian-Claudio Gentile, Robert Böhm, Corinna Hoffmann

65 Die Koordination von Freiwilligen – Beziehungen und die organi-sationale Einbettung: Das Beispiel ,f-net’Gian-Claudio Gentile, Egon Endres, Theo Wehner

76 Kein Corporate Volunteering ohne die individuelle Bereitschaftzum Volunteering: Freigemeinnütziges Engagement, was ist das?Stefan T. Güntert, Gian-Claudio Gentile, Theo Wehner

Separata

86 Psychologische Reaktanz als Reaktion auf die Bahnpreisreformder Deutschen Bahn AGTina Gehlert, Angela Francke, Bernhard Schlag

97 Regulatorischer Fokus und Motivationsstärke von Warnhinweisenauf ZigattenpackungenMarianne Holler, Sandra Dobnig, Erich Kirchler

106 Der Ort des Betriebsrats in der sozialen Topographie des Betrie-besErhard Tietel

1-20079. Jahrgang

WIRTSCHAFTSPSYCHOLOGIE

inhalt.qxd 21.03.2007 13:33 Seite 1

Psychologie und ManagementdiagnostikDen Menschen, seine Persönlichkeit und sein berufliches Umfeld miteinander in

Einklang zu bringen, ist unser Anspruch und die Grundlage unserer Beratungsphilosophie.

Ihre konsequente Umsetzung sichert uns das Vertrauen unserer Kunden, so dass wir heute

zu den großen Gesellschaften unserer Branche zählen. Seit über 40 Jahren begleiten wir

Unternehmen und Institutionen bei der nachhaltigen Besetzung wichtiger Führungspositionen

sowie bei der Beurteilung und Entwicklung ihres Managements. Dabei sind uns neben der

Entwicklung passgenauer Lösungen für unsere Kunden ein fairer Umgang mit Bewerbern

sowie die Transparenz der Prozesse ein besonderes Anliegen. Die ifp Managementdiagnostik

hat sich aufgrund ihres weit überdurchschnittlichen Erfolges zu einem wichtigen Bestandteil

unseres Beratungsspektrums entwickelt und wird mittlerweile als organisatorisch und

rechtlich selbstständige Einheit geführt. Aufgrund der dynamischen Entwicklung dieses

Geschäftsfeldes suchen wir zur Erweiterung des Teams eine/n berufserfahrene/n

Senior-Berater/inAls kompetente/r Berater/in unterstützen Sie Ihre Kunden bei der Auswahl und

Entwicklung von Führungskräften aller Ebenen und Branchen. Sie übernehmen die

Konzeption und Durchführung von Management-Audits, Einzel-Assessments, Management-

Development-Verfahren sowie 360°-Befragungen, die Sie maßgeschneidert auf die

Bedürfnisse der Kunden abstimmen. Dabei betreuen Sie Ihre nationalen und internationalen

Kunden eigenständig und führen Ihre Projekte mit hoher Selbstverantwortung zum Erfolg.

Aufgrund Ihrer mehrjährigen Erfahrung in der beruflichen Eignungsdiagnostik sowie in

der Personalentwicklung von Führungskräften weisen Sie eine überdurchschnittliche

Beratungskompetenz auf und agieren sicher in der Interviewführung. Die Ergebnisse Ihrer

Arbeit können Sie anschaulich formulieren und kundengerecht aufbereiten. Sie haben ein

breites betriebswirtschaftliches Wissen und sprechen fließend Englisch, idealerweise eine

weitere Fremdsprache. Sie passen zu uns, wenn Sie begeisterungsfähig und belastbar sind,

über soziale Sensitivität und analytische Intelligenz verfügen und sich in Ihrer Persönlichkeit

durch Integrität, Verantwortungsbewusstsein und Selbstbewusstsein auszeichnen.

Wenn Sie diese anspruchsvolle Tätigkeit in einem hochmotivierten Team anspricht,

freuen wir uns, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen. Herr Rainer Bäcker, Partner in der

ifp Managementdiagnostik, steht Ihnen wochentags unter Telefon 0221/20506-93, und

am Sonntag zwischen 17.00 Uhr und 19.00 Uhr unter Telefon 0163/5522808, Frau

Isabell Klawitter, Geschäftsbereichsleiterin, unter Telefon 0221/20506-106 zur Verfügung.

Bitte senden Sie uns Ihre aussagekräftigen Unterlagen (Lebenslauf, Zeugniskopien,

Gehaltsvorstellung, frühestmöglicher Eintrittstermin) unter Angabe der Kennziffer

EA 5.666/01 per Post oder per Mail ([email protected]) zu.

Pos t fach 10 32 15 5 0 4 7 2 K ö l nwww. i fp -on l ine .de

Dokument1 22.03.2007 13:59 Seite 1

Das Engagement von Unternehmen für frei-gemeinnützige Zwecke hat eine lange Tradi-tion und stellt für die Zivilgesellschaft einenunverzichtbaren Beitrag zu deren Aufrecht-erhaltung dar. Dass dieses Engagement nichtan Aktualität verloren hat, zeigen die politi-sche Debatte um die Zukunft des Sozialstaa-tes und die kritische Diskussion der sozialenVerantwortung von Unternehmen unter denStichworten Corporate Social Responsibility

und Corporate Citizenship. Das vorliegende Schwerpunktheft möchtesich dieser Diskussion aus wissenschaftlicherPerspektive anschließen und so einen Bei-trag zur Weiterentwicklung des Themenfel-des leisten. Dies soll vor allem in Bezug aufeine bessere wissenschaftlich-empirischeFundierung der Diskussionsbeiträge gesche-hen. Wie weiter unten dargestellt, ist dies einzentrales Anliegen, sowohl von Praktikernals auch seitens der Wissenschaft. In einem Schwerpunktheft der Zeitschrift„Wirtschaftspsychologie“ stellt sich auch dieFrage nach dem Beitrag der Psychologie zuraktuellen Debatte. Aufgrund der geringenResonanz seitens psychologischer Beiträgeauf den Call for Paper scheint der aktuelleBeitrag eher gering zu sein. Dass dies künftignicht so bleiben muss, soll durch einen kur-zen Einblick in psychologische Teildiszipli-nen bzw. deren Forschungsthemen im Edito-rial sowie durch Beiträge im Heft gezeigtwerden.

FEHLENDE EMPIRISCH-WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE

Aus unterschiedlichen wissenschaftlichenPerspektiven, wie der Betriebswirtschaftbzw. Unternehmensethik, der Soziologieoder der Politikwissenschaft, wird versucht,die Rechte und Pflichten des „institutionel-len Bürgers“ zu fassen und dessen Rolle alsTeil der Gesellschaft bzw. der Gemeinschaftzu definieren. Die Fülle an Konzepten undDefinitionsversuchen in diesem Bereichzeigt allerdings, dass die konzeptionelle Ver-ständigung auf eine einheitliche Begriffsver-

wendung noch zu keinem befriedigendenResultat gekommen ist. Nebst dem konzeptionellen Diskurs werdenverschiedene Diskussionsschwerpunkte ver-folgt, welche versuchen, die Chancen undHindernisse entsprechender Engagementfor-men für Unternehmen aufzuzeigen. Hierzugehören beispielsweise Beiträge aus denThemengebieten Kooperation, Organisatio-nales Lernen, Motivation, Soziales Kapitalund Kommunikation. Was sich auf konzeptioneller Ebene als ver-nünftig und chancenreich für privatwirt-schaftliche Unternehmen anhört, zeigt sichfür die konkrete Umsetzung als komplexesZusammenspiel unterschiedlichster Interes-sengruppen (Unternehmen, Mitarbeitende,Besitzer, Non Profit Organisationen, staatli-che Akteure oder die kritische Öffentlich-keit). Über die Voraussetzungen, die konkre-te Umsetzung und die Evaluation von Enga-gementformen und ihrer Teilaspekte findetsich im Vergleich zu den konzeptionellen Ar-beiten relativ wenig. Die empirische Daten-basis (quantitativ wie auch qualitativ) ist klarunterbelichtet und baut in zu vielen Fällenauf (unsystematischen) Schilderungen vonPraxiserfahrungen auf. Beispielhaft hierzufolgendes Zitat zum Thema ,Freiwilligen-agenturen’: „Die Ausführungen zu Struktu-

ren, Aufgaben und Anforderungen von Frei-

willigenagenturen, -zentren und vergleichba-

ren lokalen Anlaufstellen zur Engagementför-

derung basieren weitgehend auf einer detail-

lierten Kenntnis des Feldes und erfahrungsge-

sättigten Beobachtungen. Es mangelt an em-

pirisch fundierten wissenschaftlichen Studi-

en, in denen die Praxis in den Einrichtungen

und ihre Rolle in dem jeweiligen Gemeinwe-

sen in den Blick genommen werden“ (Jakob& Janning, 2007; in diesem Heft). Diese Ein-schätzung wurde uns im Entstehungsprozessdes vorliegenden Heftes sowohl von Prakti-kern als auch von wissenschaftlicher Seitemehrfach bestätigt. Dementsprechend spiel-te dieser Punkt als Kriterium bei der Auswahlbzw. Kritik der eingereichten Texte eine zen-trale Rolle.

EDITORIAL

3Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

EDITORIAL:„ BÜRGERSCHAFTLICHES ENGAGEMENT VON

UNTERNEHMEN“

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DIE (FEHLENDE) PSYCHOLOGISCHE

PERSPEKTIVE

Obwohl Überschneidungen zu psychologi-schen Fragestellungen bestehen, sind nurwenige Beiträge von Forschungsgruppenpsychologischer Fachrichtungen eingereichtworden. Psychologische Themen, wie bspw.Motivation oder Kooperation, werden oftvon Soziologen, z.B. aus der Drittsektor-For-schung, oder von Betriebswirten aufgegrif-fen und in deren Fragestellungen eingebet-tet. Dabei genügt ein kurzer Blick in die So-zial- bzw. Arbeitspsychologie, um zu zeigen,dass eine künftige Beteiligung der Psycholo-gie am derzeitigen Diskurs sinnvoll ist. Von den psychologischen Teildisziplinen be-schäftigt sich bislang die Sozialpsychologieam stärksten mit der freigemeinnützigen Ar-beit. Volunteering wird als prosoziales Ver-halten untersucht, welches im Kontext vonGruppen oder Organisationen stattfindet,geplant wird und über einen längeren Zeit-raum fortbesteht (Penner, Dovidio, Piliavin &Schroeder, 2005; Bierhoff & Schülken, 2001oder Clary & Snyder, 1999). Die meiste For-schung zur freigemeinnützigen Arbeit ange-regt hat die Frage nach den Gründen, wel-che Personen dazu bewegen, freiwillig Auf-gaben zu übernehmen und das Engagementaufrechtzuerhalten. Die Zuordnung und Ver-teilung ,altruistischer’ bzw. ,egoistischer’ Mo-tive bei den Freiwilligen ist dabei von gro-ßem Interesse. Die Nähe solcher Fragestel-lungen zu unternehmensrelevanten Themenwie z.B. Organizational Citizenship Behavioroder Corporate Volunteering lässt künftig in-teressante Bezüge erhoffen. Fragen zu den organisationalen Rahmenbe-dingungen sowie zu dem mit dem Tätig-Seinin der Freiwilligenarbeit verbundenen Sinnwerden von der arbeits- bzw. tätigkeitspsy-chologischen Perspektive gestellt (Wehner,Gentile & Güntert, in press). Über die Aus-weitung des Arbeitsbegriffes auf die Freiwilli-gentätigkeit wird versucht ein differenzierte-res Verständnis derselben zu gewinnen. AlsTransferfeld arbeitspsychologischer Expertisebzw. Lernfeld für die Weiterentwicklung derArbeits- und Organisationspsychologie stelltdie Freiwilligentätigkeit ein neues For-schungsparadigma dar. Erkenntnisse aus beiden Teilbereichen derPsychologie zeigen, dass wichtige Merkmaleim Bereich der Freiwilligenforschung zu fin-den sind, welche für die Gestaltung undDurchführung unternehmerischen Engage-ments einen Beitrag leisten (Güntert & Weh-ner, 2005; Wehner, Mieg & Güntert, 2006).

Nicht zuletzt gilt es deshalb aus psychologi-scher Perspektive der Maxime Kein Corpora-

te Volunteering ohne Volunteering zu folgenund sich stärker am derzeitigen Diskurs zubeteiligen.

DIE BEITRÄGE IM HEFT

Die Intention des Heftes ist es, den wissen-schaftlichen Diskurs auf der empirischenEbene zu fördern. Um dies leisten zu kön-nen, wurden die Beiträge nach ihrem empiri-schen Gehalt zusammengestellt. In Überein-stimmung mit der Ausrichtung der ZeitschriftWirtschaftspsychologie, welche den Aus-tausch zwischen Wissenschaft und Praxisfördern will, sind Beiträge sowohl von Prakti-kern als auch von wissenschaftlicher Seiteenthalten. Da nicht alle Beiträge auf einerempirischen Datenbasis aufbauen, wurdederen Wert bezüglich der Formulierung neu-er Forschungsfragen mitberücksichtigt. Siesollen künftigen Forschungsvorhaben als An-regung dienen. Die Zusammenstellung der Texte im Heftsieht folgendermaßen aus: Das Heft beginntmit drei Arbeiten (Jonker & Marberg; Jakob& Janning sowie Endres & Drexler), welche„erfahrungsgesättigte Beobachtungen“ bzw.erste Forschungsergebnisse in einem kon-zeptionellen Rahmen reflektieren. Dienächsten beiden Beiträge (Pundt, Martins,Hoffmann & Nerdinger und Wehner & Gen-tile) folgen theoretisch-konzeptionellenÜberlegungen, welche empirisch geprüftwurden. Darauf folgen drei empirische Ar-beiten (Wegner; Gentile, Böhm & Hoffmanund Gentile, Endres & Wehner), welche pra-xisnahe Fragestellungen bearbeiten. Den Ab-schluss bildet der Beitrag von Güntert, Gen-tile & Wehner, welcher die Schnittstelle zwi-schen psychologischer Freiwilligenforschungund bürgerschaftlichem Engagement vonUnternehmen skizziert.

4Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

EDITORIAL

Gian-Claudio Gentile und Prof. Dr. Theo

Wehner

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LITERATUR

Bierhoff, H. W., Schülken, Th. (2001). Ehrenamtli-ches Engagement. In: Bierhoff, H.-W., Fet-chenhauer, D. (Hrsg.) Solidarität. Konflikt,Umwelt und Dritte Welt (S.183-204). Opla-den: Leske + Budrich.

Clary, E. G., Snyder, M. (1999). The motivations tovolunteer: Theoretical and practical conside-rations. Current Directions In PsychologicalScience, 8, 156-159.

Güntert, S., Wehner, T. (2005). Wie motivierendist frei-gemeinnützige Arbeit? In: Gesellschaftfür Arbeitswissenschaft (Hrsg.) Bericht zum51. Arbeitswissenschaftlichen Kongress (S.121-124). Dortmund: GfA-Press.

Penner, L. A., Dovidio, J. F., Piliavin, J. A., Schro-eder, D. A. (2005). Prosocial behavior: Multi-level perspectives. Annual Review of Psycho-logy, 56, 365-392.

Wehner, T., Mieg, H., Güntert, S. (2006). Frei-ge-meinnützige Arbeit. In: Mühlpfordt, S., Rich-ter, P. (Hrsg.) Ehrenamt und Erwerbsarbeit.München: Hampp.

Wehner, T., Gentile, G.-C., Güntert, S. (im Druck).Bürgersinn. In: Moser, W. (Hrsg.) Lehrbuch„Wirtschaftspsychologie“. Berlin/Heidel-berg/New York: Springer.

IN EIGENER SACHE

Als Herausgeber der Wirtschaftspsycho-logie möchten wir den Leserinnen undLesern noch folgende Mitteilungen ma-chen: Unter den Herausgebern über-nimmt Theo Wehner für die nächstenzwei Jahre die Funktion des Chefredak-teurs und wird danach von Lorenz Fi-scher abgelöst. Das Herausgebergremi-um bleibt so erhalten, wie es Ihnen be-kannt ist. Da die Herausgeber einerseitsgute Erfahrungen mit den Themenheftengemacht haben, andererseits aber immerauch - wie die Reviews zeigen - gute Ein-zelbeiträge vorliegen, die nicht einemThemenschwerpunkt zuzuordnen sind,werden wir in Zukunft häufiger Schwer-punkthefte (wie das Ihnen vorliegende)herausgeben und neben den sieben bisneun inhaltlich zum Schwerpunkt gehöri-gen Arbeiten auch noch zwei bis drei zu-sätzliche Texte in diesen jeweiligen Hef-ten veröffentlichen: Wir hoffen, dies gehtmit Ihren Bedürfnissen nach Vertiefungeinerseits und Überblick andererseitsüber das Gebiet der Wirtschaftspsycho-logie konform.

EDITORIAL

5Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

Gisbert Roloff & Barbara Zoeke (Hrsg.)

10 x GerechtigkeitUnterwegs mit Sisyphos

Who needs me? Wer braucht mich? lautet nach Sennett eine der wichtigsten Fragen westlicher Gesell-schaften. Und in der Tat blieben die Verknappung von Arbeit und die Zunahme prekärer Beschäftigungs-verhältnisse nicht ohne Folgen für die Organisation des privaten wie des politischen Lebens: 6.5 Millio-nen Bundesbürger, die ohne Hoffnung auf auskömmliche Arbeit in wirtschaftlicher, sozialer und kulturel-ler Deprivation leben, 2.5 Millionen Heranwachsende auf Sozialhilfeniveau, Hauptschüler in vererbter Bil-dungsarmut, Migrantenkinder ohne Zukunft - die Liste ließe sich verlängern.Insofern kann es nicht verwundern, dass das Thema Gerechtigkeit wieder Konjunktur hat. Im vorliegen-den Band werden Möglichkeiten untersucht, wie Human- und Sozialwissenschaftler bei ihren Service-funktionen in Tätigkeitsfeldern entlang der Bruchlinien unserer Gesellschaft Gerechtigkeitsgesichtspunk-te handlungsleitend berücksichtigen können, auch wenn jeder einzelne Arbeitstag nichts anderes bedeu-tet, als mit Sisyphos immer und immer wieder den Stein zu wälzen. Dabei reicht das Themenspektrum vonArbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, chronischer Krankheit, Migration bis hin zu medizinischer Versorgung,Erziehung, Bildung und Rechtsprechung.Das Buch wendet sich an Human- und Sozialwissenschaftler - an Studenten ebenso wie an Professionals- aus den Bereichen der Medizin, der Pädagogik, der Psychologie, Soziologie und Sozialpädagogik.

176 Seiten, ISBN 978-33-889967-3348-77, Preis: 15,- Euro

PABST SCIENCE PUBLISHERSEichengrund 28, 49525 Lengerich, Tel. 05484-308, Fax 05484-550, E-Mail: [email protected]

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This contribution starts with a brief intro-

duction to CSR and the debate surrounding

it. The development of CSR as a movement

will then be outlined, highlighting four trends

over the last 30 years. Next, the notions of

discourse and paradigm will be introduced,

leading to the conclusion that the CSR de-

bate can be viewed as a clash of paradigms.

Finally, tying these ideas together will show

that the discourse on CSR is currently in the

hands of business. A paradigm shift may be

needed for CSR to make further progress and

eventually become established on an institu-

tional footing according to principles of acti-

on rather than remain mere rhetoric.

Key words: discourse, stakeholder, dominant

social paradigm, new eco-social paradigm, in-

stitutionalisation

Soziale Verantwortung in Betrieben – Quo vadis? Eine kritische Untersuchung eines diskursiven Kampfes

Dieser Beitrag beginnt mit einer kurzen Ein-

führung in die CSR (Corporate Social Respon-

sibility) und die damit einhergehende Debat-

te. Daran schließt sich die Darstellung der

Entwicklung von CSR als eine Bewegung an.

Es werden dabei vier Trends über die vergan-

genen 30 Jahre herausgestellt. Anschließend

sollen die Begriffe Diskurs und Paradigma

eingeführt werden, die zu der Schlussfolge-

rung führen, dass die Debatte um die CSR als

ein Paradigmen-Konflikt angesehen werden

kann. Wenn abschließend diese Vorstellun-

gen zusammengeführt werden, zeigt sich,

dass der Diskurs über CSR derzeit in den

Händen der Unternehmen ist. Ein Paradig-

men-Wechsel wäre erforderlich, damit sich

die CSR weiterentwickeln und eventuell auf

einer institutionellen Basis etablieren kann, in

Anlehnung an Handlungsprinzipien und we-

niger auf einem bisher rein rhetorischen Ni-

veau.

Schlüsselwörter: soziale Verantwortung, Un-

ternehmen, Paradigmen

“The term [social responsibility] is a brilliant

one; it means something, but not

always the same thing, to everybody.”

(Votaw, 1973)

1. INTRODUCTION

The dialogue surrounding corporate socialresponsibility (CSR) and the role that corpo-rations ought to play in society persists asthe world focuses more and more on itsdwindling natural resources, changing cli-mate, poverty, lack of social cohesion, cor-porate scandals and other compelling issuesthat connect organisations to their con-stituencies and the environment. However,real – often individual – proponents of CSR– be it in business, academia or politics – arenot just interested in a dramatic dialogue.They are seeking a fundamental shift in theway businesses do business. From the perspective of the majority of to-day’s business leaders, the proponents ofCSR are asking too much of the corporateworld. ‘Regulating’ business activities so theymight live up to new (social) responsibilitieswould result in decreased or poor financialperformance. This would negatively impactcorporate continuity and thus all the con-stituencies concerned. Still, business hasbeen unable to ignore the public request formore responsible procedures and practices

6Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

J. JONKER, A. MARBERG

JAN JONKER, ANGELA MARBERG

CORPORATE SOCIAL RESPONSIBILITY –QUO VADIS?

A CRITICAL INQUIRY INTO A DISCURSIVE

STRUGGLE

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– as is demonstrated by the popularity ofstakeholder dialogue and engagement. Itlooks as if they have found that the best strat-egy to deal with CSR is to get involved in de-termining its scope and definition, therebydefeating the call for regulation. Although CSR currently appears to be wide-ly recognised and accepted, there is no con-sensus on its meaning. It is still more of anidea, a vague concept currently being debat-ed. This debate has led to the emergence ofa discursive struggle mainly between acade-mia and business. Each side is busy develop-ing its case, trying to convince others that itsversion is best. Yet there is more to this phe-nomenon than mere conflicting motives oropinions. The lens through which these ac-tors view the world and the philosophy thatshapes their judgements, beliefs, and actionsare fundamentally different. This discursivestruggle can be seen as clash of paradigms.The values that the business community em-braces reflect those of a dominant social par-adigm (DSP). We believe that the changes insociety that many academics are calling forwould require a paradigmatic shift from thecurrent DSP to something provisionallycalled the New Eco-Social Paradigm (NESP).This paradigm holds the view that currentpractices of production, consumption andemployment are unsustainable in the longrun. We feel that the implicit ‘clash’ betweenthese two paradigms has been guiding thediscourses on CSR. This paper posits thatbusiness has thus far succeeded in dominat-ing the debate on CSR. That the academicdiscourse is not the front-runner may be duein part to the success of business in develop-ing and nurturing lobbies and other net-works. While the forces of the dominant par-adigm may prove to be the deciding factor inthe CSR debate, the current lack of voice onthe academic side all but guarantees the in-stitutionalisation of CSR under its businesscase definition.

2. WHAT IS CORPORATE SOCIAL

RESPONSIBILITY?

How can the (ontological) nature of CSR bedefined? Carroll (1999) responded to thisquestion in his landmark paper entitled “Cor-porate Social Responsibility: Evolution of aDefinitional Construct”. The fact that it tooktwenty-eight pages to survey the definitionsof CSR from 1950-1999 reflects the abun-dance of viewpoints that exist on the topic.Only a few main perspectives will be given

here. Roberts (1992) indicates that CSR hasbeen defined as “policies or actions thatidentify companies as being concerned withsociety-related issues”. These issues includeemployee rights, product safety, the environ-ment, and poverty, among others. Waddock(2004) uses the term corporate responsibility

(CR) to mean “the degree of (ir)responsibili-ty manifested in a company’s strategies andoperating practices as they impact stake-holders and the natural environment …”. Sheindicates that corporate social responsibility

(CSR) is the “subset of corporate responsibil-ities that deals with a company’s voluntaryand discretionary relationships with its socie-tal and community stakeholders”. Socially responsible organisations, accordingto Campbell, “must not knowingly do any-thing that could harm their stakeholders. Ifthey do inflict such harm, they must rectify itwhenever it is discovered and brought totheir attention” (Campbell, 2006).McWilliams and Siegel define CSR as “ac-tions that appear to further some socialgood, beyond the interests of the firm andthat which is required by law. CSR means go-ing beyond obeying the law” (McWilliamsand Siegel, 2001). Wood’s often cited defi-nition of corporate social performance (CSP)also captures part of the essence of whatmany believe to be CSR: “a business organi-sation’s configuration of principles of socialresponsibility, processes of social respon-siveness, and policies, programs, and observ-able outcomes as they relate to the firms’ so-cietal relationships” (Wood, 1991). Moreconcisely, Husted (2000) views CSP as the“ability of the firm to meet or exceed stake-holder expectations regarding social issues”. From this reservoir of literature it appearsthat the term CSR is almost being used inter-changeably with what some call CR, CSP orCC. While these definitions provide a broadidea of what CSR is, they are all rather gen-eral and theoretical in nature. Although defi-nitions are crucial to a discourse, unless theycan be communicated in actionable terms toother constituencies and society, they maynot have the desired impact. Dryzek (1997)states that “the proliferation of definitions isnot just a matter of analysts trying to addconceptual precision…it is also an issue ofdifferent interests with different substantiveconcerns trying to stake their claims…”. Thereason that there is a debate is because var-ious actors are competing to define what ex-actly CSR is and to make their definitionstick. The above shows that what CSR meanstoday varies among organisations, academ-

CORPORATE SOCIAL RESPONSIBILITY – QUO VADIS?

7Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

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ics and citizens. It appears as if scholars inparticular are unable to communicate theirargument in terms that make sense to busi-ness, government and the public. By examin-ing the roots of CSR, we can see why/howthe debate around the concept started, howthe discourse has developed over time, andwhen it began to gain momentum. Also,without knowing the origins of the debate, itis difficult to see where it might be going.

3. ROOTS OF THE CSR DEBATE

Carroll (1999) points out that the late 1960sand early 1970s represent a unique period intime with regard to the transition from socialmovement to government regulation in areas such as the environment, safety, etc.(Carroll, 1999). Not only does governmentregulation mark the evolution of these con-cepts, but it was also at this point that socie-ty was changing and thus rethinking such is-sues in a new way. Cotgrove (1982) indi-cates that this challenge to the political sys-tem “offered a powerful critique of the hege-monic material values of industrial capital-ism” and that “the political response was atleast a partial recognition of the need for anextension of participation, both in industryand central and local government”. Some ar-gue that CSR is an offspring of the environ-mental or workers’ rights movements. Oth-ers may maintain that CSR began well beforeand is independent of these movements.Whatever the position that one holds, it wasduring the early 70s that CSR moved from adiscussion among intellectuals to a debatebetween scholars, business and government.Therefore we will examine the roots of CSRusing the 1970s as a starting point.Frederick (1987) suggests that the history ofCSR can be divided into four phases: CSR 1,CSR 2, CSR 3, and CSR 4. He indicates thatCSR 1 developed in the 1960s and 70s andcame to mean that companies should be-have responsibly and do the right thing bysociety through, for example, charity pro-grams and community improvement initia-tives. Though business resisted this idea atfirst, four decades later this is the approachto CSR that most corporations support. CSR 2 (late 1970s to 80s) is marked by ‘cor-porate social responsiveness’. Companiesbegan to take an offensive rather than defen-sive position toward their responsibility tosociety. Responsiveness refers to, for in-stance, a company creating a public affairsdepartment or improving employee commu-

nication, labour relations, and issue manage-ment in order to address public concerns orother matters (Waddock, 2004). However, itwas not only the public at large that businesswas responding to. Responsiveness alsocame to mean stakeholder engagement andmanagement, with the main stakeholder be-ing the shareholders. Involvement in thepublic domain also led to a proliferation ofcorporate support for political candidatesand political action committees (PACs), aswell as growing involvement by companiesin shaping the policies that might affectthem (Waddock, 2004). Carroll (1999) char-acterises this period as one in which therewas “growing interest in operationalisingCSR and seeing if it had any relation to finan-cial performance”. It is at this point that thebusiness discourse started gaining the upperhand in the debate. Scholars and otherswere trying to tie positive financial perform-ance to socially responsible practices, hop-ing to convince business of the merits ofCSR. It could be argued that the CSP modelnegatively impacted the academic CSR dis-course in that it “largely ignores the integralresponsibilities of companies that are associ-ated with impacts on stakeholders” (Wad-dock, 2004). CSR in this context was notabout doing what was right by society, butrather what was right for the (economic) bot-tom line. CSR again took a turn in the late 80s, withthe main emphasis this time on ethics (Wad-dock, 2004; Carroll, 1999). This marks thebeginning of CSR 3 and an overall mood ofcompliance as companies were now beingmandated to issue ethics and codes of con-duct in light of new legislation following ahost of corporate scandals. It is in this phasethat the divide between the academic andbusiness views on CSR began to grow.While academic advocates of responsiblebusiness practices pressed for firms to incor-porate responsible strategies into day-to-daycompany operations, many firms concentrat-ed instead on moving the discussion awayfrom regulation and toward voluntary prac-tice. By publicly focusing on its CSR reportsand codes of conduct, business has success-fully played the good faith card, satisfyinggovernment’s call for action and staving off,at least temporarily, consumer criticism. Inthis way, Shell’s publication of its first CSR re-port in 1998 was probably both a blessingand a curse for academia and others whosupport a governmental and institutional reg-ulation approach to CSR. The publication ofsuch a report by a large corporation meant

8Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

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that big business was ready to openly dis-cuss its responsibility to society. However, italso seemed to pacify many advocates ingovernment and elsewhere who took it as asign that business would police itself so gov-ernment wouldn’t have to. Self-regulationthus became the acceptable ‘standard’.Frederick’s (1998) CSR 4, Cosmos, Science,Religion (Spirituality), probably representsthe direction that certain scholars would likeCSR to take more than reflecting the actualpath it has taken. Waddock (2004) writesthat CSR 4 moves away from “a corporate-centric and toward a cosmos (C)… orienta-tion as a proxy for all the natural sciences”,but that the “field… remains largely focusedwithin a corporate-centric paradigm”. Inter-estingly, this call for an eco-social focus ap-pears to parallel and reinforce the discourseon sustainable development. Under its mostpopular definition, sustainable developmentholds that “humanity has the ability…to en-sure that it meets the needs of the presentwithout compromising the ability of futuregenerations to meet their own needs” (Re-port on the World Commission on Environ-ment and Development, 1987). Nine yearslater UNESCO was still seeking a definitionfor sustainable development that could beapplied scientifically (Dryzek, 1997). Whilebusiness was able to concentrate on imple-menting voluntary programs, thus puttingtheir own versions of these concepts into ac-tion, academia and other experts were busyjust trying to define them. As a result, schol-ars provided plenty of literature on humanrights, labour conditions, corruption, waterscarcity, pollution, etc., but separately ratherthan collectively. No wonder Waddock(2004) states that the “integration of theseuniverses and the dichotomies within thefield might serve us all well; finding a com-mon language that defines what we meanby corporate responsibility can only en-hance the progress and credibility of thefield”. Additionally, she emphasises the needfor a dialogue with business not about busi-ness. Unfortunately, however, the academicand business streams of discourse remainand continue to develop in separate direc-tions. In order to discuss why these streamscontinue to flow in opposing directions, wefirst have to clarify what is meant by dis-course and stakeholders.

4. DISCOURSE AND THE STAKEHOLDERS

Discourse is more than a dialogue or debate.Once initiated it can be influenced and al-tered by the actors involved as well as by sit-uations and structures (Burchell and Cook,2006). It is not simply a matter of what is be-ing talked about, but also how it is beingtalked about, because the “how” ultimatelyshapes what we come to know to be true.Campbell (2004) defines discourse as a “sys-tem of language, concepts, and rules of log-ic through which people communicate”.Dryzek (1997) states that “a discourse is ashared way of apprehending the world. Em-bedded in language, it enables those whosubscribe to it to interpret bits of informationand put them together into coherent storiesor accounts”. Additionally, he says that“powerful actors who see established oremerging discourses as threatening their vi-tal interests can attempt to override develop-ments at the level of discourse…and cansponsor other discourses of environmentalconcern more conducive to their own inter-ests” (p. 11). As Chouliaraki and Fairclough(1999) maintain, concepts can actually be“talked” into being and determined by dis-course. Hence, the participants in a particu-lar discourse are in a sense the architects ofthat specific element within society. Whenthese participants disagree on the founda-tion of the discourse, they engage in ametaphoric tug-of-war. The winner is the ac-tor whose rhetoric and actions are mostwidely accepted; this can mean determininghow the concept is ultimately defined, howit is discussed in everyday life, and how it isput into action. At present, business has the upper hand inthe CSR discourse. Burchell and Cook(2006) would argue, however, that businessis not yet the winner. Rather, the discoursehas developed into a “hybrid” form as a re-sult of the influence of business, academiaand non-governmental organisations. Theyview the struggle in terms of both domina-tion and resistance (2006), stressing that re-sistance, not just dominance, also shapes thediscourse. They admit, though, that “thepower of the business lobby is strong and isreflected in its ability to colonise and appro-priate the language of social and environ-mental responsibility through CSR” (2006). Lobbying influential government officials togain political and/or financial support forprograms and ideas is not a practice limitedjust to business. With regard to CSR, howev-er, the corporate community has proven to

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be very capable of gaining government sup-port and of avoiding regulation to a large ex-tent. Network institutions such as WBCSD,EABIS or even Econsense are true masters ofadvocating self-regulation, thus avoiding anyformal legal structures on a national or value-chain scale. Government support is criticalbecause political officials are crucial to turn-ing ideas into policy (Pumar, 2005). Thiswould suggest that lobbying efforts aloneare responsible for governments leaning to-ward the business case for CSR. That is, how-ever, not the case. There are a number ofother reasons that may account for the sym-biotic relationship currently shared by gov-ernment and business. For example, the blur-ring of national boundaries, healthcarecrises, and a run on resources are forcinggovernment to redefine its public role, result-ing in a shift from a care-giving to a self-caresociety. The strains of contemporary cultureadded to current capitalist principles (e.g.limited government regulation, free enter-prise and an uninhibited pursuit of econom-ic growth) make it easy for government toaccept the meaning and concept of CSR aspresented by business. As Burchell andCook (2006) state, the business discourse ofCSR “appears to complement the structuralsetting, which arguably includes govern-ments seeking to withdraw from certain ar-eas of social provision”. Fitting into the cur-rent social, political, and economic institu-tional structure is significantly less difficultthan trying to change it. Much of what aca-demia is proposing in relation to social re-sponsibility does not mesh with the valuesendorsed by the present system. These com-peting value systems are paradigms, and thebattle of discourses can be considered to bea clash of these paradigms.

5. LINKING PARADIGM AND DISCOURSE

In line with the godfather of paradigmaticthrought, Thomas Kuhn, and his seminalbook ‘The Structure of Scientific Revolu-tions’, Barker (1992) defines a paradigm as“a set of rules and regulations (written or un-written) that does two things: (1) it establish-es or defines boundaries and (2) it tells…how to behave inside the boundaries in or-der to be successful”. Any actions taken orideas developed outside of these boundariesdo not have the same chances of succeed-ing. Campbell (2004) describes paradigmsas “cognitive background assumptions thatconstrain decision-making and institutional

change by limiting the range of alternativesthat decision-making elites are likely to per-ceive as useful and worth considering”. Healso writes “one important mechanism bywhich they exert effects is by structuring dis-course” (2004). Paradigms thus influencewhat issues we talk about, how we talkabout them, and what actions we take as aresult. So discourse is a powerful tool. It isthe ‘ground’ on which ideas can be talked in-to being. Ideas, concepts or discourses thatdo not fit into the current (social) paradigmmay not even be given consideration bythose in positions of power as they may beviewed as going beyond the boundaries ofthat paradigm.Even when boundaries are not an issue, thepursuit of dominant values can take priorityover matters involved in other discourses.While government officials may favour a par-ticular discourse, if policies are pursued thatthe business community rejects, this rejec-tion could have serious consequences. Cor-porations can take their business elsewhere,thus impairing the local economy. “The in-creasing mobility of capital and financeacross national boundaries intensifies thispressure, because businesses can easilythreaten to transfer their operations to othercountries with less stringent environmentalpolicies and practices” (Dryzek, 1997).These policies don’t necessarily have to beenvironmental, but can be any policies thatcorporations are against. These challengesor changes in the status quo will generally bemet with fierce resistance (Shafer, 2006).This makes it relevant to scrutinise the twomain paradigms that are ‘competing’ witheach other in the CSR discourse.

Dominant Social Paradigm (DSP)

The focus on economic growth is intrinsic tothe current economic-social regime whichwe will call the Dominant Social Paradigm(DSP). Shafer (2006) defines the DSP broad-ly as “socially constructed traditions that le-gitimate prevailing social, economic, and po-litical institutions, and express a common-sense reality regarding the way societyworks”. Cotgrove (1982) maintains that “it isdominant not in the statistical sense of beingheld by most people, but in the sense that itis the paradigm held by dominant groups inindustrial societies, and in the sense that itserves to legitimate and justify the institu-tions and practices of a market economy”.Instead of DSP, Catton and Dunlap (1980)

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chose the term “Western worldview” tocharacterise the worldview of the industri-alised nations. They identified four tenetsthat represent this view: “(1) People are fun-damentally different from all other creatureson earth, over which they have dominion;(2) People are masters of their destiny. Theycan choose their goals and learn to do what-ever is necessary to achieve them; (3) Theworld is vast and thus provides unlimited op-portunities for humans; (4) The history of hu-manity is one of progress; for every problemthere is a solution and thus progress neednever cease”. This worldview supports thecapitalist doctrine of free enterprise, eco-nomic growth and private property, and“most of society’s values…are anchored inand oriented toward the maintenance of thisparadigm” (Shafer, 2006). It should come asno surprise that a shift from this paradigm toanother would meet with significant opposi-tion. Paradigm shifts occur, according to Hall(1993), when an existing paradigm is chal-lenged by a competing paradigm to such anextent that policies fail because it cannotsupport the goals and procedures put forthby the competitor. This would imply thatwhen the goals of influential political andbusiness leaders begin to reflect those artic-ulated by others, a paradigm shift may be oc-curring.

New Eco-Social Paradigm (NESP)

A new paradigm seems to be emerging inopposition to the DSP. Although termed theNew Ecological Paradigm (NEP) by others,we will call it the New Eco-Social Paradigm(NESP) to include social as well as environ-mental issues. The NESP highlights environ-mental destruction, widespread poverty andunacceptable employment conditions. It em-phasises the need for a system overhaul andan adjusted way of thinking by global citi-zens. According to proponents of the NESP,the DSP is exacerbating rather than seekinga resolution to these problems. However,Shafer (2006) states that due to the nature ofthe DSP, its opponents can expect a defiantpolitical and economic front ready to utilisethe resources at its disposal in order to pro-tect against any attacks on their position. De-fenders of the DSP will either try to “(1) dis-credit or marginalise threats posed by eco-logical issues or (2) attempt to convincestakeholders that their actions are in factconsistent with an ecological worldview”(Shafer, 2006). The effective lobbying by na-

tions and corporations for soft law and vol-untary self-regulation is a case in point. Al-lowing firms to police themselves and selectthe principles they wish to adhere to demon-strate the DSP’s “belief in market solutions tosocial ills” (Shafer, 2006). If, as Suchman(1995) suggests, “most challenges [to legiti-macy] ultimately rest on failures of mean-ing”, then business rose to this challenge bycreating a meaning for CSR where there wasa void. With a generally unified vision of CSRfocusing on self-regulation, the ‘businessstrategy’ appears to be foiling academia’s at-tempts to redirect the corporate-centric fo-cus of CSR. The now dominant business def-inition of CSR has met with inadequate op-position by academics who seemed unableto extricate themselves from their own “par-allel universes” (Waddock, 2004).Waddock (2004) stresses the need for schol-ars to pursue their own unified strategyrather than separate, divergent ones. Howev-er, there is a gap in the literature on exactlyhow to go about doing this. Clearly, if schol-ars wish to be heard in the discourse, theymust do so by “engaging national policy-makers and, more importantly, through forg-ing inter-organisational ties with internation-al agencies capable of legislating an interna-tional agenda” (Pumar, 2005). This meansthat not only do scholars and experts needto join forces, but also that they need to findpolitically influential allies within the DSPwho endorse their ideas and can communi-cate the academic message in a way that thecorporate public will understand (Pumar,2005). Given that business already maintainsa fairly tight stranglehold on the accepteddefinition of CSR, it might befit academia totry to work together with business to devel-op a meaning for CSR that would be accept-able to all parties despite being imperfect.Such collaboration can also serve to legit-imise scholars’ arguments that might other-wise be rejected outright. Although some ac-tivity can be observed in this direction, its in-tensity and impact remain rather modest. Dryzek (1997) views networking betweenproponents of the various discourses in-volved as especially positive. Additionally,according to Campbell (2004), progress canonly really occur when discourses can com-municate: “When actors succeed in pressingprograms for change into practice, this is of-ten heavily mediated by already existing dis-course structures… actors translate newideas into practice in ways that remain con-sistent with the old discourse”. The issuehere is the need for real interchange among

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the discourses - questioning worldviews andtheir assumptions - in order to achieve (any)progress. The institutionalisation of CSR inany form — be it the business case, the aca-demic case or a hybrid of the two — wouldappear unlikely unless and until proponentsof these discourses can communicate ratherthan “viewing issues and problems in suchdifferent ways that little interchange acrosstheir boundaries can occur” (Dryzek, 1997).Amaeshi and Adi (2006) insist that the onlyway the academic case for CSR can be ade-quately communicated to business and thusmove forward is if it is “stripped of its currentnormative undertone and reconstructed inthe instrumentally pragmatic (utlish) lan-guage of business” (emphasis in originaltext). They argue that attacking capitalismdoesn’t appear to be a very successful strat-egy, advise promoting CSR as a “neutral con-cept”, and recommend presenting CSR in alanguage that business can understand and“as such contribute to the legitimisation ofCSR as a neutral management practice” (p.25). Though the authors make a good casefor the need to re-evaluate academia’s pres-ent finger-pointing approach, it is doubtfulthat CSR would actually progress were their“translation” procedures to be followed. Astrategy of engaging business actors in a dis-cussion about CSR by presenting it as a neu-tral management practice does not appearto be a strategy at all. In fact, it is the mirrorimage of the business case. The academiccase is based on the premise that currentbusiness practices are detrimental to peopleand the environment. How can this be cov-ered in neutrality? If CSR becomes legit-imised as a neutral management practice,hasn’t the business case then won the de-bate? Based on the above, we conclude that aca-demia and business are indeed involved in adiscursive struggle over CSR with govern-ment playing an intermediate and reactiverole. This struggle is about more than tryingto change a corporate strategy. It is an at-tempt to change existing institutions. Whilediscursive struggle will not necessarily resultin new or altered institutional structures, it isan important step on the way to establishingnew institutions or de-institutionalising oldones: “It is out of this discursive struggle thatnew institutions emerge, momentarily stabil-ising meanings…” (Maguire and Hardy,2006). Hence, the outcome of the debatebetween academia, business and govern-ment will likely be the institutionalisation ofCSR. What this will look like will depend on

the interchange that takes place betweenthe actors through their respective discours-es.

6. CONCLUSION

This analysis of the debate on CSR has at-tempted to trace the concept of social re-sponsibility from its contemporary roots tothe present discursive struggle between busi-ness and academia. The aim was to deter-mine why business has been able to influ-ence the debate to its advantage. In addi-tion, the concept of institutionalisation wasintroduced to consider where CSR is in theprocess of being ultimately defined – andunder what definition – in society. Theoverview emphasised the staying power ofexisting institutions and the political, eco-nomic and social forces that keep them inplace. The business case for CSR is bolsteredby the dominant social paradigm, the abun-dance of resources and a clear goal of self-regulation. This appears to be a fairly solidposition, but success is far from guaranteed.Business still relies on the public for its legit-imacy and politicians for support of its pro-grams. Recent events show that this legitima-cy and support can wane through the effortsof interest groups and the effects of corpo-rate and environmental crises. As for acade-mia, instead of heading off in the direction ofwhat has been called CSR 4, scholars mightinstead consider combining their intellectualprowess to develop a concrete, unified plat-form. Additionally, a growing number ofscholars have recognised the importance ofengaging other actors in the debate, whichappears to be a step in the right direction. In conclusion, at present neither the aca-demic nor the business case for CSR ispoised for institutionalisation. There is notenough agreement on a particular programor set of ideas on either side. While the busi-ness case currently appears to dominate thedebate, this might change if scholars manageto work together to formulate their ownclear, practical CSR agenda. Fortunately,there are scholars out there who can speakboth the language of business and academiaas well as business leaders who supportmore socially responsible practices. Thetragedy of academia, however, is that itscore business is engaging in and fosteringdebate without the ultimate goal of reachinga consensus. The act of debating itself is thefocal point, not the achievement of specificoutcomes. Even if elements of the academic

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“strategy” are incorporated into it, the busi-ness case may still prevail in the discursivestruggle. Given the influence of the DSP, thephilosophy by which it operates, and theideals upon which it feeds and from which itbreeds, the prospects for success of anystrategy undertaken by academia appearless than favourable. Moreover, if scholarsand other proponents of CSR remain divid-ed and fail to adopt a sense of urgency, theywill likely be unable to summon the financialand political support needed to competeand/or negotiate with business in theprocess of institutionalising corporate socialresponsibility.

REFERENCES

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JAN JONKER ANGELA MARBERG

[email protected] [email protected]

Nijmegen School of Management

Radboud University Nijmegen

PO BOX 9108

6500 HK Nijmegen

The Netherlands

CORPORATE SOCIAL RESPONSIBILITY – QUO VADIS?

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Das unternehmerische bürgerschaftliche En-

gagement basiert auf der Kooperation mit

Non-Profit-Organisationen in den Bereichen

Soziales, Bildung, Jugend, Kultur und Um-

welt. Häufig übernehmen Mittlerorganisatio-

nen wie Unternehmens- und Organisations-

beratungen, lokale Netzwerke oder auch Frei-

willigenagenturen und -zentren Aufgaben der

Projektentwicklung und Vermittlung zwi-

schen den verschiedenen Partnern. In dem

vorliegenden Beitrag geht es um die Rolle

von Freiwilligenagenturen als Partner von

Corporate-Citizenship-Aktivitäten der Unter-

nehmen. Diese Aufgabe wird in Deutschland

bislang nur von wenigen, bereits seit länge-

rem aktiven Freiwilligenagenturen übernom-

men. Die Agenturen werden dabei zu Mak-

lern und Mittlern für neue Projekte und die

Herstellung von Kooperationsbeziehungen.

Dies erfordert fundierte Kenntnisse über die

unterschiedlichen Organisationskulturen und

Handlungslogiken in Unternehmen und in

Non-Profit-Organisationen sowie eine offensi-

ve und passgenaue Projektentwicklung, mit

der Aktivitäten angeregt und Akteure aus bei-

den Bereichen gewonnen werden.

Schlüsselwörter: Corporate Citizenship, bür-

gerschaftliches Engagement von Unterneh-

men, Zivilgesellschaft, Freiwilligenagenturen

Volunteer Centres as Agents between Corporations and Non-Profit-Organisations

The community engagement of corporations

is based upon cooporations with non-profit-

organisations in the realm of culture, educati-

on, youth, and environment. Often, media-

ting actors like business and organisation

consultancies, local networks, and also volun-

teer centres and governmental centres, take

over the tasks of project development and

mediation between profit and non-profit

partners. This article deals with the role of vo-

lunteer centres as partners in corporate-citi-

zenship-activities. In Germany there are only

a few, well-established volunteer centres that

undertake such activities. These centres be-

come brokers and mediators which not only

develop projects but also stimulate co-opera-

tional relations among partners. In this article

we will argue that the role as agent demands

profound knowledge about the different in-

ternal organisational cultures and logics of

actions both in corporations and non-profit-

organisations, as well as a pro-active and cus-

tomized project development to recruit and

activate actors from both spheres.

Key words: corporate citizenship, corporate

volunteering, community engagement, cor-

poration, civil society, volunteer centres

1. UNTERNEHMERISCHES

BÜRGERSCHAFTLICHES ENGAGEMENT

IN DEUTSCHLAND

Seit nunmehr etwa zehn Jahren wird inDeutschland über Corporate Citizenshipund das bürgerschaftliche Engagement vonUnternehmen diskutiert und mit neuen Akti-vitäten experimentiert. Die Debatte um„Corporate Citizenship“ in den USA und inwesteuropäischen Ländern wie Großbritan-nien und Niederlande hat dazu beigetragen,dass das Thema auch in Deutschland aufge-griffen worden ist. Zeitgleich hat in Deutsch-land angesichts der veränderten wirtschaftli-chen und gesellschaftlichen Rahmenbedin-gungen eine neue Diskussion um die Rollevon (Sozial-)Staat, Markt und Zivilgesell-schaft eingesetzt, in deren Folge auch dieFrage nach der gesellschaftlichen Positionvon Unternehmen neu gestellt wird. Corporate Citizenship bezeichnet das bür-gerschaftliche Engagement eines Unterneh-

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G. JAKOB, H. JANNING

GISELA JAKOB, HEINZ JANNING

FREIWILLIGENAGENTUREN ALS MITTLER

ZWISCHEN UNTERNEHMEN UND NON-PROFIT-ORGANISATIONEN

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mens, das damit über seine Geschäftstätig-keit hinausgehend Ressourcen in Form vonGeld, Personal, Wissen und Sachmitteln be-reitstellt, um gesellschaftliche Probleme zubearbeiten. Dies umfasst sowohl die bekann-ten Formen des Spendens und des Sponso-rings für gemeinnützige Zwecke als auchden Einsatz von Mitarbeiter/innen im Rah-men von betrieblichen Freiwilligenprogram-men. Von einem bürgerschaftlichen Engage-ment der Unternehmen wird erst dann ge-sprochen werden, wenn die Unternehmen inihrer Rolle als „gute Bürger“ gesellschaftli-che Verantwortung übernehmen, dies strate-gisch anlegen, in ihre Unternehmenstätigkei-ten integrieren und nach innen und außenkommunizieren (vgl. Backhaus-Maul 2006a,Habisch 2003, Westebbe/Logan 1995). Diesunterscheidet das unternehmerische bürger-schaftliche Engagement von sporadischenAktivitäten des Spendens oder des Sponso-rings und markiert auch eine Differenz zuder Tradition freiwilliger Beiträge, die zufälligund unverbunden mit den sonstigen unter-nehmerischen Aktivitäten getätigt werden.Aktivitäten unternehmerischen bürgerschaft-lichen Engagements sind auf die Zusammen-arbeit mit Akteuren aus Non-Profit-Organisa-tionen1, aus öffentlichen Einrichtungen, ausPolitik und Verwaltungen angewiesen. Zu-gleich werden durch Maßnahmen und Pro-jekte im Rahmen von bürgerschaftlichem En-gagement neue Kooperationen zwischenAkteuren gestiftet, die bislang kaum Berüh-rungspunkte hatten (vgl. Damm/Lang 2001,Lang 2003). In dieser Begegnung von Prota-gonisten, die unterschiedliche soziale Wel-ten mit verschiedenen Organisationskultu-ren und Handlungslogiken repräsentieren,besteht der besondere Wert unternehmeri-schen bürgerschaftlichen Engagements. Inden damit eröffneten Kooperationsmöglich-keiten ist das Potenzial für ein gemeinsamesVerständnis gesellschaftlicher Probleme undderen Bearbeitung angelegt. Darüber hinauskönnen Corporate-Citizenship-Aktivitätenwichtige „Türöffner“ sein und Bürgerinnenund Bürgern, die sich bislang nicht engagierthaben, Zugänge und Engagementgelegen-heiten eröffnen.Ein Rückblick auf die letzten zehn Jahre lässteine Entwicklung in der Debatte, bei derUmsetzung von konkreten Maßnahmen undin der theoretischen Auseinandersetzung

mit dem Thema in Deutschland erkennen.Dafür stehen zahlreiche Wettbewerbe,Sammlungen von Praxisbeispielen und De-battenbeiträge (vgl. Janning / Bartjes 1999,Schöffmann 2000, 2001). Die Bundestags-Enquete-Kommission „Zukunft des Bürger-schaftlichen Engagements“ hat dem Themamit einer eigenen Arbeitsgruppe, mehrerenWorkshops und Anhörungen sowie einemeigenständigen Kapitel in ihrem Abschluss-bericht einen Schub gegeben (vgl. Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftli-chen Engagements“, Deutscher Bundestag2002, S. 456 ff.). Erste empirische Analysennehmen das unternehmerische Engagementzumindest ausschnitthaft in den Blick (vgl.Maaß / Clemens 2002) und in der theoreti-schen Auseinandersetzung wird die Rollevon Unternehmen in der Zivilgesellschaftdiskutiert (vgl. Adloff / Birsl / Schwertmann2005). Diese Aktivitäten sollten aber nicht darüberhinwegtäuschen, dass die Entwicklung inRichtung auf eine neue gesellschaftliche Rol-le von Unternehmen einen mühevollen Pro-zess darstellt, der von Hürden und Begren-zungen gekennzeichnet ist. Die Idee einerFörderung des bürgerschaftlichen Engage-ments und der Ausweitung ihrer gesellschaft-lichen Rolle trifft keineswegs in allen Unter-nehmen auf Zustimmung. Auch in den Non-Profit-Organisationen bedarf es der Über-zeugungsarbeit und der Erprobung von Pro-jekten, um die Grundlage für neue Koopera-tionsbeziehungen zu schaffen.

2. FREIWILLIGENAGENTUREN ALS

MITTLERORGANISATIONEN

Bei der Entwicklung und Durchführung vonCorporate-Citizenship-Aktivitäten arbeitenUnternehmen mit Non-Profit-Organisatio-nen ihrer Wahl zusammen. Derart „selbstge-wählte Passungen“ sind höchst vorausset-zungsreiche und anspruchsvolle Kooperatio-nen (Backhaus-Maul 2006b). Dabei treffenOrganisationen aufeinander, die verschiede-ne soziale Welten mit unterschiedlichenZielsetzungen, Organisationskulturen undHandlungslogiken repräsentieren. Ein Teilder Unternehmen greift auf Mittlerorganisa-tionen wie privat-gewerbliche Unterneh-mens- und Organisationsberatungen oder

FREIWILLIGENAGENTUREN ALS MITTLER ZWISCHEN UNTERNEHMEN UND NON-PROFIT-ORGANISATIONEN

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1Wir haben uns in dem vorliegenden Beitrag für den Begriff der Non-Profit-Organisationen entschieden, weil er im in-ternationalen Kontext gebräuchlich ist. In Deutschland wird zur Kennzeichnung dieses Organisationstyps zumeistvon gemeinnützigen Organisationen gesprochen, da dies den Kern ihrer gesellschaftlichen Funktion und ihren be-sonderen Status im Unterschied zu privatwirtschaftlichen Organisationen zum Ausdruck bringt.

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auch auf lokale Servicestellen zur Förderungdes bürgerschaftlichen Engagements vonUnternehmen zurück. In den letzten Jahrenhaben sich in einigen Orten auch Freiwilli-genagenturen bei der Projektentwicklungund Vermittlung von Kooperationsprojektenzwischen Unternehmen und Non-Profit-Or-ganisationen hervorgetan.Freiwilligenagenturen und -zentren sind Ein-richtungen der lokalen Engagementförde-rung, deren Aufgabe in einer umfassendenAnregung, Unterstützung und Stärkung desfreiwilligen bürgerschaftlichen Engagementsin den Kommunen besteht (vgl. Ebert u.a.2002, Jakob / Janning 2000, Jakob 2005).2

Sie informieren und beraten interessierteBürgerinnen und Bürger über Möglichkeitendes Engagements vor Ort und übernehmenihre Vermittlung in gemeinnützige Einrich-tungen und Non-Profit-Organisationen. Da-rüber hinaus kooperieren die Agenturen mitNon-Profit-Organisationen und entwickelngemeinsam mit ihnen neue Strukturen fürdie Engagementförderung in den jeweiligenEinrichtungen, Vereinen und Verbänden. Einweiterer wichtiger Arbeitsschwerpunkt die-ser Infrastruktureinrichtungen besteht in derEntwicklung von gezielten Projekten, in de-nen neue Formen des Engagements erprobtund Innovationen im Bereich gemeinwohl-orientierter Aktivitäten angeregt werden.Dies sind z.B. Projekte in Kooperation mitSchulen und Kindertageseinrichtungen, mitPflegeeinrichtungen, mit Organisationen imKulturbereich und mit Unternehmen. Freiwil-ligenagenturen, die ein solch breites Spek-trum von Aktivitäten repräsentieren, sindEntwicklungsagenturen für das bürgerschaft-liche Engagement vor Ort. Über die Zahl der Freiwilligenagenturen undvergleichbarer lokaler Anlaufstellen inDeutschland lassen sich keine gesichertenAngaben machen, da keine zentrale Erfas-sung besteht, die Einrichtungstypen und ihreorganisatorische Anbindung unterschiedlichsind und die ‚Landschaft’ sich dauernd ver-ändert: Neue Agenturen entstehen, währendandere ihre Aktivitäten wegen fehlender fi-nanzieller Mittel einstellen müssen. Die Bun-desarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagen-turen geht derzeit von rund 150 Agenturen

in Deutschland aus (vgl. www.bagfa.de). Al-lerdings kann keineswegs von einer flächen-deckenden Verbreitung und gesicherten Si-tuation ausgegangen werden. In einigenStädten und Gemeinden gibt es aktive undin der lokalen Öffentlichkeit präsente Freiwil-ligenagenturen, während sich eine großeZahl der Einrichtungen in einer prekären Si-tuation befindet und mit dem Überlebenkämpft.3 Ein Rückblick zeigt, dass sich vor al-lem die Freiwilligenagenturen etabliert ha-ben, die über die Vermittlung engagementin-teressierter Bürger hinausgegangen sind undein breites Aufgabenspektrum im Sinne ei-ner Entwicklungsagentur für die lokale Enga-gementförderung entfaltet haben (vgl. Jakob2006). Dabei spielen innovative und am ge-sellschaftlichen Bedarf anknüpfende Projek-te in Kooperation mit Schulen, mit Kinderta-geseinrichtungen, mit Pflegeeinrichtungensowie Projekte zum Ausbau des bürger-schaftlichen Engagements von Unterneh-men eine wichtige Rolle.

3. GELUNGENE FORMEN DER

KOOPERATION ZWISCHEN

FREIWILLIGENAGENTUREN UND

UNTERNEHMEN

Projekte einzelner Freiwilligenagenturen und-zentren in Kooperation mit Unternehmenzielen vor allem darauf, Beschäftigten in Un-ternehmen Zugänge zu einem Engagementzu ermöglichen, Unternehmen in ihrer Rolleals ‚gute Bürger’ für bürgerschaftliches En-gagements zu gewinnen und Austauschbe-ziehungen zwischen Unternehmen undNon-Profit-Organisationen in den BereichenBildung, Soziales, Kultur und Ökologie zuinitiieren. Die Freiwilligenagenturen über-nehmen dabei eine Brückenfunktion zwi-schen Wirtschaft und Non-Profit-Bereich.Dabei sind sie Makler in dem Sinne, als sieneue Projekte anstoßen und das Thema inder lokalen Öffentlichkeit publik machen.Als Mittler übernehmen die Agenturen dieAufgabe, zwischen engagementinteressier-ten Unternehmen und Non-Profit-Organisa-

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2Die schweizerischen Benevol-Stellen sind durchaus vergleichbar mit den Freiwilligenagenturen, beschränken sichaber u.W. in ihrem Aufgabenprofil auf Vermittlungstätigkeiten.

3Ob sich Freiwilligenagenturen etablieren können, hängt einerseits davon ab, welchen Stellenwert bürgerschaftlichesEngagement in der jeweiligen Kommune hat, ob es Überlegungen für eine moderne Engagementförderung gibt undwie diese in kommunalpolitische Strategien eingebunden ist. Ihre Behauptung vor Ort wird andererseits aber auchdavon bestimmt, mit welchen qualitativen Standards die Freiwilligenagenturen aufwarten und wie sie diese in der Öf-fentlichkeit sichtbar machen.

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tionen als Engagementanbieter zu vermit-teln.Bei einem Überblick über die Aktivitätenvon Freiwilligenagenturen zur Anregung undUnterstützung des bürgerschaftlichen Enga-gements von Unternehmen, lassen sich fol-gende Formen des sog. „Corporate Volun-teering“ identifizieren:

a) Freiwilligentage

Mehrere Freiwilligenagenturen haben dieaus den USA kommende Idee eines „day ofcaring“ aufgegriffen und organisieren einmaljährlich einen Freiwilligentag, bei dem sichinteressierte Bürgerinnen und Bürger einenTag lang in einer gemeinnützigen Einrich-tung im Rahmen eines abgeschlossenen Pro-jektes engagieren (vgl. Gittermann 2006).Dies können handwerkliche Projekte wieder Bau eines Spielhauses im Kindergarten,Garten- und Renovierungsarbeiten in einersozialen Einrichtung oder auch ausgewählteVeranstaltungen wie die Begleitung vonMenschen mit Behinderungen bei einemAusflug sein. Neben der Zielsetzung, Bürge-rinnen und Bürger zumindest für ein eintägi-ges Engagement zu gewinnen, werden mitFreiwilligentagen weitergehende Vorstellun-gen verbunden: Insbesondere Bürger, diebislang keine Erfahrungen mit freiwilligemEngagement gemacht haben, sollen damit ei-nen ersten Zugang erhalten („Schnupperan-gebote“). Damit soll die Grundlage für län-gerfristig angelegte Bindungen und Aktivitä-ten gelegt werden. Und nicht zuletzt sindFreiwilligentage eine gute Gelegenheit, Auf-merksamkeit für das bürgerschaftliche Enga-gement in der lokalen Öffentlichkeit zu er-halten. Eine solche Engagementform ist aber auchbesonders für Unternehmen und ihre Mitar-beiter geeignet. Die Unternehmen erwartenvon einer Beteiligung an einem Freiwilligen-tag einen Beitrag zur Personal- und Teament-wicklung (vgl. ebd.). Die gemeinsamen Akti-vitäten in einem Arbeitszusammenhang au-ßerhalb des Unternehmens, bei dem die Mit-arbeiter/innen ihre unterschiedlichen Res-sourcen einbringen, sollen die Grundlage füreine verbesserte Zusammenarbeit im an-schließenden Arbeitsalltag schaffen. DesWeiteren können die öffentlichkeitswirksa-men Freiwilligentage mit einem Nutzen fürdie Außendarstellung und Imageverbesse-rung des Unternehmens verbunden sein undwerden auch in diesem Sinne gezielt einge-setzt.

b) Seitenwechsel, Altera, Türen öffnenu.a.

Die Kennzeichnung als „Seitenwechsel“geht auf ein sehr erfolgreiches Bildungspro-gramm der Schweizerischen Gemeinnützi-gen Gesellschaft zurück, in dem mittlerweilemehr als 2.000 Führungskräfte aus Unter-nehmen einen Seitenwechsel mitgemachthaben (vgl. Schweizerische GemeinnützigeGesellschaft SGG / Ettlin 2003). Führungs-kräfte aus Unternehmen arbeiten eine Wo-che lang in einer sozialen Einrichtung mit(AIDS-Projekt, Behinderteneinrichtung, Un-terkunft für Drogenabhängige etc.). Sie sol-len dabei für die Probleme von sozial be-nachteiligten Menschen sensibilisiert wer-den und in der Interaktion mit ihnen ihre so-zialen Kompetenzen erweitern. Der umge-kehrte Seitenwechsel, Mitarbeiter/innen aussozialen Einrichtungen werden in Unterneh-men tätig, zielt darauf, vertieftes betriebs-wirtschaftliches Wissen zu erwerben und dieManagementkompetenzen von Führungs-kräften in sozialen Organisationen zu ver-bessern. Als übergeordnete Zielsetzung gehtes bei dem Projekt um einen Kompetenz-transfer (Austausch) zwischen Unternehmenund sozialen Organisationen, indem die Un-ternehmen soziale Verantwortung überneh-men und soziale Einrichtungen ihre unter-nehmerischen Kompetenzen stärken. In die-sem Sinne wird der Seitenwechsel auch alssozialpolitische Intervention verstanden.Diese Idee des Seitenwechsels ist von einzel-nen Freiwilligenagenturen in Deutschlandaufgegriffen und in ähnlicher oder abgewan-delter Form umgesetzt worden (vgl. Janning/ Naujokat 2002). Unter verschiedenen Na-men wie „Altera“, „Transfer“, „MitLeiden-schaft“ oder „Türen öffnen“ haben Freiwilli-genagenturen die einwöchigen Bildungspro-gramme für Beschäftigte von Unternehmendurchgeführt. Die Freiwilligenagenturenübernehmen die konzeptionelle Erarbeitungund Vorbereitung des Projektes, ermittelngeeignete Partnerorganisationen aus demNon-Profit-Bereich, begleiten das Projektund die Unternehmensmitarbeiter währenddes einwöchigen Einsatzes und übernehmengemeinsam mit allen Beteiligten die Auswer-tung und Evaluation.Die Freiwilligenagenturen verbinden mitdem einwöchigen Seitenwechsel über dieIdee sozialen Lernens hinausgehend nochweitergehende Zielsetzungen. Demnach sollein solcher Rollentausch langfristige Wirkun-gen auslösen, indem den Unternehmensmit-arbeiter/innen Kontakte zu sozialen Einrich-

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tung eröffnet und sie für ein bürgerschaftli-ches Engagement gewonnen werden.

c) Mentoring-Projekte

Einzelne Freiwilligenagenturen haben in Ko-operation mit Unternehmen Patenschafts-und Mentorenprogramme aufgelegt. Dieskönnen Schüler-Patenschafts-Projekte sein,bei dem Unternehmensmitarbeiter/innendie Begleitung von Schülerinnen und Schü-lern in der Phase der beruflichen Orientie-rung und des Übergangs in eine Ausbildungübernehmen. In anderen Fällen unterstützendie Unternehmensmitarbeiter kulturelle odersoziale Einrichtungen durch ihre Zeitspendeoder auch durch Geldspenden und ermögli-chen damit eine Erweiterung des Angebotes.Auch die Mentoring-Projekte zielen auf dieErweiterung sozialer Kompetenzen der Be-schäftigten, sollen die Mitarbeiter an das Un-ternehmen binden und darüber hinaus dasImage des Unternehmens verbessern (vgl.z.B. www.koelnerkulturpaten.de).

d) Marktplatz-Methode

Ein neueres und noch in der Erprobungspha-se befindliches Projekt ist die sog. Markt-platz-Methode, die mit Unterstützung derBertelsmann-Stiftung derzeit von einzelnenFreiwilligenagenturen durchgeführt wird.4

Die Idee kommt aus den Niederlanden undwird dort unter dem Stichwort „Beursvloer“in vielen Kommunen umgesetzt. Beursvloerheißt so viel wie „Börsenparkett“ und zieltauf die Entwicklung neuer Partnerschaftenzwischen der Kommune, Unternehmen undNon-Profit-Organisationen. Analog zu einerHandelsbörse bieten Unternehmen allerGrößenordnungen verschiedene Dienstleis-tungen wie den Einsatz von Personal, die Be-reitstellung von Fachwissen und Sachmittelnoder die Nutzung unternehmerischer Infra-strukturleistungen. Ausgeschlossen ist dieBereitstellung von Geldsummen. Nachfragerder Leistungen sind Non-Profit-Organisatio-nen wie Vereine und Initiativen, die die Un-terstützung brauchen. Die Anforderung ansie besteht darin, konkrete Bedarfe zu formu-lieren oder auch ausgewählte Projekte zuentwickeln, die sie den Unternehmen anbie-ten. Der Austausch der Angebote vollziehtsich nach dem Muster eines moderierten

Marktplatzes, auf dem Anbieter und Nach-frager ihre (nicht-finanziellen) Geschäfte aus-handeln. Die Aufgabe der Freiwilligenagenturen be-steht darin, Wirtschaftsunternehmen undNon-Profit-Organisationen zu gewinnen, vor-zubereiten und alle Akteure einzuladen, umöffentlich über mögliche neue soziale Part-nerschaften zu verhandeln und diese ab-schließend „vertraglich“ zu vereinbaren.Ähnlich wie bei den anderen Corporate-Cit-zenship-Aktivitäten ist auch die Marktplatz-Methode neben der Ressourcennutzung mitübergeordneten Zielsetzungen verbunden.Es geht darum, dass sich Akteure aus derWirtschaft aus dem Non-Profit-Bereich aus-tauschen und dabei neue Kooperationsbe-ziehungen begründen.

4. WIE GEHT’S WEITER?FRAGEN UND PERSPEKTIVEN

Die Freiwilligenagenturen, die sich im Be-reich von Corporate Citizenship und Corpo-rate Volunteering engagieren, übernehmendabei eine innovative Rolle für die Etablie-rung neuer Kooperationsmodelle zwischenUnternehmen und Non-Profit-Organisatio-nen. Mit ihrer Orientierung auf neue Projek-te und ihrer Offenheit gegenüber Erfahrun-gen in anderen Ländern werden sie zu Prota-gonisten für eine moderne Engagementför-derung, die auch Unternehmen auf neueWeise einbezieht. Allerdings muss ein-schränkend gesagt werden, dass Freiwilligen-agenturen keineswegs ein mächtiger Akteurbei der Etablierung von unternehmerischembürgerschaftlichen Engagement sind. In denOrten, wo sie aktiv sind und ein Kooperati-onsnetz aufgebaut haben, können sie einewichtige Rolle für die Entwicklung undDurchführung neuer Projekte übernehmenund zur öffentlichen Repräsentanz des The-mas beitragen. Allerdings sind bislang nurwenige Freiwilligenagenturen in dem Be-reich aktiv. Dies ist der prekären Situationvieler Freiwilligenagenturen, allerdings auchdem Mangel an fachlichen Kompetenzenund ihrer Prioritätensetzung bei der Ent-scheidung für Aufgabenfelder geschuldet.Die Profilierung von Freiwilligenagenturenund -zentren als Mittler und Makler zwi-schen Wirtschaftsunternehmen und demNon-Profit-Sektor wirft neue Fragen auf undstellt besondere Anforderungen:

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4Mehr Informationen zu dem Projekt unter http://www.bertelsmann-stiftung.de

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a) Brauchen UnternehmenMittlerorganisationen wie

Freiwilligenagenturen?

Die Antworten auf diese Frage fallen beimderzeitigen Stand der Entwicklung uneindeu-tig aus. Einerseits zeigt die Auswertung er-folgreicher Projekte, dass damit die Grundla-ge für eine weitere Kooperation und Folge-projekte gelegt worden ist. Dies spricht füreine Fortsetzung der Zusammenarbeit vonFreiwilligenagenturen, Unternehmen undNon-Profit-Organisationen. Auch die ersten vorliegenden Befragungenvon Unternehmen zeigen, dass diese aufMittlerorganisationen zurückgreifen, weil siesich mit den Organisationsstrukturen im so-zialen Bereich nicht auskennen und weil sieUnterstützung bei der Projektentwicklungbenötigen (vgl. Heuberger / Oppen / Reimer2004, S. 13). Kleine und mittlere Unterneh-men beklagen den Mangel an beratendenOrganisationen in den Kommunen, die alsSchnittstelle zwischen Unternehmen undNon-Profit-Organisationen sowie öffentli-chen Einrichtungen tätig werden und bei derProjektentwicklung behilflich sein könnten(vgl. Maaß / Clemens 2002).Bei den Unternehmen wird aber anderer-seits auch eine skeptische und abwartendeHaltung deutlich. Zwar gibt es ein ausge-prägtes Interesse an kurzfristigen Engage-ment-Projekten als Angebot für die Beschäf-tigten. Bei einem Workshop zu den Entwick-lungsbedingungen von Freiwilligenagentu-ren zeigte sich allerdings, dass bei den betei-ligten Unternehmen bislang wenig Interessean einer Kooperation mit Freiwilligenagentu-ren besteht und deren Kompetenzen in die-sem Bereich bislang kaum sichtbar sind (vgl.LandesEhrenamtsagentur Hessen / Institutfür Organisationskommunikation 2005, S.31). Daraus wird die Schlussfolgerung gezo-gen, dass die Freiwilligenagenturen auch indem Bereich ein professionelles Profil entwi-ckeln müssen, damit sie als verlässliche Ko-operationspartner wahrgenommen werden(ebd., S. 32).Diese Einschätzung bestätigt die Erfahrun-gen erfolgreicher Kooperationen zwischenFreiwilligenagenturen und Unternehmen.Damit passgenaue Projekte und tragfähigeKooperationsbeziehungen entstehen, müs-sen die Agenturen in Vorleistung treten, Pro-jekte und Programme entwickeln, Beziehun-gen zu Unternehmen und gemeinnützigenOrganisationen aufbauen und die Rolle alsAkteur für die Organisation von Freiwilligen-tagen und anderen Aktivitäten übernehmen.

Diese Anforderung führt allerdings in ein be-kanntes und nach wie vor aktuelles Dilemmader prekären Situation vieler Freiwilligen-agenturen und ihrer sehr begrenzten Perso-nalressourcen (vgl. Evers / Riedel 2004). DieEntwicklung innovativer Projekte und derAufbau von Netzwerken erfordern finanziel-le und insbesondere personelle Ressourcen,über die viele Freiwilligenagenturen nochnicht verfügen.Eine Chance wäre natürlich, über solcheDienstleistungen für Unternehmen zusätzli-che finanzielle Mittel einzuwerben. Wäh-rend diese Praxis in den USA selbstverständ-lich ist und eine wichtige Einkommensquelleder lokalen City-Cares-Organisationen dar-stellt, wird dies bislang in Deutschland nurvereinzelt, von einigen wenigen Agenturenpraktiziert. In einem Teil der Programme wiez.B. den Seitenwechsel-Projekten werdenzwar Entgelte für die erbrachte Dienstleis-tung gezahlt. Allerdings decken diese zu-meist nur einen Teil der Kosten ab. Die Fi-nanzierung von Programmen wie Freiwilli-gentagen hängt i.d.R. davon ab, dass die or-ganisierende Freiwilligenagentur dabei auföffentliche Fördermittel zurückgreifen kann.

b) Was können Freiwilligenagenturendazu beitragen, damit aus einmaligen

Aktionen nachhaltiges bürger-schaftliches Engagement entsteht?

Wie kann es gelingen, kurzfristige Aktivitätenin längerfristige Bindungen und Engage-ments zu transformieren und den bürger-schaftlichen Charakter dabei deutlich zu ma-chen? Diese Frage berührt ein Problem desgesamten Aufgabenprofils von Freiwilligen-agenturen. In ihrem Selbstverständnis prä-sentieren sich viele Agenturen als Expertenfür das projektförmige Engagement, für dassich Einzelpersonen oder auch Unterneh-men eine Zeit lang entscheiden und dasnach Ablauf des Projektes beendet ist. Da-mit reagieren sie auf Veränderungen des En-gagements und die Erwartungen vieler Enga-gierter auf ein überschaubares, zeitlich be-fristetes Engagement. Aus einer zivilgesellschaftlichen Perspektivebetrachtet zeichnet sich hier allerdings einDilemma ab. Eine lebendige Zivilgesellschaftbraucht engagierte Bürgerinnen und Bürger,für die das Engagement zum Leben dazuge-hört und auf einer selbstverständlichen, imVerlauf des Lebens erworbenen Haltung be-ruht (vgl. Enquete-Kommission „Zukunft desBürgerschaftlichen Engagements“, Deut-

FREIWILLIGENAGENTUREN ALS MITTLER ZWISCHEN UNTERNEHMEN UND NON-PROFIT-ORGANISATIONEN

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scher Bundestag 2002). Dieses Verständnissteht durchaus in einem gewissen Span-nungsverhältnis zu einer Vorstellung von frei-willigem Engagement, das auf einmalige Er-eignisse begrenzt bleibt.Auch bei den kurzzeitigen Aktivitäten wieFreiwilligentagen und den Seitenwechselpro-jekten stellt sich die Frage, wie daraus einlängerfristiges bürgerschaftliches Engage-ment entstehen kann. Die Freiwilligenagen-turen, die Projekte im Bereich von Corpora-te Citizenship durchführen, wollen über dieeinmaligen Aktionen hinausgehend den be-teiligten Unternehmensmitarbeitern/innenZugänge zu einem Engagement eröffnenund weitergehende Engagementaktivitätenermöglichen. Darüber hinaus sollen dauer-hafte Kooperationsbeziehungen zwischenUnternehmen und Non-Profit-Organisatio-nen entstehen. Die Freiwilligenagenturen ha-ben allerdings keinen Einfluss darauf, wieUnternehmen ihr Engagement nach innenund außen kommunizieren, ob und wie dieUnternehmen das Engagement ihrer Be-schäftigten unterstützen und ob sie sich alsverantwortungsvolle Akteure im Gemeinwe-sen betätigen. Den Agenturen verbleibt dieAufgabe der Projektentwicklung und – wennes gelingt – der Vernetzung von Aktivitätenvor Ort und der Präsentation in der lokalenÖffentlichkeit.

c) Welche Ressourcen brauchenFreiwilligenagenturen und -zentren für

Kooperationsprojekte mitUnternehmen?

Voraussetzung für ein stärkeres Engagementder Freiwilligenagenturen bei der Förderungvon Corporate Citizenship ist ein breites Auf-gabenprofil, in dem die Projektentwicklungeine zentrale Rolle einnimmt. Die Beschrän-kung auf die Vermittlung engagementinte-ressierter Bürger und Öffentlichkeitsarbeitreicht nicht aus, um Freiwilligenagenturenund vergleichbare lokale Anlaufstellen alskompetente und professionelle Akteure ei-ner umfassenden Engagementförderung inder Kommune zu profilieren. Die Agenturenmüssen sich vielmehr als lokale Zentren derFörderung und Unterstützung bürgerschaftli-chen Engagements – eben als Entwicklungs-agenturen – präsentieren, die neue Aktivitä-ten anregen, Akteure aus verschiedenen Be-reichen zusammenbringen und neue Koope-rationen und Netzwerke stiften. Die Umsetzung eines solchen Aufgabenpro-fils ist an Voraussetzungen gebunden: die

Verfügung über finanzielle und personelleRessourcen, um diese Aufgaben wahrneh-men zu können, die Unterstützung der Frei-willigenagenturen durch kommunale Akteu-re sowie eine Professionalisierung der Mitar-beiter/innen in den Einrichtungen. Die Erfah-rungen bei erfolgreichen Freiwilligenagentu-ren zeigen, dass diese gut in das lokale Ge-meinwesen eingebunden sind und von Ak-teuren aus Politik, Verwaltung und Non-Pro-fit-Organisationen unterstützt werden. Da-mit die Aktivitäten von Freiwilligenagenturenihre Wirksamkeit im Gemeinwesen entfaltenkönnen, müssen die Einrichtungen in kom-munalpolitische Strategien zur Engagement-förderung integriert sein. Dies geht in vielenFällen mit einer zumindest grundständigenFinanzierung der Einrichtungen durch dieKommune einher. Eine weitere Voraussetzung für eine Profilie-rung der Agenturen bei der Förderung unter-nehmerischen bürgerschaftlichen Engage-ments ist nach innen gerichtet und betrifftdie Professionalisierung der Mitarbeiter/in-nen. Die Kooperation mit Unternehmensetzt voraus, dass die Mitarbeiter in den Frei-willigenagenturen mit unternehmerischemDenken und Handeln vertraut sind. Sie müs-sen zumindest über ein grundlegendes Ver-ständnis und Akzeptanz unternehmerischerHandlungslogiken verfügen. Derartige Wis-sensbestände sind keineswegs selbstver-ständlich in allen Einrichtungen verfügbar,sondern setzen ein entsprechendes profes-sionelles Selbstverständnis und stabile Ein-richtungen mit einer zumindest mittelfristi-gen Perspektive voraus.

d) Welchen Beitrag kannwissenschaftliche Forschung für eine

Profilierung von Freiwilligenagenturenleisten?

Die Ausführungen zu Strukturen, Aufgabenund Anforderungen von Freiwilligenagentu-ren, -zentren und vergleichbaren lokalen An-laufstellen zur Engagementförderung basie-ren weitgehend auf einer detaillierten Kennt-nis des Feldes und erfahrungsgesättigten Be-obachtungen. Es mangelt an empirisch fun-dierten wissenschaftlichen Studien, in denendie Praxis in den Einrichtungen und ihre Rol-le in dem jeweiligen Gemeinwesen in denBlick genommen werden. Die Ergebnissewissenschaftlicher Analysen können sicher-lich nicht nahtlos auf die Praxis übertragenwerden und stellen keine Handlungsanlei-tung dar. Sie können aber einen Beitrag da-

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zu erbringen, Rahmenbedingungen und Ar-beitsweise von Freiwilligenagenturen syste-matisch und methodisch überprüfbar zu un-tersuchen. Dabei gewonnene Erkenntnisseüber Strukturen und Abläufe in den Einrich-tungen und in den Kommunen stellen Wis-sensbestände bereit, die von den Akteurenfür eine Weiterentwicklung ihres Aufgaben-profils und als Begründung ihres Handelnsherangezogen werden können. Darüber hi-naus könnten Untersuchungen und Evaluati-onsstudien dazu beitragen, Voraussetzun-gen und Bedingungen für die erfolgreicheUmsetzung von Projekten z.B. im Bereichdes unternehmerischen bürgerschaftlichenEngagements zu identifizieren und diesesWissen anderen Agenturen bereitstellen.

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FREIWILLIGENAGENTUREN ALS MITTLER ZWISCHEN UNTERNEHMEN UND NON-PROFIT-ORGANISATIONEN

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PROF. DR. GISELA JAKOB

Hochschule Darmstadt

Fachbereich Sozialpädagogik

Adelungstr. 51

64283 Darmstadt

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HEINZ JANNING

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Freiwilligen-Agentur Bremen

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Dammweg 18-20

28211 Bremen

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[email protected]

22Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

G. JAKOB, H. JANNING

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Dieses Buch bietet eine bewährte, prakti-sche Einführung in das Experteninterview.Es beschreibt die Details von Vorbereitungund Durchführung des Interviews, zeigtBeispiele und gibt zahlreiche wichtigeTipps. Experten werden hierbei als Trägervon erfahrungsgestütztem Sonderwissenaufgefasst. Das Experteninterview soll hel-fen, das erfahrungsgestützte Wissen gezieltzu erfassen und von dem Allerweltswissen„aus zweiter Hand“ des Experten zu tren-nen. Die Einführung richtet sich an alle, diemit Experten Interviews durchführenmöchten, aber nicht über eine spezifische,sozialwissenschaftliche Methodenausbil-dung verfügen.

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www.psychologie-aktuell.com

innenteil.qxd 22.03.2007 13:50 Seite 22

Hospitationen zwischen sozialen Organisa-

tionen und Wirtschaftsunternehmen sind ei-

ne besondere Form des Corporate Voluntee-

ring, bei dem Einblicke in andere Welten zu-

gelassen werden. Sie ermöglichen sowohl auf

individueller als auch auf organisationaler

Ebene wichtige Lernprozesse. Hospitationen

sind stets eine Intervention, die nicht nur den

Hospitierenden, sondern auch den Hospitati-

onsbereich zu verändern vermag. Allerdings

brauchen Hospitationen eine systematische

Vorbereitung, Begleitung und Nachberei-

tung. Auf der Grundlage einer qualitativen

Auswertung werden die wesentlichen Erfolgs-

bausteine eines kooperativen Wissenstrans-

fers vorgestellt und diskutiert.

Schlüsselwörter: Hospitationen, Wissens-

transfer, Corporate Volunteering, interorgani-

sationales Lernen.

„Learning on the Job – of another”Cooperation of Knowledge between SocialOrganizations and Business Companies

Observation visits between social organizati-

ons and business companies are a special

type of corporate volunteering, allowing a

profound insight into a different world. They

enable important processes of learning, as

well on an individual level, as on an organiza-

tional level. An observation visit is an inter-

vention, which does not only have an impact

on the observation visitor, but is furthermore

able to change the field of observation. Ob-

servation visits do need systematical prepara-

tion, supervision und debriefing. Based on a

qualitative analysis the essential elements of

success for a cooperational transfer of

knowledge are presented and discussed.

Key words: observation visits, transfer of

knowledge, corporate volunteering, interor-

ganizational learning

EINLEITUNG

Im Folgenden wird mit dem Konzept derWissenskooperationen eine besondere Vari-ante des Corporate Volunteering vorgestellt.Einwöchige wechselseitige Hospitationenzwischen Personen (in der Regel Führungs-kräften) aus sozialen Einrichtungen und Wirt-schaftsunternehmen ermöglichen den Aus-tausch und die Erweiterung von Wissen undErfahrungen zwischen unterschiedlichen Pra-xisgemeinschaften. Unter dem Namen Sei-

tenwechsel, Altera oder Switch (vgl. Projekt-gruppe SeitenWechsel 1998; Mutz/Korfma-cher 2000; vgl. den Beitrag über die Projekt-gruppe Blickwechsel in diesem Heft) hat sichin den vergangenen Jahren eine vielfältigeLandschaft an Konzepten ausgebildet, diezeigt, dass „professionell gestaltete Corpora-te Volunteering-Projekte direkte und positiveRückwirkungen für Unternehmen haben“(Riess/Placke 2006; vgl. dort auch die Hin-weise zu Secondment-Projekten, bei denenArbeitgeber ihre Mitarbeiter längerfristig fürgemeinnützige Aufgaben freistellen). Mitdem Konzept der Wissenskooperationen

wurde eine Form des kooperativen Wissens-managements entwickelt, durch die der Wis-senstransfer zwischen sozialen Einrichtun-gen und Wirtschaftsunternehmen unter-stützt werden soll (vgl. Endres/Waibel 2003).Eine besondere Chance von Wissenskoope-rationen besteht darin, unternehmenskultu-relle Muster in der eigenen Organisationwahrzunehmen, ihre lokale Wirkung aufkonkrete Situationen zu reflektieren und ggf.Ansatzpunkte für Veränderungen zu gewin-

„ LEARNING ON THE JOB – OF ANOTHER“

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BETTINA DREXLER, EGON ENDRES

„ LEARNING ON THE JOB – OF ANOTHER“WISSENSKOOPERATIONEN

ZWISCHEN SOZIALEN ORGANISATIONEN

UND WIRTSCHAFTSUNTERNEHMEN

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nen. Der so ermöglichte Blick von außen

kann helfen, überkommene Gewohnheiten,unangemessene Interpretationen und behin-dernde Rahmenbedingungen aufzuspüren.Gleichzeitig sind Wissenskooperationen ge-eignet, sich der Stärken der eigenen Organi-sation bewusst zu werden, um diese mög-lichst effektiv nutzen zu können. Der nachfolgend beschriebene Projektan-satz1 zeigt auf, dass ein Wissenstransfer zwi-schen sozialen Einrichtungen und Wirt-schaftsunternehmen gerade wegen des kom-plementären Wissensbedarfs beider Seitensinnvoll ist (vgl. Waibel/Endres 1999; Waibelet al. 2003). So liegt eine Kernkompetenz so-zialer Einrichtungen darin, soziale Beziehun-gen und gruppendynamische Prozesse aktivzu gestalten. Wirtschaftsunternehmen verfü-gen hingegen über weiterentwickelte Kennt-nisse des Kostenmanagements, der Organi-sationsentwicklung und des Marketings. InZeiten knapper öffentlicher Kassen und derdamit einhergehenden Verpflichtung zu öko-nomischerem Handeln in sozialen Einrich-tungen einerseits und erhöhtem Bedarf andifferenzierterer sozialer Wahrnehmung undsozialen Kompetenzen in der Wirtschaft an-dererseits wird hier eine Chance für koope-ratives Wissensmanagement gesehen. Aller-dings machen Wissenskooperationen zwi-schen verschiedenen Praxisgemeinschaftenspezifische Methoden und Verfahren erfor-derlich. Dabei kommt den beteiligten Wis-senschaftlerInnen die Aufgabe zu, horizonta-le oder vertikale Fluchttendenzen der Hospi-tierenden zu erkennen und zu spiegeln, umLernprozesse zu fokussieren. Im Sinne „re-flexiver Intervention“ (Moldaschl 2001) be-darf es einer inhaltlichen wie zeitlichenStrukturierung des Lernprozesses.

KOMPLEMENTÄRER WISSENSBEDARF BEI

SOZIALEN EINRICHTUNGEN UND

WIRTSCHAFTSUNTERNEHMEN

Eine wichtige Zielperspektive von Wissens-management ist die intelligente Vernetzungverteilter Wissenspotentiale durch Koopera-tion. Organisierte Formen des Wissensmana-gements erfordern neuartige Verknüpfungs-leistungen und eine „Kommunikation mithil-

fe von Wissen“ (Baecker 1998). Die Nut-zung gesellschaftlicher Wissensressourcendurch die Kooperation von Organisationen,die weder in einem gemeinsamen Produkti-onsverhältnis stehen noch miteinander kon-kurrieren, bildet bislang eher die Ausnahme.Dass ein solcher Wissenstransfer durchausgewinnbringend sein kann, wird deutlich,wenn man sich vor Augen führt, dass auchdas gesellschaftliche Wissen als verteiltesWissen existiert. So verfügen die verschiede-nen Organisationen einer Gesellschaft überunterschiedliche, einander teilweise ergän-zende Wissensbestände. Wie nachfolgendgezeigt werden soll, gilt dies in besondererWeise für soziale Einrichtungen und Wirt-schaftsunternehmen.Über welche Art von Wissen eine Organisa-tion verfügt, ist wesentlich eine Folge derAusdifferenzierung und Spezialisierung. Da-bei finden im Hinblick auf die produktiveAusrichtung einer Organisation kontinuierli-che Lernprozesse statt, die auf eine fortlau-fende Anpassung an die jeweilige Organisa-tionsumwelt ausgerichtet sind. So entwickeltjede Organisation im Laufe der Zeit eigenes,organisationsspezifisches Wissen, das auf ih-re Produkte, auf die damit verbundenen Her-stellungs- und Verkaufsbedingungen sowieauf die im Laufe der Jahre gewachsenen Or-ganisationsstrukturen und die darin gepfleg-ten kulturellen Muster zugeschnitten ist. Umwettbewerbsfähig zu bleiben, steht die Wis-sensentwicklung in Wirtschaftsunternehmenbeispielsweise unter dem Primat der Ökono-mie. Die effiziente Gestaltung des Produkti-onsprozesses gehört folglich zu den Kern-kompetenzen eines Wirtschaftsunterneh-mens. In sozialen Einrichtungen liegt hinge-gen ein großer Erfahrungsschatz bezüglichder professionellen Gestaltung kooperativerProzesse vor: Zum einen verfügen die im Be-reich der Sozialen Arbeit tätigen Menschenaufgrund ihrer Ausbildungen über einschlägi-ge Kenntnisse hinsichtlich sozialer Prozesseund gruppendynamischer Problemstellun-gen. Zum anderen ist in diesem Tätigkeits-feld häufig Teamarbeit und das Eingehen ko-operativer Beziehungen wesentlicher Be-standteil der täglichen Praxis. Durch die Ver-knappung der staatlichen Mittel im Bereichder Sozialen Arbeit wurde auf der anderenSeite eine Diskussion um die Finanzierung

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Heft 1/2007

B. DREXLER, E. ENDRES

1Das Projekt "Kooperatives Wissensmanagement - Wissenstransfer zwischen sozialen Einrichtungen und Wirtschafts-unternehmen durch wechselseitige Hospitationen" wurde gefördert durch das BMBF-Programm AFUE, Förderkenn-zeichen Nr. 1707699. Die Projektleitung lag in den Händen von Mira Chr. Waibel und Egon Endres. Die in diesemBeitrag vorgestellten theoretischen und methodischen Ansätze gingen in entscheidendem Maße aus einer mehrjäh-rigen freundschaftlichen Zusammenarbeit mit Mira Chr. Waibel hervor.

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der zu erbringenden sozialen Leistungenentfacht. Eine Auseinandersetzung mit be-triebs- und verwaltungswirtschaftlichen Fra-gestellungen ist mittlerweile auch für sozialeOrganisationen unumgänglich. Inwieweitdie im Bereich der Sozialen Arbeit eingelei-teten Ökonomisierungsmaßnahmen erfolg-reich sind, ist nicht zuletzt davon abhängig,ob das entsprechende betriebswirtschaftlich-organisatorische Know-How zur Verfügungsteht und genutzt werden kann.

METHODISCHES VORGEHEN

Die praktische Umsetzung des Gestaltungs-konzeptes „Wissenstransfer durch Hospita-tionen“ erfolgt in drei Phasen: (a) Dialogi-sche Rekonstruktion der Wissensprofile allerbeteiligten Unternehmen bzw. Organisatio-nen, (b) Durchführung der Hospitationenund (c) Auswertung und Verallgemeinerungder Hospitationserfahrungen in Dialogforen.Diese drei Phasen werden im Folgenden be-schrieben.

(a) Dialogische Rekonstruktion der Wissens-

profile

Im ersten Schritt werden mit den Kooperati-onspartnern – also mit allen am Projekt be-teiligten Personen aus sozialen Organisatio-nen und Wirtschaftsunternehmen – die spe-zifischen Wissensprofile ihrer Abteilungen,Arbeitsbereiche bzw. Organisationen dialo-gisch rekonstruiert. Mithilfe von leitfadenori-entierten Interviews werden relevante As-pekte zur Beschreibung der potentiellenHospitationsfelder erfragt, z.B. welche typi-schen Produkte bzw. Dienstleistungen vonden betreffenden Abteilungen, Arbeitsberei-chen bzw. Organisationen angeboten wer-den, welche Organisationsstrukturen ihnenzugrunde liegen, welche externen Netzwer-ke von ihnen gepflegt werden etc. Darüberhinaus gilt es, sowohl den subjektiven Wis-sensbedarf der Führungskräfte und ihrer je-weiligen Abteilungen, Arbeitsbereiche bzw.Organisationen zu erheben als auch heraus-zufinden, welches Wissen von ihnen im Ge-genzug angeboten werden könnte. Alle Wis-sensprofile werden in einem so genanntenWissenspool zusammengeführt, aus demdann die passenden Lernpartner für konkre-te Hospitationen ausgewählt werden kön-nen.

(b) Durchführung der Hospitationen

Sind passende Lernpartner – aufgrund ihreskomplementären Wissensbedarfs und Wis-

sensangebots – gefunden, geht es im nächs-ten Schritt um die Gestaltung der eigentli-chen Hospitationszeit. Ist ein geeigneterZeitraum von fünf Tagen für die Hospitationvereinbart, werden im Sinne des legitimier-

ten, peripheren Zugangs in die Praxisge-meinschaft (zur Begrifflichkeit vgl. Lave &Wenger, 1999) so genannte Hospitationsauf-

gaben definiert. Durch diese Aufgaben solldem Hospitierenden eine legitimierte Beteili-gung an den Tätigkeiten im Hospitationsfeldermöglicht werden, die in Bezug auf die ge-steckten Lernziele relevant ist. Das Kriteriumder Peripherikalität wird insofern umgesetzt,als der Hospitierende zwar bestimmte Auf-gaben bearbeitet, aber nicht im eigentlichenSinne mitarbeitet, so dass er von unmittelba-rem Handlungsdruck befreit ist.In der Regel hat der Hospitierende zwei Ty-pen von Aufgaben zu bearbeiten, die seitensdes Projekts durch gezielte didaktischeStrukturierung unterstützt werden. (1) Beider Transfer-Aufgabe geht es darum, dasKnow-How des Hospitationsfeldes zu nut-zen, also Konzepte, Instrumente oder Strate-gien im Hospitationsfeld kennen zu lernen,die für den Hospitierenden und seine Her-kunftsorganisation interessant sein könnten.(2) Bei der Feedback-Aufgabe wird vom Hos-pitierenden hingegen erwartet, dass er seinWissen, seine Fertigkeiten und Erfahrungenzugunsten der besuchten Abteilung ein-bringt, indem er dem Leiter bzw. den Mitar-beitern des jeweiligen Hospitationsfeldes ei-ne beratende Rückmeldung hinsichtlich be-stimmter Aspekte gibt. Zur Veranschauli-chung im Folgenden ein Beispiel: Der Leitereiner großen Jugendbildungseinrichtunghospitiert in der Ausbildungsabteilung einesmittelständischen Industriebetriebes. Der aufSeiten des Hospitierenden artikulierte Wis-sensbedarf lässt sich durch die Frage charak-terisieren: „Wie können bei uns Abläufewirtschaftlicher gestaltet werden?“ Insbeson-dere interessiert ihn, wie moderne Führungs-instrumente effektiv umgesetzt werden kön-nen (weitere Beispiele für Transferaufgabenin Tab. 1). Auf Seiten des Hospitationsfeldeswerden hingegen die einschlägigen Kompe-tenzen des Hospitierenden hinsichtlich derGestaltung gruppendynamischer Prozessenachgefragt. So artikuliert der Abteilungslei-ter des besuchten Wirtschaftsunternehmensden Wunsch, durch den Hospitierendenqualifizierte Hilfestellung im Hinblick aufTeamentwicklung und Gruppenbildung zuerhalten (weitere Beispiele für Feedbackauf-gaben in Tab. 2).

„ LEARNING ON THE JOB – OF ANOTHER“

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Heft 1/2007

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Das Projekt übernimmt schließlich die super-

vidierende Begleitung der Hospitationen. Esträgt dafür Sorge, dass vor dem Beginn ge-meinsam ein Hospitationsfahrplan erstelltwird, der gewährleistet, dass für beide Aufga-ben des Hospitierenden vergleichbare Kapa-zitäten und genügend Unterstützung zurVerfügung stehen. Gleichzeitig bietet dasProjekt den Lernpartnern instruktionale unddidaktische Begleitung an. Dies geschieht inAnlehnung an Methoden des Situierten Ler-

nens (vgl. Lave & Wenger, 1999). So bildenreale Fallprobleme (typische Situationen desArbeitsalltags, durch die der Wissensbedarfdeutlich wird) den Ausgangspunkt für die

Lern- und Transferprozesse. Durch regelmä-ßige Treffen mit Projektmitarbeitern (ca. drei-mal pro Hospitationsphase) werden dieLern- und Kooperationsprozesse im Sinneder Methode des Coachings stimuliert.

(c) Auswertung der Hospitationserfahrungen

in Dialogforen

Über die gesamte Projektlaufzeit finden inregelmäßigen Zeitabständen so genannteDialogforen statt, die zwei zentrale Zielstel-lungen haben. Zum einen sollen die gesam-melten Hospitationserfahrungen in Gesprä-chen und Diskussionen mit den direkt Betei-ligten sowie mit weiteren Vertretern aus so-

26Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

B. DREXLER, E. ENDRES

Aufgabenbereich Inhalt

Arbeitsformen in belasteten Situationen

Wie lässt sich in der Werkstatt für Menschen mitBehinderung, als einem Ort mit vielfältigen sozia-len Problemen, dauerhaft arbeiten? Welche pro-fessionellen Bewältigungsformen gibt es?

Umgang mit MitarbeiterInnen

Welche Spielräume sollte man MitarbeiterInnengewähren? Wo sollten sie in Entscheidungen ein-bezogen werden, wo nicht? Wie sollte mit Kon-flikten umgegangen werden?

Balance von Tagesgeschäft und grund-sätzlichen Entscheidungen

Welche persönlichen Arbeitsstile ermöglichen es,ausreichend Raum für strategische und strukturel-le Entscheidungen zu erhalten?

Kooperation mit dem BetriebsratWie lässt sich die betriebliche Interessenvertre-tung bei Veränderungsprozessen einbeziehen?Wo sollte sie einbezogen werden?

TABELLE 1:

Beispiele für Transfer-

aufgaben

Aufgabenbereich Inhalt

Aufgabendelegation und strategischesManagement

Welche operativen Aufgaben lassen sich delegie-ren, um handlungsfähig bleiben und flexibel aufveränderte Umweltbedingungen reagieren zukönnen?

Aufbau eines Kompetenzprofils von Ein-richtungs-LeiterInnen auf der zweitenFührungsebene

Wie lässt sich das eher "patriarchalische" Füh-rungsmodell abbauen? Welche Kompetenzensind auf der zweiten Führungsebene zu entwi-ckeln? Welche teamorientierten Führungsstruktu-ren sind denkbar?

Umgang mit schnellem Wachstum

Wie lassen sich kleinbetriebliche Kommunikati-ons- und Organisationsformen auf dem Weg zueinem mittelständischen Betrieb weiterentwi-ckeln? Was ist notwendig, damit neue Mitarbeite-rInnen die Grundhaltungen der Einrichtung über-nehmen und leben können?

Bearbeitung von KonfliktenWie viel Zeit und welche Formen sind für dieKonfliktbearbeitung und -begleitung bei Mitarbei-terInnen angemessen?

TABELLE 2:

Beispiele für Feed-

backaufgaben

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zialen Organisationen, Wirtschaftsunterneh-men und Wissenschaft reflektiert und verall-gemeinert werden. Das Herausarbeiten vonbest practices und Chancen der Implementa-tion der Methode der wechselseitigen Hos-pitationen im Rahmen umfassenderer Perso-nalmanagement-Strategien stehen dabei imMittelpunkt. Zum anderen sollen die Dialog-foren jedoch auch Begegnungsmöglichkei-ten für Personal- oder Weiterbildungsverant-wortliche beider Seiten schaffen, um ge-meinsam auszuloten, inwieweit weitere Wis-senskooperationen realisiert werden kön-nen.

ERGEBNISSE

Nach Abschluss der Pilotisierungsphase wur-de eine Projektevaluation vorgenommen,die in der Form einer qualitativen Auswer-tung von Einzelinterviews die Erfolgsbaustei-ne eines kooperativen Wissenstransfers zwi-schen sozialen Einrichtungen und Wirt-schaftsunternehmen ermittelt. Anhand vonLeitfadeninterviews wurden acht Teilnehme-rInnen des Projektes einzeln befragt. Unterden InterviewpartnerInnen waren siebenMänner und eine Frau. Gemäß dem Kon-zept der gegenseitigen Hospitation von Be-schäftigten aus der Wirtschaft und aus demsozialen Sektor waren je vier Personen in ei-ner der beiden Welten tätig. Alle Befragtenwaren zur Zeit ihrer Projektteilnahme seitmehreren Jahren in ihrer Organisation be-schäftigt. Zwei der Befragten hatten zumZeitpunkt des Interviews einen Stellenwech-sel zu verzeichnen. Für die Interviews wurdeein halbstandardisierter Interviewleitfadennach Lamnek (1995) verwendet, wobei diegewählte Interviewform neben dem narrati-ven Interview auch Aspekte des problem-zentrierten und fokussierten Interviews um-fasste.Auf der Grundlage der drei Forschungsfra-gen:– Welches sind die Erfolgsbausteine eines

kooperativen Wissenstransfers aus Sichtder Beteiligten?

– Welche komplementären Wissensbestän-de in sozialen Einrichtungen und Wirt-schaftsunternehmen werden von den Be-fragten benannt?

– Wie sind die individuellen und organisatio-nalen Kompetenzen aus der Sicht der Be-fragten gewinnbringend erweitert worden?

bezog sich der Interviewleitfaden auf dievier Forschungsbereiche:

1. Wissensprofile2. Wissenstransfer3. Innovatives Lernen und4. Vorurteile versus Erfahrungen.

Schwerpunkt der Interviews waren Fragennach den Erwartungen an die Projektteilnah-me und damit verbunden nach dem persön-lichen und beruflichen Nutzen der Hospitati-onserfahrungen und des Wissenstransfers.Daneben nahmen Fragen nach notwendigenRahmenbedingungen für einen kooperativenWissenstransfer als auch nach der Bewer-tung des Lerncoachings einen zentralenRaum ein.Die mittels Tonband erfassten Interviewda-ten wurden wörtlich transkribiert und dabeianonymisiert. Zur Datenauswertung wurdein Bezug auf das vorliegende Forschungsthe-ma eine Auswertungsmethode entworfen,die zum einen auf der interpretativ-redukti-ven Auswertungsmethode und zum anderenauf der qualitativen Inhaltsanalyse nach May-ring (1995) unter dem Aspekt der inhaltsana-lytischen Zusammenfassung beruht.Auf der Grundlage komplementärer Wis-sensbestände zeigte sich aufgrund des inter-organisationalen, kooperativen Wissensma-nagements zunächst eine allgemeine Hori-zonterweiterung. Darüber hinaus konnte imHinblick auf die Vermittlung von Orientie-rungswissen ermittelt werden, welche Wis-sensbestände aufgrund vorhandener Ge-meinsamkeiten in Bezug auf Unternehmens-kultur, Werteprioritäten und Ablaufstruktu-ren in das eigene Unternehmen hinein trans-ferierbar wären, und in einem weiterenSchritt konnte bei einigen Hospitationspart-nern auch ein gezielter Transfer konkreterkomplementärer Wissensbestände erreichtwerden. Der so erfolgte systematische Erfah-

rungs- und Know-How-Transfer konnte in denBereichen des expliziten Wissens durch Nut-zung von systematisch gespeicherten, digita-len Wissensbeständen in Verbindung mit im-pliziten Wissensbestandteilen und erfah-rungsbezogenen Kompetenzen erfolgenund mittels praktischer Umsetzung und di-rekter Einbringung in die eigene Organisati-on in Form von embodied (erfahrungsbezo-genem) und encoded (festgehaltenem) Wis-sen verstetigt werden.Als Erfolgsbausteine für diesen kooperativenWissenstransfer wurden erstrangig die Ele-mente des professionellen Lerncoachingsbenannt. Bezüglich der Qualität der Wis-sensbestände wurde ermittelt, dass Situiertes

Lernen mittels Hospitationen dort erfolgreichumgesetzt werden kann, wo sowohl ein Wis-

„ LEARNING ON THE JOB – OF ANOTHER“

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Heft 1/2007

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sensgefälle existiert, „damit auf technischerArt ein Fluss stattfinden kann“ (Interviewzi-tat, vgl. Drexler 2002), als auch „genügendÄhnlichkeiten da sind, dass man davon (von-einander) etwas lernen kann“ (Interviewzi-tat, vgl. Drexler 2002), d.h. um Assoziatio-nen in den eigenen Arbeitsbereich hinein er-möglichen zu können. Sind diese Vorausset-zungen erfüllt, so kann ein realer Wissens-transfer verteilt vorliegender Wissensbestän-de erfolgen und mittels des aktionsbetontenAnsatzes auch ein Zugang zu impliziten undstillen (tacit) Wissensbeständen geschaffenwerden. Eine weitere grundlegende Bedin-gung liegt dabei in der Ermöglichung undGewährleistung einer den Transferprozesstragenden Vertrauensbeziehung sowohl derKooperationspartner untereinander als auchzwischen Kooperationspartnern und Coach.Zu den genannten Erfordernissen des Lern-coachings müssen noch weitere Anforderun-gen an den Hospitationspartner und somitan die Ausgestaltung der Hospitation in derjeweiligen Praxisgemeinschaft erfüllt sein,um die Voraussetzungen einer lernförderli-chen Einbindung der HospitantInnen ge-währleisten zu können. Diese Anforderun-gen sind: Partizipation, Offenheit und ver-fügbare Zeit.Die Grenzen eines Kooperativen Wissens-transfers liegen demnach erstrangig in zu un-terschiedlichen Kooperationsbereichen,denn „wenn es ganz anders wäre (…) dannkann ich nichts davon lernen, dann ist es et-was Exotisches, das ich bewundere oder ver-achte (...), wo ich nichts assoziieren kann fürden eigenen Bereich“ (Interviewzitat, vgl.Drexler 2002). Hierbei sind meist extrem dif-ferierende Betriebskulturen und Wertepriori-täten als auch zu unterschiedliche Berufs-identitäten dafür verantwortlich, dass einwirksamer Transferprozess nicht zu Standekommt.Komplementäre Wissensbestände von sozia-len Einrichtungen und Wirtschaftsunterneh-men wurden hauptsächlich in den Bereichender sozialen Kompetenz und Mitarbeiterfüh-rung bzw. in einem effizienten Managementund einer strategischen Unternehmensfüh-rung gesehen. Der erfolgte Austausch vonWissensbeständen wurde meist als koopera-tiver Prozess mit einem gleichwertigen Wis-senstransfer gewertet. Im Mittelpunkt derLernformen stehen dabei das Miterleben derpraktischen Betriebskultur und das Einbrin-gen der Außenperspektive des Hospitations-partners – Learning by doing – auf der einenSeite: „Das direkte Dabeiseinkönnen, daswar das effektivste, und das direkte Tundür-

fen natürlich nur in dem Bereich, wo ichauch Kompetenz habe.“ (Interviewzitat, vgl.Drexler 2002) und Einbringen der Außenper-spektive mittels Feedback auf der anderenSeite: „Professionelles Feedback ist sehr sel-ten in so einem Unternehmen, die Zeitnimmt sich keiner. Deswegen ist genau dasjetzt, wo die Hospitation wirklich Sinn ma-chen kann.“ (Interviewzitat, vgl. Drexler2002). Dies sind innovative Lernformen, dieden Rahmen üblicher Lernmethoden in Fort-und Weiterbildung übersteigen und ein un-mittelbares Lernen durch Erleben ermögli-chen. Die Verstetigung des Wissens in der ei-genen Organisation erfolgte hierbei erstran-gig über kommunikative Prozesse und Maß-nahmen des Lerncoachings.Über die neu entstandenen bzw. vertieftenArbeitsbeziehungen wurden kompetenteAnsprechpartner gewonnen und Experten-wissen für die eigene Organisation zugäng-lich gemacht. Im Sinne der Sensibilisierunggegenüber unternehmenskulturellen Beson-derheiten fand eine Reflexion der eigenenkulturellen Muster und Ablaufstrukturen so-wie der eigenen Stärken und Wissensbestän-de statt, was auf der metakognitiven Wis-sensebene zu einer differenzierten Wahr-nehmung eigener bewusster und latenterWissensbestände geführt hat. So wurdedurch das gezielte Einbringen der Außenper-spektive der HospitantInnen in den meistenFällen ein Überprüfen von Traditionen undSelbstverständlichkeiten angeregt. Darüberhinaus wurden auch Ansatzpunkte für Ver-änderungsmaßnahmen erarbeitet bzw. be-kräftigt. Auch konnte hier das Innovationsler-nen an einigen Stellen erfolgreich umgesetztwerden, insofern neue Lösungsansätze inOrganisationen eingebracht und funktionalgebundenes Wissen aufgebrochen werdenkonnte. Wie diese empirischen Befunde zei-gen, wurden die Projektziele, neue Erfahrun-gen und die Reflexion der eigenen organisa-tionskulturellen Besonderheiten und Wis-sensbestände zu ermöglichen, erreicht (vgl.Tab. 3).Der Handlungsbedarf hinsichtlich des Pro-jektes bzw. seiner Umsetzung wird von denBefragten primär in einer konsequenten Vor-bereitung, Begleitung und Nachbereitunghinsichtlich der Lernziele, eindeutiger Erwar-tungen und erfahrungsnaher Reflexion sowieProjekttransparenz gesehen. So liegt derHandlungsbedarf in der generellen und kon-sequenten Umsetzung des Lerncoachings,so wie es im Konzept vorgesehen ist. Wasnun die Umsetzung des Lerncoachings unddie Idee der individuellen Anwendung auf

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B. DREXLER, E. ENDRES

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die jeweiligen HospitantInnen betrifft, sowird hier die Sicherstellung der Relation zwi-schen der Intensität der Hospitationen alsauch der Ausdehnung und Tiefe der Beglei-tung gefordert. Bezüglich der Auswertungund Nachbereitung wurde zum einen dieNotwendigkeit gesehen, die anfänglich for-mulierten Lernziele im Hinblick auf die Rea-lität der Hospitationserfahrungen hin zu veri-fizieren und das abschließende Auswer-tungsgespräch auf diese überarbeitetenLernziele hin auszurichten. Die Nachberei-tung wird hierbei als Kernstück des Lerncoa-chings gesehen, da „ohne Betreuung von ei-nem Nichtbeteiligten (...) irgendwo zwischen20 und 30 Prozent von dem rüberkommt,was bei einem guten Coach rüberkommt“(Interviewzitat, vgl. Drexler 2002).

FAZIT

Den Ansatz des Corporate Volunteering auf-greifend, Humanressourcen punktuell sozia-len Projekten bzw. Einrichtungen zur Verfü-gung zu stellen, geht das Projekt „Wissens-

kooperationen“ noch einen Schritt weiter:Durch die Wechselseitigkeit der Hospitatio-nen findet ein partnerschaftlicher, gleichwer-tiger Erfahrungs- und Know-How-Transferstatt. Im Vergleich zu den üblichen Formender Fort- und Weiterbildung stellt der hospi-tationsgeleitete Zugang zu neuen Wissens-beständen ein erhebliches Innovationspo-tential dar und kann als eine neue Form derunternehmerischen Personalentwicklung be-trachtet werden. Das Mitleben und das Mit-agieren in einer neuen Praxisgemeinschaftwird als etwas Besonderes wahrgenommen,da es neben den gängigen Weiterbildungs-angeboten die Chance bietet, aus dem eige-nen Kontext herauszukommen und die eige-nen Wertmaßstäbe, Einstellungen und Hand-lungsfähigkeit überprüfen zu können. Um indiesem Interaktionsprozess in der fremdenPraxisgemeinschaft über den Gedanken desbetrieblichen Freiwilligenprogramms hinausauch Zugang zu stillen Wissensbeständenzu bekommen, ist ein systematischer und un-terstützter Erfahrungs- und Know-How-Trans-fer mittels wechselseitiger Hospitationsauf-gaben wichtig. Eine konkret geplante und

„ LEARNING ON THE JOB – OF ANOTHER“

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Heft 1/2007

Ergebnisse FF 1 Ergebnisse FF 2 Ergebnisse FF 3

Organisationsbedingte VoraussetzungenMindestmaß an Ähnlichkeiten;Wissensgefälle;Gegenseitigkeit

Wissensbestände sozialerEinrichtungenSoziale Kompetenz;Idealismus;Mitarbeiterführung

Erweiterte KompetenzenGeschäftsbeziehungen;Effektives HandelnSoziale Kompetenz;Methodenspektrum

LerncoachingVorbereitung;Begleitung;Nachbereitung

Wissensbestände Wirt-schaftsunternehmenEffektives HandelnStrategische Unternehmens-führung;Umgang mit Macht

TransferAußenperspektive;Erleben praktischer Betriebs-kultur

Auswahl KooperationspartnerKomplementäre Wissensbestände

Praktische LernfelderUnternehmensführung;Methoden der Gruppenar-beit;Soziale Kompetenz;Organisation & Verwaltung

VerstetigungKommunikationsprozesse;Lerncoaching;Learning by doing

Begleitveranstaltungen LernformenPerspektivenwechsel;Learning by doing

Reflexion

Nutzen der HospitationPerspektivenwechsel;Horizonterweiterung

Gestaltung vor OrtLearning by doing

Perspektivenwechsel;Offenheit

TABELLE 3:

Ergebnisse zu den For-

schungsfragen (FF)

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zielgerichtet durchgeführte Transferaufgabebietet die Chance, über eine primär individu-elle Kompetenzerweiterung hinaus auch ex-plizite und implizite Wissensbestände ge-winnbringend für die eigene Organisation zutransferieren. In einem weiteren Schritt istdie Ableitung verpflichtender Konsequenzenaus einem erfolgten Wissenstransfer notwen-dig, um die verzeichneten Ergebnisse auchlangfristig organisationsintern verstetigen zukönnen.Abschließend ist festzuhalten, dass sowohlWirtschaftsunternehmen als insbesondereauch soziale Einrichtungen in vermehrtemMaße vom gegenseitigen Kompetenz- undWissensaustausch profitieren können, umden neuen Herausforderungen an Marktprä-senz, Personalführung, Arbeitsgestaltungund Netzwerkmanagement gerecht werdenzu können. Der Ansatz des kooperativenWissenstransfers ermöglicht dabei im Sinnedes Corporate Volunteering eine wirksameForm der Wissens- und Kompetenzentwick-lung.

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BETTINA DREXLER

Dipl.-Sozialpädagogin (FH)

Rothenberg Süd 16

82431 Kochel am See

E-Mail [email protected]

PROF. DR. EGON ENDRES

Katholische Stiftungsfachhochschule

München

Preysingstr. 83

81667 München

E-Mail: [email protected]

30Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

B. DREXLER, E. ENDRES

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Die vorliegende Arbeit untersucht die Frage,

ob der Stellenwert der gesellschaftlichen Ver-

antwortung für das Unternehmen von Füh-

rungskräften, Betriebsräten und Vertretern

des HR-Managements unterschiedlich einge-

schätzt wird. Im Rahmen der Arbeiten zum

Projekt „TiM – Transfer innovativer Unterneh-

mensmilieus“1 wurden 41 teilstandardisierte

Interviews mit Führungskräften, Betriebsräten

und Vertretern des HR-Managements aus ins-

gesamt 8 Unternehmen durchgeführt. Der

Stellenwert der gesellschaftlichen Verantwor-

tung wurde über eine Karten-Sortieraufgabe

operationalisiert. Dabei schätzen Führungs-

kräfte den Stellenwert der gesellschaftlichen

Verantwortung für das Unternehmen signifi-

kant höher ein als Betriebsräte. In einer ergän-

zenden qualitativen Analyse der Interview-

aussagen bringen Führungskräfte ein breiteres

Spektrum an Themen mit dem Begriff der ge-

sellschaftlichen Verantwortung in Verbindung

als Betriebsräte oder Vertreter des HR-Ma-

nagements. Diese Unterschiede werden als

eine potenzielle Quelle von Konflikten im

Unternehmen diskutiert.

Schlüsselwörter: Gesellschaftliche Verantwor-

tung, Corporate Social Responsibility, Wert-

orientierungen in Organisationen

Social Responsibility as a Corporate ValueA Qualitative and Quantitative Study of thePerspectives of Leaders, Works Councilorsand HR Managers

This paper investigates whether there are dif-

ferences between leaders, works councilors

and HR managers as to their perceptions of

the importance of social responsibility. In the

course of research on project „TiM – transfer

of innovative corporate cultures“, 41 semi-

standardized interviews were conducted

with leaders, works councilors and HR mana-

gers from 8 different companies. The impor-

tance of social responsibility was operatio-

nalized by means of a sorting exercise. Lead-

ers attached significantly higher importance

to social responsibility than works councilors

did. In a qualitative analysis of interview re-

sponses undertaken to supplement quantita-

tive results, leaders associated a broader

spectrum of topics with the term ‘social re-

sponsibility’ than both works councilors or

HR managers did. These differences are dis-

cussed as a potential source of conflict within

the organization.

Key words: corporate social responsibility, or-

ganizational values

GESELLSCHAFTLICHE VERANTWORTUNG ALS UNTERNEHMENSWERT

31Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

ALEXANDER PUNDT, ERKO MARTINS, CLAES S. HORSMANN, FRIEDEMANN W. NERDINGER

GESELLSCHAFTLICHE VERANTWORTUNG ALS

UNTERNEHMENSWERT

QUALITATIVE UND QUANTITATIVE. UNTERSUCHUNGEN DER SICHT VON

FÜHRUNGSKRÄFTEN, BETRIEBSRÄTEN

UND VERTRETERN DES HR-MANAGEMENTS

1Das dieser Publikation zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und For-schung unter dem Förderkennzeichen 01HY0347 geföreert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentli-chung liegt bei den Autoren.

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EINLEITUNG

Nachdem für längere Zeit der Shareholder-

Value-Gedanke (Rappaport, 1995) im Zen-trum der Diskussion um die Ausrichtung vonUnternehmen stand, wird neuerdings die Be-deutung des nachhaltigen Wirtschaftensstärker betont. Themen wie Umweltschutz,Unternehmensethik sowie Transparenz vonUnternehmensabläufen für die Öffentlichkeit(Corporate Governance) bestimmen zuneh-mend die Diskussion. Manche Unterneh-men reagieren darauf und bekennen sich inLeitbildern oder Unternehmensberichten ex-plizit zu Corporate Social Responsibility(CSR) und publizieren mitunter auch Nach-haltigkeitsberichte, in denen das Thema, des-sen Bedeutung für das Unternehmen sowiekonkrete Maßnahmen ausführlich dargestelltwerden (Martina & Endres, 2005). Das ist ei-ne Reaktion auf eine kritischere Öffentlich-keit (von Rosenstiel & Comelli, 2003), aberauch die Unternehmen selbst scheinen im-mer mehr ihre Verantwortung für die Gesell-schaft zu erkennen (Matten & Crane, 2005).So ist es nur konsequent, wenn Unterneh-men vermehrt versuchen, die Ansprüche ver-schiedener Interessengruppen im Sinne ei-nes Stakeholder-Value auszubalancieren (vgl.Busch, 1998). Organisationspsychologie und Betriebswirt-schaftslehre nähern sich dem Themenkom-plex der gesellschaftlichen Verantwortungvon Unternehmen nur sehr zögerlich (z.B.Hansen & Schrader, 2005). In konzeptionel-len Beiträgen zu diesem Thema wird CSR alsein Aspekt einer „erfolgsförderlichen Unter-nehmenskultur“ im Kontext einer immer kri-tischer werdenden Öffentlichkeit angesehen(Sackmann, 2004). Bislang fehlt es aber anempirischen Untersuchungen, die beschrei-ben, wie Unternehmen sich des Themas an-nehmen und welchen Stellenwert CSR inUnternehmen einnimmt. Ferner fehlt es anStudien zur Auswirkung von Maßnahmen imRahmen der gesellschaftlichen Verantwor-tung. Zwar gibt es Untersuchungen zum Ver-hältnis zwischen gesellschaftlicher Verant-wortung und ökonomischem Erfolg (z.B. Si-mon, 1994), weitere, organisationspsycholo-gisch relevante Auswirkungen, etwa auf dasImage als Anbieter bzw. als Arbeitgeberoder auch auf die Identifikation der Mitarbei-ter mit dem Unternehmen wurden bislangempirisch nicht überprüft, obwohl ein sol-cher Effekt durchaus zu erwarten wäre (vgl.Dutton, Dukerich & Harquail, 1994; von Ro-senstiel, 2003). Ferner ist weitgehend unklar,wie verschiedene betriebliche Akteure (Füh-

rungskräfte, Betriebsräte, Mitarbeiter) dieAnforderung der gesellschaftlichen Verant-wortung verstehen, welchen Stellenwert sieihr zumessen und wie sie mit ihr umgehen.Eine Ausnahme bildet die Untersuchung vonHauser-Ditz und Wilke (2004), nach derenBefunden Betriebsräte unter gesellschaftli-cher Verantwortung in erster Linie die Siche-rung von Beschäftigung und des Standortessowie die Bereitstellung von Ausbildungs-plätzen verstehen. Andere Aspekte wie dieUnterstützung sozialer und kultureller Pro-jekte oder auch die Einhaltung von Normenbei Zulieferern betrachten Betriebsräte alsweniger wichtig. Die Autoren weisen daraufhin, dass ein Unterschied besteht zwischendem, was Menschenrechts- und Umwelt-gruppen einerseits, Unternehmen und derenFührungskräfte andererseits unter dem Be-griff gesellschaftliche Verantwortung verste-hen, und dass dies wiederum in Kontrastzum Begriffsverständnis von Betriebsrätensteht. Hier liegt also ein potentieller Konflikt-herd. Die Untersuchung von Hauser-Ditz und Wil-ke weist auf mögliche Divergenzen im Ver-ständnis von gesellschaftlicher Verantwor-tung zwischen verschiedenen Stakeholderninnerhalb und außerhalb von Unternehmenhin, welche durch die unterschiedliche Inte-ressenlage der einzelnen Anspruchsgruppenbegründet sein dürfte. Die vorliegende Ar-beit knüpft daran an und untersucht die Fra-ge, ob der Stellenwert der gesellschaftlichenVerantwortung für das Unternehmen vonFührungskräften, Betriebsräten und Vertre-tern des HR-Managements unterschiedlicheingeschätzt wird. Die ersten beiden Grup-pen wurden als Vertreter unterschiedlicherInteressen gewählt, die HR-Manager als Ver-treter einer Stabsabteilung, die mit Fragender CSR besonders befasst ist. Im zweitenTeil der Untersuchung wird analysiert, obzwischen diesen Gruppen Unterschiede imVerständnis des Begriffs der gesellschaftli-chen Verantwortung bestehen.

METHODE

Stichprobe

Im Rahmen der Arbeiten zum BMBF-geför-derten Projekt „TiM – Transfer innovativerUnternehmensmilieus“ wurden teilstandardi-sierte Interviews mit insgesamt 41 Unterneh-mensvertretern (29 Männer, 12 Frauen) aus8 verschiedenen Unternehmen unterschied-

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licher Größe und Branche durchgeführt(Pharma, Krankenkasse, Stahlproduktion, An-lagenbau, Landmaschinenbau, Verkehr, Ver-sorgung, Möbel). Die Stichprobe setzt sichaus 19 Führungskräften, 13 Betriebs- bzw.Personalräten und 9 Vertretern des HR-Ma-nagements im Alter von 32 bis 62 Jahren(M = 45 Jahre, SD = 8 Jahre) zusammen.

Instrumente

Die teilstandardisierten Interviews wurdenanhand eines Interviewleitfadens durchge-führt. Dieser Leitfaden umfasste Fragen zurUnternehmenskultur – speziell zu den Wer-ten der Unternehmen – sowie Fragen zu an-deren, hier nicht betrachteten Themenberei-chen2. Die Werte der Unternehmen als Kern ihrerKultur wurden über eine Karten-Sortieraufga-be erfasst. Dabei wurden den Interviewpart-nern 12 Karten gegeben, auf denen jeweilsein Wert geschrieben war. Die Aufgabe derInterviewpartner bestand darin, diese Kartenin die Rangfolge zu bringen, wie sie ihrerMeinung nach den Werten des Unterneh-mens entspricht. Es ging also dabei nicht umdie eigenen Werte, sondern um eine Ein-schätzung der Werte des Unternehmens.Die Technik der Karten-Sortieraufgabe wur-de von Rokeach (1973) entwickelt und fürdie Werteforschung validiert. Die zwölf Wer-te sind Innovation, Wechselseitiges Vertrau-en, Wohlbefinden der Mitarbeiter, Gutes Be-triebsklima, Gesellschaftliche Verantwor-tung, Selbstständiges Handeln und unterneh-merisches Denken, Ökonomischer Erfolg,Beteiligung der Mitarbeiter, Erhaltung desUnternehmens, Kundenzufriedenheit, Quali-tät der Produkte und Leistungen, Leistungdes Mitarbeiters. Die Auswahl dieser Werte erfolgte auf Basisder Inhalte von Unternehmensleitbildern ei-niger größerer Unternehmen sowie einigerWertdimensionsmodelle der Unternehmens-kultur (vgl. z.B. Lässig, 2001). Die Kartenwurden den Interviewpartnern jeweils in zu-fälliger Reihenfolge übergeben, um eventuellauftretenden Reihenfolge-Effekten vorzubeu-gen. Der dabei vorgelegte Wert „gesell-schaftliche Verantwortung“ ist sehr weit ge-fasst. Unter anderem können darunter Um-weltschutz, Sponsoring oder auch Work-Life-Balance verstanden werden (vgl. Hauser-Ditz & Wilke, 2004; Sackmann, 2004). Un-

terschiede in der Einschätzung der Bedeu-tung des Wertes der gesellschaftlichen Ver-antwortung für das Unternehmen könnendaher allein dadurch zustande kommen,dass die Befragten ein unterschiedliches Ver-ständnis des Begriffes haben. Um dies zukontrollieren, wurde im Rahmen der Karten-Sortieraufgabe explizit danach gefragt, wasdie Interviewpartner unter dem Begriff dergesellschaftlichen Verantwortung verstehen.

Auswertung

Die im Interview erhobenen Daten wurdenbezüglich der Rangplätze der Unterneh-menswerte quantitativ ausgewertet. Hin-sichtlich der Bedeutung des Begriffs „Gesell-schaftliche Verantwortung“ erfolgte darüberhinaus eine qualitative Auswertung. Hierwurden verschiedene Aussagen zu Katego-rien verdichtet und einzelne Aussagen die-sen Kategorien zugeordnet. Das Vorgehenorientierte sich dabei an den Prinzipien derqualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring(2003; vgl. auch Schilling, 2006). Im erstenSchritt wurde festgelegt, dass jede direkteAntwort auf die Frage „Was verstehen Sieunter gesellschaftlicher Verantwortung?“ indie Analyse einbezogen werden sollte. Fallsdie entsprechende Frage im Interview nichtgestellt werden musste, wurde jede sponta-ne Erklärung zu diesem Thema, die von denInterviewpartnern während der Bearbeitungder Karten-Sortieraufgabe abgegeben wur-de, für die Analyse verwendet. Im zweitenSchritt wurden die Aussagen der Befragtennach Personen und Unternehmen geordnetin einer Datei zusammengefügt. Im dritten Schritt der Analyse wurden dieAussagen der Befragten paraphrasiert. Diesgeschah in einer gemeinsamen Sitzung vonzwei Mitgliedern des Projektteams. Auftre-tende Unstimmigkeiten der Mitglieder wur-den in dieser Sitzung diskutiert und ausge-räumt. Die so gewonnenen Paraphrasen derAussagen wurden im Anschluss von den glei-chen Mitgliedern des Projektteams thema-tisch geordnet. Die Aussagen wurden zu ins-gesamt 7 thematischen Gruppen verdichtet.Zur Bezeichnung dieser thematischen Grup-pen wurden schließlich Oberbegriffe gebil-det (vgl. Tabelle 2). Der Schwerpunkt der weiterführenden Ana-lyse lag auf den Unterschieden in den Ant-worten der Führungskräfte, Betriebsräte und

GESELLSCHAFTLICHE VERANTWORTUNG ALS UNTERNEHMENSWERT

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Heft 1/20072Auf Anfrage sind der Leitfaden sowie ein Papier zur Konstruktion des Leitfadens erhältlich.

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Vertreter des HR-Managements der Unter-nehmen. Dazu wurden die Aussagen allerUnternehmensvertreter den Kategorien deserstellten Kategoriensystems zugeordnet.Daraus entstand eine Übersicht darüber,welche Kategorien von welchen Personenwie oft erwähnt wurden. Darauf aufbauendwurde analysiert, welche Kategorien vonmindestens einer Führungskraft, einem Be-triebsrat bzw. einem Vertreter des HR-Ma-nagements genannt wurden.

ERGEBNISSE

Quantitative Auswertung

Welchen Stellenwert hat gesellschaftlicheVerantwortung aus der Sicht von Führungs-kräften, Betriebsräten und Vertretern desHR-Managements für ihre Unternehmen?Zur Beantwortung dieser Frage wurde dieKarten-Sortieraufgabe ausgewertet. Berech-net wurde zunächst der mittlere Rangplatzfür alle Werte als arithmetisches Mittel derEinzelrankings. Danach wurden die mittlerenRangplätze aller Werte getrennt für Füh-rungskräfte, Betriebsräte und HR-Managerberechnet und per ANOVA verglichen. Da-bei zeigte sich: Über alle Unternehmensver-treter hinweg ist der Stellenwert der gesell-schaftlichen Verantwortung im Vergleich zuden anderen Werten relativ gering. Der mitt-lere Rang dieses Wertes beträgt 8.18 (SD =3.52). Ordnet man alle Werte nach der Grö-

ße ihres mittleren Ranges und bildet dannaus den Rangmittelwerten eine neue Rang-reihe für alle 12 in der Karten-Sortieraufgabeverwendeten Werte, so ist gesellschaftlicheVerantwortung von diesen 12 Werten anzehnter Stelle angesiedelt (vgl. Tabelle 1).Dies weist auf eine eher geringe Bedeutungder gesellschaftlichen Verantwortung im Ver-gleich zu anderen Unternehmenswerten hin. Schätzen Führungskräfte, Betriebsräte undVertreter des HR-Managements den Stellen-wert der gesellschaftlichen Verantwortungfür das Unternehmen unterschiedlich ein?Tabelle 1 zeigt die mittleren Ränge aller 12Unternehmenswerte für die gesamte Stich-probe sowie aus der Sicht der drei Gruppen. Führungskräfte, Betriebsräte und Vertreterdes HR-Managements haben zum Teil rechtunterschiedliche Sichtweisen auf die vomUnternehmen vertretenen bzw. gelebtenWerte. Speziell der Stellenwert der gesell-schaftlichen Verantwortung im Unterneh-men wird von Führungskräften höher einge-schätzt als von Betriebsräten und Vertreterndes HR-Managements. Die ANOVA zeigt ei-nen signifikanten Mittelwertunterschied zwi-schen den drei Gruppen (F = 4.02; p < .05).Die anschließend durchgeführten Post-Hoc-Tests (Scheffé-Prozedur) zeigen, dass derUnterschied zwischen der Einschätzung vonFührungskräften und Betriebsräten signifi-kant ist (p < .05). Dagegen unterscheidensich Vertreter des HR-Managements hin-sichtlich ihrer Einschätzung des Stellenwertsder gesellschaftlichen Verantwortung im Un-

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GS: Gesamtstichprobe; FK: Führungskräfte; BR: Betriebsräte; HR: HR-Manager

Unternehmenswert M (GS) M (FK) M (BR) M (HR)

Kundenzufriedenheit 3.99 3.68 4.08 4.44

Erhaltung des Unternehmens 4.28 5.50 3.42 3.11

Qualität der Produkte und Leistungen 4.59 4.74 4.25 4.78

Ökonomischer Erfolg 5.01 3.15 7.42 5.33

Innovation 5.41 6.27 5.08 4.22

Leistung der Mitarbeiter 6.97 7.65 6.67 6.11

Selbstständiges Handeln und Unternehmeri-sches Denken

7.09 6.85 7.50 7.00

Gutes Betriebsklima 7.67 7.97 6.92 8.11

Wechselseitiges Vertrauen 7.93 8.21 7.50 8.00

Gesellschaftliche Verantwortung 8.18 6.53 10.00 8.67

Beteiligung der Mitarbeiter 8.28 8.79 7.83 7.89

Wohlbefinden der Mitarbeiter 8.50 8.35 7.33 10.33

TABELLE 1:

Mittlere Rangplätze der

Unternehmenswerte

aus Sicht von Führungs-

kräften, Betriebsräten

und HR-Managern (Die

Reihenfolge der Werte

in der Tabelle ent-

spricht der Rangreihe

für die Gesamtstichpro-

be. Gesellschaftliche

Verantwortung als Ge-

genstand dieser Arbeit

wurde hervorgeho-

ben.)

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ternehmen nicht signifikant von Betriebsrä-ten (p > .10) oder Führungskräften (p > .10).

Qualitative Auswertung

Wie die quantitative Auswertung zeigt, ha-ben Führungskräfte, Betriebsräte und HR-Manager zum Teil recht unterschiedlicheSichtweisen auf die vom Unternehmen ver-tretenen Werte und dabei speziell auf denStellenwert der gesellschaftlichen Verantwor-tung im Unternehmen. Da der Begriff der ge-sellschaftlichen Verantwortung mit teilweiserecht unterschiedlichen Inhalten besetztwird (z.B. Hauser-Ditz & Wilke, 2004; Sack-mann, 2004), besteht die Möglichkeit, dassUnterschiede im Werteranking zwischenden befragten Gruppen auf ein unterschied-liches Begriffsverständnis zurückzuführensind. Es stellt sich also die Frage, welche In-halte und Themen Führungskräfte, Betriebs-

räte und HR-Manager mit dem Begriff dergesellschaftlichen Verantwortung verbindenund worin sich die drei Funktionsgruppenunterscheiden. Zur Klärung dieser Fragenwurden die Antworten der Interviewpartnerauf die Nachfrage „Was verstehen Sie untergesellschaftlicher Verantwortung?“ qualitativausgewertet. Die Antworten auf diese Frageüber alle befragten Unternehmensvertreterließen sich zu insgesamt 7 Kategorien zu-sammenfassen. Tabelle 2 zeigt das vollstän-dige Kategoriensystem und gibt einen Über-blick über die Ergebnisse der Inhaltsanalyse.Im Folgenden werden die Unterschiede zwi-schen den drei Befragtengruppen herausge-arbeitet.Der wichtigste Themenbereich der gesell-schaftlichen Verantwortung ist die Verant-

wortung als Arbeitgeber. Sowohl Betriebsrä-te als auch Führungskräfte und HR-Managernennen Inhalte wie die Sicherung der Ausbil-dung auch über den eigentlichen Bedarf hi-

GESELLSCHAFTLICHE VERANTWORTUNG ALS UNTERNEHMENSWERT

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Heft 1/2007Anzahl der Personen, die eine Kategorie erwähnen. FK: Führungskräfte, BR: Betriebsräte, HR: HR-Manager

Kategorien FK BR HR

1. Verantwortung als ArbeitgeberAusbildung sichern, auch über BedarfArbeitsplätze sichern, keine Massenentlassungen, andere Möglichkeiten suchenStandort in Deutschland halten, statt in Billiglohnländer zu verlagernFürsorge für Mitarbeiter (Unterstützung bei privaten Problemen)Verantwortung für Mitarbeiter (über Betrieb hinaus) und Rückhalt für FamilienSozialverträglichkeit von Maßnahmen und deren KommunikationFamilienfreundlichkeit, Work-Life-BalanceBeteiligung am TarifvertragBetriebsrente, VL

2321211

1

332

21

1

421

1

2. Verantwortung für Standort Deutschland und RegionEinkauf bei Zulieferern aus der UmgebungSponsoring von Schulen, Kindergärten, Sportvereinen, u.Ä.Zusammenarbeit mit Schulen, Praktika anbietenKantine für Gottesdienst zur Verfügung stellen, wenn Kirche renoviert wirdKulturelle Veranstaltungen, Feiern, Sommerfest, Familientag

3112

2

311

1

1

1

3. Ethisch-Moralische Verantwortungkein Einkauf bei Firmen mit KinderarbeitVermitteln von Optimismus und der Notwendigkeit von Initiative, v.a. bei JugendlichenRegeln im Umgang miteinander einhalten

11

11

4. Verantwortung für die UmweltProdukte und Produktion ohne Schädigung der UmweltÖkologieEntwicklung eines Ökologischen Aktienindex

11

11

5. Verantwortung für Produkte, Leistungen und damit verbundener WirkungenProdukte: Medizin, Leben von MenschenRepräsentation von Deutschland bei Projekten im AuslandAbwägen verschiedener Interessen (Unternehmen, Umfeld) bei Investitionsprojekten 1 1

11

6. Politische VerantwortungBewusste und aktive Mitgestaltung des politischen, rechtlichen, sozialen SystemsStellungnahmen zur aktuellen politischen Diskussion

11

7. Allgemeine VerantwortungBewusstsein für Tragweite der EntscheidungenTransparenz durch offene Kommunikation nach innen und außenNachhaltigkeit

111

TABELLE 2:

Inhalte der Aussagen

zu der Frage "Was ver-

stehen Sie unter ge-

sellschaftlicher Verant-

wortung?"

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naus, die Sicherung von Arbeitsplätzen, ei-nen Verzicht auf Massenentlassungen bzw.die Suche nach alternativen Rationalisie-rungsmöglichkeiten und die sozialverträgli-che Gestaltung und Kommunikation solcherMaßnahmen als Themen der gesellschaftli-chen Verantwortung. Darüber hinaus bezie-hen Führungskräfte die Verantwortung derUnternehmen als Arbeitgeber auch auf dieFürsorge für die Mitarbeiter und deren Fami-lien. Unternehmen kommen dieser Verant-wortung nach, indem sie z.B. die Mitarbeiterauch bei privaten Problemen unterstützenund ihnen und ihren Familien einen gewis-sen Rückhalt bieten. Folgendes Zitat einerFührungskraft veranschaulicht diesen Aspektder gesellschaftlichen Verantwortung:

„Dass es auch andere Sachen gibt, wo Mitar-

beiter eventuell hoch verschuldet in Proble-

me geraten, dass dann auch das Unterneh-

men vielleicht das in seinen Möglichkeiten

stehende versucht, dort auch, sag ich mal, un-

ter die Arme greift.“

Familienfreundliche Arbeitszeiten und Ange-bote zur Work-Life-Balance gehören ausSicht einer Führungskraft ebenfalls zur Ver-antwortung als Arbeitgeber. Betriebsräte se-hen daneben auch die Beteiligung am Tarif-vertrag als ein Merkmal der gesellschaftli-chen Verantwortung an. Ein thematisch verwandter Bereich ist dieVerantwortung der Unternehmen für den

Standort Deutschland bzw. die Region, d.h.das unmittelbare Umfeld der Unternehmen.Inhalte dieser Kategorie werden oft im glei-chen Atemzug genannt wie Inhalte zur Ver-antwortung als Arbeitgeber. Für Betriebsräteund Führungskräfte gehören die Sicherungdes Standortes Deutschland und ein Ver-zicht auf die Verlagerung der Produktion inBilliglohnländer sowie der Einkauf bei Zulie-ferern aus der näheren Umgebung zur ge-sellschaftlichen Verantwortung des Unter-nehmens. Ebenfalls nennen Führungskräfteund Betriebsräte das Sponsoring von Schu-len, Kindergärten oder Sportvereinen alsMerkmal der gesellschaftlichen Verantwor-tung von Unternehmen. Führungskräfte undHR-Manager erwähnen darüber hinaus eineintensive Zusammenarbeit mit Schulen, dasAnbieten von Praktika sowie kulturelle Ver-anstaltungen, Feiern, Sommerfeste oder Fa-milientage als einen Bestandteil der Verant-wortung für die Region. Für einen Betriebs-rat zählen auch ganz pragmatische Problem-lösungen zur Verantwortung für die Region,z.B. hat das betreffende Unternehmen seine

Kantine für den Gottesdienst zur Verfügunggestellt, als die Kirche im Ort gerade reno-viert wurde.Ein dritter inhaltlicher Schwerpunkt der ge-sellschaftlichen Verantwortung steht in en-ger Beziehung zur eigentlichen unternehme-rischen Tätigkeit und beinhaltet die Verant-

wortung für Produkte, Leistungen und die da-

mit verbundenen Wirkungen. So nehmen dieVertreter einiger Unternehmen eine Verant-wortung wahr, die sich aus ihren Produktenund Leistungen ergibt. Für die Vertreter desPharmaunternehmens ist das die Verantwor-tung für das Leben von Menschen, wie fol-gende Aussage eines HR-Vertreters be-schreibt:

„Gesellschaftliche Verantwortung ... wir stel-

len Medizin her, die das Leben von Men-

schen verlängert oder es möglich macht, dass

sie sogar wieder ganz gesund werden. Also

das ist einfach eine gesellschaftliche Verant-

wortung, die wir als Unternehmen tragen.“

In anderen Unternehmen wird die Verant-wortung als Repräsentant von Deutschlandbei Projekten im Ausland für wichtig erach-tet. Interessanterweise stammen diese Aus-sagen jedoch weder von Betriebsräten nochvon Führungskräften, sondern von den Ver-tretern des HR-Managements. Dagegen se-hen sowohl Betriebsräte als auch Führungs-kräfte das Abwägen verschiedener Interes-sen bei der Planung und Umsetzung von In-vestitionsprojekten im Unternehmen auf dereinen und im unmittelbaren Umfeld auf deranderen Seite als Element der gesellschaftli-chen Verantwortung an.In die Kategorie moralische Verantwortung

der Unternehmen passen nur relativ wenigeAussagen, so dass Vergleiche zwischen denGruppen mit einiger Vorsicht zu genießensind. Für einen Betriebsrat gehört es zur ge-sellschaftlichen Verantwortung, dass mankeine Geschäfte – speziell wurde der Einkaufgenannt – mit Unternehmen macht, welcheKinder für sich arbeiten lassen. Für eine Füh-rungskraft und einen HR-Manager bildet hin-gegen das Vermitteln von Optimismus undder Notwendigkeit von Initiative – vor allembei Jugendlichen – einen wichtigen Bestand-teil der gesellschaftlichen Verantwortung derUnternehmen. Sowohl die Betriebsräte als auch die Füh-rungskräfte sehen die Verantwortung der Un-

ternehmen gegenüber der Umwelt. Dazu ge-hört nach Aussage eines Betriebsrates, dassweder die Produkte noch die Produktionschädigend auf die Umwelt wirken:

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„Also, was macht [Firma XY] da? Zum einen

sind es Produkte, die nicht umweltbelastend

sind, sage mal.“

Eines der von uns untersuchten Unterneh-men hat sich an der Entwicklung eines„Ökologischen Aktienindex“ beteiligt, wieeine Führungskraft berichtet. Äußerungenvon HR-Managern zu dieser Kategorie lie-ßen sich hingegen nicht finden. Auf einer etwas globaleren Ebene angesie-delt ist die politische Verantwortung. In die-ser Kategorie unterscheidet sich die Sicht-weise der Führungskräfte, Betriebsräte undHR-Manager auf gesellschaftliche Verant-wortung recht deutlich. Für einige der be-fragten Führungskräfte geht es bei gesell-schaftlicher Verantwortung darum, das poli-tische, rechtliche und soziale System desLandes aktiv und bewusst mitzugestaltenund dabei die eigene Expertise z.B. in politi-sche Gremien oder Beraterkommissioneneinzubringen. So lautet z.B. die Aussage ei-ner Führungskraft der Krankenkasse:

„Dass die Kasse als Träger der Sozialversiche-

rung auch für sich die Verantwortung in An-

spruch nimmt, da auch am sozialen System,

am Rechtssystem, am gesamten Gesundheits-

system der Bundesrepublik auch entspre-

chend teilzuhaben.“

Ebenso gehören Stellungnahmen von Unter-nehmen zur aktuellen politischen Diskussionfür eine Führungskraft zur gesellschaftlichenVerantwortung. Solche Stellungnahmen las-sen sich ebenfalls als Bestandteil der politi-schen Verantwortung von Unternehmen ver-stehen. Weder Aussagen von Betriebsrätennoch von HR-Managern lassen sich hinge-gen in diese Kategorie einordnen. Noch globaler ist das allgemeine Bewusst-

sein für gesellschaftliche Verantwortung. Someint eine der befragten Führungskräfte,dass gesellschaftliche Verantwortung etwaswie eine „Klammer“ um alle Unternehmens-werte darstellt, weil letztlich alle Entschei-dungen des Unternehmens sich in irgendei-ner Weise auf die Gesellschaft auswirken. Esgeht hier also um ein grundsätzliches Be-wusstsein für die Tragweite der unternehme-rischen Entscheidungen und deren Auswir-kungen auf das Umfeld des Unternehmens,wie es eine Führungskraft veranschaulicht:

„Also das finde ich in all dem, was man tut,

muss man sich die Frage stellen: Hat das ei-

nen Sinn? Gibt es Alternativen? Woran messe

ich eine Entscheidung?“

Ferner verbinden einige Führungskräfte dieSchaffung von Transparenz durch offeneKommunikation nach innen und außen mitdem Begriff der gesellschaftlichen Verant-wortung. Auch für diese Kategorie ließensich keine Äußerungen von Betriebsrätenoder HR-Managern finden. Vergleicht man, welche der Themen von denverschiedenen Gruppen angesprochen wer-den, so fällt auf, dass Führungskräfte offen-bar ein breiteres Spektrum an Themen mitdem Begriff der gesellschaftlichen Verant-wortung verbinden als Betriebsräte und HR-Manager (vgl. Tabelle 2). Alle Aussagen zurKategorie der politischen Verantwortungbzw. des allgemeinen Verantwortungsbe-wusstseins stammen von Führungskräften,dagegen passt keine Aussage der befragtenBetriebsräte und HR-Manager in diese Kate-gorien.Aber auch innerhalb einiger Kategorien, indie sich sowohl Aussagen von Betriebsrätenals auch Aussagen von Führungskräften undHR-Managern einordnen lassen, gibt es qua-litative Unterschiede. Während sich die Ver-antwortung als Arbeitgeber bei Betriebsrä-ten und HR-Managern lediglich auf die Si-cherung von Ausbildung und Arbeitsplätzenbezieht, sehen Führungskräfte das Unterneh-men auch in einer Art Fürsorgepflicht für dieMitarbeiter und für deren Familien. Einig sindsich Betriebsräte, HR-Manager und Füh-rungskräfte dahingehend, dass die Unterneh-men in der Verantwortung stehen, denStandort Deutschland zu sichern, statt dieProduktion in Billiglohnländer zu verlagern.Darüber hinaus sehen Führungskräfte dieZusammenarbeit mit Schulen und auch kul-turelle Veranstaltungen des Unternehmensals Element der gesellschaftlichen Verant-wortung an.

DISKUSSION

Die hier berichtete Untersuchung wählt ei-nen empirischen Zugang zum Thema gesell-schaftliche Verantwortung, was in der bis-lang vorliegenden wissenschaftlichen Litera-tur eher die Ausnahme ist. Die Studie thema-tisiert die gesellschaftliche Verantwortung imUnternehmen aus der Sicht von Führungs-kräften, Betriebsräten und HR-Managernund knüpft damit an die Untersuchung vonHauser-Ditz und Wilke (2004) an, in der le-diglich die Sichtweise von Betriebsräten aufgesellschaftliche Verantwortung untersuchtwurde.

GESELLSCHAFTLICHE VERANTWORTUNG ALS UNTERNEHMENSWERT

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Zunächst einmal lässt sich auf der Basis derberichteten Ergebnisse feststellen, dass demThema „gesellschaftliche Verantwortung“im Vergleich zu anderen möglichen Unter-nehmenswerten insgesamt ein relativ gerin-ger Stellenwert zugemessen wird. Ein höhe-rer Stellenwert ist allerdings auch kaum zuerwarten, da die Unternehmen sich in ersterLinie an wirtschaftlichen Werten orientieren.Ein Thema wie gesellschaftliche Verantwor-tung mag zwar der „eigentliche“ Zweck ei-nes Unternehmens sein, wie eine der befrag-ten Führungskräfte dies behauptet hat undwie dies auch in der Literatur zur Unterneh-mensethik als grundsätzliche Überlegung an-genommen wird (z.B. Berkel & Herzog,1997). Allerdings ist die Aussage dieser Füh-rungskraft wohl eher im Sinne Druckers(1993) zu verstehen, der gefordert hat, dassder eigentliche Zweck eines Unternehmensin seiner Funktion für die Gesellschaft liegensollte. Dieser Zweck – so die Schlussfolge-rung – geht im Unternehmensalltag wohleher unter und ist weniger präsent als ande-re der von uns untersuchten Unternehmens-werte. Dieses Problem ist auch unter Moral-theoretikern bekannt und entsteht in ersterLinie durch betriebliche Anreizstrukturen,die nicht in jedem Fall den Wert der gesell-schaftlichen Verantwortung unterstützen(Borchers, 2005). Betriebsräte und Führungskräfte unterschei-den sich in der Einschätzung des Stellenwer-tes gesellschaftlicher Verantwortung alsWert des Unternehmens signifikant vonein-ander, überraschenderweise schätzen diebefragten Führungskräfte die Bedeutung ge-sellschaftlicher Verantwortung für das Unter-nehmen deutlich höher ein als die Betriebs-räte. Dies kann nach den Ergebnissen derqualitativen Auswertung z.T. auf ein unter-schiedliches Verständnis des Begriffs der ge-sellschaftlichen Verantwortung zurückge-führt werden. Führungskräfte haben laut un-seren Ergebnissen ein breiteres Verständnisvon gesellschaftlicher Verantwortung als Be-triebsräte und HR-Manager. Neben der Ver-antwortung als Arbeitgeber, der Verantwor-tung für Standort und Region, für die eige-nen Produkte und Leistungen und für dieUmwelt sowie einer gewissen moralischenVerantwortung sehen Führungskräfte dieUnternehmen auch in der Pflicht, ihre eigeneKompetenz politisch in die Gestaltung dersozialen Systeme einzubringen. MancheFührungskräfte sehen gesellschaftliche Ver-antwortung gar als eine grundsätzliche Hal-tung, ein allgemeines Bewusstsein des Un-ternehmens an. Dieser Gedanke taucht bei

den von uns befragten Betriebsräten undden Vertretern des HR-Managements hinge-gen so nicht auf.Der Befund des unterschiedlichen Verständ-nisses von gesellschaftlicher Verantwortungbei Betriebsräten und Führungskräften decktsich mit den Ergebnissen von Hauser-Ditzund Wilke (2004). Diese Autoren konntenzeigen, dass Betriebsräte einige allgemein alsbedeutsam angesehene Elemente gesell-schaftlicher Verantwortung für weniger wich-tig halten. Betriebsräte sahen in der Studievon Hauser-Ditz und Wilke die Standortsi-cherung, die Sicherung der Beschäftigungund die Bereitstellung von Ausbildungsplät-zen als die wesentlichen Elemente der sozia-len Verantwortung von Unternehmen an.Andere Elemente der gesellschaftlichen Ver-antwortung, wie z.B. die Vereinbarkeit vonBerufs- und Privatleben, die Unterstützungsozialer und kultureller Projekte oder die Ein-haltung der ILO-Kernarbeitsnormen bei Zu-lieferern stuften sie als deutlich wenigerwichtig ein, obwohl sie nach Ansicht der Au-toren allgemein als wichtige Elemente gesell-schaftlicher Verantwortung angesehen wer-den. Hauser-Ditz und Wilke haben die Be-triebsräte jedoch mit vorgegebenen Elemen-ten der gesellschaftlichen Verantwortungkonfrontiert, deren Bedeutung sie dann ein-schätzen sollten, während die Teilnehmer inder vorliegenden Studie nur gefragt wurden,was sie unter gesellschaftlicher Verantwor-tung verstehen. Dieser grundsätzlich andereempirische Zugang führt dazu, dass hier eini-ge Elemente gesellschaftlicher Verantwor-tung (z.B. die politische Verantwortung oderauch das allgemeine Verantwortungsbe-wusstsein) thematisiert wurden, die in derStudie von Hauser-Ditz und Wilke nicht ab-gefragt wurden. Aus diesem Grund sind dieErgebnisse beider Studien nicht direkt mitei-nander vergleichbar.

Insgesamt sprechen sowohl die Befunde vonHauser-Ditz und Wilke als auch die Befundeder vorliegenden Untersuchung dafür, dassFührungskräfte und Betriebsräte zumindestpartiell ein anderes Verständnis von gesell-schaftlicher Verantwortung haben. Darinkönnte eine potenzielle Quelle für Konfliktezwischen den betrieblichen Akteuren liegen.Daraus ergeben sich einige Forschungsfra-gen, z.B.: Gibt es Konflikte zwischen den Ak-teuren der Unternehmen, die das Thema ge-sellschaftliche Verantwortung betreffen? Un-ter welchen Bedingungen entstehen solcheKonflikte? Wie äußern sich solche Konflikte?Worauf beruhen sie? Wie können solche

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Konflikte verhindert werden bzw. wie gehtman sinnvoller Weise damit um?Im Verständnis des Begriffs der gesellschaft-lichen Verantwortung ähneln die HR-Mana-ger interessanterweise eher den Betriebsrä-ten als den Führungskräften. So beschränkensich die Aussagen der HR-Manager auf ledig-lich vier von sieben Kategorien. Diese sinddie Verantwortung als Arbeitgeber, die Ver-antwortung für den Standort, die ethisch-mo-ralische Verantwortung und die Verantwor-tung für die Produkte und Leistungen. Mög-licherweise haben HR-Manager aufgrund ih-rer Stabsfunktion eine kritischere Sichtweiseauf das Unternehmen bzw. seine Ziele. Für die Praxis lässt sich aus den Befundendieser Studie schlussfolgern, dass die Bedeu-tung der gesellschaftlichen Verantwortungim Unternehmen von verschiedenen Funkti-onsgruppen unterschiedlich eingeschätztwird. Ein solcher Unterschied kann durchaussinnvoll sein, da Betriebsräte, Führungskräfteund HR-Manager andere Funktionen und In-teressen im Unternehmen zu vertreten ha-ben und daher zwangsläufig auch unter-schiedliche Perspektiven einnehmen müs-sen. Das beinhaltet die Möglichkeit von Kon-flikten, die sich aber nicht notwendig negativauswirken müssen. Vielmehr können solcheDifferenzen auch dazu beitragen, dass dasUnternehmen offener – im Sinne des Kon-zepts der offenen Organisation (vgl. Gebert,Boerner & Lanwehr, 2001) – und damit po-tenziell innovativer wird.

LITERATUR

Berkel, K., Herzog, R. (1997). Unternehmenskultur undEthik. Heidelberg: Sauer.

Borchers, D. (2005). Tugenden im Management oder:Warum das Verfassen von Wunschzetteln der Ma-nagementethik nicht genügen kann. In: Brink, A., Ti-berius, V.A. (Hrsg.) Ethisches Management. Grund-

lagen eines wert(e)orientierten Führungskräfte-Ko-dex (S. 499-529). Bern: Haupt Verlag.

Busch, R. (Hrsg.) (1998). Shareholder Value - neue Un-ternehmensmoral? Gesellschaftliche Verantwortungund industrielle Beziehungen. Berlin: Freie Universi-tät.

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GESELLSCHAFTLICHE VERANTWORTUNG ALS UNTERNEHMENSWERT

39Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

DR. CLAES S. HORSMANN

[email protected]

DIPL.-KFM. ERKO MARTINS

[email protected]

DIPL.-PSYCH.

ALEXANDER PUNDT

[email protected]

PROF. DR. FRIEDEMANN W. NERDINGER

friedemann.nerdinger@uni-

rostock.de

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl ABWL: Wirtschafts- und Organisationspsycho-

logie, Universität Rostock, Ulmenstr. 69, 18057 Rostock

innenteil.qxd 22.03.2007 13:50 Seite 39

Über die Motive von Unternehmen zum En-

gagement für freigemeinnützige Zwecke gibt

es unterschiedlichste Meinungen und Erfah-

rungsberichte, jedoch kaum konzeptionell-

empirisch gefestigte Erkenntnisse. Aus dieser

Feststellung leitet sich die Frage ab, wie die

Motive auf konzeptioneller Ebene erfasst wer-

den können und wie sie sich in der empiri-

schen Überprüfung verteilen. Anhand der Zu-

ordnung von Interviewaussagen (N= 103)

von Unternehmensvertretern (Eigentümer,

CEO, Personalleiter) zu vier theoretisch her-

geleiteten und empirisch geprüften Formen

,sozialer Handlungsorientierung’, kann ge-

zeigt werden, dass je nach Funktion und En-

gagementbereich unterschiedliche Motiv-

muster zu finden sind. Auf der Basis einer dif-

ferenzierteren Wahrnehmung und Zuord-

nung unterschiedlicher Motivmuster können

künftig genauere Aussagen über die Beweg-

gründe der Unterstützung sowie die Schaf-

fung passender Engagementangebote geleis-

tet werden.

Schlüsselwörter: Soziale Handlungsorientie-

rung, Motive, bürgerschaftliches Engagement

von Unternehmen (Corporate Volunteering)

Perspektivenübernahme

Social-activity Orientations of Corporate Representatives Committed to Nonprofit Activities – The Effect of Organisational Function and Commitment Sector

Although the most varied views are held and

reports published about the motives of com-

panies committed to nonprofit purposes,

conceptually and empirically proven results

are largely lacking. This conclusion leads to

the question of how these motives can be ex-

pressed at conceptual level and how they are

distributed in the empirical survey. On the

basis of the assignment of interview state-

ments (N= 103) by corporate representatives

(proprietors, CEOs, HR managers) about four

theoretically derived and empirically tested

forms of social-activity orientation, it can be

shown that various motive patterns may be

found depending on organisational function

and commitment sector. On the basis of a

differentiated perception and assignment of

the most diverse motive patterns, more pre-

cise statements can in future be made on the

motives behind the support and creation of

appropriate commitment projects.

Key words: social-activity orientation, motive,

corporate volunteering, perspective transfer

and cooperation

EINLEITUNG

Die Notwendigkeit freigemeinnützigen En-gagements von Unternehmen wird aufgrunddes sich verändernden Verhältnisses zwi-schen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaftimmer stärker betont (Habisch, 2003; Ru-dolph, 2004). Als ,institutionelle Bürger’ sol-len sich Unternehmen mit ihren Ressourcen(finanzielle Mittel, Infrastruktur, Mitarbeiten-de u.a.) an gesellschaftlichen Problemen be-teiligen und zu deren Verbesserung beitra-gen. Während dieses Engagement traditio-nell als die Übernahme sozialer Verantwor-tung wahrgenommen wurde, weisen neuereErkenntnisse darauf hin, dass zunehmendauch betriebswirtschaftliche Ziele und Nut-zenerwartungen als Motive genannt werden(z.B. Damm & Lang, 2002 oder Amman,

40Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

T. WEHNER, G.-C. GENTILE

THEO WEHNER, GIAN-CLAUDIO GENTILE

SOZIALE HANDLUNGSORIENTIERUNGEN

VON FREIGEMEINNÜTZIG ENGAGIERTEN

UNTERNEHMENSVERTRETERN –DER EINFLUSS DER BETRIEBLICHEN FUNKTION

UND DES ENGAGEMENTBEREICHS

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Bachmann & Schaller, 2004). So wird das En-gagement beispielsweise zur Imageförde-rung, zum Aufbau sozialen Kapitals, zur Or-ganisations- und Personalentwicklung undnicht zuletzt als Wettbewerbsfaktor genutzt.Die Auflistung und Nennung der unter-schiedlichen Vorteile und Nutzenerwartun-gen unterscheidet sich zwar von Text zuText, allerdings werden die zentralen Punkte,wie oben genannt, immer wieder herbeige-zogen. Auffallend und für den gesamten Themenbe-reich „gemeinnütziges Engagement von Un-ternehmen“ kennzeichnend, ist die nurschwache empirische wie auch konzeptio-nelle Grundlegung der aufgeführten „Er-kenntnisse“. Viele der Aussagen und Beispie-le gründen auf Erfahrungsberichten oderMeinungen der Autoren, welche aus praxis-bezogenen Projekten oder einer Zusam-menstellung oft unsystematisch erhobenerDaten bestehen (bspw. Schöffmann, 2004;Schubert, Littmann-Wernli & Tingler, 2002u.a.). Aufgrund der fehlenden Systematik aufder konzeptionellen Ebene sind auch kaumVergleiche zwischen den Studien und Be-richten möglich. Zu oft bleiben die verwen-deten Kategoriensysteme oder Skalen unklarbzw. werden nicht explizit benannt (z.B.Maass & Clemens, 2002). Dies mag für eineerste Deskription und die Heranführung inte-ressierter Leser genügen und in diesem Zu-sammenhang von großem Wert sein. Für einvertieftes und differenzierteres Verständnisbzw. die Weiterentwicklung der aktuellen Er-kenntnislage sowie der bestehenden Praxis,genügt dies jedoch nicht. Fragen bezüglichder Verteilung, der Veränderbarkeit und desZusammenhangs unterschiedlicher Motivla-gen beim freigemeinnützigen Engagementvon Unternehmen können so nur be-schränkt beantwortet werden. Zur Illustrati-on dieses Sachverhaltes soll beispielhaft dieKategorie bzw. das Motiv ,Tradition’ heran-gezogen werden. In der Untersuchung vonAmmann et al. (2004) wird die ,Traditionund Verantwortungsübernahme’ mit 43%der Nennungen (Mehrfachnennungen wa-ren möglich) als Hauptgrund für die Förde-rung entsprechender Engagementwünschegenannt. Über den rein deskriptiven Charak-ter dieser Feststellung hinaus, lassen sich kei-ne weiteren Annahmen treffen. Die Katego-rie sagt z.B. nichts über die Perspektive, wel-che zu der Antwort geführt hat, aus. Sie lässtso auch keine Annahmen für künftiges Han-deln der Befragten zu. Das Fehlen eines kon-zeptionellen Rahmens, der entsprechendeAnnahmen theoretisch-konzeptionell ein-

schließt und bei der Gewinnung der Datenmitberücksichtigt, zeigt sich hier deutlich.Dies wäre allerdings in Bezug auf die Unter-suchung der Motive zur Unterstützung vonFreiwilligkeit in zweifacher Hinsicht von gro-ßem Nutzen: – Für die Umsetzung in der Praxis würde die

unternehmensspezifische Erstellung ent-sprechender Angebote leichter fallen undsomit auch die Verwirklichung der unter-schiedlichen Erwartungen wahrscheinli-cher werden.

– Aus wissenschaftlicher Sicht würde einekonzeptionelle Basis und die daran orien-tierte empirische Erhebung der unter-schiedlichen Motivlagen ein differenzierte-res Verständnis ermöglichen, welches alsGrundlage für weitere Forschung und denTransfer in das Praxisfeld dienen könnte.

Dieser Einschätzung folgend, werden im An-schluss das Konzept der sozialen Handlungs-orientierung nach Geulen (1982) bzw. vierdaraus entwickelte und empirisch geprüfteHandlungsorientierungsformen dargestellt.Im Rahmen einer qualitativ ausgerichtetenBefragung schweizerischer Unternehmens-vertreter (CEO, Human Resource Manager(HRM) und Eigentümer) wurden Aussagenbzgl. der Motive für die Unterstützung frei-gemeinnützigen Engagements den vier For-men zugeteilt. Die Resultate und Erkenntnis-se sowie die daraus folgenden Konsequen-zen für künftige Studien und konkrete Enga-gementwünsche werden dargestellt und dis-kutiert.

KONZEPTIONELLE EINBETTUNG UND

FRAGESTELLUNG

Spricht man von Unternehmen und derenUnterstützung freigemeinnützigen Engage-ments, sind auch die für die Unternehmens-ausrichtung verantwortlichen Personen an-gesprochen. Ob CEO, Human ResourceManager (HRM) oder Patron, es sind dieseFührungskräfte, welche Entscheidungen be-züglich unternehmerischen Handelns (mit-)tragen müssen. Deren subjektive Interessenund Intentionen spielen in diesem Zusam-menhang eine zentrale Rolle. Dies ist geradein Bezug auf kleine und mittelständische Un-ternehmen (KMU) eine wichtige Überle-gung. Unternehmensvertreter und derenMotive hängen hier noch sehr viel direktermit der Ausrichtung der Unternehmensinte-ressen zusammen, als dies bei Großunter-nehmen der Fall ist (Damm & Lang, 2002).

SOZIALE HANDLUNGSORIENTIERUNGEN VON FREIGEMEINNÜTZIG ENGAGIERTEN UNTERNEHMENSVERTRETERN

41Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

innenteil.qxd 22.03.2007 13:50 Seite 41

Dementsprechend bietet sich über diese An-sprechgruppen auch ein möglicher Zugangzum Forschungsfeld, um mehr über die Ent-scheidungspraxis in und von Unternehmenin Bezug auf die Unterstützung freigemein-nützigen Handelns zu erfahren. Um die subjektiven Interessen und Intentio-nen von Unternehmensvertretern erfassenzu können, haben wir unserer Untersuchungdas Konzept ‚soziale Handlungsorientierun-gen’ von Geulen (1982) zugrunde gelegt.Unter sozialen Handlungsorientierungenwerden solche Orientierungen verstanden(Weber, Ostendorp & Wehner, 2003):– welche sich auf soziale Gegenstände (z.B.

Stakeholderbeziehungen oder gemeinnüt-ziges Engagement) beziehen,

– eine handlungsleitende Funktion (bzgl.Ziele, Handlungsprogramme usw.) habenund

– sich durch ihre Motivverbundenheit nachWertorientierungen richten.

Der bewusste Bezug auf soziale Gegenstän-de ist für Geulen kennzeichnend. Für ihnmuss eine Handlungstheorie zwingend ei-nen sozialen Aspekt aufweisen: „Da dieserein integraler, ja konstitutiver Bestandteil un-serer Handlungsorientierung ist (…)“ (Geu-len, 1982, 27), ohne welchen sie bestenfallseinen „Zipfel des Problems“ erfasst. Sozialist ein Handeln in seinem Verständnis dann,„ (…) wenn es ein Handeln ist, das sich inten-tional in bestimmter Weise auf andere Sub-jekte bezieht (ebd., 26). Nebst der hand-lungsleitenden Funktion, welche die sozialenHandlungsorientierungen ausüben, ist vor al-lem auf die Wertorientierung, als drittenAspekt zu verweisen. Durch ihre Motivver-bundenheit beeinflussen diese die geäußer-ten Haltungen und sonstigen Interakte derAkteure, was vor allem in Bezug auf die Ge-

staltung und den Ablauf von projektbezoge-nen Interaktionen bzw. Kooperationen vonInteresse ist. Die Kombination dieser dreiMerkmale im konzeptionellen Rahmen er-laubt es nun, im Gegensatz zu den oben er-wähnten rein deskriptiven Kategorien, be-gründete Annahmen über den Verlauf künf-tiger Handlungen zu treffen (die inhaltlicheWeiterführung des Konzeptes folgt im Dis-kussionsteil). Operationalisiert wurde das Konzept der so-zialen Handlungsorientierung von Weber etal. (2003), welche (ursprünglich drei) viertheoretisch abgeleitete und empirisch ge-prüfte Formen sozialer Handlungsorientie-rung entwickelt haben. Die vorliegende Befragung hatte dement-sprechend zum Ziel, die Zuordnung vonMeinungen, Einschätzungen und Bewertun-gen der Interviewpartner zu Formen sozialer

Handlungsorientierung zu ermöglichen. Kon-kret wurde eine Unterscheidung von Interes-sen versucht, die klären will, ob die Unter-stützung von freigemeinnützigem Engage-ment von Mitarbeitern durch das Manage-ment oder den Unternehmensinhaber eher(I) egozentrische Ziele verfolgt, aus (Ia) be-triebswirtschaftlichen bzw. (IIa) sozialenAustauschüberlegungen heraus erfolgt odereiner sog. (II) mutualistischen, rein prosozia-len Handlungsorientierung zugeschriebenwerden kann. Die vier Formen bilden letzt-lich ein Kontinuum, in dem sich die mittlerenOrientierungen (Ia und IIa) den Extremen nä-hern bzw. eine abgeschwächte Form dersel-ben darstellen (siehe Abbildung 1). Es solltenAntworten auf folgende Fragen gefundenwerden:Welche sozialen Handlungsorientierungen

verfolgen Unternehmensvertreter, wenn sie

sich zu „bürgerengagiertem“ Handeln ent-

scheiden?

42Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

T. WEHNER, G.-C. GENTILE

– Egozentrisch-utilitaristische Handlungsorientierung (I): Kurzfristige Realisierung von Ei-gennutzen und Rentabilität; Instrumentalisierung des Engagements für die eigenen Interes-sen: "Ich bin Geschäftsführer, von mir erwartet man gute Zahlen und nicht etwa gute Taten."

– Betriebswirtschaftlich geprägte Austauschorientierung (Ia): Mittelfristige Nutzenkalkula-tion; kooperatives Verhalten zur Aufrechterhaltung des nützlichen Engagements der Part-ner: "Jemand, der als Fahrer von uns die Jugend in der Gemeinde trainiert, der verbessert

vielleicht schon unsere Bilanz."

– Sozial geprägte Austauschorientierung (IIa): Langfristige Erträge (betriebswirtschaftlicheund soziale) beiderseits; gegenseitige Unterstützung zur Zielerreichung: "Das Soziale ist

doch das, was unser Überleben ermöglicht; ich mein' ich sag' das auch als Unternehmer."

– Mutualistisch-prosoziale Handlungsorientierung (II): Langfristige und wertgeleitete Erträ-ge; Nachhaltigkeit über das Engagement hinaus; keine direkte gegenseitige Aufrechenbar-keit erwartet: "Unternehmertum ist immer auch Bürgertum"

TABELLE 1:

Empirisch geprüfte

Formen ,Sozialer

Handlungsorientie-

rung' mit Beispielsatz

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Inwiefern muss/kann bei den befragten Un-

ternehmensvertretern von unterschiedlichen

Handlungsorientierungen (z.B. egozentrisch-

utilitaristisch vs. mutualistisch-prosozial) aus-

gegangen werden und wie sehen deren Aus-

prägungen im Vergleich aus?

METHODE

Stichprobenzusammensetzung

Insgesamt wurden 118 Inhaber bzw. Ma-nagementvertreter von schweizerischenKMU zu ihren Engagemententscheidungenbefragt. Dies waren Teilnehmer, welche sichim Anschluss an die Studie „Unternehmenunterstützen Freiwilligkeit“ (Amman et al.,2004)1 bereit erklärt hatten, an dieser Folge-studie teilzunehmen. Firmen bzw. Vertreter,welche diese Bereitschaft in der ersten Stu-die nicht äußerten, sind in der vorliegendenStichprobe nicht enthalten. Insgesamt wur-den 76 Firmeninhaber und 27 Mitglieder desManagements interviewt. Für 15 Interviewtespielte Gemeinnützigkeit zum Zeitpunkt derInterviews keine Rolle mehr, weshalb sienicht in die Auswertung aufgenommen wur-den. Die Größe der KMU lag zwischen 20und 115 Mitarbeitenden. Sie verteilten sichüber folgende Branchen: Handwerksbetrie-be 60%; Zulieferbetriebe 25%; Industriebe-triebe 15%. 31 Personen waren selbst alsFreiwillige tätig. Es wurden hauptsächlichMänner höheren Alters befragt.

Telefonisch-fokussierte Interviews

Aufgrund der beschränkten Erreichbarkeitund der relativ großen Anzahl durchzufüh-render Interviews, fiel die Wahl der Methodeaus forschungspragmatischen Gründen aufTelefoninterviews. Die fokussierten Inter-views (Hopf, 2000) wurden von zwei erfah-renen Interviewern durchgeführt und ausge-wertet. Im Durchschnitt dauerten die Ge-

spräche zehn bis fünfzehn Minuten. Das kür-zeste Gespräch dauerte zehn, die längstenbis zu vierzig Minuten. Während den Inter-views wurde auf möglichst hohe Anteile anErzählpassagen geachtet, was dem methodi-schen Postulat von Geulen (1982, 45) ent-spricht, der: „(…) die Explikation des Selbst-verständnisses handelnder Subjekte“ fordert.Nach der Einstiegsfrage wurden die Befrag-ten angehalten, möglichst fokussiert und prä-zise über die Beweggründe und Vorausset-zungen ihres Entscheides zur Unterstützungder Mitarbeiter in Freiwilligenprojekten zuberichten. Dies sollten sie jeweils anhandmöglichst konkreter Beispielen tun. Die Rol-le der Interviewer beschränkte sich dabei aufein aktives Zuhören und die Einhaltung desGesprächsfokus. Die Interviews wurden mitder Frage nach Ergänzungen und abschlie-ßenden Bemerkungen seitens der Inter-viewten beendet.

AUSWERTUNG

Dank der Hilfestellung moderner Telefon-technik, konnten bereits während der Inter-views zentrale Textpassagen und Aussagender Interviewten festgehalten werden. Da-durch fand eine erste Selektion des Daten-materials statt. Dieses wurde anschließendals Grundlage für die Auswertung bzw. Zu-teilung der Passagen zu den vier Handlungs-orientierungsformen verwendet. Analyseein-heiten waren Sinneinheiten, d.h. Wörter, Sät-ze oder ganze Abschnitte. Ziel der Analysewar es, unter Verwendung des Analyseras-ters eine konzeptuell geleitete und empirischvalide Bestandsaufnahme der Motive bzw.sozialen Handlungsorientierungen der be-fragten Unternehmensvertreter zu erhalten. Nach der Zuteilung der Aussagen zu denvier Formen fand die Auswertung entlangzweier Unterscheidungskriterien statt: Alserstes Unterscheidungskriterium wurde diebetriebliche Funktion der Befragten genom-men. Hinter dieser Entscheidung stand die

SOZIALE HANDLUNGSORIENTIERUNGEN VON FREIGEMEINNÜTZIG ENGAGIERTEN UNTERNEHMENSVERTRETERN

43Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

Soziale Austauschorientierung (IIa)

BetriebswirtschaftlicheAustauschorientierung (Ia)

Egozentrisch-Utilitaristisch (I)

Mutualistisch-Prosozial (II)

))

Ia)Ia)

- Mutualistisch-Prosozial (II)

-- --

ABBILDUNG 1:

Kontinuum ,sozialer Handlungsorientie-

rung’

1Unter Mitarbeit der Forschungsgruppe der ETH Zürich.

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Überlegung, dass es zwischen dem Besitzereines Unternehmens und dem sich im Ange-stelltenverhältnis befindenden Manage-ments qualitative Unterschiede gibt. Diesesollten sich, so die Hypothese, auch in Be-zug auf die Unterstützung freigemeinnützi-gen Engagements auswirken. Bei diesem ers-ten Auswertungsschritt wurden die Befrag-ten der dominanten Form ihrer Handlungs-orientierung zugeteilt. So wurde ein CEObeispielsweise der Form I zugeteilt, wenn erfür die Form I sechs, die Form Ia drei und fürIIa eine Zuteilung erhielt. Als zweites Kriterium wurde zu einem späte-ren Zeitpunkt nebst der betrieblichen Funkti-on der Engagementbereich (Kultur, Sport, So-ziales u.a.), spezifisch schweizerische Laien-behörden (vergleichbar mit dem Schöffen-bzw. Ehrenamt), gewählt. Es ist davon auszu-gehen, dass nicht jeder Bereich in Verbin-dung mit dem Engagement des Unterneh-mens mit den gleichen Interessen und Inten-tionen verbunden wird. Dies ist aufgrund derStruktur des Systems der schweizerischenLaienbehörden in zugespitzter Form zu er-warten: Freiwilligentätigkeit zeichnet sichklassisch durch die unentgeltliche und weit-gehend uneigennützige Ausrichtung aus. Beiden schweizerischen Laienbehörden ist diesnicht mehr in vollem Umfang erfüllt. Hand-gelder übersteigen reine Kostenentschädi-gungen, die Amtspflicht schränkt die Freiwil-ligkeit ein und oft stehen persönliche Ent-wicklungsmöglichkeiten im Vordergrund.Die lokalpolitisch einflussreichen Positionenin Gemeindeämtern (z.B. Schulpflege oderGemeinderat) sind nicht nur für die Freiwilli-gen von Interesse, sondern auch für die je-weiligen Betriebe. Dies lässt Unterschiedebezüglich der Motive der Unternehmensver-treter erwarten. Bei diesem zweiten Auswer-tungsschritt wurden die Aussagen auf dievier Formen verteilt, ohne eine abschließen-de Zuordnung der Befragten zu einer Formvorzunehmen. Der gleiche CEO bzw. des-

sen Aussagen fließen demnach in die dreiFormen ein und bleiben dort statistisch rele-vant. Ein Vergleich der beiden Auswertungs-schritte bzw. der Auszählungen ist deshalbnur hinsichtlich qualitativer Unterschiedemöglich. Die kommunikative Validierung, welche in-nerhalb der Forschungsgruppe durchgeführtwurde, war befriedigend. Eine weitere Diffe-renzierung des Analyserasters scheint des-halb nicht nötig.

RESULTATE

Betrachtet man die Zuordnung der Befrag-ten – in der Tabelle 2 – nach den betriebli-

chen Funktionen, welche sie im Unterneh-men einnehmen, fallen zwei Dinge auf. Zumeinen die Konzentration auf die beiden mitt-leren Formen der Handlungsorientierungen:Mit 85% bei den Inhabern und 89% beimManagement, fühlten sich über vier Fünftelder Befragten sozialen und unternehmeri-schen Austauschbeziehungen verpflichtet.Vergleicht man zum anderen die beidenGruppen in Bezug auf die beiden mittlerenFormen (Ia und IIa), zeigt sich eine unter-schiedliche Schwerpunktsetzung: Mit 64%weisen knapp zwei Drittel der Firmeninha-ber sozial ausgerichtete Handlungsorientie-rungen als dominantes Merkmal auf. Bei denVertretern des Managements wechselt diesauf die Seite der unternehmerischen Orien-tierung, was mit 74% sehr deutlich ausfällt. Dieser klare Unterschied ist jedoch dahinge-hend zu relativieren, dass es immer auch An-teile zu „benachbarten“ Formen gab: Wäh-rend die Überlappungen zwischen den For-men I/Ia bzw. II/IIa relativ geringfügig sind,ist dies für die beiden mittleren Formen stär-ker der Fall. Davon ausgenommen sind Be-fragte, welche selbst freigemeinnützig tätigwaren und sich meist eindeutiger zuordnenließen.

44Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

T. WEHNER, G.-C. GENTILE

Formen Sozialer Handlungsorientierung

Inhaber Management

1. Zuordnung 2. Zuordnung 1. Zuordnung 2. Zuordnung

Funktionn = 76

Laienn = 49

sonstigen = 27

Funktionn = 27

Laienn = 14

sonstigen = 13

I egozentrisch-utilitaristisch 4% 10% 0% 11% 36% 0%

Ia betriebswirtschaftliche Aus-tauschorientierung

21% 61% 26% 74% 57% 8%

IIa soziale Austauschorientie-rung

64% 22% 22% 15% 7% 46%

II mutualistisch-prosozial 11% 7% 52% 0% 0% 46%

TABELLE 2:

Formen sozialer Hand-

lungsorientierung bei

Inhabern und Manage-

ment

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Betrachtet man die Zuordnungen unter demzweiten Unterscheidungskriterium Laienbe-

hörden, dann zeigt sich folgendes veränder-tes Bild. Sowohl bei den Inhabern als auchbeim Management findet eine Verschiebungder Zuordnungen in Richtung unternehmeri-sche bzw. egozentrische Handlungsorientie-rung statt. Auch Inhaber haben bei der Un-terstützung von Laienbehördentätigkeit ver-mehrt den Nutzenaspekt im Blick. Gegensei-tige Zielerreichung aller Beteiligten sowie ge-samtgesellschaftliche Ziele rücken dabeistärker in den Hintergrund. Das Manage-ment, welches durch seine Funktion bereitsnutzenorientierter denkt bzw. weniger phi-lanthropische Autonomie besitzt, achtet inBezug auf die Laienbehörden noch stärkerauf die Erfüllung betrieblicher Interessen.Dementsprechend verfolgt es mit mehr alseinem Drittel (36%) der Nennungen diekurzfristige Verwirklichung von Unterneh-menszielen durch die Unterstützung der Lai-enbehörden. Mit weniger als einem Drittel(Inhaber, 29%) bzw. einem Zehntel (Ma-nagement, 7%) der Aussagen, sind die stär-ker sozial ausgerichteten Formen (IIa/II) inBezug auf Laienbehördentätigkeit deutlichweniger vertreten. Bei den sonstigen Engagementbereichen fälltbeim Management die deutliche Zuordnungzu sozial ausgerichteten Orientierungen auf.Herauszustreichen ist auch die klare Zweitei-lung der Zuordnungen zwischen Laienbe-hörden und den „sonstigen“ Engagementbe-reichen: Mit 93:92% (I/Ia:II/IIa) verkehrt sichdie Schwerpunktsetzung deutlich mit demjeweiligen Bereich des Engagements. DieserVergleich fällt für die Inhaber weniger klaraus. Das Verhältnis liegt hier bei 71:74%. Bringt man die Resultate zusammenfassendauf den Punkt, sind folgende drei Erkenntnis-se festzuhalten: – Während der Unterschied zwischen Inha-

bern und Management noch erwartbarwar, so ist er in seiner Deutlichkeit dochbemerkenswert. Inhaber haben eine sozia-ler ausgeprägte Handlungsorientierung inBezug auf die Unterstützung von Freiwillig-keit, als dies für das Management gilt. Diesändert sich im Verhältnis zwischen denbeiden Gruppen auch dann nicht, wennLaienbehördentätigkeit gefördert werdensoll.

– Unterstützung von Laienbehördentätigkeitführt bei den Entscheidungsträgern zu ei-ner Verschiebung in Richtung stärkereNutzenorientierung. Dass dies sowohl fürManagementvertreter als auch für die In-haber gilt, war bislang nicht bekannt

(Damm & Lang, 2002; Schubert, R., Litt-mann-Wernli, S., Tingler, P., 2002; Amman,Bachmann & Schaller, 2004) und sollte beikünftigen Diskussionen über die Beibehal-tung oder Auflösung und Professionalisie-rung der „Laienbehörden“ mit einbezo-gen werden.

– Als dritter und abschließender Punkt istdas Zuordnungsmuster der beiden Grup-pen herauszustreichen. Das Managementweist in allen Bereichen eine relativ klareZuordnung auf. Sowohl für die Funktionals auch bezüglich der Unterscheidungvon Laienbehörden- und „sonstigen“ Tä-tigkeiten. Bei den Inhabern sieht dies an-ders aus. Auch wenn relativ klare Präferen-zen der Orientierung vorhanden sind, ver-teilen sich die zugeordneten Aussagenstärker über die vier Formen. Dies ist beimManagement deutlich weniger der Fall:Die stärkere Legitimation und Entschei-dungsfreiheit als Inhaber mag hierfür einemögliche Erklärung sein.

DISKUSSION

Dank der Verwendung des Konzeptes ‚so-ziale Handlungsorientierungen’ bzw. des da-raus operationalisierten Analyserasters konn-ten die Aussagen der befragten Unterneh-mensvertreter konzeptionell geschlossen ge-fasst und für weitere Vergleiche aufbereitetwerden. Es wurde jeder Form Aussagen zu-geteilt, was der Vermutung einer rein utilita-ristischen Handlungsorientierung von Unter-nehmensvertretern entgegensteht. Wie die Resultate zeigen, sind die persönli-chen Interessen und Intentionen nur seltenin reiner Form erfüllt, vielmehr wirken ver-schiedene Aspekte gleichzeitig. Es ist des-halb sinnvoll, nicht nur von einer einzelnenHandlungsorientierung zu sprechen, son-dern von einem Muster. Dieses gestaltet sichje nach situativen Gegebenheiten in seinenAusprägungen unterschiedlich aus. Aller-dings weist das jeweilige Muster eine domi-nante Orientierung auf, welche über die ein-zelne Situation hinaus relativ konstant bleibt.Hierbei spielen, wie oben gezeigt werdenkonnte, die betriebliche Funktion und derspezifische Engagementbereich, hier die Lai-enbehördentätigkeit, eine wichtige Rolle. In Bezug auf die Laienbehörden ist abschlie-ßend zu bemerken, dass eine Gleichsetzungder Engagementformen – wie dies z.B. beiAmmann et al. (2004) der Fall ist – unter die-sen Umständen nicht sinnvoll ist. Auf demHintergrund dieses Resultates stellt sich be-

SOZIALE HANDLUNGSORIENTIERUNGEN VON FREIGEMEINNÜTZIG ENGAGIERTEN UNTERNEHMENSVERTRETERN

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Heft 1/2007

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rechtigterweise die Frage, inwiefern künftigvon unterschiedlichen Handlungsorientie-rungen ausgegangen werden muss, wennsich der Engagementbereich ändert? Aus praktischer und theoretischer Perspekti-ve sind diese Befunde in mehrfacher Hin-sicht interessant. Als Ansprech- bzw. Koope-rationspartner sind Unternehmen bzw. Un-ternehmensvertreter nicht monothematischmotiviert. Der Hinweis auf Motivmuster inder vorliegenden Studie weist auf die Interes-senvielfalt der Befragten hin. Angebote oderNachfragen zur Unterstützung freigemein-nütziger Projekte sollten diese Vielfalt nichtunterschätzen und versuchen sie zu nutzen.Dies setzt jedoch voraus, dass möglichst vie-le Informationen über die soziale Hand-lungsorientierung des Ansprechpartners ge-wonnen werden, um so ein genaueres Bildvon dessen Motivmuster zu erhalten. Wiebereits vermerkt, können dabei schon Unter-schiede bei der betrieblichen Funktion eineRolle spielen und so eine erste, wenn auchgrobe, Orientierung beim Kontakt bieten.Weiter sollte im Verlauf dieser Abklärungenein möglichst passendes Angebot für die Un-terstützung formuliert werden. Wie oben ge-zeigt, spielen die Engagementbereiche mög-licherweise eine wichtige Rolle, was die Aus-richtung von Interessen und Intentionen derUnternehmensvertreter anbelangt. Dies er-fordert gerade auf der Angebotsseite einegewisse Anpassungsfähigkeit bzw. Kreativi-tät bei der Angebotsformulierung. Durch dierelative Neuartigkeit solcher Angebote undAnfragen sollte eine genauere Bestimmungder Bedürfnisse und Ziele der Unterneh-mensvertreter auch in deren Interesse sein.Die Orientierung an und Zuordnung zu denvier Formen stellt dabei eine Reflexionsmög-lichkeit dar, welche den Abklärungs- und Ko-ordinationsprozess unterstützen kann. DieExplizierung von Handlungsorientierungenwürde nicht zuletzt eine direktere Form desAustausches zwischen den Kooperations-partnern ermöglichen. Freiwillig tätige Mitar-beiter, aber auch Non-Profit-Unternehmenmüssen so weniger über die möglichen Mo-tive spekulieren und können ihre Anfragenund Angebote auf dem Hintergrund derHandlungsorientierung konkret besprechen.Dies sollte nicht nur den folgenden Koopera-tionsprozess besser abstimmen, sondernauch zu einer effektiveren und effizienterenZielerreichung beiderseits beitragen. Betrachtet man die Befunde bzw. diese ab-schließenden Anregungen im theoretischenZusammenhang, so ist Folgendes festzuhal-ten: Geulen (1982) sieht in der ,Perspekti-

venübernahme’ das psychologische Mittel,mit welchem Akteure ihre Motive bzw.Handlungsorientierungen gegenseitig erken-nen können. Der Begriff bezeichnet dieKompetenz, die Handlungsorientierung ei-nes Interaktionspartners zu verstehen, indemdie Perspektive, welche dieser in einer jewei-ligen Situation einnimmt, hinreichend rekon-struiert wird. Entsprechende Informationen,so Geulen (ebd., 53), werden sowohl ausdem overten Verhalten („offenes Verhalten“,nach Klima, 1995) des Gegenübers als auchaus der gemeinsamen Situation und der Stel-lung der Beteiligten bezogen. Diese „ty-pisch menschliche Kompetenz“ des Fremd-verstehens (ebd.) ist gerade in Bezug auf dieErkennung der Handlungsorientierungen derUnternehmensvertreter bzw. die Formulie-rung eines passenden Angebotes von großerBedeutung. Unsere Befunde unterstützendiese Perspektive, stellt doch beispielsweisedie betriebliche Stellung einen wichtigen In-dikator für die Ausrichtung der Handlungs-orientierung dar. Dementsprechend solltediese, nebst den beobachtbaren und verbalgeäußerten Handlungen, bei der Rekon-struktion der Orientierung berücksichtigtwerden. Wir haben in der Einleitung dieses Textesaufgezeigt, wo zurzeit mögliche Defizite inder Auseinandersetzung mit freigemeinnüt-zigem Engagement von Unternehmen liegenkönnten. Nebst der fehlenden konzeptionel-len und empirisch-systematischen Basis wur-de die mangelnde Vergleichbarkeit beste-hender Befunde aufgeführt. Mit dem ge-wählten Zugang über das Konzept der sozia-len Handlungsorientierung bzw. des darausentwickelten Analyserasters haben wir ver-sucht, diesen Defiziten zu begegnen. DasAnalyseraster erlaubt eine differenziertereund vertiefte Wahrnehmung. Nicht nur inBezug auf die Motive, sondern auch bezüg-lich der Wahrnehmung und Orientierung inbevorstehenden Interaktionen. Im Vergleichzu den oben kritisierten Motivkategorien(siehe das Beispiel ,Tradition’) bzgl. des feh-lenden konzeptionellen Bezugs stellt dasAnalyseraster eine Verbesserung dar. DesWeiteren werden Aussagen zur Verteilungund Veränderbarkeit von Handlungsorientie-rungen ermöglicht, wie sie uns im Bereich,gemeinnütziges Engagement von Unterneh-men’ im deutschsprachigen Raum nochnicht bekannt sind. Aus diesem Grund wärees von allgemeinem Interesse, über eineStandardisierung des Analyserasters die Ver-breitung desselben zu ermöglichen, um sozu vergleichbaren Daten in unterschiedli-

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Heft 1/2007

T. WEHNER, G.-C. GENTILE

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chen Kontexten zu gelangen. Dies wird zur-zeit von den Autoren durchdacht und gege-benenfalls in einem weiteren Entwicklungs-schritt auch realisiert werden.

LITERATUR

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PROF. DR. THEO WEHNER

[email protected]

GIAN-CLAUDIO GENTILE

[email protected]

ETH Zürich

Zentrum für Organisations- und

Arbeitswissenschaften (ZOA)

Forschungsgruppe "Psychologie der Arbeit in

Organisation und Gesellschaft" (PdA)

Kreuzplatz 5

CH-8032 Zürich

Schweiz

SOZIALE HANDLUNGSORIENTIERUNGEN VON FREIGEMEINNÜTZIG ENGAGIERTEN UNTERNEHMENSVERTRETERN

47Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

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Die bislang eher dürftige Datenlage in

Deutschland zum gesellschaftlichen Engage-

ment von Unternehmen veranlasste das Land

Baden-Württemberg beim Zentrum für zivil-

gesellschaftliche Entwicklung (zze) eine re-

präsentative Studie für das Bundesland in

Auftrag zu geben. 541 Unternehmen nahmen

an 25-minütigen Telefoninterviews teil. Die

Studie untersuchte Themen wie Handlungs-

felder, Engagementarten, Motivation und An-

erkennung der engagierten Unternehmen mit

dem Ziel, Daten für eine mögliche Förderung

von Corporate Citizenship zu erhalten. Aus

diesem Grund wurden auch Unternehmen

interviewt, die bislang kein gesellschaftliches

Engagement haben. Die Ergebnisse zeigen,

dass die CC-Aktivitäten oft durch persönliche

Beweggründe der Unternehmer motiviert

sind und vor allem auch emotionalen Bezug

haben zu ihren Unternehmen und dem

Standort. Dieses persönliche und stark tra-

dierte Engagement ist nicht strategisch ange-

legt und oft noch weit entfernt von einer Ein-

bettung der Unternehmen als Bürger.

Schlüsselwörter: Corporate Citizenship, Un-

ternehmerisches bürgerschaftliches Engage-

ment, Standortpolitik, Mittelstand, Baden-

Württemberg, Unternehmensverantwortung,

Zivilgesellschaft

Community Involvement of Companies in Baden-Württemberg – Results of a Quantitative Survey and Lines of Interpretation

Against the background that empirical data

on Corporate Citizenship activities of small

and medium-sized companies is still hard to

find, the Land Baden-Wurttemberg had a

quantitative survey carried out by the Zen-

trum für zivilgesellschaftliche Entwicklung

(zze). 541 companies participated in 25-mi-

nute telephone interviews, inquiring into issu-

es including existing fields of action, instru-

ments, motivation and recognition of compa-

nies involved in Corporate Citizenship. Ob-

jective of the survey was to obtain relevant

data to define policies to support and pro-

mote the idea of Corporate Citizenship. For

this purpose also companies were intervie-

wed which at present do not undertake any

CC activities. The results show that Corpora-

te Citizenship activities are driven by perso-

nal motivation of the entrepreneurs and are

emotionally related to their business and

their business location. Corporate Citizen-

ship of small- and medium-sized companies is

rooted in tradition and a strategic approach is

still to develop.

Key words: corporate citizenship, community

involvement, Baden-Wurttemberg, strategic

philanthropy, SME, corporate responsibility,

civil society

1. EINLEITUNG

Das Konzept Corporate Citizenshipbleibt vage

„Wirtschaft“ und „Gesellschaft“ nehmensich in Deutschland häufig als zwei gegen-sätzliche Systeme wahr, deren Interessen inmanchen Bereichen stark divergieren undunvereinbar scheinen. Ausdruck findet die-ses gegenseitige Gefühl der Unterschiedlich-keit der beiden Bereiche gerade dann, wennUnternehmensskandale, seien es nun Beste-chung, Umweltsünden oder drastische Erhö-hungen der Vorstandsbezüge bei gleichzeiti-gen Entlassungen, die Nachrichten beherr-schen. In der Folge fordert die Öffentlichkeit

48Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

M. WEGNER

MARTINA WEGNER

DAS GESELLSCHAFTLICHE ENGAGEMENT VON

UNTERNEHMEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG –ERGEBNISSE EINER REPRÄSENTATIVEN STUDIE UND

WEITERFÜHRENDE DEUTUNGEN

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die Unternehmen auf, mehr Verantwortungfür die Gesellschaft zu übernehmen, wäh-rend die Unternehmen auf diese diffuse An-forderung häufig mit der Argumentation rea-gieren, so funktioniere Wirtschaft eben.Der Ruf nach gesellschaftlicher Verantwor-tung von Unternehmen findet sich auch indem Begriff des Corporate Citizenship (CC),einem Anglizismus, der bei NGOs und gro-ßen Unternehmen seit einigen Jahren zuneh-mend diskutiert wird. In der breiten Öffent-lichkeit und bei kleinen Unternehmen findeter bislang jedoch noch wenig Anklang: Diehier vorgestellte Studie zeigt, dass nur 11Prozent der befragten Unternehmen in Ba-den-Württtemberg der Begriff ganz klar ist,bei dem verwandten Begriff des CorporateSocial Responsibility (CSR) sind es 15 Pro-zent. Die – etwas umständliche – Übersetzung„Bürgerschaftliches unternehmerisches En-gagement“ schneidet dagegen wesentlichbesser ab: Mit diesem Begriff wissen immer-hin 49% der Befragten etwas anzufangenund sagen aus, dass er ihnen „ganz klar“ ist.Je größer das Unternehmen, desto häufigerfinden sich Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter, die den Begriff CC kennen. Was sie je-doch darunter verstehen, ist sehr unter-schiedlich (vgl. Wegner 2004). In einigenUnternehmen wird das Thema Sozial- oderauch Personalfragen zugeordnet, in anderenist es in den Abteilungen Marketing oder Un-ternehmenskommunikation angesiedelt. Ei-ne Definition wird zwar hin und wieder denentsprechenden Spezialberichten (z.B. zuUnternehmensverantwortung, gesellschaftli-chem Engagement, Personalberichten,Nachhaltigkeitsberichten) vorangestellt, aberwas das für das Unternehmen – gerade auchstrategisch – bedeutet, findet sich zumeistnicht. Darüber hinaus wird auch selten eineAbgrenzung des Begriffs zu anderen Kon-zepten wie z.B. CSR oder Nachhaltigkeit vor-genommen. Wie stehen die kleinen und mittleren Unter-nehmen dem Konzept CC gegenüber? In-wieweit bringen sie sich in die Gesellschaftein? Hier gibt es wenig empirisch gesicherteInformation. Während Ergebnisse von Studi-en über die gesellschaftliche Verantwortungvon großen Mittelständlern und Großunter-nehmen ab und zu an die Öffentlichkeit drin-gen, wurden bislang die kleinen und mittle-ren Unternehmen – mit Ausnahme einigerweniger Studien (Forsa 2005, Maaß & Cle-mens 2002, Ammann, Bachmann, Schaller2004) – in quantitativen Untersuchungen inDeutschland kaum systematisch berücksich-

tigt. Die deutschlandweite Studie des Han-delsblatts (Langenscheidt 2005) dekliniertzwar einige Fragestellungen nach Größen-klassen von Unternehmen, die Verteilung istjedoch nicht repräsentativ. Es lässt sich feststellen, dass die gesellschaft-liche Verantwortung von Unternehmen inDeutschland ein noch vages Konzept mitwenig gesicherten empirischen Daten ist.Einigkeit herrscht jedoch bei Wissenschaft-lern, Politikern, Nichtregierungsorganisatio-nen, den Bürgern (und vielen Unterneh-men), dass genau diese gesellschaftliche Ver-antwortung von Unternehmen in Zukunftimmer wichtiger wird.

Die baden-württembergischeCC-Förderung

Das Land Baden-Württemberg nimmt sichseit 2005 des Themas CC umfassend an. Eshat eine Kampagne ins Leben gerufen, dieunter dem Begriff „Unternehmen Bürger-schaftliches Engagement“ das Thema durchverschiedene Ansätze fördert. Dazu gehört– neben der Förderung von einzelnen Mo-dellstandorten und vertiefenden Untersu-chungen – die hier vorgestellte repräsentati-ve Unternehmensstudie für Baden-Württem-berg zum Thema CC, die das Zentrum für zi-vilgesellschaftliche Entwicklung (zze) durch-führte. Dieser systematische Förderungsan-satz ist in Baden-Württemberg nicht neu:Seit Jahren wird Bürgerschaftliches Engage-ment durch ein Landesnetzwerk der kommu-nalen Spitzenverbände intensiv und flächen-deckend gefördert. Die auf dieser Basis ent-wickelten Strukturen haben dazu beigetra-gen, dass Baden-Württemberg an der Spitzesteht, wenn es um die Anzahl engagierterBürgerinnen und Bürger in Deutschland geht(Gensicke, Picot, Geiss 2006).Das zze in Freiburg wurde vom Land Baden-Württemberg beauftragt, eine repräsentativeStudie zum Engagement von Unternehmenim Bundesland zu erstellen. Ziel dieser Stu-die war es, die Engagementlandschaft derUnternehmen in Baden-Württemberg umfas-send und repräsentativ abzubilden und so-mit eine Bestandsaufnahme für das Land zuerstellen. Gleichzeitig sollten Möglichkeitenfür die Förderung von CC herausgearbeitetwerden. Vor diesem Hintergrund war zu eru-ieren, wie sich die Unternehmen in die Ge-sellschaft einbringen, welches Selbstver-ständnis bzw. welche Motivation sie dazuhaben und wodurch sie dabei beeinflusstwerden. Unternehmensinterne Faktoren

DAS GESELLSCHAFTLICHE ENGAGEMENT VON UNTERNEHMEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG

49Wirtschaftspsychologie

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(z.B. Personalpolitik) oder auch Überlegun-gen zum nachhaltigen Wirtschaften wurdenüber das Engagement für die Gesellschaft hi-naus nicht in die Untersuchung einbezogen. Im Folgenden soll es einerseits darum ge-hen, Ansatz und Ergebnisse aus der genann-ten Studie vorzustellen. Weiterführend sollargumentiert werden, dass das Engagementder kleinen und mittleren Unternehmen, wiesie hier aufgrund der Repräsentativität in ers-ter Linie untersucht werden, in hohem Maßelokal geprägt und emotional mit der Persondes Unternehmers und seinem unmittelba-ren Umfeld verbunden ist. Das ist von Inte-resse, da dieser Standortbezug der Unter-nehmen für die gesellschaftliche Entwick-lung von Kommunen ein großes Potenzialdarstellt, das bislang weder umfassend wahr-genommen noch ausgeschöpft wird. Vordiesem Hintergrund wurden aus der Studiespezifische Daten ausgewählt, die die ge-nannte Argumentationslinie stützen. Einevollständige Darstellung der Ergebnisse fin-det sich in dem entsprechenden Bericht zurStudie, der über die Homepage des baden-württembergischen Ministeriums für Arbeitund Soziales abrufbar ist (zze 2006).

2. METHODE

Repräsentativität stellt kleine undmittlere Unternehmen in den

Vordergrund

Die Komplexität des CC-Themas hätte ausmethodischer Sicht eine persönliche Befra-gung mit Inhaber/innen der Unternehmengerechtfertigt. Da dies aus Gründen der be-grenzten Ressourcen nicht umsetzbar war,wählte das zze die telefonische Befragungals Erhebungsinstrument. Gegenüber einerschriftlichen Fragebogenaktion hat diese so-wohl den Vorteil eines höheren Rücklaufs alsauch einer besseren Ergebnisqualität da-durch, dass gerade bei diesem komplexenThema Rückfragen geklärt werden können.Die Stichprobe orientiert sich an der Grund-gesamtheit aller Unternehmen in Baden-Württemberg und wurde im Rückgriff aufdie kommerzielle Datenbank der Firma Cre-ditreform gezogen. Um eine profundeGrundlage für die angestrebte Zahl von min-destens 500 Telefoninterviews zu erhalten,wurde Creditreform um die Ziehung einerZufallsstichprobe von 3000 Unternehmen inBaden-Württemberg gebeten.

Während der Durchführung der Telefonbe-fragung wurde immer wieder überprüft, obhinsichtlich der Teilnahme der Unternehmenwichtige Unternehmensmerkmale wie Bran-che, Betriebsgröße und Region entspre-chend ihrer Verteilung in der Grundgesamt-heit vertreten waren. Insgesamt konnte aufdiese Weise eine repräsentative Verteilunghinsichtlich der wichtigsten Branchen sowienach Betriebsgröße und Wirtschaftsräumendes Landes erreicht werden. Dadurch wurde der Erhebungsschwerpunktauf die kleinen und mittleren Unternehmengelenkt. Da in Deutschland die kleinen undmittelständischen Unternehmen bekannter-maßen eine starke Wirtschaftskraft darstel-len, ist es für die Analyse und Förderung vonCC wichtig, auch das Engagement dieserUnternehmen zu beleuchten. Mit Blick aufdie Betriebsgröße zeigt sich dabei, dass dieBetriebe mit bis zu 3 Beschäftigten mit 41%am stärksten vertreten sind, gefolgt von Be-trieben zwischen 4 und 9 Beschäftigen(31%). Knapp jeder fünfte (18%) in die Be-fragung einbezogene Betrieb weist eine Be-schäftigtenzahl von 10 bis 49 auf und jederzehnte Betrieb (11%) eine Beschäftigtenzahlvon 50 und mehr (s. Abb. 1).

Die telefonische Befragung

Die telefonische Befragung, die sich vonSeptember bis Oktober 2005 erstreckte,wurde in Kooperation mit dem Zentrum fürSozialforschung Halle e.V. durchgeführt, dasüber eine computergestützte Telefonanlage(CATI-Labor) verfügt. Eine entsprechendeSchulung der Interviewerinnen und Intervie-wer wurde durch das zze vorgenommen.Darüber hinaus wurden eine Woche vor Be-ginn der Telefonumfrage alle Unternehmendurch ein gemeinsames Schreiben des Mi-nisteriums für Arbeit und Soziales und desWirtschaftsministeriums Baden-Württem-berg informiert und gebeten, die Umfrage zuunterstützen.Insgesamt wurden 514 Telefoninterviewsdurchgeführt, im Mittel wurde eine Inter-viewdauer von 25 Minuten erreicht. NachInformation der Interviewerinnen und Inter-viewer zeigten die Unternehmen ein großesInteresse an der Befragung. Es fiel nichtschwer, sie für diese relativ lange Zeit zuAuskünften zu motivieren. 27 Unternehmenäußerten den Wunsch, den Fragebogen zu-gesandt zu bekommen, um ihn schriftlich zubearbeiten, so dass sich insgesamt 541 Un-ternehmen an der Umfrage beteiligten. In

50Wirtschaftspsychologie

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M. WEGNER

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erster Linie handelte es sich bei den Inter-viewpartnern um die Inhaber/innen und Ge-schäftsführer/innen der Unternehmen. DieStichprobe von 3.000 Unternehmensadres-sen musste nicht ausgeschöpft werden. Diemeisten Unternehmen, die nicht an der Be-fragung teilnehmen wollten, führten alsGrund „Zeitmangel“ an. Hingegen gab esauch einige Unternehmen, die von sich ausdas zze kontaktierten, um an der Befragungteilnehmen zu können. Insgesamt errechnetsich eine Teilnahmequote von 34%.

Die Inhalte des Fragebogens

Ziel der Befragung war zum einen die Be-standsaufnahme von Engagement im Unter-nehmensquerschnitt und zum anderen eineDatenerhebung, die eine gezielte Förderungvon Unternehmensengagement ermöglicht.Der zur Befragung eingesetzte Fragebogengliederte sich in fünf Teile: Die Fragen desersten Teils bezogen sich auf die gesell-schaftliche Entwicklung (Handlungsbedarfim regionalen Umfeld; Verantwortung gesell-schaftlicher Akteure). Im zweiten Teil ging es um die konkreteWahrnehmung der gesellschaftlichen Verant-wortung durch die Unternehmen. Im Einzel-nen wurde nach Engagementfeldern (Sport,Kultur, sozialer Bereich etc.), nach Umfang(Spendenhöhe, Umfang des Unternehmer-oder Mitarbeitereinsatzes etc.) und Art desEngagements (Spenden, Sponsoring, Stiftun-gen etc.) gefragt. Da die Unternehmen sichoft nicht nur in einem Bereich oder auf eineWeise engagieren, wurden sie nach den dreiwichtigsten Engagementbereichen im Detailgefragt. Darüber hinaus wurde in diesem TeilB auch der Anstoß zum Engagement eruiertwie auch Kooperationspartner zur Durchfüh-

rung ihrer CC-Aktivitäten. Nach der Bereit-schaft zum zukünftigen Engagement wurdein der abschließenden Frage dieses zweitenTeils des Fragebogens gefragt. Ein gesondertes Kapitel wurde den Koopera-tionsstrukturen gewidmet, in dem nach ei-ner möglichen Zusammenarbeit der Unter-nehmen mit örtlichen Anlaufstellen oderkommunalen Strukturen gefragt wird. Die In-halte dieses dritten Teils wurden geleitet vondem Interesse des Ministeriums für Arbeitund Soziales an der Anschlussfähigkeit vonCC-Strukturen an von dem gleichen Ministe-rium aufgebauten Strukturen des Bürger-schaftlichen Engagements. Mit Blick auf dieFörderpolitik des Ministeriums wurde auchder Beratungsbedarf der Unternehmen ab-gefragt. Teil D widmete sich ausführlich den Fragender Motivation von Unternehmen, sich zuengagieren, und ihrer Bereitschaft, dieses En-gagement an die Öffentlichkeit (Veröffentli-chung unternehmensintern und nach außen;Wege der Veröffentlichung) zu bringen. Hierwurde auch gefragt, ob die Unternehmensich für ihr Engagement anerkannt fühlenund von wem sie die Anerkennung für ihreEngagement suchen. Die WahrnehmungCC-bezogener Öffentlichkeitsarbeit andererUnternehmen wurde durch die Frage eruiert,ob die befragten Unternehmen andere enga-gierte Unternehmen im Umfeld kennen. DieBekanntheit der Begriffe Corporate Citizen-ship, Corporate Social Responsibility undUnternehmerisches Bürgerschaftliches Enga-gement waren ebenfalls Inhalt von Teil D.Gerade für den Förderkontext war diese Fra-ge von Bedeutung. Der letzte Teil des Fragebogens nahm Unter-nehmensdaten (Größe, Umsatz, geografi-scher Radius der Geschäftstätigkeit, Grün-dungsjahr, Anzahl der Beschäftigten) sowie

DAS GESELLSCHAFTLICHE ENGAGEMENT VON UNTERNEHMEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG

51Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

Beschäftigtenzahl in den untersuchten

Unternehmen (in %)

41

31

18

11

0 10 20 30 40 50

bis 3

Beschäftigte

4 bis 9

Beschäftigte

10 bis 49

Beschäftigte

ab 50

Beschäftigte

%

n=541

ABBILDUNG 1:

Beschäftigtenzahl in den untersuchten Unternehmen in

Baden-Württemberg, 2005

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Daten zu den Unternehmerpersönlichkeiten(Alter, Position im Unternehmen) ab.Abschließend wurden die Unternehmen ge-fragt, ob sie für ein persönliches Gesprächüber besonders gelungene Beispiele bereitwären.Die Studie zeichnet aus, dass auch Unter-nehmen, die nicht engagiert sind, mit einemMinimaldesign befragt wurden. Es würde zuweit führen, diese Daten im Vergleich zuden engagierten Unternehmen darzustellen.Es bleibt nur darauf hinzuweisen, dass die indem vollständigen Bericht (zze, 2006) ausge-führten Daten die hier genannten Befundeunterstützen. Der Vergleich der Befunde vonengagierten und nicht-engagierten Unter-nehmen lieferte zudem wichtige Informatio-nen für die Förderung von CC.

3. AUSGEWÄHLTE ERGEBNISSE

Für viele Unternehmen istgesellschaftliches Engagement

selbstverständlich

Grundsätzlich konnte eine hohe Engage-mentquote von 85 % bei den untersuchtenUnternehmen festgestellt werden. Sie sind inmindestens einem Engagementfeld regelmä-ßig aktiv. Engagement ist für viele Unterneh-men also durchaus selbstverständlich – undhat Tradition: 57% der engagierten Unter-nehmen geben als wichtigsten bzw. wichti-gen Motivationsgrund für ihre CC-Aktivitä-ten an, dass „sie das schon immer so ge-macht haben“ (vgl. auch Abb. 4). Sie enga-gieren sich sehr breit gestreut, wobei derSchwerpunkt auf Bildung und Ausbildung,Sport und dem sozialen Bereich liegt. In der Studie wurde die Frage nach der Mo-tivation von Unternehmen, sich für die Ge-

sellschaft zu engagieren, in unterschiedli-chen Zusammenhängen untersucht. An ers-ter Stelle stand das Selbstverständnis der Un-ternehmen mit Blick auf ihre Verantwortungals einer der gesellschaftlichen Akteure(Abb. 2). 49% der Unternehmen stimmender Aussage „voll zu“, dass das gesellschaft-liche Engagement fest zu den unternehmeri-schen Aufgaben gehört. In erster Linie liegtihrer Meinung nach die gesellschaftliche Ver-antwortung jedoch beim Bürger (58%), wäh-rend dem Staat hier weniger Kompetenz zu-gestanden wird: 38%. Interessant sind hier weniger die Prozentzah-len als die Einordnung. Die Wirtschaft stehtin der Wahrnehmung der Unternehmer eherfür Gerechtigkeit und Ausgleich in der Ge-sellschaft als der Staat. Das schlägt sich auchin der Motivation nieder: Unternehmen sindin ihrer wahrgenommenen Verantwortungansprechbar und sehen auch die Notwen-digkeit ihres Engagements. Interessant ist die Auswertung nach Alter derUnternehmer/innen. Die jüngere Unterneh-mergeneration kann mit einer klassischenRollenverteilung weniger anfangen und siehtdie Zuordnung der Verantwortung bei allendrei Akteursgruppen weniger stark ausge-prägt. Hierin könnte ein Potenzial für eineNeuorientierung mit Blick auf die gesell-schaftlichen Rollen liegen, wenn man davonausgeht, dass eine volle Zustimmung zu derZuordnung von Verantwortung zu einzelnengesellschaftlichen Akteuren zunehmend we-niger gegeben ist. Damit präsentieren sichgesellschaftliche Verantwortung oder sozialeGerechtigkeit als Aufgaben, die von allen Ak-teuren der Gesellschaft gemeinsam über-nommen werden müssen. Sollte diese Inter-pretation zu weit gehen, lässt sich auf alleFälle eine sich verändernde Haltung bei denUnternehmen feststellen – oder zumindest

52Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

M. WEGNER

Aufgaben von Staat, Unternehmen und

Bürger/innen% - „stimme voll zu“

49

38

58

0 20 40 60 80 100%

Bürger sollten mehr

soziale, gesellschaftliche

Mitverantwortung übernehmen

gesellschaftliches Engagement

gehört zu unternehmerischen

Aufgaben

Staat trägt Verantwortung

für Gerechtigkeit

n= 539

ABBILDUNG 2:

Aussagen von Unternehmen in Baden-Württemberg zur Rol-

lenverteilung in der Gesellschaft

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eine Leerstelle in der Rollenzuordnung, diefür Diskussionen zum Thema Corporate Citi-zenship genutzt werden kann.

Handlungs- und Engagementfeldersind unternehmensbezogen

Die Unternehmen wurden nach Themen ge-fragt, die ihrer Meinung nach im regionalenUmfeld einen wichtigen Handlungsbedarfdarstellen (Abb. 3). Über alle Größenklassenhinweg haben die Unternehmen die Bewälti-gung der Arbeitslosigkeit an Platz eins ge-stellt, gefolgt von Bildung/Ausbildung. DasHandlungsfeld Bildung/Ausbildung wird da-bei von größeren Unternehmen – ab 50 Be-schäftigte – in der Tendenz häufiger ge-nannt. Bemerkenswert ist, dass die Plätzedrei und vier von wertbezogenen Aussageneingenommen werden, wobei „Fleiß undLeistungsbereitschaft“ vor „Füreinander Ver-antwortung tragen“ rangiert. Es zeigt sich al-so – insbesondere wenn man berücksichtigt,dass Handlungsfelder wie Armut, Kriminali-tät, demografischer Wandel in der Bedeu-tung als nachrangig genannt werden –, dassdie Unternehmen die Grundwerte der sozia-len Marktwirtschaft stark bejahen. Auchwenn dies in größeren Unternehmen mitmehr als 50 Beschäftigten in der Tendenzleicht seltener der Fall ist als in den kleinenUnternehmen. Damit zeigt sich gleichzeitig, dass über dieGrößenklassen der Unternehmen hinwegHandlungsfelder auf die ersten drei Plätzekommen, die stark mit dem Unternehmenund seinen Zielen verbunden sind. Es ist ei-ne Grundaufgabe der Unternehmen, Ar-

beitsplätze zu schaffen und zu erhalten; dieUnternehmen brauchen gut ausgebildetesPersonal, während „Fleiß und Leistungsbe-reitschaft“ unternehmerische Erfolgfaktorenrepräsentieren. Die Wahrnehmung von ge-sellschaftlichen Handlungsfeldern erweistsich vor dem Hintergrund dieser Befunde alsvorgeprägt durch die unternehmerischenWerte und Bedürfnisse. Die Bereiche, in denen die Unternehmensich engagieren, sind wiederum mit diesenwahrgenommenen gesellschaftlichen Hand-lungsfeldern verknüpft. Nimmt man die Be-reiche „Aus-/Weiterbildung“ und „Kinder-garten/Schule“ zusammen, engagieren sichinsgesamt 64 % der Unternehmen in diesemBereich, der damit auf Platz eins rangiert. Bil-dung wurde von den Unternehmen gleich-zeitig als das zweitwichtigste Handlungsfeldgenannt. Auch das „Verantwortung fürei-nander tragen“, das bei den Handlungsfel-dern an vierter Stelle steht, korrespondiertmit dem zweitwichtigsten Engagementfeld,dem sozialen Bereich, in dem 51 % der Un-ternehmen engagiert sind. Die Unterneh-men sprechen also durchaus auf den von ih-nen erkannten Handlungsbedarf an, indemsie selbst aktiv werden und sich engagieren.Somit gibt es eine Verbindung zwischen denHandlungsfeldern, die – wie oben geschil-dert – auf das Unternehmen bezogen sind,und den Engagementbereichen der Unter-nehmen. Hier deutet sich die nachfolgendweiter detaillierte Beziehung zwischen Un-ternehmer/in, Umfeld und Engagement zumersten Mal an.

DAS GESELLSCHAFTLICHE ENGAGEMENT VON UNTERNEHMEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG

53Wirtschaftspsychologie

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Handlungsbedarf im regionalen Umfeld% - „sehr wichtig“

68

56

53

48

37

37

33

22

75

46

0 20 40 60 80 100%

n=538

Arbeitslosigkeitsbewältigung

Bildung/ Ausbildung

Werte "Fleiß/ Leistungsbereitschaft"

Werte "füreinander Verantwortung tragen"

Demographischer Wandel

Bekämpfung Kriminalität

Umwelt-/ Naturschutz

Vereinbarkeit Familie und Beruf

Armut/ Benachteiligung

Integration ausländischer Mitbürger/innen

ABBILDUNG 3:

Handlungsbedarf, den Unternehmen in Baden-

Württemberg in ihrem regionalen Umfeld wahr-

nehmen

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CC ist in erster Linie persönliches Anliegen

Es lässt sich also feststellen, dass Unterneh-mensinteressen und Engagementfelder aufei-nander bezogen sind. Sollte man daraus je-doch eine gewisse Rationalität in der Pla-nung des Engagements ableiten wollen, wirdman enttäuscht. Der Blick auf die direkte Ab-frage von Motivation und Anstoß zum Enga-gement zeigt, dass die Motivation zum Enga-gement laut der befragten Unternehmer/in-nen aus einem „persönlichen Anliegen“ re-sultiert, das im Kontrast zu „rationalen“, alsozum Beispiel betriebswirtschaftlich gepräg-ten Beweggründen steht (Abb. 4)1. Allerdings finden sich diese rationalen As-pekte zum Teil in dem am zweithäufigstengenannten Motivationsgrund, die „Bezie-hung zum Standort“. Diese kann sowohlemotional (zum Beispiel in Form einer häu-fig vorzufindenden persönlichen Bindungdes Unternehmers an seinen Heimatort) alsauch rational (es bringt Vorteile als Unter-nehmer am Standort beliebt zu sein) fundiertsein. Der dritte Platz wird wiederum von ei-nem rational formulierten, aber schwer ob-jektivierbaren Argument belegt: Das Engage-ment passt zum Unternehmen. Auch diesesArgument kann sowohl rational wie auchemotional motiviert sein – je nachdem wiedie Passung interpretiert und verstandenwird. Es kann sich auf die Kompetenz desUnternehmens beziehen als auch auf per-sönliche Anliegen der Mitarbeiter/innen. Be-

triebswirtschaftliche Argumente wie Mitar-beiterzufriedenheit, Imagegewinn, Außen-wirkung, Kompetenzgewinn sind dahinge-gen nachrangig. Das lässt vermuten, dassdas Engagement der Unternehmen wenigerstrategisch, im Sinne von zum Beispiel be-triebswirtschaftlich ausgerichteten Interes-sen, stattfindet, sondern in eher allgemeinerund subjektiver Motivation liegt. Die Bedeutung des Standorts zeigt sich je-doch nicht nur beim Bezug zwischen Hand-lungs- und Engagementfeldern und der Mo-tivation zum Engagement. Die Standortbe-zogenheit der Unternehmen zeigt sich auchdeutlich, wenn der Engagementradius erho-ben wird. Die Unternehmen engagieren sichin Abhängigkeit zu ihrem Geschäftsradius.Ein Unternehmen, das lokal tätig ist, enga-giert sich auch nur lokal. Erst mit der Auswei-tung der Geschäfte findet auch nationalesoder internationales Engagement statt.

Der Unternehmer ist als Person mitEngagement und Standort identifiziert

Die Vermutung, dass die in den Ergebnissenals wichtig erkannten Faktoren (persönli-ches) Unternehmerinteresse und Standortmit dem Engagement in Beziehung stehenund in vielen Fällen den Motivationshinter-grund der Unternehmer/innen darstellen,stützen die Befunde zu Entscheidungsstruk-turen für das Engagement. In 97% der Fälleist diese Entscheidung Chefsache und damit

54Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

M. WEGNER

1Siehe hierzu auch den Text in diesem Heft von Wehner & Gentile "Soziale Handlungsorientierungen von freigemein-nützig engagierten Unternehmensvertretern".

Motivation zum gesellschaftlichen Engagement% -“sehr wichtig“ und „wichtig“

70

68

67

64

58

57

53

43

17

59

81

0 20 40 60 80 100%

Persönliches Anliegen

Engagement passt zum Unternehmen

Beziehung zum Unternehmensstandort

Imagegewinn

Außenwirkung für Unternehmen

Verbesserung Kundenbeziehung

Kompetenzgewinn

schon immer so gemacht

Verbesserung Mitarbeiterzufriedenheit

Vorteile im Wettbewerb

Sonstiges

n=432-458,

Selektion: Engagierte

ABBILDUNG 4:

Motive von Unternehmen in Baden-Württem-

berg, sich gesellschaftlich zu engagieren

innenteil.qxd 22.03.2007 13:50 Seite 54

auch stark mit dem Unternehmer/ der Unter-nehmerin verbunden. Dabei spielen sowohlseine/ihre spezifische unternehmerischeHaltung als auch die persönlichen Werthal-tungen als Privatperson (persönliches Anlie-gen) gegenüber der Gesellschaft (Hand-lungsfelder und Engagementfelder) eine Rol-le.Für den Bezug zwischen persönlicher Le-benssituation und Engagement spricht auchein Vergleich von Engagementfeldern undAltersklassen der Unternehmerinnen undUnternehmer. Engagieren sich 43% der 20bis 40-Jährigen im sozialen Bereich, sind esbei den über 60-Jährigen 62%; umgekehrtverhält es sich auch so, dass 54% der 20 bis40-Jährigen sich im Engagementfeld Sportengagieren, während die Zahl mit zuneh-mendem Alter kontinuierlich sinkt – bis auf30% bei den über 60-Jährigen (Abb. 5). AlsHintergrund lässt sich annehmen, dass beijüngeren Menschen entweder durch Aus-übung oder Interesse Sport eine größereRolle spielt, während im Alter soziale The-men eine höhere Bedeutung bekommen. Indem Bereich Aus-/Weiterbildung und Kin-dergarten/Schule bleiben die Zahlen überdie Altersklassen hinweg gleich, was daraufzurückgeführt werden könnte, das diesesThema für die Eltern- und die Großelternge-neration gleichermaßen von Bedeutung ist.In diesem Zusammenhang wäre weitere For-schung von Interesse, die die hier gewonne-nen Daten belastbar macht.Auch die Art des Engagements verweist er-neut auf seinen personengebundenen Cha-rakter: 78% der befragten Unternehmerin-nen und Unternehmer engagiert sich mit

persönlichem Zeiteinsatz. Aber auch ihreMitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen zu43% zum Engagement des Unternehmensfür das Gemeinwohl bei. Bei den Mitarbei-tern/innen findet das Engagement in über 70 % der Fälle während der Arbeitszeit statt.Die durchschnittliche Stundenzahl, die sichein Unternehmen engagiert, beläuft sich auf17,5 Stunden pro Monat. Es lässt sich anneh-men, dass dieser persönliche Einsatz wieder-um eine Identifikation mit dem Engagementund damit mit dem Standort bedeutet.

Verankerung des Engagements inUmfeld

Die Anerkennungskultur gilt im Bereich Bür-gerschaftliches Engagement als ein wichtigerMotivator, der freiwillig Tätige davon über-zeugen kann, ihr Engagement fortzusetzenoder dieses sogar zu vertiefen. Vor diesemHintergrund wurden auch die Unternehmenbefragt, ob sie ausreichend Anerkennung fürihr Engagement erhalten. Das Ergebnis warein stark fragmentiertes Bild: 27% haben dasGefühl, ausreichend Anerkennung für ihr En-gagement zu erhalten, während 32% eineAnerkennung „in Grenzen“ wahrnehmenund ein weiteres Drittel (30 %) findet, dassdie Anerkennung zu wünschen übrig lässt.Ein Blick auf die Größenklassen der Unter-nehmen zeigt, dass die Kleinstunternehmen(bis zu drei Beschäftigte) die Gruppe sind,die am häufigsten Anerkennung vermisst(37%), wohingegen bei den Unternehmenmit über 50 Beschäftigten am wenigsten die

DAS GESELLSCHAFTLICHE ENGAGEMENT VON UNTERNEHMEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG

55Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

43

54

39

28

30

22

15

11

15

8

20 bis 40 Jährige

54

52

35

32

30

23

20

21

19

7

12

51

49

26

32

32

32

25

22

21

9

8

Engagementbereiche von Unternehmen nach

Alter, % der aktuell Engagierten

Sozialer Bereich

Sport

Schule/ Kindergarten

Aus-/ Weiterbildung

Freizeit/ Geselligkeit

Kunst/ Kultur

Unfall-/ Rettungsdienst

Gesundheitsbereich

Umwelt-/ Naturschutz

Wissenschaft/ Forschung

in anderem Bereich

41 bis 50 Jährige 51 bis 60 Jährige

62

30

31

30

24

34

20

24

21

11

13

über 60 Jährige

n=531,

Angaben in %

5

ABBILDUNG 5:

Engagementbereiche nach Altersklassen der

Befragten

innenteil.qxd 22.03.2007 13:50 Seite 55

Wahrnehmung von Anerkennung fehlt(15%) (Abb. 6). Die Frage nach den Zielgruppen, von denensich die Unternehmen Anerkennung erwar-ten, zeigt zweierlei. Zum einen funktioniertdie Anerkennung durch die „Empfänger“des Engagements – von ihnen erhalten dieEngagierten ausreichend Anerkennung. Beiallen anderen Zielgruppen herrscht starkeFragmentierung vor: Verwaltung, Staat, Bür-ger etc. werden gleichermaßen als unzurei-chend anerkennend empfunden. Das könn-te zum einen daran liegen, dass Unterneh-men ihr Engagement nicht strategisch und inKooperation mit z.B. der Verwaltung koordi-nieren und andererseits nicht ausreichenddarüber kommunizieren. Größere Unterneh-men, die tendenziell mehr Anerkennung fürihr Engagement wahrnehmen, neigen eherdazu, über ihre Corporate-Citizenship-Aktivi-täten in der Öffentlichkeit zu berichten undauf ihr Engagement aufmerksam zu machen.Es wurde ein positiver Zusammenhang zwi-schen der Berichterstattung der Unterneh-men zum CC-Thema und der wahrgenom-menen Anerkennung des Engagements fest-gestellt. Es scheint in der Wahrnehmung des Engage-ments durch die Unternehmerinnen und Un-ternehmer auch ein Wandel stattzufinden.Die neue Unternehmergeneration – so las-sen die Befunde vermuten – wollen ihr Enga-gement strategischer einsetzen: Jüngere Un-ternehmerinnen und Unternehmer bringenzum Beispiel ihr Engagement stärker an dieÖffentlichkeit und kommunizieren es auchstärker nach innen. In diesem Zusammen-hang ergibt sich die Schlussfolgerung, dass

es für die Sache wichtig ist, dass die Unter-nehmen auch über ihre Aktivitäten öffentlichberichten. Das wird weiter durch die Befun-de einer Regressionsanalyse gestützt, derenDiskussion hier zu weit führen würde. Es seinur angedeutet, dass das Wissen um andereUnternehmen im Umfeld, die sich engagie-ren, ein Beweggrund für Unternehmen seinkönnte sich auch zu engagieren.

4. EIN WEITER WEG:VOM MÄZEN ZUM PARTNER

Unternehmen sehen gesellschaftliche Ver-antwortung durchaus als eine ihrer Aufga-ben. Diese Haltung scheint jedoch stark tra-diert zu sein, selbst betriebswirtschaftlichstrategische Überlegungen sind nicht klarausgeprägt und nur in Ansätzen bei einerneuen Generation von Unternehmerinnenund Unternehmern zu finden. Die Motivati-on und die Art des Engagements der Unter-nehmen hängen stark von den Faktoren Un-ternehmerpersönlichkeit und Passung Enga-gement-Unternehmen bzw. Engagement-Standort ab. Diese identifikationsbasiertenMerkmale sind subjektiv. Sie besitzen zwarhohe Motivationskraft und sind stark traditio-nell verankert, haben aber kaum eine strate-gische Dimension. Daher ist eine am Stand-ort orientierte strategische Einbettung desUnternehmensengagements, die auch einegesellschaftspolitische Wirkung aufweist, sel-ten. Dies würde eine starke Vernetzung mitanderen gesellschaftlichen Akteuren, wiezum Beispiel der Verwaltung oder anderenUnternehmen, erfordern.

56Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

M. WEGNER

ABBILDUNG 6:

Von den Unternehmern/innen wahrge-

nommene Anerkennung ihres Engage-

ments, nach Betriebsgröße

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Auch wenn das dem durch persönliche Be-troffenheit oder Tradition entstandenen En-gagement nicht widersprechen muss, zeich-net sich ein strategisches Engagement durchein anderes Entscheidungsverhalten aus: Esist rational geprägt und geschieht im Dialogund in Abstimmung mit den gesellschaftli-chen Akteuren. Best-practice-Beispiele2 zei-gen, dass vor allem Unternehmen, die starkvernetzt sind, besonders hohen Gewinn inder Form haben, dass sie die Qualität desStandorts und damit die Attraktivität ihresUnternehmens erhöhen.Versteht man die eigentliche Idee des Cor-porate Citizenship als ein Konzept integrie-render Beiträge zu einer zivilgesellschaftli-chen Entwicklung, sind punktuelle Aktionen,wie Spenden oder Sponsoring, die nicht ineine Gesamtstrategie des Standorts passen,weit weniger wirksam. Die Befunde der vor-liegenden Studie weisen auf ein breit ge-streutes, emotionales Engagement hin, dasin seinen Engagementformen nicht aufeinan-der abgestimmt ist. Die Qualität einer Ver-antwortungsübernahme von Unternehmenwürde in der Koordination der Aktivitätenmit anderen gesellschaftlichen Akteuren lie-gen, um gemeinsam Standortvorteile zu er-zielen, gemeinsam gesellschaftliche Heraus-forderungen anzunehmen. Einzelaktionen,wie Spenden oder Sponsoring, helfen sicherdem jeweiligen Empfänger, müssen jedochnicht im Sinne des Gemeinwohls sein undmachen das Unternehmen auch noch langenicht zum „ guten Bürger“. Die Studie zeigtjedoch, dass die Unternehmen aufgrund ih-rer Standortorientierung dazu bereit wären,ihr persönlich motiviertes Engagement in ei-nen größeren kommunalen Zusammenhangzu stellen. Eine vom zze durchgeführte Detailanalyse ineiner Kleinstadt mit hervorragenden CC-Strukturen zeigt, dass diese Standortvorteilenur als Zusammenspiel aller gesellschaftli-chen Akteure zu haben ist. Wichtig ist dabei,die Unternehmen einzuladen, ihnen die Po-tenziale ihrer neuen – erweiterten – Rolle zuverdeutlichen und sie nicht mit diffusen Auf-forderungen zur Verantwortungsübernahmeoder als finanzielle Ausfallbürgen für denStaat zu strapazieren. Schlussfolgernd lässt sich für den Fall Baden-Württemberg sagen, dass sowohl seitens der

Wirtschaft als auch anderer gesellschaftli-cher Akteure, wie zum Beispiel der kommu-nalen Verwaltung, der sozialen Einrichtun-gen und der Bürgerschaft, ein Umdenkenunerlässlich ist, um das Engagement von Un-ternehmen zum Standortvorteil – und damitzum Nutzen aller – zu nutzen. Dies wirdsich vor dem Hintergrund der tradierten En-gagementstrukturen nur schrittweise entwi-ckeln können.

LITERATUR

Ammann H., Bachmann R., Schaller R. (2004). Unter-nehmen unterstützen Freiwilligkeit. Zürich: Seismo.

BertelsmannStiftung (2005). Die gesellschaftliche Ver-antwortung von Unternehmen. Gütersloh.

forsa. Gesellschaft für Sozialforschung und statistischeAnalyse mbH (2005). „Corporate Social Responsi-bility“ in Deutschland. Studie im Auftrag der Initiati-ve Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).

Gensicke, T., Picot, S., Geiss, S. (2006). Freiwilliges En-gagement in Deutschland 1999-2004. Ergebnisseder repräsentativen Trenderhebung zu Ehrenamt,Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engage-ment. Wiesbaden: VS-Verlag.

Langenscheidt, F. (Hrsg.) (2005). UnternehmerischeVerantwortung. Unternehmen und Unternehmer inDeutschland, die in vorbildlicher Weise gesell-schaftliches Engagement zeigen. Wiesbaden: Gab-ler.

Maaß, F., Clemens, R. (2002). Corporate Citizenship -Das Unternehmen als „guter Bürger“. Wiesbaden:Gabler.

Wegner, M. (2004). Das Prinzip Nachhaltigkeit im Span-nungsfeld von globalem Anspruch und lokaler Um-setzung, Eichstätt: http://www.opus-bayern.de/ku-eichstaett/volltexte/2004/26/

Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze)(2006). Corporate Citizenship|Unternehmerischesbürgerschaftliches Engagement in Baden-Württem-berg, Freiburg, unter www.sozialministerium.de(>Handlungsfelder, >Wirtschaft).

DR. MARTINA WEGNER

Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung

Bugginger Str. 38

79114 Freiburg

E-Mail: [email protected]

DAS GESELLSCHAFTLICHE ENGAGEMENT VON UNTERNEHMEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG

57Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

2Das zze hat in einer Kleinstadt bei Freiburg, die ein ungewöhnlich hohes Engagement sowohl seitens der Bürger/in-nen als auch der Unternehmen aufweist, eine umfassende Analyse der Engagementgestaltung durchgeführt. Es zeigtsich, dass das hohe Maß von Vernetzung und Sozialkapital erfolgsentscheidend ist für eine Standortoptimierung, diefür alle von Vorteil ist.

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Das aktive Engagement von Unternehmen in

der Gesellschaft bzw. lokalen Gemeinschaft

wird immer stärker propagiert. Im Vergleich

zu diesen auffordernden Beiträgen mangelt

es jedoch an Wissen für die konkrete Umset-

zung solcher Projekte. Der vorliegende Bei-

trag vergleicht deshalb eine Auswahl anlei-

tender Leitfäden und Handbücher (N= 8).

Diese werden auf die Unterstützungsleistung

bei der Ein- und Durchführung konkreter Pro-

jekte auf der inhaltlichen bzw. operativen

Ebene analysiert und ausgewertet. Wie die Er-

gebnisse zeigen, entsprechen die auf Erfah-

rungswissen aufbauenden Texte dem Bedürf-

nis der Praktiker nach Information und Orien-

tierung. Relativ schwach ist die Berücksichti-

gung prozessualer Aspekte, welche die kon-

krete Umsetzung erleichtern würden. Der

Beitrag schließt mit drei Vorschlägen, wie die

bestehenden ‚Lücken’ aus der Perspektive

anwendungsorientierter Forschung verklei-

nert werden können.

Schlüsselwörter: Corporate Citizenship, Ko-

operation, Leitfaden und Handbücher, Pro-

jektmanagement und anwendungsorientierte

Forschung

Towards Corporate Citizenship – The Current Status of Introductory Texts

The active commitment by companies to so-

ciety or local communities is propagated ever

more strongly. Compared to such challenging

contributions, however, there is a lack of

knowledge about the concrete implementa-

tion of such projects. This paper consequent-

ly compares a selection of introductory

guidelines and manuals (N= 8). Their effecti-

ve support in the introduction and imple-

mentation of concrete projects at content or

operative levels is analyzed and evaluated. As

the results show, texts based on experiential

knowledge correspond to the need by practi-

tioners for information and orientation. The

process aspects which would facilitate con-

crete implementation are covered only relati-

vely weakly. The paper closes with three pro-

posals for reducing the existing gaps from the

perspective of application-oriented research.

Key words: corporate citizenship, cooperati-

on, guidelines and manuals, project manage-

ment and application-oriented research

EINLEITUNG

Corporate Citizenship (CC) beziehungsweiseCorporate Community Involvement, Corpo-

rate Volunteering und Corporate Giving alsverschiedene Ebenen und Teilaspekte vonCC (zur genauen Abgrenzung der Begriffesiehe Wehner, Gentile & Güntert, in press)sind zu Schlagworten für eine sozialverant-wortliche und an konkreten (Kooperations-)Projekten orientierte Unternehmensstrategiegeworden. Als Sinnbild für das Unternehmenvon „morgen“ wird freigemeinnütziges Enga-

gement von Unternehmen und deren Mitar-beitern zu einem immer wichtigeren Be-standteil unternehmerischen Handelns. Die-se Entwicklung führt zu wachsendem Inte-resse für derartige Engagementformen nichtnur bei Großunternehmen, sondern auchbei klein- und mittelständischen Betrieben.Ist das Interesse einmal geweckt, geht es da-rum, Informationen zu gewinnen: Was ge-nau ist Corporate Citizenship? Welche Mög-lichkeiten und welchen Nutzen bringt es fürdie Beteiligten und wer ist daran überhauptbeteiligt? Was für verschiedene Facetten vonCorporate Citizenship gibt es und welche istfür unser Unternehmen die richtige? Wiekann man sich konkret engagieren?In der heutigen Informationsgesellschaft gibtes viele Wege und Möglichkeiten, Antwor-ten auf diese Fragen zu finden. ZahlreicheBücher bieten umfassende Abhandlungen(z.B. Schubert et al., 2002; Schöffmann,

58Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

G.-C. GENTILE, R. BÖHM, C. HOFFMANN

GIAN-CLAUDIO GENTILE, ROBERT BÖHM, CORINNA HOFFMANN

AUF DEM WEG ZUM CORPORATE CITIZEN –EINE BESTANDSAUFNAHME ANLEITENDER TEXTE

innenteil.qxd 22.03.2007 13:50 Seite 58

2001; Habisch, 2003). Das Internet hält viel-fältige Möglichkeiten bereit – vom ober-flächlichen Übersichtsartikel bis hin zu aus-führlichen Erfahrungsberichten. Des Weite-ren gibt es Mittlerorganisationen, die Unter-nehmen und gemeinnützigen Einrichtungenbei der Planung und Durchführung von Pro-jekten mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die-se Einrichtungen stellen auch Informations-materialien zur Verfügung – oft als Leitfaden

oder Handbuch bezeichnet – welche dasUnternehmen oder die gemeinnützige Orga-nisation im Kooperationsprozess begleiten.Es sind diese anleitenden Texte, welche imFolgenden aufgrund ihres Praxisbezugs nä-her betrachtet und bezüglich der darin ent-haltenen Informationen verglichen werdensollen.

FRAGESTELLUNG UND VORGEHEN

Die Erwartungen unterschiedlicher An-spruchsgruppen bezüglich des sozialen En-gagements von Unternehmen sind vielfältig(vgl. z.B. Pommenering, 2005). Gleichzeitigzeigt sich bei den Unternehmen bzw. derenpotentiellen Partnern, den Non-Profit-Orga-nisationen (NPO), ein großes Bedürfnis nachInformation und Orientierung bei der Um-setzung entsprechender Engagementvorha-ben. In diesem Zusammenhang möchten wir derFrage nachgehen, ob die oben erwähntenTexte (Leitfäden und Handbücher) diesemBedürfnis inhaltlich entsprechen können,d.h. in welchem Maß sie engagementbereiteUnternehmen oder NPO unterstützen, dasgewünschte Engagement (z.B. ein Freiwilli-gentag) zu realisieren. Um einer möglichenAntwort auf diese Frage näher zu kommen,werden die Texte in einem ersten Schritt hin-sichtlich der darin enthaltenen Informatio-nen verglichen. Dies soll einen Eindruck derInformationsart und nicht zuletzt auch ersteHinweise auf den Praxisbezug der Texte er-möglichen. Der Vergleich erhebt dabei nichtden Anspruch einer wissenschaftlich fundier-ten Evaluation oder abschließenden Bewer-tung. Vielmehr geht es um die systematischeGewinnung einer ersten Übersicht über dieeinzelnen Texte, um so vorhandene ,Lücken’bzw. Entwicklungsmöglichkeiten sichtbar zumachen. In einem zweiten Schritt wird das so entstan-dene Bild mit Erfahrungen aus der Praxis

kontrastiert, d.h. mit konkreten Erfahrungender Autoren bzw. Nutzer der Texte. In der Diskussion werden die beiden Per-spektiven auf die Leitfäden zusammenge-führt. Abschließend wird versucht, durch dasEinbringen der wissenschaftlichen Perspekti-ve gezielte Ergänzungsvorschläge zu ma-chen und deren Nutzen für das Praxisfeld zubestimmen.

AUSWAHL DER TEXTE

Der thematische Rahmen der Texte ist sehrvielfältig. Nicht nur, dass die in den Titeln ge-führten Schlagworte sehr unterschiedlichsind – Corporate Citizenship, Corporate Vo-lunteering, Unternehmenskooperation oderEmployee Community Involvement – auchdie Zugänglichkeit und die Veröffentli-chungsform sind sehr verschieden (als Bro-schüren auf Fachtagungen, über das Internetfrei oder kostenpflichtig herunterzuladenbzw. zu bestellen). Im Folgenden wurde versucht, die Erreich-barkeit derartiger Hilfestellungen für Unter-nehmen zu simulieren, d.h. konkret: Wiekommt ein Unternehmen mit einem Engage-mentwunsch zu einer entsprechenden Hilfe-stellung? Daran anschließend wurden die ge-fundenen Texte einem inhaltlichen Vergleichunterzogen. Dabei sollten nur Texte verwen-det werden, welche auch für jede(s) Unter-nehmen bzw. NPO verfügbar gemacht wer-den können. Es wurden Texte ausgewählt,(1) welche sich thematisch mit „CorporateCitizenship“, „Corporate Volunteering“ oderallgemein mit „Kooperationen zwischen Un-ternehmen und gemeinnützigen Organisa-tionen“ befassen, (2) deutschsprachig sindund (3) dem Charakter eines Leitfadens,Handbuchs oder einer zusammenfassendenAnleitung entsprechen (keine Bücher). Inner-halb eines Tages intensiver Recherche (März2006) in (4) gebräuchlichen, frei zugängli-chen Suchmaschinen des Internets (z.B.Google, MSN search u. a.) wurden insge-samt sieben derartige Texte – von kurzen„Bedienungsanleitungen“ für Corporate Citi-zenship bis hin zu umfassenden ,Handbü-chern’ der Mittlerorganisationen1 – gefun-den (der Leitfaden von Hendry (2006) wur-de nachträglich dazugenommen).

AUF DEM WEG ZUM CORPORATE CITIZEN

59Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

1Zur Vereinfachung werden die Texte zukünftig unabhängig vom Titel oder der thematischen Orientierung einheitlichals "Leitfäden" bezeichnet.

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VERGLEICH DER INHALTE

Um der Frage nachzugehen, inwieweit diebetrachteten Texte ein Engagementvorhabenunterstützen bzw. anleiten, wurden in derAuseinandersetzung mit diesen Inhaltsdi-mensionen extrahiert, über die einerseits ei-ne breite Übereinstimmung über die Textehinweg besteht, andererseits wurden zusätz-liche Aspekte benannt, welche heterogenerauftreten. In der Folge werden die gefunde-nen Dimensionen inhaltlich kurz dargestelltund anschließend in den Zusammenhangder Fragestellung gesetzt. Breite Übereinstimmung zwischen den Tex-ten lässt sich hinsichtlich deren Grundaussa-gen/-ideen (Denkmodelle) und der ange-sprochenen Zielgruppe finden. Des Weite-ren werden Gemeinsamkeiten bei den auf-geführten Zielen und Nutzen der Engage-ments deutlich sowie bei den einsetzbarenRessourcen2: – Denkmodell: In Bezug auf Kooperations-

projekte wird in den Texten der beidersei-tige Nutzen von Unternehmen und NPOhervorgehoben. Diese so genannte „Win-win“-Orientierung wird als Grundlage fürein erfolgreiches Kooperationsprojekt an-gesehen.

– Zielgruppe: Der überwiegende Teil derTexte spricht direkt Unternehmen als Le-sergruppe an. Des Weiteren richten sicheinige Texte an freigemeinnützige Organi-sationen sowie an Freiwillige, woruntermeist die Mitarbeiter eines Unternehmenszu verstehen sind.

– Ziele und Nutzen: Auf der Unternehmens-seite werden hier vor allem Aspekte derPersonalentwicklung und des Human Re-source Management (z.B. Qualifikationund Mitarbeiterzufriedenheit), der Image-gewinn in der Öffentlichkeit und ein intak-tes Gemeinwesen als positive Ziele oderNutzen hervorgehoben. Auf der Partnerseite werden die durch dasProjekt erzielte Aufmerksamkeit in der Öf-fentlichkeit, das funktionierende Gemein-wesen und finanzielle, personelle, mate-rielle und zeitliche Ressourcen (welchevom Unternehmen eingebracht werden)als große Unterstützung für die NPO un-terstrichen.

– Ressourcen: Finanzielle Mittel, Dienstleis-tungen, Produkte und Logistik, Zeit, Know-how sowie die Mitarbeitenden als Freiwilli-ge.

60Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

G.-C. GENTILE, R. BÖHM, C. HOFFMANN

Autor, Jahr Titel

(1) Damm, D. & Lang, R.(2002)

Handbuch Unternehmenskooperation: Erfahrungen mit Cor-porate Citizenship in Deutschland (UPJ)

(2) Dresewski, F. (2004) Corporate Citizenship. Ein Leitfaden für das soziale Engage-ment mittelständischer Unternehmen (UPJ)

(3) Halley, D. (2000) Das Engagement von Unternehmen im Gemeinwesen. Cor-porate Community Investment: Die Programme von Busi-ness in The Community in Großbritannien (UPJ)

(4) Halley, D. (1999) Employee Community Involvement - Gemeinnütziges Arbeit-nehmerengagement. Ein Leitfaden für Arbeitgeber, Arbeit-nehmer und gemeinnützige Organisationen (Fundus)

(5) Häring, B. (2002) Wie kann Unternehmenskooperation auf regionaler Ebeneinitiiert werden? (UPJ)

(6) Lang, R. & Kromminga, P.(2003)

Praktische Erfahrungen mit der Förderung des Engagementsvon Unternehmen im Gemeinwesen (UPJ)

(7) Meyer, G. & Spahr, S.(2003)

Die Arbeit mit Freiwilligen in Institutionen. Ein Leitfaden derKoordination FreiwilligenArbeit im Kanton Bern (KFA)

(8) Hendry, B. (2006) Aktionstage - Eine kurze und wirkungsvolle Art des Corpora-te Volunteering (Sanu, Bildung für nachhaltige Entwicklung)

TABELLE 1:

Übersicht der gefun-

denen Texte

2Aufgrund der breiten Übereinstimmung zwischen den Texten wird hier auf die Auflistung der Verteilung der Texteauf die Kategorien verzichtet. Bezüglich der Unterschiede zwischen den Texten wird dies geleistet.

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Unterschiede hinsichtlich der Inhalte der Tex-te betreffen die Darstellung eines möglichenAblaufs für einen Kooperationsprozess so-wie die Differenziertheit, in der die verschie-denen Facetten der Kooperation bzw. desEngagements beschrieben werden. Fernertreten Unterschiede auf, die die Rahmenbe-dingungen für Kooperationsprojekte sowiedie Möglichkeit der Evaluation durch Mess-verfahren betreffen. Inhaltlich zeigt sich diesfolgendermaßen:

– Darstellung des Ablaufs: Einige Texte (1, 2,4 und teilweise 8) präsentieren ein umfas-sendes Prozessmodell für ein CorporateCitizenship- bzw. Corporate Volunteering-Projekt. Hierbei werden temporal geglie-derte Abläufe für den Projektverlauf vorge-schlagen. Dabei gibt es jedoch bezüglichder Strukturierung der Prozessschritte gro-ße Unterschiede (Anzahl und Inhalt derProzessstufen). In den anderen Texten (3,5, 6 und 7) werden keine Prozessmodellezum Ablauf eines Projektes präsentiert.

– Engagementformen: In der Art und Weise,wie die Darstellung verschiedener Facet-ten des Engagements strukturiert ist, gibtes große Unterschiede. Teilweise werdenallgemeine ,Ober’-Kategorien gegenüber-gestellt (1, 6 und 7; z.B. an kommerziellenbzw. organisationsbezogenen Interessenausgerichtete Dienstleistungsbeziehungvs. altruistisch geprägte Hilfebeziehung), inanderen Fällen sehr spezifische Möglich-keiten des gemeinnützigen Engagementsgenannt (2, 3, 4, und 8; z.B. Secondmentoder Mentorentätigkeit).

– Rahmenbedingungen: In mehr als der Hälf-te der betrachteten Texte (1, 2, 4, 6, 7 und8) werden Rahmenbedingungen für erfolg-reiche (Kooperations-) Projekte genannt.Der Umfang und Inhalt gestaltet sich je-doch sehr heterogen und wenig struktu-riert. Wichtige Aspekte in diesem Zusam-menhang sind u. a. die Akzeptanz der Mit-arbeitenden im Unternehmen und die„ Passung“ zwischen den Kooperations-partnern sowie die Abstimmung zwischenden Mitarbeiterqualifikationen, Mitarbei-tererwartungen und dem Bedarf bzw. denErwartungen der Projektpartner.

– Messverfahren: Die Möglichkeit, Aspektevon Corporate Citizenship mittels Mess-verfahren fassbar zu machen, wird in dreiTexten (2, 4, 7 und 8) dargestellt. Es wer-den Formen der Kosten-Nutzen-Analyse(z.B. London Benchmarking Group-Mo-dell; 2) sowie mögliche Checklisten zurAuswahl von Freiwilligen (u. a. Minimalan-

forderungen, Aufnahmegespräch, Anfor-derungsprofile; 7) vorgeschlagen.

Schaut man abschließend auf die Dimensio-nen, wird deutlich, dass sich eine breiteÜbereinstimmung vor allem auf der Ebenerelativ abstrakter Informationen finden lässt.Auf dieser Ebene, in deren Zentrum nichtdie Umsetzung, sondern konzeptionelleÜberlegungen stehen, gleichen sich die Tex-te hinsichtlich ihrer Inhalte. Hingegen gibt esbei eher anwendungsbezogenen Aspektenerhebliche Unterschiede. Anders formuliertbeantworten alle Texte die Fragen nach demWer? und Warum? in ähnlicher Art und Wei-se. Hingegen gibt es bei der Frage nach demWie? beträchtliche Unterschiede. Allgemein entsteht bei der Durchsicht derTexte der Eindruck, dass die vorhandenen In-formationen auf einem deskriptiven Niveaubleiben und weniger die direkte Verwen-dung in der Praxis vermitteln können oderwollen. Insofern scheint die Anleitung inte-ressierter Unternehmen bzw. NPO (noch)nicht möglich. Dies wird auch durch die Tat-sache unterstützt, dass nur gerade vier Tex-ten ein Prozessmodell zugrunde liegt, wobeiihrer sich besagte Texte hinsichtlich Strukturund ihrer inhaltlichen Darstellung stark unter-scheiden. Es gilt jedoch festzuhalten, dass al-le betrachteten Texte durch ihre beschrei-bende Art und die vielen Praxisbeispielesehr hilfreich für eine erste Orientierung indiesem Aktivitätsfeld sind. Um diesen ersten Befund besser einordnenzu können, wurden im Anschluss an den in-haltlichen Vergleich Interviews mit den An-bietern der Texte geführt. Hierbei stand vorallem die Frage nach dem Gebrauch der Tex-te im Mittelpunkt bzw. wie diese von den In-terviewten hinsichtlich ihrer Gebrauchswertin der Praxis eingeschätzt werden.

EIN BLICK IN DIE PRAXIS

Welche Rolle spielen nun die als Leitfadenbezeichneten Informationsmaterialien beider Realisierung freigemeinnützigen Engage-ments von Unternehmen und deren Mitar-beitern? Wie kommen sie bei Engagementsvon Unternehmen bzw. NPO zum Einsatz?Um diesen Fragen nachzugehen, wurdenhalbstandardisierte Telefoninterviews mitvier verschiedenen Mittlerorganisationen –Koordination Freiwilligenarbeit im Kt. Bern

(KFA), Unternehmen: Partner der Jugend

(UPJ) e.V., Community Partnership Consul-

tant, und Zeitweise: die Freiwilligenagentur

AUF DEM WEG ZUM CORPORATE CITIZEN

61Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

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Bremen (beide im „Fundus“-Netzwerk) – ge-führt.Das Kriterium für die Auswahl der Inter-viewpartner war, dass es sich um Verfasseroder Verwender der betrachteten Texte han-deln sollte. Die für die Zuordnung der Aussa-gen der Interviewten verwendeten Katego-rien orientierten sich inhaltlich an der, demInterviewleitfaden zugrunde gelegten Fragenach der Verwendung der Leitfäden in derPraxis. Sie umfassten folgende Punkte: DerStellenwert der Texte bei den Unternehmenbzw. NPO, der Anspruch der Texte aus derBeraterperspektive, die empfohlene Nutzung

der Leitfäden sowie die Bewertung aus derBeraterperspektive. Die Ergebnisse zeigen einerseits ein homo-genes Bild bezüglich der Entwicklung desLeitfadens, des Einsatzes sowie seines Stel-lenwerts. Andererseits ergibt sich ein eherheterogenes Bild im Hinblick auf die Bewer-tung des Leitfadens und auf die Nutzung inder Praxis. Die Texte beruhen zum Teil auf Erfahrungen,die die Interviewpartner während ihrer eige-nen Beratertätigkeit sammeln konnten, so-wie auf der Analyse zahlreicher Fallbeispieleaus der Praxis von Unternehmen. Somit stel-len sie aus dieser Perspektive eine Art Praxis-bericht dar, der an die Bedürfnisse der ent-sprechenden Zielgruppe angepasst ist. DenTexten liegt kein bewusster Bezug zu kon-zeptionell bzw. theoretisch angeleitetenÜberlegungen zugrunde. Dies zeigt sichauch in den einzelnen Aussagen, welche imFolgenden sinngemäß, über die einzelnenInterviews zusammengefasst wiedergege-ben werden: – Stellenwert: Der jeweilige Leitfaden wird

einerseits als Orientierungshilfe und „In-spirationsgeber“ verwendet, um den Ein-stieg in das Thema zu unterstützen. Ande-rerseits kommen die Texte als eine Art„ Auswahlinstrument“ bzw. Differenzie-rungshilfe zum Einsatz, indem sie dem An-wender zahlreiche praktische Möglichkei-ten zum Corporate Citizenship aufzeigen,die als Vorlage zum Nachahmen des be-schriebenen Vorgehens dienen können.

– Anspruch: Die Texte erheben nicht denAnspruch im Sinne einer Anleitung einenvorgegebenen Weg zum gelungenen Cor-porate Citizenship- / Corporate Voluntee-ring-Projekt vorzugeben.

– Empfehlung: Die Interviewpartner beto-nen, anhand des Leitfadens ein Konzeptfür ein Engagementvorhaben in Zusam-menarbeit mit den Unternehmen oderNPO zu erarbeiten, welches auf die Be-

dürfnisse der jeweiligen Seite zugeschnit-ten ist. Dabei können bestehende Bezie-hungsnetze der Mittlerorganisationen ge-nutzt bzw. eingesetzt werden.

– Bewertung: In Bezug auf die Bewertungder Leitfäden ergibt sich ein ambivalentesBild. Ein Interviewpartner gibt an, dass inden Texten keine Systematik stecke, sie zuumfassend und wenig praxisrelevant seien.Aus der Praxis erhalten die Mittlerorganisa-tionen hingegen indirekt auf Tagungenund direkt von den Anwendern positivesFeedback, was von einem anderen Ge-sprächspartner für die Praxisnähe seinesTextes spricht. Die statistische Erfassungder Nutzung und eine Evaluation der zurVerfügung gestellten Texte stehen auf-grund fehlender finanzieller Ressourcenseitens der Mittlerorganisationen nochaus.

Aus den Schilderungen der Interviews kanndie Bilanz gezogen werden, dass die Leitfä-den von den Unternehmen bzw. NPO alsOrientierungshilfe beigezogen werden, umsich für ein entsprechendes Projekt Anregun-gen zu suchen. Sie decken den Bedarf nachInformation und Orientierung in der Praxisab. Dabei reichen sie weit über die Funktioneines bloßen Glossars hinaus, dienen jedochnicht als Entscheidungshilfe für die konkreteEntwicklung eines eigenen Projekts.

DISKUSSION

Führt man die beiden Perspektiven auf dieTexte, d.h. die (simulierte) Sichtweise des in-teressierten Unternehmers und diejenige desAnbieters zusammen, zeigt sich folgendesBild:Dem Bedürfnis nach Information und Orien-tierung in der Praxis wird durch die Texteentsprochen. Sie geben dank ihrer deskripti-ven Darstellung und den Praxisbeispielen ei-nen ersten Überblick und erlauben es deminteressierten Leser, sich mit dem ThemaCorporate Citizenship vertrauter zu machen. Allerdings reichen die meisten Texte überdiesen Punkt nicht hinaus. In Bezug auf einegenauere Anleitung bzw. Begleitung vonUmsetzungswünschen können die wenigs-ten Texte konkrete Hilfe anbieten. Nur gera-de vier der hier betrachteten Texte (1, 2 und4, teilweise auch 8) legen ihrer inhaltlichenStruktur ein Prozessmodell zugrunde. DieTexte lassen zwar erahnen, welches die zen-tralen Punkte in einem Kooperationsprozesssind, unterscheiden sich jedoch in den ein-

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zelnen Bereichen noch zu stark, als dass voneinem gesicherten Wissensbestand für diepraktische Umsetzung ausgegangen werdenkönnte. Dies überrascht insofern nicht, wennman bedenkt, dass die Texte hauptsächlicherfahrungsbasiert zusammengestellt wurdenund sich somit (noch) nicht auf allgemein ak-zeptierte Konzepte oder gar wissenschaftli-che Erkenntnisse stützen. Gerade das wärejedoch vor dem Hintergrund des steigendenInteresses der Wissenschaft an diesem The-mengebiet eine interessante Erweiterung.Anhand ausgewählter Anknüpfungspunktesoll deshalb kurz auf diese dritte Perspektiveeingegangen werden. Ein möglicher Beitrag aus wissenschaftlicherSicht bestünde darin, Erkenntnisse aus derMotivationsforschung in den Freiwilligenbe-reich aufzunehmen. Erste Untersuchungenweisen darauf hin, dass die Anerkennungund Wertschätzung der Freiwilligen einezentrale Rolle spielen, wie diese gegenüberdem Engagement eingestellt sind bzw. sichdafür einsetzen (Güntert & Wehner, 2005).Dieser Aspekt wurde nur in zwei der unter-suchten Texte (7 und 8) gefunden, ist aberfür den Erfolg eines Engagements, bei wel-chem Mitarbeiter beteiligt sind, von zentra-ler Bedeutung. Weiter scheint es aufgrundder relativen Neuartigkeit von Partnerschaf-ten in diesem Bereich angebracht, mehrüber die gegenseitige Wahrnehmung der Ko-operationspartner zu erfahren. Dabei ist derFrage nachzugehen, inwiefern von gemein-samen Kooperationsverständnissen ausge-gangen werden kann? Dies gerade auch vordem Hintergrund aktueller, d.h. typisierter(Berger & Luckmann, 2004) und oft implizi-ter Kooperationsverständnisse im privatwirt-schaftlichen Bereich, welche für NPO nichtvorausgesetzt werden können (vgl. Wehner& Gentile in diesem Heft). Als dritte beispiel-hafte Möglichkeit soll hier die Entwicklungadäquater Evaluationsinstrumente erwähntwerden, welche in den untersuchten Textennur vereinzelt Platz finden. Wenn die hierbetrachteten Projekte Bestand haben sollen,kann gerade aus wirtschaftlicher Perspektivenicht auf eine Evaluation der Engagementsverzichtet werden. Die bestehenden Instru-mente sind hierfür erste wichtige Versuche,scheinen jedoch für die genaue Erfassungder abgelaufenen Prozesse und der darausentstehenden Ergebnisse noch zu stark sim-plifizierend. Aus wissenschaftlicher Perspek-tive könnten hier wichtige Erfahrungswerteaus der Evaluationsforschung sowie zeitlicheRessourcen eingebracht werden, welche inder Praxis häufig fehlen.

Wie von einem Interviewpartner berechtig-terweise angemerkt wurde, sollte bei diesenFragen nicht vergessen werden, dass wissen-schaftliche Erkenntnisse für die verfolgtenZiele nur dann etwas bringen, wenn sie auchin der Praxis anschlussfähig sind. Erfüllen siedieses Kriterium, helfen sie nicht zuletztauch den Mittlerorganisationen sich stärkerzu legitimieren und die Prozesse entspre-chend den Konzepten zu gestalten bzw. inPublikationen zu veröffentlichen.Abschließend ist darauf hinzuweisen, dasswir mit der vorliegenden explorativen, an ei-ner anwendungsorientierten Fragestellungausgerichteten Untersuchung interessanteEinblicke in das Angebot und die Verwen-dung aktueller Umsetzungshilfen im BereichCC gewinnen konnten. Es ist jedoch auchklar, dass für eine abschließende Bewertungder einzelnen Texte noch weitere, d.h. ver-tiefte Auswertungsschritte folgen müssen(z.B. Interviews mit Unternehmensvertre-tern). Da dies nicht das vorgängig definierteZiel dieses Beitrages war und im zeitlich vor-gegebenen Rahmen auch nicht umzusetzengewesen wäre, wurde bewusst auf eine Ein-zelbewertung der Texte verzichtet.Trotzdem können aus der vorliegenden Ge-samtbetrachtung interessante Schlüsse oderzumindest Anregungen für die Weiterent-wicklung der Instrumente abgeleitet werden(siehe oben). Alleine der Befund der noch re-lativ großen Heterogenität zwischen denwiedergegebenen Wissensbeständen gibtAnlass zu weiterführendem Austausch zwi-schen den Praxispartnern und mit der an-wendungsorientierten Forschung.

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63Wirtschaftspsychologie

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GIAN-CLAUDIO GENTILE

ETH Zürich

Zentrum für Organisations- und

Arbeitswissenschaften (ZOA)

Forschungsgruppe "Psychologie der Arbeit in

Organisation und Gesellschaft" (PdA)

Kreuzplatz 5

CH-8032 Zürich

Schweiz

E-Mail: [email protected]

ROBERT BÖHM

Eilenburger Str. 45

04860 Torgau

E-Mail: [email protected]

CORINNA HOFFMANN

Christburger Str. 4

10405 Berlin

E-Mail: [email protected]

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Heft 1/2007

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Organisationen des Dritten Sektors stehen

vermehrt vor der Aufgabe Freiwillige mit un-

terschiedlichen Motiven und Interessen auf-

zunehmen und mit individuell zugeschnitte-

nen Engagementangeboten einzubinden. Der

Caritasverband der Region München

Stadt/Land reagierte auf diese Herausforde-

rung mit der Gründung weitgehend unabhän-

giger Freiwilligenzentren in der Stadt Mün-

chen – dem sog. ‚f-net’. Ziel des vorliegen-

den Beitrages ist es, die Beziehung zwischen

den f-net-Koordinatoren und den Freiwilligen

sowie die organisationale Einbettung im Cari-

tasverband unter den sich verändernden Rah-

menbedingungen vertieft zu verstehen. An-

hand der aus Triadengesprächen inhaltsanaly-

tisch verdichteten ,Lebenslinie des Koordina-

tionsablaufs’ kann gezeigt werden, welche

Unterstützungsfunktionen das f-net bietet,

wo Schwierigkeiten bei der Prozessbeglei-

tung bestehen und wo es zu Überforderun-

gen der Beteiligten kommt. Diese Erkenntnis-

se werden auf dem Hintergrund der ,Aufga-

ben der Organisation’ (Koordination, Orien-

tierung und Motivation) interpretiert, was zu

ersten Vorschlägen für Veränderungsmöglich-

keiten führt. Im Ausblick werden Bezüge aus

der aktuellen Untersuchung zum Thema Cor-

porate Volunteering sichtbar gemacht.

Schlüsselwörter: Freiwilligkeit, Dritter Sektor,

Organisation, Kompetenzentwicklung und

Professionalisierung

Coordinating Volunteers – Relationships and Organisational Context Illustrated by the ‘f-net’

Organisations in the third sector are increa-

sing facing the task of accepting volunteers

with diverse motives and interests and invol-

ving them in individually structured commit-

ment projects. The Caritas Association of Mu-

nich’s city/suburban region responded to this

challenge by establishing largely independent

volunteers’ centres in the city of Munich –

known as the ‘‚f-net’. The aim of this paper

is to gain a more detailed understanding of

the relationship between f-net coordinators

and volunteers as well as their organisational

integration in the Caritas Association under

the changing framework conditions. The ’life-

line of the coordination process’ whose con-

tents are analyzed in triad discussions reveals

the nature of the support functions of the f-

net, where the process accompaniment runs

into difficulties and where participants may

be overtaxed. This information will be inter-

preted against the background of the organi-

sational tasks (coordination, orientation and

motivation), thus leading to initial proposals

for possible changes. The outlook visualises

references between the current study and the

topic of corporate volunteering.

Key words: voluntarism, third sector, organi-

sation, competence development and profes-

sional status

EINLEITUNG

Im Zuge der Diskussion um die Entwicklungund das Zusammenspiel der zentralen ge-sellschaftlichen Sektoren Wirtschaft, Staatund Zivilgesellschaft nimmt das Thema Frei-willigkeit bzw. freigemeinnützige Tätigkeitzunehmend eine entscheidende Rolle ein.Das Gesellschaftsbild, welches wir aus derindustriellen Hochblüte kennen, erfährt der-zeit große Veränderungen. Auf der einenSeite brechen unter dem Schlagwort „2.Moderne” (Beck, 1999) als selbstverständ-lich gehaltene Gewissheiten weg. Verände-rungen der Wirtschaftsstrukturen (StichwortGlobalisierung) lassen gefestigte Institutio-

DIE KOORDINATION VON FREIWILLIGEN

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DIE KOORDINATION VON FREIWILLIGEN – BEZIEHUNGEN UND DIE ORGANISATIONALE

EINBETTUNG: DAS BEISPIEL ,F-NET’

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nen wie den Sozialstaat oder die politischenKontrollmöglichkeiten erodieren. Auf der an-deren Seite erfahren die Menschen mehrFreiraum in der Lebensgestaltung, was sichbspw. in der größeren Mobilität und der un-abhängigeren biographischen Planung wi-derspiegelt. Von diesen Entwicklungen betroffen ist auchdie Erwerbsarbeit. Erwerbsarbeit als Motorund Quelle des gesellschaftlichen Wohlstan-des droht zu einem knappen Gut zu wer-den, welches nicht mehr für alle Mitgliederder Gesellschaft ausreichend und längerfris-tig vorhanden ist (Senghaas-Knobloch,1999). Was der Wirtschaftssektor nicht(mehr) leisten und was durch den (Sozial-)Staat nicht mehr aufgefangen werden kann,verschiebt sich immer stärker in den Bereichder Zivilgesellschaft, in den so genannten„Dritten Sektor”. Wichtige sozial-karitativeFunktionen und Leistungen sollen durch ge-meinnützige Organisationen und deren Frei-willige getragen und ausgeführt werden. Ne-ben den klassischen Ehrenamtlichen, welchesich in ihrer Freizeit bzw. im Ruhestand en-gagieren, sind immer mehr Freiwillige zu be-obachten, welche nach sinnstiftenden Ersatz-feldern suchen, sei dies weil sie keinen Platzim Arbeitsmarkt erhalten oder sich im Vorru-hestand befinden (Caritas, 2006). Es ist zuvermuten, dass die Freiwilligkeit bzw. derDritte Sektor im Zuge dieser Entwicklungnoch stärker strukturelle Ungleichheiten imgesellschaftlichen Gefüge ausgleichen mussund vermehrt als Möglichkeit zur Sinnstif-tung (Mutz, 2002; Wehner et al., 2002) bzw.als Betätigungsfeld wahrgenommen wird.In diesem Spannungsfeld von sich verän-dernder gesellschaftlicher Aufgabenteilungund der damit verbundenen Differenzierungvon Freiwilligen mit unterschiedlichen Moti-ven und Interessen, bewegen sich derzeitdie Organisationen des Dritten Sektors. Diesgilt auch für den Caritasverband Deutsch-land und - spezifisch für die hier darzustel-lende Untersuchung - den Caritasverbandder Region München Stadt/Land (CaritasMünchen). Als klassischer Wohlfahrtsver-band möchte der Caritasverband neue For-men der Dienstleistung mit und für Freiwilli-ge anbieten und sich so den oben geschil-derten Ansprüchen und Erwartungen besseranpassen (Caritas, 2006, 3). Unter dem La-bel ,f-net’ bietet die Caritas München neueAngebote für Freiwillige, welche das klassi-sche Angebot ergänzen und besser auf indi-viduelle Bedürfnisse abgestimmt werden. Imnebenstehenden Kasten werden die Ange-bote kurz erläutert:

Im vorliegenden Beitrag fokussieren wir aufdie ersten beiden Dienstleistungen, welcheim Rahmen einer von der Caritas Münchenangeregten Studie, nach einer dreijährigenPilotphase in Bezug auf ihre Wirkung unter-sucht wurden1. Im Zentrum der qualitativ durchgeführtenUntersuchung stand die Dienstleistung von

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1. Vermittlung interessierter Personen inein EngagementUnter dem Motto: "Die richtige Personzum richtigen Zeitpunkt an den richtigenOrt" bieten die Freiwilligenzentren den In-teressierten eine Engagementberatung an,um Interesse, Fähigkeiten, zeitliche Rah-menvorstellungen und Motivationen zu er-fassen und bedarfsgerecht zu vermitteln.

2. Werkstatt sozialer AktionHier sollen kreative Ideen von Freiwilligenin die Tat umgesetzt werden. InteressierteFreiwillige bringen ihre Lebenserfahrung,besondere Kenntnisse, Fähigkeiten undIdeen für soziale Projekte mit ein. Die Frei-willigenzentren unterstützen in Hinblickauf mögliche Projekte, Fördermittel undKooperationspartner. Zudem begleiten siedie Engagierten während der Projektphasein allen Bereichen des Engagements.

3. Das Forum sozialen EngagementsDas Forum soll auf der einen Seite als Be-gegnungsstätte für Freiwillige dienen, aufder anderen Seite aber auch Schulung undFortbildung ermöglichen. Ziel des "f-net"hierbei ist u.a., ein sozialpolitisches Be-wusstsein bei den Engagierten für ihre eige-nen Belange zu erreichen.

4. Beratung von OrganisationenDie hier angebotene Beratung soll ver-schiedenste Formen von Institutionen dazuanimieren, stärker mit Freiwilligen zu arbei-ten und dementsprechend die Strukturenhierfür einzurichten. Die Freiwilligenzen-tren helfen bei der Klärung der Einsatzmög-lichkeiten, bei Versicherungsfragen undKostenerstattung sowie bei der Umsetzungeines Freiwilligen-Konzeptes.

Kasten: Dienstleistungsbereiche des f-net der

Caritas München

1Wir möchten an dieser Stelle Gabriele Stark-Angermei-er, Norbert Huber, Christel Höhn, Franziska Hofmeisterund dem f-net-Team für die große Unterstützung undanregende Kooperation danken.

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Koordinatoren, welche in teilweise enger Zu-sammenarbeit mit den Freiwilligen an derenProjektideen und der anschließenden Um-setzung arbeiteten. Es galt zu verstehen, wiedie Koordinationsaufgabe bewältigt wurde,welches hilfreiche Unterstützungsfunktionenwaren und wo allfällige Schwierigkeiten oderÜberforderungen im Prozess zu erkennensind. Im folgenden Kapitel werden kurz die Entste-hungsgeschichte und die Umsetzung des f-net nachgezeichnet (vgl. Caritas, 2006). Da-ran anschließend wird die Fragestellung kurzerläutert. In den beiden darauf folgenden Ka-piteln werden das methodische Vorgehen,die Auswertung und die daraus erhaltenenResultate dargestellt. Mit dem Einsatz von Triadengesprächenwurde methodisch ein innovativer Weg be-schritten. Die Resultate aus der Auswertungwurden in mehreren Schritten zu einer idea-lisierten ,Lebenslinie des Koordinationsab-laufs’ verdichtet. Abschließend werden die Resultate in Bezugauf die Fragestellung diskutiert. Dabei wer-den Konsequenzen für die Betroffenen, d.h.die Koordinatoren, die Freiwilligen und dieCaritas als Organisation aufgeführt. WelcheImplikationen die Resultate für den Umgangmit Freiwilligen z.B. im Bereich des Corpora-te Volunteering haben können, wird im Aus-blick skizziert.

ENTSTEHUNGSGESCHICHTE UND

ANGEBOT VON F-NET

Dank positiver Resonanz aus unterschied-lichsten Interessenkreisen entschloss sich derCaritasverband münchenweit ein Netzwerkvon Freiwilligenzentren aufzubauen. So star-tete Anfang 2003 die dreijährige Pilotphasedes f-net München als Netz der Freiwilligen-zentren der Caritas München. Die Dezentra-lisierung in der Stadt, die gezielte Schwer-punktsetzung in fünf Zentren und das Arbei-ten in einem eigenen Netzwerk ist als inno-vative Weiterentwicklung der Idee der Frei-willigenzentren der Caritas zu sehen. Die fol-genden Vorteile sollten damit realisiert wer-den: „Das f-net kann auf diese Weise kun-denfreundlich kurze Wege für interessierteFreiwillige bieten. Gleichzeitig sorgt es für ei-ne breit gefächerte Palette an Schwerpunkt-themen und Serviceangeboten für verschie-dene Zielgruppen von Einzelpersonen bishin zu Unternehmen, aber auch für eineStandardisierung und Evaluierung des Ange-bots über alle fünf Zentren hinweg (Caritas,

2006, 5). Die Zentren sind für den jeweiligenSchwerpunkt münchenweit der Ansprech-partner und somit zuständig für die fachlicheFührung und Umsetzung.Neben den Schwerpunkten bieten alle fünfZentren die weiter oben bereits dargestell-ten Grunddienstleistungen an, welche beider Durchführung der Untersuchung speziellberücksichtigt wurden.

FRAGESTELLUNG

Als innovatives Konzept für die Gewinnung,Förderung und die gezielte Vermittlung vonFreiwilligen entwickelt, wurde das f-net-Pro-jekt in Bezug auf die Umsetzung dieser An-sprüche evaluiert. Diesem Anliegen entsprechend stand dieBeziehung zwischen den Koordinatoren undden Freiwilligen im Zentrum der Untersu-chung. Es galt zu verstehen, wie die Koordi-nationsaufgabe inhaltlich gestaltet wurde,welches hilfreiche Unterstützungsfunktionendurch die Koordinatoren bzw. die Caritaswaren und wo allfällige Schwierigkeiten oderÜberforderungen im Prozess zu erkennensind. Weiter ging es darum mehr über dieRolle der Koordinatoren zu erfahren. WelcheKompetenzen sind gefordert, wie weit reichtdas Aufgabenspektrum und wo sind Gren-zen bei der Koordination zu erkennen?Wie weiter oben vermerkt, werden hier vorallem Erkenntnisse bzgl. der Dienstleistun-gen „Vermittlung interessierter Personen inein Engagement“ und „Werkstatt sozialerAktion“ dargestellt. Diese sind für den Pro-zess der Koordination und Begleitung vonzentraler Bedeutung und geben Einblick inspezifische Eigenheiten bei der Betreuungfreiwillig tätiger Personen.

METHODE UND STICHPROBENWAHL

Das Triadengespräch – Struktur undinhaltliche Ausrichtung

Bei der Wahl eines geeigneten methodi-schen Instrumentes entschieden sich die For-scher für das Triadengespräch (Dick, 2006).Diese noch relativ neue Forschungsmethodeversucht auf der Grundlage von drei indu-zierten Rollen (Experte, Novize und Laie)und mit Hilfe einer Erzählung bzw. Narration(Schütze, 1987), Expertenwissen zu artikulie-ren und zu transferieren (Seybusch, 2005, 4).Dies kam unserer Fragestellung in mehrfa-cher Hinsicht entgegen. Die Triade erlaubte

DIE KOORDINATION VON FREIWILLIGEN

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den gleichzeitigen Einbezug sowohl der Frei-willigen als auch der Koordinatoren. Dies er-möglichte die direkte Konfrontation der Be-troffenen und deren Meinungen, was denspäteren Abgleich bei der Auswertung nichtmehr erforderte.Durch die Vergabe der „Expertenrolle“ (Er-zähler) an die Freiwilligen wurde versucht,deren Erfahrungen bei der Inanspruchnahmeder Koordinationsdienstleistung in den Mit-telpunkt der Untersuchung zu stellen. AlsKlienten und Empfänger der Dienstleistungsind ihre Schilderungen und Erlebnisse un-verzichtbar und von entscheidender Bedeu-tung für die Beantwortung der Fragestellung.Der Einbezug der Koordinatoren als „Novi-zen“ versetzt diese in die Rolle der Zuhörer,welche vom Experten mehr darüber lernenwollen, was wichtige Aspekte bei der Zu-sammenarbeit mit Freiwilligen sind und wiediese berücksichtigt werden sollen. Für dieForscher, als „Moderatoren“ bzw. „Laien“(bzgl. der Koordinationsaufgabe), welchedas Gespräch im Erzählfluss und bzgl. Ver-ständigungsschwierigkeiten beobachten undlenken, ist diese Rollenteilung von großemWert. Durch die Erzählung bzw. Narrationder Experten und das interessierte Zuhörenund spezifische Nachfragen der Novizenwerden wichtige Inhalte und Prozessschritteder Zusammenarbeit expliziert und so fürdie Auswertung zugänglich gemacht. Parallelhierzu findet aber auch ein Transformations-prozess des oft implizit vorhandenen Wis-sens vom Experten zum Novizen und umge-kehrt statt. Durch diese Form der Gesprächs-führung werden sowohl das Forschungsdesi-derat als auch die Gelegenheit eines durchFeedback induzierten Lernens ermöglicht.

Durchführung des Triadengesprächs

Um die Triadengespräche wie oben darge-stellt durchzuführen, galt es folgende Punktebei der Vorbereitung zu berücksichtigen:Um die Freiwilligen als Experten ansprechenzu können, wurde ein strukturierter Inter-viewleitfaden konzipiert. Nebst dem Erstkon-takt wurden kritische Ereignisse, Motive zurTeilnahme (vorher/nachher) sowie spezifi-sche Koordinationskompetenzen erfragt.Die Freiwilligen wurden durch die For-scher/Moderatoren dazu angehalten ihre Er-lebnisse und Eindrücke im Kontakt mit denFreiwilligenzentren bzw. den Koordinatorenzu schildern. Hierbei wurden sie aufgefor-dert, möglichst präzise und am tatsächlichenVerlauf der Geschehnisse zu erzählen.

Bevor die Gespräche begannen, wurden dieTeilnehmer über die Struktur und den Ablaufdes Austausches sowie ihre jeweiligen Rollendarin informiert. Diese wurden ohne größe-re Schwierigkeit verstanden und dank dermoderierenden Rolle der Forscher auch guteingehalten. Der Aufzeichnung der Gesprä-che wurde, unter Hinweis auf Wahrung derAnonymität seitens der Forscher, jeweils be-reitwillig zugestimmt. Vor dem Abschluss der Gespräche wurde je-weils nachgefragt, ob etwas im Interview ver-gessen wurde oder ob die Teilnehmer nochPunkte anfügen möchten.

Stichprobenwahl

Insgesamt wurden acht Triadengesprächegeführt, welche sich auf die fünf Freiwilligen-zentren des f-net verteilten. In Absprache mitder Leitung der Caritas München wurdendie Fälle nach dem Prinzip des qualitativenSamplings, d.h. nach maximaler Variationausgewählt (Flick et al., 2000). Insgesamt ha-ben 14 Personen teilgenommen, davon achtFreiwillige und sechs Koordinatoren, wobeizwei Koordinatoren an zwei Gesprächen be-teiligt waren. Das Spektrum der Interviewpartner war breitgefächert. Zu den Interviewten zählten zweiPersonen in einem Besuchsdienst, eine Ver-antwortliche für ein Nähstubenprojekt, eineLeiterin Unternehmenskommunikation einesUnternehmens, ein Insolvenzanwalt, eineBetreuerin einer Hausaufgabenhilfe, ein Ini-tiator einer Reparaturwerkstatt für bedürftigeFamilien sowie eine Person mit Behinderun-gen, die im Freiwilligenzentrum Bürotätigkei-ten wahrnimmt.

AUSWERTUNG

Die transkribierten Interviews wurden unterZuhilfenahme der Computersoftware Atlas.ti5.0 im Zweierteam inhaltlich ausgewertet.Dabei orientierte sich eine erste Grobaus-wertung an den im Interviewleitfaden ver-wendeten Kategorien. Diese wurden ent-sprechend ergänzt bzw. angepasst, wodurchsich das Kategoriensystem weiter differen-zierte. Als Analyseeinheiten wurden Sinnein-heiten (ganze Sätze oder Abschnitte) be-stimmt und den entsprechenden Kategorienzugeteilt. Wo gegeben, wurden Kategorien(z.B. Caritas als Hindernis) zu Oberkatego-rien (Bedeutung der Caritas: als Hindernis /

als Beschleuniger) zusammengefasst, wo-

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durch eine erste Verdichtung der Inhalte voll-zogen wurde. Gleichzeitig wurde auf dieRückführbarkeit der Kategorien im Text ge-achtet. Eine kommunikative Validierung (nach Groe-ben, 1986) der Auswertung fand bei einemersten Austauschtreffen mit Verantwortli-chen der Caritas München und den Teilneh-mern der Interviews statt. Die erhaltenenRückmeldungen wurden in die Auswertungaufgenommen, wenn sie inhaltlich begründ-bar waren. Für ein zweites Austausch- und Vertiefungs-treffen wurde eine heuristische ‚Lebenslinieder Koordinationsaufgabe’ erstellt. Sie wurdeals Orientierungs- und Austauschhilfe ver-wendet. Die Lebenslinie stellt eine idealisier-te Verdichtung der Forscher, basierend aufden Auswertungen dar und wurde im zwei-ten Austauschtreffen wiederum kommunika-tiv validiert.

RESULTATE

Die Lebenslinie orientiert sich grundsätzlichan einer linearen zeitlichen Abfolge, jedochist dies nicht als mechanistische Metapherzu verstehen. Der eigentliche Fokus liegt aufdem „lebendigen“ Charakter der Koordinati-onsgestaltung, d.h. auf der prozessualen undwenig strukturierten Gestaltung der Zusam-menarbeit. Im Folgenden stellen wir die The-men in ihrer Bezogenheit auf einander vor.Hierfür bieten sich die ersten drei Themen-felder „Anlass zum Kontakt“, „Motive“ und

„Gestaltung des Erstkontaktes“ als Einstiegs-

phase an. Unter der Gestaltungsphase wer-den die Themen „Rollendefinition/-klärung“,„Anforderungen und Grenzen der Freiwilli-genarbeit“ sowie die „Koordination caritas-intern“ in ihrer Wechselwirkung beschrie-ben. Die Bilanzierungsphase beinhaltet dieThemen „Feedback und Dokumentation“sowie die damit verbundenen Dimensionen„Anerkennung und Wertschätzung“, „Ler-nen“, „Nutzen und Erfolg“ und „Bedeutungder Caritas als Trägerin“ zusammengefasst.Die abschließende Skizze der „Möglichkei-ten der Professionalisierung?“ im Spannungs-feld der „Profession der Professionellen“und der „Freiheit der Freiwilligen“ wird alsoffene Frage im Rahmen des Ausblicks erläu-tert.

Einstiegsphase

„Haben Sie freie Zeit?“ Animiert durch die-se Frage, weil sie in der U-Bahnstation gele-sen oder beim täglichen Radiohören ver-nommen wurde, finden potentielle Freiwilli-ge den Anlass, sich bei der Caritas zu mel-den. Fühlen sich die einen direkt durch denWerbeslogan angesprochen, so ist es bei an-deren der Partner bzw. die Partnerin, welcheder Meinung ist: „ (…) du bist doch gesund

genug, uns geht es gut genug, dann kannst

du auch etwas für die Allgemeinheit tun“

(P7)2. Die dahinter liegenden Motive zumErstkontakt und dem damit verbundenen Ko-

DIE KOORDINATION VON FREIWILLIGEN

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Anlass zum

Kontakt

Gestaltung des

Erstkontaktes

Rollendefinition

RollenklärungKoordination

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Anforderungen &

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Motive

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Professionalisierung ?

Feedback &

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Nutzen &

Erfolg

Anerkennung &

WertschätzungLernen

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Bedeutung der

Caritas als Trägerin

Anlass zum

Kontakt

Gestaltung des

Erstkontaktes

Rollendefinition

RollenklärungKoordination

Caritasintern

Anforderungen &

Grenzen der FWA

Motive

Möglichkeiten der

Professionalisierung ?

Feedback &

Dokumentation

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Nutzen &

Erfolg

Anerkennung &

WertschätzungLernen

? ?

Bedeutung der

Caritas als Trägerin

ABBILDUNG 1:

Lebenslinie der Koordinations-

aufgabe

2Freiwillige werden z.B. mit der Abkürzung (P1) zitiert, Koordinatoren z.B. mit (K1). Die Nummer gibt Auskunft, auswelchem Interview die Zitate stammen.

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ordinationsgespräch werden im Folgendendargestellt. Gefragt nach der Gestaltung des Erstkontak-tes durch den Koordinator, stimmen die Aus-sagen von Freiwilligen und Koordinatoren infolgenden Punkten überein: Der Koordinatorkonzentriert sich primär darauf die Freiwilli-gen als Person kennen zu lernen und durchkonstantes Nachfragen ein Gefühl für denmöglichen Einsatzbereich zu erhalten. Hier-zu zwei Aussagen, die erste eines Koordina-tors: „Also das ist der Sinn des Gesprächs,

die Person kennen zu lernen, die mir da ge-

genübersitzt“ (K4), ergänzend dazu die Sichteines Freiwilligen: „Die Kompetenz, dass sie

einfach nicht locker ließ, mir ein Loch in den

Bauch zu fragen. Also wie gesagt, ich habe

das erst später verstanden (…), wirklich aus

mir rauszukitzeln, wo bei mir die Lust ist et-

was zu machen“ (P8). Was hier für den Frei-willigen erst zu einem späteren Zeitpunktverständlich wurde, hat für die Koordinato-ren „System“. Allerdings ist anzumerken,dass dieses System stark auf der Erfahrungder einzelnen Koordinatoren aufbaut undweniger expliziter Bestandteil des Beratungs-konzeptes der Caritas ist. Schaut man sich die Motive der Freiwilligenan, so fällt auf, dass nur wenige mit klarenVorstellungen für eine konkrete Tätigkeitzum Gespräch kommen. Klarheit bestehteher auf einer grundlegenderen Ebene, dassman etwas machen möchte bzw. muss:„Das war schon ein ganz starker Gedanke ge-

wesen, dass ich eine Verpflichtung habe, aus

wirtschaftlich gut fundierten Verhältnissen,

etwas für Ärmere zu tun“ (P7). Egoistischer,aber ebenfalls allgemein formuliert, dienächste Äußerung: „Ich glaube alles, was

man macht, macht man für sich selber“ (P1).Nebst diesen altruistischen bzw. egoisti-schen Motiven finden sich in den Datenauch Hinweise dafür, dass die Tätigkeit fürdie Motivfrage eine wichtige Rolle spielt:„Aber angenommen, ich müsste jetzt jede

Woche einmal mit ins Café gehen, das wider-

strebt mir. Da geh ich lieber mit jemandem

wohin und mach irgendwas, aber nur Kaffee-

klatsch alleine, das reicht mir nicht aus“ (P4).Das Gewicht der Tätigkeit für ein befriedi-gendes Engagement ist nicht allen Freiwilli-gen von Beginn weg klar. Aus diesem Grundwird das stetige Nachfragen der Koordinato-ren auch nicht sofort verstanden: „(…) wirk-

lich, ich war fast ungeduldig bei dem Ge-

spräch, da sie mir nichts auftischte, und nicht

sagte, das und das und das können sie ma-

chen“ (P8).

Dem Erstkontakt kommt somit eine wichtigeRolle zu. Die Beteiligten müssen für ein be-friedigendes Resultat ein Verständnis für dieandere Rolle bzw. Person entwickeln, wel-ches dem Gegenüber erlaubt, die richtigenFragen bzw. Antworten zu formulieren. Umdie passenden Koordinationsentscheidun-gen zu treffen, braucht der Koordinator einfeines Gespür sowie ein nachhaltiges Interes-se an den expliziten und impliziten Wün-schen bzw. Motiven der Freiwilligen. Auf deranderen Seite ist die Bereitschaft, sich ver-tieft auf diesen Beratungsprozess einzulas-sen, ein wichtiger Bestandteil für eine gelin-gende Vermittlung. Denn nicht zuletzt istdas Resultat des Erstkontaktes für den weite-ren Verlauf des freigemeinnützigen Engage-ments sowie für die weitere Zusammenar-beit von zentraler Bedeutung.

Gestaltungsphase

Die Begleitung und Unterstützung der Frei-willigen bringt vielfältige Herausforderungenfür die Beteiligten mit sich. Im Rahmen vonWerkstattprojekten spitzt sich dies beson-ders deutlich zu. Als Begleiter der Werkstattprojekte überneh-men die Koordinatoren sehr unterschiedli-che Aufgaben. Von der Finanzierung, überdie konzeptionelle und inhaltliche Arbeit bishin zur Führung der Freiwilligen: „Meine

Aufgabe war zunächst den Rahmen zu schaf-

fen für die Frau B. und ihre Kolleginnen. Das

heißt: Ort, Zeit, usw., bis das alles funktio-

niert. Den Raum herrichten, die Spenden ein-

fahren, d.h. mich auch um die Finanzen zu

kümmern“ (K1). Allerdings muss auch immerdie nötige Distanz gewahrt werden. Bei ent-sprechendem Anlass müssen Grenzen mitAutorität durchgesetzt werden können. Un-ter welchen Umständen bzw. in welcher Si-tuation dies geschehen muss, ist allerdingsnicht klar und wird im Prozess der Beglei-tung ad hoc entschieden. Dies kann unterder Voraussetzung, dass alles gelingt wie ge-wünscht, sehr angenehm scheinen, wird je-doch bei Überforderungen der Freiwilligenoder anstehenden Konflikten sehr an-spruchsvoll. Ein Freiwilliger schildert eine ak-tuelle Situation: „Wir sind von der Herkunft

sehr heterogen (…). Und da gibt es schon

Spannungen über den Umgang miteinander,

die Arbeitsauffassung usw. Das geht sogar so-

weit, dass ich behaupte, wir haben Men-

schen, die kommen nur, weil sie nicht mehr

allein zu Hause sein können. (…) Die sind

aber im produktiven Sinne gar nicht so dabei,

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wie wir uns das wünschen, also da sehe ich

schon eine Konfliktsituation“ (P7). Dement-sprechend gibt es auch Ansprüche bzw. For-derungen der Freiwilligen nach Supervisionund Coaching, welche in regelmäßigen Ab-ständen abzuhalten sind. Auf der Seite derKoordinatoren gibt es hierfür durchaus Ver-ständnis, allerdings: „ (…) braucht es eine ge-

wisse eigene psychische Stabilität (der Frei-

willigen), um mit den anderen gemeinsam ar-

beiten oder was entwickeln zu können. Sonst

wird es eine Belastung für alle. Gerade weil

es ein relativ niederschwelliges Angebot ist,

wo ja eigentlich erstmal jeder so hinkommen

kann, der kreativ ist oder der was machen

möchte“ (K1). Dass die Belastung geradeauch für die Koordinatoren sehr groß wird,scheint unter diesen Bedingungen der Be-gleitung kaum vermeidbar. Die Caritas bietet durch ihre Infrastruktur ei-ne große Unterstützung. Allerdings scheintdie Abstimmung zwischen den Bedürfnissender Caritas und denen der Freiwilligen nichtimmer sehr einfach zu sein: „Die (Koordina-

torin) muss eigentlich einen schweren Spagat

machen. Sie ist einmal Angehörige der Cari-

tas Organisation mit all ihren Vorzügen und

Schwächen und auf der andern Seite, der völ-

lig anders gearteten Klientel von Freiwilligen,

die ihre Arbeit eben nicht synchron mit den

Vorstellungen der Caritas sehen. Da zu mit-

teln, ist sicher keine einfache Aufgabe“ (P7).Dies wird von der folgenden Aussage unter-stützt, welche sich auf den internen Bekannt-heitsgrad des f-net bezieht: „Es ist immer so

schwierig, das Freiwilligenzentrum darzustel-

len, wenn wir nicht direkt Klienten beraten.

Das ist ja noch mal eine ganz andere Arbeit

als alles, was sonst in der Caritas ist“ (K1). Ge-rade die Begleitung und Unterstützung vonFreiwilligenprojekten bzw. Freiwilligen an ih-ren Einsatzorten geht über die herkömmli-chen Vermittlungstätigkeiten hinaus. Diesscheint caritasintern noch nicht ganz ver-standen zu werden und erschwert die Arbeitder Koordinatoren durch weitere Vermitt-lungs- und Transferarbeit zwischen den je-weiligen Bereichen. Schaut man abschließend auf die Gestal-tungsphase, fallen vor allem der Aufgaben-reichtum und die Dynamik bei der Ausge-staltung der Koordinationsrolle im Zusam-menspiel zwischen Freiwilligen und der Cari-tas als Institution auf. Es gibt nur sehr wenigeStrukturen, welche die Zusammenarbeit zwi-schen den Koordinatoren und den Freiwilli-gen unterstützen. Während die Vermittlungund Unterstützung von Freiwilligen an pas-sende Einsatzorte noch übersichtlich ist,

birgt die Begleitung von Werkstattprojektenvielfältige Aufgabenfelder. Diese sind seltenim voraus bekannt, sondern kommen im Pro-zess auf die Koordinatoren zu. Sie verlangendiesen sowohl im fachlichen wie auch imzwischenmenschlichen Bereich vieles ab,was caritasintern in diesem Maß (noch) nichtvollständig wahrgenommen wird.

Bilanzierungsphase

Der Einsatz formalisierter Feedback-Schlei-fen bzgl. Wirkung und Nutzen der angebote-nen Dienstleistung ist bei den Koordinatorendurchwegs ähnlich unterentwickelt. Zwarexistieren entsprechende Formulare bzw.Anfragen an Einsatzorte, jedoch werden die-se kaum eingesetzt oder beantwortet. Ohnegenauer auf die Gründe einzugehen, möch-ten wir anschließend die Dimensionen mög-licher Feedback-Inhalte aufzeigen. Eine der wichtigsten Erfahrungen für die Frei-willigen scheint die Anerkennung und Wert-schätzung ihrer Arbeit zu sein. Dabei istnicht nur Geld gemeint, sondern Bemerkun-gen während der Zusammenarbeit, das ge-meinsame Erreichen von Zielen im Teamoder schlicht und einfach: „eine Flasche

Wein, die immer gut ist“ (P5). Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist das Ler-nen. Neben einer differenzierteren Perspek-tive auf eigene Fähigkeiten und Interessenla-gen erleben die Freiwilligen auch neueDenkweisen, Logiken und kulturelle Hinter-gründe, die ihre bisherigen Meinungen undsubjektiven Wahrheiten hinterfragen: „Also

ich hab lernen müssen, dass man im sozialen

Bereich Projekte nicht beendet z.B. weil sie

völlig unwirtschaftlich sind und weil sie sehr

teuer werden, sondern es kann sowohl einen

theologischen als auch einen sozialpädagogi-

schen Grund geben, ein Projekt, was völlig

unwirtschaftlich ist (…), dennoch zu Ende zu

führen“ (P7). Stellen diese Erfahrungen ansich schon einen großen Nutzen für die Frei-willigen dar, so soll der Wert eines gelunge-nen Einsatzes auch aus der Sicht eines Koor-dinators beispielhaft aufgeführt werden: „Al-

so das ist für mich wichtig, gute Erfahrungen,

gute Beispiele, die von sich aus sozusagen in

die Welt strahlen“ (K3), und so über den ei-gentlichen Einsatz hinaus animierend wirken. Die Caritas als Institution hat für diese Einsät-ze, Projekte und Erlebnisse der Freiwilligenunterschiedliche Bedeutung. Zum einen stif-tet sie dank ihres kirchlichen Hintergrundesund der großen Bekanntheit Identität. Zumanderen steht sie für Weltoffenheit dank in-

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Heft 1/2007

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tegrativer Projekte: „Ich finde es bewun-

dernswert, dass eine katholische Organisati-

on mit mir als Nichtkatholik muslimische Kin-

der fördert. Ja das finde ich toll“ (P8). Dieserpositiven Konnotation stehen aber auch kriti-schere Stimmen gegenüber. Wenn die Redevon der Caritas „als schwieriger schwerfälli-

ger Dampfer“ (P7) ist, dann bezieht sich diesvor allem auf den neuen Bereich der Werk-stattprojekte. Wie weiter oben bereits beider internen Koordination gezeigt werdenkonnte, prallen hier verschiedene Philoso-phien aufeinander, die gerade bzgl. derstrukturellen Voraussetzungen sehr unter-schiedlich sind. Dies wird im abschließendenZitat anhand des Themas Entscheidungsbe-teiligung der Freiwilligen deutlich: „Bei der

Caritas ist das nicht möglich, dass Freiwillige,

die eine große Lebens- und Berufserfahrung

haben, dass man deren Wissen an dieser Stel-

le mit einsetzt. Die Konzepte zur Freiwilligen-

arbeit und deren Umsetzung werden einsam

oben bei der Caritas getroffen. Da ist kein

Freiwilliger beteiligt“ (P7). Wie aus den Feedback-Dimensionen gutsichtbar wird, sind diese sehr reichhaltig anInformation zur Situation der Freiwilligen.Zum einen sind die vielfältigen Lernmöglich-keiten zu nennen, welche die Kompetenzender Freiwilligen in sozialen und fachlichenBelangen zu steigern vermögen. Zum ande-ren sind wichtige Hinweise für die Bezie-hungsgestaltung der Koordinatoren bzw. derCaritas gegenüber den Freiwilligen in Erfah-rung zu bringen. Die Vernachlässigung derFeedback-Schleifen ist vor diesem Hinter-grund nur schwierig nachzuvollziehen, nichtzuletzt auch deswegen, weil wichtige Lern-und Entwicklungsmöglichkeiten für die Cari-tas ungenutzt bleiben.

DISKUSSION

Schaut man sich abschließend die Resultateder Untersuchung an, so kann von einemÜbergewicht an positiven Eindrücken undBerichten seitens der Beteiligten ausgegan-gen werden. Dies stimmt auch mit den ausden Validierungssitzungen mitgebrachtenEindrücken der Forscher überein. Sowohl dieFreiwilligen als auch die Koordinatoren sindmit den erreichten Resultaten zufrieden undscheinen unvermindert motiviert, den einge-schlagenen Weg weiterzugehen. Die Verant-wortlichen der Caritas sehen das Ziel einesindividueller gestalteten Dienstleistungsan-gebotes für die Freiwilligen als erreicht. Siesignalisierten Bereitschaft für die Weiterfüh-

rung des Netzes, wenn die Finanzierung ge-sichert werden kann. Allerdings gibt es auch Gründe, zur Vorsichtzu mahnen. Aus der Perspektive der For-scher würde die Weiterführung bzw. Ver-schärfung der Belastung der Beteiligten dieweitere Entwicklung des Projektes in Fragestellen. Die Gefahr einer Umkehr der positi-ven Einstellungen hin zu Frustration wird grö-ßer. Es besteht Spielraum für Verbesserungs-möglichkeiten. Wie diese spezifisch für dieCaritas als Institution bzw. für die Koordina-toren aussehen könnten, wird im Folgendenversucht darzustellen. Hierfür orientieren wiruns systematisch an den ,Aufgaben der Or-ganisation’: die Koordinations-, die Orientie-

rungs- und die Motivationsaufgabe (Osterloh& Frost, 2000, 183f.). Erst im ausgewogenenZusammenspiel dieser drei Aufgabenberei-che der Organisation, so die konzeptionelleIdee, sind die gesetzten Ziele optimal zu er-reichen. Sie bieten einen geeigneten Maß-stab, um Ungleichgewichte zu verorten undmögliche Verbesserungsvorschläge zu be-nennen.

Ungleichgewichte in derf-net-Organisation

Wenn wir von Ungleichgewichten sprechen,dann bezieht sich dies vor allem auf das Zu-sammenspiel der Caritas als Institution mitden Koordinationsstellen des f-net. Als Orga-nisationseinheit der Caritas genießt das f-neteinen relativ hohen Grad an struktureller Au-tonomie und Selbstabstimmung bei der Ent-scheidungsfindung (Koordinationsaufgabe).Wie aus den Ergebnissen der Untersuchungersichtlich, sind sowohl die Beratungsleis-tung als auch die Gestaltung der weiterenZusammenarbeit inhaltlich wenig struktu-riert. Dies ist aufgrund der sehr individuellenBetreuungssituation gegenüber den Freiwilli-gen nachvollziehbar. Unstrukturiertheit bezieht sich auch auf denBereich „Feedback und Dokumentation“,was aus der Perspektive der Orientierungs-

aufgabe problematisch erscheint. Geradewenn die Koordination durch einen hohenGrad von Autonomie gekennzeichnet ist,wird das Management der Generierung, desTransfers und der Speicherung von explizi-tem und implizitem Wissen innerhalb derOrganisation immer wichtiger (Osterloh &Frost, 2000). Das heißt konkret, dass sowohlErfahrungswissen der Koordinatoren (z.B.die Beratung der Freiwilligen) als auch Erleb-nisberichte der Freiwilligen für die Gestal-

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tung von Unterstützungsleistungen seitensder Caritas zusammengetragen werden müs-sen. Fehlt diese Wissensbasis, leidet nichtnur die präzise Wahrnehmung der Ist-Situati-on (z.B. hohe psychische Belastungen, Flexi-bilität und ein breites Spektrum an (Fach-)Wissen). Es ist zu vermuten, dass es auch ander passenden Angebotsstruktur fehlt, dieden Betroffenen die Ausgestaltung der Zu-sammenarbeit erleichtern könnte. Die Wahr-nehmung der Caritas als „schwerfälliger

Dampfer“ wird vor diesem Hintergrundnachvollziehbar. Dadurch lässt die Caritasdie Möglichkeit ungenutzt, von den Freiwilli-gen und Koordinatoren zu lernen und sichals Organisation weiterzuentwickeln. Diesgilt nicht nur für die Caritas als Institution,sondern betrifft auch die Koordinatoren. DieHaltung hinter der Aussage: „ (…) das Nötigs-

te einfach im Kopf“ (K5) zu haben, im Sinneeines Verzichtes auf weitere Dokumentati-on, verkennt die Wichtigkeit der Feedback-Instrumente und die längerfristig damit ver-bundenen Wirkungen. Anerkennung undWertschätzung sind nicht nur bei den Frei-willigen ein Thema, sondern auch in der Ca-ritas selber. Durch die gezielte und nachhal-tige Verteilung von Informationen zur Arbeitdes f-net wird dieses auch caritasintern legiti-miert. Schließlich würde dies auch die Chan-cen für eine Schärfung der Konturen in derÖffentlichkeit erhöhen. Die Stärkung des Be-wusstseins der Koordinatoren für diese Pro-zesse sowie deren verbindliche Einhaltungsollte verbessert werden. Anerkennung und Wertschätzung sind engmit dem Thema Motivation verbunden. Dasf-net profitiert noch immer von einer hohenintrinsischen Motivation der Koordinatorenund Freiwilligen, welche für und durch ihreProjekte an die Belastungsgrenze gehen. Al-lerdings wird dieser hohe Einsatz auf Seitender Koordinatoren nicht immer so hinge-nommen. Die Bezeichnung „König Freiwilli-

ger“, dem alles vorbereitet und gemachtwird, ist Ausdruck von Spannungen undNeid zwischen professionellen Arbeitskräf-ten und Freiwilligen. Gerade hier spielen un-terstützende Signale der Caritas in Richtungder Koordinatoren eine wichtige Rolle. DieMöglichkeiten, extrinsische Anreize (z.B.monetärer Art) zu setzen, scheint im ge-meinnützigen Bereich nur reduziert möglich.Umso mehr ist auf entsprechende Prozesseund Anerkennungsformen zu achten, die dieintrinsische Motivation der Beteiligten auf-rechterhalten. Verbesserungen auf der Ebe-ne der Koordination (z.B. Kontextgestaltung)sowie der Orientierung (z.B. Feedback, un-

terstützende Ressourcen wie Aufgabenprofi-le, Datenbanken etc.) scheinen hierfür mög-liche Ansatzpunkte.

Ausgleichende Entwicklung

Ausgehend von der relativ unstrukturiertenKoordinationssituation gegenüber den Frei-willigen, haben wir versucht aufzuzeigen,wo mögliche Ungleichgewichte in Bezug aufdie anderen beiden Dimensionen der Orga-nisationsaufgabe zu verorten sind. Der stra-tegische Entscheid zur strukturellen Auslage-rung der neuen Dienstleistungen in das f-neterlaubt nicht den Rückzug bzw. die Entlas-tung der Caritas. Als Initiatorin des neuenAngebotes und Gestalterin wichtiger Rah-menbedingungen trägt sie Verantwortungfür das Gelingen des Vorhabens. Gerade imBereich der Orientierungsaufgabe, d.h. dercaritasinternen wie auch der externen Kom-munikation, besteht derzeit Handlungsbe-darf. Autonomie als Koordinationskonzeptverlangt ein großes Maß an Aufmerksamkeitund intensiver Auseinandersetzung mit denAufgaben in den einzelnen Projekten. Dieshat nicht nur einen Einfluss auf die Motivati-on der Beteiligten, sondern birgt auch Mög-lichkeiten für die Caritas selber. Das f-net erschließt mit seinen Projekten„Neuland“. Die Erfahrungen und das Wis-sen der Freiwilligen und der Koordinatorenhierzu erlauben nicht nur interessante Einbli-cke in ein innovatives soziales Feld. Sie er-möglichen in einem viel direkteren Sinneauch den Einblick in die eigene Organisati-onsrealität der Caritas, welche sich im Kon-trast der Projekte widerspiegelt. In der ge-zielten Reflexion und dem Austausch mitden Beteiligten besteht ein großes Lernpo-tential für die Caritas. Die Nutzung diesesPotentials, so wäre zu vermuten, erlaubt inder Rückkopplung eine differenziertereWahrnehmung der eigenen Möglichkeitenund derer der Freiwilligen. Dies ist für die Ko-ordinationsaufgabe, und im Abgleich dazu,für die Orientierungs- und Motivationsaufga-be sehr wertvoll. Aus der differenzierterenWahrnehmung der eigenen Situation undden Ansprüchen der Freiwilligen sollten dieGrenzen und Möglichkeiten der Betreuungbzw. Führung der Freiwilligen klarer formu-liert werden. Dies gibt nicht nur den Koordi-natoren ein klares Aufgabenprofil, sondernerlaubt auch den Freiwilligen einen gezieltenEinsatz der Kräfte. Schließlich gilt es den Frei-willigen die Verwirklichung der eigenen tä-tigkeitsbezogenen Motive zu ermöglichen,

DIE KOORDINATION VON FREIWILLIGEN

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damit auch in Zukunft Erlebnisberichte wieder folgende möglich sind: „Es macht einem

Spaß, etwas zu formen und zu machen. Ir-

gendwann denkt man sich, das sieht ja ei-

gentlich nach gar nichts aus und es wird und

wird nichts. Und auf einmal ist dann der

Punkt da, wo man sich sagt: Jetzt weiß ich...

und das ist einfach befriedigend, weil es ei-

nen Sinn hat“ (P1).

AUSBLICK

Im Zusammenhang mit den oben dargestell-ten Belastungen und Veränderungen im Be-reich der freigemeinnützigen Arbeit bzw. de-ren Koordination wird das Thema Professio-nalisierung vermehrt diskutiert. Die steigen-den Ansprüche und Leistungen verlangenspezifische Kompetenzprofile, welchen diereine Freigemeinnützigkeit nicht mehr zu ge-nügen scheint. Die Frage nach der Möglich-keit bzw. Notwendigkeit der Professionalisie-rung freigemeinnütziger Arbeit wird disku-tiert (Mieg & Wehner, 2002 oder Wehner,Mieg & Güntert, 2006). Dieser Diskussion steht das gegenüber, wasin einem Interview als: „(…) die Freiheit, die

den Freiwilligen gehört“ (P1) bezeichnetwurde. Freiwillige genießen immer noch die„Narrenfreiheit“, das zu tun, was sie tunmöchten, d.h. die Einbindung in professio-nelle Strukturen und Ansprüche kann nichterzwungen werden. Es wird sogar befürch-tet, dass durch die Professionalisierung eineEinengung der Laientätigkeit vollzogen wirdund somit ein wichtiges Element derselbenverloren geht. Der Ausgleich der oben angesprochenenUngleichgewichte wird sich immer auch mitdiesem Spannungsfeld auseinandersetzenmüssen. Wie und warum es zu längerfristi-gen (Ein-) Bindungen unter Achtung der„ Freiheit der Freiwilligen“ kommen kann,muss künftig genauer untersucht werden.Erste Hinweise aus dieser Studie, wie auchaus anderen Untersuchungen (Wehner &Güntert, 2005) zeigen, dass dabei die Ge-staltung der Tätigkeit eine wichtige Rollespielt. Die Einbindung von Freiwilligen, d.h. derenSteuerung, Kontrolle sowie der gezielte Ein-satz, ist auch außerhalb der klassischen frei-gemeinnützigen Arbeit ein brisantes Thema.Im Rahmen von Corporate Volunteering-Pro-jekten, in denen sich Mitarbeiter im Namenihres Unternehmens freigemeinnützig enga-gieren sollen, sind die Einbindungsmöglich-keiten ebenfalls nur geringfügig. Als Arbeit-

nehmer stehen die Mitarbeiter in einemTransaktionsverhältnis zum Arbeitgeber, alsFreiwillige genießen sie jedoch die Freiheitder Freiwilligen. Erste Hinweise aus Erhebun-gen zeigen (z.B. Maass & Clemens, 2002oder Schubert, Littmann-Wernli & Tingler,2002), dass die Akzeptanz für diese Formdes freigemeinnützigen Engagements allge-mein nur schwach ausgeprägt ist. Wie dieseerhöht werden kann und warum sich gewis-se Mitarbeiter trotzdem nicht überzeugenlassen, sind Fragen, welche in künftigen For-schungsprojekten beantwortet werden müs-sen. Nebst interessanten Erkenntnissen bzgl.des Verhältnisses von Arbeit und Freizeitsind auch neue Einsichten betreffend organi-sationalen Gestaltungsmöglichkeiten zu er-warten. Wie wir oben sehen konnten, wäre diesnicht zuletzt auch für Organisationen ausdem Dritten Sektor interessant, welche sichkünftig stärker mit der Koordination und Füh-rung von Freiwilligen beschäftigen müssen.

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74Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

G.-C. GENTILE, E. ENDRES, T. WEHNER

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GIAN-CLAUDIO GENTILE

[email protected]

PROF. DR. THEO WEHNER

[email protected]

ETH Zürich

Zentrum für Organisations- und

Arbeitswissenschaften (ZOA)

Forschungsgruppe "Psychologie der Arbeit in

Organisation und Gesellschaft" (PdA)

Kreuzplatz 5

CH-8032 Zürich

Schweiz

PROF. DR. EGON ENDRES

Katholische Stiftungsfachhochschule

München

Preysingstr. 83

81667 München

E-Mail: [email protected]

DIE KOORDINATION VON FREIWILLIGEN

75Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

innenteil.qxd 22.03.2007 13:51 Seite 75

Dem Leitsatz ,Kein Corporate Volunteering

ohne Volunteering’ folgend, zeigt der vorlie-

gende Beitrag Transfer- und Lernmöglichkei-

ten aus der psychologischen Freiwilligenfor-

schung für den Bereich bürgerschaftlichen

Engagements von Unternehmen auf. Erkennt-

nisse der Sozialpsychologie zum prosozialen

Verhalten und den zugrunde liegenden Moti-

ven spielen hierbei eine wichtige Rolle. Fra-

gen der Gestaltung freigemeinnütziger Arbeit

und motivierender Rahmenbedingungen

werden aus tätigkeitspsychologischer Per-

spektive erläutert. Welche Bedeutung diese

Erkenntnisse für den Bereich bürgerschaftli-

chen Engagements von Unternehmen haben,

wird am Beispiel des Corporate Volunteering

(CV) diskutiert. Vorgängig wird die konzeptio-

nelle Einordnung von CV im Rahmen von

Corporate Citizenship erläutert. Der Beitrag

schließt mit ersten Forschungsergebnissen,

welche aus dem Transfergedanken folgen, so-

wie mit offenen Fragen für künftige For-

schungsvorhaben.

Schlüsselwörter: prosoziales Verhalten, Vo-

lunteering, Tätigkeit, Organisation, Corporate

Citizenship, Corporate Volunteering, soziale

Handlungsorientierung

No Corporate Volunteering without the Individual Willingness to Volunteer: What Exactly is Voluntary Nonprofit Commitment?

According to the motto: ‘No Corporate Vo-

lunteering without Volunteers’, this paper de-

rives transfer and learning opportunities with-

in the sector of corporate civic commitment

from psychological research into voluntee-

ring. The insights into pro-social behaviour

and the underlying motives gained by social

psychology play an important role. Questions

of the organization of voluntary nonprofit

work and motivating framework conditions

are clarified from the perspective of activity

psychology. The significance of these insights

for the sector of corporate civic commitment

is discussed on the basis of Corporate Volun-

teering (CV). The conceptual classification of

CV within the scope of Corporate Citizenship

is initially explained. The paper closes with

the first research results emerging from the

transfer concept and with open questions for

future research projects.

Key words: pro-social behaviour, voluntee-

ring, activity, organisation, corporate citizen-

ship, corporate volunteering, social-action

orientation

1. FREIWILLIGKEIT IN DER

TÄTIGKEITSGESELLSCHAFT

Die Diskussionen zum „BürgerschaftlichenEngagement“ oder zur „Tätigkeitsgesell-schaft“ zeigen, dass Handeln in der Gesell-schaft nicht nur aufgrund beruflicher Orien-tierungen oder Karriereplanungen motiviertwird; den jeweiligen Entscheidungen liegennicht nur Konsumgewohnheiten, private Ein-gebundenheit oder familiäre Verpflichtun-gen zugrunde, sondern auch Bürgersinn alseine Orientierung im sozialen Raum.Geht man davon aus – wie es in der Ausei-nandersetzung über den Begriff der Tätig-keitsgesellschaft geschieht –, dass der Ge-sellschaft zumindest die bezahlbare Arbeit,nicht jedoch die Betätigungsfelder ausge-hen, so sind Fragen des bürgerschaftlichen

76Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

S. T. GÜNTERT, G.-C. GENTILE, T. WEHNER

STEFAN T. GÜNTERT, GIAN-CLAUDIO GENTILE, THEO WEHNER

KEIN CORPORATE VOLUNTEERING

OHNE DIE INDIVIDUELLE BEREITSCHAFT ZUM

VOLUNTEERING:FREIGEMEINNÜTZIGES ENGAGEMENT,

WAS IST DAS?

innenteil.qxd 22.03.2007 13:51 Seite 76

Engagements in einem Wirtschaftssystemvon großer Bedeutung.

2. FREIGEMEINNÜTZIGE TÄTIGKEIT

2.1 Begriffliche Einordnung undgesellschaftliche Relevanz

Jenseits der Erwerbsarbeit öffnet sich einbreites Spektrum bürgerschaftlichen Engage-ments, das von Begriffsvielfalt und Uneinig-keit bezüglich geeigneter Definitionen ge-kennzeichnet ist. Für den anglo-amerikani-schen Raum hingegen ist Volunteering derakzeptierte Begriff für verschiedene Artenfreigemeinnütziger Aktivität, die nicht not-wendigerweise mit einem Ehrenamt verbun-den sein müssen, sondern auch einfacheMithilfe umfassen. Im deutschen Sprach-raum reicht die Vielfalt vom Ehrenamt überdie Freiwilligenarbeit bis zum bürgerschaftli-chen Engagement. Je nach Themenbereichwählen die freiwillig tätigen Personen ande-re Bezeichnungen für ihr eigenes Engage-ment, was verdeutlicht, dass die Suche nacheinem integrierenden Begriff und die Arbeitan einer einheitlichen Erfassung des Bereichsnicht leicht sein werden. „Freiwilligenarbeit“und „Ehrenamt“ sind jedoch für 48% bzw.32% der freiwillig tätigen Personen die Be-zeichnungen, die das Selbstverständnis ambesten abbilden (Rosenbladt, 2000, S. 51).Wehner, Mieg und Güntert (2006) definie-ren freigemeinnützige Arbeit bzw. Tätigkeitals unbezahlte, organisierte, soziale Arbeit,d. h. als persönliche, gemeinnützige Tätig-keit, die mit einem Zeitaufwand verbundenist und prinzipiell auch von einer anderenPerson ausgeführt und potenziell bezahltwerden könnte. Diese Definition trennt vomBereich der freigemeinnützigen Arbeit dieHaus- und Familienarbeit, denn zum einenfindet diese nicht im Kontext von Organisa-tionen statt; vor allem aber ist die Familie einElement des Gemeinwesens und nicht selbstGemeinwesen, so dass familiäre Fürsorgeund Hausarbeit nicht als soziale Arbeit gel-ten. Ebenso werden die Beziehungsarbeit,das persönliche Hobby und die Eigenarbeitabgetrennt, denn in diesen Fällen ist eine Be-zahlung kaum vorstellbar. Die Spendentätig-keit wird wegen des geringen Zeitaufwandsausgeschlossen. Aufgrund des Kriteriums,dass freigemeinnützige Arbeit prinzipiellauch von einer dritten Person ausgeführtwerden kann, scheiden viele Tätigkeiten impersönlichen Umfeld aus, bei denen die han-delnde Person nicht von anderen ersetzt

werden könnte – man denke etwa an dieUnterstützung von Freunden bei persönli-chen Problemen. Zunehmend besteht in ver-schiedenen Ländern für Empfänger von Sozi-alhilfeleistungen die Möglichkeit bzw. Not-wendigkeit eines „Zuverdienstes“ durch ge-meinnützige Arbeit; in diesem Fall jedochsoll die Tätigkeit disziplinierend wirken undist nicht mehr freigemeinnützig.Die Definition als Tätigkeit unterstreicht,dass diese Art von Engagement aktive Teilha-be erfordert, und dass die Chance, persön-lich tätig zu werden, nicht mit der Option,für einen bestimmten Zweck Geld zu spen-den, verglichen werden kann. Betrachtetman die freigemeinnützige Tätigkeit als pro-soziales Verhalten – eine ebenfalls lohnendePerspektive –, so treten die qualitativen Un-terschiede zwischen Sach- und Geldspen-den auf der einen und dem Spenden vonZeit und Anstrengung auf der anderen Seitein den Hintergrund. Die Hervorhebung desTätigkeitsaspekts hingegen erlaubt es, freige-meinnützige Arbeit mit Erwerbsarbeit zu ver-gleichen und daraus für die Analyse der mo-tivationalen Grundlagen sowie für die Aufga-bengestaltung und Organisation zu profitie-ren. Freigemeinnützige Tätigkeiten sind in ihrerWirkung in der Gesellschaft mehrheitlicheher stabilisierend als transzendierend. Obes das Engagement in kulturellen oder Sport-vereinen ist oder die karitative Arbeit für be-dürftige Menschen, die Leistungen Freiwilli-ger werden im Allgemeinen von der Gesell-schaft positiv beurteilt und von Politikern lo-bend erwähnt und angemahnt.Bevor auf die Frage der Motivation und dieFrage der Qualität eingegangen wird, solleneinige Fakten zum Umfang und zur Bedeu-tung freigemeinnütziger Arbeit zusammen-getragen werden. Dass die gesellschaftlicheRelevanz freigemeinnütziger Tätigkeit weitüber das Potenzial individueller Selbstver-wirklichung hinausreicht, erkennt man nichterst, seit die Vereinten Nationen das Jahr2001 zum „Internationalen Jahr der Freiwilli-gen“ erklärten.Von Seiten der Politik wird regelmäßig in derStärkung freiwilligen Bürgerengagements ei-ne Chance zur Staatsentlastung gesehen.Nationale und international vergleichendeErhebungen zum Stand des Volunteeringwurden durchgeführt (z. B. Gaskin, Smith &Paulwitz, 1996). Solange jedoch keine Defi-nitionsklarheit besteht, sind die vergleichen-den Aussagen vorsichtig zu interpretieren.Eine sehr gute Deskription für Deutschlandleistet der Freiwilligensurvey, die umfassends-

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te bundesweite, 1999 und 2004 durchge-führte Repräsentativbefragung (Rosenbladt,2000; Gensicke, Picot & Geiss, 2006). Diebreite Datenbasis der Studie – rund 15.000repräsentativ ausgewählte Personen wurdenbefragt – erlaubt Aussagen zum Umfangund zur Art freigemeinnütziger Arbeit – dif-ferenziert nach Engagementbereichen, Re-gionen, Altersgruppen und weiteren sozio-demografischen Variablen. Der Survey unter-sucht neben dem zeitlichen und inhaltlichenUmfang der Tätigkeiten, deren qualifizieren-de bzw. Qualifikation voraussetzenden As-pekte, Motive und Erwartungen der Freiwilli-gen, Formen der Gratifikation und organisa-tionale Rahmenbedingungen. 1999 waren34%, im Jahr 2004 36% der Bevölkerung ab14 Jahren freiwillig engagiert. Die großenFelder freiwilligen Engagements waren so-wohl 1999 als auch 2004 die Bereiche Sportund Bewegung (11%), Schule und Kinder-garten (6%/7%), Kirche und Religion(5.5%/6%), Freizeit und Geselligkeit(5.5%/5%), Kultur und Musik (5%/5.5%) so-wie der soziale Bereich (4%/5.5%). Vereinesind von herausragender Bedeutung für dasfreiwillige Engagement: 43% aller Freiwilli-gen-Tätigkeiten wurden 1999 und 2004 indiesem organisatorischen Umfeld geleistet.Bei 40% aller freiwilligen Tätigkeiten handeltes sich um Ämter, in die die Freiwilligen ge-wählt wurden. Personen, die stärker in dieGesellschaft integriert sind, engagieren sichauch häufiger freiwillig: So liegen die Enga-gementquoten (für das Jahr 2004) bei Er-werbstätigen (40%) und bei Personen immittleren Lebensalter (40 bis 49 Jahre: 42%)über dem Durchschnitt von 36%, währendjene bei Arbeitslosen (27%) oder bei Rent-nern und Pensionären (28%) deutlich niedri-ger liegen.

2.2 Motivation der Freiwilligen

Von den psychologischen Teildisziplinen be-schäftigt sich bislang die Sozialpsychologieam stärksten mit der freigemeinnützigen Ar-beit. Volunteering wird als prosoziales Verhal-

ten untersucht, welches im Kontext vonGruppen oder Organisationen stattfindet,geplant wird und über einen längeren Zeit-raum fortbesteht (Penner, Dovidio, Piliavin &Schroeder, 2005). Im Unterschied zur spon-tanen Hilfeleistung basiert freigemeinnützigeTätigkeit weniger stark auf einem Gefühl per-sönlicher Verpflichtung, sondern ist das Er-gebnis einer bewussten, wohlüberlegten Ent-scheidung. Penner et al. (2005) sehen darin

einen Grund für die in der Volunteering-For-schung dominierenden Fragen zur Motivati-on der Freiwilligen, verglichen mit der Suchenach situativen Faktoren im Bereich des Hil-feverhaltens.Der Großteil psychologischer Erkenntnisseüber das Helfen beruht auf Situationen, indenen potenzielle Helfer angesichts einerunerwarteten Gelegenheit zu helfen – z. B.einer Notsituation – sich unmittelbar füroder gegen einen sofortigen Einsatz ent-scheiden müssen – meist zugunsten einerfremden Person. Freigemeinnützige Tätigkeitbzw. Volunteering hingegen ist eine weit ver-breitete und alltägliche Form prosozialenHandelns, an welchem sich sowohl die moti-vationalen Abläufe vor und nach der Ent-scheidung für die Tätigkeit als auch die Fak-toren, von denen nachhaltiges Engagementabhängt, und besonders die Bedeutung vonOrganisationsstrukturen und Prozessen un-tersuchen lassen. Omoto, Snyder und Berg-huis (1993) plädieren daher für die freige-meinnützige Tätigkeit als Paradigma zur Un-tersuchung prosozialen Handelns und erken-nen ein „socially significant ‚real-world’ la-boratory in which psychological theories ofindividual and social behavior can be testedand refined“ (S. 338) – eine Argumentation,die wir bei der arbeits- und organisationspsy-chologischen Perspektive aufgreifen werden.Die meiste Forschung zur freigemeinnützi-gen Arbeit angeregt hat die Frage nach denGründen, welche Personen dazu bewegen,freiwillig Aufgaben zu übernehmen und dasEngagement aufrechtzuerhalten. Aufgrundder besonderen Qualität freigemeinnützigerTätigkeit als geplantes Helfen – als freiwilli-ges, andauerndes und nachhaltiges prosozia-les Handeln – empfiehlt sich ein motivatio-naler Zugang, um das Bemühen um eine Ge-legenheit zum Engagement, die Entschei-dung für ein spezifisches Angebot und diemehrjährige Leistungsbereitschaft zu erfor-schen. Aus diesem Grund wenden Clary etal. (1998) die funktionale Analyse auf freige-meinnützige Tätigkeiten an. Zentral für denfunktionalen Ansatz ist die Annahme, dassPersonen dieselben Einstellungen habenbzw. in dieselben Tätigkeiten involviert seinkönnen, obwohl die psychologischen Funk-tionen, denen die Gedanken, Gefühle undHandlungen jeweils dienen, verschiedensind. Langandauerndes, engagiertes Han-deln wird durch eine Passung der motivatio-nalen Belange des Individuums und der Si-tuation erklärt, welche diesen Funktionen ge-recht werden kann.

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Welche Themen entsprechen diesen zentra-len Funktionen? Clary et al. (1998) beschrei-ben sechs Funktionen, welche das Voluntee-ring für die Freiwilligen erfüllen kann:– Ausdruck von Werten (value expressive)– Lernen (understanding)– Wachstum (enhancement)– Karriere (career)– Soziale Bindung (social)– Schutz (protective)

Um gemäß dieser funktionalen Analyse dieMotive Freiwilliger erfassen zu können, ent-wickelten Clary et al. (1998) außerdem dasVolunteer Functions Inventory.Diese und ähnliche Skalen lassen sich fakto-renanalytisch meist in zwei Gruppen unter-teilen, die einer egoistischen bzw. altruisti-

schen Orientierung entsprechen. Diese Un-terscheidung ist trotz fragwürdiger Konnota-tionen – immerhin leistet auch der „egois-tisch“ motivierte Freiwillige prosoziale Ver-antwortung! – von praktischer Relevanz.Von einzelnen Freiwilligen werden Gemein-schafts- und Selbstbezug unterschiedlich ge-wichtet. Die Möglichkeit, selbst von der eige-nen Tätigkeit zu profitieren, kann unter Um-ständen das Aufrechterhalten des freige-meinnützigen Engagements begünstigen.Die Tatsache, dass viele Freiwillige multipleMotive für ihr Engagement angeben, sprichtjedoch dagegen, den verschiedenartigen Tä-tigkeiten eine Motivation zugrunde zu legen,die klar entweder altruistisch oder egoistischorientiert ist.Der Freiwilligensurvey erhob die Erwartun-gen Freiwilliger an ihre Tätigkeit: „Dass dieTätigkeit auch für die beruflichen Möglich-keiten etwas nützt,“ (S. 24) wurde auf einerSkala von 1 (unwichtig) bis 5 (außerordent-

lich wichtig) mit einem Mittelwert von 2.2 alsam wenigsten bedeutsam eingestuft (sowohl1999 als auch 2004). Etwas für das Gemein-wohl tun zu können, anderen Menschen hel-fen zu können, mit sympathischen Men-schen zusammenzukommen, und dass dieTätigkeit Spass macht, sind wichtige Erwar-tungen an die Freiwilligenarbeit (Mittelwertezwischen 4.0 und 4.5). Angesichts der gerin-gen Erwartungen, was die berufliche „Ver-wertbarkeit“ der Freiwilligenarbeit betrifft,stellt sich die Frage, welche Motive für Mitar-beitende, die freiwillig in Corporate-Volun-teering-Projekten ihres Unternehmens tätigsind, bedeutsam werden. Ob die Motivation,sich einer Gruppe anzuschließen, oder derWunsch, Bedürftigen zu helfen und dem Ge-meinwohl zu dienen, ebenso die beruflichenNutzenerwartungen übertreffen, oder ob

das Engagement in organisationaler Identifi-kation und dem Bedürfnis, ein „guter Bürgerder Organisation“ zu sein, begründet ist,bleibt eine empirisch zu beantwortende Fra-ge.

2.3 Freigemeinnützige Tätigkeit ausarbeits- und organisations-

psychologischer Perspektive

Was motiviert Freiwillige zu ihrem Engage-ment, lautet die Frage, der sozialpsychologi-sche Forschung am meisten Aufmerksamkeitgewidmet hat. Auch für den arbeits- und or-ganisationspsychologischen Zugang lässtsich eine „Motivationsfrage“ stellen: Wiemotivierend ist freigemeinnützige Arbeit?Der Bereich freigemeinnütziger Arbeit ist zu-nächst ein Transferfeld für arbeits- und orga-nisationspsychologische Expertise. Die zubeobachtende Tendenz, Freiwilligenarbeit„professioneller“ zu gestalten und Qualitäts-sicherung zu betreiben, zeigt, dass zahlrei-che neue Anwendungsgebiete entstehen:Sei es die Rekrutierung, Begleitung und Wei-terbildung von Freiwilligen, die Organisationder Zusammenarbeit von bezahlten Mitar-beitenden und Freiwilligen, die Entwicklungeiner Anerkennungskultur oder die Gestal-tung freigemeinnütziger Aufgaben, die mehrals nur Resttätigkeiten sein sollen. Ob eineschlichte Übersetzung von Managementre-zepten aus der Erwerbsarbeit gelingen kann,muss bezweifelt werden, gleichwohl lohntsich das Erproben bekannter Konzepte,wenn es die besondere Qualität der Freiwil-ligkeit kritisch reflektiert.Freigemeinnützige Arbeit kann jedoch nichtnur als Transferfeld, sondern auch als Lern-

feld für die Arbeits- und Organisationspsy-chologie genutzt werden. Dass viele Freiwil-lige den Sinngehalt ihres Engagements her-vorheben, lässt erwarten, dass freigemein-nützige Arbeit sinnvolle Tätigkeit in einemAusmaß ist, welches sich bei vielen Erwerbs-arbeitstätigkeiten aufgrund restriktiver Bedin-gungen nicht mehr realisieren lässt. Wer sichvor dem Hintergrund eines verstärkten Res-sourcenansatzes dem „Nicht-Verschleiß“-Aspekt von Arbeit zuwendet, kann die Frei-willigenarbeit als Paradigma wählen unddort Engagement, Arbeitsfreude, Begeiste-rung, den Erholungswert von Tätigkeiten,etc. untersuchen. Sowohl bei der freigemein-nützigen unbezahlten Arbeit als auch beimfreiwilligen Arbeitsengagement in der Er-werbsarbeit werden Leistungen über dasNotwendige und Vorgeschriebene hinaus er-

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bracht, weshalb man Ähnlichkeiten bezüg-lich der Motivation und der motivationsrele-vanten Einflussfaktoren erwarten darf.Die arbeitspsychologische Perspektivenimmt die freigemeinnützige Tätigkeit in ih-rem Bezug zu den Arbeitsaufgaben und zuden Organisationsstrukturen in den Fokus.Freiwillige investieren Zeit und Anstrengung,erhalten jedoch keinen Lohn, maximal eineEntschädigung. Daraus könnte man auf hoheAutonomie und intrinsische Motivation, aufpersönliche Sinngenerierung und ein Bedürf-nis nach Generativität, zumindest jedoch aufdas Ausbleiben von Entfremdung schließen.Die Arbeitspsychologie kennt Merkmale vonErwerbsarbeitstätigkeiten, welche die Entste-hung einer Motivation aus der Aufgabeselbst heraus fördern. In der Tradition euro-päischer und amerikanischer Forschergrup-pen wurden Kriterien humaner Arbeit formu-liert. Ulich (2005) nennt als Gestaltungs-merkmale:1. Ganzheitlichkeit2. Anforderungsvielfalt3. Möglichkeiten der sozialen Interaktion4. Autonomie5. Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten6. Zeitelastizität und stressfreie Regulierbar-

keit7. Sinnhaftigkeit

Auch freigemeinnützige Arbeitstätigkeitenkann man mit diesen Maßstäben konfrontie-ren, denn auch stark „altruistische“ Beweg-gründe garantieren keine Motivation derFreiwilligen. Dabei ist jedoch davon auszu-gehen, dass sich die relative Bedeutsamkeitverschiedener Tätigkeitsmerkmale zwischenErwerbs- und Freiwilligenarbeit unterschei-det; so übernehmen Freiwillige häufig aucheinfache Tätigkeiten, die in der Erwerbsar-beit als Unterforderung erlebt würden. DieseVermutung wird durch eine Studie unter-mauert, die sowohl Freiwillige als auch Er-werbstätige darum bat, die oben genanntenHumankriterien in eine Rangreihe der per-sönlichen Relevanz für die jeweilige Arbeitzu bringen (s. Wehner et al., 2006). Das Er-gebnis: Für die Freiwilligen steht die Sinnhaf-tigkeit an erster, für die Erwerbstätigen je-doch erst an vierter Stelle. Außerdem wirddie Sinnhaftigkeit in Bezug auf die freige-meinnützige Arbeit deutlich positiv von denanderen Merkmalen abgegrenzt. Dieser Be-fund steht mit anderen Ergebnissen aus derFreiwilligenforschung im Einklang (vgl. Weh-ner, Ostendorp & Ostendorp, 2002), die zei-gen, dass „Sinnproduktion“ eines der star-ken Motive ist, freigemeinnützig tätig zu wer-

den. Auf dem zweiten Rangplatz folgt dieAutonomie, was sich gut mit dem Attributfreigemeinnütziger Arbeit verträgt, dass sieunabhängig von existenziellen Überlegun-gen gewählt wird.Trotz eventuell neuer Gewichtung oder not-wendiger Differenzierung kann der ersteSchritt in der Anwendung des Bewährten be-stehen. In diesem Sinne wurde das Job Cha-racteristics Model von Hackman und Old-ham (1976), eine bewährte Theorie der Ar-beitsmotivation, auf freigemeinnützige Tätig-keiten aus dem sozial-karitativen Bereichübertragen (Güntert & Wehner, 2005). FünfTätigkeitsmerkmale werden als die Arbeits-motivation und die Zufriedenheit beeinflus-sende Faktoren angenommen: Autonomie,Vielfalt, Ganzheitlichkeit, Bedeutsamkeit undRückmeldung aus der Tätigkeit. Verschiede-ne freigemeinnützige Tätigkeiten wurdenhinsichtlich dieser sog. Kerndimensionen un-tersucht. Verglichen mit Erwerbsarbeitstätig-keiten zeichnen sich die freigemeinnützigenTätigkeiten durch hohe Werte auf den Di-mensionen Autonomie und Ganzheitlichkeitaus. Die beste Vorhersage der Zufriedenheitleisten jedoch die Bedeutsamkeit der Aufga-ben und die Rückmeldung, welche die Frei-willigen aus der Tätigkeit selbst erhalten. Esist folglich entscheidend, dass der Sinn, dendie Arbeit für andere Menschen hat, auchbeim konkreten Tun erfahren wird und nichtnur abstrakt bewusst wird.Die individuelle freigemeinnützige Tätigkeitkann vom Arbeitgeber auf verschiedeneWeise unterstützt werden. Nach dem Frei-willigensurvey 2004 gaben 29% der Befrag-ten an, sie würden in ihrem Engagementdurch den Arbeitgeber unterstützt; 53% derBefragten sahen keine Unterstützung des Ar-beitsgebers (18% hielten eine entsprechen-de Unterstützung für nicht notwendig). Diegrößte Unterstützung erhalten mit 62% Per-sonen, die sich im Bereich der beruflichenInteressenvertretung engagieren, am ge-ringsten fällt die Unterstützung mit 14% imBereich der Freizeit und Geselligkeit aus.Häufige Arten der Unterstützung durch denArbeitgeber sind zeitliche Freistellungen(70%, Mehrfachnennungen möglich), dieMöglichkeit, die Infrastruktur zu nutzen(70%), und Flexibilität hinsichtlich der Ar-beitszeiten (76%).Wie im folgenden Kapitel dargestellt, ist dieUnterstützung durch den Arbeitgeber einevon mehreren Engagementformen, welcheunter den Begriff des bürgerschaftlichen En-gagements von Unternehmen gefasst wer-den kann.

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3. DIE VERBINDUNG ZUM

BÜRGERSCHAFTLICHEN ENGAGEMENT

VON UNTERNEHMEN

Bürgerschaftliches Engagement wird nichtnur mit Individuen in Verbindung gebracht,sondern vermehrt auch mit Organisationen,spezifisch Unternehmen. Als ‚institutionelleAkteure’ übernehmen diese im Zusammen-spiel zwischen Staat und Wirtschaft zentraleAufgaben. Dies kann z. B. die Einhaltungund Durchsetzung arbeitsrechtlicher Gesetz-gebungen, philanthropisches Engagementim sozialen und kulturellen Bereich oder Pro-bono-Dienstleistungen umfassen. Aus akade-mischer bzw. praxisorientierter Perspektivegibt es hierfür verschiedene Konzepte. Dieseversuchen die jeweilige Rolle der Unterneh-men in der Gesellschaft zu umschreibenbzw. deren konkrete Engagementmöglich-keiten inhaltlich zu fassen. Wie sich dieseAnsätze in der aktuellen Diskussion darstel-len und wo aus arbeits- und organisations-psychologischer Perspektive interessante Be-züge zu sehen sind, wird in den folgendenUnterkapiteln dargestellt.

3.1 Die gesellschaftsbezogene Rollevon Unternehmen aus akademischer

Perspektive

Eines der bekanntesten und am meisten dis-kutierten Konzepte ist Corporate Social Re-sponsibility (CSR). Als Selbstregulationsin-strument für Unternehmen in Bezug auf so-zial verträgliches Handeln gedacht, wurdeder Begriff in den 50er und 60er Jahren desvergangenen Jahrhunderts zum ersten Malverwendet (Wood & Logsdon, 2001). Dieakademische Diskussion um die inhaltlicheAusgestaltung und Operationalisierung desKonzeptes hat in den 70er Jahren begonnen(vgl. Matten, Crane & Chapple, 2003). Als ei-ne der meist zitierten und heute noch ge-brauchten Konzeptualisierungen ist die „Py-ramid of Corporate Social Responsibility“ zunennen (Carroll, 1991). Carroll unterteiltCSR in vier Verantwortungsfelder: Ein öko-nomisches, legales, ethisches und ein philan-thropisches Feld (siehe auch Matten et al.2003). Kritik am CSR-Ansatz bezieht sich vorallem auf zwei Aspekte des Konzeptes. Ei-nerseits löst der normative Duktus, vor allembei Unternehmen Reaktanz aus, andererseitsscheint das Konzept noch zu wenig praktika-bel (vgl. Jonker & Marberg, 2007, in diesemHeft).

Vor dem Hintergrund dieser ablehnendenHaltung gegenüber CSR setzte sich in den90er Jahren das Konzept Corporate Citizen-ship (CC) durch – auf deutsch „Bürger-schaftliches Engagement von Unternehmen“(Enquete-Kommission, 2003). CC findet vorallem bei Vertretern der Wirtschaft Anklang,da Unternehmen als Bürger unter „gleichen“bzw. als Mitglieder einer lokalen Gemein-schaft mit Rechten und Pflichten wahrge-nommen werden. Entsprechend geht es beiCC nicht um mangelnde Verantwortungs-übernahme, wie dies bei CSR implizit unter-stellt wird, sondern um eine (meist) freiwilli-ge Unterstützung gemeinschaftlicher Anlie-gen. Genau dies wird jedoch von akademi-scher Seite immer wieder kritisiert (Carroll,1998; Matten et al., 2003). Bei CC geht esweniger um eine moralische Verpflichtungals um eine ,tit-for-tat’-Strategie ohne philo-sophisch-moralische Begründung im Hinter-grund (Wood & Logsdon, 2001, S. 85).Dieser Kritik folgend, argumentieren Woodund Logsdon (2001) für ethisch basierteNormen, welche bewusst auch für CC geltenmüssen. Unter Einbezug einer kommunitaris-tischen Perspektive werden Unternehmenals Bürger – allerdings als Bürger zweiterKlasse, d. h. mit reduzierten Rechten undPflichten im Vergleich zu Individuen – bzw.Mitglieder einer funktionierenden Gemein-schaft definiert. Als Teil dieser Gemeinschaftsind sie für das Wohlergehen derselben ver-pflichtet, was die Maximierung des eigenenNutzens, wie dies bspw. eine wirtschaftslibe-rale Position vertreten würde (Osterloh &Tiemann, 1995), ausschließt.Matten und Crane (2005) plädieren eben-falls für eine spezifischere Verwendung desBegriffs „Bürger“ (Citizen), wobei ihr Anlie-gen stärker in der empirisch abgestützten Be-schreibung von CC liegt. Territorial be-schränkte bürgerliche, politische und sozialeRechte der Staatsbürger sind nach Auffas-sung der Autoren durch den Prozess derGlobalisierung gefährdet bzw. durch denStaat nicht mehr vollständig zu garantieren.Vermehrt sehen sie global tätige Unterneh-men, welche entsprechende Leistungenübernehmen und anbieten: „Corporations,(…), assume responsibility for the facilitationof social, civil and political rights and corpo-rate „citizenship“, we would suggest, canand should be reconceptualized to meanexactly this” (Matten & Crane, 2005, S. 117).Aus dieser Perspektive ist CC nicht die ge-wünschte Lösung gesellschaftlicher Proble-me, sondern eine kritisch zu diskutierende

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Entwicklung, welche aus gesellschafts-politi-scher Sicht nicht unterschätzt werden sollte.

3.2 Praxisorientierte Engagement-formen von Unternehmen

In der praxisorientierten Diskussion wirdstärker eine inhaltliche Gliederung der Kon-zepte verfolgt, auch wenn die Begriffsver-wendung die gleiche wie auf der akademi-schen Seite ist. Das Feld ist in zwei große(Freiwilligen-) Bereiche unterteilt. Auf der ei-nen Seite ist dies Corporate Social Responsi-bility (CSR) und auf der anderen CorporateCitizenship (CC). In beiden Feldern sind ver-schiedene Formen bzw. Instrumente des En-gagements zu finden.Unter CSR wird allgemein ein Konzept ver-standen, welches auf freiwilliger Basis die so-ziale und ökologische Verantwortung vonUnternehmen in allen Bereichen der Unter-

nehmenstätigkeit und in der Wechselbezie-hung mit Stakeholdern meint (Pommere-ning, 2005; Dresewski, 2004). Dabei gilt es,die verschiedenen Anspruchsgruppen zu be-rücksichtigen und bei der Verfolgung desUnternehmenszweckes mit einzubeziehen.Auf der Ebene der Instrumente sind nachPommerening (2005, 15ff.) drei Gruppen zuunterscheiden:– Verhaltenskodizes (z. B. OECD Leitsätze

für multinationale Unternehmen).– Labels (z. B. Bio-Siegel).– Standards (z. B. ISO-Norm 14001).

Das zweite wichtige Feld ist CC, worunter ei-ne Unternehmensstrategie, bei der alle ge-sellschaftsbezogenen Aktivitäten eines Un-ternehmens auf übergeordnete Unterneh-mensziele ausgerichtet werden, verstandenwird (Dresewski, 2004, S. 59). Entgegen derAusrichtung von CSR, nimmt CC vor allemdie gesellschaftsbezogenen Aktivitäten insBlickfeld, welche nicht direkt mit dem Kern-

geschäft des Unternehmens zu tun haben.Die wichtigsten CC-Instrumente sind:– Corporate Community Involvement: Die

Einbindung des Unternehmens in das Ge-meinwesen durch freiwillige Beiträge(Schubert, Littmann-Wernli & Tingler,2002). Dabei können weitere zwei Instru-mente unterschieden werden:- Corporate Volunteering: Das von einemUnternehmen unterstützte gemeinnützi-ge Engagement, an dem sich die Mitar-beitenden des Unternehmens freiwilligbeteiligen (Schubert et al., 2002, S. 16f.).

- Corporate Giving (z. B. Spenden vonGeld- und Sachmitteln)

– Corporate Foundations (z. B. die Bertels-

mann-Stiftung, die Novartis-Stiftung oderdie Körber-Stiftung)

Aus anwendungsorientierter Perspektivesind die inhaltliche Differenzierung der Kon-zepte und die jeweiligen Instrumente für dieUmsetzung sehr zentral. Hingegen steht ausakademischer Sicht die jeweilige Beobach-terperspektive im Mittelpunkt des Interesses,da sie unternehmerischem Handeln ganz un-terschiedliche Rahmenbedingungen bzw.Rollen auferlegt. Als bemerkenswert festzu-halten ist die relative Eigenständigkeit beiderFelder. Was nach ethisch-normativen Vorstel-lungen als notwendig erscheint, findet in derpraktischen Umsetzung oft nur wenige An-schlussmöglichkeiten. Umgekehrt fließennur wenige Erkenntnisse aus der Praxis in dieEntwicklung neuer Konzepte. Als möglichesBindeglied, welches den gegenseitigen Aus-tausch zwischen den Bereichen fördern undeine Weiterentwicklung beiderseits unter-stützen würde, ist deshalb die Forschung zusehen, welche eine kritischere Auseinander-setzung aufgrund empirisch valider Datenermöglicht. Wo dies beispielsweise aus derPerspektive der psychologischen Forschungmöglich und gewinnbringend umgesetztwerden kann, soll nachfolgend exemplarischam Konzept des Corporate Volunteering er-läutert werden.

3.3 Corporate Volunteering:Formen und Bedeutung

Aus psychologischer Perspektive ist der Be-reich Corporate Volunteering von großemInteresse. Unter dem Leitsatz „ Kein Corpora-

te Volunteering ohne Volunteering“ wirddeutlich, dass aktives bürgerschaftliches En-gagement von Unternehmen von Leistungender Mitarbeitenden abhängt, welche überdie Notwendigkeit bzw. die Vorschriften ei-ner Arbeitsanweisung hinausgehen. WelcheFormen bzw. Bedeutung mit dieser Art desEngagements zusammenhängen, wird imFolgenden dargestellt. Daraus abzuleitendeFragestellungen mit Bezug zu arbeits- und or-ganisationspsychologischen Themen bildenden Abschluss.Beim Corporate Volunteering (CV) – demSchwerpunktthema dieses Heftes – steht vorallem der Einsatz von Humanressourcen fürdie Erfüllung gemeinnütziger Zwecke durchUnternehmen im Vordergrund. Als zentrales

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definitorisches Element ist die Freiwilligkeitder Mitarbeiter herauszustreichen, die mitder Unterstützung bzw. durch die Initiativedes Arbeitgebers einen gemeinnützigen Bei-trag leisten. Der Ausgangspunkt und die in-haltliche Ausgestaltung können dabei ver-schiedene Formen annehmen: z. B. das Se-condment, Mentorenprogramme, die Unter-stützung und Anerkennung freigemeinnützi-gen Engagements von Mitarbeitenden durchdas Unternehmen, Aktionstage mit (Teilen)der Belegschaft sowie individuelle undTeamentwicklungsansätze.1

Die Bedeutung von CV für das bürgerschaft-liche Engagement von Unternehmen zeigtsich in verschiedenen Aspekten. Ein zentra-ler Aspekt ist die Einbettung von CV als In-strument von CC unter anderen (vgl. Weg-ner, 2007, in diesem Heft). Dabei interes-siert, wie häufig es im Vergleich zu diesen (z.B. Corporate Giving oder Stiftungen) einge-setzt wird. In einer bundesweit durchgeführ-ten Studie von Maaß und Clemens (2002)wurden Klein-, Mittel- und Großunterneh-men zu verschiedenen Engagementformenbefragt (Mehrfachnennungen waren mög-lich). Es zeigte sich folgendes Bild: 215 von228 befragten Unternehmensvertretern ge-ben Geldspenden und Schenkungen als Um-setzungsmaßnahmen an. Probono-Dienst-leistungen, als eine spezifische Form von CV,werden von drei Vierteln der Befragten ge-nannt. Erst an vierter bis sechster Stelle (130Nennungen und weniger) stehen Engage-mentformen, welche den oben dargestelltenCV-Formen entsprechen (Mitarbeiterfreistel-lung, Nutzungsgestattung etc.). SelteneMaßnahmen sind Stiftungsgründungen.CC-Instrumente im Bereich Corporate Com-munity Involvement werden stärker verwen-det als dies in Bezug auf Stiftungen der Fallist, wofür Maaß und Clemens (2002) den ho-hen finanziellen Aufwand für Stiftungsgrün-dungen anführen. Der Vergleich zwischenGeld-/Sachspenden und dem Einsatz vonHumanressourcen fällt klar zu Gunsten desCorporate Giving aus. Als traditionelles Feldder gemeinnützigen Unterstützung kommtdieses Instrument häufig zur Anwendung.Die Freistellung von Mitarbeitenden für ge-meinnützige Zwecke wird zwar unterstützt,jedoch geschieht dies meist nur aufgrund äu-ßerer Anlässe bzw. Anfragen der Mitarbei-tenden. Eine aktive Gestaltung von CV-Pro-grammen ist in Deutschland noch eher die

Ausnahme, was sich allgemein auch bei denAuslösern für CC-Aktivitäten zeigt: ExterneAnfragen 61%; betriebliche Anlässe 38%.Während Geld-/Sachspenden vor allem einenach außen gerichtete Wirkung haben, istdies bei CV-Aktivitäten um den Aspekt derinternen Bezüge erweitert. Auf Unterneh-mensseite kann die Personal- und Organisa-tionsentwicklung als Hauptanliegen formu-liert werden, während das Engagement aufMitarbeiterebene die Gelegenheit zur beruf-lichen wie auch persönlichen Weiterent-wicklung bietet (vgl. Drexler & Endres, 2007,in diesem Heft).CV zeigt sich als Instrument für die Verwirk-lichung vielfältiger Motive und erhoffter Nut-zenerwartungen. Dabei werden sowohl öf-fentlichkeits-, kunden- als auch personalbe-zogene Ziele verfolgt. Unternehmen sehenim Engagement die Möglichkeit zur aktivenMitgestaltung des gesellschaftlichen Umfel-des, was mit dem „Aufbau sozialen Kapi-tals“ (Habisch, 2003) auch begrifflich aufden Punkt gebracht wird. Nebst diesen viel-fältigen Möglichkeiten sind auch die Umset-zungserfordernisse wie z. B. Freistellungskos-ten, Koordinationsaufwand oder die Motiveder Beteiligten zu berücksichtigen. Spezi-fisch gilt es, die Interessen sowohl des Unter-nehmens als auch der Mitarbeitenden zukennen. Da dies bislang nur sehr schwacherforscht wurde, thematisch jedoch nahe amFeld psychologischer Freiwilligenforschungliegt, werden im Folgenden Anknüpfungs-punkte zu dieser sowie offene Forschungs-fragen formuliert.

3.4 Vergleichs- undTransfermöglichkeiten aus der

psychologischen Freiwilligenforschung

Spricht man von Unternehmen und derenVerantwortung gegenüber der Gesellschaftbzw. unterschiedlichen Stakeholdern, dannsind immer auch die für die Unternehmens-ausrichtung verantwortlichen Personen an-gesprochen. Ob CEO, HR-Manager oder Pa-tron, es sind diese Führungskräfte, welcheEntscheidungen bezüglich verantwortungs-vollen unternehmerischen Handelns (mit-)tragen müssen. Dabei stellt sich die Frage,auf welcher Entscheidungsgrundlage bzw.aufgrund Motive sie dies tun und welchesdie Auswirkungen auf den Engagementpro-

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1Für eine Darstellung der inhaltlichen Ausgestaltung der Formen siehe: Dresewski, 2004; Halley, 1999; Schöffmann,2001 sowie Schubert et al., 2002.

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zess sind (vgl. Pundt, Martins, Hoffmann &Nerdinger, 2007, sowie Wehner & Gentile,2007, beide in diesem Heft). Weiter kommtder Beteiligung der Mitarbeitenden als Frei-willige eine zentrale Rolle zu. Ein differen-zierteres Wissen darüber, wer von der Beleg-schaft mitmacht und wer nicht, wer in derFreizeit bereits freiwillig tätig ist und wernicht sowie welches förderliche organisatio-nale Rahmenbedingungen sind, ist aus ar-beits- und organisationspsychologischer Per-spektive von großer Bedeutung. Erkenntnis-se aus der Freiwilligenforschung, wie sie imersten Teil dieses Beitrags gezeigt wurden,erlauben hierfür interessante Vergleichs- undTransfermöglichkeiten. Zum einen in Bezugauf die Gestaltung von Arbeit wie auch derArbeitsbeziehungen zwischen Arbeitgebernund Arbeitnehmern. Zum anderen bzgl. zuerwartender Wirkungen solcher Projekte aufdie Motivation der Mitarbeitenden und de-ren Kompetenzentwicklung sowie auf dasUnternehmen und dessen Entwicklung imRahmen sich wandelnder Ansprüche und Er-wartungen unterschiedlicher Interessengrup-pen.

3.5 Schlussbemerkung

Wir haben versucht, die im Titel eröffneteFrage nach den Eigenheiten freigemeinützi-gen Engagements zu beantworten. Aus indi-vidualpsychologischer Perspektive hat sichgezeigt, dass die Fragen nach den Motivenfür prosoziales Verhalten bzw. nach der mo-tivierenden Wirkung gemeinnütziger Arbeitund deren Gestaltung am stärksten von deraktuellen Forschung aufgegriffen werden.Wie für das Konzept Corporate Volunteeringexemplarisch gezeigt wurde, haben Erkennt-nisse aus der Freiwilligenforschung auch fürfreigemeinnütziges Engagement von Unter-nehmen ihre Relevanz. Aus dieser Perspekti-ve ist freigemeinnütziges Engagement vonUnternehmen ohne die Bereitschaft zur frei-willigen Teilnahme der Mitarbeitenden nichtdenkbar. Dementsprechend stellen sichauch hier die Fragen nach den Motiven fürbzw. der Gestaltung von entsprechende(n)Engagementvorhaben. Die Beantwortungdieser Fragen sowie deren Vergleich zu be-stehenden Erkenntnissen aus der Freiwilli-genforschung tragen so nicht nur zu einerValidierung bestehender Konzepte und Er-fahrungsberichte bei. Sie erlauben auch diegezielte Weiterentwicklung und Gestaltungkünftigen Engagements von Unternehmenunter Einbezug der Mitarbeitenden.

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STEFAN T. GÜNTERT

[email protected]

GIAN-CLAUDIO GENTILE

[email protected]

PROF. DR. THEO WEHNER

[email protected]

ETH Zürich

Zentrum für Organisations- und

Arbeitswissenschaften (ZOA)

Forschungsgruppe "Psychologie der Arbeit in

Organisation und Gesellschaft" (PdA)

Kreuzplatz 5

CH-8032 Zürich

Schweiz

KEIN CORPORATE VOLUNTEERING OHNE DIE INDIVIDUELLE BEREITSCHAFT ZUM VOLUNTEERING

85Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

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Im Dezember 2002 wurde von der Deut-

schen Bahn AG ein neues Preissystem, das so

genannte Preis- und Erlösmanagement Perso-

nenverkehr (PEP), eingeführt. Die Kunden

nahmen die Bahnpreisreform, die für sie ei-

gentlich Vorteile bringen sollte, jedoch in die-

ser Form nicht an. Besonders negativ wurden

die Komponenten Vorausbuchen, Stornoge-

bühren und die Abschaffung der 50% Ermä-

ßigung gewährenden BahnCard wahrgenom-

men. In diesem Beitrag wird untersucht, ob

die Theorie der psychologischen Reaktanz

ein geeignetes Erklärungsmodell für die Ab-

lehnung des neuen Preissystems durch die

Kunden darstellt. Dazu wurde ein Instrument

zur Erhebung psychologischer Reaktanz ent-

wickelt, welches auf die spezifische Situation

der Bahnpreisreform angepasst ist. An der

Untersuchung nahmen 460 Probanden, über-

wiegend Studenten, teil. Mittels einer Fakto-

renanalyse konnte die Angemessenheit des

Erhebungsinstrumentes gezeigt werden. Eine

multiple Regressionsanalyse bestätigte den Er-

klärungsbeitrag der Theorie der psychologi-

schen Reaktanz am Verhalten der Kunden zur

Bahnpreisreform. Daraus werden Handlungs-

empfehlungen zur Vermeidung psychologi-

scher Reaktanz bei der Einführung innovati-

ver Preismaßnahmen im Verkehrsdienstleis-

tungsbereich abgeleitet.

Schlüsselwörter: Psychologische Reaktanz,

Yield Management, Preispolitik, Bahnpreisre-

form

Psychological Reactance Towards the New Fare Policy of the Deutsche Bahn AG

In 2002 the Deutsche Bahn AG introduced a

new fare system, based on the principles of

yield management. However, the customers

did not accept this new fare system, despite

the fact that it promised various advantages

for them. Especially the reservation in advan-

ce, the cancellation fees and the abolishment

of the BahnCard, a 50% discount card, were

perceived as negative. In this paper we des-

cribe whether the theory of psychological re-

actance is able to explain this rejection. A

questionnaire has been developed to opera-

tionalise psychological reactance based on

the specific situation of the fare system re-

form. 460 subjects, mainly students, partici-

pated in this study. A factor analysis confir-

med the appropriateness of the survey instru-

ment. A multiple regression analysis suppor-

ted the hypothesis that the theory of psycho-

logical reactance contributes to the explana-

tion of the rejection of the new fare system

by the customers. Based on the results re-

commendations are given how to avoid psy-

chological reactance while introducing inno-

vative pricing policies.

Key words: psychological reactance, yield

management, German Railways fare policy

EINLEITUNG

Die Bahnpreisreform

Im Dezember 2002 führte die DeutscheBahn AG ein neues und bereits bei seinerEinführung umstrittenes Preissystem ein. Un-ter dem Titel „Preis- und Erlösmanagement“wurde erstmals ein so genanntes Ertragsma-nagement (Yield Management) im Bahnver-kehr angewendet. Dieses Managementprin-zip wurde speziell für Dienstleistungen miteinem hohen Fixkostenanteil konzipiert undwird seit den achtziger Jahren erfolgreich imLuftverkehr praktiziert (Meister & Meister,2000). Das ursprüngliche Preissystem der Deut-schen Bahn AG sorgte durch zahlreiche, im

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Heft 1/2007

T. GEHLERT, A. FRANCKE, B. SCHLAG

TINA GEHLERT, ANGELA FRANCKE, BERNHARD SCHLAG

PSYCHOLOGISCHE REAKTANZ ALS REAKTION

AUF DIE BAHNPREISREFORM DER DEUTSCHEN

BAHN AG

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Laufe der Zeit entstandene, Tarifmöglichkei-ten und Konditionen für Preisunsicherheitbei Kunden und Verkäufern. Obwohl es vie-le Elemente der Preisdifferenzierung gab,wurde die Zahlungsbereitschaft der Kundennicht genau getroffen (Brunotte & Krämer,2003). So gewährte die BahnCard unabhän-gig von der konkreten Preisbereitschaft im-mer einen Rabatt von 50% auf den Normal-tarif der Fahrkarte. Dieses Preissystem er-möglichte es daher weder die Kundengrup-pen nach ihrer Preisbereitschaft zu trennen,noch die Nachfrage, gerade bei besondersgünstigen Angeboten, zu begrenzen.Um eine signifikante Steigerung von Erlösund Nachfrage zu gewährleisten, war einevollständige Überarbeitung des Bahnpreis-systems notwendig. Die folgenden vier Preis-bildungsfaktoren stellten dabei die Kernele-mente des reformierten Preissystems dar. Die neue BahnCard gewährte einen Rabattvon nur noch 25% auf den Normalpreis. ImGegenzug wurden die Anschaffungspreiseim Vergleich zur vorherigen BahnCard um je-weils über 50% reduziert. Sie besaß zudemauch in Kombination mit den Plan&Spar-Preisen Gültigkeit, so dass ein insgesamt hö-herer Rabatt als vormals 50% durch dieBahnCard50 erzielt werden konnte. Plan&Spar-Preise mit fester Zugbindung ba-sierten auf dem Vorauskauf der Fahrkartemit Bindung auf einen bestimmten Zug undsind prozentual abgeleitet vom Normalpreis.Je stärker dabei die Restriktionen ausfielen,desto höher war der Preisnachlass (von sie-ben Tagen Vorausbuchung mit 40% Rabattauf den Normalpreis bis ein Tag mit 10%).Der Kunde sollte durch dieses System dasGefühl bekommen, einen fairen und nach-vollziehbaren Reisepreis zu erhalten, weil erden Preis durch sein individuelles Reisever-halten mitbestimmen konnte. Es bestand dieMöglichkeit, die Fahrscheine gegen Zahlungeiner Stornogebühr (von bis zu 45,- € bei sie-ben Tagen Vorauskauf) bis zum ersten Gül-tigkeitstag zurückzugeben. Die Plan&Spar-Angebote waren zudem nur begrenzt erhält-lich. Der Normalpreis wurde als ein Degressions-

preis gestaltet. Dadurch wurde der Beförde-rungstarif im Vergleich zum vorherigen Preis-system für weite Verbindungen (ab ca. 180km) billiger und für kurze Distanzen teurer(Ehrhardt, 2002). Der Mitfahrerrabatt von 50% auf den Nor-malpreis für bis zu vier Personen sollte si-cherstellen, dass sich die Bahnpreise an deneffektiven Preisen bzw. Kosten des motori-

sierten Individualverkehrs als Hauptkonkur-renten orientierten. Die Kunden nahmen die Bahnpreisreform,die für sie eigentlich Vorteile bringen sollte,jedoch in dieser Form nicht an. Nach öffent-lichen Protesten der Verbraucherverbände,massiver politischer Intervention und einemsinkenden Fahrgastaufkommen verändertedie Deutsche Bahn AG daher das Preissys-tem im Juli 2003 erneut. Unter anderemwurde die 50% Rabatt gewährende Bahn-Card wieder eingeführt (Deutsche Bahn AG,2003). Eine mögliche Erklärung für diese Ablehnungist, dass das reformierte Preissystem mit denveränderten Rabatt- und Buchungsvorgaben,der Abschaffung der 50% ermäßigendenBahnCard sowie der Einführung von Storno-gebühren von den Kunden als Einschrän-kung ihrer Wahlfreiheit wahrgenommenwurde. Sie reagierten darauf mit Protest unddamit – im Sinne der Theorie der psycholo-gischen Reaktanz – freiheitswiederherstel-lend. In diesem Beitrag wird deshalb die Theorieder psychologischen Reaktanz als ein Erklä-rungsansatz für die Ablehnung des refor-mierten Preissystems der Deutschen BahnAG durch die Kunden untersucht. Der Bei-trag ist wie folgt strukturiert: Zunächst wirddie Theorie der psychologischen Reaktanzdargestellt. Darauf aufbauend werden dieuntersuchten Fragestellungen spezifiziert. ImMethodenteil wird eine situationsbasierteOperationalisierung der Theorie der psycho-logischen Reaktanz vorgestellt, die auf diespezifische Situation der Bahnpreisreformangepasst ist. Daran schließt sich die Darstel-lung und Diskussion der Ergebnisse an. Ab-schließend werden Handlungsempfehlun-gen für die Umsetzung innovativer Preismo-delle abgeleitet.

THEORIE

Die Theorie der psychologischenReaktanz

Die Theorie der psychologischen Reaktanzvon Brehm erlaubt Aussagen über Reaktio-nen auf Freiheitsbedrohung oder -verlust ei-nes Individuums. Freiheit meint in diesemZusammenhang das Vorhandensein relevan-ter, potenziell realisierbarer Entscheidungs-und Verhaltensalternativen (Brehm & Brehm,1981). Wird der Freiheitsspielraum einer Per-son bedroht, eingeschränkt oder aufgeho-

PSYCHOLOGISCHE REAKTANZ ALS REAKTION AUF DIE BAHNPREISREFORM DER DEUTSCHEN BAHN AG

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ben, entsteht bei ihr die Motivation, die ur-sprünglichen Optionen wiederherzustellen.Diese Motivation bezeichnet Brehm als psy-chologische Reaktanz. Es lassen sich zwei Ursachen für Reaktanzunterscheiden. Reaktanz entsteht zum ei-nen, wenn eine Person dazu gebracht wer-den soll, etwas Bestimmtes zu tun, das ihrenVorstellungen oder Gewohnheiten entge-gensteht. Dies ist die als illegitim empfunde-ne Aufforderung zu einer Handlung. Zumanderen entsteht ebenfalls psychologischeReaktanz, wenn eine bestimmte Handlungs-alternative eliminiert und damit das Entschei-dungsspektrum eingeschränkt wird.Psychologische Reaktanz manifestiert sich inunterschiedlichen Reaktionen der Personen(Dickenberger, Gniech & Grabitz, 1993).Die direkte Freiheitswiederherstellung stelltdas effektivste Vorgehen beim Erleben vonFreiheitseinengung dar. Dabei kommt es zugesteigerter Aktivität, die darauf zielt, den ur-sprünglichen Zustand vor der Freiheitsbe-schränkung wiederherzustellen. Eine Personstellt die Freiheit aber auch indirekt wiederher, wenn sie der Aufforderung, etwas zutun, nicht nachkommt. Sie kann aber auchandere motivieren, bedrohtes Verhalten aus-zuführen (Solidarisierung) bzw. sie dabei be-obachten. Interessant erscheint, dass esauch freiheitswiederherstellend wirkt, wennnicht durch eigene Bemühungen, sondernkraft einer anderen Person die Freiheit her-beigeführt wird. Eine dritte Verhaltensmög-lichkeit stellt Feindseligkeit bzw. Aggressiongegenüber den wahrgenommenen Ursa-chen der Freiheitseinschränkung dar. Es istweiterhin möglich, dass die nicht gewählteAlternative bzw. die Alternative, die ausge-schieden ist, besser bewertet wird. Diese ko-gnitive Reaktion ist nach Brehm und Brehm(1981) insbesondere dort zu erwarten, woeine Wiederherstellung der Freiheit durch of-fenes Verhalten nicht möglich ist. Die Stärke der psychologischen Reaktanz istvon verschiedenen Faktoren abhängig, bei-spielsweise der Wichtigkeit des bedrohten(subjektiven) Freiheitsspielraumes oder derStärke der Freiheitseinengung (Dickenber-ger, Gniech & Grabitz, 1993). Darüber hi-naus hat das Kompetenzempfinden einerPerson einen Einfluss, da mit der Sicherheit,ein Produkt richtig beurteilen zu können,auch das Gefühl der Freiheit und dadurchdie Sensibilität für eine Bedrohung dieserFreiheit wächst (Wiswede, 2000). Für diesenFall besonders relevant scheint der Einflussder Einstellung einer Person gegenüber ei-nem freiheitseinschränkenden Unternehmen

zu sein. Mit zunehmend positiver Einstellungzu einem Produkt – hier der Dienstleistung –steigt seine Kaufwahrscheinlichkeit (Kroeber-Riel & Weinberg, 2003). Dadurch könnteder Kunde eher bereit sein, für ihn freiheits-einschränkende Entwicklungen eines Unter-nehmens zu akzeptieren. Dieser Arbeit liegt des Weiteren die Annah-me Brehms zugrunde, dass die psychologi-sche Reaktanz durch bestimmte Situationenausgelöst werden kann. Brehm äußerte sichjedoch nicht über eine mögliche Operatio-nalisierung des Konstruktes Reaktanz. Im An-schluss an die Begründung seiner Theorieversuchten daher zahlreiche Wissenschaft-ler, psychologische Reaktanz zu operationa-lisieren (z.B. Merz, 1983; Dowd, Milne & Wi-se, 1991; Hong & Faedda, 1996). Dabei un-tersuchten sie überwiegend den Zusammen-hang zwischen Persönlichkeitsmerkmalenund der Neigung zu Reaktanz. Eine situati-onsbasierte Operationalisierung und Über-prüfung der Theorie der psychologischenReaktanz steht bis jetzt aus.

Fragestellungen

Daraus ergeben sich folgende Fragestellun-gen für die Untersuchung:1. Eignet sich die Theorie der psychologi-

schen Reaktanz zur Erklärung der Ableh-nung der Bahnpreisreform durch dieBahnkunden?

2. Welche Merkmale der Bahnpreisreformhaben den stärksten Einfluss auf die Reak-tion der Bahnkunden?

3. Gibt es Unterschiede zwischen den zurDeutschen Bahn AG positiv oder negativeingestellten Personen in der Ausprägungder psychologischen Reaktanz?

METHODE

Vorgehen und Stichprobe

Zur Untersuchung der Fragestellungen wur-de im Januar und Februar 2004 eine Frage-bogenstudie durchgeführt. Insgesamt nah-men 460 Probanden an der Studie teil. Siewurden über einen Zeitraum von vier Wo-chen durch persönliche Ansprache unddurch die Verteilung des Fragebogens perEmail rekrutiert. Das Durchschnittsalter derProbanden betrug 28.04 Jahre (Min: 18 Jah-re, Max: 80 Jahre). Die Mehrzahl der Proban-den (70%) war zwischen 21 und 30 Jahrenalt. 257 Teilnehmer waren Frauen und 203

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T. GEHLERT, A. FRANCKE, B. SCHLAG

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Männer. Zum Zeitpunkt der Untersuchungbefanden sich 62,2% der Befragten in derAusbildung (Schüler, Lehrling oder Student);25,2% waren Angestellte. Die übrigen Pro-banden waren Pensionäre, Selbständige, Be-amte, erwerbslos oder Hausfrau/Hausmann.Das monatliche Haushaltsnettoeinkommenlag bei 45,4% der Stichprobe unter 1000,- €,wovon die Mehrzahl wiederum (91,5%)Schüler, Lehrlinge bzw. Studenten waren.Beim häufigsten Reiseanlass dominierten mit45,7% die Freizeitaktivitäten sowie mit24,4% die privaten Erledigungen. Dienst-oder Geschäftsreisen nannten nur 13,0%der Befragten. 56,6% der Probanden hattenständig Zugang zu einem PKW im eigenenHaushalt, während 43,4% nur zeitweiseoder über gar keinen Zugang verfügten. EineBahnCard besaßen 29,8% der Befragten.

Fragebogen

Die Befragten beantworteten einen dreiteili-gen standardisierten Fragebogen, dessenItems im Anhang dargestellt sind. Den Teil-nehmern wurden geschlossene Fragen inForm von Aussagen in zufälliger Reihenfolgedargeboten. Die Antworterhebung erfolgtejeweils auf einer fünfstufigen Ratingskala von-2 (lehne voll und ganz ab) bis +2 (stimmevoll und ganz zu). Zunächst wurden die Meinungen der Pro-banden zu den kritischen Bestandteilen derBahnpreisreform erhoben. Zur Identifizie-rung dieser Aspekte diente eine Voruntersu-chung der Beschwerdedatenbank der Ver-braucherorganisation ProBahn. Damit wur-den die Komponenten des reformiertenPreissystems, die bei den Bahnkunden einehohe Beschwerdehäufigkeit sowie großenUnmut erzeugt hatten, herausgefiltert. DieseFaktoren lauten: Neustrukturierung derBahnCard, Zwang zum Vorausbuchen sowiedie Einführung hoher Stornogebühren (Pro-Bahn, 2002/2003). Zweitens enthielt der Fragebogen Items, diedas Konstrukt der psychologischen Reaktanzerfassten. Diese Items lehnten sich zum Teilan den von Merz (1983) entwickelten Frage-bogen zur Messung psychologischer Reak-tanz an. Dieser Fragebogen erhob Reaktanzals Persönlichkeitsmerkmal, nicht jedoch alsReaktion auf eine bestimmte Situation. Des-halb wurden die Items entsprechend umfor-muliert und ergänzt, um die Aspekte derBahnpreisreform und die Reaktion der Kun-den bestmöglich abzubilden.

Drittens, wurde die Einstellung der Proban-den gegenüber der Deutschen Bahn AG,dem ursprünglichen und dem reformiertenBahnpreissystem sowie die Preissystem-kenntnis erfragt. Soziodemographische An-gaben und Fragen zum Reiseverhalten wur-den ergänzend erhoben.

Merkmale des Bahnpreissystems

Die in der Voruntersuchung am problema-tischsten eingeschätzten Aspekte des neuenPreissystems waren die Vorausbuchung inVerbindung mit der Zugbindung der Fahrkar-te, die Stornogebühren sowie die Abschaf-fung der BahnCard50. Diese drei Aspektewurden jeweils durch mehrere Fragen erho-ben.Probleme mit der Vorausbuchung und derdamit verbundenen Zugbindung der Fahr-karte wurden durch fünf Items erhoben. DieFragen zur Vorausbuchung bezogen sichzum einen auf die Planbarkeit der Reise,zum anderen auf die mit der Planung ver-bundenen Preisnachlässe. Probleme in Ver-bindung mit den Stornogebühren wurdendurch zwei Items erhoben, die darauf abziel-ten, ob die Probanden gewillt sind, für eineUmbuchung eine Extragebühr zu entrichten.Die Abschaffung der BahnCard50 wird expli-zit mit zwei Items erhoben. Das dritte Itemzur BahnCard50 richtete sich auf das altePreissystem, wird aber unter Abschaffungder BahnCard50 gewertet, da diese von denKunden in besonderer Weise mit dem altenPreissystem assoziiert wurde.

Psychologische Reaktanz

Zur Erfassung der psychologischen Reaktanzin Abhängigkeit von der Handlungssituationgibt es keine standardisierten Messinstru-mente. Die Operationalisierung der VariableReaktanz orientierte sich daher an den vonBrehm und Brehm (1981) beschriebenenVerhaltenseffekten und an bereits vorhande-nen Skalen zur Messung psychologischerReaktanz als Persönlichkeitsmerkmal (Merz,1983; Dowd et al., 1991; Hong & Faedda,1996). Diese Fragebögen stellen die bisheram häufigsten eingesetzten Erhebungsinstru-mente dar. Brehm und Brehm (1981) unterscheidenzwischen sich direkt in Aktionen manifestie-renden Verhaltenseffekten und sich nicht imoffenen Verhalten ausdrückenden subjekti-ven Reaktanzeffekten. Da die subjektiven

PSYCHOLOGISCHE REAKTANZ ALS REAKTION AUF DIE BAHNPREISREFORM DER DEUTSCHEN BAHN AG

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Reaktanzeffekte durch die Umwelt schwerzu kontrollieren und damit auch zu sanktio-nieren sind, wird davon ausgegangen, dassderen Auftretenswahrscheinlichkeit höher ist(Dickenberger, Gniech & Grabitz, 1993). Alssubjektive Reaktanzeffekte kommen sowohldiffuse aggressive Tendenzen als auch At-traktivitätsveränderungen in Betracht. DieAuswertung der Beschwerdedatenbank derVerbrauchsorganisation Pro-Bahn wies je-doch eher in Richtung einer Aggression bzw.Feindseligkeit als Reaktion der Kunden aufdie Bahnpreisreform. Deshalb erfassen dieItems des Fragebogens psychologische Re-aktanz als diffuse Aggression bzw. Feindse-ligkeit.

Einstellung gegenüber der Bahn

Die Einstellung gegenüber der DeutschenBahn AG wurde mit acht Items erhoben.Diese zielten auf die Einstellung der Proban-den zu Bahn und Pkw, zu den verschiede-nen Preissystemen und auf die Preissystem-kenntnis.

ERGEBNISSE

Überprüfung der Operationalisierungder Variablen

Im ersten Schritt wurde überprüft, inwieweitsich die theoretisch angenommene Varia-blenstruktur mit Hilfe des Fragebogens empi-risch replizieren lässt. Dazu wurde eine Fak-torenanalyse durchgeführt. Durch die An-wendung der Hauptkomponentenmethodeund einer Varimax-Rotation lassen sich sechsinhaltlich gut zu interpretierende Faktorenmit einem Eigenwert von größer 1 extrahie-ren (Eigenwertsverlauf: 4,3; 3,1; 1,5; 1,2; 1,1;1,1). Die extrahierten Faktoren mit den ent-sprechenden Items und Faktorenladungensind in Tabelle 1 dargestellt.Auf dem ersten Faktor „Reaktanz“ laden ent-sprechend der theoretischen Annahme allediesbezüglich formulierten Items hoch. DasItem „Kontra“ hat keinen explizit auf derBahnpreisreform basierenden Hintergrundund weist wahrscheinlich aus diesem Grunddie geringste Faktorladung (.55) auf. Der zweite Faktor repräsentiert die Items,die sich auf die Einstellung gegenüber derDeutschen Bahn AG im Allgemeinen bezie-hen. Die beiden Items „zu teuer“ und „keinPreissystem befriedigt“ beziehen sich bahn-spezifisch auf das Preisniveau und das Preis-

system. Deshalb werden sie möglicherweisenicht, wie theoretisch angenommen, demEinstellungsfaktor zugeordnet.Der dritte Faktor vereinigt alle Items, die be-zogen auf die Probleme mit der Vorausbu-chung und der damit verbundenen Zugbin-dung der Fahrkarte formuliert worden wa-ren. Das Gleiche gilt für den sechsten Faktor,auf dem die beiden Items zu den Problemenmit Stornogebühren hoch laden. Die beiden Items zur Abschaffung der Bahn-Card50 werden entgegen den Erwartungenzwei verschiedenen Faktoren zugeordnet.Auf dem vierten Faktor laden zwei Itemshoch, die sich als „altes Bahnpreissystembesser empfunden“ interpretieren lassen.Der fünfte Faktor nimmt das zweite Bahn-Card-Item auf und verbindet sich mit den an-deren Items zum Faktor „Preissensibler, des-interessierter Kunde“. Das heißt, dass dieserKunde vor allem preiswert Bahn fahren will,sich aber sonst nicht für das Unternehmenbzw. die Bahnangebote interessiert.In der vorliegenden Analyse laden nur dieItems „Widerstände“ und „Ärger über Stor-nogebühren“ auf zwei Faktoren hoch. DasItem „Jederzeit einsteigen wichtiger alsPreis“ weist eine ungenügende Faktorladungauf (.39) und wurde daraufhin von der weite-ren Analyse ausgeschlossen.Tabelle 2 fasst die faktorenanalytisch gebilde-ten Variablen zusammen. Die Faktoren „Re-aktanz“, „Problem mit Vorausbuchen“,„Problem mit Stornogebühren“ und „Ein-stellung zur Deutschen Bahn AG“ weisenReliabilitätskoeffizienten von Cronbachs αgrößer als .50 auf und erfüllen somit die Gü-tekriterien für eine Faktorenanalyse (Back-haus, 2003). Dies bestätigt die gute Opera-tionalisierung dieser Variablen. Dagegenweisen die beiden Faktoren „Altes Bahn-preissystem besser empfunden“ sowie„Preissensibler, desinteressierter Kunde“ Re-liabilitätskoeffizienten von Cronbachs α klei-ner .50 auf. Die Formulierung der Items die-ser Faktoren war im Vergleich zu den ande-ren Faktoren nicht so stark theoriegeleitet,was die kleineren Reliabilitätswerte erklärenkönnte. Da es sich hier jedoch um keine psy-chometrisch entwickelte Skala handelt, wer-den auch diese beiden Faktoren mit einer in-ternen Konsistenz α < .50 in die anschließen-de Analyse aufgenommen.

90Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

T. GEHLERT, A. FRANCKE, B. SCHLAG

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Einfluss der Merkmale derBahnpreisreform auf die Entstehung

psychologischer Reaktanz

Die in der Faktorenanalyse extrahierten Va-riablen wurden im zweiten Schritt einer li-nearen multiplen Regression zugeführt, um

ihren Einfluss auf die Entstehung psychologi-scher Reaktanz im Zusammenhang mit derBahnpreisreform zu prüfen. Die Faktoren„Problem mit Vorausbuchen“, „Altes Bahn-preissystem als besser empfunden“, „Preis-sensibler, desinteressierter Kunde“ sowie„Problem mit Stornogebühren“ werden als

PSYCHOLOGISCHE REAKTANZ ALS REAKTION AUF DIE BAHNPREISREFORM DER DEUTSCHEN BAHN AG

91Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

Faktor 1Reaktanz

Faktor 2Einstellung

Faktor 3Problem

mitVoraus-buchen

Faktor 4Altes Bahn-

preissys-tem alsbesser

empfunden

Faktor 5Preissen-

sibler, des-interessier-ter Kunde

Faktor 6Problem

mit Storno-gebühren

BevormundungWutEntscheidungsfreiheit eingeengtWiderständeKontra

.74

.72

.64

.56

.55

-.09-.06-.04.06-.14

.16-.01.32.08.16

.11

.20

.04

.48-.16

.03

.00-.13-.07.01

-.09-.24.04-.17.03

Gern Bahn fahrenInteresseImmer PkwTarifwissenÄrger über schlechte MedienZufriedenheit mit DB

-.10.09.09-.09-.23-.31

.75

.74-.67.57.52.50

-.05.09.01.09.05-.06

.00

.03-.29.37-.41-.30

.11-.10.01.14.24.37

-.06.08.00.16-.01-.00

Frühzeitig festlegen für RabatteKeine Probleme, längerfristig zuplanenSchwierigkeit auf Zugverbin-dung festzulegenMehr Frühbucherrabatte

-.17-.10

.31

.02

.08-.01

.07

-.09

-.76-.74

.66

-.61

-.02-.14

.09

-.11

-.13.14

.02

.06

.12-.12

-.07

.36

Abschaffung BC50 war FehlerAltes Preissystem besser

.11

.02.29-.01

.08

.20.64.54

.00

.14.05-.19

Zu teuerHauptsache BC50Kein Preissystem befriedigt

.18

.23

.35

.07

.07-.27

.18

.12

.01

-.14.08.07

-.68.59-.48

.01

.29

.15

Gebühr für Umbuchen in Ord-nungÄrger über Stornogebühren

-.13

.50

.10

.04

-.13

.09

.01

-.20

.01

-.20

.73

-.57

Jederzeit einsteigen wichtigerals Preis

.13 .25 .34 .39 .39 .10

TABELLE 1:

Rotierte Komponen-

tenmatrix der Fakto-

renanalyse

Faktoren Itemanzahl InterneKonsistenz α

M SD Erklärte kumulierteVarianz

Reaktanz 5 .74 0.47 1.08 18.8%

Einstellung zur Deut-schen Bahn AG

6 .74 -0.03 1.17 32.2%

Problem mit Vorausbu-chen

4 .72 0.25 1.28 39.0%

Altes Bahnpreissystemals besser empfunden

2 .32 0.77 1.09 44.4%

Preissensibler, desinte-ressierter Kunde

3 .32 0.58 1.10 49.4%

Problem mit Stornoge-bühren

2 .51 1.06 1.05 54.2%

TABELLE 2:

Faktorenanalytisch

gebildete Variablen

und ihre deskriptiven

Werte (ungewichtet

gemittelt)

innenteil.qxd 22.03.2007 13:51 Seite 91

unabhängige Variablen eingeführt. Entspre-chend der zweiten Frage stellt der Faktor„ Reaktanz“ die Reaktion der Kunden unddamit die abhängige Variable dar (vgl. Tabel-le 3).Die regressionsanalytischen Ergebnisse zei-gen, dass bei steigender Ablehnung von Vo-rausbuchen und von Stornogebühren in Ver-bindung mit einer positiveren Bewertungdes vorherigen Bahnpreissystems sowie ho-her Preissensibilität das Auftreten von Reak-tanz zunimmt. Diese Variablen erklären ins-gesamt 30% der Kriteriumsvarianz. DerZwang zum Vorausbuchen und die Storno-gebühren haben daran erwartungsgemäßden größten Anteil.

Einfluss der Einstellung auf die Stärkeder psychologischen Reaktanz

Die dritte Fragestellung betrachtete den Ein-fluss der Einstellung gegenüber der Deut-schen Bahn AG auf die Stärke der psycholo-gischen Reaktanz. Auch wenn für alle Nut-zer die gleichen Nachteile entstehen sollten,wurde vermutet, dass bei einer der Bahn ge-genüber positiv gestimmten Person dies zuweniger Widerstand und Aggression führt.Mittels partieller Korrelation wurde geprüft,ob die Einstellung den Zusammenhang zwi-

schen den Merkmalen der Bahnpreisreformund der psychologischen Reaktanz mode-riert. Dies ist dann gegeben, wenn es nachder Berücksichtigung des Einflusses der Ein-stellung keinen linearen Zusammenhangmehr zwischen den Merkmalen der Bahn-preisreform und der psychologischen Reak-tanz gibt. Da auch bei der partiellen Korrela-tion hochsignifikante Zusammenhänge zwi-schen den Variablen vorliegen, kann gefol-gert werden, dass die Einstellung die Stärkeder psychologischen Reaktanz nicht beein-flusst (vgl. Tabelle 4). Untersucht werden soll deshalb, ob die Ein-stellung gegenüber der Deutschen Bahn AGals Prädiktorvariable in das Regressionsmo-dell aufgenommen werden kann (vgl. Tabel-le 5). Der Korrelationskoeffizient der Varia-blen Einstellung zur Deutschen Bahn AGund der psychologischen Reaktanz beträgt r= -.22, p < .01. Im Ergebnis konnte durch die Aufnahme derEinstellung in das Regressionsmodell die Va-rianzaufklärung signifikant auf 33% erhöhtwerden. Das bedeutet, dass die Einstellungzur Deutschen Bahn AG nicht die Stärke derpsychologischen Reaktanz beeinflusst, son-dern zu ihrer Entstehung signifikant beiträgt.Zusammengefasst bedeutet dies, dass diepsychologische Reaktanz umso stärker aus-geprägt ist, je stärker die Ablehnung von Vo-

92Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

T. GEHLERT, A. FRANCKE, B. SCHLAG

Prädiktorvariable R2 B β

Problem mit Vorausbuchen .17 .24** .29

Problem mit Stornogebühren .26 .24** .28

Altes Bahnpreissystem als besser empfunden .28 .15** .15

Preissensibler, desinteressierter Kunde .30 .14** .13

Konstante -.05

Anmerkung: F total = 48.19**; df = 4/455; ** = p < .01; Multikollinearität nur schwach ausgeprägt: Korrelationen zwi-schen den Modellprädiktoren max. r = -.30, VIF-Werte zwischen 1.043 und 1.140.

TABELLE 3:

Schrittweise multiple

Regression auf die

Kriteriumsvariable

psychologische Reak-

tanz

Anmerkung: ** = p < .01

Variable Bivariate Korrelation mitpsychologischer Reaktanz

(r)

Partielle Korrelation mit psychologischer Reaktanz

(r)

Problem mit Vorausbuchen .41** .43**

Problem mit Stornogebühren .25** .30**

Altes Bahnpreissystem alsbesser empfunden

.19** .13**

Preissensibler, desinteressier-ter Kunde

.41** .41**

TABELLE 4:

Partielle Korrelations-

analyse des Einflusses

der Einstellung gegen-

über der Bahn auf

den Zusammenhang

zwischen den Merk-

malen der Bahnpreis-

reform und psycholo-

gischer Reaktanz

innenteil.qxd 22.03.2007 13:51 Seite 92

rausbuchen und von Stornogebühren ist, jenegativer die Einstellung zur DeutschenBahn AG ist, je besser die Bewertung desvorherigen Bahnpreissystems ausfällt und jehöher die Preissensibilität der Personen ist.

DISKUSSION

Mit der Regressionsanalyse konnte gezeigtwerden, dass sich die Kriteriumsvariable„psychologische Reaktanz“ mit den fünfFaktoren „Problem mit Vorausbuchen“,„Problem mit Stornogebühren“, „PositiveEinstellung zur Deutschen Bahn AG“, „AltesBahnpreissystem als besser empfunden“ und„Preissensibler, desinteressierter Kunde“ er-klären lässt. Das bedeutet, dass die Theorieder psychologischen Reaktanz einen we-sentlichen Beitrag zur Erklärung und Inter-pretation der Reaktion der Bahnkunden beider Einführung der Bahnpreisreform leistenkann. In der Regressionsgleichung ist daskonstante Glied leicht negativ. Dies könnteman mit einer schwachen generellen Ableh-nung der Deutschen Bahn AG im Allgemei-nen und der Bahnpreisreform im Spezielleninterpretieren. Die Deutsche Bahn AG wirdvon den Verbrauchern immer noch als einstaatliches Unternehmen mit Monopolstel-lung wahrgenommen, das einen allgemei-nen Beförderungsauftrag hat. Veränderun-gen bei der Bahn, wie die des Preissystems,geraten damit stärker in das Blickfeld von Be-völkerung, Kunden- und Verbraucherverbän-den sowie den Medien (Seidel et al., 2004). Die Trennung von Fahrkartenerwerb undReiseantritt, also der Zwang zum Vorausbu-chen, hatte den größten Anteil an der Entste-hung von psychologischer Reaktanz. Bei die-ser Neuerung des Preissystems handelt essich um eine Komponente, die den Gewohn-heiten der Bahnreisenden stark entgegen-stand. Durch diese Änderung der Gewohn-heiten zum einen und der einhergehenden

„Bestrafung“ ihrer Flexibilität durch hohePreise zum anderen fühlten sie ihre Freiheitsubjektiv am stärksten bedroht. Der Faktor„Problem mit Stornogebühren“ hatte denzweitgrößten Anteil an der Erklärung des Re-aktanzkonstruktes. Somit haben die Kompo-nenten, die aufgrund des Yield-Manage-ment-Ansatzes eingeführt worden waren,den größten Einfluss auf das Entstehen vonpsychologischer Reaktanz. Die Stichprobe dieser Untersuchung be-stand überwiegend aus Studenten, die dieBahn am häufigsten für Freizeit- und Privat-reisen nutzen. Diese Stichprobe stellt zwarkeine repräsentative Auswahl dar, entsprichtdafür aber einer höchst relevanten Zielgrup-pe für die Deutsche Bahn AG. Perry (1998)identifizierte die preissensiblen Privatreisen-den mit einem Anteil von 33% an allenBahnreisen als das volumenstärkste Markt-segment im Schienenpersonenfernverkehr.Dieses Segment ist durch einen hohen Anteilan jungen Reisenden mit einem unterdurch-schnittlichen Haushaltseinkommen und ei-ner unterdurchschnittlichen Pkw-Verfügbar-keit gekennzeichnet. Diese Charakterisie-rung trifft auf die Mehrzahl der Probandendieser Untersuchung zu. Diese Zielgruppeist stärker auf die Bahn angewiesen und rea-giert damit möglicherweise besonders starkauf die Veränderungen der Bahnpreisreform.Neben den subjektiven Reaktanzeffekten,wie der diffusen Aggression bzw. Feindselig-keit, die in dieser Untersuchung demons-triert werden konnten, kann sich psychologi-sche Reaktanz auch in konkretem Verhaltenmanifestieren, beispielsweise im Umstieg aufandere Verkehrsmittel. Der deutliche Fahr-gastrückgang der Deutschen Bahn AG imJahr 2003 legt die Vermutung nahe, dass einerheblicher Teil der Kunden auf diese Artund Weise seinen eingeschränkten Hand-lungsspielraum wiederhergestellt hat. Inwie-weit die Zielgruppe der preissensiblen Privat-reisenden davon Gebrauch gemacht hat, ist

PSYCHOLOGISCHE REAKTANZ ALS REAKTION AUF DIE BAHNPREISREFORM DER DEUTSCHEN BAHN AG

93Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

Prädiktorvariable R2 B β

Problem mit Vorausbuchen .17 .24** .29

Problem mit Stornogebühren .26 .22** .25

Einstellung zur Deutschen Bahn AG .29 -.18** -.19

Altes Bahnpreissystem als besser empfunden .32 .18** .18

Preissensibler, desinteressierter Kunde .33 .09** .08

Konstante -.02

Anmerkung: F total = 44.52**; df = 5/455; ** = p < .01

TABELLE 5:

Schrittweise multiple

Regression auf die

Kriteriumsvariable

psychologische Reak-

tanz unter Einbezie-

hung der Einstellung

zur Deutschen Bahn

AG als Prädiktorvaria-

ble

innenteil.qxd 22.03.2007 13:51 Seite 93

aus den veröffentlichten Daten des Kon-zerns leider nicht ersichtlich (Deutsche BahnAG, 2003). Die Daten dieser Untersuchungweisen jedoch trotz der relativ starken Bin-dung an die Bahn auf ein nicht unerhebli-ches Umsteigepotential auch in dieser Ziel-gruppe hin. Mehr als die Hälfte der Befrag-ten hatte ständig Zugang zu einem Pkw undwar damit nicht ausschließlich auf die Bahnangewiesen. Von diesen Befragten gabendennoch immerhin 27,6% die Bahn als ihrbevorzugtes Verkehrsmittel an. Auf die ge-samte Stichprobe bezogen bedeutet dies,dass 15,7% der Probanden als Konsequenzauf das Erleben psychologischer Reaktanzdie Möglichkeit hatten, von der Bahn aufden Pkw umzusteigen. Die Einstellung zur Deutschen Bahn AG mo-derierte entgegen der Hypothese nicht dieStärke der psychologischen Reaktanz, son-dern trug wesentlich zur ihrer Entstehungbei. So entwickelten Personen, die negativzur Deutschen Bahn AG eingestellt sind, inviel höherem Maße psychologische Reak-tanz. Diese Personen fahren Bahn nicht ausÜberzeugung. Überzeugte Bahnkundensind offenbar eher bereit, bei objektiv glei-chen Vor- und Nachteilen Entwicklungenund Veränderungen des Unternehmens mit-zutragen. Brehm hatte die Theorie der psychologi-schen Reaktanz in der Annahme begründet,dass die Situation für das reaktante Verhaltenverantwortlich ist. Im vorliegenden Fall konn-te an einem Beispiel untersucht und bestä-tigt werden, dass die Situation einen starkenEinfluss auf die Entstehung von Reaktanz hat.Berücksichtigt werden muss dabei, dass essich bei dieser Situation um ein einmaligesVorkommnis handelte. Die Umgestaltungdes Preissystems, das in dieser Form schonseit Jahrzehnten existierte, wurde von derhier untersuchten Stichprobe als bedeuten-der Einschnitt in den persönlichen Freiheits-spielraum empfunden. Freiheit, hier im Sinnevon Mobilität, wird als Grundbedürfnis wahr-genommen und die Deutsche Bahn AGdient im weiteren Sinne der Erfüllung diesesBedürfnisses.

Handlungsempfehlungen

Die Einführung neuer Systeme, die die be-reits bestehenden stark umstrukturieren, stel-len Unternehmen vor eine besondere He-rausforderung. Auf Seiten der Kunden habensich im Laufe der Zeit Erwartungen undHandlungsroutinen herausgebildet und ver-

festigt. Insbesondere die Verkehrsmittelwahlist ein routinisiertes und stabiles Verhalten.Veränderungen im Angebot von Verkehrs-dienstleistungen greifen damit sehr stark inbestehende Handlungsmuster und Tagesab-läufe der Kunden ein. Um sich auf solche Än-derungen einzustellen, sind erhebliche An-passungsleistungen der Kunden notwendig,die das Auftreten von psychologischer Reak-tanz begünstigen. Deshalb ist es wichtig, beider Umsetzung von Neuerungen im Ver-kehrsdienstleistungsbereich psychologischeReaktanz zu vermeiden, damit die Gesamt-bewertung der entsprechenden Maßnah-men positiv ausfällt (Wiswede, 1979). Vermieden werden kann psychologische Re-aktanz beispielsweise durch die Beteiligungdes Konsumenten am Entscheidungs- undUmsetzungsprozess. Das gibt dem Kundendie Möglichkeit, sich vorab auf die neue Si-tuation einzustellen mit der Folge geringererReaktanzauslösung. Da es, wie im Fall derDeutschen Bahn AG, meist nicht möglich ist,mit jedem einzelnen Kunden zu verhandelnund ihn am Entscheidungsprozess zu beteili-gen, bietet sich die Einbeziehung einer Inte-ressengruppe der Kunden an. In Deutsch-land, aber auch in der Schweiz und Öster-reich, setzen sich verschiedene Verbraucher-bzw. Umweltorganisationen speziell für dieBelange der Bahnkunden ein. Da es ausrei-chend ist, wenn die Freiheitswiederherstel-lung kraft einer anderen Person erfolgt, kanndie Einbeziehung dieser, für die Kunden ver-trauenswürdigen Organisationen, die Frei-heit „im Auftrag“ wiederherstellen.Um Reaktanz und Ablehnung zu vermeiden,bietet es sich außerdem an, den betroffenenPersonen akzeptable Rechtfertigungen fürdie entsprechenden Maßnahmen und Ver-änderungen darzubieten. Das ist dann be-sonders wichtig, wenn die Kunden aus ihrerSicht keinen Veränderungsbedarf sehen. ImBeispiel der Deutschen Bahn AG kritisiertendie Kunden in Umfragen vor dem Preissys-temwechsel vor allem die mangelnde Pünkt-lichkeit und den unzureichenden Service,nicht jedoch das geltende Preissystem. Hiermuss bei den Betroffenen erst ein Bewusst-sein dafür geschaffen werden, dass die Ver-änderungen notwendig und wünschenswertsind, damit sie sie mittragen. Eine Informati-onskampagne vor der Umsetzung oder dieDiskussion mit Verbraucherorganisationenoder anderen Interessensvertretern kannden Weg für solche tief greifende Verände-rungen ebnen. Hinzu kommt der Argumentationsstil, mitdem die Maßnahme kommuniziert wird.

94Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

T. GEHLERT, A. FRANCKE, B. SCHLAG

innenteil.qxd 22.03.2007 13:51 Seite 94

Nach Wiswede (1979) bedingt ein allzu dy-namischer, harter und hektischer Verkaufs-und Werbestil mit durchschaubaren, massi-ven und interessengebunden wirkenden Be-einflussungsversuchen sowie hohem Auffor-derungsdruck am ehesten Reaktanz. Dage-gen wird zweiseitige Kommunikation, d.h.gleichzeitiges Herausstellen von Vor- undNachteilen, von den Kunden eher angenom-men. Voraussetzung dafür ist allerdings, dassdie Vor- und Nachteile gleichermaßen gutwahrgenommen werden. Im Fall der preis-sensiblen Privatreisenden war das Konzeptder Deutschen Bahn AG, die Einschränkungder Flexibilität durch die Senkung des Kilo-meterpreises auf langen Strecken zu kom-pensieren, für diese Zielgruppe durchaus an-gemessen. Allerdings wurden die Einschrän-kungen der Handlungsfreiheit durch die neu-en Komponenten des Preissystems wesent-lich deutlicher wahrgenommen und auchmedial kommuniziert, als die entsprechendeKompensationsleistung. Begleitende Infor-mations- und Kommunikationskampagnenmüssen in einem solchen Fall wesentlichstärker die Vorteile für die Kunden heraus-stellen, so dass sich ein wahrgenommenesGleichgewicht zwischen Vor- und Nachtei-len einstellt. Im Rahmen dieses Beitrageskonnte aufgezeigt werden, dass die Preisre-form der Deutschen Bahn AG diese Aspektenur unzureichend berücksichtigte.

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DIPL.-PSYCH. TINA GEHLERT

[email protected]

DIPL.-VERAL.-WIRTSCH. ANGELA FRANCKE

[email protected]

PROF. DR. BERNHARD SCHLAG

[email protected]

Lehrstuhl für Verkehrspsychologie

Technische Universität Dresden

01062 Dresden

PSYCHOLOGISCHE REAKTANZ ALS REAKTION AUF DIE BAHNPREISREFORM DER DEUTSCHEN BAHN AG

95Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

innenteil.qxd 22.03.2007 13:51 Seite 95

ANHANG: FRAGEBOGEN ZUR SITUATIONSBASIERTEN ERHEBUNG PSYCHOLOGISCHER

REAKTANZ

96Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

T. GEHLERT, A. FRANCKE, B. SCHLAG

Items Kurzform

Problem mit Vorausbuchen– Es fällt mir schwer, mich im Voraus auf eine bestimmte

Zugverbindung mit genauer Uhrzeit festzulegen.– Es sollten mehr Frühbucherrabatte eingeführt werden.– Für umfangreiche Rabatte bin ich bereit, mich frühzeitig

auf einen bestimmten Zug festzulegen.– Mir bereitet es keine Probleme, meine Reisen längerfristig

zu planen.– Die Möglichkeit, jederzeit in den Zug steigen zu können,

ist mir wichtiger als ein günstiger Preis.

Schwierigkeit auf ZugverbindungfestzulegenMehr FrühbucherrabatteFrühzeitig festlegen für Rabatte

Keine Probleme, längerfristig zu pla-nenJederzeit einsteigen wichtiger als Preis

Problem mit Stornogebühren– Ich bin bereit eine Gebühr zu zahlen, damit ich umbuchen

darf.– Es ärgert mich, wenn ich die gebuchte Zugabfahrtszeit

nicht ohne Stornogebühren verschieben kann.

Gebühr für Umbuchen in Ordnung

Ärger über Stornogebühren

Abschaffung der BahnCard50– Die Regelungen des Preissystems sind mir egal, solange es

die BahnCard50 gibt.– Die Abschaffung der BahnCard50 war ein Fehler der Bahn.– Das bis Dezember 2002 gültige Preissystem hat mir besser

gefallen.

Hauptsache BC50

Abschaffung BC50 war FehlerAltes Preissystem besser

Psychologische Reaktanz– Ich ärgere mich, wenn die Bahn versucht, meine persönli-

che Entscheidungsfreiheit einzuengen.– Die Veränderungen, die mit der Bahnpreisreform verbun-

den waren, erweckten in mir Widerstände.– Die Regelungen der Bahnpreisreform habe ich als bevor-

mundend empfunden.– Gegen die vielen Vorschriften bei der Bahnpreisreform ha-

be ich Wut verspürt.– Wenn man mich drängt, etwas zu tun, sage ich mir oft

"jetzt erst recht nicht".

Entscheidungsfreiheit eingeengt

Widerstände

Bevormundung

Wut

Kontra

Einstellung zur Deutschen Bahn AG– Ich fahre gern mit der Deutschen Bahn.– Ich fahre eigentlich fast immer mit dem Pkw.– Ich kenne mich in der Regel mit den Tarifen der Deutschen

Bahn aus.– Ich bin mit den Angeboten der Deutschen Bahn zufrieden.– Die Bahn ist mir zu teuer.– An dem, was die Deutsche Bahn macht, bin ich interes-

siert.– Bis jetzt hat mich keines der Bahnpreissysteme zufrieden

gestellt.– Mich ärgert es, wenn die Medien die Deutsche Bahn AG

schlecht machen.

Gern Bahn fahrenImmer PkwTarifwissen

Zufriedenheit mit DBZu teuerInteresse an DB

Kein Preissystem befriedigt

Ärger über schlechte Medien

innenteil.qxd 22.03.2007 13:51 Seite 96

In einer quasiexperimentellen Studie an 96

Rauchern wird der Frage nachgegangen, ob

die handelsüblichen, ausschließlich negativ

formulierten Warnhinweise auf Zigarettenpa-

ckungen durch positiv formulierte Aussagen

ergänzt werden sollten. Gemäß Regulatori-

scher Fokustheorie (Higgins, 1997, 1998) be-

folgen promotionsorientierte Personen eher

dann einen Ratschlag, wenn ihnen der da-

raus entstehende Gewinn vor Augen geführt

wird. Umgekehrt sind präventionsorientierte

Personen eher motiviert, einem Ratschlag

Folge zu leisten, wenn ihnen die Kosten einer

Nicht-Befolgung verdeutlicht werden. Die Be-

urteilung zweier Warnhinweise zum Thema

Durchblutung/Durchblutungsstörungen zeigt

sich nur zum Teil vom Regulationsfokus der

Raucher abhängig. Präventionsorientierte

Raucher messen dem negativ formulierten

Warnhinweis „Rauchen kann zu Durchblu-

tungsstörungen führen“ größere Motivations-

stärke für eine freiwillige Einschränkung des

Tabakkonsums bei als dem positiv formulier-

ten Warnhinweis „Nichtrauchen kann die

Durchblutung verbessern“. Promotionsorien-

tierte Raucher und solche ohne vorherr-

schenden Regulationsfokus unterscheiden

bezüglich der Motivationsstärke nicht zwi-

schen den beiden Warnhinweisen. Die Ergeb-

nisse legen nahe, dass der negativ formulierte

Warnhinweis präventionsorientierte Raucher

anspricht, dass aber für die anderen beiden

Gruppen noch keine adäquate Formulierung

der Warnhinweise zur individuellen Unter-

stützung in der Raucherentwöhnung erreicht

wurde. Eine Ergänzung der handelsüblichen

Warnhinweise durch positiv formulierte Aus-

sagen erscheint aufgrund vorliegender Ergeb-

nisse nicht ratsam.

Schlüsselwörter: Regulationsfokus, Framing,

Gesundheitsförderung, Prävention, Raucher-

entwöhnung

Regulatory Focus and Motivational Appeal of Warning Information on Cigarette Packages

A quasi-experimental study on 96 smokers

was conducted to test whether standard, ex-

clusively negatively framed warning informati-

on on cigarette packages should be comple-

mented by positively framed statements. Ac-

cording to Regulatory Focus Theory (Higgins,

1997, 1998), promotion-oriented persons are

more inclined to follow an advice when they

are confronted with the gain of being compli-

ant. On the other hand, prevention-oriented

persons are motivated to follow an advice

when the loss of not being compliant is em-

phasized. Ratings of two pieces of warning in-

formation on blood circulation/circulatory

disorder partially confirm dependence on the

smokers’ regulatory focus. Under a preventi-

on focus, the negatively framed warning infor-

mation „Smoking may lead to circulatory dis-

orders“ yielded higher motivational appeal

for a voluntary limitation of smoking than the

positively framed warning information „Non-

smoking may improve blood circulation“.

Smokers under a promotion focus and smo-

kers without a predominant regulatory focus

do not differentiate between the motivatio-

nal appeal of the two pieces of warning infor-

mation. The results suggest that the negative-

ly framed warning information mainly addres-

ses smokers under a prevention focus, where-

as no adequate framing method for indivi-

dually supporting the two other groups of

smokers has been found yet. Complementing

standard warning information by positively

framed statements does not seem an advisa-

ble means to help smokers in their withdra-

wal.

Key words: regulatory focus, framing, health

promotion, prevention, smoking withdrawal

REGULATORISCHER FOKUS UND MOTIVATIONSSTÄRKE VON WARNHINWEISEN AUF ZIGARETTENPACKUNGEN

97Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

MARIANNE HOLLER, SANDRA DOBNIG, ERICH KIRCHLER

REGULATORISCHER FOKUS UND

MOTIVATIONSSTÄRKE VON WARNHINWEISEN

AUF ZIGARETTENPACKUNGEN

innenteil.qxd 22.03.2007 13:51 Seite 97

1. EINLEITUNG

Die Zahl der Personen, die trotz besserenWissens einen ungesunden Lebensstil pfle-gen und sich damit selbst ernsthafte gesund-heitliche Schäden zufügen, ist groß. Dieslässt berechtigte Zweifel an der Fähigkeit desMenschen, rational zu handeln und den ei-genen Nutzen zu maximieren, aufkommen.Gemäß Meliorationsprinzip (Herrnstein,1991) wird häufig die kurzfristige Besserstel-lung, die der sofortigen Bedürfnisbefriedi-gung dient (z.B. ein üppiges Essen), gegen-über dem langfristigen Nutzen (z.B. Gesund-heit) bevorzugt. Die Wahl der momentanbesseren Alternative bedeutet jedochmanchmal ein auf längere Zeit gesehenschlechteres Ergebnis. Ein weiteres Beispiel für Melioration ist derKonsum von Tabak. Rauchen mag kurzfristigangenehm erlebt werden, gefährdet aberlangfristig die Gesundheit. Über 40% der er-wachsenen EU-Bevölkerung greift regelmä-ßig zur Zigarette. Rauchen verursacht direktoder indirekt jährlich den Tod von mehr alseiner halben Million Menschen in der Euro-päischen Union. Etwa 25 % aller tödlichenKrebserkrankungen und insgesamt 15 % al-ler Todesfälle sind auf Tabakkonsum zurück-zuführen (Europäische Kommission, 2006a).Beinahe die Hälfte der auf Tabakkonsum zu-rückzuführenden Todesfälle trifft Personenim Alter von 35 bis 69 Jahren (EuropäischeKommission, 2006b), was deutlich unter derdurchschnittlichen Lebenserwartung liegt(81.2 Jahre für Frauen, 75.1 Jahre für Män-ner; EUROSTAT, 2006). Nikotinsucht ist diebedeutendste vermeidbare Krankheits- undTodesursache innerhalb der EuropäischenUnion.Die hohen menschlichen, aber auch wirt-schaftlichen Kosten könnten reduziert wer-den, wenn es gelingt, Raucher zu motivie-ren, ihre Gewohnheit aufzugeben. Auf dasRauchverhalten der Bevölkerung kann aufvielfältige Art Einfluss genommen werden(Europäische Kommission, 2006b). Nebender Erhöhung der Tabaksteuer, dem er-schwerten Zugang zu Tabakwaren für Kin-der und Jugendliche, einem generellen Ta-bakwerbeverbot oder der flächendeckendenEinführung von Rauchverboten in öffentli-chen Gebäuden kann auch durch kommuni-kationspolitische Maßnahmen versucht wer-den, gesundheitsbewusstes Verhalten zu för-dern. In Präventions- und Gesundheitsförderungs-kampagnen möchten die WerbetreibendenRezipienten nicht dazu bewegen, ein ange-

botenes Gut zu kaufen, sondern geben eineEmpfehlung ab, eine bestimmte Maßnahmezu ergreifen. Die beabsichtigte Verhaltensbe-einflussung mittels besonderer Kommunika-tionsmittel wird persuasive Werbung ge-nannt (Kroeber-Riel & Esch, 2004). Ein aktu-elles, kontrovers diskutiertes Beispiel fürnicht-kommerzielle persuasive Werbungsind die seit 2003 auch in Österreich auf je-der Zigarettenpackung aufgedruckten Warn-hinweise. Sie müssen auf der Vorderseite35% der Fläche, auf der Rückseite 40% derFläche einnehmen (Bundesministerium fürGesundheit und Frauen, 2004). Durch denEinsatz der bisher 16 verwendeten Warnhin-weise wird versucht, Raucher unmittelbarvor dem Konsum einer Zigarette auf die ge-sundheitsschädigenden Folgen ihres Verhal-tens hinzuweisen. Dabei wird vorausgesetzt,dass die großteils negativ formulierten Bot-schaften die Rezipienten gleichermaßen an-sprechen. Dass jedoch das Ausmaß der Ver-haltensänderung von der Formulierung einerBotschaft abhängt, wurde vielfach in Studienzu so genannten Zielframings nachgewie-sen.

1.1 Zielframings in der persuasivenWerbung

Zielframing bezeichnet die Bereitstellung ei-ner oder mehrerer Optionen, deren Folgenals Gewinn oder Verlust dargestellt werden.Positives Zielframing beschreibt die ange-nehmen, vorteilhaften Folgen des Konsums,der Verwendung oder Inanspruchnahme desbeworbenen Produktes oder der Dienstleis-tung, während negatives Zielframing vor ei-ner nachteiligen, unangenehmen Situationwarnt, die eintreten könnte, wenn das be-worbene Produkt oder die beworbeneDienstleistung nicht konsumiert, verwendetoder in Anspruch genommen wird (Weatley& Oshikawa, 1970). Ganzach und Karsahi (1995) verdeutlichendie Anwendungsmöglichkeiten von Zielfra-mings in der kommerziellen Werbung an-hand einer Studie über die Erhöhung derVerwendungshäufigkeit von Kreditkarten.Während ein negativer Zielframe die Nach-teile des Gebrauchs von Bargeld betont,stellt ein positiver Zielframe den Vorteil desGebrauchs einer Kreditkarte in den Vorder-grund. In der nicht-kommerziellen Werbung kom-men Zielframings häufig im Präventions- undGesundheitsförderungskontext zum Einsatz.Deren Wirkung wurde bezüglich der Kom-

98Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

M. HOLLER, S. DOBNIG, E. KIRCHLER

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munikation über den Schutz vor sexuellübertragbaren Krankheiten (Block & Keller,1995), Brustkrebsvorsorge mittels Selbstun-tersuchung (Meyerowitz & Chaiken, 1987),die Verwendung von Zahnseide (Mann,Sherman & Updegraff, 2004), den Gebrauchvon Sonnenschutzcreme (Detweiler, Bedell,Salovey, Pronin & Rothman, 1999), Haut-krebsvorsorgemöglichkeiten (Rothman, Salo-vey, Antone, Keough & Martin, 1993) unddie Vorzüge ausgewogener Ernährung (Ce-sario, Grant & Higgins, 2004; Spiegel, Grant-Pillow, & Higgins, 2004) untersucht. In dervorliegenden Arbeit wird die Wirkung vonZielframings im Kontext einer Anti-Rauch-kampagne untersucht.Persuasive Werbebotschaften unterstellenRezipienten, ein bestimmtes Ziel zu verfol-gen (Gierl, 2005). Wenn die Formulierung ei-ner Empfehlung oder eines Appells, bei-spielsweise mehr Sport zu treiben, zu demZiel passt, welches ein Rezipient verfolgt,wird die Empfehlung eher wahrgenommenund berücksichtigt (Reber, Winkelman &Schwarz, 1998) und eher befolgt (Spiegel,Grant-Pillow & Higgins, 2004). Die Kompati-bilität von Zielframing und persönlichen Zie-len von Rezipienten wird im Folgenden ver-deutlicht: Werbetreibende können davonausgehen, dass Rezipienten für sie positiveZiele erreichen möchten (z. B. Sport betrei-ben, um die Kondition zu verbessern). In ei-ner Präventions- oder Gesundheitsförde-rungskampagne kann deshalb der Gewinnbetont werden, den ein Rezipient im Falleder Befolgung einer Empfehlung erwartenkann (positives Zielframing: „Mit regelmäßi-gem Sport können Sie Ihre Kondition verbes-sern und Sie fühlen sich wohl in IhrerHaut!“). Werbetreibende können aber auchdavon ausgehen, dass Rezipienten negativeErgebnisse vermeiden möchten (z. B. Sportbetreiben, um den Abbau der Kondition zuvermeiden). Sie können daher in einer Kam-pagne den Verlust betonen, den Rezipientenim Falle des Nicht-Befolgens einer Empfeh-lung erleiden müssen (negatives Zielframing:„Ohne regelmäßigen Sport verschlechtertsich Ihre Kondition und Sie fühlen sich un-wohl in Ihrer Haut!“). Krishnamurthy, Carter und Blair (2001) fas-sen Ergebnisse einer Reihe von Zielframing-studien zusammen und kommen zu demSchluss, dass in der Prävention und Gesund-heitsförderung überwiegend negatives Ziel-framing zu Einstellungs- und Verhaltensände-rungen führt. In vier von elf Studien wird je-doch kein Framingeffekt nachgewiesen, wasauf die Existenz von Moderatorvariablen hin-

weist. So nehmen beispielsweise die Pro-duktart, der persönliche Referenzpunkt ei-nes Rezipienten und davon ausgehend Ver-lust- und Gewinnurteile und das Involvementintermittierende Rollen zwischen der Wahr-nehmung der persuasiven Werbebotschaftund dem Verhalten ein (Gierl, 2005).

1.2 Regulationsfokus alsModeratorvariable

Es ist anzunehmen, dass auch die dispositio-nelle motivationale Selbstregulation einesRezipienten die Wirkung von Zielframingsmoderiert (Cesario, Grant & Higgins, 2004;Mann, Sherman & Updegraff, 2004; Spiegel,Grant-Pillow & Higgins, 2004). Ausgehend von der Annahme, dass Perso-nen in ihren Handlungen von verschiedenenMotiven geleitet werden, postuliert Higgins(1997, 1998) zwei motivationale Selbstregu-lationssysteme. Diese koordinieren menschli-ches Handeln von der Zielsetzung über dieAufrechterhaltung der Handlung bis zur Ziel-erreichung (Holler, Fellner & Kirchler, 2005). Streben Personen die bestmögliche Errei-chung eines Zieles an und sind sie eher ge-winn- als verlustorientiert, so ist der Promoti-onsfokus der Selbstregulation dominant. Un-ter Promotionsfokus sind Personen bemüht,mit Engagement Leistungssituationen erfolg-reich zu bewältigen und positive Endzustän-de zu erreichen. Bei der Zielverfolgung ste-hen eigene Ideale, Hoffnungen und Wün-sche im Vordergrund und Wachstumsmotivesind stark ausgeprägt. Bemühen sich Personen hingegen verstärktdarum, Fehler zu vermeiden und sind sieeher verlust- als gewinnorientiert, ist der Prä-ventionsfokus vorherrschend. Unter Präven-tionsfokus empfinden Personen eine starkeVerpflichtung zu fehlerfreier Arbeitsausfüh-rung und wollen negative Endzustände ver-meiden. Sie orientieren sich dabei an den Er-wartungen anderer. Ihr Bestreben, uner-wünschte und unangenehme Ergebnisse ab-zuwenden, ist besonders hoch und Sicher-heitsbedürfnisse sind stark ausgeprägt. Per-sonen wählen in Abhängigkeit von ihrer Mo-tivstruktur nicht nur unterschiedliche Ziele(Brendl und Higgins, 1996), sondern auchunterschiedliche Strategien der Zielverfol-gung (Higgins, 1997, 1998). Studien zur Regulatorischen Fokustheorie(z.B. Aaker & Lee, 2001; Cesario, Grant &Higgins, 2004; Chernev, 2004; Fellner, Kirch-ler & Holler, 2004; Spiegel, Grant-Pillow &Higgins, 2004; Werth, Mayer & Mussweiler,

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2006) bestätigen, dass Empfehlungen, dieauf fokusspezifische Bedürfnisse eingehen,erfolgreicher sind als Empfehlungen, die ineinem Stil verfasst wurden, der dem Regula-tionsfokus widerspricht. Unter Promotionsfo-kus motivieren vor allem positive Appelle,die betonen, mit welchen Vorteilen gerech-net werden darf, wenn das gewünschte Ver-halten getätigt wird. Unter Präventionsfokusmotivieren verstärkt negative Appelle, diebetonen, mit welchen nachteiligen Konse-quenzen gerechnet werden muss, wenn dasgewünschte Verhalten nicht gezeigt wird.Dass fokuskompatible Zielframings nicht nurEinstellungs-, sondern auch Verhaltensände-rungen bewirken können, zeigten Spiegel,Grant-Pillow und Higgins (2004) in einem Ex-periment über gesundes Essverhalten. Derüber den Zeitraum von einer Woche proto-kollierte Konsum von Obst und Gemüse warhöher, wenn Studienteilnehmer unter Pro-motionsfokus zuvor einen Text über die po-sitiven Folgen gesunder Ernährung (z. B.„ Wenn Sie täglich die richtige Menge anObst und Gemüse essen, werden Sie sichrundherum wohl fühlen!“) beziehungsweisewenn Teilnehmer unter Präventionsfokus zu-vor einen Text über die negativen Folgen un-gesunder Ernährung (z. B. „Wenn Sie nichttäglich die richtige Menge an Obst und Ge-müse essen, können Sie sich nicht aktiv vorKrankheit schützen und tragen nicht zu IhrerGesundheit bei!“) gelesen hatten. Unter der Annahme unterschiedlicher moti-vationaler Selbstregulationssysteme (Hig-gins, 1997, 1998) und verbesserter Verarbei-tung von kompatiblen Zielframings (Gierl,2005) könnte die Effizienz einer Präventions-oder Gesundheitsförderungskampagnedurch den Einsatz von sowohl positiv alsauch negativ formulierten persuasiven Bot-schaften gesteigert werden. Ob ein dem dis-positionellen Regulationsfokus einer Personentsprechender Warnhinweis auf Zigaretten-packungen in der Raucherentwöhnung alsbesonders motivierend beurteilt wird und obdie in der Europäischen Union verwendetennegativ formulierten Warnhinweise auf Ziga-rettenpackungen künftig durch positiv for-mulierte ergänzt werden sollten, wird in dervorliegenden Studie geprüft. Negative For-mulierungen sollten vor allem von präventi-onsorientierten Rauchern, positive Formulie-rungen hingegen überwiegend von promoti-onsorientierten Rauchern als in der Raucher-entwöhnung motivierender empfunden wer-den. Für Raucher ohne vorherrschenden dis-positionellen Regulationsfokus wurden keineEffekte angenommen.

2. METHODE

2.1 Stichprobe

Insgesamt 75 Studentinnen und 21 Studen-ten im Alter von durchschnittlich 23.86 Jah-ren (SD = 3.81; Md = 23.00) nahmen an derStudie teil. Alle Teilnehmer rauchten Zigaret-ten; durchschnittlich 13.40 Stück pro Tag(SD = 7.73; Md = 15.00).

2.2. Versuchsdesign

Die Wirkung von Warnhinweisen in Abhän-gigkeit vom dispositionellen Regulationsfo-kus wurde mittels eines 3 (Regulationsfokus:Prävention/ indifferent/ Promotion) x 2 (For-mulierung des Warnhinweises: negativ/ posi-tiv; Wiederholungsfaktor) varianzanalyti-schen Designs geprüft. Die Motivationsstär-ke der Warnhinweise in der Raucherentwöh-nung wurde als abhängige Variable erfasst.

2.3 Material

Mittels Fragebogen wurde (a) der dispositio-nelle Regulationsfokus erfasst. Weiter wur-den (b) unterschiedlich formulierte Warnhin-weise vorgelegt und (c) die Motivationsstär-ke der Warnhinweise in der Raucherentwöh-nung gemessen.

Regulationsfokus: Der dispositionelle Regula-tionsfokus wurde mittels Fragebogen gemes-sen (Items siehe Anhang). Die Teilnehmergaben auf einer Skala von 1 (nicht zutref-fend) bis 6 (zutreffend) an, ob die Aussagen,die sich inhaltlich an der Regulatorischen Fo-kustheorie von Higgins (1998) und an ausge-wählten Skalen des Wertfragebogens vonSchwartz (1992) orientieren, auf sie zutref-fen. Die Reliabilität der Promotionsitems be-trug in der vorliegenden Stichprobe Cron-bach’s Alpha = .82; die Reliabilität für diePräventionsitems belief sich auf .79. Es zeig-te sich eine geringe negative Korrelation zwi-schen den motivationalen Selbstregulations-systemen (r= -.410, p<.01).

Warnhinweise: Zwei Warnhinweise in demfür handelsübliche Zigarettenpackungen be-kannten Design (schwarze Schrift auf wei-ßem Hintergrund mit schwarzem Rahmen)wurden präsentiert. Beide Warnhinweise be-handelten das Thema „Durchblutung undDurchblutungsstörungen“. Während derText „Rauchen kann zu Durchblutungsstö-

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rungen führen“, der sich bereits in Umlaufbefindet, negativ formuliert war, war diezweite Aufschrift „Nichtrauchen kann dieDurchblutung verbessern“ selbst entwickeltund positiv formuliert.

Motivationsstärke: Die Motivationsstärke derWarnhinweise in der Rauchentwöhnungwurde mittels semantischen Differentials ge-messen. Folgende Gegensatzpaare wurdenmittels fünfstufiger Antwortskalen vorgege-ben: Der Text ist bezüglich Rauchentwöh-nung „nicht motivierend – sehr motivie-rend“, „langweilig – interessant“, „nicht ziel-führend – sehr zielführend“, „nicht hilfreich– sehr hilfreich“, „schlecht – gut“. Anhandeiner Faktorenanalyse wurde festgestellt,dass die Skala eindimensional ist (erklärterVarianzanteil 77%; Cronbach’s Alpha = .93),weshalb für weitere Analysen der Mittelwertherangezogen wurde. Die Motivationsstär-ken des positiv und des negativ formuliertenWarnhinweises korrelieren nicht (p>.05).

Schließlich wurden Informationen zur Sozio-demographie der Teilnehmer und zumdurchschnittlichen Rauchverhalten erhoben.Weiter wurde erfasst, wie sehr die Teilneh-mer bestrebt sind, mit dem Rauchen aufzu-hören und ob sie der Meinung sind, jeder-zeit mit dem Rauchen aufhören zu können,wenn sie wollten (sechsstufige Antwortska-len von 1 = überhaupt nicht bis 6 = sehr si-cher).

2.4 Durchführung

Nach Begrüßung sowie verbaler und schrift-licher Instruktion wurden die Teilnehmer zurBearbeitung der Items zum dispositionellenRegulationsfokus eingeladen. Die unter-schiedlich formulierten Warnhinweise wur-den gleichzeitig vorgelegt. Durch ein Variie-ren der Vorgabe wurde angestrebt, Reihen-folgeeffekte auszuschließen. Danach wurdedie Motivationsstärke erfasst und soziode-mographische Daten erhoben. Die Teilnah-me dauerte etwa 15 Minuten und wurde miteinem Geschenk in der Höhe von ca. 3 Eurohonoriert.

3. ERGEBNISSE UND DISKUSSION

Zur Prüfung der Hypothese wurden die Teil-nehmer in vorwiegend promotions- bezie-hungsweise präventionsorientierte Raucherund in Raucher ohne vorherrschenden Regu-lationsfokus durch Mittelwertsplit nach VanDijk und Kluger (2004) eingeteilt. Nach Be-rechnung der Mittelwerte der Promotions-skala (M=4.47; SD=0.74) sowie der Präventi-onsskala (M=3.10; SD=0.72) wurden jeneTeilnehmer der promotionsorientiertenGruppe zugeordnet, die überdurchschnittli-che Werte auf der Promotionsskala, jedochunterdurchschnittliche Werte auf der Präven-tionsskala aufweisen (n = 33). Umgekehrtwurden jene Teilnehmer als präventionsori-entiert klassifiziert, die überdurchschnittlicheAusprägungen auf der Präventionsskala undunterdurchschnittliche Ausprägungen aufder Promotionsskala aufweisen (n = 34). Per-sonen, bei denen beide Skalenwerte über (n= 10) beziehungsweise unter den Mittelwer-ten liegen (n = 16), konnten nicht eindeutigeinem vorherrschenden dispositionellen Re-gulationsfokus zugeordnet werden und wur-den in der Gruppe der Indifferenten zusam-mengefasst. Die drei Gruppen unterschei-den sich weder durch Alter, Geschlecht, Zi-garettenkonsum, Rauchverhalten, Motivati-on oder Kontrollüberzeugung voneinander(alle Werte p>.05). Die Varianzanalyse mit Messwiederholungbestätigte wie erwartet eine signifikanteWechselwirkung zwischen dem Regulations-fokus und der Formulierung der Warnhin-weise (F(2,91)=4.593; p<.05; η2=.092). DieHaupteffekte für den Regulationsfokus (F(2,92)=1.219; p>.05; η2=.026) und die Formu-lierung der Warnhinweise (F(1, 92)=.186;p>.05; η2=.002) blieben insignifikant. Bei derBeurteilung der Warnhinweise wurde dieReihenfolge der Vorgabe des positiven unddes negativen Textes variiert. Reihenfolgeef-fekte können ausgeschlossen werden (fürden negativ formulierten Warnhinweis anerster und an zweiter Stelle: M=3.32,SD=1.43 vs. M=3.10, SD=1.40; t(93)=0.784;p>.05; für den positiv formulierten Warnhin-weis an erster und an zweiter Stelle: M=2.87,SD=1.38 vs. M=3.37, SD=1.38; t(93)=1.784;p>.05).

REGULATORISCHER FOKUS UND MOTIVATIONSSTÄRKE VON WARNHINWEISEN AUF ZIGARETTENPACKUNGEN

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ABBILDUNG 1:

Negativer und positiver Warnhinweis

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Anschließende t-Tests für abhängige Stich-proben zeigen, dass nur präventionsorien-tierte Raucher die Warnhinweise als unter-schiedlich motivierend bewerten. Der nega-tiv formulierte Warnhinweis „Rauchen kannzu Durchblutungsstörungen führen“ wirdvon ihnen als in der Raucherentwöhnungmotivierender als der positiv formulierteWarnhinweis „Nichtrauchen kann dieDurchblutung verbessern“ beurteilt(M=3.84, SD=1.28 vs. M=2.90, SD=1.18;t(32)=3.652; p<.01). Raucher mit indifferen-tem Regulationsfokus und solche mit Promo-tionsfokus stuften den positiv formuliertenWarnhinweis als geringfügig motivierenderein als präventionsorientierte Raucher, derUnterschied ist jedoch nicht signifikant(M=3.53, SD=1.37 vs. M=2.92, SD=1.39;t(28)=-1.049; p>.05 für Raucher mit indiffe-rentem Regulationsfokus; M=3.13, SD=1.61vs. M=2.88, SD=1.36; t(31)=-.656; p>.05 fürRaucher mit Promotionsfokus). Abbildung 2veranschaulicht die signifikante Wechselwir-kung zwischen dem Regulationsfokus undder Formulierung der Warnhinweise.1

Der Regulatorischen Fokustheorie (Higgins,1997, 1998) zur Wirkung von Zielframings

auf Motivation und Verhalten (Cesario et al.,2004; Mann et al., 2004; Spiegel et al.,2004) folgend, sollten sowohl promotions-als auch präventionsorientierte Raucherdurch fokuskompatibel formulierte Warnhin-weise auf Zigarettenpackungen besser moti-vierbar sein. In vorliegender Studie kann die-ser Effekt allerdings nur für präventionsorien-tierte Raucher nachgewiesen werden. DieErgebnisse bestätigen die Annahme, dasspräventionsorientierte Personen den negativformulierten Warnhinweis als in der Rau-cherentwöhnung motivierender bewertenals den positiv formulierten Warnhinweis.Promotionsorientierte Raucher messen je-doch umgekehrt dem positiv formuliertenWarnhinweis keine signifikant höhere Moti-vationsstärke bei als dem negativ formulier-ten Warnhinweis. Die Gruppe der Rauchermit indifferentem Regulationsfokus unter-schied ebenso nicht zwischen den Motivati-onsstärken der beiden Warnhinweise. Esscheint, als ob sich präventionsorientierteRaucher in der Beurteilung von negativenZielframings deutlich von Rauchern mit an-derer motivationaler Selbstregulation unter-scheiden und als ob diese auch weiterhin

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1Alternativ zu Gruppenvergleichen mittels univariater Varianzanalyse mit Messwiederholung kann die Moderatorwir-kung des Regulationsfokus auf die Motivationsstärke der Warnhinweise auch mittels linearer Regressionsanalysen un-tersucht werden. Da keine Korrelation zwischen den beiden Motivationsstärken vorliegt, können die Analysen ge-trennt vorgenommen werden. Um auszuschließen, dass die Reihung der Präsentation der Warnhinweise deren Be-urteilung verzerrt, ging die Reihung als Dummy-Variable in beide Regressionsanalysen ein. Als weitere Prädiktorenwurden die Mittelwerte der Promotions- sowie der Präventionsskala und die Wechselwirkung beider Skalen berück-sichtigt. Die für den negativen Warnhinweis durchgeführte Regressionsanalyse erklärt 11% der Varianz (R2=.115,F(4,90)=2,911, p<.05). Während die Präsentationsreihenfolge der Warnhinweise keinen signifikanten Erklärungsbei-trag leistet, sind sowohl der Promotionsscore (ß=.467, p<.05), der Präventionsscore (ß=-.302, p<.05) als auch dieWechselwirkung (ß=-.466, p<.05) signifikante Prädiktoren für die Beurteilung der Motivationsstärke des negativenWarnhinweises. In der für den positiven Warnhinweis durchgeführten Regressionsanalyse erwies sich keine Variableals signifkanter Prädiktor zur Vorhersage der Motivationsstärke (alle p>.05).

Promotionsfokus Indifferent Präventionsfokus

Regulationsfokus

3,80

3,60

3,40

3,20

3,00

2,80

2,60

Motivations- stärke

3,84 "Nichtrauchen kann die Durchblutung verbessern"

"Rauchen kann die Durchblutung gefährden"

2,90 2,92

3,35

2,88

3,12

ABBILDUNG 2:

Motivationsstärke der positiv und negativ formulierten

Warnhinweise in Abhängigkeit vom Regulationsfokus

auf Promotion oder Prävention

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durch ein Inaussichtstellen negativer Folgenvon gesundheitsschädigendem Verhalten an-gesprochen werden sollten. Der Warnhin-weis, der die positiven Folgen von gesund-heitsförderlichem Verhalten betont, stießhingegen bei keiner Rauchergruppe auf posi-tive Reaktionen (Präventionsorientierte:M=2.90, SD=1.18; Indifferente: M=3.35,SD=1.37; Promotionsorientierte: M=3.13,SD=1.61; Neutralwert der Skala=3.5). Als Er-klärung für die in vorliegender Studie ledig-lich neutralen Reaktionen auf den positiv for-mulierten Warnhinweis kann geltend ge-macht werden, dass dieser von den Autorenneu erstellt wurde, während der negativeText ein handelsüblicher, sich bereits im Um-lauf befindlicher war. Eine Wiederholung derStudie mit zur Gänze neu konstruiertemReizmaterial zu mehreren gesundheitsbezo-genen Aspekten wie Herz- und Lungener-krankungen, Schwangerschaft, Schutz vonKindern oder Abhängigkeit wäre hier auf-schlussreich. Weiter kann überlegt werden,welche Art von Zielframing diese Gruppenbesser ansprechen könnte, als das in dieserStudie angebotene positive Zielframing.Denkbar wären hier konkrete, umsetzbareHilfestellungen in der Raucherentwöhnung,wie zum Beispiel der Denkanstoß „WelcheMöglichkeiten, sich selbst zu belohnen, ha-ben Sie noch?“. Wird ein solcher Text auf ei-ner Zigarettenpackung aufgedruckt, solltedies gemäß Regulatorischer Fokustheorie(Higgins, 1997, 1998) ebenso vor allem pro-motionsorientierte Raucher ansprechen, daer die Aufmerksamkeit des Rauchers auf dieErreichung eines positiven Endzustandeslenkt. Generell betrachtet, kann die Berücksichti-gung der Ergebnisse aus Zielframing-Studien,welche Effekte von fokuskompatibel formu-lierten Appellen nachweisen (Cesario et al.,2004; Mann et al., 2004; Spiegel et al.,2004), helfen, die Effizienz von Präventions-und Gesundheitsförderungskampagnen zuerhöhen. Fokuskompatible Formulierungenkönnten bei zahlreichen Gesundheitsthe-men, wie der Raucherentwöhnung, der re-gelmäßigen Inanspruchnahme von Vorsorge-untersuchungen, ausgewogener Ernährung,sportlicher Betätigung, dem Schutz vor sexu-ell übertragbaren Krankheiten etc. Einsatzfinden. Sie könnten eine für die Rezipientenindividuell motivierende Kommunikations-strategie mit großer Überzeugungskraft dar-stellen.

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103Wirtschaftspsychologie

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MAG. MARIANNE HOLLER

[email protected]

MAG. SANDRA DOBNIG

[email protected]

UNIV.-PROF. DR. ERICH KIRCHLER

[email protected]

Fakultät für Psychologie

Institut für Wirtschaftspsychologie,

Bildungspsychologie und Evaluation

Universität Wien

Universitätsstr. 7

A-1010 Wien

Österreich

Die Forschungsarbeit der Autoren wurde mit

den Mitteln des Jubiläumsfonds der Österrei-

chischen Nationalbank, Projektnummer

11114, gefördert.104

WirtschaftspsychologieHeft 1/2007

M. HOLLER, S. DOBNIG, E. KIRCHLER

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ANHANG: ITEMS ZUR ERHEBUNG DER DISPOSITIONELLEN PROMOTIONS- UND

PRÄVENTIONSORIENTIERUNG

REGULATORISCHER FOKUS UND MOTIVATIONSSTÄRKE VON WARNHINWEISEN AUF ZIGARETTENPACKUNGEN

105Wirtschaftspsychologie

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Promotionsskala, α=.82

Item M SD KorrigierteItem-Skala-Korrelation

α wenn Itemgelöscht

Ich lasse mich gerne auf Veränderungen ein. 4.09 1.23 .66 .78

Für mich ist es wichtig, mich in meinem Lebenweiterzuentwickeln und zu verbessern.

5.39 1.01 .44 .81

Veränderungen machen mein Leben spannend. 4.79 1.13 .61 .79

Ich gehe gerne Risiken ein. 3.77 1.20 .58 .79

Ich bin immer auf der Suche nach Abenteuer. 3.92 1.18 .57 .79

Ich tue Dinge gerne auf meine eigene Art undWeise.

4.75 1.13 .43 .81

Wenn mir jemand sagt, was ich richtig gemachthabe, spornt mich das zu besonders guten Leis-tungen an.

4.47 1.11 .39 .81

Ich mag es, wenn ich mir meine Arbeitsaufgabeselbst aussuchen kann.

4.40 1.23 .44 .81

Ich mag Überraschungen. 4.44 1.22 .52 .80

Präventionsskala, α=.79

Ich habe ein langsames Arbeitstempo. 2.49 1.22 .37 .78

Ich tue Dinge gerne auf bewährte Art und Wei-se.

3.61 1.09 .60 .75

Ich mag es, wenn alles seinen gewohnten Ganggeht.

3.18 1.23 .62 .74

Ich versuche Veränderungen zu vermeiden. 2.46 1.11 .57 .75

Ich mag es, wenn mir jemand anders meine Ar-beitsaufgabe vorgibt.

3.92 1.18 .25 .80

Es ist für mich wichtig, in einem sicheren Um-feld zu leben.

4.25 1.33 .54 .75

Ich vermeide alles, was meine Sicherheit gefähr-den könnte.

3.05 1.26 .54 .75

Veränderungen machen mir Angst. 2.44 1.16 .62 .74

Ich habe ein ruhiges Arbeitstempo. 3.26 1.20 .20 .80

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Wie erleben und verarbeiten Betriebsräte den

gegenwärtig stattfindenden Wandel ihrer Rol-

le und wie gelingt es ihnen, handlungs- und

gestaltungsfähig zu bleiben? Diese Frage

stand im Zentrum des Forschungsprojektes

„Subjektive Erfahrung von Betriebsräten“. Ein

zentraler Aspekt betriebsrätlicher Erfahrung

betrifft die Verortung des Betriebsrats in der

sozialen Topographie des Betriebes; diese

Frage nach dem Ort des Betriebsrats im so-

zialen Gefüge eines Betriebes wird im vorlie-

genden Text untersucht.

Im Gegensatz zu ihrem Wunsch nach ,glei-

cher Augenhöhe’ erleben sich Betriebsräte

den Geschäftsleitungen gegenüber sozio-

räumlich tiefer und damit von der sozialen

Position her niedriger angesiedelt, als dies ih-

ren Vorstellungen entspricht, während sie an-

dererseits – selbst wenn sie dies nicht wollen

– faktisch über den von ihnen Vertretenen re-

sidieren. Auch wenn der Ort des Betriebsrats

in der sozialen Topographie des Betriebes da-

mit der Position von mittleren Führungskräf-

ten ähnelt, zeigt die vorliegende Studie, dass

die Verortung von Betriebsräten paradoxer

ist, da diese sich auf eine eigentümliche Wei-

se zugleich oben und unten dazugehörig füh-

len. Dies legt es nahe, den Betriebsrat stärker,

als es bisher geschieht, in Kategorien des ,In-

Beziehung-zu’ zu denken, also in seinen hete-

rogenen Beziehungsverhältnissen, die sich

nur schwer als zusammenhängende Einheit

fassen und in die strukturelle und hierar-

chische Ordnung einer Organisation einpas-

sen lassen.

Schlüsselwörter: Betriebliche Arbeitsbezie-

hungen, Betriebsräte, Führungskräfte, Aner-

kennung, sozialer Raum, räumliche Meta-

phern, räumliche Bilder

The Place of Work Councils in the Social Topography of a Company

How do work councils experience and mana-

ge the current changes in their role and how

do they remain active and keep their ability

to create solutions in the interest of the em-

ployees? The research project „The subjecti-

ve experience of works councils“ focused on

this question. One central aspect of their ex-

perience concerns the works council’s place

in the social topography of the company; the

present text explores this place in the compa-

ny’s social microstructure.

Contrary to their desire to be on an equal le-

vel with management, works councils experi-

ence the space they occupy as spatially dee-

per and socially lower. Furthermore, even

though several of them would wish it were

otherwise, they are objectively situated abo-

ve those they represent. Even though the pla-

ce of works council’s in the social topogra-

phy of a company resembles that of middle

managers, this study shows that their place is

far more paradoxical, because they experi-

ence themselves as belonging both to the

top floor and to the shop floor simultaneous-

ly.

This suggests a conceptualisation of works

councils as being ‘in-relation-to’, i.e. in their

heterogeneous relationships, which means

that they cannot be conceived as a coherent

entity fitting simply into the hierarchical or-

der of an organisation.

Key words: industrial relations, works coun-

cils, executives, recognition, social space, spa-

tial metaphors, spatial images

106Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

E. TIETEL

ERHARD TIETEL

DER ORT DES BETRIEBSRATS IN DER SOZIALEN

TOPOGRAPHIE DES BETRIEBES

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1. EINLEITUNG

„Wie erleben Betriebsräte die gegenwärtigstattfindenden Veränderungen ihrer Rolleund wie suchen sie diese Veränderungen zubewältigen und zu gestalten?“ Diese Fragebildete den Ausgangspunkt eines von derHans-Böckler-Stiftung geförderten For-schungsprojektes zur „Subjektiven Erfah-rung von Betriebsräten“.1 Ausgehend vondem Konzept der „Institution, wie sie sich inder Erfahrung darstellt“ (Long 2001), ging ichder Frage nach, wie sich die Institution Be-triebsrat für diejenigen darstellt, die sie durchihre tagtäglichen Aktivitäten, ihre Wahrneh-mungs- und Erlebnisweisen, ihre (persönli-chen wie kollektiven) Interpretationen, Ver-arbeitungs- und Bewältigungsformen zualler-erst mit ‚Leben‘ erfüllen und mit Sinn undBedeutung versehen: die Betriebsräte selbst.Die Ergebnisse dieses Projektes: der Aner-kennungskampf mit der Geschäftsleitung,die Ambivalenzen des Vertretungsverhältnis-ses im Hinblick auf die Beschäftigten, dietendenzielle Ablösung der gewerkschaftli-chen durch eine stärker betriebliche Orien-tierung sowie – im Hinblick auf all die ge-nannten Akteursgruppen – das Ringen umeinen eigenen ,dritten’ Ort im Betrieb undsomit die Notwendigkeit der Entwicklung„triadischer Kompetenz“ in den Betriebsrats-gremien, wurden an anderer Stelle darge-stellt (Tietel 2006).Im vorliegenden Text geht es über die im ge-nannten Buch dargestellten Zusammenhän-ge hinaus um einen weiteren zentralenAspekt der betriebsrätlichen Erfahrung: umden Platz, d.h. um die sozio-räumliche Veror-tung des Betriebsrats in der sozialen Topo-graphie des Betriebes. Hierfür stand folgen-des Gedankenexperiment Pate: Die befrag-ten Betriebsräte sollten sich vorstellen, siemalten ein Bild von ihrem Betrieb als einemHaus und sich überlegen, wo in diesemHaus die Geschäftsleitung und wo der Be-triebsrat säße. Konzeptioneller Hintergrund der Frage nachdem Ort des Betriebsrats in der sozialen To-pographie des Betriebes ist die Annahme,dass soziale und kulturelle Erfahrungen in

räumlich codierter Form vorliegen und manüber räumliche Metaphern und Bilder einenZugang zu latenten Dimensionen betriebs-politischer Beziehungsverhältnisse bekom-men kann. Die Aufforderung, sich ein gemal-tes Bild vom Betrieb vorzustellen, reduziertdie Komplexität und lässt prägnante Lokali-sierungen hervortreten, bildhafte Verdich-tungen sozialer Verhältnisse – vor allem derinnerbetrieblichen Anerkennungsverhältnis-se. Auf Indizien der räumlichen Codierung so-zialen Erlebens stößt man in der Alltagsspra-che auf Schritt und Tritt: ,seinen Platz ein-nehmen‘, ,im Vorder- bzw. Hintergrund ste-hen‘, eine ,linke‘ oder eine ,rechte‘ Gesin-nung haben usw. Kruse und Graumann(1978, S. 179) zufolge sind wir mit „raumbe-zogenen Bewegungsausdrücken“ so engverwoben, dass diese uns „als genuin undnicht als metaphorische Rede“ erscheinen.Wir bewegen uns nicht nur im physikali-schen Raum, sondern immer auch in „sozia-len Räumen“. In diesem Sinne schreibt Bour-dieu (1985, S. 13): „Was existiert, das ist einRaum von Beziehungen, ebenso wirklichwie der geographische, worin Stellenwech-sel und Ortsveränderungen nur um denPreis von Arbeit, Anstrengungen und vor al-lem Zeit zu haben sind.“ Ein zentrales Ergebnis der Frage nach derVerortung des Betriebsrats besteht darin,dass die Befragten den Ort des Betriebsratsgegenüber der Geschäftsleitung sozio-räum-lich tiefer und damit von der sozialen Positi-on her niedriger angesiedelt erleben, als diesihren eigenen Vorstellungen und Ansprü-chen entspricht. Dies weist darauf hin, dasssie sich – trotz aller Fortschritte in dieser Fra-ge – vom Management nicht in dem Maßeanerkannt sehen, wie sie das wünschen, an-streben oder auch einfordern. Beispielhafthierfür steht die Äußerung einer Betriebsrä-tin aus der BR-Spitze eines Großbetriebes:„Also die Geschäftsleitung sitzt oben, in der

Mitte wir und dann die anderen unten. Wo-

bei mein Wunsch wäre, ich würde mit denen

oben auf einer Ebene sitzen. So stelle ich mir

Betriebsratsarbeit auch vor. Aber das ist noch

ein langer Weg.“

DER ORT DES BETRIEBSRATS IN DER SOZIALEN TOPOGRAPHIE DES BETRIEBES

107Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

1Die Studie aus den Jahren 2003-2005 beruht auf ca. 20 Experteninterviews, 40 themenzentrierten Interviews, 7Gruppendiskussionen und umfangreichen teilnehmenden Beobachtungen in sechs Betrieben: zwei Kleinbetrieben:FINANZ und TECHNO (100-150 Beschäftigte), zwei Mittelbetrieben: DACHS und TEMP (400-600 Beschäftigte) undzwei Großbetrieben: SOLUTIONS und LEGAT (2000-3000) Beschäftigte. Bis auf LEGAT, einem eher traditionellenProduktionsbetrieb, sind die anderen Betriebe Dienstleistungsunternehmen (der IT- und Finanzbranche) oder Produ-zenten komplexer Simulationsanlagen bzw. Analysegeräte mit einem hohen Anteil an (hoch)qualifizierten Beschäf-tigten. DACHS ist die Hauptverwaltung und Forschungsabteilung eines Chemiemultis und hat ebenfalls eine hoch-qualifizierte Beschäftigtenstruktur. Die Firmennamen sind anonymisiert.

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Meine Forschungsergebnisse legen nahe,dass der Anspruch von Betriebsräten, als be-triebliche Führungskraft wahrgenommenund behandelt zu werden, deutlich gestie-gen ist und damit der „ Wunsch, mit denen

oben auf einer Ebene zu sitzen“. Die Zurück-weisung dieses Anspruchs durch Geschäfts-leitungen führt zu den an anderer Stelle be-schriebenen Missachtungserlebnissen (Tietel2006), die in den in der Folge beschriebenen‚Gedankenbildern‘ zur Verortung des Be-triebsrats noch einmal eindrücklich zu Tagetreten. Verorten sich Betriebsräte im Hinblick aufdie Geschäftsleitung unterhalb der Ebene,die sie für angemessen hielten, trifft man hin-sichtlich der Beschäftigten auf ein komple-mentäres Phänomen. Denn ihrem Ideal nachwürden sich viele der Befragten nach wievor gerne als Teil der von ihnen Vertretenenverstehen und sich auch mit jenen auf einerEbene situieren, wobei ihnen jedoch klar ist,dass sie in der sozialen Topographie des Be-triebes realiter über der Belegschaft residie-ren. Unter der Geschäftsleitung und über der Be-legschaft – ist das nicht der Ort im vermit-telnden ‚Dazwischen‘, von dem spätestensseit Fürstenberg (1958) die Rede ist? Ja,wenn damit die Funktion der Vermittlung,die intermediäre Position der Institution Be-triebsrat (Müller-Jentsch 1997, S. 281) ge-meint ist. Nein, weil es weniger um einenOrt in der Mitte geht, sondern um zwei sehrunterschiedliche relationale Orte: um denOrt ,neben-und-zugleich-unter’ der Ge-schäftsleitung und den Ort ,bei-und-zu-gleich-über’ der Belegschaft. Die folgendenInterpretationen haben mich dazu geführt,stärker beziehungsabhängige Aspekte derRolle und Identität von Betriebsräten zu kon-statieren: den Betriebsrat-in-Beziehung-zur-Geschäftsleitung, den Betriebsrat-in-Bezie-hung-zur-Belegschaft sowie den Betriebsrat-in-Beziehung-zur-Gewerkschaft; beziehungs-abhängige Aspekte, die über eine gewisse Ei-genständigkeit verfügen und zuweilen relativlose miteinander verbunden sind. Wenn sichBetriebsräte, die im Betriebsratsbüro in Jeansund kariertem Hemd sitzen, auf dem Wegzum Vorstand in ein Jackett zwängen und ei-ne Krawatte umbinden, sie aber auf demWeg zur Betriebsversammlung den Blau-mann anziehen, dann scheint dieser Aspektin einer szenisch wahrnehmbaren Weise auf.Dies ist keinesfalls nur Maskerade: Betriebs-räte als Grenzgänger (Tietel 2001) habenlängst auf beiden Seiten des Interessenge-gensatzes Platz genommen.

Im Folgenden werde ich darstellen, wie Be-triebsräte ihre Geschäftsleitung in der sozia-len Topographie des Betriebes situieren (2.),wie sie sich selbst im Hinblick auf die Ge-schäftsleitung verorten (3.) und schließlichwie sie ihren Ort im Hinblick auf die Be-schäftigten sehen (4.).

2. DER ORT DER GESCHÄFTSLEITUNG

AUS SICHT VON BETRIEBSRÄTEN

Erwartbarerweise sitzt die Geschäftsleitungoben. Entsprechend fallen auch die Ausfüh-rungen über die sozio-räumliche Positionie-rung der Geschäftsführung aus, wobei vonnicht wenigen hinzugefügt wird, dass diese„ ganz oben“ sitzt, was die hierarchische undsozial distinguierte Stellung der Geschäfts-führung unterstreicht:– „Der Vorstand würde natürlich ganz oben

unter dem Dach sitzen.“

– „Also die Geschäftsleitung sitzt im Hoch-

haus auf der obersten Etage.“

– „Ganz oben sitzt die Geschäftsleitung

schon irgendwie dick und fett.“

– „Ganz oben, um alles zu überwachen, sitzt

der Vorstand.“

Die Betonung des „ ganz oben“ wirft die Fra-ge auf, ob neben den genannten Akteurenan der Spitze überhaupt ein Platz für einenweiteren Akteur frei wäre bzw. wie weit sichBetriebsräte wirklich praktisch vorstellenkönnen, den Anspruch auf einen Platz in derFührungsetage zu erheben. Denn dieses„ ganz oben“ ist hinsichtlich der erlebten Ex-klusivität der Position an der Spitze einesUnternehmens gefühlsmäßig doch ziemlichweit weg – es bedeutet nicht nur einigeStockwerke höher innerhalb eines räumli-chen Kontinuums, sondern jenseits einerScheidelinie, die über die bestehende realeMachtdifferenz hinaus eine atmosphärische,Unnahbarkeit‘ konstituiert und dieses exklu-sive ,Oben‘ spürbar vom Rest des Betriebesabhebt. In der Metapher vom „Olymp“ wirddieser Aspekt einer von allen – letztlich auchvom Betriebsrat – akzeptierten sozialen Bar-riere von einer BR-Vorsitzenden ironisch ge-fasst: Göttergleich residiert der Geschäfts-führer „oben auf dem Olymp“ und es wäreihnen schon, wie sie anfügt, sehr damit ge-dient, wenn er sich ab und zu mal dazu be-wegen ließe, in die Niederungen des Betrie-bes hinunterzusteigen.

108Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

E. TIETEL

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Die Geschäftsleitung residiert da, wodie Sonne scheint

Geschäftsführungen sitzen nicht nur oben,sie lassen es sich da nach Ansicht manchesBetriebsrats auch ziemlich gut gehen. Esschwingt eine Portion Respekt mit, wenn ein‚BR-Oldtimer‘ von LEGAT auf die Frage, wodie Geschäftsleitung sitzt, äußert: „Als Rea-

list würde ich sagen, also die idealste Etage,

die es geben würde, mit Sonne und allem

drum und dran. Also wenn ich so ein Haus

malen würde, dann würde da der Vorstand

sitzen.“ Eigens betont er, dass er damit keinübertriebenes Bild von der Situierung desVorstandes zeichnet. In der Formulierung:„mit Sonne und allem drum und dran“schwingt mit, dass der Vorstand die ‚Licht-gestalt‘ ihres Unternehmens ist – was sichnoch in dessen höfischem Kosenamen wi-derspiegelt. Weitere Positionierungen verweisen auf pri-vilegierte und luxuriöse Orte: Sei es, dass die„Geschäftsleitung oben auf der Veranda“

oder in einer „Loggia sitzt“, sei es, dass sie„in einem Penthouse“ residiert, oder sei es,dass der „ Vorstand an einer exponierten Stel-

le mit einer schönen Aussicht säße, also ir-

gendwo oben, wo man überall alles gut im

Blick hat“. In diesen Bildern scheint nebender sozialen Distanz eine gewisse Abge-schottetheit und Selbstherrlichkeit von Ge-schäftsleitungen auf, alles Aspekte, die vonBetriebsräten mit ambivalenten Gefühlen be-legt werden. Diese Gefühlsambivalenz, diesich im Spannungsfeld zwischen Bitterkeitund Bewunderung bewegt und in der sich la-tente Unterlegenheits- und Ausgeschlossen-heitsgefühle erahnen lassen, erschwert nichtnur den Umgang mit der Geschäftsleitung,sie macht auch die eigene Verortung jenengegenüber schwierig. Dies betrifft vor allemdie Idealisierung der Annehmlichkeiten vonGeschäftsleitungen. Ist die Position von Ma-nagern wirklich so komfortabel, wie man-cher Arbeitnehmervertreter den Eindruckhat? Sicher, sie verdienen gut, sind einfluss-reich und können sich an der Spitze ihresUnternehmens nach innen offenbar einenHabitus der nahezu unangreifbaren Herr-schaft erlauben, der sich in den Anspielun-gen auf feudale Herrscher und WeltenlenkerAusdruck verschafft. Und doch beruhen die-se metaphorischen Zuspitzungen darauf,dass die ‚Kehrseite’ dieses Oben, die Anfor-derungen und Belastungen, die mit der Lei-tung eines Unternehmens verbunden sind,ausgeblendet wird: Handlungs- und Erfolgs-druck, Verantwortung, Abhängigkeit von

Shareholdern und Märkten und nicht zuletztdie Sorgen, angesichts des raschen Wandelsder globalisierten Wirtschaft die eigeneHandlungsfähigkeit (und Position) zu verlie-ren. Dieser Projektion inhärent ist, dass dieSorgen- und Belastungsseite fast ausschließ-lich der betriebsrätlichen Seite zugeschrie-ben wird – worin sich der Umstand spiegelt,dass es im betrieblichen Alltag vor allem umProbleme und Sorgen geht, wenn sich Be-schäftigte an den Betriebsrat wenden. DieseSpaltung, zugespitzt formuliert: dort obender Ort der Sonne und des Glanzes und hierunten bei uns das Reich des Dunkels, derMühe und der Plage, symbolisiert eineTiefenschicht der „sozio-emotionalen Ma-trix“ (Tietel 2003) der Arbeitsbeziehungen.Je mehr dieser projektive Aspekt die Bezie-hungen zu den Geschäftsleitungen atmo-sphärisch ‚tönt’, desto weniger können die‚anderen Seiten der anderen Seite‘wahrgenommen und realistische Beziehun-gen zu jener hergestellt werden.

3. VERORTUNGEN DES BETRIEBSRATS IM

HINBLICK AUF DIE GESCHÄFTSLEITUNG

Wo sieht nun der Betriebsrat seinen Ort inder sozialen Topographie des Betriebes? Indie eigene Selbstverortung geht sowohl dieErfahrung ein, welchen Ort man in der be-triebspolitischen Arena zugewiesen be-kommt, als auch der Anspruch, welchen Ortman einzufordern gewillt ist und – last butnot least – der Wunsch, welchen Ort mangerne einnehmen möchte. Die Bilder, die dieBetriebsräte bezüglich ihrer Beziehung zurGeschäftsleitung ‚zeichnen‘, besitzen des-halb eine große Bandbreite. Sie zeigen, wiewidersprüchlich und letztlich wie paradoxder Ort des Betriebsrats in der sozialen To-pographie eines Betriebes ist.

a) Verortungen auf der vertikalenAchse

Begonnen sei mit einer Äußerung, die zeigt,wie weit der erlebte soziale Ort des Betriebs-rats von der Geschäftsleitung entfernt seinkann. Aus der Sicht einer jungen Betriebsrä-tin von LEGAT „ist es sogar so, es gibt die

Vorstandsebene, die ist oben, sehr weit oben

und den Betriebsrat, der hier ganz unten sitzt.

Und leider würde ich mir das auch in der Pra-

xis immer so vorstellen.“ Die Ergänzung:„sehr weit oben“, verdeutlicht, wie weit ent-fernt und hochstehend ihr die „ Vorstands-

DER ORT DES BETRIEBSRATS IN DER SOZIALEN TOPOGRAPHIE DES BETRIEBES

109Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

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ebene“ vorkommt und wie viel Respekt sieals Neue im BR vor dieser hat. Und so, wiesie die Geschäftsleitung erhöht, platziert sieden Betriebsrat „ ganz unten“, also am unte-ren Ende der sozialen Topographie. Wasführt dazu, dass sie so eine große Kluft zwi-schen den betriebspolitischen Parteien er-lebt? Ihre Antwort auf diese Frage gibt Auf-schluss: „ Weil der Betriebsrat immer, also

nicht als minderwertig, aber als störend emp-

funden wird, also versucht man vielleicht

auch räumlich etwas Platz zu schaffen.“ DerBetriebsrat ist und bleibt unten, weil er ihremEindruck zufolge – trotz aller Bereitschaft,sich an Kosteneinsparungen und Reorganisa-tion zu beteiligen – nach wie vor „als stö-

rend empfunden wird“. Was bedeutet eswohl für das betriebsrätliche Selbstgefühl,wenn man sich derart unerwünscht vor-kommt?Die fünf freigestellten Mitglieder, auf denendie Arbeit des BR von LEGAT wesentlichruht, verorten ihr Gremium nun sehr unter-schiedlich. Die Spanne reicht von der Einord-nung „mindestens auf der Ebene der leiten-

den Angestellten direkt unter dem Vorstand“

über mittlere Platzierungen: „keine zwei Eta-gen unter der Geschäftsleitung“ sowie „die

Geschäftsleitung sitzt oben und wir in der

Mitte“ bis hinunter zum „Hochparterre“. Indiesen Verortungen spiegelt sich die Band-breite der subjektiven Erfahrungen: In derÄußerung, dass der „Betriebsrat gar nicht

weit weg“ vom Vorstand sitzt, drückt sichder Stolz eines alten Gewerkschafters aus,wie sehr in den Jahrzehnten die Bedeutungdes BR gewachsen ist und sich dessen Stel-lung gefestigt hat. Der Betriebsrat, sagt er,„hat heute eine große Rolle hier im Haus“.

Und das war nicht immer so: „Das war frü-

her mal vom Denken der Geschäftsleitung

her und auch vom Umgang mit dem Betriebs-

rat anders. Zur konservativen Zeit. Da war der

ziemlich weit unten, da war er im Erdge-

schoss“.Bringen diese Äußerungen die Zufriedenheitdarüber zum Ausdruck, wie angesehen manmittlerweile im Unternehmen ist, so drücktsich in der folgenden Feststellung seines Kol-legen aus, wie weit sie gleichwohl noch vonder erhofften Anerkennung entfernt sind:„ Wenn wir denn ganz zwingend gebraucht

werden, dann sitzen wir vielleicht im ersten

Stock. Sonst, ich sag’ mal im Normalfall, da

sitzen wir, wo wir auch hier sitzen: im Hoch-

parterre.“ ,Braucht uns die Geschäftsleitung’,so die Mitteilung, ,dann hofiert sie uns schonmal und bietet uns Räume „im ersten Stock“

an’; „im Normalfall“ sitzen wir zwar „nicht

im Keller“, wie er zuvor feststellt, aber dochbloß im „Hochparterre“ und es kommt imAlltag eher selten vor, dass sich da mal wervon der Geschäftsleitung hinverirrt. Dass dersubjektiv erlebte Abstand zur Firmenspitzeerheblich größer sein kann, als es die Bedeu-tung des BR in dieser Firma erwarten lässt,kann man aus der Äußerung eines weiterenMitglieds der BR-Spitze ablesen, der die Ge-schäftsleitung zwar nur „zwei Stockwerke“

über ihnen verortet, gleichzeitig aber hinzu-fügt, dass „der Weg nach oben hin irre weit

und irre lang“ sei. Damit ist nicht nur die so-ziale Entfernung zwischen Vorstand und BRangesprochen, hier drückt sich auch eine‚persönliche’ Ferne aus, das innere Bild derAutorität des Vorstandes, das dazu führt,dass man immer wieder große Kraft aufwen-den muss, die inneren Widerstände zu über-winden und sich auf diesen „irre weiten und

irre langen Weg nach oben“ zu begeben.

,Neben-und-zugleich-unter‘ der Geschäfts-leitungEine Betriebsrätin von TECHNO malt dieVerortung beider Akteure plastisch aus: „ Sa-

gen wir mal ein dreigeschossiges Haus. Dann

sitzt – halt, Moment – dann gibt es noch ein

halbes Geschoss da drüber. Also mein erster

Gedanke war: 3 Fensterreihen à 6 Fenster

und der BR sitzt dann beim zweiten Fenster

in der obersten Reihe und die Geschäftslei-

tung beim fünften Fenster. Aber das wäre

nicht ganz richtig. Auf der gleichen Ebene

nicht. Also die Geschäftsleitung hat eben

doch schon eine halbe Etage mehr.“ DasHaus, das vor ihrem inneren Auge entsteht,ist nur drei Stockwerke hoch, hat also keinesehr großen hierarchischen Abstände, dafüraber um so breiter, um, wie sich aus demKontext des Interviews erschließt, genugRaum zu haben für die Darstellung des fürsie nach wie vor zentralen Interessengegen-satzes von Kapital und Arbeit. Wichtiger alsdie Oben-unten-Achse ist ihr die horizontale:Beide Akteure sitzen auf einer Ebene, abernicht dicht beieinander, sondern in ange-messenem Abstand voneinander. Währenddes Sprechens merkt sie, dass diese Kon-struktion doch zu symmetrisch geraten ist:Dem Interessengegensatz ist zwar Genügegetan, doch die Differenz in Hierarchie,Macht und Einfluss, die sie erlebt, geht beider Verortung auf dem gleichen Stockwerkverloren. Und so trägt sie nach, dass beidedoch nicht auf der gleichen Ebene sitzen,aber auch nicht eine ganze Etage auseinan-der. Die Geschäftsleitung thront nicht überdem BR und der BR rangiert nicht unter der

110Wirtschaftspsychologie

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E. TIETEL

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Geschäftsleitung. So kommt es zu einer ers-ten Formulierung jenes Zwischen, das fürden Ort des Betriebsrats in der sozialen To-pographie des Betriebes charakteristisch zusein scheint: Die Geschäftsleitung hat nachoben „schon eine halbe Etage mehr“ – abereben auch ,bloß’ eine halbe Etage! Halb istder Betriebsrat auf der Höhe der Geschäfts-leitung, zur anderen Hälfte residiert die Ge-schäftsleitung über dem Betriebsrat. Irgendwie auf einer Ebene mit der Ge-schäftsleitung, aber in bestimmten Dingendann doch ein Stück darunter, verortet auchder folgende Freigestellte von SOLUTIONSden Betriebsrat: „Ich würde beide auf einer

Ebene sehen. Das muss schon, das müsste

schon eine Ebene sein. Also in geschäftlichen

Sachen ist die Geschäftsführung etwas her-

vorgehoben, ist ganz klar. Sagen wir, die ha-

ben so’n kleinen Podest da, aber mehr auch

nicht.“ Auch hier wird der BR sowohl nebenals auch partiell unter der Geschäftsleitungplatziert. In der Textbewegung von: „Ich

würde beide auf einer Ebene sehen“ zu:„Das muss schon, das müsste schon eine

Ebene sein“, scheint jedoch ein Zögern darü-ber auf, ob die Gleichrangigkeit beider Ak-teursgruppen Realität („würde sie auf einer

Ebene sehen“), Anspruch („muss“) oder Ap-pell („müsste“) ist. Auch das „ Podest“ istnicht ohne eine gewisse Zwiespältigkeit: Ei-nerseits erhöht er die Geschäftsführung, in-dem er sie auf ein Podest setzt und anderer-seits holt er sie von diesem Podest sogleichauch wieder herunter, indem er hinzufügt,dass es nur „so ein kleines Podest“ sei undzur Bestärkung der Kleinheit unterstreicht:„mehr aber auch nicht“. Der Hinweis darauf, in welcher Hinsicht dieGeschäftsleitung „hervorgehoben“ auf ei-nem „kleinen Podest“ anzusiedeln ist, führtzu einer Einschränkung, auf die ich oft gesto-ßen bin, wenn es darum ging, den Betriebs-rat mit der Geschäftsleitung auf gleicher Au-genhöhe zu verorten: „Also in geschäftli-

chen Sachen ist die Geschäftsführung etwas

hervorgehoben, ist ganz klar“. Hier ist selbstdieser BR aus dem höheren Angestelltenmi-lieu mit deutlicher Co-Management-Orien-tierung bereit anzuerkennen, dass die Ge-schäftsführung die Geschäfte führt.

b) Verortungen auf der horizontalenAchse

Markiert die vertikale Ebene die Differenzvon oben und unten, so lässt sich auf derHorizontalen die Unterscheidung von links

und rechts, von hüben und drüben darstel-len. Dabei ist die horizontale Achse jedochuneindeutiger als die vertikale: WährendLetztere relativ eindeutig hierarchische Über-und Unterordnungsverhältnisse symbolisiert,eignet sich die horizontale Achse sowohl fürdie Darstellung von Gleichheit – beide sindauf derselben Ebene verortet – als auch von(Interessen)Gegensätzen: Man steht auf dereinen oder auf der anderen Seite. Beide As-pekte finden sich im Bild einer Betriebsrätinvon LEGAT: „Also da muss ich sagen, ich

würde sie auch da nicht nebeneinander ha-

ben wollen. Vielleicht schon auf derselben

Etage, aber jeder an einer anderen Ecke, also

schon etwas Distanz wahren. Betriebsrat und

Vorstand sollten schon räumlich getrennt

voneinander sein, einfach auch, was den Ein-

druck nach außen angeht. Also ich denke,

dass die Belegschaft das auch merkwürdig

empfinden würde, wenn der BR direkt neben

dem Vorstand sitzt.“ Beide „auf derselben

Etage, aber jeder an einer anderen Ecke“. AufAugenhöhe, aber ohne dass die betriebspo-litische „Distanz“ zwischen den beiden Ak-teursgruppen verloren geht. Dies vor allemwegen der Beobachterposition des Dritten,der Belegschaft, die in der Beziehung zwi-schen BR und Geschäftsleitung immer (mehroder weniger latent) präsent ist und die esals „merkwürdig empfinden würde, wenn

der BR direkt neben dem Vorstand“ säße. EinAspekt, der nicht zufällig von einer nichtfrei-gestellten Betriebsrätin thematisiert wird, diestärker als ihre Kollegen aus dem BR-Bürodamit konfrontiert ist, wie die Zusammenar-beit der Betriebsratsspitze mit der Geschäfts-leitung im Betrieb beäugt wird.

c) Die Verortung des Betriebsrats inverschiedenen Anbauten

Während er unter dem Stichwort „ Realitäts-

bild“ die Geschäftsführung in einem „ Pent-

house oben unter dem Dach“ verortet, siehtHerr Heikert, ein nur teilweise freigestellterBR von SOLUTIONS, den Betriebsrat garnicht richtig im Haus angesiedelt: „Den Be-

triebsrat würde ich in einem Anbau sehen.

Und dieser Anbau ist nicht mal richtig durch-

gängig mit dem Haus verbunden. Ich würde

sogar sagen, man muss erst nach draußen ge-

hen, um dahin zu kommen. Aber er ist schon

am Haus dran, er ist nicht separiert, wie frü-

her das alte Lokus oder so was.“ Der BR hatin diesem Bild eine isolierte Verortung: Au-ßerhalb des Hauses in einem „Anbau“ –weit von der Geschäftsführung entfernt,

DER ORT DES BETRIEBSRATS IN DER SOZIALEN TOPOGRAPHIE DES BETRIEBES

111Wirtschaftspsychologie

Heft 1/2007

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aber auch von der das Haus ausfüllendenBelegschaft. Denn auch für letztere gilt:„Man muss erst nach draußen gehen, um da-

hin“ – zum BR – „zu kommen“. Zwar nichtso abgelegen, wie es früher das kleine ‚Ört-chen‘ war, sondern „am Haus dran“, abereben doch außen vor! Hierin drückt sich dasGefühl eines Betriebsrats aus, mit seiner be-triebspolitischen Sichtweise zu den Ge-schäftsprozessen nicht wirklich dazu-zugehören, ein Stück weit sowohl außen vorgehalten zu werden, als auch sich außen vorzu fühlen – letztlich wenig erwünscht zusein. Möglicherweise hat sich der BR im Lau-fe der Jahre aber auch selbst ein Stück weitin einen Anbau zurückgezogen. Dass derAnbau „nicht durchgängig mit dem Haus

verbunden ist“, kann auch so gelesen wer-den, dass in diesem Anbau eine von der vor-herrschenden Arbeits- und Unternehmens-kultur deutlich unterschiedene Betriebsrats-kultur gelebt wird, und dass diese nur in par-tieller Abgeschiedenheit gepflegt werdenkann. Meinem Eindruck zufolge wollen die‚Metaller’ bei SOLUTIONS beides: Sowohldazugehören, gleichzeitig aber auch ihre ei-genen Wege gehen und ihre politischen Zie-le verfolgen und sich nicht von der etab-lierten Ingenieurkultur des Betriebes verein-nahmen lassen. Das Bild des Anbaus erweistsich also bei genauerer Interpretation nichtso einseitig, wie es die Äußerungen vonHerrn Heikert zunächst nahe legen; die Tren-nung zwischen Haus und Anbau beruht beiLicht besehen auf einer wechselseitig ge-pflegten Distanz.In einem „Anbau“ lokalisiert auch der BR-Vorsitzender von DACHS den Betriebsrat. Erbegründet dies damit, dass er sich nicht alswirtschaftlichen Co-Manager sieht und vondaher auch keine unmittelbare Verantwor-tung für die geschäftliche Entwicklung desHauses trägt. Dann präzisiert er sein Bild desAnbaus wie folgt: „Ich hatte eben noch, als

ich „Anbau“ sagte, hab ich ein Bild vor Au-

gen gehabt, wo man sich jetzt wirklich so ein

Haus vorstellt. Und das ist kein Anbau, der

hier unten irgendwo so dran sitzt, sondern

eher an allen Etagen hier der Länge nach und

man hat überall den Zugang zu den Dingen.

So ist eher das Bild, nicht. Wie so ein Silo, das

da angebaut ist an der Seite, so nicht.“ Wieanders ist doch dieses Bild eines Anbaus!Die Rede ist hier nicht von der Abgeschie-

denheit eines Anbaus, in den man sich einer-seits verbannt sieht, in dem man sich aberauch selbst ein Stück weit eingerichtet hat.Im Gegenteil: Hier finden wir das Bild einesAnbaus, der außen am Haus angebracht istund einen unverzüglich zu allen Etagen –von der untersten bis zur obersten – bringtund den Zugang zu allen Bereichen desHauses ermöglicht. Es ist dies das Bild einesdurchlässigen Außen: durchlässig von außennach innen und auch durchlässig von untennach oben.2 Ein beweglicher Ort, denn die-ser BR-Vorsitzende verortet sich und seinGremium nicht fest auf einer Ebene; er willnicht auf der oberen Etage neben der Ge-schäftsleitung residieren, hier will er mög-lichst unbeschränkten Zugang haben, hierwill er aber auch wieder gehen (können), umsich auf den unteren Ebenen bei den Kolle-gen niederzulassen. Das Bild des Silos be-tont den Charakter des Betriebsrats alsGrenzgänger (Tietel 2001): Sein Ort liegtquer zu den hierarchischen, funktionellenund kulturellen Grenzen einer Organisation.Nicht zuletzt ist es ein Ort auf der identitäts-relevanten Grenze (Hirschhorn und Gilmore1993) zwischen Dazugehören und Außen-vor-sein: In gewisser Weise gehört der Be-triebsrat auf allen Ebenen des Betriebes dazuund in gewisser Weise bleibt er zugleich ausden verschiedenen Arbeitszusammenhän-gen und Arbeitskulturen außen vor und bil-det eine eigenwillige Kultur.

d) Die Vision: Auf gleicher Ebene undauf Augenhöhe

Im Gegensatz zur insgesamt als niedrig er-lebten Platzierung im Hinblick auf die Ge-schäftsleitung dominiert das Bild, mit jenerauf einer Ebene zu sitzen, die Vorstellungenvon Betriebsräten darüber, wie man sich dieeigene Verortung wünscht beziehungsweise,welche sozio-räumliche Platzierung man an-gemessen fände. Pointiert formuliert folgen-der Nichtfreigestellter von DACHS, auf wel-cher Ebene des Betriebes sie seines Erach-tens sitzen müssten, wo sie, wie er sagt, „ei-

gentlich hingehörten“: „Also ich persönlich

sehe uns noch nicht da, wo wir eigentlich

hingehörten. Ich hab‘ den Anspruch, dass un-

ser Gremium deutlich eigentlich auf der glei-

chen Ebene sitzen müsste wie der Vorstand,

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2Darin spiegelt sich die Erfahrung eines Betriebsratsvorsitzenden, der in einer Weise, von der die Betriebsräte der an-deren Betriebe nur ,träumen’ können, bei den für ihn relevanten betrieblichen Akteuren - vom Vorstandsvorsitzen-den über die Personalchefin bis zum einen oder anderen (Haupt-)Abteilungsleiter - offene Türen und Ohren findet.

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das ist mein Ziel. Als gleichberechtigter Part-

ner.“ Klingt in diesen Worten zunächst nochdie Klage mit, von der Anerkennung als„gleichberechtigter Partner“ ein ganzesStück entfernt zu sein, konkretisiert er kurzdarauf seine Vorstellung von ,Partnerschaft‘,insofern er es sich gut vorstellen könnte,dass immer „ein Betriebsrat an den Sitzun-

gen der Geschäftsleitung teilnimmt.“ Ein Mit-glied der BR-Spitze von LEGAT äußert einenähnlichen Gedanken, jedoch im Bewusst-sein, dass dies angesichts ihrer betrieblichenVerhältnisse eine „Utopie“ ist, die er in denverbleibenden Jahren seiner BR-Tätigkeitwohl nicht mehr erleben wird: „Mein

Wunsch wäre, das wäre natürlich schön, aber

das ist Utopie, in der gleichen Etage zu sit-

zen.“ Seine Kollegin aus der BR-Spitze äu-ßert ebenfalls, dass es ihr „ Wunsch wäre, mit

denen oben auf einer Ebene sitzen. So stelle

ich mir Betriebsratsarbeit auch vor.“ Wennsie im Weiteren formuliert, dass sie, wenn-gleich nicht auf der Ebene der Geschäftslei-tung, so aber doch zumindest auf der Ebeneder leitenden Angestellten sitzt – „Ich bin

mindestens auf der Ebene wie die leitenden

Angestellten, da gehör’ ich hin, direkt unter

dem Vorstand. Aber nicht von dem geleitet

und gesteuert, sondern eben als Gesprächs-

partner. Da ist mein Ort, das ist, wo ich ste-

he!“ – dann sieht sie sich diesem Ziel näherals ihre männlichen Kollegen aus der Fünfer-runde der Freigestellten. Ein Ort „direkt un-

ter dem Vorstand“, aber im Gegensatz zuden „leitenden Angestellten“ der Linienorga-nisation „nicht von dem geleitet und gesteu-

ert“, das heißt, mit einer Autonomie ausge-stattet, von der die dem Vorstand direkt un-terstellten Leitungskräfte nur träumen kön-nen. Sie vertritt hier am ausgeprägtesten vonallen BetriebsrätInnen unseres Samples dieVorstellung, dass die Betriebsratsspitze zurFührungsebene des Betriebes gehört (Tietel2007).

4. VERORTUNGEN IM HINBLICK AUF DIE

BESCHÄFTIGTEN

Die Verortungen des Betriebsrats im Hin-blick auf die Beschäftigten sind ähnlich kom-plex wie die soziale Platzierung im Hinblickauf die Geschäftsleitung. Auch hier treffenwir auf die Schwierigkeit, für sich einen an-gemessenen Platz zu finden. Die wesentli-chen Verortungen des Betriebsrats sind hier„unten bei der Belegschaft“, „mitten unter

der Belegschaft“, und „über der Beleg-

schaft“, was sich – spiegelbildlich zu der pa-

radoxen Verortung im Hinblick auf die Ge-schäftsleitung – in der Formulierung ‚bei-und-zugleich-über‘ den Beschäftigten ver-dichten lässt.

a) Bei der Belegschaft

Die Beschäftigten sitzen sozio-räumlich ge-sehen ziemlich durchweg „unten“ im Haus.In manchen Bildern füllen sie das Innere desHauses aus. Und entsprechend wird der BRin den Bildern, in denen die Nähe zur Beleg-schaft ausgedrückt werden soll, mal „unten

bei der Belegschaft“ oder aber „in der Mitte

und die Belegschaft drum herum“ verortet. Ineinigen Bildern, in denen der Wunsch nacheiner Verortung in der Nähe zur Belegschaftzum Ausdruck gebracht wird, geht es spür-bar um Identifikationen, um eine erlebteoder gewünschte Verwurzelung in der Be-legschaft, um einen Ort, an dem man sichheimisch fühlen kann. Und um die subjekti-ve Erfahrung, dass der Schritt in den BR allzuleicht mit einer Entfernung und Entfremdungvon der eigenen Basis einhergeht. Eine Freigestellte von SOLUTIONS führt ihr„Gefühl“ an, wenn sie von ihrer ,innerenVerortung‘ in der Nähe der Kollegen spricht.Während sie einerseits auf den Anspruchdes BR auf einen geschäftsleitungsnahenPlatz pocht, stellt sie dieser „offiziellen Sicht-

weise“ ihre „ gefühlsmäßige Sichtweise“ zurSeite: „Also ich persönlich fühle mich eigent-

lich noch am meisten hingezogen zu den ge-

werblichen und den angrenzenden Berei-

chen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass

ich hier gelernt habe und das so die Abteilun-

gen sind, die ich durchlaufen habe. Da kenne

ich viele Leute, da fühle ich mich einfach zu

Hause.“ In den produktionsnahen Bereichenhat sie ihre Wurzeln, hier hat sie nach wievor persönliche Beziehungen, hier fühlt siesich „einfach zu Hause“. In diesem „da füh-

le ich mich einfach zu Hause“ steckt das Er-leben eines fraglosen Dazugehörens, dieMöglichkeit, sich aus den betriebspoliti-schen Konflikten mal ein wenig zurückzuzie-hen und so sein zu können, wie sie sichfühlt. Eine weitere Betriebsrätin von SOLUTIONS– und hier zeigt sich die enge gewerkschaftli-che Identifizierung und nostalgische ‚Sehn-sucht‘ (Tietel 2006) der Betriebsräte dieserFirma – sehnt sich nach einem Ort an derbetrieblichen Basis: „Also wenn es ein Haus

wäre mit mehreren Etagen, dann würde ich

die Geschäftsführung ganz nach oben setzen

und würde mir wünschen, dass der Be-

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triebsrat ganz unten auf dem Boden sitzt,

aber ich fürchte, der sitzt dann eher doch so

in der zweiten oder dritten Etage. Irgendwo

dazwischen. Liegt einfach in der Art.“ Hierspricht sich der Wunsch aus, dass der BR sei-ne Bodenhaftung bei den Beschäftigten be-hält. Es entbehrt nicht einer gewissen Weh-mut, wenn sie „fürchtet“, dass der BR „dann

eher doch so in der zweiten oder dritten Eta-

ge sitzt. Irgendwo dazwischen“. Sie ist so rea-listisch, zu sehen, dass der Betriebsrat in dersozialen Topographie des Betriebes ein gan-zes Stück über der Belegschaft rangiert. „Ir-

gendwo dazwischen“, sagt sie. Wieder derVerweis auf ein „Dazwischen“ als nicht ge-nau zu bezeichnender Ort; das „Irgendwo“

verstärkt hier noch die Unbestimmtheit die-ses Ortes. Und zwar nicht nur für sie und ih-re subjektive Erfahrung, sondern, wie sie hin-zufügt: Das „liegt einfach in der Art“ –sprich, es gehört zum Wesen der Institutionund der Rolle Betriebsrat.

b) Die Mitte des Betriebes als Ort derErreichbarkeit

In den Interviews, in denen der BR hinsicht-lich der Belegschaft in der Mitte des Be-triebes platziert wird, steht oft der GedankePate, dass es wichtig für den Betriebsrat ist,dass er von den Beschäftigten gut „erreicht“

werden kann. Der Wunsch nach einer grö-ßeren Nähe zur Belegschaft ist hier eherfunktional: „Den BR würde ich so setzen,

dass er mittig ist, für alle Belegschafts-

mitglieder zu erreichen. Wo alle vorbeikom-

men, wo jeder reingehen kann.“ Oder:„ Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde

ich eher in der Nähe von Orten sitzen, die so-

wieso von Leuten besucht werden, ob es die

Kantine ist oder die Poststelle oder so was,

wo man mal vorbeigehen kann, ohne dass

man einen Umweg machen muss. So in Lauf-

nähe.“ Mit der Verortung „in Laufnähe“ ver-bindet sich die Hoffnung, dass auch in ei-nem Unternehmen, in dem ein guter Teil derBeschäftigten dem BR eher verhalten gegen-übersteht, der eine oder andere Kollegedoch mal durch die Türe tritt, wenn er/sieauf dem Weg zur Poststelle oder zur Kantineam BR vorbeikommt. Es ist für das betriebs-rätliche Selbstgefühl sicher nicht sehr auf-bauend, wenn man den Eindruck hat, dassman für diejenigen, deren Vertreter man im-merhin ist, nicht mal einen Umweg wert ist;die gewünschte „Laufnähe“ weist auch aufdas Gefühl hin, dass man den geschätztenKollegInnen im betriebsrätlichen Alltag doch

mehr hinterherläuft, als man sich das vorge-stellt hat. Drückt sich der Wunsch nach An-erkennung durch die Geschäftsleitung in derVorstellung aus, auf gleicher Ebene angesie-delt zu sein und auf gleicher Augenhöhe mit-einander zu verkehren, so der Wunsch nachAnerkennung durch die Belegschaft darin,dass man für die Beschäftigten „erreichbar“

ist, dass man mit ihnen in „ Kontakt kommt“

und dass man das Gefühl hat, von den Kolle-gen mit seinen betriebsrätlichen Kompeten-zen ,gefragt’ und für sie in seiner Rolle alsBetriebsrat ,verwendbar‘ zu sein.

c) Der Ort des Betriebsrats bei-und-zu-gleich-über den Beschäftigten

In vielen Äußerungen deutet sich ein „Ir-

gendwo Dazwischen“ an, das den Betriebs-rat sowohl mit den Beschäftigten verbindetals auch von ihnen unterscheidet. ,Mitten un-ter den Beschäftigten’ und doch ein wenigdarüber bestimmt eine der Freigestellten vonSOLUTIONS ihren Ort bezüglich der Be-schäftigten: „Der Betriebsrat sitzt mittendrin,

in etwas gehobener Position. Das liegt auch

daran, wie man so gesehen wird und viele

sich selbst vielleicht auch so sehen.“ DiesePosition zugleich bei und über den Beschäf-tigten kommt explizit in den Schilderungender Betriebsrätin von TECHNO zum Aus-druck: „ Und dazwischen, darunter, dazwi-

schen befindet sich die gesamte Belegschaft.

Es sitzen welche neben dem Betriebsrat und

dann sitzen welche gar nicht so weit von der

Geschäftsleitung weg und dann eine ganze

Menge dazwischen. Und der Betriebsrat und

die Geschäftsleitung sitzen halb so da drü-

ber.“ Wie in den meisten Bildern von TECH-NO sind weder der Betriebsrat noch die Ge-schäftsleitung abgehoben vom produktivenund sozialen Geschehen in der Firma. Unddoch formuliert diese Betriebsrätin eine Ab-stufung: „Dazwischen darunter, dazwischen

befindet sich die gesamte Belegschaft“. Wirfinden erneut ein Schwanken zwischen dergleichen Ebene: „dazwischen“ und einer hie-rarchischen Abstufung: „darunter“; aberauch mit dem „darunter“ ist sie nicht ganzglücklich, so dass sie erneut zum „dazwi-

schen“ zurückkehrt. Belegschaft und BR sindihrem Eindruck zufolge, so kann man dasHin-und-her-Schwanken verstehen, wederwirklich auf einer Ebene, noch wirklich aufunterschiedlichen Ebenen. Das ,Daneben‘stimmt ebenso nur zur Hälfte wie das ,Da-runter‘ – und so führt sie eine Zwischen-Eta-ge ein: „Betriebsrat und Geschäftsleitung sit-

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zen halb so da drüber“. Hinsichtlich der Ver-ortung des BR hat sie damit den Ort gefun-den, der ihre Unentschiedenheit zwischendem „Dazwischen“ und dem „Darunter“

aufzulösen erlaubt: ,halb-darüber’, also inder Zwischensphäre des Bei-und-zugleich-über den Beschäftigten.

SCHLUSS

In gewisser Weise ähnelt die ambivalenteVerortung des Betriebsrats in der sozialenTopographie des Betriebes der Position vonmittleren Führungskräften, die wie der BR„transferielle Funktionen in beide Richtun-gen wahrnehmen“ (Freimuth u.a. 2003, S.24) und hierbei ebenfalls der „Ambivalenz“unterliegen, „zugleich Führungskraft undMitarbeiter zu sein“ (ebenda). Doch wäh-rend für mittlere Führungskräfte zumindestklar ist, dass von oben „die Umsetzung derVorgaben“ erwartet wird, während sie sichnach unten hin, zu ihren eigenen Mitarbei-tern „behaupten und durchsetzen“ müssen,sie tatsächlich in einer hierarchisch abgestuf-ten Mitte situiert sind, ist die Verortung vonBetriebsräten paradoxer, da sie sich wederdem ‚Oben‘ unterzuordnen noch denen‚unten‘ Anweisungen zu geben haben undsich obendrein auf eigentümliche Weise zu-gleich oben und unten dazugehörig fühlen.Damit sind sie stärker als Führungskräfte voneiner grundlegenden „Statusunsicherheit“betroffen, die Seidl (1999, S. 69) als einender zentralen Stressfaktoren für Betriebsräteermittelt hat. Nicht zuletzt die Tatsache, dassdas Bild der vermittelnden Mitte angesichtsdieser auseinanderfallenden Identifizierun-gen nicht recht trägt, hat mich dazu geführt,den Betriebsrat stärker in Kategorien des ,In-Beziehung-zu’ zu denken, also nicht nur alseinheitlichen Akteur in den betriebspoliti-schen Beziehungen, sondern auch in seinenheterogenen Beziehungsverhältnissen, diesich nur schwer als zusammenhängende Ein-heit fassen und in die strukturelle und hierar-chische Ordnung einer Organisation einpas-sen lassen.

LITERATUR

Bourdieu, P. (1985). Sozialer Raum und ,Klassen’.Frankfurt/M: Suhrkamp.

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Tietel, E. (2007). Betriebsratsvorsitzende als para-doxe Führungskräfte. In: Haubl, R., Daser, B.(Hrsg.) Macht und Psyche in Organisationen.Göttingen und Zürich: Vandenhoeck & Rup-recht.

PD DR. ERHARD TIETEL

Akademie für Arbeit und Politik

Parkallee 39

28209 Bremen

E-Mail: [email protected]

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Heft 1/2007

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Umweltpsychologie

ISSN 1434-3304

PABST SCIENCE PUBLISHERS

11. J

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1 (2

0), 2

007

SchwerpunktthemaZehn Jahre Umweltpsychologie

Entwicklung des Umweltbewusstseins über die Lebensspanne

Umweltpsychologische Interventionsformen neu gedacht

ISSN 1615-7729, Preis: 12,- Euro

PABST SCIENCE PUBLISHERS

Eichengrund 28, D-49525 Lengerich, Tel. 05484-308, Fax 05484-550, E-mail: [email protected] – Internet: www.pabst-publishers.de

Schwerpunktthema „Zehn Jahre Umweltpsychologie“

Zehn Jahre Fachzeitschrift Umweltpsychologie: Idee, Entwicklung und Perspektiven D. Krömker, A. Homburg

Gegenwärtiger Stand und Entwicklungsperspektivender Zeitschrift „Umweltpsychologie“ im Spiegeleiner Befragung von Leserschaft und Herausgeber-gruppeJ. Schahn

Erwartungen an die Umweltpsychologie aus einerPraxis-PerspektiveTh. Giesinger

Umweltpsychologische Interventionsformen neugedachtH.-J. Mosler & R. Tobias

Umweltpsychologie im Spannungsfeld zwischengesellschaftlicher Erwartung und fachlichemPotentialV. Linneweber & E.-D. Lantermann

Quo vadis umweltpsychologische Lehre?Gegenwärtiger Stand und Entwicklungsperspektivender umweltpsychologischen Lehre in DeutschlandM. Jaeger, A. Ziesenitz & E. Matthies

Forschung

Entwicklung des Umweltbewusstseins über dieLebensspanneM. Pinquart, R. K. Silbereisen

Nr. 1-2007

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